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Steuerberater

Kosten einer Flugbegleiterin für Uniformschuhe, Strümpfe u. Reisekoffer (FG)

Abzugsfähigkeit der Aufwendungen einer Flugbegleiterin für UniformschuheUniformstrumpfhosen und einen Koffer

 Leitsatz

1. Lassen die Bekleidungsvorschriften einer Fluggesellschaften einer Stewardess hinsichtlich der Schuhe und der Strumpfhosen die Auswahl zwischen mehreren Farbtönen und -nuancen, verschiedenen Glattleder-/Strumpfqualitäten, verschiedenen Schuh-/Strumpfformen und sind die Kleidungsstücke ohne weiteres als private Kleidung verwendbar, scheidet eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch dann aus, wenn eine private Verwendung nicht erfolgt.

2. Dies gilt auch für die Kosten, die in Zusammenhang mit dem Erwerb eines – auch auf privaten Reisen nutzbaren – Koffers entstanden sind.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6
EStG § 12 Nr. 1
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist rechtskräftig

 Tatbestand:

Die Klägerin ist als Flugbegleiterin nichtselbständig tätig. Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 11. Mai 2009 ließ der Beklagte u.a. Aufwendungen für Uniformschuhe in Höhe von 267,26 EUR; Uniformstrumpfhosen in Höhe von 56,20 EUR sowie Koffer und Kofferersatz in Höhe von 485.68 EUR unberücksichtigt. Uniformschuhe und Strumpfhosen stellten keine typische Berufsbekleidung dar. Aufwendungen für Koffer seien auch beim fliegenden Personal keine Werbungskosten. Der Beklagte wies den Einspruch insoweit mit Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 als unbegründet zurück.

Die Klägerin macht geltend, ihre berufliche Tätigkeit bestehe überwiegend aus Reisen. Dabei müsse sie sowohl Uniformkleidung als auch private Kleidung mitführen. Wegen der starken Belastung und regelmäßig auftretender Beschädigungen habe sie nicht nur besonders stabile Koffer, sondern die einer Firma angeschafft, die kostenlos oder gegen geringe Beteiligung Ersatz gewähre. Im Übrigen habe der Arbeitgeber das äußere Erscheinungsbild bis ins Kleinste geregelt. So seien zur Uniform klassische dunkelblau/schwarze Glattlederschuhe zu tragen. Halbschuhe mit Schnürsenkel sind nur zur Hose gestattet. Derartige Schuhe entsprächen nicht den modischen Vorstellungen der jungen Frauen. Zudem seien die Schuhe starker Verschmutzung durch Kerosin und Beschädigung in den engen Gängen des Flugzeugs ausgesetzt. Ein Tragen im Freizeitbereich sei daher unwahrscheinlich. Auch die Beschaffenheit und Farbe der zur Uniform zu tragenden Strumpfhosen sei vorgeschrieben. Diese entsprächen in Farbe und Material auch nicht dem, was „Frau” sonst trage. Zudem sei das Tragen von Strumpfhosen aus flugmedizinischen Gründen vorgeschrieben. Die geltend gemachten Aufwendungen beträfen im Wesentlichen in Orthopädiegeschäften erworbene Stützstrumpfhosen, für die ein Eigenanteil in Höhe von 5 EUR zu zahlen gewesen sei. Auch die Strumpfhosen unterlägen einem starken berufsbedingten Verschleiß. Die Bekleidungsvorschriften seien so strikt, dass die gesamte zu tragende Bekleidung als Berufsbekleidung zu werten sei. Weiter verweist die Klägerin auf das Sitzungsprotokoll des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 8. März 2006 im Verfahren 7 K 23/05 (Inaugenscheinnahme der Uniformgegenstände) sowie die Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung. Ziel sei die besondere Beanspruchung an Schuhen und Strumpfhosen durch die berufliche Tätigkeit berücksichtigt zu wissen. Das habe das FG Niedersachsen in einem vergleichbaren Fall getan.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 809,14 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Gründe der Einspruchsentscheidung sowie die Anweisung des Senats für Finanzen Berlin vom 16. Februar 2009. Danach bestehe keine Möglichkeit der Stattgabe. Im Übrigen ließen die Bekleidungsvorschriften hinsichtlich der Farbauswahl und auch der Schuhe durchaus Wahlmöglichkeiten zu. Die Art des Schuhwerkes und auch die Möglichkeiten der Farbgestaltung entsprächen durchaus einer üblichen Grundausstattung.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid für 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO ). Die streitigen Aufwendungen für Schuhe, Strumpfhosen sowie Koffer sind Kosten der privaten Lebensführung und wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 Einkommensteuergesetz nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin absetzbar.

Aufwendungen für Kleidung können als typische Kosten der privaten Lebensführung grundsätzlich weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden, es sei denn es handelt sich um typische Berufsbekleidung (§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr. 6 Einkommensteuergesetz – EStG –). Dies gilt selbst dann, wenn die Kleidungsstücke nahezu ausschließlich bei der Berufsausübung gebraucht werden. Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 19. Oktober 1970 (GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17, bestätigt im Beschluss vom 27. November 1978 GrS 8/77, BStBl II. 1979, 213) verbietet § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich die Aufteilung von Aufwendungen für die private Lebensführung und damit den Abzug eines beruflich bedingten Teils als Werbungskosten, es sei denn, dass objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen und der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für die Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermöglicht, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Auch außergewöhnlich hohe Aufwendungen für bürgerliche Kleidung können grundsätzlich nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zugelassen werden (BFH, Urteil vom 6. Juli 1989 , IV R 91-92/87, BStBl. II 1990, 49).

Bei der Ausübung des Berufs getragene bürgerliche Bekleidung ist keine Berufsbekleidung. Das Tragen von Bekleidung ist typischer Weise dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen. Die Ausgaben hierfür sind also, auch soweit die Bekleidung bei der Ausübung des Berufs getragen wird, gemischt und damit grundsätzlich nicht aufteilbare Aufwendungen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Kleidung ausschließlich bei der Arbeit getragen wird. Da das Bekleidetsein auch ein Bedürfnis der Lebensführung bei der Ausübung der Arbeit ist, spielen Vorgaben des Arbeitgebers und das Wechseln der Kleidung nach der Arbeit insoweit keine Rolle (BFH, Beschluss vom 16. August 1994 I B 5/94 , BFH/NV 1995, 207 – dort weiße Bekleidung eines Masseurs, weiter BFH, Urteil vom 6. Dezember 1990 , BStbl II 1991, 348 – zur steuerlichen Abzugsfähigkeit weißer Hemden, Socken und Hosen eines Arztes).

Liegt die Benutzung eines Kleidungsstücks als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen – allgemein und nicht bezogen auf den jeweiligen individuellen Geschmack – so sind die Aufwendungen für diese Kleidung wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ebenso wenig als Werbungskosten absetzbar wie die für jede andere bürgerliche Kleidung, die überwiegend oder auch so gut wie ausschließlich im Beruf getragen wird (vgl. FG München, Urteil vom 14. Dezember 1993 2 K 847/89 – juris – zu den Schuhen einer Krankenschwester).

Geschlossene Glattlederschuhe und Strumpfhosen eignen sich gleichermaßen als privat wie als beruflich getragene bürgerliche Kleidung. Diesen Kleidungsstücken fehlt jeglicher Uniformcharakter. Es handelt sich daher nicht um Berufsbekleidung im steuerlichen Sinne. Die Bekleidungsvorschriften lassen der Klägerin auch einen Spielraum (mehrere Farbtöne und -nuancen, verschiedene Glattleder-/Strumpfqualitäten, verschiedene Schuh/Strumpfformen innerhalb des vorgegebenen Rahmens). Da diese Kleidungsstücke ohne die Dienstuniform weder als Uniformbestandteile erscheinen noch sonst berufsspezifische Eigenschaften aufweisen, sind sie ohne weiteres als private Kleidung verwendbar. Ob die Klägerin diese Kleidungsstücke tatsächlich auch privat verwendet, ist nach Sinn und Zweck des Aufteilungsverbots nicht entscheidungserheblich. Entsprechend lehnt die Rechtsprechung die Anerkennung derartiger Aufwendungen als Werbungskosten auch ab (vgl. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 1987 3 K 217/86 – Strümpfe, Schuhe, Strumpfhosen einer Stewardess und FG München vom 15. Januar 1992 1 K 1277/90 – Schuhe einer Stewardess, jeweils in Juris). Es gibt zudem eine Reihe von anderen Berufsgruppen (z.B. Rechtsanwälte, Bankangestellte und Versicherungsvertreter), bei denen eine konservative Kleidung (Anzug, Kostüm etc.) erwartet werden oder üblich sind. Auch deren Kleidung ist ohne weiteres privat einsetzbar und es kommt nicht darauf an, ob der Berufsangehörige in seiner Freizeit zum Beispiel eher dem klassisch-konservativen, dem sportlich-legeren oder dem extravaganten Modestil zugeneigt ist (FG München, Urteil vom 15. April 2005, 15 K 4973/04 in Juris).

Das Gericht schließt sich diesen Erwägungen an. Dem vorgelegten Sitzungsprotokoll einer Verhandlung vor dem FG Niedersachsen sind keine überzeugenden Überlegungen für die dort getroffene Einigung über die pauschale Berücksichtigung von Aufwendungen für Strumpfhosen und Schuhe zu entnehmen.

Hinsichtlich der hier geltend gemachten Zuzahlungen zur Anschaffung von arbeitsmedizinisch geforderten Stützstrumpfhosen vermag das Gericht zudem auch keinen besonderen Mehraufwand der Klägerin gegenüber anderen Steuerpflichtigen zu erkennen, die ihren Aufwand für Bekleidung insgesamt als Einkommensverwendung steuerlich nicht absetzen können.

Das Gericht folgt auch nicht dem Finanzgericht Hessen, in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil vom 3. August 1998 (9 K 228/86, EFG 1989, 173 ) bzw. dem Urteil vom 12. Oktober 2006 (13 K 2035/06) hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit der Aufwendungen für Reisekoffer. Es vorliegend ist weder feststellbar noch überzeugend, dass die beiden Koffer ausschließlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin genutzt werden. Die Klägerin wird wohl nach der Lebenserfahrung für private Reisen keine anderen Koffer verwenden. Zum anderen ergibt sich eine private Mitbenutzung schon allein aus der Mitnahme der privaten Dinge des täglichen Bedarfs sowie der privaten Kleidung. Insoweit gilt für die Koffer einer Flugbegleiterin letztlich nichts anderes wie für die Koffer eines jeden Steuerpflichtigen, der Dienst- oder Geschäftsreisen unternimmt. Auch insoweit dient das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG der steuerlichen Gerechtigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg (FG)

Entgeltlicher Erwerb eines Anspruchs auf Beteiligung am Prozesserfolg als immaterielles geschäftswertähnliches WirtschaftsgutAbzugsfähigkeit der Aufwendungen eines Prozesskostenfinanzierungsfonds

 Leitsatz

1. Die von einem Prozesskostenfinanzierungsfonds zum Erwerb eines Anspruchs auf Beteiligung am Prozesserlös geleisteten Zahlungen sind als Anschaffungskosten eines immateriellen geschäftswertähnlichen Wirtschaftsguts zu aktivieren. Der Anspruch auf Beteiligung am Prozesserlös stellt einen – für den Wirtschaftsgutbegriff nicht unabdingbaren – selbständig verkehrsfähigen und selbständig bewertbaren Vorteil dar.

2. Wäre kein immaterielles Wirtschaftsgut anzunehmen, wäre die Zahlung zum Erwerb des Anspruchs auf Beteiligung am Prozesserlös als Anzahlung zu aktivieren.

3. Die Abschreibung des immateriellen Wirtschaftsguts Beteiligung am Prozesserlös kann prozentual im Umfang des anteiligen Streitwerts der entschieden Prozesse, also unabhängig vom Prozessausgang erfolgen und entspricht damit einer Absetzung für Substanzverringerung nach § 7 Abs. 6 EStG.

4. Die von einem Prozesskostenfinanzierungsfonds gezahlten Eigenkapitalvermittlungsprovisionen sowie die Rechts- und Beratungskosten sind nicht sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, sondern als Anschaffungskosten zu aktivieren. Eine sofortige Abziehbarkeit der Aufwendungen kommt nur in Betracht, als ein Erwerber der Geschäftschance auf Beteiligung am Prozesserlös außerhalb der modellhaften Vertragsgestaltung diese ebenfalls sofort als Betriebsausgaben abziehen könnte.

 Gesetze

EStG § 5 Abs. 2
EStG § 5 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 4
EStG § 7 Abs. 6
EStG § 7 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
HGB § 248 Abs. 2
HGB § 266 Abs. 1

 Tatbestand:

Gesellschaftszweck der am 27. Dezember 2001 gegründeten Klägerin (im Folgenden auch als Fonds bezeichnet) ist die Übernahme von Prozesskostenfinanzierungen für Dritte mit dem Ziel, die Anleger an den Erlösen aus erfolgreich geführten Prozessen zu beteiligen.

Komplementärin der Klägerin ist die nicht am Gesellschaftskapital beteiligte D-GmbH. Gründungskommanditistin, Fondsinitiatorin und alleinige Gesellschafterin der Komplementärin ist die E-AG mit einer Kommanditeinlage von 1.000,– EUR. Treuhandkommanditistin ist die F GmbH. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – durch Betriebsvermögensvergleich. Ihre Mitunternehmer erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Das Gesellschaftskapital der Klägerin wurde durch Kapitalgeber (im Folgenden als Anleger bezeichnet) dadurch aufgebracht, dass sich diese mittelbar als Treugeber an der Hafteinlage der Treuhänderin beteiligten oder – in wenigen Fällen – der Gesellschaft als Kommanditisten beitraten (sog. Direktkommanditisten). Jeder Anleger war verpflichtet, eine Kommanditeinlage von mindestens 5.000,– EUR sowie eine Rücklage (Agio) in Höhe von 5 % bezogen auf die Kommanditeinlage zu erbringen (§ 5 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages).

Das zur Finanzierung angestrebte Prozessvolumen und das Kommanditkapital sollten in einem proportionalen Zusammenhang mit dem Faktor 10 stehen, das Prozessvolumen also das Zehnfache des Kommanditkapitals betragen. Die Zeichnung für den Fonds wurde zu Beginn des Jahres 2004 beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt zeichneten 451 Anleger ein Kommanditkapital in Höhe von 5.034.980,– EUR. Das gezeichnete Kapital wurde wie folgt eingezahlt:

 

   2002

   2003

   2004

 Kapital

 1.170,140,– EUR

 3.794.840,– EUR

 70.000,– EUR

 

Aufgrund eines zwischen der Klägerin und der E-AG geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages (Bl. 77 ff. der Gerichtsakten) führte die E-AG (im Folgenden auch als Geschäftsbesorgerin bezeichnet) gegen die Zahlung einer Pauschalvergütung eigenverantwortlich das operative Geschäft der Klägerin. Die Klägerin beauftragte die E-AG mit der Erbringung folgender Leistungen auf eigene Kosten:

  • • Bildung und Verwaltung des Fonds,
  • • Akquise und Organisation des Vertriebs,
  • • Bonitätsprüfung des jeweiligen Beklagten,
  • • mehrstufige Begutachtung der Erfolgsaussichten des Prozesses,
  • • Prozessbeobachtung und -begleitung,
  • • Bezahlung von Gebühren und Kosten (z. B. Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren, Sachverständigenkosten) sowie
  • • Unterhaltung eines Bürobetriebes.

 

Aus dem Beteiligungsprospekt der Klägerin ergibt sich folgender Ablauf:

Die E-AG überprüfte auf eigene Kosten die Erfolgsaussichten eines potentiellen Aktivprozesses. Während der Prüfung bestand eine vertragliche Bindung des potentiellen Klägers. Bei positivem Ausgang der Prüfung wurde ein Prozessfinanzierungsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen. Die E-AG trug sämtliche Kosten des Verfahrens. Im Erfolgsfall erhielt die E-AG von den Prozessführenden von dem durch obsiegendes Urteil oder Vergleich erzielten Betrag nach Abzug der Verfahrenskosten jeweils einen Anteil in Höhe von 30 % zuzüglich Umsatzsteuer. Die E-AG war nach § 4 des Geschäftsbesorgungsvertrages verpflichtet, ihren Anteil am Prozesserlös vollständig an die Klägerin auszukehren. Aus dieser Weiterleitung an die Klägerin sollten deren Umsatzerlöse erzielt werden.

Die E-AG sicherte der Klägerin zu, die vereinbarten Tätigkeiten eigenverantwortlich und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen und bis zum 31. Dezember 2002 ein Streitwertvolumen von 150 Mio. EUR zu akquirieren. Das vereinbarte Entgelt der E-AG sollte 13 Mio. EUR betragen.

Nachdem mit Abschluss der Zeichnung für den Fonds nur etwa ein Drittel des prospektierten Fondsvolumens eingeworben worden war, wurde die an die E-AG zu zahlende Vergütung auf netto 4.326.400,– EUR vermindert. Die Vergütung wurde abhängig vom Eingang des Zeichnerkapitals entrichtet und bei der Klägerin wie folgt als Aufwand erfasst:

 

   2002

   2003

   2004

 Vergütung

 950.900,– EUR

 3.141.700,– EUR

 233.800,– EUR

 

Außerdem setzte die Klägerin in der Platzierungsphase folgende gewinnmindernde Aufwendungen an:

 

   2002

   2003

   2004

 Eigenkapitalvermittlungsprovisionen

 139.357,– EUR

 587.834,– EUR

 23.952,– EUR

 Rechts- und Beratungskosten

 43.087,– EUR

 171.972,– EUR

 15.143,– EUR

 

Die Rechts- und Beratungskosten enthielten die Aufwendungen der Klägerin für die von ihr gezahlten Honorare für die Grundkonzeption, die Rechtskonzeption, steuerliche Konzeption, Prospektprüfung und Mittelverwendungskontrolle sowie für die Treuhandverwaltung. Gemäß dem „Initiatorenvertrag” vom … 2001 über die Erstellung der Grundkonzeption erbrachte der Dipl.-Betriebswirt G gegenüber der Klägerin folgende Leistungen im Rahmen eines Dienstvertrages:

  • • grundlegende Konzeption des Gesellschaftszwecks, der Gesellschaftsstrukturen und der Darstellung nach außen,
  • • Erarbeitung von Vorschlägen, wie die Vermarktung des Fonds vorgenommen werden kann,
  • • Vorauswahl von Dienstleistern, die für den Fonds tätig werden können.

 

In den Streitjahren 2002 bis 2004 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb und einen Gewerbeertrag in folgender Höhe:

 

   2002

   2003

   2004

 Einkünfte aus Gewerbebetrieb

 -1.072.600,– EUR

 -3.773.391, – EUR

 -41.389,– EUR

 

Nach § 18 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin war das Ergebnis der Gesellschaft am Ende des Geschäftsjahres auf alle Gesellschafter im Verhältnis der gezeichneten Hafteinlage zu verteilen, wobei sich die Beteiligung der Gesellschafter am Jahresergebnis unabhängig vom Zeitpunkt des Beitritts nach den Beteiligungsverhältnissen am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres richtete.

Auf der Gesellschafterversammlung vom … 2004 beschlossen die Gesellschafter, die Ergebnisverteilung für das Jahr 2003 so vorzunehmen, dass abweichend von dem bei Gründung der Klägerin im Jahr 2001 geschlossenen Gesellschaftsvertrag die in 2003 beigetretenen Kommanditisten prozentual den gleichen Betrag erhalten, der für das Geschäftsjahr 2002 den Zeichnern dieses Jahres (in Prozent bezogen auf deren Kommanditbeteiligung) zugewiesen worden war. Ein danach verbleibender Betrag des Jahresergebnisses 2003 sollte allen Zeichnern unabhängig vom Beitrittstermin anteilig zugerechnet werden, um im Ergebnis eine Gleichstellung der in 2002 und 2003 beigetretenen Zeichner zu erreichen. Die Gesellschafter beschlossen außerdem, dass das Agio keine Einzahlung in das Eigenkapital der Gesellschaft, sondern sofort ertragswirksam zu vereinnahmen sei. Für das Geschäftsjahr 2004 wurde kein derartiger Gleichstellungsbeschluss gefasst.

In den Erklärungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2002 bis 2004 wurde demnach der laufende Verlust der Klägerin in Höhe von -1.148.295 EUR (2002), -3.708.582 EUR (2003) und -155.256 EUR (2004) den Gesellschaftern wie folgt zugerechnet:

 

 2002:  Ergebnisverteilung nach gezeichnetem Kapital am 31.12.2002 (insgesamt 1.170.140 EUR, ohne Anteil der E-AG)
 2003:  Ergebnisverteilung vorab insoweit, dass den im Jahr 2003 beigetretenen Gesellschaftern der Verlustanteil der im Jahr 2002 beigetretenen Zeichner zugerechnet wurde, Verteilung des Restergebnisses 2003 nach gezeichnetem Kapital am 31.12.2003 (4.964.980 EUR, ohne Anteil der E-AG)
 2004:  Ergebnisverteilung nach dem gezeichneten Kapital am 31.12.2004 (5.034.980 EUR, ohne Anteil der E-AG).

 

Das von den Beteiligten zu leistende Agio berücksichtigte die Klägerin in den Jahresabschlüssen gemäß Gesellschafterbeschluss vom … 2004 als Ertrag auf Gesellschaftsebene und gleichzeitig auf Gesellschafterebene als sofort abziehbare Sonderbetriebsausgabe.

Mit Bescheid vom … März 2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2002 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß festgestellt. Mit Bescheid vom … April 2004 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 1.072.600 EUR festgestellt.

Der Beklagte führte in den Jahren 2005 und 2006 eine Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2004 bis, deren Ergebnisse im Abschlussbericht vom 22. September 2006 zusammengefasst sind. Streitig sind hier folgende Feststellungen der Außenprüfung:

Herstellereigenschaft / „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” (Tz. 15 und 17 des Abschlussberichts):

Die Vergütung der E-AG sei nicht als sofort abziehbare Betriebsausgabe anzuerkennen. Sie stelle Anschaffungskosten für den Erwerb des immateriellen Wirtschaftsguts „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” dar, der nach dem anteiligen Streitwert der entschiedenen Prozesse aufzulösen sei.

Die Klägerin sei nicht als Herstellerin, sondern als Erwerberin zu betrachten, weil sie mit der E-AG einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen habe, der die E-AG berechtige, eigenverantwortlich Rechtsstreitigkeiten zu akquirieren, die Bonität des jeweiligen Beklagten und die Erfolgsaussichten zu überprüfen und die ausgesuchten Prozesse zu begleiten und zu verwalten, ohne dass wesentliche Einflussmöglichkeiten der Kommanditisten gegeben seien.

Als Anschaffungskosten seien auch die der Klägerin in Rechnung gestellten Konzeptionsgebühren anzusehen. Die sonstigen Gebühren (Kosten der Eigenkapitalvermittlung, Gebühr für die Mittelverwendungskontrolle in der Investitionsphase, Gebühren für den Treuhänder in der Platzierungsphase, Gebühr für die Prospektprüfung sowie die Geschäftsbesorgungsgebühr) seien als Anschaffungsnebenkosten zu erfassen.

Ergebnisverteilung (Tz. 14 des Abschlussberichts):

Der Gewinnverteilungsbeschluss vom … 2004 sei für das Jahr 2003 unbeachtlich.

Einlagen (Agio) und Sonderbetriebsausgaben (Tz. 18, 21 des Abschlussberichts):

Das von den Kommanditisten erbrachte Agio sei als Eigenkapital der Gesellschaft zu erfassen.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am … April 2007 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2002 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 sowie erstmalige Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2003 und 2004, über den Gewerbesteuermessbetrag für 2003 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2003 und 2004. Mit den genannten Bescheiden stellte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.735,56 EUR (2002), 121.434,69 EUR (2003) und -149.203,01 EUR (2004) fest. Die laufenden Verluste aus Gewerbebetrieb in Höhe von -73.375,43 EUR (2002), -42.079,18 EUR (2003) und -496.729,37 EUR (2004) rechnete der Beklagte den Anlegern abweichend vom Gleichstellungsbeschluss vom …2004 auch im Veranlagungszeitraum 2003 entsprechend ihrem Anteil am gezeichneten Kapital zum Jahresende zu. Darüber hinaus hob der Beklagte am … April 2007 den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 auf und setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 2003 auf 3.645,– EUR fest (Gewerbeertrag 121.400,– EUR). Den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte der Beklagte auf den 31. Dezember 2003 in Höhe von 0,– EUR und auf den 31. Dezember 2004 in Höhe von 149.204,– EUR fest.

Gegen die Bescheide vom … April 2007 legte die Klägerin mit Schreiben vom … Mai 2007 Einsprüche ein, mit denen sie geltend machte:

Herstellereigenschaft / „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” (Tz. 15 und 17 des Abschlussberichts):

Das BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2003, 546, sog. „5. Bauherrenerlass”) sei nicht anzuwenden, weil die Geschäftstätigkeit der Klägerin weder mit Herstellungs- noch mit Anschaffungsvorgängen verbunden sei, sodass sich die Frage der Abgrenzung bestimmter Aufwendungen von Anschaffungs-/Herstellungskosten und Betriebsausgaben gar nicht stelle.

Aktivierungsfähig seien gemäß §§ 246 Abs. 1, 247 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs – HGB – Vermögensgegenstände und Rechnungsabgrenzungsposten. Ein Vermögensgegenstand stelle ein nach der Verkehrsanschauung individualisiertes Gut dar, das sich bei wirtschaftlicher Betrachtung einzeln verwerten lasse. Ein solches Schuldendeckungspotenzial entstehe im Rahmen des zunächst nur einseitig erfüllten Vertrages für die Klägerin nicht. Die Klägerin erhalte mit ihrer Leistung lediglich die Chance, bei einem positiven Ausgang eines Verfahrens einen Anteil am Streitwert als Gegenleistung für die Übernahme des Prozesskostenrisikos zu erhalten. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessfinanzierungsvertrages sei i. d. R. erst der Entwurf einer Klageschrift vorhanden. Die von der E-AG im Rahmen des Prüfungsprozesses eingeschalteten Gutachter hätten zwar übereinstimmend dem Anspruch einen positiven Prozessverlauf mit guten Gewinnchancen attestiert, eine absolute Sicherheit liege aber erst nach endgültigem Abschluss des Instanzenweges vor. In der Zwischenzeit könne es nach positiven Urteilen in Zwischeninstanzen zu einer Bestätigung der Gutachterauffassung und damit möglicherweise zu einer Verdichtung der bisherigen Chance kommen; im Zeitpunkt des Abschlusses des Finanzierungsvertrages und der entsprechenden Zahlung durch die Klägerin sei eine derartige Konkretisierung jedoch nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund sei von einer sofortigen Abziehbarkeit der Aufwendungen auszugehen. Bei den Zahlungen der Klägerin handele es sich auch nicht um geleistete Anzahlungen, da sich die Vorauszahlung der Kommanditgesellschaft auf eine nicht aktivierungsfähige Leistung der E-AG beziehe. Die Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 22. Juli 2005, die der von der Außenprüfung vertretenen Auffassung zugrunde liege, sei erst nach Ende der Zeichnungsfrist der Klägerin veröffentlicht worden.

Zwischen der Klägerin und der E-AG sei ein Dienstvertrag geschlossen worden, der die E-AG als Geschäftsbesorger verpflichte, im eigenen Namen und für fremde Rechnung erfolgversprechende Prozesse zu finanzieren. Nach dem Mittelverwendungskontrollvertrag hänge das an die E-AG zu zahlende Honorar vom Nachweis eines ausreichenden Streitwertvolumens ab. Damit eine seriöse Prozessfinanzierung in Gestalt einer „Anspruchsdurchsetzungsfinanzierung” durch den Geschäftsbesorger möglich sei, müsse dieser in der Lage sein, uneingeschränkt über die zur jeweiligen Prozessführung notwendigen finanziellen Mittel zu verfügen. Es sei dem Geschäftsbesorger nicht zumutbar, in eigenem Namen (und damit im Außenverhältnis auf eigenes Risiko) Prozessfinanzierungsverträge abzuschließen, ohne sicher zu sein, die Finanzierung des Prozesses auch bis zum Ende durchzuhalten. Ein allein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Klägerin reiche zur Sicherstellung der begründeten Interessen des Geschäftsbesorgers nicht aus; der Geschäftsbesorger müsse vielmehr unmittelbar und uneingeschränkt über die Gelder verfügen können.

Aufgrund der Ausgestaltung des Vertrages zwischen der Klägerin und der E-AG als Dienstvertrag sei hier weder ein Anschaffungs- noch ein Herstellungsgeschäft erkennbar. Das Rechtsverhältnis habe zwar wechselseitige schuldrechtliche Ansprüche zum Gegenstand. Diese Ansprüche wiesen aber einen mehr abstrakten Charakter auf und seien noch nicht hinreichend zu einem auch wirtschaftlichen Vorteil konkretisiert, der bilanzierungsfähig und bewertbar sei. Da nicht erkennbar sei, welches Wirtschaftsgut erworben oder hergestellt worden sein soll, sei die Klägerin weder Herstellerin noch Erwerberin.

Wenn hilfsweise der Auffassung des Beklagten gefolgt würde, stelle sich die Frage nach der Bewertung. Die Bewertung eines Wirtschaftsgutes „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” müsse sich an den allgemeinen Bewertungsregeln des Bilanzsteuerrechtes messen lassen. Auch hier gelte das Vorsichtsprinzip, so dass selbst bei Annahme eines immateriellen Wirtschaftsgutes eine Bewertung dieses Wirtschaftsgutes mit einem pro memoria Posten in Höhe von 1,    EUR angemessen wäre, so lange nicht erkennbar sei, dass die Prozesse mit einem für die Gesellschaft positiven Ausgang geendet hätten. Dies entspreche auch dem Teilwertgedanken nach § 6 EStG. Nach Auffassung der Klägerin würde ein Erwerber die Ansprüche aus der Beteiligung am Prozesserfolg einzeln je Prozess beurteilen. Erst wenn der Prozess definitiv und unanfechtbar gewonnen sei, wäre er bereit, die erworbene Chance zu vergüten.

Ergebnisverteilung (Tz. 14 des Abschlussberichts):

Die bisher vom BFH und den Finanzgerichten ergangenen Urteile und die damit entschiedenen Sachverhalte seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht unmittelbar zu übertragen. Das Urteil des Bundesfinanzhof – BFH – vom 7. Juli 1993 (Az. IV R 209/80) habe einen völlig anderen Sachverhalt als Ausgangspunkt. In diesem Fall sei es um einen Beschluss der bereits beteiligten Gesellschafter gegangen, wonach im Zusammenhang mit einer Erhöhung des Kommanditkapitals der gesellschaftsvertragliche Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel dahin geändert worden sei, dass Gewinne und Verluste in begrenztem Umfang nur auf die Kommanditisten verteilt worden seien, die weitere Einlagen erbringen wollten. Im vorliegenden Fall sei im Vorgriff eine Entscheidung über die Ergebnisverteilung 2003 praktisch gar nicht umsetzbar gewesen, da diejenigen, über deren Ergebnisanteil entschieden werden sollte, dem Fonds zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beigetreten gewesen seien. Da diese Gesellschafter bei Fortschreibung des ursprünglichen Verteilungsschlüssels prinzipiell besser stehen würden als die in 2002 beigetretenen Zeichner, da diesen dann geringere Ergebnisanteile zugewiesen würden, könne es diesen Zeichnern nicht verwehrt werden, über diesen Nachteil auch selbst zu bestimmen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Anpassung der Ergebnisverteilung auch vernünftige wirtschaftliche Gründe zu Grunde gelegen hätten.

Die Ergebnisse der Klägerin, insbesondere die Verluste in den ersten Jahren, seien aufgrund der besonderen Zuordnungsmechanik von Einzahlungs- und Prozessfinanzierungsvolumen verursacht worden. Die durch den Geschäftsbesorger E-AG für die Klägerin evaluierten und finanzierten Prozesse seien in der Reihenfolge des Eingangs der Zeichnungssummen verwendet worden; insoweit sei der Anteil der Zeichner aus 2002 bereits im Jahresverlust 2002 verbraucht, während sich der Verlust der Zeichner aus 2003 im Verlust des Jahres 2003 widerspiegele. Das Problem der Korrektur der Ergebnisverteilung fuße neben den genannten materiellen Gründen auch formalrechtlich auf dem Umstand, dass die Klägerin nicht wie geplant in 2002 habe geschlossen werden können, sondern die Zeichnungsfrist bis zum 31. Dezember 2003 verlängert worden sei. Vor diesem Hintergrund seien die bisherigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen anzupassen gewesen. Mit der am 3. November 2004 beschlossenen Modifizierung sei letztlich nur der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt worden.

Einlagen (Agio) und Sonderbetriebsausgaben (Tz. 18 und 21 des Abschlussberichts):

Die Agio-Beträge stellten auf der Ebene der Klägerin Ertrag dar, da damit unmittelbar die Vertriebsaufwendungen alimentiert würden. Das Agio verfolge ausschließlich diesen Zweck, als quasi „durchlaufender Posten” keine Ergebniswirksamkeit zu entfalten.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit einer Einspruchsentscheidung vom … Dezember 2008 als unbegründet zurück. Er begründete dies wie folgt:

Herstellereigenschaft / „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” (Tz. 15 und 17 des Abschlussberichts):

Die Klägerin sei ein geschlossener Fonds, der zur Finanzierung der Prozesskosten Dritter gegründet worden sei. Die Anleger der Klägerin hätten sich auf der Grundlage eines vorgefertigten Konzepts in der Gesellschaft zusammengeschlossen, um das vom Initiator geplante Projekt zu finanzieren und eine Rendite auf das von ihnen eingesetzte Kapital zu erzielen. Das eingesammelte Kapital diene der Bezahlung des Investitionsprojekts und der Emissionskosten. „Investitionsobjekt” der Klägerin sei das immaterielle Wirtschaftsgut „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg”. Dieses umfasse den vermögenswerten Vorteil, den die Klägerin durch mehrere Rechtsgeschäfte in der Investitionsphase erlangt habe. Der steuerliche Begriff des Wirtschaftsgutes sei grundsätzlich identisch mit dem des handelsrechtlichen Vermögensgegenstandes. Zu den Vermögensgegenständen und Wirtschaftsgütern gehören neben Gegenständen im Sinne des bürgerlichen Rechts alle vermögenswerten Vorteile des Betriebs einschließlich tatsächlicher Zustände und konkreter Möglichkeiten, sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt werde und sie allein oder mit dem Betrieb verkehrsfähig seien. Im Ergebnis ihrer Investitionen in die entsprechenden Konzepte und nach Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags mit der auf dem Gebiet der Prozesskostenfinanzierung erfahrenen Initiatorin verfüge die Klägerin über die Gesamtkonzeption und das Know-how zur Realisierung des Gesellschaftszwecks. Die Geschäftsidee und die Fondskonzeption mit den im Fondsprospekt angekündigten Ertragsaussichten stellten einen immateriellen Vermögensgegenstand und damit gleichzeitig ein immaterielles Wirtschaftsgut mit einheitlichem Nutzungs- und Funktionszusammenhang dar.

Der immaterielle Vermögensgegenstand „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” setze sich aus mehreren Komponenten zusammen (Grundkonzeption, Rechtskonzeption, steuerliche Konzeption und Know-how). Alle Komponenten zusammen bildeten wegen ihres einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs ein Wirtschaftsgut. Bei einem Erwerb eines von einem Dritten erstellten, selbständig handelbaren Anlagekonzepts durch eine Verlustzuweisungsgesellschaft habe es der BFH als möglich angesehen, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines selbständigen Wirtschaftsguts „Konzeption” gegeben seien (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 XI R 45/88, BStBl II 1993, 487).

Der „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” sei als immaterieller Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut verkehrsfähig und selbständig bewertbar. Es habe die Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin die mit dem Know-how der E-AG verbundene Konzeption weiterveräußere. Die Weiterveräußerung wäre bei überlanger Prozessdauer eine geeignete Option, um den Anlegern die prognostizierte Rendite zu sichern. Bei einer Veräußerung der Konzeption könne dieser auch ein selbständiger Wert beigelegt werden, der sich nach der verbleibenden Renditeerwartung bemesse.

Selbst wenn die Fondsgesellschaft handelsrechtlich als Herstellerin des Investitionsobjektes anzusehen wäre, sei sie aber einkommensteuerrechtlich nicht Herstellerin, sondern Erwerberin. Die steuerliche Beurteilung sei nach dem Gesamtbild unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach dem wirklichen Gehalt der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung vorzunehmen. Für die steuerrechtliche Beurteilung eines geschlossenen Fonds mit gewerblichen Einkünften komme es nicht darauf an, wie die betreffenden Vorgänge in der Handelsbilanz der Gesellschaft behandelt worden seien. § 42 AO gehe als spezielle Regelung dem Grundsatz des § 5 Abs. 1 EStG vor. Die insoweit durch den BFH für Immobilienfonds entwickelte Rechtsauffassung sei unter vergleichbaren Voraussetzungen auch auf andere geschlossene Fonds übertragbar. Das wirtschaftliche Ziel der Klägerin und ihrer Gesellschafter sei es gewesen, in gesamthänderischer Verbundenheit die Konzeption und das spezielle Know-how der E-AG zu erwerben und zu nutzen und damit die prognostizierte Rendite zu erzielen. Der Anspruch auf Beteiligung am Erfolg könne nur in der Zusammenfassung der verschiedenen Teile des von der Initiatorin vorgegebenen Vertragswerks erreicht werden. Die einzelnen Teilverträge hätten keine selbständige Bedeutung und ließen sich nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Aufwendungen erklären. Eine wesentliche Einflussnahmemöglichkeit der Kommanditisten der Klägerin habe es nicht gegeben.

Darüber hinaus entspreche die Durchführung des Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Initiatorin auch nicht den unter fremden Dritten üblichen Verhältnissen, soweit die vereinbarte Vergütung von der Klägerin offenbar abhängig vom Eingang des Zeichnerkapitals, aber unabhängig vom Nachweis eines ausreichenden Prozessstreitwertvolumens vorab in voller Höhe an die E-AG gezahlt worden sei. Nicht zuzustimmen sei der Behauptung der Klägerin, dass es der Geschäftsbesorgerin nicht zumutbar gewesen sei, auf einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Klägerin zurückzugreifen. Einem Fremdvergleich halte auch nicht stand, dass die vertragliche Vereinbarung zur Erstellung der Grundkonzeption zeitgleich mit dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin geschlossen worden sei.

Die angemessene Gestaltung bestehe in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für das Wirtschaftsgut „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg”, so dass die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase vereinbarten Provisionen und Gebühren wie Anschaffungskosten zu werten seien. Demgemäß seien im Ergebnis der Außenprüfung die Aufwendungen der Klägerin für die Konzeption, die Prospektprüfung, die Mittelverwendungskontrolle, die Treuhändergebühren in der Platzierungsphase, die Geschäftsbesorgungsgebühr sowie die Eigenkapitalvermittlungsprovisionen als Anschaffungskosten des Aktivpostens „Anspruch auf Beteiligung am Prozesserfolg” erfasst worden.

Auch hinsichtlich der Bewertung des immateriellen Wirtschaftsguts komme keine Änderung in Betracht. Entgegen der Annahme der Klägerin seien zur Bewertung nicht von vornherein direkt die Erfolgsaussichten der einzelnen Prozesse heranzuziehen. Das Wirtschaftsgut bestehe in der Fondskonzeption mit den angekündigten Ertragsaussichten, die sich auf ein bestimmtes Streitwertvolumen beziehen würden. Deshalb erfolge auch die Auflösung des entsprechenden Bilanzpostens prozentual im Umfang des anteiligen Streitwerts der entschiedenen Prozesse, also unabhängig vom Prozessausgang. Für die Bestimmung des Teilwerts gelte die Vermutung, dass der Teilwert eines Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Erwerbs den Anschaffungskosten entspreche. Diese Teilwertvermutung schließe auch die im Rahmen eines einheitlichen Vertragswerks entstandenen Anschaffungskosten ein. Diese Vermutung könne widerlegt werden, wenn der Steuerpflichtige darlege und nachweise, dass die Anschaffung eines Wirtschaftsguts von Anfang an eine Fehlmaßnahme gewesen sei. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht geführt.

Selbst wenn der Auffassung der Klägerin gefolgt würde, dass sie weder Herstellerin noch Erwerberin eines Wirtschaftsguts sei, wäre die aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrags an die E-AG gezahlte Vergütung in Höhe von 4.326.400 EUR schon deshalb nicht den sofort abziehbaren Betriebsausgaben zuzurechnen, weil dem finanziellen Aufwand der Klägerin der Anspruch auf Ausführung der sogenannten Geschäftsbesorgungsleistungen gegenüberstehe, der als Aktivposten in die Bilanz einzustellen sei (Vorleistung aus schwebendem Geschäft). Nach ständiger Rechtsprechung seien schwebende Geschäfte gegenseitige auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge i. S. der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches, die hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht noch nicht voll erfüllt seien. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürften während des Schwebezustandes grundsätzlich nicht in der Bilanz berücksichtigt werden, da die (widerlegbare) Vermutung bestehe, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Ein Bilanzausweis sei nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört sei oder aus diesem Geschäft ein Verlust drohe (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BStBl II 1997, 735). Würden Vorleistungen erbracht, sei beim Leistenden ein entsprechender Aktivposten „Vorauszahlung” oder „Anzahlung” zu bilden, der verhindere, dass das bislang nur einseitig erfüllte Geschäft bereits vor Beendigung des Schwebezustands erfolgswirksam werde. Der BFH gehe von einem weiten Verständnis der Anzahlungen aus, danach kämen als Anzahlungen Vorleistungen auf schwebende Verträge aller Art in Betracht, auch zeitraumbezogene Verträge, wie Dienst-, Pacht- oder Mietverträge (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 65/91, BStBl II 1995, 312, m. w. N.).

Dass die Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 22. Juli 2005 erst nach Ende der Zeichnungsfrist für die Klägerin veröffentlicht worden sei, sei für die Beurteilung des Streitfalls unerheblich, weil vorher keine abweichenden Verwaltungsanweisungen ergangen seien.

Ergebnisverteilung (Tz. 14 des Abschlussberichts):

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH könnten die rechtlichen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft steuerlich grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft gestaltet bzw. geändert werden. Dieser Grundsatz gelte auch für die Vereinbarungen über die Gewinnverteilung. Davon könne im Streitfall nicht abgewichen werden. Eine nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres beschlossene Änderung der Gewinn- und Verlustverteilungsabrede einer Personengesellschaft, die auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr zurückbezogen werde, sei für die einkommensteuerliche Gewinn- und Verlustrechnung unbeachtlich. Es sei unerheblich, ob die Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, auf das die Änderung zurückbezogen werde, noch in der Investitionsphase gewesen sei. Zwar sei ein Gleichstellungsbeschluss grundsätzlich steuerlich anzuerkennen, nach dem bei einer KG für die ersten beiden Geschäftsjahre die Gewinn- und Verlustverteilung in der Weise erfolgen soll, dass sämtliche in diesen beiden Geschäftsjahren eintretenden Kommanditisten gleichzustellen sind, indem die erst im zweiten Geschäftsjahr beigetretenen Kommanditisten einen höheren Anteil am Verlust der KG erhalten. Voraussetzung sei aber, dass dieser bereits bei Gründung der Gesellschaft gefasst worden sei.

Auch im Streitfall habe die Möglichkeit bestanden, die Ergebnisverteilung bei Gründung der Gesellschaft so zu regeln, dass den Beteiligten in der Investitionsphase gleiche Anteile zugerechnet werden könnten. Dass nach der Gründung der Klägerin wirtschaftliche Gründe eine Modifizierung der gesellschaftsvertraglichen Regelung erforderlich machten, sei ebenso wie die Tatsache, dass das Einverständnis der Gesellschafter für die Regelung vorgelegen habe, für die steuerliche Anerkennung unerheblich.

Einlagen (Agio) und Sonderbetriebsausgaben (Tz. 18 und 21 des Abschlussberichts):

Die von den Beteiligten erbrachten Agios seien gemäß § 5 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als Rücklagen zugeflossen und daher als Eigenkapital erfasst worden. Eine rückwirkende Anwendung des Gesellschafterbeschlusses vom 3. November 2004 komme auch hier nicht in Betracht. Die Agiobeträge seien nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 13. März 1980 IV B 58/78, BStBl II 1980, 499) auch nicht als sofort abziehbare Sonderbetriebsausgaben der Beteiligten anzuerkennen.

Gegen die Einspruchsentscheidung richtet sich die am …Januar 2009 bei Gericht eingegangene Klage. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Im Übrigen verweist sie auf eine von ihr vorgelegte gutachterliche Stellungnahme zu den steuerlichen Aspekten einer Beteiligung an einer identisch strukturierten Schwestergesellschaft (Bl. 81 ff. der Gerichtsakten), auf die der Senat wegen der Einzelheiten verweist.

Die Klägerin beantragt,

Die Bescheide vom … April 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2002 bis 2004, über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 2003 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 bis 2004, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … Dezember 2008, dahingehend zu ändern, dass die Bescheide wie folgt erklärungsgemäß ergehen:

  • •  Einkünfte aus Gewerbebetrieb / Gewerbeertrag von ./. 1.072.600,– für 2002, von ./. 3.773.391,– für 2003 und von 41.389,– EUR für 2004,
  • •  abweichende Verteilung des Verlustes für 2003 nach Maßgabe des Gesellschafterbeschlusses vom 3. November 2004 und
  • •  Erfassung des Agios als Ertrag auf Gesellschaftsebene und als Sonderbetriebsausgabe im Sonderbereich der Anleger.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die von der Klägerin angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen sie nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

I.  Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin in der Investitionsphase an die E-AG geleisteten Zahlungen in Höhe von 950.900,– EUR (2002), von 3.141.700,    EUR (2003) und von 233.800,– EUR (2004) nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben erfasst, sondern sie – zunächst gewinnneutral – aktiviert.

1.  Der Senat folgt der Auffassung des Beklagten, wonach die Zahlungen an die E-AG Anschaffungskosten eines immateriellen geschäftswertähnlichen Wirtschaftsguts darstellen.

a)  Der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstandes und der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes stimmen inhaltlich überein: Sie sind auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen und daher weit gespannt. Beide umfassen nicht nur Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, damit sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und jedenfalls mit dem Betrieb übertragen werden können. Darunter fallen, wie die Regelungen der § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG erkennen lassen, grundsätzlich auch – nicht körperliche – immaterielle Wirtschaftsgüter (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. August 2000 GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632; BFH-Urteile vom 20. März 2003 IV R 27/01, BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878; vom 14. März 2006 I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812; vom 19. Oktober 2006 III R 6/05, BStBl II 2007, 301, jeweils m. w. N.).

b)  Diese Merkmale sind im Streitfall erfüllt.

aa)  Die Chance auf eine Beteiligung am Prozesserlös stellt einen Vorteil dar, dessen Erlangung sich die Klägerin etwas – nämlich 4.326.400,– EUR – kosten ließ. Ein mehrjähriger Nutzen für den Betrieb der Klägerin – der in der neueren Rechtsprechung gar nicht mehr gefordert wird (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 2008 IV R 67/05, BStBl II 2008, 960) – liegt ebenfalls vor, da sich aus den von ihr finanzierten Prozessen Umsatzerlöse ergeben, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren zufließen sollten. Der Anspruch auf Beteiligung ist auch zusammen mit dem Betrieb übertragbar. Die vom handelsrechtlichen Schrifttum für das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes überwiegend für erforderlich gehaltene selbständige Verkehrsfähigkeit im Sinne der Einzelveräußerbarkeit ist nach Auffassung der Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nicht erforderlich (vgl. Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 345, m. w. N.). Im Streitfall wäre nach Auffassung des Senats aber sogar von einer selbständigen Verkehrsfähigkeit des Anspruchs auf Beteiligung am Prozesserlös auszugehen, da der Anspruch gegen die E-AG nach §§ 398 ff. BGB auf Andere übertragen werden kann. Insbesondere ist die Abtretung nicht gem. § 399 2. Alt. BGB durch Vereinbarung mit der E-AG ausgeschlossen worden.

bb)  Darüber hinaus ist auch das für den Wirtschaftsgutbegriff zentrale Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit (dazu Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 1681) erfüllt.

Die selbständige Bewertbarkeit bestimmt sich bei materiellen Wirtschaftsgütern nach dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang, dem Grad der Festigkeit und dem Zeitraum einer eventuell vorgenommenen Verbindung sowie nach dem äußeren Erscheinungsbild (Schmidt/Weber-Grellet, 30. Aufl. 2011, § 5 EStG Rn. 96). Für immaterielle Wirtschaftsgüter ist die selbständige Bewertbarkeit gegeben, wenn sie nach der Verkehrsanschauung als Einzelheit Bedeutung haben. Zur Abgrenzung vom Geschäfts- oder Firmenwert, der die durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen gewährleisteten Gewinnchancen abbildet, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind, ist erforderlich, dass ein gedachter Erwerber des ganzen Unternehmens für das Gut ein besonderes Entgelt ansetzen würde oder dass eine Einzelbewertung zumindest möglich wäre (vgl. Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 350 f.; FG Münster, Urteil vom 1. Februar 2008 9 K 2367/03, EFG 2008, 1449). Ob eine selbständige Bewertbarkeit vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalles festzustellen (BFH-Beschluss vom 3. September 2002 I B 144/01, BFH/NV 2003, 154).

Der von der Klägerin erworbene Anspruch auf Beteiligung am Prozesserlös ist nach Auffassung des Senats selbständig bewertbar und stellt deshalb ein geschäftswertähnliches immaterielles Wirtschaftgut dar, das zu aktivieren ist. Diese Beurteilung beruht darauf, dass die Klägerin für die von ihr erbrachte Zahlung eine klar abgegrenzte und definierte Geschäftschance erworben hat, die sich von einer Forderung nur durch die Ungewissheit ihrer Realisierbarkeit unterscheidet. Die Klägerin hat im wirtschaftlichen Ergebnis nämlich eine Option auf Beteiligung an einem etwaigen Prozesserlös der Kläger erworben. Für den Fall von Call- oder Put-Optionen, also dem Recht, einen bestimmten Gegenstand zu einem oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen, ist anerkannt, dass dieses Recht im Zeitpunkt der Einräumung der Option als immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren ist (vgl. Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 1686). Im Streitfall kann nichts anderes gelten.

Zudem ist die im Streitfall erworbene Geschäftschance auf Beteiligung am Prozesserlös mit dem entgeltlichen Erwerb der Ansprüche aus bestehenden schwebenden Verträgen vergleichbar (auch bezeichnet als Gewinnaussichten aus schwebenden Geschäften, Belieferungsrechte, Kundenaufträge, Auftragsbestand). Mit dem Erwerb bestehender schwebender Verträge treten gegenüber dem Geschäftswert selbständige immaterielle, geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter in Erscheinung, wenn sich aus den Verträgen bereits konkrete Verpflichtungen ergeben. Ein bei Erwerb eines Unternehmens übernommener Auftragsbestand ist ein selbständig bewertungsfähiges abschreibbares Wirtschaftgut und nicht Bestandteil des Geschäftswerts, wenn die Vertragsparteien dem Auftragsbestand eine besondere wirtschaftliche Bedeutung beigemessen haben. Dies resultiert daraus, dass der Auftragsbestand den zu erwartenden Gewinn umschreibt, der sich aus rechtsverbindlich abgeschlossenen (schwebenden) Verträgen ergibt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 1. Februar 1989 VIII R 361/83, BFH/NV 1989, 778; vom 15. Dezember 1993 X R 102/92, BFH/NV 1994, 543; vom 28. Mai 1998 IV R 48/97, BStBl II 1998, 775; FG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2003 15 K 7704/00 F, EFG 2003, 1290; FG Münster, Urteil vom 1. Februar 2008 9 K 2367/03, EFG 2008, 1449). Nicht anders verhält es sich im Streitfall, soweit die Klägerin durch die Pauschalvergütung die Chancen der E-AG auf Auskehrung von Erlösen aus den von der E-AG finanzierten Prozessen erworben hat.

c)  Die Aktivierung der selbständigen Geschäftschance „Beteiligung am Prozesserlös” verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des Nichtausweises von sog. schwebenden Geschäften.

Grundsätzlich dürfen schwebende Geschäfte, soweit sie ausgeglichen sind, nicht bilanziert werden; Forderungen und Verbindlichkeiten aus solchen Geschäften werden also nicht angesetzt (Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 290). Schwebende Geschäfte sind gegenseitige, auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge, insbesondere auch Dauerschuldverhältnisse, bei denen der zur Sach-, Dienst- oder Werkleistung Verpflichtete seine Leistung noch nicht erbracht hat (Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 330). Leistungen des zur Geldzahlung Verpflichteten haben keine Auswirkung auf den Schwebezustand (Schmidt/Weber-Grellet, 30. Aufl. 2011, § 5 EStG Rn. 76).

Im Streitfall liegt kein schwebendes Geschäft vor, denn die E-AG hat die von ihr geschuldete, nicht in Geld bestehende Leistungspflicht erbracht, indem sie der Klägerin den Anspruch auf Gewinnbeteiligung eingeräumt hat. Allerdings hat die E-AG gegenüber der Klägerin in dem Geschäftsbesorgungsvertrag umfassende Leistungspflichten übernommen und sich verpflichtet, gegen die Zahlung der Pauschalvergütung eigenverantwortlich das operative Geschäft der Klägerin zu führen. Dies führt zivilrechtlich auch zu einem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Vergütungszahlung einerseits und der Geschäftsbesorgung andererseits. Die steuerliche Qualifizierung des Vertragsverhältnisses weicht aber von der zivilrechtlichen Betrachtung ab, weil die Klägerin mit der Geschäftschance auf Beteiligung am Prozesserlös ein geschäftswertähnliches immaterielles Wirtschaftsgut angeschafft hat. Steuerlich teilt sich die zivilrechtlich einheitliche Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der E-AG deshalb in zwei voneinander zu trennende Abschnitte auf, nämlich zum einen den entgeltlichen Erwerb des immateriellen Wirtschaftsguts und zum anderen die Geschäftsbesorgung, die den Inhalt des immateriellen Wirtschaftsguts durch die von der Klägerin vereinnahmten Umsatzerlöse konkretisiert und materialisiert. Dass dies so ist, wird letztlich auch durch den Umstand belegt, dass die Klägerin eine Pauschalzahlung geleistet hat, die sich nicht am Aufwand der E-AG bemessen hat, sondern – dies ist zwischen den Beteiligten streitig – entweder an der Höhe des von ihr eingeworbenen Kommanditkapitals oder am Streitwert der von der E-AG akquirierten und positiv geprüften Aktivprozesse. Daraus folgt, dass die Pauschalvergütung Gegenleistung für das eingeräumte Wirtschaftsgut und nicht für die von der E-AG zu erbringenden sonstigen Tätigkeiten ist.

2.  Sofern kein immaterielles Wirtschaftsgut vorliegen sollte, würde sich im Streitfall am Ergebnis nichts ändern. Denn dann wäre die von der Klägerin geleistete Pauschalvergütung in Höhe von 4.326.400,– EUR als Anzahlung zu aktivieren (vgl. § 266 Abs. 1 A. I. 4. HGB).

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin stünde dem nicht entgegen, dass der Inhalt des Gegenanspruchs kein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut, sondern eine Dienstleistung wäre (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 25/91, BStBl II 1995, 312; Schmidt/Weber-Grellet, a. a. O., § 5 Rn. 270 „Anzahlungen”). Nicht entscheidend ist auch, ob die Anzahlungen als eigenständiges Wirtschaftsgut oder als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassen wären, weil dies weder am Umstand der erfolgsneutralen Erfassung noch an der Auflösung (dazu sogleich) etwas ändern würde.

3.  Die – von der Klägerin auch nicht angegriffene – Abschreibung des immateriellen Wirtschaftsguts durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden; denn der Beklagte hat den gebildeten Bilanzposten prozentual im Umfang des anteiligen Streitwerts der entschiedenen Prozesse, also unabhängig vom Prozessausgang, aufgelöst. In der Sache entspricht dies einer Absetzung für Substanzverringerung nach § 7 Abs. 6 EStG und wird den wirtschaftlichen Gegebenheiten besser gerecht als die lineare AfA gem. § 7 Abs. 1 EStG. Zudem dürfte die lineare AfA gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG über einen Zeitraum von 15 Jahren vorzunehmen sein, sodass die vom Beklagten gewählte Methode für die Klägerin sogar günstiger ist.

II.  Auch die von der Klägerin gezahlten Eigenkapitalvermittlungsprovisionen in Höhe von 139.357,– EUR (2002), von 587.834,– EUR (2003) und von 23.952,– EUR (2004) sowie die Rechtsund Beratungskosten in Höhe von 43.087,– EUR (2002), 171.972,– EUR (2003) und von 15.143,– EUR (2004) führten in den Streitjahren nicht zu unmittelbar gewinnminderndem Aufwand, sondern waren zu aktivieren.

1.  Sofern vom Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts durch die Klägerin auszugehen ist, folgt dies unmittelbar aus der Rechtsprechung des BFH zu den Anschaffungsnebenkosten im Rahmen von Bauherrenmodellen.

a)  Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, werden alle Aufwendungen, die von Anlegern eines Bauherrenmodells geleistet worden sind, als Anschaffungskosten und nicht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt, wenn sich die Anleger aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks beteiligen (BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299). Diese Grundsätze gelten auch für Immobilienfonds in der Rechtsform einer gewerblich geprägten KG. Zwar sind dann für die handelsrechtliche Bilanzierung die Aufwendungen des Fonds aus der Perspektive der Gesellschaft zu betrachten. Ob Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder aber sofort den Gewinn mindernde Betriebsausgaben vorliegen, kann danach nicht davon abhängen, inwieweit sich die Aufwendungen für den Gesellschafter oder künftigen Gesellschafter als Bestandteil eines von ihm zu tragenden Gesamtaufwands darstellen. Aus dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) ergibt sich andererseits aber auch nicht, dass steuerlich der handelsrechtlichen Behandlung von Aufwendungen als laufende Betriebsausgabe aus der Perspektive der Gesellschafter gefolgt werden muss. Die einheitliche Betrachtung des Vertragswerks für Zwecke der Besteuerung beruht nämlich auf § 42 AO, wonach der Besteuerung anstelle einer wirtschaftlich unangemessenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse diejenige Rechtsgestaltung unterworfen wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen gewesen wäre.

Die angemessene Gestaltung bestünde bei Immobilienfonds in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für die Immobilie, so dass die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts vereinbarten Provisionen oder Gebühren wie Anschaffungskosten zu werten sind; denn das wirtschaftliche Ziel der Fonds-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter kann und soll nur in der Zusammenfassung der verschiedenen Teile des Vertragswerks erreicht werden. Die einzelnen Teilverträge haben keine selbständige Bedeutung und lassen sich nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Ausgaben erklären. Für die steuerrechtliche Beurteilung eines geschlossenen Immobilienfonds mit gewerblichen Einkünften kommt es deshalb nicht darauf an, wie die betreffenden Vorgänge in der Handelsbilanz der KG behandelt worden sind. § 42 AO geht als spezielle Regelung dem Grundsatz des § 5 Abs. 1 EStG vor, denn die Handelsbilanz bildet in Ermangelung einer handelsrechtlichen Regelung nach Art des § 42 AO nur die tatsächliche Zivilrechtslage ab (BFH-Urteile vom 28. Juni 2001 IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717, und vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 223, 226, BStBl II 2011, 709).

b)  Die für den geschlossenen Immobilienfonds entwickelten Grundsätze sind gleichermaßen auf den vorliegenden Fall eines Prozesskostenfinanzierungsfonds zu übertragen.

Vergleichbar einem Immobilienfonds ist das vorliegende Fondskonzept darauf ausgerichtet, in gesamthänderischer Verbundenheit ein immaterielles Wirtschaftsgut zu erwerben, dabei eingeräumte steuerliche Vergünstigungen (hier insbesondere die im Rahmen des § 15a EStG ausgleichsfähigen Anlaufverluste) in Anspruch zu nehmen, um anschließend mit dem Wirtschaftsgut Umsatzerlöse zu erzielen (s. o. unter I.). Dieses Ziel konnte und sollte nach dem wirtschaftlichen Fondskonzept durch die Bündelung verschiedener, bereits vor der Aufnahme zukünftiger Gesellschafter abgeschlossener Verträge erreicht werden. Der einzelne dem Fonds beitretende Gesellschafter hatte mithin im Zeitpunkt des Eintritts in die Gesellschaft keinerlei (unternehmerischen) Einfluss mehr auf das wirtschaftliche Konzept, das die Fondsinitiatoren im Einzelnen ausgearbeitet hatten. Aus der Sicht der beitretenden Gesellschafter standen sämtliche Aufwendungen für die einzelvertraglich vereinbarten Dienstleistungen, hier für die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption, für die Platzierung, für die Geschäftsbesorgung (Investitionsphase), für den Prospekt, für die Vermittlung der Endfinanzierung (Fremdkapital) und für die Mittelverwendungskontrolle aufgrund der modellimmanenten Verknüpfung aller diesbezüglichen Verträge in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums an dem immateriellen Wirtschaftsgut. Den von den Initiatoren und Gründungsgesellschaftern der Klägerin abgeschlossenen einzelnen Verträgen kam daher jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht der beitretenden Anleger keine selbständige Bedeutung zu. Die einzelvertraglichen Abreden lassen sich auch bei dem hier zu beurteilenden Prozesskostenfinanzierungsfonds nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Ausgaben erklären. Ein Abzug von Aufwendungen als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben kommt insoweit nur in Betracht, als ein Erwerber der Geschäftschance auf Beteiligung am Prozesserlös außerhalb der modellhaften Vertragsgestaltung diese ebenfalls sofort als Betriebsausgaben abziehen könnte. Dies ist bei den vorliegend in Streit stehenden Aufwendungen indes nicht der Fall.

c)  Es ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine Teilwertabschreibung auf den Erinnerungswert von 1,– EUR vorzunehmen.

Der Teilwert eines neu hergestellten oder angeschafften Wirtschaftsguts entspricht nach der in der Rechtsprechung anerkannten Teilwertvermutung in der Regel den Anschaffungs- und Herstellungskosten, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern vermindert um die AfA. Diese Teilwertvermutung schließt auch die im Rahmen eines einheitlichen Vertragswerks entstandenen Anschaffungskosten ein, denn es ist davon auszugehen, dass jeder Anleger diese Aufwendungen tragen müsste, um sich an dem Anlageobjekt beteiligen zu können. Insoweit handelt es sich nicht um Aufwendungen, die bei der Bemessung des Teilwerts des Anlageobjekts wie etwa bestimmte vergebliche Aufwendungen unberücksichtigt bleiben müssten. Vielmehr ist anzunehmen, dass auch ein gedachter Erwerber der Beteiligung dem Veräußerer die gesamten als Anschaffungs- und Herstellungskosten behandelten Aufwendungen im Rahmen des Vertragswerks vergüten würde, weil er als Ersterwerber diese Kosten ebenfalls zu tragen hätte (BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 223, 226, BStBl II 2011, 709).

2.  Die Eigenkapitalvermittlungsprovisionen sowie die Rechts- und Beratungskosten stellen aber auch dann keine sofort abziehbare Betriebsausgaben dar, wenn nicht vom Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts auszugehen sein sollte, sondern die Zahlungen an die E-AG als Anzahlungen zu aktivieren wären (dazu oben I.2 der Gründe).

In diesem Fall gelten nämlich die Erwägungen, die der Rechtsprechung des BFH zu gewerblichen Immobilienfonds zugrunde liegen, entsprechend: Das angestrebte wirtschaftliche Ziel konnte und sollte nach dem wirtschaftlichen Fondskonzept durch die Bündelung verschiedener, bereits vor der Aufnahme zukünftiger Gesellschafter abgeschlossener Verträge erreicht werden, und der einzelne Anleger hatte keinen Einfluss auf das wirtschaftliche Konzept. Aus der Sicht der Anleger standen deshalb sämtliche Aufwendungen für die weiteren Dienstleistungen aufgrund der modellimmanenten Verknüpfung aller Verträge in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung der Beteiligung an den Prozesserlösen. Im Ergebnis stellen diese Zahlungen daher „Anzahlungsnebenkosten” dar und sind ebenfalls zu aktivieren.

3.  Sofern kein Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts vorliegt, sondern die Zahlungen an die E-AG als Anzahlungen auf noch zu erbringende Dienstleistungen zu aktivieren wären, müsste im Übrigen im Hinblick auf die Gewerbesteuer berücksichtigt werden, dass die Zahlungen an die E-AG als Mitunternehmerin der Klägerin geleistet worden sind. Diese Zahlungen stellen daher bei der E-AG Sonderbetriebseinnahmen gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, 2. HS EStG dar und erhöhen den Gewinn aus Gewerbebetrieb. Dies spielt allerdings nur eine Rolle, wenn die Anzahlungen bei Klägerin nicht aktiviert werden müssten, während sie im Streitfall zu aktivieren sind.

III.  Der Beklagte hat ebenfalls zu Recht den Beschluss vom … 2004 nicht bei der Gewinnverteilung des Jahres 2003 berücksichtigt und das Agio als Eigenkapital erfasst. Wegen der Gründe verweist der Senat auf die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung, denen sich der Senat anschließt (§ 105 Abs. 5 FGO).

IV.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da er von der Rechtsprechung des BFH nicht abweicht.

Abgrenzung zwischen laufender Unterrichtung und Schlussbesprechung (FG)

Gültigkeit der Hemmung der Verjährung wegen Betriebsprüfung bis ein Jahr nach dem Jahr der SchlussbesprechungAnforderungen an eine SchlussbesprechungAbgrenzung zwischen laufender Unterrichtung und Schlussbesprechung

 Leitsatz

1. Ob eine die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO befristende Schlussbesprechung stattgefunden hat, ist nach materiellen und nicht nach formellen Gesichtspunkten zu bestimmen (entgegen § 11 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung v. 15.3.2000, BStBl 2000 I S. 368 ).

2. Die Schlussbesprechung bildet nicht die generelle Beendigung der Außenprüfung, sondern regelmäßig die Beendigung der Prüfungshandlungen, zeigt also an, dass die Finanzbehörde keine weitere Prüfungshandlung mehr für erforderlich hält.

3. Eine Besprechung ist als Schlussbesprechung gem. § 171 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 201 AO anzusehen, wenn mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer der geprüften GmbH, dem Mitarbeiter deren Steuerberaters sowie dem Betriebsprüfer die maßgeblichen Personen teilnehmen und Gegenstand des Gesprächs sämtliche vorläufige Prüfungsfeststellungen des Betriebsprüfers sind. Unerheblich ist die Bezeichnung der Besprechung sowie die Einräumung einer Frist zur Einreichung weiterer Unterlagen.

4. Ist das FA der Ansicht, dass eine die Merkmale einer Schlussbesprechung aufweisende Besprechung keine solche, sondern lediglich eine Zwischenbesprechung i. S. d. § 199 Abs. 2 AO ist, muss es eine (weitere) Schlussbesprechung anberaumen bzw. erkennen lassen, eine solche durchführen zu wollen. Das FA kann nicht durch die gewählte Bezeichnung bzw. Klassifizierung eines Besprechungstermins das Besteuerungsverfahren offen halten.

 Gesetze

AO § 171 Abs. 4 S. 3
AO § 201 Abs. 1 S. 1
AO § 199 Abs. 2
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist rechtskräftig

 Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte Änderungsbescheide aufgrund einer Außenprüfung erlassen durfte oder ob bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Beratung von Unternehmen und Einzelpersonen im Bereich der Umwelt-, Energie- und Verfahrenstechnik, die Planung von Anlagen und Einrichtungen sowie das Errichten dieser Anlagen als Generalübernehmer oder Bauherrenvertreter. Im Streitzeitraum waren Herr C Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und Herr D Gesellschafter. Beide hielten jeweils 50 % der Anteile.

Der Beklagte führte ab dem … November 2004 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die Jahre 2000 bis 2002 betraf. Der vom Beklagten eingesetzte Prüfer teilte der Klägerin die vorläufigen Prüfungsfeststellungen in einer Besprechung im November 2004 mit. An der Besprechung nahmen auf der Seite der Klägerin ihr GesellschafterGeschäftsführer C und ein Mitarbeiter des steuerlichen Beraters der Klägerin teil. Der Prüfer gab der Klägerin Gelegenheit, nach Abschluss des Gesprächs noch weitere Unterlagen einzureichen; dies geschah jedoch nicht.

Daher erstellte der Prüfer am … Dezember 2004 den Prüfungsbericht. In dem Bericht führte der Prüfer aus, dass der Bilanzposten „Vorräte” zum 31. Dezember 2000 aufgrund der Aktivierung von Fremdleistungsaufwendungen erhöht werde (Textziffer [Tz.] 12). Zudem seien die Umsätze für die Verwendung unternehmenseigener Fahrzeuge für private Zwecke in den Jahren 2000, 2001 und 2002 zu erhöhen (Tz. 17, 18). In der Tz. 4 zu den „Allgemeinen Angaben” gab der Prüfer an, dass die letzten Ermittlungen „in 2004” stattgefunden hätten. In den Schlussbemerkungen führte der Prüfer aus, dass die Prüfungsfeststellungen während der Prüfung mit dem steuerlichen Berater der Klägerin besprochen worden seien und nach der „abschließenden Besprechung” keine weiteren Ermittlungen mehr stattgefunden hätten.

Den Prüfungsbericht übersandte der Prüfer der Klägerin mit Schreiben vom … Januar 2005 mit der Bitte um Stellungnahme. Diese erhob in der Folgezeit Einwendungen gegen die Prüfungsfeststellungen und kündigte die Einreichung von Unterlagen an. Die Übersendung von Unterlagen erfolgte jedoch nicht, trotz einer schriftlichen Aufforderung durch den Prüfer Ende 2005. Daher wertete der Beklagte den Außenprüfungsbericht unverändert aus und erließ mit Datum vom … Juli 2009 geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag 2000, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 3, 37 Abs. 2 und 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG ) zum 31. Dezember 2000 sowie geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2000, 2001 und 2002.

Hiergegen führte die Klägerin ein erfolgloses Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom … Januar 2010), so dass sie am … Februar 2010 Klage erhoben hat. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die zunächst auch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 3, 37 Abs. 2 und 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2000 gerichtete Klage insoweit zurückgenommen. Das Verfahren ist im Umfang der Klagerücknahme abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 12 K 12150/12 eingestellt worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Änderungsbescheide seien schon deshalb rechtswidrig, weil im Zeitpunkt ihres Erlasses die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) abgelaufen gewesen sei. Daran ändere auch die in § 171 Abs. 4 AO geregelte Ablaufhemmung in den Fällen, in denen eine Außenprüfung durchgeführt werde, nichts. Denn insoweit sei § 171 Abs. 4 Satz 3 AO maßgeblich, wonach die Festsetzungsfrist spätestens dann ende, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden habe, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen seien. Die abschließende Besprechung habe im Jahr 2004 stattgefunden und sei als Schlussbesprechung i. S. des § 201 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen; die Festsetzungsfrist sei daher am 31. Dezember 2008 abgelaufen.

Auch wenn die 2004 durchgeführte Besprechung nicht als Schlussbesprechung i. S. des § 201 Abs. 1 Satz 1 AO angesehen werden könnte, ändere sich daran im Ergebnis nichts, da der Beklagte auch die letzten Ermittlungshandlungen im Jahr 2004 vorgenommen habe. Eine etwaige, vom Beklagten angeführte Einsichtnahme in Unterlagen über eine bei ihr für die Jahre 1998 bis 2001 durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung seien keine Ermittlungshandlungen i. S. des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO .

In der Sache wende sie sich weiterhin gegen die vom Beklagten vorgenommene Bewertung der Vorräte, die Versteuerung der privaten Nutzung von Unternehmensfahrzeugen durch die Gesellschafter sowie gegen den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung im Jahr 2000 für eine Tantieme.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2000, den Gewerbesteuermessbetrag für 2000 und Umsatzsteuer für 2000, 2001 und 2002, jeweils vom … Juli 2009, sowie die zu diesen Bescheiden ergangene Einspruchsentscheidung vom … Januar 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die in § 171 Abs. 4 Satz 1 AO geregelte Ablaufhemmung sei nicht ab dem 1. Januar 2005 befristet gewesen, da die Ende 2004 durchgeführte Besprechung nicht als Schlussbesprechung i. S. des § 201 AO anzusehen sei. Hätte diese Besprechung eine Schlussbesprechung sein sollen, hätte er bestimmte Formalien eingehalten, so der Beklagte, und einen Vermerk über die Bekanntgabe eines Besprechungstermins sowie die Besprechungspunkte angefertigt. Dies sei jedoch unterblieben. Daher sei maßgeblich, ob nach 2004 noch Prüfungshandlungen durchgeführt worden seien. Dies sei der Fall, da der zuständige Prüfer in 2005 vor allem hinsichtlich der privaten Fahrzeugnutzung in Unterlagen Einsicht genommen habe, welche im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 1998 bis 2001 vorgelegt worden seien. Zudem habe die Klägerin mit den von ihr erhobenen Einwendungen selbst verdeutlicht, dass sie an einem Fortgang der Außenprüfung und somit an weiteren bzw. letzten Ermittlungen interessiert gewesen sei. Im Ergebnis habe die Frist des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO erst mit Ablauf des 31. Dezember 2005 zu laufen begonnen, so dass der Erlass der Änderungsbescheide am … Juli 2009 noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt sei.

In der Sache könne die Klage keinen Erfolg haben, da die Klägerin ihre Auffassung nicht hinreichend begründet habe und die rechtlichen Schlussfolgerungen des Prüfers der geltenden Rechtslage entsprächen.

 Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide wegen Körperschaftsteuer 2000, Umsatzsteuer 2000, 2001 und 2002 sowie wegen des Gewerbesteuermessbetrags 2000 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung [FGO ]).

Dem Erlass dieser geänderten Bescheide stand der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer grundsätzlich vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ).

1. Die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Abgabe der Steuererklärungen (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ) war – wie unter den Beteiligten unstreitig ist – bei Erteilung der aufgrund der Außenprüfung geänderten Bescheide am … Juli 2009 bereits abgelaufen, denn die Steuerklärung für den letzten hier streitigen Veranlagungszeitraum 2002 wurde im Jahr 2003 beim Beklagten eingereicht.

2. Auch unter Berücksichtigung der in § 171 Abs. 4 AO geregelten Ablaufhemmung war die Festsetzungsfrist abgelaufen, und zwar am 31. Dezember 2008; denn der Beklagte führte im Jahr 2004 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch und erörterte Ende 2004 die Ergebnisse der Außenprüfung in einer Schlussbesprechung.

a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO ). Die Festsetzungsfrist endet nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO allerdings spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind.

aa) Die Schlussbesprechung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 201 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AO . Danach wird die Schlussbesprechung als Besprechung über das Ergebnis der Außenprüfung definiert. Die Schlussbesprechung ist somit eher vage bestimmt (vgl. nur Frotscher in Schwarz, AO , § 201 Rn. 4), ihr Inhalt und Ablauf sind nicht näher normiert.

bb) Die Finanzverwaltung betrachtet die Schlussbesprechung nach formellen Gesichtspunkten. Gemäß § 11 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung – Betriebsprüfungsordnung (Fassung vom 15. März 2000, Bundessteuerblatt [BStBl] I 2000, 368) sind die Besprechungspunkte und der Termin der Schlussbesprechung dem Steuerpflichtigen in einer angemessenen Zeit vor der Besprechung bekanntzugeben, wobei diese Bekanntgabe nicht der Schriftform bedarf. Dauert die Außenprüfung nur wenige Tage, kann die Schlussbesprechung allerdings auch kurzfristig anberaumt werden (Ax/Große/Melchior, AO /FGO , 19. Auflage [2007], Rn. 2319). Teilnehmer auf Seiten des Steuerpflichtigen ist neben diesem selbst in der Regel sein steuerlicher Berater (Intemann in Pahlke/Koenig, AO , 2. Auflage [2009], § 201 Rn. 6).

cc) Nach der Auffassung des Senats ist nach materiellen und nicht nach formellen Gesichtspunkten zu bestimmen, ob eine Schlussbesprechung stattgefunden hat. Maßgeblich sind dafür die folgenden Erwägungen:

Zweck der Schlussbesprechung soll neben der Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten und Missverständnissen die Gewährung rechtlichen Gehörs sein (Frotscher in Schwarz, AO , § 201 Rn. 2; Intemann in Pahlke/Koenig, AO , 2. Auflage [2009], § 201 Rn. 1; Sauer in Beermann/Gosch, AO /FGO, § 201 AO Rn. 3 f.; von Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt, AO /FGO , 20. Auflage [2011], § 201 AO Rn. 4). Damit hat die Schlussbesprechung eine Befriedungsfunktion, da sie zeitlich auf die Durchführung der Prüfungshandlungen folgt und sich schwerpunktmäßig auf Fragen bezieht, die im Rahmen der Prüfung streitig geblieben sind (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO /FGO, § 201 AO Rn. 12; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage [2010], § 21 Rn. 247). Der Auftrag des Gesetzes, gerade die streitigen Aspekte zum Gegenstand der Schlussbesprechung zu machen, kann nur dahin verstanden werden, dass die Beteiligten ihre gegensätzlichen Auffassungen vortragen und womöglich die andere Seite von der Richtigkeit dieser Auffassungen überzeugen sollen – letztlich mit dem Ziel, die streitigen Aspekte des Falls schon im Rahmen der Schlussbesprechung zu erledigen (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO /FGO , § 201 AO Rn. 12). Allerdings haben die während der Schlussbesprechung getroffenen Äußerungen nur vorläufigen Charakter; auch das rechtliche Ergebnis der Schlussbesprechung ist grundsätzlich unverbindlich (Intemann in Pahlke/Koenig, AO , 2. Auflage [2009], § 201 Rn. 17; von Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt, AO /FGO, 20. Auflage [2011], § 201 AO Rn. 7).

Abzugrenzen ist die Schlussbesprechung von der in § 199 Abs. 2 AO geregelten laufenden Unterrichtung des Steuerpflichtigen über die während der Prüfung festgestellten Sachverhalte und deren möglichen steuerlichen Auswirkungen (vgl. dazu Intemann in Pahlke/Koenig, AO , 2. Auflage [2009], § 201 Rn. 18; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage [2010], § 21 Rn. 247). Diese laufende Unterrichtung hat zumeist nur bei Großoder Konzernbetrieben den formalen Rahmen einer Besprechung und wird dann als Zwischenbesprechung bezeichnet (Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage [2010], § 21 Rn. 247).

Die Schlussbesprechung bildet nicht die generelle Beendigung der Außenprüfung (missverständlich insoweit Sauer in Beermann/Gosch, AO /FGO , § 201 AO Rn. 6, der vom „Endpunkt einer Außenprüfung” spricht), sondern regelmäßig die Beendigung der Prüfungshandlungen, zeigt also an, dass die Finanzbehörde keine weitere Prüfungshandlung mehr für erforderlich hält (Frotscher in Schwarz, AO , § 201 Rn. 1). In diesem Sinne ist nach der Auffassung des Senats auch das Urteil des Finanzgerichts [FG] des Saarlands vom 30. September 1992 zu verstehen, wonach von einer Schlussbesprechung dann gesprochen werden kann, wenn nach Vornahme von Prüfungshandlungen die Prüfung eingestellt und allen Beteiligten im Rahmen einer Besprechung Gelegenheit gegeben wird, abschließend zu den Prüfungsfeststellungen Stellung zu nehmen (FG des Saarlandes, Urteil vom 30. September 1992 1 K 8/92 , Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 1993, 279). Dementsprechend sieht auch § 202 Abs. 2 AO die Möglichkeit bzw. das Recht vor, den Prüfungsbericht vor seiner Auswertung an den Steuerpflichtigen übersenden, der darauf hin Einwendungen gegen den Bericht erheben kann; die Außenprüfung wird dann in der Weise fortgesetzt, dass der Prüfer zu den Einwendungen des Steuerpflichtigen seinerseits Stellung nimmt.

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Befristung der Ablaufhemmung von vier Jahren (§ 171 Abs. 4 Satz 3 AO i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ) bereits mit dem 01. Januar 2005 begonnen, denn die im November 2004 durchgeführte Besprechung ist als Schlussbesprechung i. S. des § 171 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 201 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen.

aa) Unstrittig ist, dass der Betriebsprüfer im November 2004 mit Herrn C, dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin, und einem Mitarbeiter des Steuerberaters der Klägerin eine Besprechung abgehalten hat. Unschädlich ist, dass der Beklagte meint, bei dieser Besprechung habe es sich nicht um eine Schlussbesprechung, sondern lediglich um eine „abschließende Besprechung” gehandelt. Denn entscheidend ist nicht die Bezeichnung der Besprechung, sondern ihr Inhalt und Zweck. Sowohl Inhalt als auch Zweck der zwischen den Beteiligten abgehaltenen Besprechung entsprachen einer „üblichen” Schlussbesprechung; denn nicht nur haben auf Seiten der Klägerin die maßgeblichen Personen teilgenommen – ihr Gesellschafter-Geschäftsführer und ein Mitarbeiter des Steuerberaters –, sondern Gegenstand des Gesprächs waren auch sämtliche (vorläufige) Prüfungsfeststellungen des Betriebsprüfers. Dies ist unstrittig und vom Beklagten selbst vorgetragen. Dass nur die vorläufigen Feststellungen Gegenstand der Besprechung waren, ist unschädlich, wie die zitierte Literatur zeigt, der sich der Senat anschließt. Denn erst der in § 202 Abs. 1 Satz 1 AO normierte Prüfungsbericht enthält die „endgültigen” bzw. für die Auswertung und Umsetzung der Betriebsprüfungsergebnisse in Steuerbescheide maßgeblichen Prüfungsfeststellungen. Aus diesem Grund ist es für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei dem hier strittigen Gespräch um eine Schlussbesprechung handelte, auch unerheblich, dass der Klägerin noch eine kurze Frist zur Einreichung weiterer Unterlagen eingeräumt wurde. Denn werden nur vorläufige Prüfungsfeststellungen besprochen, muss der Steuerpflichtige die Gelegenheit erhalten, weitere Ausführungen tatsächlicher oder rechtlicher Art zu machen.

Diese Erwägungen stehen auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO . Der Zweck des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO besteht darin, zugunsten des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit eine zeitlich unbegrenzte Auswertung von Prüfungsfeststellungen zu verhindern und damit eine zeitgerechte Auswertung der Prüfungsfeststellungen durch den Erlass von Änderungsbescheiden zu erzwingen (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 08. Juli 2009 XI R 64/07, BStBl II 2010 , 4 ). Dagegen konnten vor der Einfügung des Satzes 3 in § 171 Abs. 4 AO Änderungsbescheide auf Grund einer Außenprüfung ergehen, ohne dass ein fester zeitlicher Rahmen für den Erlass der Bescheide vorgesehen war; der Erlass der Bescheide konnte allenfalls unter dem Gesichtspunkt von „Treu und Glauben” aufzuhalten sein (vgl. dazu FG Düsseldorf, Urteil vom 12. Dezember 2000 6 K 8964/98 K, G, U, F , EFG 2001, 865 ). Den somit bestehenden Widerspruch zu dem Zweck der Verjährungsvorschriften – innerhalb eines festen Zeitrahmens Klarheit über den Gegenstand des Steuerschuldverhältnisses zu schaffen – sollte die Ergänzung des Satzes 3 (mit einer an § 169 Abs. 2 AO orientierten Frist für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen) beseitigen (Bundestags-Drucksache 10/1636, 43 f.; vgl. auch BFH-Urteil vom 08. Juli 2009 XI R 64/07 , BStBl II 2010, 4). Mithin dient § 171 Abs. 4 Satz 3 AO der Rechtssicherheit. Der Finanzbehörde soll nach der Ermittlung des Sachverhalts im Wege der Außenprüfung für den Erlass der Steuerbescheide aufgrund der Außenprüfung nicht unbegrenzt Zeit verbleiben, während erstmalige Steuerfestsetzungen innerhalb der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO erfolgen müssen (siehe dazu auch Cöster in Pahlke/Koenig, AO , 2. Auflage [2009], § 171 Rn. 100).

Dem Zweck des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO würde es zuwiderlaufen, wenn es die Finanzbehörde in der Hand hätte, durch die von ihr gewählte Bezeichnung bzw. Klassifizierung eines Besprechungstermins das Besteuerungsverfahren offen zu halten. Daher muss sich die Finanzbehörde an ihrer eigenen Vorgehensweise festhalten lassen und muss – wenn sie mit dem Steuerpflichtigen eine Schlussbesprechung durchführt – diesem auch die notwendige Rechtssicherheit gewähren, dass dieses Gespräch eine maßgebliche Etappe auf dem Weg zum Abschluss der Außenprüfung darstellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige nach ganz überwiegender Ansicht einen (klagbaren) Rechtsanspruch auf die Durchführung einer Schlussbesprechung hat ([BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 I R 66/84 , Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 1988, 319; FG Köln, Urteil vom 22. Februar 2000 14 K 3004/99, EFG 2000, 775 ; Sauer in Beermann/Gosch, AO /FGO , § 201 Rn. 9; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO /FGO , § 201 AO Rn. 20; zweifelnd Rüsken in Klein AO , 10. Auflage [2009], § 201 Rn. 5). Da davon auszugehen ist, dass die Finanzverwaltung stets rechtmäßig handelt bzw. handeln will, hätte der Beklagten nach Durchführung der Besprechung im November 2004 eine (weitere) Schlussbesprechung anberaumen müssen, wenn er der Überzeugung gewesen wäre, dass das Gespräch vom November 2004 keine Schlussbesprechung bzw. lediglich eine Zwischenbesprechung i. S. des § 199 Abs. 2 AO gewesen sei. Dies ist jedoch nicht geschehen; derartige Überlegungen, noch eine weitere Besprechung durchführen zu müssen, lassen sich auch nicht den Steuerakten entnehmen.

bb) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass auch spätere Ermittlungen der Finanzbehörde den Beginn der Festsetzungsfrist hinausschieben können. Denn nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO beginnt die Befristung der Ablaufhemmung in erster Linie mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat. Auf das Kalenderjahr, in dem die letzten Ermittlungen stattgefunden haben, ist nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann abzustellen, wenn die Schlussbesprechung unterblieben ist (BFH-Urteile vom 09. März 1999 VIII R 19/97 , BFH/NV 1999, 1186 ; vom 20. Juli 2005 X R 74/01, BFH/NV 2005, 2195 ; FG Düsseldorf, Urteil vom 02. Februar 1999 6 K 5708/95 , juris; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO /FGO , § 171 AO Rn. 127). Das war hier jedoch gerade nicht der Fall, so dass dahinstehen kann, ob das Finanzamt – wie der Beklagte vorgetragen hat – nach der Schlussbesprechung weitere Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung durchgeführt hat.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung .

III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die Frage, welche Anforderungen an eine Schlussbesprechung i. S. der §§ 171 Abs. 4 Satz 3, 201 AO zu stellen sind, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich entschieden.

Vermögenswirksame Leistungen | Bescheinigung (Anlage VL) 2012 (BMF)

Bekanntmachung des Vordruckmusters für die Bescheinigung der 2012 angelegten vermögenswirksamen Leistungen (Anlage VL 2012)

Das Vordruckmuster für die Bescheinigung der 2012 angelegten vermögenswirksamen Leistungen (Anlage VL 2012) wird hiermit in der Anlage bekannt gemacht (§ 15 Absatz 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetz, § 5 der Verordnung zur Durchführung des Fünften Vermögensbildungsgesetz).

Der Vordruck hat das Format DIN A 4.

Der Vordruck kann auch maschinell hergestellt werden. Im Interesse einer korrekten Erfassung (maschinelle Beleglesung) muss der maschinell hergestellte Vordruck sämtliche Angaben in gleicher Anordnung enthalten und in Format, Aufbau, Druckbild und Wortlaut dem bekannt gemachten Vordruck entsprechen. Insbesondere darf ein maschinell hergestellter Vordruck bezüglich folgender Punkte nicht vom amtlichen Muster abweichen:

  • keine Hinterlegung in Farbe oder Grauwerten,
  • keine Kammboxen und keine Erläuterungstexte in den Datenfeldern,
  • Schriftgrößen,
  • keine Serifenschriften,
  • keine zusätzlichen Inhalte wie Erläuterungstexte und Informationen des Anlageinstituts, Unternehmens, Empfängers.

Wird der Vordruck maschinell ausgefüllt, dürfen für die Eintragungen in den Datenfeldern ebenfalls keine Serifenschriften verwendet werden. Diese Eintragungen sind in Schriftgröße 12 pt vorzunehmen. Eine kleinere Schrift darf nur verwendet werden, wenn anderenfalls der für die Eintragung zur Verfügung stehende Platz nicht ausreichen würde.

Maschinell erstellte Bescheinigungen brauchen nicht handschriftlich unterschrieben zu werden.

Beim Ausfüllen der Anlage VL 2012 sind die Vorgaben im BMF-Schreiben vom 9. August 2004 (BStBl I Seite 717), geändert durch die BMF-Schreiben vom 16. März 2009 (BStBl I Seite 501), vom 4. Februar 2010 (BStBl I Seite 195) und vom 2. Dezember 2011 (BStBl I Seite 1252), zu beachten. Eine redaktionelle Zusammenfassung der BMF-Schreiben ist unter www.bundesfinanzministerium.de abrufbar.

Berlin, den 24. August 2012

IV C 5 – S 2439/12/10002

 

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  • Vordruckmuster Anlage VL 2012 (PDF, 445,7 KB)

Nachträgliche Schuldzinsen bei wesentlicher Beteiligung (OFD)

Auswirkungen des BFH-Urteils vom 16.03.2010, VIII R 20/08 (BStBl 2010 II S. 787 ) auf die Veranlagungsoption des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG

 Bezug: OFD Münster v. 16.03.2012 – Kurzinfo ESt 7/2012

Der BFH hat mit Urteil vom 16.03.2010, VIII R 20/08 entschieden, dass Schuldzinsen  für die Finanzierung der Anschaffungskosten  einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung im Sinne von § 17 EStG , die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können.

Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten grds. ausgeschlossen. Stattdessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 € bzw. 1.602 € abgezogen (Sparer-Pauschbetrag).

Der Gesetzgeber hat mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eine Option zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer eingeräumt. Voraussetzung ist, dass ein Anleger entweder bereits

  • aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe (mind. 25 %) oder
  • aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe (mind. 1 %) in Kombination mit einer beruflichen Tätigkeit

 

wesentlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen ausüben kann. Ein einmal gestellter Antrag gilt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG für den Veranlagungszeitraum der Antragstellung und für die folgenden vier Veranlagungszeiträume als gestellt. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG in diesen Fällen keine Anwendung.

Wurde die Beteiligung  beendet , sind folgende Grundsätze zu beachten:

Auflösung/Veräußerung der Beteiligung vor dem 01.01.2009

Wurde die Beteiligung vor dem 01.01.2009  beendet , scheidet eine Anwendung der tariflichen Einkommensteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und damit auch ein Werbungskostenabzug aus.

Auflösung/Veräußerung der Beteiligung nach dem 31.12.2008

Wurde die Beteiligung, für die die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt worden ist, nach dem 31.12.2008  beendet , gelten die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG letztmalig für den VZ der  Beendigung  als erfüllt.

§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetzt nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG . Sinkt die Beteiligung unter die Grenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG ist auch innerhalb der Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen.

 Beispiel

A hielt als Alleingesellschafter 100 % der Anteile an der der A-GmbH. Der Erwerb der Beteiligung wurde fremdfinanziert. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2009 übte A sein Optionsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Beteiligung an der A-GmbH aus und beantragte den Abzug der angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Am 15.12.2010 veräußerte A die Beteiligung. Dabei verblieb ein Schuldüberhang. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2011 macht A nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Lösung

Da die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG im VZ 2011 zu keinem Zeitpunkt erfüllt waren, kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr in Betracht.

 Die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann somit letztmalig für den Veranlagungszeitraum Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Steuerpflichtigen noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2005, VIII R 45/04 , BFH/NV 2005, 1545 ). Der Veräußerungsverlust nach § 17 EStG entsteht grds. im Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation; auf das Jahr der Auflösung der Kapitalgesellschaft (z. B. durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) kommt es regelmäßig nicht an.

 Ist z. B. mit Einnahmen nicht mehr zu rechnen und steht die Höhe der Anschaffungskosten fest, kann der Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung auch bereits vor diesem Zeitpunkt liegen (z. B. wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde).

 Steht erst in einem späteren Jahr fest, dass mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, besteht die Beteiligung noch bis zu diesem (späteren) Zeitpunkt fort (z. B. wenn die Höhe der Anschaffungskosten noch ungewiss ist, weil ein Rechtsstreit bzgl. abgegebener Bürgschaftsversprechen zwischen der Bank und dem Gesellschafter noch andauert).

 Die Verlustberücksichtigung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem der Verlust hinreichend konkretisiert ist, d. h. mit wesentlichen Veränderungen nicht mehr zu rechnen ist.

Betriebsprüfung | Zuschätzungen aufgrund eines Zeitreihenvergleichs (FG)

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass Zuschätzungen auf Grundlage eines sog. Zeitreihenvergleichs zulässig sind, wenn die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist (FG Münster, Urteil v. 26.7.2012 – 4 K 2071/09 E,U, Nichtzulassungsbeschwerde anhängig).

Nach der Rechtsprechung des BFH ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Kasseneinnahmen täglich nur in einer Summe in ein Kassenbuch eingetragen werden; dann muss aber das Zustandekommen dieser Summe durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons oder aber die Einnahmen und Ausgaben anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden. Eine Aufbewahrungspflicht besteht lediglich dann nicht, wenn die Einnahmen und Ausgaben anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden, in dem sie mit dem Anfangs- und Endbestand der Kasse abgestimmt werden (siehe hierzu BFH, Urteil v. 20.6.1985 – IV R 41/82, m.w.N.). Zu den aufzubewahrenden Unterlagen gehören auch die Organisationsunterlagen einer verwendeten Registrierkasse, um Manipulationen aufdecken zu können (Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rn. 24). Aufbewahrungspflichtig nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist auch die Speisekarte einer Gaststätte (FG München, Urteil v. 29.10.2009 – 15 K 219/07).

Der Kläger betrieb eine Speisegaststätte und führte für seine Bareinnahmen eine elektronische Registrierkasse. Einen Teil seiner Bareinnahmen buchte er jedoch nicht über die Kasse. Zudem waren die Tagesendsummenbons nicht vollständig bzw. nicht datiert. Das Finanzamt sah die Buchführung nicht als ordnungsgemäß an und schätzte Umsätze und Gewinne auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs hinzu. Dabei ermittelte es wöchentliche Rohgewinnaufschlagsätze und bildete für je zehn aufeinanderfolgende Wochen Mittelwerte. Den jeweils höchsten Mittelwert wendete es auf den erklärten Wareneinkauf an. Der Kläger wendete gegen die Zuschätzungen ein, dass seine Buchführung ordnungsgemäß sei und machte grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung des Zeitreihenvergleichs geltend.

Die Kassenführung des Klägers, der wegen des hohen Anteils des Bargeschäfts eine erhebliche Bedeutung zukommt, ist nicht ordnungsgemäß, da nicht alle Bareinnahmen in der Registrierkasse erfasst worden sind. Die unvollständigen bzw. teilweise nicht datierten Tagesendsummenbons sind zudem nicht geeignet, eine Gewähr für die vollständige Erfassung der Einnahmen zu bieten. Der Zeitreihenvergleich stellt auch eine geeignete Schätzungsmethode für eine Speisegaststätte dar. Er geht davon aus, dass eingekaufte Waren innerhalb eines kurzen Zeitraums verbraucht werden und dass es in der Praxis kaum möglich ist, den Wareneinkauf wochenweise genau zu verschweigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Betriebsstruktur im Schätzungszeitraum nicht wesentlich verändert hat. Als innerer Betriebsvergleich liefert der Zeitreihenvergleich ein wahrscheinlicheres Ergebnis als andere Methoden (z.B. eine Richtsatzschätzung).

Quelle: FG Münster online

Anschaffungsnahe Herstellungskosten (OFD)

Anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bei erhöhten Absetzungen nach § 7i und § 11b EStG

 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG werden Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, den Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet, wenn die Aufwendungen ohne Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes überschreiten (sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten).

In die 15 %-Grenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind auch Aufwendungen einzubeziehen, für die eine Bescheinigung der Denkmalbehörde nach § 7i , § 11b  EStG vorliegt. Bei Überschreiten der 15 %-Grenze gehören alle Aufwendungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes und sind nach § 7 Abs. 4 EStG bzw. – soweit eine Bescheinigung der Denkmalbehörde vorliegt – nach § 7i Abs. 1 EStG abzuschreiben. Wird die 15 %-Grenze nicht überschritten, kann der Erhaltungsaufwand sofort oder verteilt auf zwei bis fünf Jahre als Werbungskosten abgezogen werden (§ 82b Abs. 1 EStDV bzw. § 11b EStG ).

Der in der Literatur vertretenen Auffassung, die § 7i , § 11b  EStG würden als Spezialnormen § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG verdrängen und Aufwendungen nach § 7i , § 11b  EStG und solche nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG seien nicht zusammenzurechnen (Götz in DStR 2011 S. 1017), kann nicht gefolgt werden.

§ 6 EStG ist eine Bewertungsvorschrift, welche für Erhaltungsaufwendungen in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Umqualifizierung zu Herstellungskosten vornimmt. § 7i EStG befasst sich mit der Frage der erhöhten Abschreibung von Herstellungskosten und wurde als Spezialregelung zur Abschreibung nach § 7 EStG eingeführt. § 11b EStG schafft für Erhaltungsaufwendungen ein Wahlrecht zur Abweichung vom Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG . Demzufolge qualifiziert § 6 EStG die Art der Aufwendungen, während die §§ 7 ff. EStG und §§ 11 ff. EStG die Höhe der Abzugsfähigkeit – je nach Art der Aufwendung – regeln. Die §§ 7 ff. EStG und §§ 11 ff. EStG setzen eine bereits erfolgte Zurechnung der angefallenen Ausgaben zu den Herstellungskosten bzw. Erhaltungsaufwendungen voraus.

Auch in Kommentierungen wird davon ausgegangen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Bereich der Subventionsvorschriften für Denkmalschutz und Städtebau anzuwenden ist (vgl. z. B. Kulosa in Schmidt, EStG , § 6 EStG Rz. 381), bzw. eine Abgrenzung zwischen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen bei Baudenkmälern genauso wie bei nicht geschützten Gebäuden vorzunehmen ist (vgl. Kleeberg in Kirchhof/Söhn, EStG , § 7i EStG Rz. B 12). Im Übrigen vertritt auch Götz abweichend zu seinem ersten Aufsatz inzwischen diese Auffassung (vgl. DStR 2012 S. 1217).

Werbungskostenabzug für Sprachkurs im Ausland (FG)

Hälftiger Werbungskostenabzug der Reisekosten sowie voller Werbungskostenabzug der Kursgebühren für einen Fortgeschrittenen-Spanischsprachkurs einer Exportsachbearbeiterin im touristisch interessanten Andengebiet in Ecuador

 Leitsatz

1. Auch wenn ein in den Anden in Ecuador durchgeführter Spanischsprachkurs für Fortgeschrittene nur Spanisch-Grundkenntnisse vermittelt, diese aber für die berufliche Tätigkeit der teilnehmenden Exportsachbearbeiterin ausreichen, kann der Kurs beruflich veranlasst sein und können deshalb die Kursgebühr als Werbungskosten abgezogen werden (im Streit: durch Arbeitgeberbescheinigung belegtes Erfordernis u.a. spanischer Sprachkenntnisse).

2. Findet der Sprachunterricht in Quito in den Anden werktags jeweils vier Stunden am Vormittag statt, werden die Teilnehmer jeweils per Bus vom Hotel zum Kursort und wieder zurückgefahren und haben sie täglich Übungen bzw. Hausaufgaben in einem zeitlichen Umfang von mindestens 90 Minuten zu erledigen, so kann die Reise nicht nach einem zeitlichen Maßstab in in einen überwiegend beruflich veranlassten sowie in einen „touristischen”, privat veranlassten Teil aufgeteilt werden. Wird kein anderer Aufteilungsmaßstab substantiiert vorgetragen und nachwiesen, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt entsprechend den Grundsätzen des BFH-Urteils VI R 12/10 vom 24.2.2011 von einer hälftigen Aufteilung bzw. einem hälftigen Werbungskostenabzug sämtlicher mit dem Sprachkurs verbundener Reisekosten ausgeht.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 12 Nr. 1
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 Tatbestand

Streitig ist, ob die der Klägerin zur Teilnahme an einen Sprachkurs in Ecuador angefallenen Reisekosten in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte als Werbungskosten abziehbar sind.

Die Klägerin war bis zum 31.03.2001 bei der D.GmbH als Exportsachbearbeiterin tätig. Vom 12.03. bis 01.04.2000 nahm sie an einem Spanischsprachkurs für Anfänger in Mexiko teil. Unter dem 27.06.2000 bestätigte der Arbeitgeber, dass für ihre Tätigkeit Fremdsprachen (Englisch/Französisch/Koreanisch/ Spanisch/Italienisch) gefordert werden. Im Streitjahr besuchte die Klägerin vom 05.03. bis zum 21.03. einen eigentlich bis zum 23.03.2001 dauernden Spanischsprachkurs für Fortgeschrittene in Quito, Ecuador. Den Hinflug unternahm sie am 03.03. und den Rückflug am 22.03.2001. Unterricht fand jeweils Werktags von 8 Uhr bis 11.55 Uhr statt. Für Übungen/Hausaufgaben fielen einer Bestätigung des Sprachreisenanbieters zur Folge pro Tag mindestens 1,5 Zeitstunden an. Ob die Fahrtzeit vom Hotel zum Kursort und zurück jeweils nur 5 bis 30 Minuten einfach, wie in Werbeunterlagen des Sprachreisenanbieters angegeben, oder aufgrund der Verkehrsverhältnisse tatsächlich eine Stunde einfach betrug, ist zwischen den Beteiligten streitig. In den Werbeunterlagen des Sprachreisenanbieters wird neben dem Sprachkurs unter der Überschrift „Faszination in den Anden: Ecuador” mit den touristischen Vorzügen des Kursortes geworben. Für den Sprachkurs erhielt die Klägerin vom 05. bis zum 08.03. Bildungsurlaub von ihrem Arbeitgeber. Aufgrund eines Sozialplanes wurde ihr für die Zeit vom 09. bis zum 30.03.2001 vor dem Ende ihres Dienstverhältnisses eine Freistellung bei 80 % des Gehaltes gewährt. Im Freistellungsantrag vom 01.03.2001 hatte die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie während dieser Freistellung für ihre berufliche Zukunft ihre sprachlichen Kenntnisse in Spanisch vervollständigen wolle. Ab dem 05.09.2001 war die Klägerin bei einem anderen Arbeitgeber als Exportsachbearbeiterin beschäftigt.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung vom 06.07.2002 machten die Kläger neben den Kosten für den Sprachkurs Flugkosten in Höhe von 2.243,78 DM und eine Verpflegungspauschale für 21 Tage in Höhe von insgesamt 1.554 DM geltend. Mit Einkommensteuerbescheid vom 16.04.2003 erkannte das damals zuständige Finanzamt Bad Homburg die durch den Sprachkurs in Ecuador entstandenen Kosten insgesamt nicht an. Den dagegen eingelegten Einspruch der Kläger wies das im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung zuständige Finanzamt P. am 17.01.2006 als unbegründet zurück.

Am 14.09.2006 haben die Kläger Klage erhoben.

Mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom 30.03.2012 hat der zu diesem Zeitpunkt zuständige Beklagte die Kosten des Sprachkurses in voller Höhe sowie die Reisekosten (Flugkosten und Verpflegungsmehraufwand) in Höhe der Hälfte als Werbungskosten der Klägerin anerkannt.

Die Kläger sind der Auffassung, die Reisekosten seien in voller Höhe abziehbar. Eine Aufteilung käme nur bei gemischt beruflich und privat veranlassten Reisen in Betracht. Bei der Sprachreise der Klägerin seien der An- und Abreisetag außer Betracht zu lassen, weil diese auch nicht teilweise für touristische bzw. berufliche Unternehmungen zur Verfügung gestanden hätten. Da es während der Dauer des Sprachkurses keine privaten Anteile an der Reise gegeben habe, stelle sich die Frage, wie die Kosten der privaten Lebensführung und die Werbungskosten aufzuteilen seien, nicht.

Die Kläger beantragen,

den geänderten Bescheid über Einkommensteuer 2001 vom 30.03.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere 1.898,87 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit der Klägerin abzusetzen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolgt. Der zuletzt streitgegenständliche Änderungsbescheid (§ 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –) des Beklagten (zum gesetzlichen Beklagtenwechsel im Falle des Erlasses eines Änderungsbescheides, der nach § 68 Satz 1 FGO zum Klagegegenstand wird, durch ein anderes nunmehr zuständiges Finanzamt vgl. Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl. 2010, § 68 Rz. 80 m.w.N.) ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG –). Dazu zählen Fort- und Weiterbildungsaufwendungen, sofern sie beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammen hängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden. Auch Aufwendungen für der beruflichen Fortbildung dienende Reisen sind als Werbungskosten abziehbar, wenn sie nach diesen Maßstäben durch den Beruf veranlasst sind.

Bei einem – im Streitfall unstreitig – beruflich veranlassten Fortbildungslehrgang zum Erwerb und zur Vertiefung von Fremdsprachenkenntnissen, der nicht am Wohnort der Klägerin oder in dessen Nähe stattfand (auswärtiger Sprachkurs), ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu bestimmen, ob und ggf. inwieweit neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendung für die mit dem Sprachkurs verbundene Reise beruflich veranlasst und demzufolge als Werbungskosten abziehbar sind. Der vollständige Abzug auch dieser Aufwendungen setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 12/10, BStBl. II 2011, 796). Das ist bei auswärtigen Sprachlehrgängen sowie bei sonstigen Reisen dann der Fall, wenn der Reise offensichtlich ein eng verstandener unmittelbarer beruflicher Anlass (Anordnung durch den Arbeitgeber, Bedingung für eine konkrete Einstellung oder Beförderung, konkretes berufliches Projekt, neuer Aufgabenbereich) zugrunde liegt und die Verfolgung privater Interessen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2002 VI R 22/01, BStBl. II 2003, 369, m.w.N.). Gleiches gilt, wenn die berufliche Veranlassung bei Weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 88/02 m.w.N.).

Anders als bei sonstigen der Fortbildung dienenden Reisen besteht bei Sprachreisen für die Wahl eines auswärtigen Kursortes regelmäßig keine unmittelbare berufliche Veranlassung, wenn der Kursort nicht durch den Arbeitgeber vorgegeben wird. Deshalb wird die Ortswahl in diesen Fällen auch von privaten, in der Regel touristischen Interessen des Steuerpflichtigen bestimmt sein (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796). Das wird im Streitfall durch die von der Klägerin vorgelegte Beschreibung des touristischen Wertes des Kursortes unter der Überschrift „Faszination in den Anden: Ecuador” bestätigt.

Umgekehrt ist im Streitfall aber auch der erwerbsbezogene Veranlassungsbeitrag für die Sprachreise der Klägerin nicht von untergeordneter Bedeutung. Ein konkreter beruflicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht beim Erwerb allgemeiner Sprachkenntnisse dann, wenn diese für den Beruf des Steuerpflichtigen erforderlich und ausreichend sind (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796). Das ergibt sich im Streitfall aus der Arbeitgeberbestätigung vom 27.06.2000, wonach u.a. spanische Sprachkenntnisse gefordert werden, von einer fachsprachlichen Ausbildung aber nicht die Rede ist. Das die mithin objektiv mit dem Beruf der Exportsachbearbeiter zusammenhängenden Aufwendungen für die Sprachreise auch subjektiv zu dessen Förderung getätigt wurden, belegt das im damaligen zeitlichen Kontext verfasste Schreiben der Klägerin vom 01.03.2001 an ihren Arbeitgeber.

Von daher sind die mit dem Sprachkurs verbundenen Reisekosten der Klägerin nach den Grundsätzen, die der große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672, aufgestellt hat, aufzuteilen. Dabei kommt ein zeitlicher Maßstab nur in Betracht, wenn die maßstabsbildenden, unterschiedlich eindeutig zuzuordnenden Veranlassungsbeiträge nacheinander verwirklicht werden (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796). So liegt es im Streitfall nicht. Der touristische Aspekt des Kennenlernens von Land und Leuten findet bei einem auswärtigem Sprachkurs auch auf der Hin- und Rückfahrt zum bzw. vom Kursort sowie bei der Unterrichtung durch einheimische bzw. ortskundige Dozenten statt. Umgekehrt ist zu berücksichtigen, dass auch bei Freitzeitaktivitäten am Nachmittag/Abend bzw. an den freien Wochenenden die Möglichkeit besteht, sich mit den Besonderheiten der Fremdsprache, die aus beruflichem Anlass erlernt wird, und deren landesüblicher Aussprache und Betonung vertraut zu machen. Wurden die unterschiedlichen Veranlassungsbeiträge für die Sprachreise der Klägerin teilweise gleichzeitig verwirklicht, ist nach einem anderen als dem zeitlichen Aufteilungsmaßstab aufzuteilen. Da keiner der Beteiligten einen anderen Aufteilungsmaßstab substantiell vorgetragen und nachgewiesen hat, bestehen keine Bedenken, von einer hälftigen Aufteilung sämtlicher mit dem Sprachkurs verbundenen Reisekosten auszugehen (vgl. BFH in BStBl. II 2011, 796).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (DStV)

Die „elektronische Lohnsteuerkarte“ naht – Besser als erwartet!

Mit der in Kürze bevorstehenden Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM, sog. „ElsterLohn II“) gehört die alte Lohnsteuerkarte aus Papier nun endgültig der Vergangenheit an. Ab 1.1.2013 sind alle Arbeitgeber dazu verpflichtet, das Verfahren zu nutzen und die ELStAM-Daten zum Datenabgleich abzurufen. Allerdings sieht die Situation inzwischen bedeutend besser aus als noch vor einem Jahr.

Der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) durfte im Rahmen der Sitzung seines Steuerrechtsausschusses am 3.9.2012 Frau Dipl.-Kffr. Christiane Grahn, fachliche Projektleiterin ELStAM aus dem für das Projekt federführend beauftragten Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, zum fachlichen Austausch begrüßen. Sie stellte dem DStV die aktuellen Pläne zur Einführung des Verfahrens, die allgemeinen Abläufe bei der zukünftigen Anwendung der Datenbank sowie die Ergebnisse der Pilotphase vor.

Flexible Regelungen für Arbeitgeber in der einjährigen Einführungsphase!
Zum Abruf der Daten eines Arbeitnehmers benötigt der Arbeitgeber lediglich dessen Identifikationsnummer sowie dessen Geburtsdatum. Der Abruf der ELStAM-Daten durch den Arbeitgeber ist freiwillig ab 1.11.2012 möglich. Ab 1.1.2013 besteht zwar für jeden Arbeitgeber die Pflicht, das Verfahren zu nutzen. Die Finanzverwaltung gewährt jedoch eine Kulanzfrist bis zum 31.12.2013. Unabhängig von speziellen Kriterien, wie beispielsweise der Betriebsgröße, kann jeder Arbeitgeber in diesem Zeitraum selbst entscheiden, wann er mit der Nutzung beginnt. Zudem ist es jedem Arbeitgeber überlassen, ob er das Verfahren zunächst nur für einen Mitarbeiter oder aber gleich für mehrere Angestellte durchlaufen lassen möchte. Allerdings muss mindestens eine Abrechnung pro Arbeitnehmer in 2013 mit ELStAM erfolgen, so dass als spätester Umstiegszeitpunkt die Lohnabrechnung 12/2013 gewählt werden kann. Bis zum erstmaligen Abruf der ELStAM durch den Arbeitgeber bleibt alles wie bisher. So gelten auch die bisher gewährten Freibeträge des Arbeitnehmers weiter. Erst ab dem erstmaligen Abruf verlieren die Lohnsteuerkarte 2010 und die Ersatzbescheinigungen 2011 bzw. 2012 ihre Gültigkeit. Vom Zeitpunkt des Einstiegs an erfolgt keine Rückrechnung auf den 1.1.2013. Um etwaige Abweichungen in angemessener Zeit mit dem Arbeitnehmer klären und Anpassungen vornehmen zu können, soll eine gesetzliche Korrekturfristeingeführt werden. Diese soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, bei Abweichungen seine bisherigen Daten drei Monate ab dem Abruf weiter als Grundlage für die Lohnabrechnung zu verwenden. Innerhalb dieses Zeitraums kann er die Anmeldungen weiterhin in Papierform abgeben.

Erleichterungen für Arbeitnehmer
Ab dem 13.9.2012 sind die ELStAM für den Abruf durch die Arbeitnehmer auf der Internetseite „Elster“ freigeschaltet. Hierfür ist eine Registrierung durch den Arbeitnehmer erforderlich. Im Rahmen des Registrierungsverfahrens erhält er einen persönlichen PIN, der ihm an seinen Hauptwohnsitz geschickt wird und durch den nur er Einsicht in sämtliche gespeicherte Daten erhält. Für Arbeitnehmer gilt, dass Ereignisse, die bei der Meldebehörde registriert wurden, wie beispielsweise die Heirat, automatisch an das Bundeszentralamt für Steuern, welches für die ELStAM-Datenspeicherung sowie Weiterleitung zuständig ist, übermittelt werden. Der Arbeitnehmer muss dem für ihn zuständigen Finanzamt gegenüber nur noch tätig werden, wenn er beispielsweise eine ungünstigere Steuerklasse wählen möchte oder sich die Verhältnisse ändern. Er ist jedoch auch im elektronischen Abrufverfahren weiterhin dazu verpflichtet, jährlich Anträge für Freibeträge neu zu stellen. Für 2013 können diese Anträge ab dem 1.10.2012 auf amtlichen Vordruck eingereicht werden.

Erkenntnisse aus der Pilotierung
In der Pilotphase wurden Daten von ca. 618.000 Arbeitnehmern verglichen. In 85 % der Anmeldungen gab es keine Auffälligkeiten. Innerhalb der Datenabweichungen von 15 % traten die größten Abweichungen bei den Kinderfreibeträgen (34,4 %), bei der Steuerklasse (24,6 %), den Freibeträgen (21,5 %) sowie den Religionszugehörigkeiten des Steuerpflichtigen und dessen Ehegatten (zusammen: 18,6 %) auf. Lediglich bei 0,4 % sind die Anmeldungen gänzlich fehlgeschlagen. Ursächlich für die Abweichungen waren häufig die Daten im Lohnkonto, die nicht aktuell waren. Zu einem geringeren Teil entsprachen auch die Daten in den ELStAM nicht den aktuellen Verhältnissen. Die Hersteller von Lohnbuchhaltungssoftware, die nicht an der Pilotierung teilgenommen haben, werden explizit von der Finanzverwaltung angeschrieben und informiert.

Ausblick
Derzeit werden zwei Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen erarbeitet, eines zur Einführung, welches noch im September 2012 erscheinen soll, sowie ein allgemeines Anwendungsschreiben. Darüber hinaus sollen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 dierechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

In Kürze wird als erste gezielte Information sowie Hilfe für Arbeitgeber und Arbeitnehmerein Leitfaden für Lohnbüros auf der Internetseite „Elster“ veröffentlicht. Er soll die häufigsten Abweichungen erläutern und erklären, welche Maßnahmen im Falle falscher ELStAM zu treffen sind. Auf Basis dieser Broschüre sollen viele Fragen bereits im Lohnbüro klär bar sein. Weitere gezielte Informationen seitens der Finanzverwaltung sollen folgen.

Der DStV bietet den Leitfaden für Lohnbüros den Mitgliedern der Landesverbände bereits jetzt zum Download in StBdirekt an. Zudem regt der DStV eine frühzeitige Teilnahme an dem Verfahren an, um ausreichend Zeit zur Ausschaltung von Fehlerquellen zu haben. Arbeitgeber sollten in diesem Sinne gegenüber ihren Arbeitnehmern die frühzeitige persönliche Überprüfung der ELStAM über die Internetseite „Elster“ anregen.

Stand: 8.9.2012

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Elektronische Lohnsteuerkarte – Steuerberater fordern Verschiebung um ein ganzes Jahr!

Wann unterliegen Verkäufe über „ebay“ der Umsatzbesteuerung? (FG)

Das FG Baden-Württemberg hat Kriterien aufgelistet, die bei der Frage, ob Verkäufe über „ebay“ der Umsatzbesteuerung unterliegen, von Bedeutung sein können. Dabei hat das Finanzgericht klargestellt, dass ein unternehmerisches Tätigwerden nicht schon durch die gelegentliche Veräußerung von Privatvermögen in mehreren gleichartigen Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit und desselben dauernden Verhältnisses begründet wird (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.7.2012 – 14 K 702/10).


Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, unterliegen der Umsatzsteuer. Unternehmer in diesem Sinne ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede „nachhaltige Tätigkeit“ zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 UStG). Der BFH hatte kürzlich festgestellt, dass beim Verkauf einer Vielzahl von Gebrauchsgegenständen über mehrere Jahre über die Internet-Plattform „eBay“ eine nachhaltige, unternehmerische und damit umsatzsteuerbare Tätigkeit vorliegen kann (BFH, Urteil v. 26.4.2012 – V R 2/11).

Ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit erfüllt sind, ist im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen. Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Insbesondere sind zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals. Kein für die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit alleinentscheidendes Merkmal ist auch, dass bereits beim Einkauf eine Wiederverkaufsabsicht bestanden hat. Auch die Zahl und Umfang der Verkäufe ist für sich genommen nicht allein maßgeblich, sondern nur eines von mehreren zu würdigenden Kriterien.

FG Baden-Württemberg Urteil vom 18.7.2012, 14 K 702/10

Umsatzsteuerbarkeit von Verkäufen über „ebay“

Tenor

 

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2004 vom 29. Januar 2010 und für 2005 vom 4. Juli 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2010, werden dahingehend geändert, dass die Nettoumsätze zu 16% für 2004 um 28.223,- EUR und für 2005 um 49.196,- EUR reduziert werden.

 

2. Die Neuberechnung der Umsatzsteuer 2004 und 2005 wird dem Beklagten übertragen.

 

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500,- EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500,- EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin als „Art des Unternehmens“ „Finanzdienstleistung“ an. Die für 2004 ermittelte Umsatzsteuer betrug 1.154,80 EUR und die für 2005 760,59 EUR. Nach § 4 Nr. 11 Umsatzsteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (UStG) steuerfreie Umsätze hatte die Klägerin in Höhe von 6.831,- EUR (2004) und 3.719,- EUR (2005) angegeben. Die beim Beklagten am 31. Mai 2005 (2004) und 24. Februar 2006 (2005) eingegangenen Umsatzsteuererklärungen galten gemäß § 168 Satz 1 Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
2
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung in 2005 (s. Bericht vom 27. Juni 2005; Betriebsprüfungsakten – Bp-Akten – Blatt 3) änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2004 gemäß § 164 Abs. 2 AO, ohne den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 1. August 2005 setzte er Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 1.507,63 EUR fest. Unentgeltliche Wertabgaben (private Kfz-Nutzung) berücksichtigte er in Höhe von 114,- EUR. Abziehbare Vorsteuerbeträge kürzte er von 509,65 EUR auf 174,93 EUR (s. Tz. 20 des Berichts; Bp-Akten Blatt 5).
3
Auch die Umsatzsteuerfestsetzung für 2005 wurde gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert, ohne dass der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 11. Januar 2007 setzte der Beklagte Umsatzsteuer 2005 in Höhe von 919,68 EUR fest. Unentgeltliche Wertabgaben („umsatzsteuerpflichtiger Anteil am Pkw-Eigenverbrauch für den XXX“) berücksichtigte er in Höhe von 170,- EUR. Abziehbare Vorsteuerbeträge kürzte er von 385,97 EUR auf 254,08 EUR („Aufteilung im Verhältnis steuerfreie zu steuerpflichtigen Umsätzen“).
4
Am 8. Februar 2006 ging beim Beklagten eine anonyme Anzeige eines „erlichen Bürgers“ ein (Ermittlungsakten Band I Blatt 2). Dieser führte u.a. aus, ihm sei aufgefallen, dass die Klägerin und ihr Ehemann in den letzten Jahren „in Internet (ebay) unter verschiedenen Internetnamen (N 1, N 2, N 3, N 4) mehrere Hundert Pelzware verkauft hat“. Der Beklagte bat aufgrund dessen die Steuerfahndung (Steufa) um Prüfung. Diese ermittelte Folgendes:
5
In den Jahren 2005 und 2006 wurden über das ebay-Konto N 2 Umsätze in Höhe von 54.166,06 EUR erzielt (2005: 21.862,06 EUR und 2006: 32.304,- EUR), in den Jahren 2003-2006 über das ebay-Konto N 5 Umsätze in Höhe von 8.148,40 EUR (2003: 188,50 EUR, 2004: 3.311,02 EUR, 2005: 4.433,38 EUR und 2006: 215,50 EUR), in den Jahren 2005 und 2006 über das ebay-Konto N 4 Umsätze in Höhe von 15.568,72 EUR (2005: 3.653,25 EUR und 2006: 11.915,47 EUR), in den Jahren 2004 und 2005 über das ebay-Konto N 6 Umsätze in Höhe von 87.383,57 EUR (2004: 33.032,41 EUR und 2005: 54.351,16 EUR) und in 2005 über das ebay-Konto N 7 Umsätze in Höhe von 2.716,52 EUR (Ermittlungsakten Band I Blatt 5 ff., 17 ff.). Die Umsätze, die aus Verkäufen über die ebay-Konten N 2, N 5 und N 4 resultierten, rechnete der Beklagte dem Ehemann der Klägerin zu, die, die über die Konten N 6 und N 7 erfolgten, der Klägerin (Ermittlungsakten Band I Blatt 15). Die Klägerin war mit ihrem Namen bei ebay mit den Mitgliedsnamen N 6 und N 7 angemeldet. Verkauft wurden über die Konten N 6 und N 7 im Wesentlichen Nerzmäntel und -jacken, insgesamt 140 Stück (s. einzelne Anzeigen; Ermittlungsakten Band I Blatt 38 ff.). Auch über die ebay-Konten des Ehemannes der Klägerin sind, neben anderen Haushaltsgegenständen (Vasen, Teegläser, Kerzenständer, Kleidung, Modellautos), Parfum und Spielzeug, Pelzmäntel (79 Stück) verkauft worden. In den Streitjahren liefen bei der X-Bank folgende Konten auf den Namen der Klägerin (s. Schreiben der X-Bank vom 17. Oktober 2008; Ermittlungsakten Band I Blatt 82 ff.): Konto 1, Konto 2, Konto 3 (Verfügungsberechtigter: der Ehemann der Klägerin) und Konto 4. Ansonsten liefen folgende Konten auf ihren Namen: Kto. I bei der Y-Bank und Nr. 1 bei der Z-Bank (Ermittlungsakten Band I Blatt 30). Bei ebay gespeichert waren für alle ebay-Konten, auch die des Ehemannes der Klägerin, auf den Namen der Klägerin lautende Konten bei der X-Bank (Konto 1 und Konto 3; Ermittlungsakten Band I Blatt 37 und Rechtsbehelfsakten Blatt 19).
6
Am 22. Mai 2007 wurde gegenüber der Klägerin das Strafverfahren u.a. wegen des Verdachts der Verkürzung von Umsatzsteuer 2004 und 2005 eingeleitet (Ermittlungsakten Band I Blatt 25). Im Laufe des Strafverfahrens äußerte sich der Ehemann der Klägerin dahingehend, dass es sich bei den Gegenständen, die über die ebay-Konten        N 2, N 5 und N 4 verkauft worden seien, um solche aus seinem privaten Besitz und der umfangreichen Auflösung seines privaten Haushalts gehandelt habe. Die Umsätze daraus unterlägen keiner Steuerpflicht. Die Verkaufsobjekte seien ab 1,- EUR angeboten und mit hohem Wertverlust abgegeben worden.
7
Die Straf- und Bußgeldsachenstelle (StraBu) schrieb verschiedene Käufer von Pelzmänteln als Zeugen an (Ermittlungsakten Band I Blatt 85 ff.) und stellte ihnen folgende Fragen:
8
„1. Trifft es zu, dass Sie im [Monats- und Jahresangabe] bei ebay einen Nerzmantel für [Betragsangabe in EUR] ersteigert haben?
2. Falls ja, haben Sie über diesen Kauf eine Rechnung erhalten? […]
3. Ist über diesen Kauf noch Schriftwechsel (evtl. e-mails) vorhanden? […]
4. Mit wem hatten Sie Kontakt?
5. Handelte es sich bei dem Pelzmantel um Neuware? Falls nein, wie alt war der Mantel bei Erwerb?
6. Von welchem Hersteller stammt der Pelzmantel?“
9
Hierzu gingen sechs Antworten bei der StraBu ein. Zu den einzelnen Fragen wird Folgendes ausgeführt:
10
zu 2.
– keine Erinnerung an eine Rechnung
– keine Rechnung erhalten
zu 3.
– kein Schriftwechsel vorhanden
zu 4.
– Kontakt mit Klägerin und deren Ehemann – Mantel persönlich in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in P bei der Klägerin abgeholt – die Wohnung hatte den Eindruck eines Warenlagers auf ihn gemacht
– Kontakt mit der Klägerin
– Kontakt mit einem Herren
– undefinierbar
zu 5.
– Mantel erschien als fast neu oder als fast nicht getragen – er war aber keine Neuware, sondern 2-3 Jahre alt
– gebrauchte Ware in gutem Zustand
– gebrauchte Ware – Alter schwer zu schätzen
– als gebrauchter Mantel in Anzeige angeboten
– Mantel war extrem neuwertig
zu 6.
– eingenähte Banderole „xxx“ im Mantel – Label von XXXX – Reklamation bei Verkäufer ist angebracht worden
– Kürschnerei aus R
– kein Etikett im Mantel
11
Außerdem ermittelte die StraBu, dass die Schwiegermutter der Klägerin am 18. März 2004 in S verstorben war und den Ehemann der Klägerin zu ½ als Erben eingesetzt hatte (Ermittlungsakten Band I Blatt 138). Sie war bis zu ihrem Tode im Pflegeheim St. …, S betreut worden (Ermittlungsakten Band I Blatt 142).
12
Mit Schreiben vom 27. März 2007 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2005 und die Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge. Dem Antrag war eine Rechnung der Firma F (Fahrzeugzentrum …) vom 24. November 2005 mit einem Umsatzsteuerausweis in Höhe von 83,24 EUR beigefügt. Dem Vorschlag des Beklagten, lediglich 43,66% (= Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen) der angefallenen Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen (= 36,34 EUR), stimmte die Klägerin zu (s. ihr Schreiben vom 25. Mai 2007; Umsatzsteuerakten Blatt 17).
13
Mit Änderungsbescheiden vom 4. Juli 2007 rechnete der Beklagte der Klägerin Umsätze aus ebay-Verkäufen zu. Die Änderungen erfolgten jeweils nach § 164 Abs. 2 AO. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde nicht aufgehoben. Umsätze zu 16% erhöhten sich für 2004 von 10.402,- EUR auf 38.878,- EUR und für 2005 von 7.166,- EUR auf 56.362,- EUR. Zugleich reduzierte der Beklagte die abziehbaren Vorsteuerbeträge für 2005 von   254,08 EUR auf 241,20 EUR. Umsatzsteuer 2004 setzte der Beklagte in Höhe von 6.603,79 EUR und Umsatzsteuer für 2005 in Höhe von 8.803,92 EUR fest.
14
Die dagegen eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, wie folgt: Die vom Beklagten ihr zugerechneten Umsätze seien ihrem Ehemann zuzurechnen. Im Zusammenhang mit der Auflösung des umfangreichen Junggesellenhaushalts ihres Mannes (mehrere Garagen und Kellerlager) und seiner verstorbenen Mutter sei eine große Anzahl privat gebrauchter Haushaltsgegenstände über ebay verkauft worden. Sie sei ihrem Mann bei der Verkaufsabwicklung über das Internet behilflich gewesen und habe alle Auktionen mit dem Hinweis „im Auftrag“ versehen. Ihr Mann sei als Franchise-Nehmer der T zunächst selbständig tätig gewesen und habe wegen einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung mit dieser Insolvenz anmelden müssen (Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens: 11. April 2007 und Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens: 4. Mai 2007; Prozesskostenhilfeakten Blatt 34 ff.). In 2005 sei seine Penthousewohnung in P (… straße; Rechtsbehelfsakten Blatt 56 ff.) versteigert worden. Zu dieser hätten ein Tiefgaragenparkplatz und ein Kellerraum gehört. Ein zweiter Tiefgaragenparkplatz im Haus sowie eine weitere Garage in der Stadt (… platz, gemietet von der Stadt P) seien angemietet gewesen. In diesen habe ihr Ehemann u.a. seine Spielsachen aus der Jugend sowie Erbstücke seiner Mutter aufbewahrt, bspw. 7 Schrankmeter Pelze. Wegen des Auszugs aus der Wohnung und der der Insolvenz folgenden Knappheit habe man den Entschluss gefasst, den nicht benötigten Haushalt, das Spielzeug sowie die Pelze über ebay zu veräußern. Dies habe zum Einen das Lagerproblem und zum Anderen das Liquiditätsproblem gelöst. Schließlich seien die Sachen bereits vorhanden gewesen und hätten nicht vorfinanziert werden müssen. Die Abwicklung über das gemeinschaftlich genutzte Konto sei deswegen erfolgt, weil zu diesem Zeitpunkt nur sie, die Klägerin, eine Bankverbindung gehabt habe. Wegen des Insolvenzverfahrens sei ihr Mann nicht Inhaber eines Girokontos gewesen. Die Sachen seiner Mutter seien zwischen 1960 und 1985 angeschafft worden. Wegen des Auszugs ihrer Schwiegermutter aus ihrem Haus in P und des Umzugs in das räumlich begrenzte Altersheim D in 1991 seien diese Gegenstände an ihn übergeben worden. Auf Grund der lange vergangenen Zeit und dreier weiterer Umzüge habe sie, die Klägerin, hierfür keine Unterlagen mehr.
15
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte sie folgende Bestätigung ihres Ehemannes vom 29. Juli 2007 ein (Rechtsbehelfsakten Blatt 12): „bestätige ich hiermit, dass ich Frau A damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich bei ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein“. Zudem versicherte der Ehemann der Klägerin am 17. Februar 2008 an Eides statt (Rechtsbehelfsakten Blatt 53): „dass ich Frau A damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich über ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein“.
16
Die Einspruchsverfahren waren zum Teil erfolgreich. Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin nicht sämtliche Verkäufe über ebay zuzurechnen seien, sondern nur die Verkäufe der Pelzmäntel (s. Berechnung; Rechtsbehelfsakten Blatt 73 f.). Für 2004 reduzierten sich die Umsätze zu 16% daher auf 38.625,- EUR und die festgesetzte Umsatzsteuer auf 6.023,31 EUR (s. Änderungsbescheid vom 29. Januar 2010; Umsatzsteuerakten Blatt 16). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde nicht aufgehoben. Für 2005 erging „wegen Anwendung der Kleinbetragsverordnung“ kein Änderungsbescheid. Umsätze zu 16% sollten nur noch in Höhe von 56.355,- EUR berücksichtigt werden (s. Berechnungsblatt vom 22. Januar 2010; Umsatzsteuerakten Blatt 22).
17
Im Übrigen wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin mit Einspruchsentscheidungen vom 1. Februar 2010 als unbegründet zurück (Rechtsbehelfsakten Blatt 98 ff.). Zur Begründung führte er aus, es sei nicht glaubhaft, dass die veräußerten Pelzmäntel aus  dem Besitz der Schwiegermutter der Klägerin stammten. Insbesondere die Angaben, die Pelzmäntel seien zwischen 1960 und 1985 angeschafft worden und somit beim Verkauf in den Streitjahren zwischen 20 und über 40 Jahre alt gewesen, seien angesichts des Umstands, dass sie im Internet häufig als „neu“ bzw. „wie neu“ angeboten worden waren, nicht nachvollziehbar. Auch könnten Kellerräume und Garagen sicherlich nicht als geeigneter Aufbewahrungsraum für Pelze angesehen werden, zumal diese dort an die 13 Jahre gelagert haben sollen. Bei einer solchen Lagerung dürften die Pelze Schaden genommen haben. Ein muffiger Geruch der Pelze sei bei einer derartigen Lagerung nicht zu vermeiden gewesen. Ein solcher Zustand hätte bei den Käufern sicherlich zu Reklamationen geführt. Über die Internet-Bewertung hätte sich schnell die schlechte Qualität der Pelze herumgesprochen, so dass der Verkauf einer solchen Vielzahl von Pelzen nicht möglich gewesen wäre. Auch lasse der Umstand, dass Pelze in unterschiedlichen Größen veräußert worden seien, den Schluss zu, dass es sich nicht um den privaten Besitz der Schwiegermutter gehandelt hat. Das Gleiche gelte für die Anzahl von über 200 veräußerten Pelzen. Die Umsätze seien der Klägerin zuzurechnen. Nachweise dafür, dass sie lediglich im Auftrag gehandelt hatte, seien nicht vorgelegt worden. Die Bestätigung ihres Ehemannes hierfür überzeuge nicht. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei als Schutzbehauptung einzustufen. Aufgrund des Insolvenzverfahrens des Ehemannes wären Steuerforderungen der Finanzverwaltung ihm gegenüber uneinbringlich.
18
Am 18. Februar 2010 erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage. Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag im außergerichtlichen Verfahren. Daneben führt sie aus, die Pelze seien fachgerecht (dunkel, jeweils in einer separaten Manteltasche verpackt, hängend und mit Antimottenpackungen versehen) eingelagert gewesen. Keller und Garagen seien ausreichend gelüftet gewesen. Sie hätten nicht unangenehm gerochen. Auch sonst hätten sie keine schädigenden Eigenschaften auf die Pelze gehabt. Die Mäntel seien sehr wenig getragen gewesen. Ihre Schwiegermutter habe sehr gerne Pelze getragen (s. Kopien von Photos; Finanzgerichtsakte – FG-Akte – Blatt 63 ff.). Die unterschiedliche Größe der Pelze resultiere aus der unterschiedlichen Kleidergröße ihrer Schwiegermutter. Diese könne sich in einem Zeitraum von 1960 bis 1985 schon mal ändern. Im Übrigen fielen, je nach Firma, Kleidungsstücke unterschiedlich groß aus. Die zahlreichen Gegenstände seien auf sie und ihren Ehemann aufgeteilt worden, um sie schnell veräußern zu können. Arbeiteten zwei Personen gleichzeitig unter demselben ebay-Namen, störten sie sich gegenseitig beim Einstellen und Bearbeiten von Angeboten. Sie sei lediglich als Erfüllungsgehilfin ihres Ehemannes tätig gewesen. Diese Verkaufstätigkeit sei im Übrigen nicht nachhaltig gewesen. Beim Verkauf der Haushaltsgegenstände ihrer Schwiegermutter habe es sich um eine einmalige und unwiederholbare Angelegenheit gehandelt. Die Pelze seien im Zeitraum Mai 2004 bis Oktober 2005 verkauft worden. Auch habe nicht sie am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, sondern ihr Ehemann. Schließlich habe sie, nach außen erkennbar, im Auftrag ihres Mannes gehandelt. Bei einem Angebot von 1,- EUR/Pelzmantel liege des Weiteren keine Gewinnerzielungsabsicht vor. Auf den jeweils erzielten Verkaufspreis habe sie keinen Einfluss gehabt. Im Übrigen sei die vom Beklagten ermittelte Höhe der Umsätze aus ebay-Verkäufen nicht korrekt.
19
Die Klägerin beantragt,
1. die Umsatzsteuerbescheide für 2004 vom 29. Januar 2010 und für 2005 vom 4. Juli 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2010, dahingehend zu ändern, dass die Umsätze zu 16% für 2004 um 28.223,- EUR und für 2005 um 49.196,- EUR reduziert werden und
2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
20
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen vom 1. Februar 2010. Ergänzend führt er aus, die Klägerin hätte auch unter dem ebay-Namen ihres Mannes tätig werden können. Schließlich habe dieser mehrere ebay-Konten gehabt. Nachhaltigkeit liege bei Wiederholungen vor. Es sei nicht glaubhaft, dass die Schwiegermutter der Klägerin 219 Pelzmäntel besessen hat.
22
Am 24. November 2011 fand ein Erörterungstermin statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen (FG-Akte Blatt 185). In diesem bekräftigte die Klägerin, sie habe ihre beiden ebay-Konten im Zusammenhang mit der Auflösung des Haushalts ihres Ehemannes einrichten lassen. Ihr Mann habe seine Eigentumswohnung aufgeben müssen. Sie seien dann in eine Mietwohnung gezogen. Deswegen und um an weitere liquide Mittel zu kommen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, hätten sie verschiedene Dinge veräußern müssen. 2002 sei sie nach Deutschland gekommen. Die Texte für die Angebote bei ebay habe ihr Mann geschrieben, weil sie noch nicht so gut Deutsch habe sprechen können. Die Beklagtenseite unterstrich, man habe lediglich die Veräußerung der Pelzmäntel über ebay der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin zugerechnet. Alle anderen Veräußerungen, die die Klägerin über ebay getätigt habe, seien ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht zugerechnet worden. Entscheidend sei für ihn, den Beklagten, wer am Markt aufgetreten ist, die Klägerin oder ihr Mann.
23
In der Folge führte die Klägerin aus, die über das ebay-Konto N 6 erzielten Umsätze seien nicht ihr zuzurechnen. Ebay habe bestätigt, dass dieses ebay-Konto weder von ihr noch von ihrem Ehemann angemeldet worden sei (s. E-Mail von ebay vom 30. Dezember 2011; FG-Akte Blatt 194). Allerdings gelte das nicht für das ebay-Konto N 7. Zudem reichte die Klägerin eine undatierte Bestätigung des Bruders ihres Ehemannes ein (FG-Akte Blatt 198), der erklärt, seine Mutter habe eine Vorliebe für Pelzmäntel und -jacken gehabt und „daher davon eine stattliche Sammlung“ besessen. Diese sei in mehreren Schränken im Haus untergebracht gewesen, bspw. in einer langen Schrankwand im Schlafzimmer seiner Eltern. Er habe seit seinem Abitur nicht mehr zu Hause gewohnt und könne nur sagen, dass seine Mutter ihre Mäntel „immer sehr gut hütete und sorgsam in einzelnen Mantelhüllen aufbewahrte“. Anlässlich ihres Umzugs aus ihrem Haus in P in das Wohnheim in D habe sie die Pelze seinem Bruder, dem Ehemann der Klägerin, geschenkt.
24
Der Beklagte erwiderte hierauf, das ebay-Konto N 6 sei der Klägerin zuzurechnen. Es sei am 4. April 2004 unter der ebay-Nummer xxx eröffnet und inzwischen wieder gelöscht worden. Am 26. Oktober 2008 sei ein Konto mit dem gleichen Namen, allerdings unter der ebay-Nummer yyy eröffnet worden. Dieses sei nicht der Klägerin zuzurechnen (s. E-Mail von ebay vom 14. März 2012; FG-Akte Blatt 207).
25
Mit Beschluss vom 3. April 2012 ordnete der Senat die Vernehmung von B (Ehemann der Klägerin) und C (Schwager der Klägerin) als Zeugen an. Letzterer machte mit Schreiben vom 5. Juli 2012 von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. B wurde in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2012 vor dem Senat vernommen. Wegen des Inhalts der Sitzung wird auf die Niederschrift, wegen des Inhalts der Zeugenaussage sowie der ergänzenden, auf Tonträger aufgezeichneten Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf die Tonaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte die Erlöse aus dem Verkauf von Pelzmänteln und -jacken über die ebay-Konten N 6 und N 7 der Umsatzsteuer unterworfen. Zwar hat die Klägerin, nach der Überzeugung des Gerichts, in den Streitjahren die Pelzmäntel und -jacken über die ebay-Konten N 6 und N 7 verkauft und nicht ihr Ehemann (a). Allerdings ist diese Tätigkeit nicht ihrer unternehmerischen Sphäre zuzurechnen (b). Weder fällt der Verkauf von Pelzmänteln und -jacken in den Rahmen ihres Einzelunternehmens „Finanzdienstleistung“ (aa.) noch war die Klägerin damit nachhaltig tätig (bb.)
27
a. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem andern zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist.
28
Nach Lage der Akten ist die Klägerin über die ebay-Konten N 6 und N 7 nach außen aufgetreten. Diese beiden Konten waren auf ihren Namen bei ebay angemeldet. Für die beiden Konten waren bei ebay zudem Bankverbindungen der Klägerin gespeichert. Dass sie „im Auftrag“ ihres Ehemannes gehandelt hatte, konnte sie nicht nachweisen.
29
b. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche Tätigkeit selbständig ausübt. Erläuternd bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG, dass gewerblich im Sinne des Umsatzsteuerrechts jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ist, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.
30
Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ausgeübt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer einen sehr breiten Anwendungsbereich zuweist. Der Begriff des Steuerpflichtigen wird in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG unter Bezugnahme auf den der wirtschaftlichen Tätigkeit definiert. Denn gerade dass eine solche Tätigkeit vorliegt, rechtfertigt die Einstufung als Steuerpflichtiger. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden umfasst, insbesondere Umsätze, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen.
31
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) können der bloße Erwerb und der bloße Verkauf eines Gegenstands keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG darstellen, da das einzige Entgelt aus diesen Vorgängen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf des Gegenstands besteht. Derartige Vorgänge können nämlich als solche grundsätzlich keine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne dieser Richtlinie darstellen (EuGH-Urteil vom 15. September 2011 C-180/10 und C-181/10, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst – DStRE – 2011, 1417). Keine private Vermögensverwaltung, sondern eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Tätigkeit liegt dagegen vor, wenn der Betreffende aktive Schritte zum Vertrieb von Gegenständen unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wobei derartige aktive Schritte insbesondere in der Durchführung bewährter Vertriebsmaßnahmen bestehen können.
32
Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der erkennende Senat anschließt, im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erfüllt sind. Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Insbesondere sind zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals (BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 V R 21/09, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 524). Kein für die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit alleinentscheidendes Merkmal ist dabei allerdings, dass bereits beim Einkauf eine Wiederverkaufsabsicht bestanden hat (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 2011 C-180/10 und C-181/10, a.a.O.; BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 8/89, BStBl II 1993, 379 zur Veräußerung einer privaten Kunstsammlung durch den Erben eines Kunsthändlers). Dass Zahl und Umfang der Verkäufe für sich genommen nicht allein maßgeblich sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, derzufolge die Zahl der Geschäftsvorfälle nur eines von mehreren zu würdigenden Kriterien ist (bspw. BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2012, 1285).
33
aa. Unabhängig von der Frage der Nachhaltigkeit könnte die Klägerin die Internetgeschäfte bereits deshalb als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ausgeführt haben, weil sie in den Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit als Finanzdienstleisterin fielen. Dafür bestehen jedoch im Streitfall keine Anhaltspunkte. Mit der Veräußerung von Pelzmänteln und -jacken im Rahmen von Internetauktionen hat sie sich ein neues, von ihrer Tätigkeit als Finanzdienstleisterin unabhängiges Tätigkeitsfeld eröffnet. Steht eine Tätigkeit mit der bisherigen Tätigkeit eines Unternehmers in keinem sachlichen Zusammenhang, ist sie seiner unternehmerischen Sphäre allerdings erst dann zuzurechnen, wenn der Unternehmer auch im Rahmen seines neuen Tätigkeitsfelds nachhaltig Leistungen gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringt (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1993 V R 103/88, BStBl II 1994, 278; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts – FG – vom 16. September 2010 16 K 315/09, juris).
34
bb. Weder nach Lage der Akten noch nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Verkaufstätigkeit der Klägerin über die ebay-Konten N 6 und N 7 nach den o.a. Grundsätzen nachhaltig war. Für die Tatsachen, die eine unternehmerische Betätigung begründen, trägt im Streitfall jedoch der Beklagte die objektive Beweislast (Feststellungslast), da er der Klägerin Umsätze zurechnen will. Insofern handelt es sich um einen Sachverhalt, aus dem er eine steuerbegründende Tatsache herleiten will (vgl. allgemein zur Feststellungslast BFH-Urteil vom 25. November 2010 IX R 47/10, BFH/NV 2011, 887).
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Zwar war die Klägerin planmäßig tätig und hatte im Rahmen ihrer ebay-Tätigkeit einen erheblichen Organisationsaufwand. Für jeden einzelnen zur Internet-Versteigerung anstehenden Gegenstand musste sie sich Gedanken zu dessen möglichst genauer Bezeichnung und, zur Erhöhung der Verkaufschancen und des erzielbaren Erlöses für den Gegenstand, in aller Regel ein digitales Bild anfertigen. So bestätigten die Klägerin und ihr Ehemann, dass sie genaue Beschreibungen erstellt hätten (Abspielpunkte: 00:02:41, 00:25:13). Jeder Pelzmantel und jede Pelzjacke seien vermessen und die Maße (wie Größe, Länge – mit/ohne Kragen, Ärmellänge ab Schulter, Schulterbreite, Brustumfang bei offenem Mantel, Saum) in den Angeboten angegeben worden (Abspielpunkte: 00:02:41 ff., 00:04:15 ff., 00:26:19). Auch seien für die Pelzmäntel und -jacken Bilder ins Internet gestellt worden (Abspielpunkt: 00:08:04). Die Labels in den Jacken und Mänteln hätten bei der Beschreibung der Pelze geholfen (Abspielpunkte: 00:03:49, 00:04:30, 00:26:01). Die Klägerin gab kleinmütig zu, eigentlich habe sich keiner von ihnen beiden (sie oder ihr Ehemann) mit Pelzen ausgekannt (Abspielpunkt: 00:03:00). Sie habe Formulierungen aus anderen Angeboten im Internet kopiert (Abspielpunkt: 00:03:08). Auch musste die Klägerin den Auktionsablauf auf ebay in regelmäßigen Abständen überwachen, um rechtzeitig auf Nachfragen von Kaufinteressenten reagieren zu können, sofern diese die auf der Auktionsseite eingestellten Wareninformationen als nicht ausreichend erachteten. Die Klägerin bestätigte, Nachfragen seien gekommen, die sie beantwortet habe (Abspielpunkt: 00:05:32). Nach Beendigung der Auktion musste sie zudem den Zahlungseingang überwachen, um die Ware zügig verpacken und versenden zu können bzw. um mit dem Käufer einen Termin zur Abholung der Ware vereinbaren zu können. Überlegungen zur Platzierung der Gegenstände in einschlägigen Produktgruppen mussten jedoch nicht angestrengt werden, da es sich bei den von ihr angebotenen hier streitigen Gegenständen unisono um Pelzmäntel und -jacken gehandelt hatte. Auch die Überlegungen zu einem Mindestgebot entfielen, da alle Gegenstände mit 1,- EUR eingestellt worden waren. Jedenfalls konnte das Gericht zu letzterem keine gegenteiligen Feststellungen treffen.
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Die Internetauktionsplattform ebay wurde dagegen nicht dazu benutzt, um auf längere Dauer und mit erheblicher Intensität, eine Vielzahl von Gegenständen zu angemessenen Entgelten weiterveräußern zu können.
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Im Streitfall war die Tätigkeit der Klägerin (Pelzmäntel und -jacken im Internet anzubieten und zu verkaufen) nicht von Beginn an auf unbestimmte Zeit angelegt (so aber in dem Fall, der der Entscheidung des BFH vom 26. April 2012 V R 2/11, a.a.O. zu Grunde lag). Die Verkaufstätigkeit über das ebay-Konto N 6 dauerte von April 2004 bis Mai 2005, insgesamt 13 Monate. Über das ebay-Konto N 7 verkaufte die Klägerin nur im Oktober 2005. Unabhängig vom Beginn der Ermittlungen des Beklagten im Laufe des Jahres 2006 waren die Verkaufstätigkeiten zu diesem Zeitpunkt bereits zu Ende. In 2004 wurden über die ebay-Konten N 6 und N 7 68 und in 2005 74 Pelzmäntel und -jacken verkauft, insgesamt 142 Stück. Im Jahresdurchschnitt beliefen sich die in dieser Zeit getätigten Auktionsverkäufe auf zwischen 1,8 (2004) und 3 (2005) Geschäftsvorfälle pro Woche. Den gesamten Zeitraum (14 Monate) betrachtet erfolgten pro Woche im Durchschnitt 2,5 Verkäufe. Die Erlöse variierten dabei von mindestens 3,50 EUR (Verkauf eines Luchsmantels am 25. Juli 2004) bis höchstens 3.210,- EUR (Verkauf eines Nerzmantels am 13. Februar 2005). Über den Zeitraum gesehen kann keine Preisentwicklung pro Verkaufsvorgang festgestellt werden. Die Preise liegen auch zum Schluss der Tätigkeit hin bei lediglich 221,- EUR für eine Nerzjacke oder 377,- EUR für einen Nerzmantel (s. Verkäufe am 30. Oktober 2005). Insgesamt erzielte die Klägerin für die Pelzmäntel und -jacken in 2004 28.223,- EUR (netto) und in 2005 49.196,- EUR (netto), im Schnitt in 2004 lediglich 415,- EUR (netto) und in 2005 664,81 EUR (netto) und insgesamt nur 545,20 EUR (netto) pro Pelzmantel/-jacke.
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Darüber hinaus beteiligte sich die Klägerin im Streitfall nicht wie ein Händler am Markt. Das ist allerdings Voraussetzung für ein unternehmerisches Tätigwerden. Schließlich wird dieses nicht schon durch die gelegentliche Veräußerung von Privatvermögen in mehreren gleichartigen Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit und desselben dauernden Verhältnisses begründet. Beteiligt sich der Steuerpflichtige dagegen wie ein Händler am Marktgeschehen, kommt es nicht darauf an, ob eine solche Beteiligung außerdem noch in der Einrichtung eines Geschäftsbetriebs in Erscheinung tritt, da selbst ein Händler ohne Geschäftsbetrieb auskommen kann (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 29. Juni 1987 X R 23/82, BStBl II 1987, 744). Die Voraussetzung eines händlerähnlichen Tätigwerdens am Markt erfüllt insbesondere derjenige, der An- und Verkäufe planmäßig mit auf Güterumschläge gerichteter Absicht tätigt. Ob jemand durch eine Veräußerung in Wettbewerb zu anderen Händlern tritt, ist nicht entscheidend. Es braucht daher nicht stets geprüft zu werden, ob tatsächlich eine Wettbewerbssituation vorliegt, weil es sich auch insoweit nur um eines unter mehreren möglichen Beweisanzeichen, nicht um ein unerlässliches Begriffsmerkmal handelt. Einerseits können – tritt jemand als Händler auf – schon geringfügige Umsätze, die den Wettbewerb nicht stören, zur Umsatzbesteuerung führen. Andererseits bleiben selbst wirtschaftlich bedeutende Veräußerungen des Privatvermögens unbesteuert, wenn ein Händlerverhalten nicht festzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1987 X R 23/82, a.a.O.).
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Im Streitfall veräußerte die Klägerin jedoch die Pelzmäntel und -jacken ihrer Schwiegermutter, also Privatvermögen. Im weitesten Sinne löste sie eine Sammlung auf. Ihre Verkaufstätigkeiten sind das Ergebnis einer Haushaltsauflösung, und zwar die ihres Ehemannes, die im Zusammenhang mit seiner Insolvenz stand. Für die Annahme des Beklagten, Pelzmäntel und -jacken seien von der Klägerin oder deren Ehemann gekauft worden, um sie später zu veräußern, ergeben sich weder aus den Akten noch nach der Beweisaufnahme irgendwelche Anhaltspunkte. So konnte bspw. die Steufa keine Einkaufsbelege sicherstellen. Auch führten sowohl die Klägerin als auch ihr Mann im Gegenteil glaubhaft aus, die Pelzmäntel und -jacken stammten von der Schwiegermutter der Klägerin. Der Ehemann der Klägerin sagte aus, seine Mutter habe Pelze gerne gehabt und diese nach und nach angeschafft (Abspielpunkt: 00:14:00 ff.). Sehr detailliert schilderte er, wo diese im vier-geschossigen Einfamilienhaus, einem Reiheneckhaus in der … allee in der Nordstadt in P (Abspielpunkt: 00:21:17), aufbewahrt worden seien, und zwar in den Stauräumen (in Kartons) und im Schlafzimmer mit einer Riesenschrankwand, die geteilt gewesen sei und in die man unten und oben etwas habe hängen können (Abspielpunkt: 00:18:35). Die Pelze seien im ganzen Haus verteilt gewesen, so bspw. im Treppenhaus in Schränken (Abspielpunkt: 00:19:40). In dem Haus habe es (im Keller) auch eine Sauna und einen Partyraum gegeben (Abspielpunkt: 00:17:30). Im Zusammenhang mit ihrem Umzug in ein Seniorenheim (zwei kleine Zimmer) und der Verkleinerung ihrer Wohnverhältnisse habe seine Mutter ihm die Pelzmäntel und -jacken übergeben. Er habe sie auf Ständer gehängt, die er im EKZ erworben habe (Abspielpunkt: 00:23:09). Seine „Mutti“ habe die Pelze schon schön verpackt, „überall war so ein kleines Dingele drin, mit so einem „Dufte mich“, dass da keine Motten sind und dann waren da extra so spezielle Luftdinger, dass es auch nicht die Feuchtigkeit staut“ (Abspielpunkt: 00:23:18). Die Pelze habe er in einer Garage verstaut, die er von der Stadt P angemietet habe. Er habe diese nach einer langen Suche im Zentrum Ps gefunden. Die Garage sei alt gewesen und habe ganz dicke Mauern gehabt. Sie sei trocken gewesen (Abspielpunkt: 00:23:34).
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Für das Gericht glaubhaft und in sich schlüssig bekräftigte der Zeuge, seine Mutter habe sich die Pelze immer mal wieder gekauft: Sukzessive seien diese angeschafft worden, wenn sie etwas gesehen habe oder im Urlaub. Sie habe auch günstige (aber doch tolle) Pelze erworben, so bei XXXX (Abspielpunkt: 00:20:02). Seine Mutter habe ihren guten Beruf gehabt und „gut Geld verdient und es eigentlich immer zum großen Teil für sich behalten können“ (Abspielpunkt: 00:20:31). Sie habe zwar Apothekerin gelernt, sei dann aber Chefsekretärin bei einer großen Reinigungsfirma in P gewesen (Abspielpunkt: 00:20:43). Sein Vater sei Geschäftsführer einer Baufirma in P gewesen, später von einer Haus- und Grundstücksverwaltungsfirma (Abspielpunkt: 00:21:04). Seine Mutter habe die Pelze „natürlich sorgsam behandelt, kaum getragen, immer schön, wie das Hochzeitskleid oder, das liegt unter dem Bett und keiner nutzt es“ (Abspielpunkt: 00:20:20). Seine Mutter habe auch ziemlich viele ähnliche Schuhe gehabt (Abspielpunkt: 00:29:41).
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Nach allem konnte der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass sich die Klägerin in den Streitjahren mit ihrer Verkaufstätigkeit über die ebay-Konten N 6 und N 7 unternehmerisch betätigt hat. Da der Beklagte die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen steuerbegründender Tatbestandsmerkmale trägt, geht das zu seinen Lasten.
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2. Die aufgrund der vorstehenden Ausführungen gebotenen Festsetzungen der Umsatzsteuer 2004 und 2005 werden dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
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5. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung.