Aussetzungszinsen zu hoch? Bundesverfassungsgericht muss entscheiden

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des seit langem bestehenden Zinssatzes für sogenannte Aussetzungszinsen geäußert und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingeschaltet. Konkret geht es um den Zinssatz von 6% pro Jahr (0,5% pro Monat), der fällig wird, wenn die Vollziehung eines Steuerbescheids vorläufig ausgesetzt wird.

Hintergrund des Falls

Im vorliegenden Fall legte ein Steuerzahler Einspruch gegen seinen Einkommensteuerbescheid ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Während die Steuer vorläufig nicht gezahlt werden musste, erhob das Finanzamt dennoch Zinsen für den Zeitraum der Aussetzung, und zwar in Höhe von 0,5% pro Monat über einen Zeitraum von 78 Monaten.

Wann werden Aussetzungszinsen festgelegt?

Wenn gegen einen Steuerbescheid Einspruch erhoben oder Klage eingereicht wird, muss der Steuerpflichtige die Steuer dennoch zunächst zahlen. Wird die Vollziehung durch das Finanzamt oder ein Gericht vorübergehend ausgesetzt, ist die Steuer erst nach Abschluss des Verfahrens zu zahlen. Bleibt der Einspruch oder die Klage erfolglos, fallen zusätzlich Aussetzungszinsen an – zu einem gesetzlichen Zinssatz von 6% pro Jahr. Diese Zinsen sind für die Dauer der Aussetzung zu zahlen.

Ist der Zinssatz verfassungswidrig?

Der betroffene Steuerzahler argumentierte, dass der Zinssatz von 6% seit dem 01.01.2019 verfassungswidrig sei, da er in Zeiten historisch niedriger Zinsen unangemessen hoch sei. Die erste Instanz, das Finanzgericht Münster, wies die Klage ab und entschied, dass der Zinssatz im fraglichen Zeitraum verfassungsgemäß sei und keine Ungleichbehandlung vorliege. Der BFH ist jedoch anderer Meinung und hält den Zinssatz angesichts des heutigen Niedrigzinsumfelds für verfassungsrechtlich bedenklich.

Ungleichbehandlung zwischen Aussetzungszinsen und Nachzahlungszinsen

Ein weiteres Problem sieht der BFH in der Ungleichbehandlung zwischen Aussetzungszinsen und Nachzahlungszinsen. Letztere wurden nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021 auf 1,8% pro Jahr (0,15% pro Monat) abgesenkt. Aussetzungszinsen liegen hingegen weiterhin bei 6% pro Jahr, was der BFH als problematisch ansieht und eine Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen vermutet. Auch dieser Aspekt soll nun vom BVerfG überprüft werden.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet

Obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2021 die Vollverzinsung ab dem Jahr 2014 als verfassungswidrig eingestuft hat, betraf diese Entscheidung nicht die Aussetzungszinsen. Nun wird das Bundesverfassungsgericht klären müssen, ob der Zinssatz von 6% pro Jahr für Aussetzungszinsen ebenfalls gegen das Grundgesetz verstößt, insbesondere in Zeiten eines allgemein niedrigen Zinsniveaus.

Fazit

Die Entscheidung des BVerfG könnte weitreichende Konsequenzen für die Steuerzahler haben, die gegen Steuerbescheide Einspruch einlegen und von einer Aussetzung der Vollziehung profitieren. Sollte das Gericht den Zinssatz ebenfalls als verfassungswidrig einstufen, könnte dies eine weitere Absenkung der Zinsen mit sich bringen.