SEPA: Neues Verfahren bei Kfz-Steuer

Das SEPA-Verfahren löst die Einzugsermächtigung für die Kfz-Steuer ab. SEPA steht für die Vereinheitlichung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Europa und wirkt sich auch auf die Kfz-Zulassung aus.

Da die Kfz-Steuern für Zulassungen im Januar erst im Februar festgesetzt werden, werden ab 1. Januar 2014 die bisherigen Einzugsermächtigungen für die Kfz-Steuer durch das SEPA-Verfahren ersetzt.

Dies bedeutet, dass zukünftig nur noch dann eine Zulassung möglich ist, wenn ein vom Halter sowie vom Zahler (falls voneinander abweichend) unterschriebenes SEPA-Mandat („neue Einzugsermächtigung“ in Papierform unter Angabe von IBAN und BIC) für den Einzug der Kfz-Steuer im Original zusammen mit den Antragsunterlagen vorgelegt wird. Es kann nur ein Original anerkannt werden – ein Fax oder eine Kopie können nicht akzeptiert werden.

Da die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer ab dem 15. Februar 2014 von den Finanzämtern auf die Zollverwaltung übergeht, ist bis 14. Februar 2014 der Vordruck „Kombi-SEPA-Mandat“ zu nutzen und ab 15. Februar 2014 das „SEPA-Mandat“.

Quelle: Internet auf der Seite der Stadt Salzgitter www.salzgitter.de

Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten durch die Angehörigen der freien Berufe

Mit BMF-Schreiben vom 3l: Juli 2013 hat sich die Finanzverwaltung zu den Konsequenzen des BFH-Urteils vom 22. Juli2010, V R 4/09, BStBI 2013 II S. 590, geäußert. Es wurde geregelt, dass die Genehmigung der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 Satz I Nummer 3 UStG für Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs nicht mehr zu erteilen ist, wenn der Unternehmer für diese Umsätze Bücher führt. Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig geführt werden. Eine freiwillige Buchflihrung im Sinne des BMF-Schreibens liegt vor, wenn der Unternehmer den ertragsteuerlichen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Absatz l, § 5 EStG ermittelt. Das Führen von Aufzeichnungen für Zwecke einer Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Absatz 3 EStG schließt eine Genehmigung der Istversteuerung nicht aus.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes

Der 2. Senat des FG hat in seinem Beschluss vom 25. September 2013 (Az. 2 V 102/13) erkannt, dass zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes insbesondere in Anbetracht der gesetzlich vorgegebenen Mindesthöhe von 2.500 Euro eine an der Sanktionsuntergrenze auszurichtende Würdigung vorzunehmen sei, die sich insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten habe.

Im Streitfall hatte das Finanzamt im Hinblick auf den Zweck des Verzögerungsgeldes, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten, völlig unberücksichtigt gelassen, ob es Hinweise auf fehlende Mitwirkung oder bewusst bzw. verschuldetes zögerliches Handeln des Antragstellers bzw. seines Prozessbevollmächtigten und dessen Mitarbeiter überhaupt gab.

Die Beschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zugelassen.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Zur Bewertung des geldwerten Vorteils in Form der Teilnahme an einer Schiffskreuzfahrt

In seinem Urteil vom 4. September 2013 (Az. 2 K 23/12) führt der 2. Senat aus, zu welchem Zeitpunkt die Bewertung vorzunehmen ist, welche Faktoren im Rahmen der Wertermittlung zu berücksichtigen sind und unter welchen Voraussetzungen der Rabattfreibetrag zu gewähren ist.

Maßgebender Bewertungszeitpunkt sei im Streitfall nach Auffassung des Gerichts der Zeitpunkt des Reiseantritts oder kurz zuvor, da aus ex-ante-Sicht bis dahin die tatsächliche Unsicherheit der kurzfristigen Absage bestanden habe. Da die konkrete Reiseleistung nicht den Katalogleistungen entsprochen habe, sei ihr Wert zu schätzen. Bei der Bewertung der gewährten Leistungen sei neben wertmindernden und werterhöhenden Faktoren im Verhältnis zu den den regulär zahlenden Gäste zu Katalogpreisen angebotenen Reiseleistungen insbesondere zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiterreisen als Teil einer Restplatzverwertung gesehen werden müssten. Der Rabattfreibetrag könne nach Auffassung des Senates im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH, der den § 8 Abs. 3 EStG unter systematischer, teleologischer und historischer Interpretation eng auslege, nicht gewährt werden, da Arbeitgeber des Klägers in den Streitjahren die Reederei gewesen sei, die Reiseleistung selbst jedoch vom Reiseveranstalter, der Schifffahrtsgesellschaft, erbracht worden sei.

Der 2. Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Steuerbefreiung für Krankenhausbehandlungen einer Privatklinik

Mit Urteil vom 17. Juli 2013 (Az. 4 K 104/12, veröffentlicht in EFG 2013, 1884) hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass sich eine Privatklinik, die die Voraussetzungen der ab 2009 neu gefassten Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG für Krankenhäuser nicht erfüllt, unmittelbar auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. B MwStSystRL berufen kann.

Im Streitfall betrieb die Klägerin eine Privatklinik, in der niedergelassene Ärzte operative Eingriffe an gesetzlich und privat versicherten Patienten durchführten. Hierzu stellte die Klägerin den Ärzten die Räumlichkeiten, die Apparate und das nicht ärztliche Personal zur Verfügung.

Die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten erfolgte auf der Grundlage des zwischen der Kassenärztliche Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Vertrags zur Förderung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich des ambulanten Operierens nach § 73a SGB V, der für ambulante Operationen eine Vergütung nach dem Punktwertsystem der gesetzlichen Krankenkassen vorsah. Für die Behandlung von Privatpatienten rechnete die Klägerin mit den Patienten bzw. deren privaten Versicherungen Pauschalen ab, deren Höhe der Vergütung im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen entsprach.

Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG war im Streitjahr 2009 nicht anwendbar, da die Privatklinik der Klägerin nicht als Plankrankenhaus i.S.d. § 108 Nr. 2 SGB V in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen war und die Klägerin weder über eine Zulassung als medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 SGB V noch als Praxisklinik nach § 115 SGB V verfügte.

Der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts sah die Beschränkung der Steuerbefreiung für Krankenhausbehandlungen und eng verbundene Umsätze in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. Aa UStG auf zugelassene (Plan-)Krankenhäuser als Verstoß gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität an, da die Zulassung nicht vom Leistungsangebot der jeweiligen Privatklinik abhängig ist, sondern bedarfsabhängig erfolgt. Die Klägerin konnte sich daher unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen, deren Voraussetzungen sie im Streitfall erfüllte. Denn die Klägerin war als privatrechtliche Einrichtung gleicher Art i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL anzuerkennen, da das Leistungsangebot der Privatklinik den von öffentlichen Krankenhäusern sowie den von nach § 108 SGB V zugelassenen Privatkliniken erbrachten Leistungen entsprach und der Betrieb der Klinik aufgrund des therapeutischen Zwecks der operativen Eingriffe dem Gemeinwohlinteresse diente. Die Kosten der Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten, deren Anteil am Gesamtumsatz im Streitjahr ca. 43 % betrug, wurden von den gesetzlichen Krankenkassen und den Berufsgenossenschaften übernommen. Die Vergütung der in der Privatklinik erbrachten Behandlungen war zudem nicht unangemessen, da sich die Höhe der Vergütung sämtlicher Leistungen nach dem gesetzlichen Vergütungssystem für Ärzte und Krankenhäuser richtete.

Der Senat hat die Revision zugelassen; das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. XI R 38/13 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Anspruch auf Kindergeld setzt nicht voraus, dass sich der Kindergeldberechtigte in einer „typischen Unterhaltssituation“ befindet

In seinem Urteil vom 25. Juli 2013 (Aktenzeichen: 1 K 16/13) hatte der 1. Senat des Finanzgerichts darüber zu befinden, ob der ab März 2012 geltend gemachte Kindergeldanspruch für die Tochter des Klägers deshalb ausgeschlossen war, weil der Tochter gegen den Vater ihres eigenen Kindes ein Unterhaltsanspruch zustand. Diese Sichtweise hatte die Familienkasse unter Berufung auf die früher hierzu ergangene BFH-Rechtsprechung sowie auf ihre auf dieser Grundlage ergangene Dienstanweisung vertreten.

Der 1. Senat ist dem nicht gefolgt, er hat das begehrte Kindergeld zugesprochen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld lägen vor. Hierfür sei es nicht erforderlich, dass sich der Kindergeldberechtigte in einer „typischen Unterhaltssituation“ befinde. Soweit der BFH eine solche früher für erforderlich gehalten habe, habe er seine Sichtweise mittlerweile geändert. Ob ein Kind wegen eigener Einkünfte und/oder Bezüge typischerweise nicht auf Unterhaltsleistungen der Eltern angewiesen und deshalb nicht als Kind zu berücksichtigen sei, sei nicht bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG zu ermitteln, sondern sei – bis 2011 – erst auf einer zweiten Stufe bei der Prüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den maßgebenden Grenzbetrag überschritten hätten.

Nach der seit 2012 geltenden gesetzlichen Regelung komme es gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für die Festsetzung des Kindergeldes aber auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr an. Damit habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass Kindergeld bei Vorliegen eines Berücksichtigungstatbestandes auch dann zu gewähren sei, wenn dem Kind unabhängig vom Elternhaushalt ausreichende Mittel – z. B. in Gestalt von Unterhaltsansprüchen gem. § 1615 l BGB oder Ausbildungsvergütungen – zur Bestreitung seines Unterhaltes zur Verfügung stünden.

Zahlreiche Finanzgerichte teilen diese Sichtweise (vgl. z. B. FG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013, 10 K 1940/13 Kg, EFG 2013, 1863; FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10. September 2013, 4 K 951/12; FG Münster, Urteil vom 20. September 2013, 4 K 4146/12 Kg; FG Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2013, 10 K 3113/13 Kg; Niedersächsisches FG, Urteil vom 3. Dezember 2013, 13 K 194/13).

Der Senat hat die Revision zugelassen, das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 60/13 geführt. Außerdem sind weitere Revisionsverfahren zu der geschilderten Problemlage anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Nichtabzugsfähigkeit der Kosten einer erstmaligen Berufsausbildung als vorweggenommene Werbungskosten verfassungsgemäß

Der 2. Senat des Finanzgerichts hat mit Urteil vom 4. September 2013 (Az. 2 K 159/11) entschieden, dass § 9 Abs. 6 und § 12 Abs. 5 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG – vom 7. Dezember 2011) verfassungsgemäß sind. Danach sind u. a. Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung, die nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, keine Werbungskosten.

In dem entschiedenen Verfahren hatte ein Pilot die Anerkennung seiner im Veranlagungszeitraum 2004 angefallenen – hohen – Kosten für seine Pilotenausbildung als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit begehrt. Der 2. Senat hat die darauf gerichtete Klage abgewiesen. In der Entscheidung arbeitet er zunächst heraus, dass die Voraussetzungen der § 9 Abs. 6 und § 12 Abs. 5 EStG gegeben waren, insbesondere der Kläger seine Ausbildung angesichts der gegebenen vertraglichen Gestaltungen nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviert habe.

Sodann stellt er fest, dass der Anwendung der Vorschriften verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegenstünden. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot vor. Zwar führe der Umstand, dass die Vorschriften gem. §§ 52 Abs. 23d und 30a EStG bereits für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden seien, zu einer sogenannten echten Rückwirkung. Diese sei aber ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig, weil der Kläger kein schützenswertes Vertrauen dahingehend habe bilden können, dass die von ihm getätigten Aufwendungen als Werbungskosten würden abzugsfähig sein können. Das ergebe eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Normen, die letztlich eine Reaktion des Gesetzgebers auf die BFH-Urteile vom 28. Juli 2011 (VI R 38/10 und VI R 7/10) dargestellt habe. Mit diesen hatte der BFH entschieden, dass auch angesichts der seinerzeit geltenden §§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 Nr. 5 EStG a. F. die Kosten einer erstmaligen Berufsausbildung als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Damit sei der BFH jedoch nicht nur von der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers, sondern auch von der einhelligen Sichtweise der Instanzgerichte abgewichen. Angesichts des bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtszustandes sei kein Raum für die Bildung eines entsprechenden Vertrauenstatbestandes auf Seiten des Klägers.

Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bzw. das objektive Nettoprinzip würden durch die Regelungen nicht verletzt. Etwaige Ungleichbehandlungen im konkreten Einzelfall seien angesichts des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums und angesichts des Ermessensspielraums des Gesetzgebers bei der Schaffung typisierender Tatbestände hinzunehmen. Regelmäßig stehe eine erstmalige Berufsausbildung, die nicht im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses stattfinde, noch nicht in einem Zusammenhang mit einer konkreten Berufsausübung und damit Einnahmeerzielung, sondern diene eher der allgemeinen Lebensführung des Steuerpflichtigen. Das gelte unabhängig davon, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, später aufgrund der Art der Ausbildung auch einen Arbeitsplatz zu erhalten und auch unabhängig davon, wie hoch die Kosten der Ausbildung im Einzelfall seien.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren ist unter dem Aktenzeichen VI R 72/13 beim BFH anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Aufwendungen für die ambulant operative Entfernung überstehenden Fettgewebes (Liposuktion) infolge eines Lip-/Lymphödems als medizinisch indizierte Krankheitskosten

Der 5. Senat hat mit Urteil vom 14. August 2013 (Az. 5 K 238/12, veröffentlicht in EFG 2013, 1846) entschieden, dass Aufwendungen für die ambulant operative Entfernung überstehenden Fettgewebes (Liposuktion) infolge eines Lip-/Lymphödems, die damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten zur Vorbesprechung und zu dem Operationstermin selbst sowie die im Zuge der Operation entstandenen Medikamentenkosten, als medizinisch indizierte Krankheitskosten zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG sein können.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die 1968 geborene, 168 cm große und 63 kg schwere Klägerin klagte über Schwellung und Schmerzen der unteren Extremitäten, die schon seit Jahren bestünden und mit der Zeit an Stärke zugenommen hätten. Es wurde ein Lip-/Lymphödem beider Beine diagnostiziert. Ein Venenleiden bestehe nicht, letztlich dürfte eine Liposuktion in Frage kommen. Der Klägerin wurde bestätigt, dass es bei der Erkrankung der Klägerin darauf ankomme, eine frühzeitige Behandlung einzuleiten, um Folgeschäden zu vermeiden. Da sich gezeigt habe, dass eine alleinige Therapie mit Lymphdrainagen und Kompression nicht zum Erfolg geführt habe, solle auch an operative Maßnahmen gedacht werden. Ergänzend führte Dr. B aus, dass bei aktiver sportlicher Betätigung Schmerzen in den Fettpolstern angegeben worden seien, ohne dass bei der Klägerin eine Übergewichtigkeit vorgelegen habe. Er habe eine Lipohyperplasie vom Typ 1b festgestellt. Dabei handelte es sich um eine Fettanlagestörung, die symmetrisch auftrete und bei Frauen meist nach hormonellen Umstellungen beginne und durch einen chronischen Verlauf gekennzeichnet sei. Die Störung sei grundsätzlich nicht diätetisch behandelbar. Die krankhaft vermehrten Fettzellen blieben erhalten und würden durch Quetschung der Lymphbahnen, der Blutgefäße und Nerven zur Entwicklung von Beschwerden führen. Am 17. Oktober 2011 wurde die Operation durchgeführt. Den dafür anfallenden Betrag in Höhe von 5.500 Euro entrichtete die Klägerin in bar. Die Kosten der Behandlung wurden, auch nicht teilweise, von dritter Seite ersetzt. Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung auch im Einspruchsverfahren.

Der 5. Senat hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben. Von einer nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Krankheit sei auszugehen, wenn es sich nicht um einen allenfalls als missbeliebigen anzusehenden Zustand handele, sondern um einen anormalen Zustand, der Störungen oder Behinderungen in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen von solchem Gewicht zur Folge habe, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedürfe. Liege eine Krankheit in diesem Sinne vor, entscheide allein der Steuerpflichtige, welche Aufwendungen er für die Linderung seiner Krankheit tragen wolle. Berücksichtigungsfähig seien allerdings nur solche Aufwendungen, die medizinisch indiziert seien, also diejenigen diagnostischen oder therapeutischen Verfahren, deren Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sei.

Die Liposuktion diene ausschließlich der Therapie der durch die bei der Klägerin vorliegenden Lipohyperplasie vom Typ 1b verursachten Beschwerden und sei medizinisch notwendig gewesen. Insbesondere schieden für die Vornahme des Eingriffs kosmetische Motive der Klägerin aus. Im konkreten Einzelfall stehe der Zwangsläufigkeit nicht entgegen, dass die gesetzlich krankenversicherte Klägerin vor der Durchführung der Operation nicht versucht habe, eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung durch die Versicherung zu erreichen. Die Klägerin habe keine Veranlassung gehabt, über eine Kostenerstattung oder Kostenübernahme durch Dritte nachzudenken. Der Klägerin sei zu einer Liposuktion geraten worden, obgleich diese Behandlungsmöglichkeit nicht im GKV-System vorgesehen sei. Tatsächlich habe es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode gehandelt, für die bis dato keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bezüglich des diagnostischen und therapeutischen Nutzens vorliege. Für neuartige Behandlungsverfahren gelte im Bereich der ambulanten Versorgung ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, §§ 135 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.02.2013 L 1 KR 391/12, juris). Dies bedeute, dass die Klägerin gegen die gesetzliche Krankenversicherung keinen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten für die ambulant durchgeführte Liposuktion hatte. Die Klägerin auf den Weg zu verweisen, vor einer steuerlichen Geltendmachung der Kosten eine Kostenübernahme in einem ggf. mehrere Jahre andauernden Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstreiten, hielt der Senat vorliegend für nicht zumutbar.

Hinzuweisen ist ergänzend auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 04.02.2013 (10 K 542/12; Revision zugelassen VI R 51/13) sowie auf die Besprechung und Hinweise von Hennigfeld in EFG 2013, 1848.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Wirksamkeit einer per Telefax eingereichten Einkommensteuererklärung

Mit Urteil vom 19. September 2013 (Aktenzeichen 1 K 166/12) hat der 1. Senat des FG erkannt, dass ein Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung wirksam auch per Telefax beim Finanzamt eingereicht werden kann. Letzteres hatte dies auf der Grundlage des – für das Finanzamt bindenden – BMF-Schreibens vom 20. Januar 2003 2003-01-20 IV D 2-S-0321-4 / 03 (BStBl I 2003, 74) anders gesehen und die Durchführung der Antragsveranlagung verweigert. Sehe das Gesetz – wie bei Einkommensteuererklärungen und entsprechend auch bei Anträgen auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung – eine eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen vor, so müsse diese Unterschrift auch im Original und nicht lediglich als (Telefax-)Kopie vorgelegt werden.

Dieser Sichtweise ist der 1. Senat nicht gefolgt. Nachdem er die verschiedenen in Rechtsprechung und Literatur hierzu vertretenen Auffassungen dargestellt und sich mit ihnen auseinandergesetzt hat, führt er aus, dass das Merkmal der „Eigenhändigkeit“ der Unterschrift lediglich erfordere, dass sie von der Hand des Steuerpflichtigen stamme. Mit der eigenhändigen Ableistung der Unterschrift durch den Steuerpflichtigen in Kenntnis des konkreten Erklärungsinhalts sei dem Sinn und Zweck der „Eigenhändigkeit“ der Unterschrift (Absenderidentifikation, Warnfunktion, Verantwortungsübernahme für den Erklärungsinhalt) in Gänze genüge getan. Die Unterschrift des Steuerpflichtigen auf dem Original der Erklärung erfülle alle diese Funktionen, und zwar schon im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Erklärung dann im Original oder als (Telefax-)Kopie an das Finanzamt versende, komme es nicht an, da die Art und Weise der Übermittlung keine Auswirkung auf die genannte Zweckerfüllung habe.

Unerheblich sei auch, dass der Klägerin im konkreten Fall die Erklärung nicht vollständig, sondern lediglich in Gestalt des Deckblattes vorgelegen habe. Maßgebend sei auch hier, dass die Unterschrift dennoch alle ihr beizumessenden Funktionen erfüllt habe. Das sei der Fall, weil in tatsächlicher Hinsicht habe festgestellt werden können, dass die Klägerin sich im Rahmen eines ca. eineinhalbstündigen Telefonats über den genauen Inhalt der Erklärung vergewissert habe. Dementsprechend sei insbesondere die Warn- und Schutzfunktion gewährleistet gewesen, denn die Erklärung sei in Kenntnis und im Bewusstsein ihres Inhalts unterschrieben worden. Daher liege entgegen der vom Finanzamt vertretenen Sichtweise auch keine Konstellation vor, die mit derjenigen einer – unwirksamen – Blankounterschrift zu vergleichen sei.

Der Senat hat die Revision zugelassen; das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 82/13 geführt.

Quelle: FG Schhleswig-Holstein

Auskünfte an Gewerbebehörden in gewerberechtlichen Verfahren und Mitteilungen bei Betriebsaufgaben und Betriebsveräußerungen

„Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

  1. Mitteilungen an Gewerbebehörden von Amts wegen

    1.1 Das Gewerberecht sieht die Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis sowie die Untersagung eines Gewerbes bei gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit vor (z. B. §§ 33c, 34a bis 34f, 35, 38 GewO, § 15 GastG bzw. entsprechende landesrechtliche Vorschriften). Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann auch aus steuerrechtlichen Sachverhalten hergeleitet werden. Die Gewerbebehörden sind verpflichtet, mit den Mitteln der Gewerbeuntersagung gegen solche Gewerbetreibende einzuschreiten, die ihre steuerlichen Pflichten nicht erfüllen, um so das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs und die ordnungsgemäße Arbeit der Gewerbebehörden zu bewahren.

    1.2 Die gewerberechtlichen Vorschriften über die Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis sowie die Untersagung eines Gewerbes bei gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigen keine Durchbrechung des Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Die Finanzbehörden sind aber aufgrund eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses zur Offenbarung von steuerlichen Verhältnissen im Hinblick auf diejenigen Tatsachen befugt, aus denen sich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Sinne des Gewerberechts ergeben kann (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 1987, VII R 77/84, BStBl II S. 545 und vom 29. Juli 2003, VII R 39/02, VII R 43/02, BStBl II S. 828). Die richtige Auslegung und Anwendung des Gewerberechts in einem gewerberechtlichen Erlaubnis- oder Untersagungsverfahren obliegt dabei den Gewerbebehörden, nicht den Finanzbehörden. Die Finanzbehörde hat aber nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO in eigener Verantwortung zu prüfen, ob ein zwingendes öffentliches Interesse die Durchbrechung des Steuergeheimnisses rechtfertigt.

    1.3 Das von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO verlangte zwingende öffentliche Interesse ist dabei nicht davon abhängig, ob die Voraussetzungen des Gewerberechts (z. B. §§ 33c, 34a bis § 34f, 35, 38 GewO, § 15 GastG bzw. entsprechende landesrechtliche Regelungen) tatsächlich vorliegen. Das zu beurteilen gestattet § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO der Finanzbehörde nicht, die damit vielmehr dem Vollzug des Gewerberechts, der allein der Gewerbebehörde obliegt, unzulässig vorgreifen würde. Tatsachen, die eindeutig nicht geeignet sind, alleine oder in Verbindung mit anderen Tatsachen eine Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder eine Gewerbeuntersagung zu rechtfertigen, dürfen nicht mitgeteilt werden. Dabei muss die Finanzbehörde die Maßstäbe anlegen, die von den Verwaltungsbehörden und -gerichten aufgestellt worden sind (BFH-Urteil vom 29. Juli 2003, VII R 39/02, VII R 43/02, BStBl II S. 828).

    1.4 Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung von steuerlichen Verhältnissen gegenüber den Gewerbebehörden liegt grundsätzlich nur vor, soweit es sich um Steuern handelt, die durch die gewerbliche Tätigkeit ausgelöst wurden (insbesondere Lohnsteuer, Umsatzsteuer – vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1987, VII 77/84, BStBl II S. 545). Bei Personensteuern (insbesondere Einkommensteuer, Kirchensteuer) besteht ein solcher Zusammenhang, soweit diese Steuern durch die gewerbliche Tätigkeit ausgelöst wurden. Unabhängig davon ist ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung hinsichtlich der Personensteuern auch dann zu bejahen, wenn Versagung, Rücknahme oder Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit infolge wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit im Raume stehen (z. B. hohe Schuldenlast, kein Sanierungskonzept – vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. September 1987, 4 A 152/87, juris).

    1.5 Zu Mitteilungen in den Fällen des § 14 Abs. 4 GewO siehe Tz. 6.“

2. Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit

Die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, die mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehen, begründet die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht in jedem Fall, wohl aber dann, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen darauf schlie-ßen lässt, dass er nicht willens oder in der Lage ist, seine öffentlichen Berufspflichten zu erfüllen. Wegen der weittragenden Bedeutung, die die Versagung einer Erlaubnis oder die Unterbindung der gewerblichen Tätigkeit für den Betroffenen hat, muss es sich um erhebliche Verstöße handeln. Wann jeweils Unzuverlässigkeit vorliegt, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Anhalts-punkte für die Entscheidung bieten folgende Kriterien:
2.1 Nichtabgabe von Steuererklärungen
Die Nichtabgabe von Steuererklärungen begründet für sich allein eine Unzuverlässig-keit nur dann, wenn die Erklärungen trotz Erinnerung hartnäckig über längere Zeit nicht abgegeben werden (vgl. BVerwG-Urteil vom 16. März 1982, 1 C 124/80, juris). Die Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen oder von Umsatzsteuer-Voranmeldun-gen hat in der Regel besonderes Gewicht. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen in den übrigen Fällen wird regelmäßig nur in Verbindung mit der Nichtentrichtung von Steuern nach Tz. 2.2 von Belang sein.
Der bloße Erlass von Schätzungsbescheiden infolge Nichterfüllung steuerlicher Erklä-rungspflichten reicht noch nicht aus, um eine Unzuverlässigkeitsprognose gemäß § 35 GewO zu begründen. Eine gemäß § 162 AO schätzungsweise festgesetzte Steuer-schuld ist im Übrigen aber im Rahmen des § 35 GewO grundsätzlich nicht anders zu würdigen als eine solche, die sich aus ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergibt (BVerwG-Beschluss vom 26. September 1991, 1 B 115/91; juris).
2.2 Nichtentrichtung von Steuern
Die Nichtentrichtung von Steuern, insbesondere ein erheblicher Steuerrückstand, wird vielfach die Unzuverlässigkeit begründen. Mitgeteilt werden können dabei nicht nur bestandskräftig festgesetzte Steuerforderungen, sondern auch fällige, aber noch nicht bestandskräftig festgesetzte Steuerforderungen (BFH-Urteil vom 29. Juli 2003, BStBl II S. 828). Nur wenn die Vollziehung eines Steuerbescheides nach § 361 AO oder § 69 FGO ausgesetzt ist, darf die Nichtzahlung der festgesetzten Steuer im gewerberechtli-chen Untersagungsverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG-Beschluss vom 30. September 1998, 1 B 100/98, juris, mit Hinweis auf den Beschluss vom 5. März 1997, 1 B 56/97, juris).
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In diesem Zusammenhang sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
2.2.1 Umfang und Art der Steuerrückstände
Erforderlich ist in jedem Fall ein für die Verhältnisse des Betriebes erheblicher Steuer-rückstand. Beträge unter 5.000 € reichen in aller Regel nicht aus.
Von Bedeutung ist ferner die Entwicklung der Steuerrückstände – getrennt nach Steu-erarten – über längere Zeit. Ständig schleppender Zahlungseingang kann auch bei ver-hältnismäßig geringen Steuerrückständen die Unzuverlässigkeit begründen, während etwa eine hohe Steuerschuld im Anschluss an eine Außenprüfung nicht ohne weiteres auf steuerliche Unzuverlässigkeit schließen lässt.
Beruhen die Steuerrückstände ganz oder teilweise darauf, dass einbehaltene Steuerab-zugsbeträge (insbesondere Lohnsteuerbeträge) mehrfach nicht abgeführt worden sind, so begründet dies in der Regel Unzuverlässigkeit.
2.2.2 Vollstreckungsversuch
Ein Vollstreckungsversuch des Finanzamts ist in aller Regel unabdingbare Vorausset-zung für die Einleitung eines gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens wegen Steuerrückständen.
2.3 Subjektive und objektive Seite der Verstöße
Unzuverlässigkeit ist u. a. anzunehmen, wenn der Gewerbetreibende nicht willens ist, seine steuerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Hierauf lässt eine ständige Miss-achtung der ihm obliegenden Verpflichtungen schließen, z. B. die Weigerung, Steuer-erklärungen abzugeben, Steuerrückstände zu begleichen, einen Abzahlungsplan zu vereinbaren oder einzuhalten sowie der Versuch, Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts zu vereiteln.
Aber auch eine unverschuldet eingetretene Notlage, die z. B. auf allgemeine oder strukturelle wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen ist, kann die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Unzuverlässigkeit setzt weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs noch einen Charaktermangel voraus. Die gewerberechtlichen Bestimmungen über die Versagung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Erlaubnis sowie über die Untersagung eines Gewerbes sind wertneutral und keine Strafvorschriften. Der Schutz der Allgemeinheit gebietet es, bei unzuverläs-sigen Gewerbetreibenden die weitere Ausübung des Gewerbes zu unterbinden, wobei
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es im Hinblick auf etwaige Schädigungen des zu schützenden Personenkreises belang-los ist, ob Verschulden vorliegt oder nicht (BVerwG-Beschluss vom 12. Juli 1990, 1 B 110/90, juris). Die Unzuverlässigkeit kann auch allein durch wirtschaftliche Leis-tungsunfähigkeit begründet werden. Eine Gewerbeuntersagung setzt damit kein Ver-schulden des Gewerbetreibenden oder sonst einen ihn persönlich treffenden Vorwurf der Unredlichkeit voraus, sondern ist nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtspre-chung auch dann gerechtfertigt, wenn der Gewerbetreibende lediglich objektiv nicht in der Lage ist, seinen steuerlichen Zahlungspflichten zumindest im Rahmen eines rea-listischen Planes zur finanziellen Sanierung seines Gewerbebetriebes nachzukommen (vgl. BVerwG-Urteil vom 2. Februar 1982, 1 C 146/80, BVerwGE 65, 1; BVerwG-Beschluss vom 11. November 1996, 1 B 226/96, juris ).
2.4 Steuerliche Straf- und Bußgeldverfahren
Wichtige Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit können steuerliche Straf- oder Bußgeldverfahren sein, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbebe-triebes stehen. Für die Prüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden sind so-wohl der Sachverhalt, der zur Einleitung des Verfahrens geführt hat, als auch das Er-gebnis des Verfahrens sowie das Verhalten des Steuerpflichtigen nach dem Verfahren erheblich.
2.5 Künftiges Verhalten
Maßgebend für die Beurteilung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit ist stets, ob der Gewerbetreibende keine Gewähr dafür bietet, dass er das Gewerbe künftig ord-nungsgemäß ausüben wird. Steuerrechtliche Sachverhalte sind nur dann gewerbe-rechtlich von Bedeutung, wenn aus ihnen auf ein künftiges nicht ordnungsmäßiges Verhalten geschlossen werden kann.
2.6 Sondervorschriften
Besondere gesetzliche Bestimmungen über die Berücksichtigung steuerlichen Verhal-tens (z. B. § § 3 Abs. 5 des Güterkraftverkehrsgesetzes, § 25 Abs. 3 des Personenbe-förderungsgesetzes) bleiben unberührt.
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3. Auskunftsersuchen der Gewerbebehörde an das Finanzamt
3.1 Anwendungsbereich
Ergeben sich im Rahmen eines Verfahrens auf Erteilung einer Erlaubnis, eines Verfah-rens auf Rücknahme oder Widerruf einer Erlaubnis oder auf Gewerbeuntersagung An-haltspunkte für eine Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, so bittet die Gewerbebe-hörde das zuständige Finanzamt um Auskunft, soweit nicht die Erteilung einer Be-scheinigung an den Betroffenen über seine steuerlichen Verhältnisse vorgesehen ist.
Anhaltspunkte für die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten bestehen insbesondere dann, wenn ein Gewerbetreibender sonstige öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflich-tungen, z. B. zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, nicht erfüllt. Die Ge-werbebehörde muss in ihrer Anfrage das Vorliegen derartiger Anhaltspunkte darlegen.
3.2 Voraussetzungen der Auskunft
Die gewerberechtlichen Bestimmungen enthalten keine ausdrückliche Auskunftser-mächtigung im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO (siehe Tz. 1.2).
Auskünfte der Finanzämter an die Gewerbebehörden, die in gewerberechtlichen Ver-fahren für die Versagung einer beantragten Erlaubnis, die Rücknahme oder den Wider-ruf einer Erlaubnis oder eine Gewerbeuntersagung mitentscheidend sein können, sind daher nur in folgenden Fällen zulässig:
a) Der Gewerbetreibende stimmt einer Auskunft durch das Finanzamt zu (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO).
b) Die Auskunftserteilung liegt im zwingenden öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO). Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen der Tz. 1, 2, 2.1 bis 2.6 erfüllt sind.
3.3 Erteilung der Auskunft
3.3.1 Liegen die Voraussetzungen für eine Offenbarung vor, hat das Finanzamt der Gewer-bebehörde die steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen mitzuteilen, die für das gewerberechtliche Verfahren von Bedeutung sein können (vgl. Tz. 2.1 ff.). Tatsachen, die eindeutig nicht geeignet sind, alleine oder in Verbindung mit anderen Tatsachen eine Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder eine Gewerbeuntersagung zu rechtfertigen, dürfen nicht mitgeteilt werden.
Vergleiche aber Tz. 5.
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3.3.2 Ist der Betroffene steuerlich zuverlässig oder fallen seine steuerlichen Verhältnisse bei der Beurteilung seiner gewerberechtlichen Zuverlässigkeit nicht ins Gewicht, teilt das Finanzamt der Gewerbebehörde lediglich mit, dass eine Offenbarung mangels zwin-genden öffentlichen Interesses im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO nicht zulässig ist, soweit keine Zustimmung des Steuerpflichtigen im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO vorliegt.
4. Anregung des Finanzamts an die Gewerbebehörde auf Einleitung eines Untersagungsverfahrens
4.1 Anwendungsbereich
Vor Ausübung seiner Befugnis, die Rücknahme oder den Widerruf einer gewerbe-rechtlichen Erlaubnis oder die Untersagung eines Gewerbes bei der zuständigen Be-hörde anzuregen und dazu die steuerlichen Verhältnisse des Betroffenen zu offenba-ren, soll das Finanzamt wegen des Gebotes der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu-nächst prüfen, ob das Besteuerungsverfahren auch mit anderen, den Steuerpflichtigen weniger hart treffenden Maßnahmen gefördert werden kann (Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen, Festsetzung von Zwangsgeld, Inan-spruchnahme von Haftungsschuldnern). Ist dies nicht der Fall, ist abzuwägen, ob die Pflichtverstöße des Steuerpflichtigen oder seine Rückstände derart schwer wiegen, dass ihm die Möglichkeit eigener wirtschaftlicher Betätigung ganz oder teilweise ent-zogen werden muss.
4.2 Voraussetzungen für die Mitteilung steuerlicher Verhältnisse
Die Auskunftserteilung ist nur zulässig, wenn neben den unter Tz. 4.1 dargestellten Voraussetzungen auch die in Tz. 3.2 genannten Bedingungen erfüllt sind.
5. Auswirkungen der Insolvenzordnung (InsO) auf gewerberechtliche Maßnahmen
Nach § 12 GewO finden Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Ge-werbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, er-möglichen, während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungs-maßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind, und während der Überwachung der Er-füllung eines Insolvenzplans (§ 260 InsO) keine Anwendung in Bezug auf das Gewer-be, das zurzeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Innerhalb der in § 12 GewO genannten Zeiträume ist die Anregung einer Gewerbeun-tersagung bezüglich des insolvenzbefangenen Gewerbes daher nicht zulässig und die Offenbarung entsprechender Daten nicht durch § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO (zwingendes
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öffentliches Interesse) gestattet. Tritt in einem Fall, in dem das Finanzamt die Gewer-beuntersagung angeregt hat, einer der Tatbestände des § 12 GewO ein, soll das Finanzamt die Gewerbebehörde entsprechend informieren.
Dies gilt nicht für eine nach § 35 Absatz 2 Satz 1 InsO freigegebene selbstständige Tätigkeit des Gewerbetreibenden, wenn dessen Unzuverlässigkeit mit Tatsachen be-gründet wird, die nach der Freigabe eingetreten sind.
6. Mitteilung bei Betriebsaufgabe und Betriebsveräußerung
Nach § 14 Abs. 4 GewO teilen die Finanzbehörden den zuständigen Behörden die nach § 30 AO geschützten Verhältnisse von Unternehmen im Sinne des § 5 GewStG mit, wenn deren Steuerpflicht erloschen ist; mitzuteilen sind lediglich Name und An-schrift des Unternehmers und der Tag, an dem die Steuerpflicht endete. Die Mittei-lungspflicht besteht nicht, soweit ihre Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Auf-wand verbunden wäre.
Solange ein automationsunterstützter Mitteilungsdienst noch nicht eingerichtet ist, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die gesonderte Übermittlung der Daten mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist. Eine Verpflichtung der Finanzbehörden, für die Gewerbebehörden weitere als die aus steuerlichen Gründen notwendigen Nach-forschungen anzustellen, besteht nicht.
Dieses Schreiben tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 14. Dezember 2010 – IV A 3 – S 0130/10/10019 – BStBl I S. 1430. Es wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Im Auftrag
Dieses Dokument wurde elektronisch versandt und ist nur im Entwurf gezeichnet.

Dieses Schreiben tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 14. Dezember 2010 – IV A 3 – S-0130 / 10 / 10019 – BStBl I S. 1430.
Den Volltext des Schreibens finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF