OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2025 – 14 A 4745/19
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit Urteil vom 11. Dezember 2025 (14 A 4745/19) entschieden, dass die Stadt Mülheim an der Ruhr den Hebesatz der Grundsteuer B für das Veranlagungsjahr 2019 rechtmäßig von 640 % auf 890 % anheben durfte. Die erhebliche Erhöhung verstößt nach Auffassung des Gerichts weder gegen formelle Vorgaben des Kommunalrechts noch gegen verfassungsrechtliche oder haushaltsrechtliche Grundsätze.
Sachverhalt
Der Kläger ist Eigentümer eines in Mülheim an der Ruhr gelegenen Grundstücks. Aufgrund der Hebesatzerhöhung stieg seine Grundsteuer B für das Jahr 2019 um 432,22 Euro – von 1.106,50 Euro auf 1.538,72 Euro.
Gegen die Erhöhung wandte sich der Kläger mit mehreren Argumenten. Er machte im Wesentlichen geltend:
der Oberbürgermeister habe Zeit, Ort und Tagesordnung der maßgeblichen Ratssitzung nicht rechtzeitig bekannt gemacht,
während der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist zur Neuregelung der Einheitsbewertung hätten Gemeinden die Hebesätze nicht erhöhen dürfen,
die Haushaltswirtschaft der Stadt Mülheim habe gegen das kommunalrechtliche Gebot der Sparsamkeit verstoßen.
Entscheidung des OVG NRW
Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Hebesatzerhöhung.
Ordnungsgemäße Bekanntmachung der Ratssitzung
Nach Auffassung des Gerichts war die Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der Ratssitzung unter den gegebenen Umständen noch rechtzeitig. Maßgeblich sei gewesen, dass sich die Stadt Mülheim in einer auch zeitlich dringenden Haushaltssanierung befunden habe. Vor diesem Hintergrund genügten die getroffenen Bekanntmachungsmaßnahmen den kommunalrechtlichen Anforderungen.
Hebesatzerhöhung trotz Übergangsfrist zur Grundsteuerreform
Das OVG stellte klar, dass sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14 u. a.) kein Verbot von Hebesatzerhöhungen während der Übergangsfrist zur Neuregelung der Einheitsbewertung ergibt. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist zur Reform der Grundsteuer eingeräumt, zugleich aber deutlich gemacht, dass die Gemeinden weiterhin handlungsfähig bleiben sollten. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, Hebesätze anzupassen.
Keine Überprüfung der Haushaltswirtschaft im Grundsteuerverfahren
Schließlich wies das OVG darauf hin, dass die Frage, ob die Haushaltsführung der Kommune den Geboten der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Sparsamkeit entsprochen hat, nicht Gegenstand eines Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Grundsteuererhebung ist. Diese Aspekte seien ggf. in anderen kommunalaufsichtlichen oder haushaltsrechtlichen Verfahren zu klären, nicht jedoch im Rahmen einer Anfechtung der Grundsteuerfestsetzung.
Keine Revision zugelassen
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dem Kläger bleibt lediglich die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zu erheben.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung für Grundstückseigentümer und Kommunen:
Auch sehr deutliche Hebesatzerhöhungen können rechtmäßig sein, wenn formelle Anforderungen eingehalten werden.
Die Übergangsphase zur Grundsteuerreform schränkt die Hebesatzautonomie der Gemeinden nicht ein.
Einwendungen gegen die kommunale Haushaltsführung sind im Grundsteuerverfahren grundsätzlich unbeachtlich.
Für Eigentümer bedeutet dies, dass rechtliche Angriffsmöglichkeiten gegen hohe Grundsteuer-Hebesätze stark begrenzt sind. Für Kommunen bestätigt das Urteil den weiten Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Hebesätze.
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2025 – 14 A 4745/19, Pressemitteilung vom 11.12.2025
FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.10.2025 – 11 K 1987/25 GE (nrkr), Revision anhängig beim BFH: II R 44/25
Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2025 (11 K 1987/25 GE) entschieden, dass die auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG n. F. nicht auf Erwerbsvorgänge vor dem 1. Juli 2021 anzuwenden ist – selbst dann nicht, wenn die frühere fünfjährige Nachbehaltensfrist bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch nicht abgelaufen war.
Die Entscheidung widerspricht ausdrücklich der Auffassung der Finanzverwaltung und ist von erheblicher Bedeutung für Umstrukturierungen im Bereich von Personengesellschaften.
Hintergrund: Verlängerung der Nachbehaltensfrist
Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes im Jahr 2021 wurde die Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG von fünf auf zehn Jahre verlängert. Die Neuregelung gilt grundsätzlich für Erwerbsvorgänge nach dem 30.06.2021. Umstritten war jedoch, ob sie auch auf „Altfälle“ anzuwenden ist, bei denen der Erwerbsvorgang zwar vor dem Stichtag verwirklicht wurde, die damalige fünfjährige Nachbehaltensfrist aber noch lief.
Die Finanzverwaltung bejahte dies unter Hinweis auf § 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG und ging von einer faktischen Verlängerung laufender Nachbehaltensfristen aus.
Sachverhalt
Klägerin war eine offene Handelsgesellschaft (oHG), die im Jahr 2018 von einer Kommanditgesellschaft (KG) zwei Grundstücke im Wege der Einbringung erworben hatte. An beiden Personengesellschaften waren identische Gesellschafter beteiligt. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer zunächst zutreffend nach § 6 Abs. 3 GrEStG mit 0 Euro fest.
Im Jahr 2023 – und damit mehr als fünf Jahre nach dem Erwerbsvorgang – wurde die Klägerin formwechselnd in eine GmbH umgewandelt. Daraufhin änderte das Finanzamt den Grunderwerbsteuerbescheid und setzte Grunderwerbsteuer fest. Zur Begründung führte es an, dass die mittlerweile geltende zehnjährige Nachbehaltensfrist anzuwenden sei, da die frühere fünfjährige Frist am 01.07.2021 noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Entscheidung des FG Düsseldorf
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt. Maßgeblich sei weiterhin die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F., die zum Zeitpunkt des Formwechsels im Jahr 2023 bereits abgelaufen war.
Nach Auffassung des Senats folgt aus § 23 Abs. 18 GrEStG eindeutig, dass die Neufassung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, da der Grundstückserwerb bereits im Jahr 2018 abgeschlossen war.
Auch aus § 23 Abs. 24 GrEStG ergibt sich nach Ansicht des Gerichts nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung handele es sich hierbei nicht um eine verschärfende Sonderregelung zu Abs. 18. Vielmehr entspreche es der Systematik des § 23 GrEStG, für die Anwendung neuen Rechts stets an den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs anzuknüpfen. Sinn und Zweck der Neuregelung seien nicht darauf gerichtet, bereits vor dem 01.07.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge nachträglich der verlängerten Nachbehaltensfrist zu unterwerfen.
Abweichung von der Verwaltungsauffassung
Bemerkenswert ist, dass das FG Düsseldorf ausdrücklich der gegenteiligen Verwaltungsauffassung widerspricht, wie sie in den gleichlautenden Ländererlassen vom 5. März 2024 zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG vertreten wird. Der Senat sieht keine gesetzliche Grundlage für eine rückwirkende Verlängerung der Nachbehaltensfrist bei Altfällen.
Ausblick und Praxishinweis
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zugelassen und inzwischen eingelegt (BFH-Az. II R 44/25). Eine höchstrichterliche Klärung steht somit noch aus.
Für die Beratungspraxis ist die Entscheidung dennoch hochrelevant:
Bei Erwerbsvorgängen vor dem 01.07.2021 bestehen gute Argumente, weiterhin von der fünfjährigen Nachbehaltensfrist auszugehen.
Strukturmaßnahmen nach Ablauf von fünf Jahren können – jedenfalls nach Auffassung des FG Düsseldorf – grunderwerbsteuerneutral bleiben.
In laufenden oder geplanten Umstrukturierungen sollte die Frage der Nachbehaltensfrist ausdrücklich geprüft und dokumentiert werden, insbesondere im Hinblick auf das anhängige BFH-Verfahren.
Quelle: Finanzgericht Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.10.2025 – 11 K 1987/25 GE; Newsletter Dezember 2025 Revision anhängig beim BFH: II R 44/25
BFH bestätigt Vorinstanz im vorläufigen Rechtsschutz BFH, Beschlüsse vom 26.11.2025 – VII B 81/25 (AdV) und VII B 80/25 (AdV), Pressemitteilung Nr. 79/25 vom 11.12.2025
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei sachlich zusammenhängenden Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass ein von der Zollverwaltung sichergestellter Öltanker sowie dessen Ladung vorerst weder eingezogen noch verwertet werden dürfen. Hintergrund sind Maßnahmen der Zollverwaltung im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen der Europäischen Union (EU). Der BFH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanz und bejahte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungs- und Verwertungsverfügungen.
Sachverhalt
Der betroffene Öltanker war auf dem Weg von Russland nach Indien und erlitt in der Ostsee eine Havarie. Das Schiff wurde manövrierunfähig, trieb in deutsche Hoheitsgewässer und wurde schließlich auf die Reede vor Sassnitz (Insel Rügen) geschleppt.
Die geladene Ölmenge galt bereits zu diesem Zeitpunkt als sanktioniertes Gut im Sinne von Art. 3i Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Das Schiff selbst wurde jedoch erst nach der Havarie durch die Verordnung (EU) 2025/395 in den Anhang XLII zu Art. 3s der Sanktionsverordnung aufgenommen. In diesem Anhang sind Schiffe aufgeführt, die – häufig als sogenannte „Schattenflotte“ bezeichnet – im Verdacht stehen, zur Umgehung der Russland-Sanktionen eingesetzt zu werden.
Vor diesem Hintergrund ordnete das zuständige Hauptzollamt (HZA) zunächst die Sicherstellung von Schiff und Ladung an. In einem weiteren Schritt verfügte es die Einziehung und Verwertung auf Grundlage von Art. 198 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv des Zollkodex der Union in Verbindung mit § 13 Abs. 1 ZollVG. Die Eigentümer bzw. Charterer wandten sich hiergegen mit Erfolg an das Finanzgericht, das die Vollziehung der Maßnahmen im Wege der Aussetzung der Vollziehung (AdV) stoppte.
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Beschwerden des Hauptzollamts zurück und bestätigte die AdV-Entscheidungen der Vorinstanz. Maßgeblich war, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungsmaßnahmen bestehen.
Zweifel hinsichtlich des Tankers
Bezogen auf das Schiff selbst sieht der BFH mehrere ungeklärte Rechtsfragen:
Es ist rechtlich offen, ob ein nach der EU-Sanktionsverordnung verbotenes „Verbringen in die Union“ auch dann vorliegt, wenn ein Schiff manövrierunfähig ist und ohne eigenen Willensentschluss in EU-Gewässer driftet.
Ebenso zweifelhaft ist, ob die einschlägigen Sanktionsregelungen auch ein „Verbringen aus der Union“ erfassen, obwohl der betreffende Tatbestand – anders als andere Embargobestimmungen – eine Ausfuhr nicht ausdrücklich erwähnt.
Darüber hinaus hebt der BFH die Bedeutung völkerrechtlicher Aspekte hervor. Zu berücksichtigen seien insbesondere das völkerrechtlich anerkannte Nothafenrecht sowie das Recht auf friedliche Durchfahrt nach Art. 17 und 18 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ).
Zweifel hinsichtlich der Ladung
Auch hinsichtlich der Ölladung sieht der BFH offene Rechtsfragen. Insbesondere ist bislang ungeklärt, ob die in Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 vorgesehene Ausnahme, die gelisteten Schiffen in Notsituationen das Anlaufen eines sicheren Hafens erlaubt, nach Sinn und Zweck der Regelung auch das Wieder-Auslaufen eines zuvor havarierten und erst danach gelisteten Schiffs einschließlich seiner Ladung umfassen kann.
Diese ungeklärten Fragen rechtfertigen es nach Auffassung des BFH, die Einziehung und Verwertung im vorläufigen Rechtsschutz auszusetzen.
Bedeutung der Entscheidung
Die Beschlüsse verdeutlichen, dass auch im Kontext weitreichender EU-Sanktionen eine sorgfältige rechtliche Prüfung erforderlich ist. Insbesondere bei Notlagen auf See treffen Sanktionsrecht, Zollrecht und Völkerrecht unmittelbar aufeinander. Der BFH stellt klar, dass Sanktionen nicht schematisch angewendet werden dürfen, wenn gewichtige rechtliche Zweifel bestehen.
Gleichzeitig handelt es sich um Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz. Eine abschließende Klärung der aufgeworfenen unions-, zoll- und völkerrechtlichen Fragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Praxishinweis
Für die Praxis zeigt die Entscheidung:
Einziehungen nach dem Zollkodex der Union im Sanktionskontext unterliegen strengen rechtlichen Anforderungen.
Unionsrechtliche Sanktionsnormen sind unter Berücksichtigung ihres Wortlauts, ihres Zwecks und völkerrechtlicher Rahmenbedingungen auszulegen.
In komplexen Grenzfällen kann der vorläufige Rechtsschutz ein wirksames Instrument sein, um irreversible Maßnahmen wie Verwertung zu verhindern.
Quelle: Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 26.11.2025 – VII B 80/25 (AdV), VII B 81/25 (AdV); Pressemitteilung Nr. 79/25 vom 11.12.2025
Mit Urteil vom 16. Juli 2025 (I R 20/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zentrale Fragen zur Verlustabzugssperre nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG geklärt. Im Mittelpunkt steht die Zielsetzung der Norm, eine doppelte Nutzung von Organschaftsverlusten im Inland und Ausland zu verhindern. Der BFH bestätigt dabei sowohl die rückwirkende Anwendbarkeit der Regelung als auch ihren weiten persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich.
Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für grenzüberschreitende Konzernstrukturen mit ertragsteuerlicher Organschaft.
Hintergrund: Verlustabzugssperre bei Organschaften
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG wurde durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 eingeführt. Die Vorschrift soll verhindern, dass Verluste einer Organgesellschaft oder des Organträgers sowohl in Deutschland als auch im Ausland steuerlich berücksichtigt werden.
Die zeitliche Anwendungsregelung findet sich in § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG. Danach ist die Verlustabzugssperre rückwirkend auf alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle anzuwenden. Diese Rückwirkung war im Streitfall Gegenstand verfassungsrechtlicher und systematischer Bedenken.
Entscheidung des BFH
Der BFH weist die Revision zurück und bestätigt die Anwendung der Verlustabzugssperre in vollem Umfang.
Keine Regelungslücke bei der zeitlichen Anwendung
Zunächst stellt der BFH klar, dass die zeitliche Anwendungsregelung des § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG keine verdeckte Regelungslücke enthält. Der Gesetzgeber habe die rückwirkende Geltung der Verlustabzugssperre ausdrücklich angeordnet. Eine einschränkende Auslegung oder eine verfassungskonforme Reduktion des Anwendungsbereichs komme daher nicht in Betracht.
Damit bestätigt der BFH die umfassende Rückwirkung der Vorschrift auf alle offenen Veranlagungszeiträume.
Persönlicher Anwendungsbereich: Kein Auslandsbezug erforderlich
Weiter stellt der BFH klar, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG persönlich auf jeden Organträger anzuwenden ist. Die Norm beschränkt sich nicht auf Organträger, die sowohl im Inland als auch im Ausland ansässig sind.
Entscheidend ist allein, ob negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft im Ausland steuerlich berücksichtigt werden. Ein eigener Wohnsitz oder Sitz des Organträgers im Ausland ist nicht erforderlich.
Bedeutung für die Gewerbesteuer
Von erheblicher praktischer Relevanz ist zudem die Aussage des BFH zur Gewerbesteuer. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gehört nach Auffassung des Gerichts zu den Gewinnermittlungsvorschriften, auf die § 7 Satz 1 GewStG verweist.
Die Verlustabzugssperre ist daher auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass sich die Sperrwirkung nicht nur auf die Körperschaftsteuer, sondern auch auf die Gewerbesteuer auswirkt.
Maßstab für eine ausländische Verlustberücksichtigung
Schließlich konkretisiert der BFH, wann eine relevante Berücksichtigung negativer Einkünfte im Ausland vorliegt. Eine solche ist nur insoweit gegeben, als eine am Ertrag orientierte ausländische Steuer unter Einbeziehung sämtlicher Einkünfte aus derselben Quelle bei periodenübergreifender Betrachtung endgültig niedriger festgesetzt wurde, als dies ohne Berücksichtigung dieser Einkunftsquelle der Fall gewesen wäre.
Damit grenzt der BFH rein temporäre Effekte von einer endgültigen steuerlichen Doppelverwertung ab und stellt auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung ab.
Praxishinweis
Das Urteil stärkt die Rechtsposition der Finanzverwaltung und unterstreicht die weitreichende Bedeutung der Verlustabzugssperre bei Organschaften:
Die rückwirkende Anwendung der Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Sperre gilt unabhängig von der Ansässigkeit des Organträgers.
Sie wirkt sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer.
Maßgeblich ist eine endgültige steuerliche Entlastung im Ausland, nicht nur eine vorübergehende Verlustverrechnung.
Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass grenzüberschreitende Organschaftsstrukturen und ausländische Verlustnutzungen sorgfältig auf eine mögliche Sperrwirkung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG zu überprüfen sind. Insbesondere bei internationalen Konzernen ist eine abgestimmte Steuerplanung im In- und Ausland unerlässlich, um ungewollte steuerliche Mehrbelastungen zu vermeiden.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.07.2025 – I R 20/22
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27. August 2025 (II R 50/21) wichtige Klarstellungen zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung von Grundstückseinbringungen in Gesamthandsgemeinschaften getroffen, wenn es später im Rahmen eines Insolvenzplans zu einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse kommt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wann die Grunderwerbsteuerforderung entsteht und wie sie insolvenzrechtlich einzuordnen ist, wenn eine ursprünglich gewährte Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG nachträglich entfällt.
Ausgangslage: Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG
Nach § 5 Abs. 2 GrEStG kann die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesamthand (z. B. Personengesellschaft) ganz oder teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit sein, soweit der Einbringende an der Gesamthand beteiligt bleibt. Diese Begünstigung steht jedoch unter dem Vorbehalt des § 5 Abs. 3 GrEStG: Ändert sich die Beteiligung des Einbringenden innerhalb der maßgeblichen Frist, entfällt die Steuervergünstigung ganz oder anteilig rückwirkend.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte ein Steuerpflichtiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Grundstück in eine Gesamthandsgemeinschaft eingebracht. Der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang war zunächst ganz oder teilweise nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerbefreit worden.
Im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kam es jedoch im Rahmen der Durchführung eines Insolvenzplans zu einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse des Einbringenden an der Gesamthand. Dadurch entfielen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 3 GrEStG.
Streitig war insbesondere, ob die hierdurch ausgelöste Grunderwerbsteuerforderung als Insolvenzforderung einzuordnen ist und welche Verjährungsregeln Anwendung finden.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass der Wegfall der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG materiell-rechtlich auf den ursprünglichen, vor Insolvenzeröffnung verwirklichten Erwerbsvorgang zurückwirkt. Zwar entsteht die Grunderwerbsteuerforderung erst mit dem Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen, sie ist jedoch gleichwohl als Insolvenzforderung zu qualifizieren.
Maßgeblich ist nach Auffassung des BFH nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung, sondern der Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerlichen Tatbestands. Dieser lag bereits vor der Insolvenzeröffnung, nämlich bei der Einbringung des Grundstücks in die Gesamthandsgemeinschaft.
Einordnung als (nachträgliche) Insolvenzforderung
Der BFH stellt klar, dass es sich in diesen Fällen um eine nachträglich begründete Insolvenzforderung handelt. Der Umstand, dass die Steuerforderung erst später entsteht, ändert nichts daran, dass sie insolvenzrechtlich dem Insolvenzverfahren zuzuordnen ist. Damit ist sie grundsätzlich zur Insolvenztabelle anzumelden und unterliegt den insolvenzrechtlichen Besonderheiten.
Verjährung nach § 259b InsO
Von besonderer praktischer Bedeutung ist die weitere Aussage des BFH zur Verjährung. Die einjährige Verjährungsfrist des § 259b Abs. 1 InsO gilt auch für Steuerforderungen. Wann die Forderung im Sinne dieser Vorschrift fällig wird, richtet sich jedoch nach den jeweils einschlägigen Steuergesetzen.
Damit bestätigt der BFH, dass Steuerforderungen im Insolvenzkontext zwar steuerrechtlich entstehen und fällig werden, hinsichtlich der Verjährung jedoch den insolvenzrechtlichen Sonderregelungen unterliegen.
Praxishinweis
Das Urteil verdeutlicht die erhebliche grunderwerbsteuerliche und insolvenzrechtliche Sprengkraft von § 5 GrEStG:
Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 2 GrEStG stehen stets unter dem Vorbehalt späterer Beteiligungsänderungen.
Änderungen der Beteiligungsverhältnisse infolge eines Insolvenzplans können rückwirkend zur Steuerpflicht führen.
Die daraus resultierende Grunderwerbsteuer ist regelmäßig als Insolvenzforderung zu behandeln.
Für die Durchsetzung der Steuerforderung gelten die besonderen Verjährungsregelungen der Insolvenzordnung.
In der Beratungspraxis sollten daher Grundstückseinbringungen in Personengesellschaften auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen späteren Insolvenz und der damit verbundenen steuerlichen Risiken sorgfältig strukturiert und dokumentiert werden.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.08.2025 – II R 50/21 (LEXinform-Dokument Nr. 0953921)
BFH, Urteil vom 30.07.2025 – II R 12/24 (Pressemitteilung Nr. 80/25 vom 11.12.2025)
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 30. Juli 2025 (II R 12/24) entschieden, dass Zuwendungen an eine von einem Bundesland gegründete rechtsfähige Stiftung nicht automatisch von der Schenkungsteuer befreit sind. Eine Steuerbefreiung scheidet insbesondere dann aus, wenn die in der Stiftungssatzung festgelegten Zwecke weder ausschließlich dem Bundesland dienen noch ausnahmslos steuerbegünstigte Zwecke verfolgen.
Die Entscheidung verdeutlicht die engen Voraussetzungen der schenkungsteuerlichen Befreiungstatbestände nach § 13 ErbStG und hat erhebliche Bedeutung für Zuwendungen an öffentlich initiierte, aber nicht gemeinnützige Stiftungen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, die im Jahr 2021 durch das Land Mecklenburg-Vorpommern gegründet wurde. Die Stiftung ist nicht als gemeinnützig anerkannt. Kurz nach ihrer Gründung schloss sie mit einer Aktiengesellschaft einen Kooperationsvertrag, der unter anderem die Fertigstellung eines Bauprojekts unter Beteiligung der Stiftung sowie eine entsprechende Vergütung regelte.
Unabhängig von dieser vertraglich vereinbarten Vergütung leistete die AG im Laufe des Jahres 2021 zwei weitere Zahlungen an die Stiftung. Das zuständige Finanzamt behandelte diese Zahlungen als freigebige Zuwendungen und setzte Schenkungsteuer fest. Die hiergegen gerichtete Klage blieb bereits vor dem Finanzgericht ohne Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision der Stiftung zurück. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den Zahlungen um freigebige Zuwendungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, da sie nicht mit einer konkreten Gegenleistung der Stiftung – etwa im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Bauprojekts – verknüpft waren.
Keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG
Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG lehnte der BFH ab. Danach sind Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts steuerfrei, wenn sie ausschließlich Zwecken dieser Körperschaften dienen. Nach den Formulierungen der Stiftungssatzung verfolgte die Klägerin jedoch zwar auch, aber eben nicht ausschließlich, Zwecke des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Der BFH stellt klar, dass das Tatbestandsmerkmal „ausschließlich“ streng auszulegen ist. Es genügt nicht, dass landesbezogene Zwecke nur mitverfolgt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass die Stiftung ausnahmslos und uneingeschränkt Zwecke des Bundeslandes erfüllt.
Keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG
Auch die Steuerbefreiung für Zuwendungen an steuerbegünstigte Körperschaften nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG kam nicht in Betracht. Die in der Stiftungssatzung festgelegten Zwecke waren nach Auffassung des BFH nicht durchgängig und uneingeschränkt steuerbegünstigt im Sinne der §§ 52 ff. AO. Entscheidend ist auch hier der satzungsmäßige Zweck und nicht eine etwaige tatsächliche Tätigkeit im Einzelfall.
Praxishinweis
Das Urteil macht deutlich, dass bei Zuwendungen an Stiftungen – selbst wenn diese von einem Bundesland gegründet wurden – eine sorgfältige schenkungsteuerliche Prüfung erforderlich ist. Für die Steuerbefreiung kommt es entscheidend auf den satzungsmäßigen Zweck der Stiftung an:
Landesstiftungen sind nicht automatisch steuerbefreit.
Maßgeblich ist eine strenge Auslegung des Merkmals „ausschließlich“.
Mischzwecke oder lediglich teilweise steuerbegünstigte Zwecke schließen die Befreiung aus.
Für Zuwendende wie auch für Stiftungen empfiehlt sich daher vorab eine genaue Analyse der Stiftungssatzung sowie der geplanten Zahlungsflüsse, um unerwartete Schenkungsteuerbelastungen zu vermeiden.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.07.2025 – II R 12/24, Pressemitteilung Nr. 80/25 vom 11.12.2025
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 16. Juli 2025 (I R 13/22) zentrale Klarstellungen zur Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG bei Besitz-Personengesellschaften getroffen. Im Fokus steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit Schenkungen weiterhin „steuerverhaftet“ bleiben und wann die Rechtsfolgen des § 50i EStG überhaupt ausgelöst werden können. Die Entscheidung ist insbesondere für Gestaltungen im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge und der Betriebsaufspaltung von erheblicher praktischer Bedeutung.
Hintergrund: § 50i EStG und Besitz-Personengesellschaften
§ 50i EStG dient der Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts, insbesondere bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug. Die Vorschrift verhindert, dass stille Reserven in bestimmten Konstellationen steuerneutral aus dem deutschen Besteuerungszugriff herausgelangen. In der Beratungspraxis relevant ist § 50i EStG vor allem bei Besitz-Personengesellschaften, die Wirtschaftsgüter (z. B. Grundstücke oder Beteiligungen) an eine Betriebsgesellschaft überlassen.
Strittig war im entschiedenen Fall, wie weit der Anwendungsbereich des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG reicht und welche Vorgänge als „Übertragung oder Überführung“ eines Wirtschaftsguts zu qualifizieren sind.
Kernaussagen des BFH
Der BFH stellt zunächst klar, dass § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG als modifizierte Rechtsgrundverweisung auf § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG zu verstehen ist. Voraussetzung für die Anwendung der Norm ist daher zwingend eine Übertragung oder Überführung des betreffenden Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft.
Dabei grenzt der BFH den Begriff der Übertragung bzw. Überführung eng aus: Erfasst ist ausschließlich der erstmalige Übergang eines Wirtschaftsguts „von außen“ in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft. Nicht erfasst sind dagegen rein gesellschaftsinterne Vorgänge, wie etwa:
Übertragungen zwischen Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen,
Übertragungen zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen innerhalb derselben Personengesellschaft.
Solche Vorgänge lösen für sich genommen keine Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG aus.
Stille Reserven als zwingende Voraussetzung
Weiter betont der BFH, dass eine Übertragung oder Überführung nur dann „ohne Aufdeckung stiller Reserven“ im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG erfolgt sein kann, wenn das Wirtschaftsgut überhaupt stille Reserven enthält. Fehlt es daran, scheidet die Anwendung der Vorschrift bereits dem Grunde nach aus.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Herstellung oder der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts zeitlich mit dem Übergang in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft zusammenfällt. In diesen Fällen können definitionsgemäß keine stillen Reserven vorhanden sein.
Schenkung innerhalb des Betriebsvermögens
Von besonderer praktischer Relevanz ist die weitere Klarstellung des BFH zur Behandlung von Schenkungen. Ein Wirtschaftsgut, das zuvor ohne Aufdeckung stiller Reserven in das Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft übertragen worden ist, bleibt steuerverhaftet, wenn es anschließend im Wege der Schenkung zivilrechtlich auf eine andere Person übergeht, ohne aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft auszuscheiden.
Bemerkenswert ist, dass die Rechtsfolgen des § 50i Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG in diesen Fällen erstmals beim Rechtsnachfolger eintreten können. Damit wird deutlich, dass § 50i EStG nicht nur an den ursprünglichen Steuerpflichtigen anknüpft, sondern auch Rechtsnachfolger erfassen kann, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Maßgeblicher Zeitpunkt für § 17 EStG
Schließlich äußert sich der BFH zur zeitlichen Bezugsebene bei der Prüfung der Beteiligungsvoraussetzungen nach § 17 EStG. Maßgeblich ist stets die im Zeitpunkt der jeweiligen Übertragung oder Überführung geltende Fassung des § 17 EStG. Spätere Gesetzesänderungen sind für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen unbeachtlich.
Praxishinweis
Das Urteil verdeutlicht, dass § 50i EStG in Schenkungs- und Nachfolgekonstellationen sorgfältig mitzudenken ist. Insbesondere bei Besitz-Personengesellschaften sollte genau geprüft werden,
ob tatsächlich ein erstmaliger Übergang eines Wirtschaftsguts „von außen“ vorliegt,
ob stille Reserven vorhanden sind und
ob Schenkungen innerhalb des Betriebsvermögens zu einer fortbestehenden Steuerverhaftung führen können.
Für die Gestaltungsberatung bedeutet dies: Die steuerlichen Folgen von Vermögensübertragungen lassen sich nur durch eine präzise Analyse der Vermögenszuordnung, der Entstehung stiller Reserven und des zeitlichen Anknüpfungspunkts sicher beurteilen.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.07.2025 – I R 13/22 (LEXinform-Dokument Nr. 0954140)
Zum 1. Januar 2026 passen die Finanzverwaltung und die Länder erneut die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten bei betrieblich / beruflich veranlassten Auslandsreisen an. Grundlage ist das neue BMF-Schreiben vom 05.12.2025 (koordinierter Ländererlass). Die Systematik bleibt wie bisher – aber die Beträge werden für viele Länder angepasst und es gibt Klarstellungen zur praktischen Anwendung.
Im Beitrag erhalten Sie einen kompakten Überblick, wie Sie Auslandsreisekosten ab 2026 steuerlich richtig behandeln und welche typischen Fallstricke Sie vermeiden sollten.
1. Rechtsgrundlage: Reisekosten ins Ausland ab 2026
Die steuerliche Behandlung von Reisekosten bei Auslandsdienstreisen basiert weiterhin auf:
§ 9 Abs. 4a EStG (Verpflegungsmehraufwendungen)
den Lohnsteuerrichtlinien (R 9.6, R 9.7, R 9.11 LStR)
dem allgemeinen BMF-Reisekosten-Schreiben vom 25.11.2020 (Reisekosten von Arbeitnehmern)
und nun den neuen Pauschbeträgen ab 1.1.2026 (BMF-Schreiben vom 05.12.2025 – Auslandsreisepauschalen).
Für jedes Land (teilweise sogar für einzelne Städte) gelten feste Verpflegungspauschalen sowie Pauschbeträge für Übernachtungskosten. Änderungen gegenüber 2025 werden im BMF-Anhang wieder im Fettdruck hervorgehoben, wie schon bei den Pauschalen 2025.
2. Verpflegungspauschalen bei Auslandsreisen ab 2026
2.1 Grundprinzip
Sie können – wie bisher – Verpflegungsmehraufwand mit Pauschalen ansetzen:
24-Stunden-Abwesenheit: voller Auslandspauschbetrag des jeweiligen Ortes/Landes
An- und Abreisetag bei mehrtägigen Reisen: jeweils der für diesen Tag maßgebliche Pauschbetrag (in der Regel 1/3 des vollen Betrags, konkret aus der BMF-Tabelle)
Eintägige Auslandsreise: Pauschbetrag des letzten Tätigkeitsorts im Ausland
Wichtig: Es gilt immer der Pauschbetrag des Ortes, an dem Sie sich überwiegend bzw. „bis 24 Uhr Ortszeit“ aufhalten – nicht der Abflugort.
2.2 Mehrere Länder auf einer Reise – welcher Pauschbetrag gilt?
Bei mehrtägigen Reisen, bei denen mehrere Länder bereist werden, gilt:
Anreisetag (ohne Tätigkeit unterwegs): Maßgeblich ist der Ort, der vor 24 Uhr Ortszeit erreicht wird.
Zwischentage (24 Stunden Abwesenheit): Es zählt der Ort, an dem Sie sich jeweils um 24 Uhr Ortszeit aufhalten.
Abreisetag: Hier ist der letzte Tätigkeitsort maßgeblich.
Damit bleibt die Systematik gleich, lediglich die Pauschbeträge ändern sich.
2.3 Praxisbeispiel: Von Frankreich nach Dänemark – nur eine Pauschale pro Tag
Ein Ingenieur kehrt am Dienstag von einer mehrtägigen Auswärtstätigkeit in Straßburg (Frankreich) nach Hause zurück. Nach kurzer Pause reist er noch am selben Tag zu einer weiteren mehrtägigen Dienstreise nach Kopenhagen (Dänemark) weiter und trifft dort um 23 Uhr ein. Das Hotel mit Frühstück in Kopenhagen wurde vom Arbeitgeber gebucht.
Für diesen Dienstag gilt nur eine Verpflegungspauschale – und zwar die höhere:
Rückreise Straßburg: z. B. 36 €
Anreise Kopenhagen: z. B. 50 € → Ansatz: 50 € (höhere Pauschale)
Da das Frühstück im Hotel gestellt wird, ist die Pauschale nach den Kürzungsvorschriften des § 9 Abs. 4a EStG zu mindern:
Kürzung für Frühstück: 20 % des vollen Tagespauschbetrags am Zielort (hier Kopenhagen)
Bei z. B. 75 € Vollpauschale für einen vollen Tag in Kopenhagen: 20 % von 75 € = 15 € → Abziehbarer Verpflegungsmehraufwand: 50 € – 15 € = 35 €
Dieses Beispiel zeigt:
Nur ein Pauschbetrag pro Tag, aber
Kürzung immer ausgehend vom vollen Tagesbetrag des maßgeblichen Ortes.
3. Kürzung der Verpflegungspauschalen bei gestellten Mahlzeiten
Stellt der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden während der Auswärtstätigkeit Mahlzeiten oder veranlasst er die Gestellung (z. B. Hotel-Frühstück, Konferenzbuffet), müssen die Pauschalen tageweise gekürzt werden – unabhängig vom Land, in dem die Mahlzeit tatsächlich eingenommen wurde.
Kürzungssätze (bezogen auf den vollen 24-Stunden-Pauschbetrag des betreffenden Ortes):
Frühstück: 20 %
Mittagessen: 40 %
Abendessen: 40 %
Wichtig:
Die Kürzung bezieht sich nicht auf den (evtl. niedrigeren) An- oder Abreisetagesbetrag, sondern immer auf den vollen Tagespauschbetrag des maßgeblichen Orts.
Gerade bei komplexen Reiserouten mit mehreren Ländern lohnt sich eine saubere Reisedokumentation (Reiseplan, Flugzeiten, Hotelbuchungen).
Die Übersicht der Auslandsreisepauschalen enthält auch Pauschbeträge für Übernachtungskosten – aber:
Die Übernachtungspauschalen dürfen steuerlich nur genutzt werden, wenn der Arbeitgeber erstattet. → Anwendung im Lohnsteuerabzug (R 9.7 Abs. 3 LStR).
Für den Werbungskostenabzug von Arbeitnehmern bzw. den Betriebsausgabenabzug bei Selbstständigen gilt: Es sind ausschließlich die tatsächlichen Übernachtungskosten abziehbar.
Das bedeutet:
Arbeitnehmer mit Arbeitgebererstattung können von den Übernachtungspauschalen profitieren (vereinfachte Abrechnung, keine Einzelnachweise nötig, solange die Pauschale nicht überschritten wird).
Selbstständige, Freiberufler und Unternehmer müssen bei der eigenen Steuererklärung die Hotelrechnungen vorlegen und können nicht auf die Auslands-Übernachtungspauschalen „umschalten“.
5. Besondere Länderregelungen und nicht erfasste Staaten
Das BMF-Schreiben enthält – wie in den Vorjahren – Sonderregelungen für bestimmte Staaten und Regionen, z. B.:
Die für die Philippinen festgesetzten Beträge gelten auch für Mikronesien.
Die Beträge für Trinidad und Tobago gelten auch für verschiedene karibische Staaten im Amtsbezirk (u. a. Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, St. Lucia, Suriname usw.).
Für Länder, die in der Übersicht nicht ausdrücklich genannt sind, gilt:
Nicht erfasstes Land → Pauschbeträge wie für Luxemburg
Nicht erfasstes Übersee- oder Außengebiet → Pauschbeträge des Mutterlands
So stellen Sie sicher, dass Sie auch bei exotischen Destinationen einen sachgerechten Pauschalansatz wählen.
6. Doppelte Haushaltsführung im Ausland
Das neue BMF-Schreiben gilt – wie die Vorgänger – entsprechend für doppelte Haushaltsführungen im Ausland.
Das bedeutet:
Für Verpflegungsmehraufwand bei beruflich veranlasster doppelter Haushaltsführung im Ausland gelten die Auslands-Pauschbeträge des BMF.
Für Unterkunftskosten (Miete/Hotel am Beschäftigungsort) sind bei der doppelten Haushaltsführung die speziellen Regeln der LStR und EStR zu beachten; Übernachtungspauschalen gelten auch hier grundsätzlich nur im Rahmen der Arbeitgebererstattung.
Gerade bei langfristigen Entsendungen oder Projekten im Ausland sollte die Gestaltung im Vorfeld abgestimmt werden (Entsendevertrag, Kostenübernahme, Pauschalen vs. tatsächliche Aufwendungen).
7. Praxistipps für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Selbstständige
7.1 Für Arbeitgeber
Reiserichtlinien aktualisieren: Ab 01.01.2026 sollten Sie interne Reisekostenrichtlinien an die neuen Auslands-Pauschbeträge anpassen.
Lohnabrechnung anpassen: Lohnbüro / Lohnsoftware auf neue Pauschalen umstellen (Exporte aus BMF-Tabellen einspielen).
Reisedaten notieren: Für jeden Tag: Abreisezeit, Ankunftsort, Tätigkeitsort, gestellte Mahlzeiten.
Bescheinigungen aufbewahren: Hotelrechnungen, Einladungen, Seminarprogramme etc. gehören in die Reisekostenakte.
Steuererklärung nutzen: Nicht oder nicht vollständig erstattete Reisekosten können als Werbungskosten geltend gemacht werden.
7.3 Für Selbstständige und Freiberufler
Verpflegungspauschalen voll nutzen: Für Auslandsreisen können Sie die entsprechenden Pauschbeträge wie Arbeitnehmer ansetzen.
Übernachtung immer mit Beleg: Für den Betriebsausgabenabzug zählen nur die tatsächlichen Übernachtungskosten.
Auch bei kurzen Reisen lohnt sich der Ansatz: Bereits ab über 8 Stunden Abwesenheit können Pauschalen angesetzt werden (Inland/ Ausland beachten).
Ab dem 1. Januar 2026 gelten neue Auslandsreisepauschalen für Verpflegung und Arbeitgeber-Übernachtungserstattungen. Die Grundmechanik bleibt gleich, aber:
8. Fazit: Reisekosten im Ausland bleiben pauschal – aber die Details zählen
Pauschbeträge ändern sich regelmäßig – eine aktuelle Tabelle ist Pflicht.
Bei mehreren Ländern pro Tag zählt immer nur eine – die höhere – Verpflegungspauschale.
Die Kürzung bei gestellten Mahlzeiten erfolgt immer anhand des vollen Tagespauschbetrags am maßgeblichen Ort.
Übernachtungspauschalen sind ein Arbeitgeber-Thema; für die eigene Steuererklärung zählen tatsächliche Kosten.
Wenn Sie regelmäßig Auslandsdienstreisen durchführen oder als Arbeitgeber Reisekosten erstatten, lohnt sich eine kurze Überprüfung Ihrer bisherigen Praxis – insbesondere zum Jahreswechsel 2025/2026.
Checkliste: Reisekosten bei Auslandsdienstreisen ab 1. Januar 2026
Diese Checkliste können Sie Mandanten, Arbeitnehmern und Mitarbeitern im Reisekostenmanagement zur Verfügung stellen.
1. Vor der Reise
Reiseauftrag / Genehmigung
Schriftliche Anordnung der Auswärtstätigkeit vorhanden
Zielstaat / Einsatzorte / Projekt eindeutig benannt
Der digitale Steuerbescheid sollte ursprünglich bereits ab dem 1. Januar 2026 verpflichtender Regelfall werden. Kurz vor Jahreswechsel wurde jedoch nachjustiert: Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) meldet, dass zentrale Regelungen zur elektronischen Bekanntgabe erneut verschoben bzw. präzisiert wurden.
1. Digitale Bekanntgabe nicht wie geplant ab 2026 verpflichtend
Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) sollte die elektronische Bekanntgabe ab 2026 zum Standard werden. Nach neuer Beschlusslage gilt jedoch:
Die verbindliche Anwendung der neuen Bekanntgaberegelung wird auf den 01.01.2027 verschoben.
Bis dahin steht es weiterhin im Ermessen des Finanzamts, ob der Bescheid digital oder postalisch erfolgt.
2. Einwilligung bleibt auch 2026 möglich
Wichtig für Berater und Steuerpflichtige:
Die Einwilligung in die digitale Bekanntgabe über Vollmachtsdatenbank (VDB) oder ELSTER ist auch ab 2026 weiterhin möglich.
Das BMF bestätigte, dass diese Einwilligung von der Finanzverwaltung weiterhin berücksichtigt wird.
3. Antrag auf Papierbescheide erst ab 2027 notwendig
Abweichend von ursprünglichen Entwürfen:
Erst ab 2027 muss aktiv ein Antrag gestellt werden, wenn ein Steuerpflichtiger weiterhin postalische Bescheide erhalten möchte.
Eine elektronische Antragserfassung wird im Laufe des Jahres 2026 bereitgestellt.
4. Was bedeutet das für Berater in der Praxis?
Jahr
Form der Bekanntgabe
Erforderliches Handeln
2026
digital oder postalisch
keine Antragspflicht, Einwilligung weiterhin möglich
ab 2027
Standard: digital
Antrag nötig, wenn Papierform gewünscht
5. Bewertung und Ausblick
Der DStV begrüßt die Klarstellung des BMF ausdrücklich.
Grund: Es bestand die Sorge, dass Berater ab 2026 keine Möglichkeit mehr hätten, aktiv eine digitale Bescheidübermittlung auszulösen. Nun steht fest: Die Digitalisierung kommt – aber mit planbarer Übergangszeit.
Der digitale Steuerbescheid bleibt damit auch 2026 Ausbauprojekt, nicht Verpflichtung. Die Finanzverwaltung erhält Zeit für technische Stabilität und flächendeckende Umsetzung.
Fazit
Die digitale Bekanntgabe bleibt freiwillig, aber nutzbar.
Der verpflichtende Schritt erfolgt erst ab 2027.
Die technische Umsetzung (insbesondere Antragsplattform für Papierbescheide) folgt in 2026.
Die Entwicklung ist aus Sicht der Beraterschaft zu begrüßen: Sie verhindert Umsetzungsdruck bei laufenden Deklarationsprozessen und schafft Rechtssicherheit, bevor die Pflicht greift.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 24. November 2025 (Az. IV C 1 – S 1980/00206/032/046) erneut Anpassungen zum Investmentsteuergesetz (InvStG) in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung bekanntgegeben. Das Schreiben erfolgt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder und wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Bereits seit der Reform des Investmentsteuerrechts zum 1. Januar 2018 bestehen fortlaufend Auslegungs- und Anpassungserfordernisse. Das zentrale Anwendungsschreiben vom 21. Mai 2019 wurde daher mehrfach geändert – zuletzt durch BMF-Schreiben vom 18. November 2024. Mit dem aktuellen Schreiben vom 24. November 2025 erfolgen erneut fachliche Präzisierungen sowie Klarstellungen zur steuerlichen Behandlung von Investmentfonds, Publikumsfonds und Spezialfonds.
Was wird konkret angepasst?
Das BMF nimmt insbesondere Bezug auf:
laufende Abstimmungen mit den Landesfinanzverwaltungen
Auslegungsfragen im Hinblick auf die praktische Anwendung des InvStG
die fortlaufende Anpassung an Kapitalmarktentwicklungen und steuerliche Praxisfälle
dokumentations- und nachweisbezogene Anforderungen gegenüber Finanzämtern
Konkrete inhaltliche Änderungen werde im BStBl veröffentlicht – das Schreiben selbst ist auf der Homepage des BMF abrufbar.
Bedeutung für die Praxis
Die fortlaufenden Präzisierungen zeigen:
Investmentsteuerrecht bleibt ein dynamischer Regelungsbereich.
Steuerpflichtige mit Kapitalanlageprodukten in Fondsstrukturen müssen regelmäßig prüfen, ob Änderungen Auswirkungen auf Steuerreporting, Erträgnisaufstellung und Verlustverrechnungsmechanismen haben.
Vermögensverwalter, Fondsanbieter und steuerliche Berater sind gehalten, die Neuerungen zeitnah in Reporting- und Deklarationsprozesse zu integrieren.
Empfehlung für Berater und Anleger
Änderungen in Reporting-Tools und Fondsdokumentationen prüfen.
Jahressteuerbescheinigungen und Erträgnisaufstellungen auf geänderte Ausweisregeln kontrollieren.
Bei Spezialfonds: neue Nachweis- und Dokumentationspflichten im Blick behalten.
Mit Kapitalverwaltungsgesellschaften Abstimmung über technische Umsetzung und Datenbereitstellung führen.
Zeitnah prüfen, ob Anpassungsbedarf in der steuerlichen Verlustverrechnung (insbesondere Teilfreistellung, Aktienfondsdefinition, Immobilienfondsinformationen) besteht.
Fazit
Mit dem Schreiben vom 24. November 2025 setzt das BMF seine laufende Aktualisierung der Anwendungshinweise zum Investmentsteuerrecht fort. Die Änderungen sind relevant für alle, die mit Investmentfonds, Spezialfonds oder Publikumsfonds steuerlich befasst sind.
Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin