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Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 19.3.2013, III S 9/12 (PKH)

Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde

Tatbestand

1
I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) unterhielt in den Streitjahren 2006 bis 2008 eine Gaststätte. Umstritten ist, ob die Klägerin diese Gaststätte –im Wege einer Personengesellschaft– zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Zeugen K, betrieb. Sie ermittelte den Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung (EStG). Im Jahr 2010 fand bei der Klägerin für die Streitjahre eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass Aufzeichnungspflichten verletzt worden seien. Es kam u.a. in allen Streitjahren zur Zuschätzung von Betriebseinnahmen.
2
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) erließ daraufhin gegenüber der Klägerin geänderte Bescheide über die Einkommensteuer für 2006 bis 2008, die Umsatzsteuer für 2006 bis 2008 und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 und 2008. Die Einsprüche waren zum Teil erfolgreich. Das FA verringerte in allen Streitjahren die erfolgten Zuschätzungen.
3
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Zuschätzung der Betriebseinnahmen sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die angegriffenen Steuerbescheide erwiesen sich auch im Übrigen als rechtmäßig. Schließlich könne der Behauptung der Klägerin, sie habe die Gaststätte im Rahmen einer Mitunternehmerschaft mit dem Zeugen K geführt, nicht gefolgt werden. Ein konkludent abgeschlossener Gesellschaftsvertrag liege nicht vor.
4
Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihren bereits im erstinstanzlichen Verfahren tätigen Prozessbevollmächtigten, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Az.: III B 92/12) ein. Zugleich beantragte sie, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihr ihren Prozessbevollmächtigten als Vertreter beizuordnen. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde nachgereicht.

Entscheidungsgründe

5
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO– i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung –ZPO–).
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1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Ist, wie im Streitfall, das Ziel der Rechtsverfolgung die Zulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil und hat der Beteiligte bereits durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Vertretung berechtigte Person als Bevollmächtigten fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese auch fristgerecht begründet, erstreckt sich die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten durch den BFH darauf, ob in der Beschwerde(begründungs-)schrift ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ordnungsgemäß dargelegt ist (BFH-Beschlüsse vom 1. April 2003 VII S 25/02 (PKH), BFH/NV 2003, 1077; vom 10. März 2005 X S 7/04 (PKH), juris).
7
2. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat die von ihr gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) bei summarischer Prüfung nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt.
8
a) Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel einen Verstoß des FG gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) rügt, weil es nicht von Amts wegen ermittelt habe, ob ein Gesellschaftsvertrag konkludent abgeschlossen worden sei, ist dieser Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
9
aa) Hierzu wäre unter anderem aufzuzeigen gewesen, aus welchen Gründen sich dem FG unter Zugrundelegung seines Rechtsstandpunkts eine weitere Sachaufklärung oder Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Klägerin hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweiserhebung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 59/04, BFH/NV 2007, 1838, m.w.N.).
10
bb) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin führt zwar aus, dass es aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Zeugenaussage des K, wonach er (K) alles gemacht habe, was der Betrieb einer Gaststätte mit sich bringe (z.B. Wareneinkauf, Kontakt mit dem Buchführungshelfer), nahegelegen hätte, die Frage eines konkludent abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages weiter zu prüfen. Sie hat jedoch nicht vorgetragen, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts voraussichtlich ergeben hätten. Eine Person, die Mitunternehmer ist, erfüllt zwar regelmäßig auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses (BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BFHE 173, 28, BStBl II 1994, 282). Mitunternehmer i.S. des § 15 EStG ist aber nur, wer Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Auch wenn beide Merkmale im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können, müssen doch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (BFH-Urteil vom 17. Mai 2006 VIII R 21/04, BFH/NV 2006, 1839). Danach hätte die Klägerin konkrete weitere Tatsachen benennen müssen, aus deren Vorliegen auf das Vorhandensein der genannten Merkmale, insbesondere eines von K getragenen Mitunternehmerrisikos, hätte geschlossen werden können. Dies ist nicht geschehen.
11
Daneben fehlt jeglicher Vortrag dazu, dass die nicht aufgeklärten Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG für die Ablehnung der Mitunternehmerschaft entscheidungserheblich waren.
12
b) Soweit die Klägerin behauptet, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) dadurch verletzt, dass es in der mündlichen Verhandlung nach erfolgter Beweisaufnahme die Frage, ob ein Gesellschaftsvertrag konkludent abgeschlossen worden sei, nicht erörtert habe, ist auch diese Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß erhoben.
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aa) Wird die Gehörsverletzung, wie im Streitfall, mit einer im Rahmen der mündlichen Verhandlung unterlassenen Erörterung (§ 93 Abs. 1 FGO) begründet, gehört zur ordnungsgemäßen Rüge der Vortrag, dass die Verletzung entscheidungserhebliche Umstände betraf, die ihrerseits erörterungsbedürftig waren (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 299). Zusätzlich ist regelmäßig darzulegen, dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt worden oder dass und weshalb dem Beteiligten eine derartige Rüge vor dem FG nicht möglich gewesen ist. Anderenfalls geht das Rügerecht nach § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO verloren (z.B. BFH-Beschluss vom 26. Januar 1994 II B 29/93, BFH/NV 1994, 730).
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bb) Hieran fehlt es in der Beschwerdebegründung. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, dass das Vorliegen eines konkludent abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages nach der Zeugeneinvernahme des K noch erörterungsbedürftig gewesen ist. Ebenso führt sie nicht aus, dass sie die aus ihrer Sicht in diesem Punkt fehlende Erörterung in der Vorinstanz gerügt hat oder dass und weshalb ihr eine derartige Rüge vor dem FG nicht möglich gewesen ist. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die Klägerin von der Würdigung des FG, wonach im Streitfall keine Mitunternehmerschaft vorgelegen habe, durch die Ausführungen im Urteil überrascht worden ist.
15
3. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Voraussetzungen für die Darlegung von Verfahrensmängeln – rechtliches Gehör – Überraschungsentscheidung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 25.3.2013, IX B 180/12

Voraussetzungen für die Darlegung von Verfahrensmängeln – rechtliches Gehör – Überraschungsentscheidung

Gründe

1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
2
1. So kann die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit ihrer Rüge, das Finanzgericht (FG) habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt und angebotene Beweise zu Unrecht nicht erhoben, schon deshalb nicht gehört werden, weil die insoweit einschlägige Norm des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung die Prozessbeteiligten –ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge– verzichten können (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung –ZPO–). Aus dem insoweit maßgeblichen Sitzungsprotokoll (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4, § 164 ZPO) ergibt sich nicht, dass das Übergehen von Beweisanträgen gerügt worden ist, obwohl das Gericht darauf hingewiesen hat, dass es „beabsichtige, sein Urteil ohne weiteren Termin zu fällen“; vielmehr hat die Klägerin lediglich weiteren Sachvortrag angekündigt. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Protokollierung einer entsprechenden Rüge verlangt und –im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen– eine Protokollberichtigung beantragt worden ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. November 1999 II B 14/99, BFH/NV 2000, 582, m.w.N.). Unbeschadet davon lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, weshalb sich dem FG auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen Standpunktes eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne entsprechende Beweisanträge hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).
3
2. Die Klägerin macht auch zu Unrecht geltend, das FG habe eine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO und § 76 Abs. 2 FGO). Eine solche Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (BFH-Beschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Danach liegt im Streitfall keine Überraschungsentscheidung vor; denn die Frage des fehlenden Nachweises der Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Objekts X ist vom FG nicht erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht worden, sondern war zum einen schon Gegenstand der gerichtlichen Verfügung vom 3. Januar 2011, mit der das Gericht die Klägerin gemäß § 79b Abs. 2 FGO aufgefordert hat, „die Vermietungsabsicht glaubhaft zu machen“ und wurde zum anderen ausführlich in der mündlichen Verhandlung thematisiert.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 3.4.2013, V R 24/12

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich mit der Revision gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 9. August 2012 5 K 5226/10, das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. August 2012 zugestellt worden ist.
2
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2012, zugestellt am 5. November 2012, wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats darauf hin, dass die Revisionsbegründungsfrist am 22. Oktober 2012 abgelaufen sei, eine Begründung der Revision bisher aber nicht vorliege.
3
In der am 15. November 2012 eingegangenen Revisionsbegründung beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revisionsbegründungsfrist sei aufgrund eines von der Klägerin nicht zu vertretenen Büroversehens versäumt worden. Der für die Wahrung der Fristen zuständige Mitarbeiter S, ein ausgebildeter Steuerfachangestellter, habe bei Eingang des Urteils des FG nur die Frist für die Revisionseinlegung, nicht aber für die Revisionsbegründung in das Fristenkontrollbuch eingetragen. S sei ausführlich über die einzutragenden Fristen belehrt worden und erledige diese Aufgabe üblicherweise auch sehr gewissenhaft. Zudem erfolge eine Kontrolle der Fristen bei Bearbeitung durch den Sachbearbeiter. Darüber hinaus prüfe die Prozessbevollmächtigte in regelmäßigen Abständen das Fristenkontrollbuch hinsichtlich der dort getätigten Eintragungen, nicht aber hinsichtlich der nicht getätigten Eintragungen.
4
Zur Glaubhaftmachung des Vortrages hat die Prozessbevollmächtigte die Ablichtung einer Seite ihres Postausgangsbuchs und die eidesstattliche Versicherung des S, mehrfach über die Berechnung und Bedeutung der Fristen belehrt worden zu sein, vorgelegt.
5
Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Revisionsbegründungsfrist das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. August 2011 zu ändern.

6
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1 Satz 2, 126 Abs. 1 FGO).
8
1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Im Streitfall ist diese Frist nach § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am Montag, dem 22. Oktober 2012, abgelaufen. Die erst am 15. November 2012 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Revisionsbegründung der Klägerin war mithin verspätet, da die Revisionsbegründungsfrist nicht verlängert worden war (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO).
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2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist der Klägerin nicht zu gewähren.
10
a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO) die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 8. Juli 2011 III B 7/10, BFH/NV 2011, 1895, und vom 8. Februar 2008 X B 95/07, BFH/NV 2008, 969). Hiernach schließt jedes Verschulden –also auch einfache Fahrlässigkeit– die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
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b) Im Streitfall scheitert die Wiedereinsetzung daran, dass die Prozessbevollmächtigte die vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat.
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aa) Wenn –wie im Streitfall– Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt wird, muss spätestens innerhalb von einem Monat nach dem Wegfall des Hindernisses substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen werden, wie die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten überwacht werden, wer für den rechtzeitigen Versand der fristwahrenden Schriftsätze verantwortlich war und weshalb diese Person kein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft. Es ist insbesondere darzulegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die geeignet sind, die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 969, m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass die Revisionsbegründungsfrist nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehört (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 969, m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte ist daher bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer Sorgfalt verpflichtet (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 969, und vom 29. Oktober 1999 VI R 36/99, BFH/NV 2000, 470; BFH-Zwischenurteil vom 14. März 2000 IX R 57/99, BFH/NV 2000, 1210).
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bb) Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin genügt nicht den genannten Anforderungen zur Feststellung der ordnungsgemäßen Überwachung der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist. Insoweit fehlt die Darstellung, ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Überwachung des Personals im Hinblick auf die gesonderte Eintragung der Revisionsbegründungsfristen durch die Prozessbevollmächtigte erfolgte. Die Prozessbevollmächtigte trägt vielmehr vor, dass sie selbst in regelmäßigen Abständen das Fristenkontrollbuch zwar hinsichtlich der dort getätigten Eintragungen prüfe, nicht jedoch hinsichtlich der nicht getätigten Eintragungen. Eine Überwachung der Eintragung der Revisionsbegründungsfristen wird hierdurch nicht gewährleistet. Zu den besonderen Sorgfaltspflichten der Prozessbevollmächtigten gehört es auch, z.B. durch eine –stichprobenhafte– Kontrolle im Rahmen der Bearbeitung der Schriftsätze, mit denen die Revision eingelegt wird, zu prüfen, ob Revisionsbegründungsfristen eingetragen worden sind.
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Dem Senat ist es daher aus diesem Grunde nicht möglich, das Fehlen eines Organisationsmangels bei der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist festzustellen.
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cc) Soweit die Prozessbevollmächtigte im Schriftsatz vom 31. Januar 2013 vorträgt, sie habe S am 24. August 2012 explizit angewiesen, die Fristen in das Fristenkontrollbuch einzutragen, ist dieser Vortrag verspätet. Die mit Zustellung des Schreibens der Geschäftsstelle am 5. November 2012 in Gang gesetzte Wiedereinsetzungsfrist war zu diesem Zeitpunkt gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bereits abgelaufen. Darüber hinaus fehlt eine Glaubhaftmachung dieses Sachverhalts z.B. durch eine eidesstattliche Versicherung des Angestellten S (vgl. z.B. vom 18. Januar 2007 III R 65/05, BFH/NV 2007, 945).

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung während des Klageverfahrens

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.3.2013, VII B 201/12

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung während des Klageverfahrens

Tatbestand

1
I. Gegen die Aufforderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt –HZA–) zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hatte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nach vergeblichem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens gab sie die eidesstattliche Versicherung in einem anderen Zusammenhang bei einem Amtsgericht (AG) ab.
2
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es sah die Voraussetzungen des § 284 der Abgabenordnung (AO) als gegeben an. Auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor dem AG während des Klageverfahrens ändere nichts an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung des HZA. § 284 Abs. 4 Satz 1 AO habe ihr nicht entgegengestanden, da die Klägerin in den letzten drei Jahren vor Ergehen der Einspruchsentscheidung keine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Für die gerichtliche Überprüfung dieser Ermessensentscheidung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend.
3
Ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet die Klägerin u.a. mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob das FG eine während des Verfahrens abgegebene eidesstattliche Versicherung zu berücksichtigen habe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist –bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit– jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), denn sie ist bereits geklärt. Eine im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens abgegebene eidesstattliche Versicherung kann die Aufhebung der Anordnung nicht rechtfertigen, da das Gericht bei der Überprüfung der Anordnung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen hat.
5
Die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist entgegen der Auffassung der Klägerin eine Ermessensentscheidung (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. November 2007 VII B 109/07, BFH/NV 2008, 336). Wie der Senat bereits entschieden hat, sind für die gerichtliche Überprüfung dieser behördlichen Ermessensentscheidung die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung auch dann maßgebend, wenn –wie im Streitfall– die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht vollzogen ist. Dem Betroffenen ist bei veränderter Sachlage zuzumuten, ein neues Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen und wegen evtl. veränderter Verhältnisse die Aufhebung des im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßigen Verwaltungsaktes gemäß § 131 Abs. 1 AO zu beantragen (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2009 VII B 204/08, BFH/NV 2009, 1780).
6
Die Klägerin hat –abgesehen davon, dass sie diese Auffassung nicht teilt– keinen erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarf dargelegt.

Einkommensteuer | Grundstückshandel auch bei angedrohter Versteigerung durch Finanzamt (BFH)

Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerungen zur Vermeidung einer Zwangsversteigerung

 Leitsatz

1. Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die Veräußerung von Immobilien sind für die Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel oder zur Vermögensverwaltung unerheblich. Dies gilt auch für wirtschaftliche Zwänge wie z.B. die Ankündigung von Zwangsmaßnahmen durch einen Grundpfandgläubiger.

2. Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der —ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf— den Schluss auf die innere Tatsache des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks in bedingter Veräußerungsabsicht zulässt. Ihre Geltungskraft kann im Einzelfall durch den Nachweis eines atypischen Sachverhaltsverlaufs erschüttert werden. Dafür kommen indes grundsätzlich weder die Gründe der Veräußerung noch Absichtserklärungen in Betracht, sondern vornehmlich Gestaltungen des Steuerpflichtigen in zeitlicher Nähe zum Erwerb, die eine Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder unwirtschaftlicher machen.

 Gesetze

EStG § 15 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1

 Instanzenzug

FG Münster vom 11. März 2011 14 K 991/05 G (EFG 2011, 1254)

 Gründe

I.

1  Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1996 bis 1998 Allein- und Miteigentümer zahlreicher Grundstücke. Darüber hinaus war er an einer u.a. auf dem Gebiet des Handels mit Industriegütern und Kraftfahrzeugen tätigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt.

2  Aufgrund von Steuerschulden in Millionenhöhe infolge einer die Vorjahre betreffenden kombinierten Steuerfahndungs- und Betriebsprüfung hatte das Finanzamt L (FA L) 1997 im Arrestwege die im Alleineigentum des Klägers stehenden Grundstücke O, erworben im Jahr 1988, M, erworben im Jahr 1995, unbebaut, B, erworben im Jahr 1995, K, erworben im Jahr 1997 und H, erworben im Jahr 1997 sowie weitere im Miteigentum des Klägers und seiner Ehefrau stehende Grundstücke mit Sicherungshypotheken belastet.

3  Nachdem für die den Arrestanordnungen zugrunde liegenden Abgabenansprüche Steuerbescheide ergangen waren, beschied das FA L den Kläger und dessen Ehefrau am 30. Januar 1998, dass es in einer Woche die Verwertung der Sicherheiten einleiten werde. Zu einer Zwangsversteigerung der Objekte kam es aber nicht, weil das FA L dem Kläger und seiner Ehefrau einen freihändigen Verkauf dieser Grundstücke gestattete.

4  Im weiteren Verlauf des Streitjahres 1998 veräußerten der Kläger bzw. der Kläger und seine Ehefrau daraufhin die genannten Grundstücke. Dabei wurden folgende Verkaufspreise erzielt:

5

 

  Grundstück   Ursprünglicher Kaufpreis (DM)   Erzielter Kaufpreis (DM)
  O

  350.000

  798.000

  M

  52.000

  100.000

  B

  275.000

  350.000

  K

  300.000

  650.000

  H

  600.000

  1.300.000

 

6  Daneben veräußerten der Kläger bzw. der Kläger und seine Ehefrau im Jahr 1998 auch noch weitere Grundstücke.

7  In den Jahren 2000 und 2001 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eine Außenprüfung bei dem Kläger und dessen Ehefrau sowie einer aus beiden bestehenden Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts durch.

8  Aufgrund seiner während der Prüfungen getroffenen Feststellungen gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der Kläger und seine Ehefrau zum einen jeweils persönlich, zum anderen aber auch gemeinsam einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hätten. Zu dem Betriebsvermögen des von dem Kläger persönlich betriebenen gewerblichen Grundstückshandels hätten die Grundstücke M, O, B, K und H gehört. Darüber hinaus gelangte der Prüfer zur Annahme nicht erklärter Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen sowie ungeklärter Vermögenszuwächse.

9  Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) übernahm die Ansätze des Prüfers und setzte u.a. für die Streitjahre 1996, 1997 und 1998 Gewerbesteuermessbeträge gegen den Kläger fest.

10  Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA setzte die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre mit seiner Einspruchsentscheidung herauf, nachdem es den Kläger zuvor auf die Möglichkeit einer Verböserung hingewiesen hatte, und zwar für 1996 auf 5.192,57 € (= 10.155 DM), für 1997 auf 4.069,88 € (= 7.960 DM) und für 1998 auf 31.316,63 € (= 61.250 DM). Dabei ging es weiterhin davon aus, dass der Kläger 1995 einen gewerblichen Grundstückshandel aufgenommen habe und dass zu dem Betriebsvermögen dieses Grundstückshandels die Grundstücke M, B, K und H jeweils bereits ab dem Zeitpunkt ihres Erwerbs gehört hätten, während das Grundstück O erst mit dem Beginn des Grundstückshandels dem Betriebsvermögen zum Teilwert zugeführt worden sei, der mit dem ursprünglichen Kaufpreis abzüglich der in Anspruch genommenen AfA-Beträge geschätzt wurde.

11  Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1254 ). Es entschied, der Kläger habe die Grenze der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten und daher keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Anhaltspunkte für eine bereits bei Erwerb der später veräußerten Grundstücke bzw. Miteigentumsanteile vorhandene unbedingte Veräußerungsabsicht des Klägers seien nicht vorhanden. Daher sei maßgeblich, ob er innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Objekte angeschafft und veräußert habe. Einbezogen werden könnten nur das vom Kläger 1995 erworbene und 1998 veräußerte unbebaute Grundstück M sowie die versuchte Veräußerung des 1991 vom Kläger und seiner Ehefrau zu hälftigem Miteigentum erworbenen Grundstücks S. Die vier Grundstücke O, B, K und H seien dagegen   nicht mitzuzählen, da der Kläger sich der Veräußerung dieser Grundstücke aufgrund der zwangsweise eingetragenen Sicherungshypotheken und deren angedrohter Verwertung ohne Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile nicht habe entziehen können.

12  Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

13  Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14  Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

15  Die Revision ist begründet, sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG.

16  1. Das FG hat die Verkäufe der Grundstücke B, K und H durch den Kläger zu Unrecht als private Vermögensverwaltung angesehen und daher das Vorliegen der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels verneint.

17  a) Nach § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes , § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Tätigkeit anzusehen ist. Außerdem müssen durch die Tätigkeit die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten werden. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und der nicht steuerbaren Sphäre ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86 , BStBl II 1995, 617; vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240 , BStBl II 2002, 291; Senatsbeschluss vom 15. März 2012 III R 30/10, BStBl II 2012, 661).

18  Eine private Vermögensverwaltung wird ausgeübt, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtungen nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann dagegen im Regelfall ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf, d.h. von etwa fünf Jahren, mindestens vier Objekte veräußert werden, weil die äußeren Umstände dann den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (Senatsurteil vom 17. Dezember 2009 III R 101/06, BFHE 228, 65 , BStBl II 2010, 541).

19  Der Kläger hat im Verlauf des Streitjahres 1998 u.a. die beiden im Jahr 1995 erworbenen Grundstücke M und B sowie die beiden 1997 erworbenen Grundstücke K und H veräußert und bereits damit die objektiven Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels erfüllt. Ob das FA darüber hinaus auch das Grundstück O zu Recht in den einzelunternehmerischen Grundstückshandel einbezogen hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

20  b) Die durch die Verkäufe indizierte Annahme, dass der Kläger bereits beim Erwerb der Grundstücke mit bedingter Veräußerungsabsicht handelte, ist entgegen der Ansicht des FG nicht widerlegt.

21  aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH steht der Annahme einer bedingten Veräußerungsabsicht grundsätzlich nicht entgegen, dass die ursprüngliche Vermietungsabsicht aufgegeben und das Objekt aufgrund wichtiger und ungewollter Gründe verkauft wird. Denn die konkreten Anlässe und Beweggründe für den Verkauf —z.B. Ehescheidung, Finanzierungsschwierigkeiten, Krankheit, Gefälligkeit gegenüber Mandanten, ein unerwartet hohes Kaufangebot— sagen im Allgemeinen nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und insofern von Anfang an eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht gehabt hatte (vgl. die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 228, 65 , BStBl II 2010, 541). Nichts anderes gilt für den sich im Streitfall aus der Ankündigung der Zwangsversteigerung durch das FA L ergebenden Druck.

22  bb) Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der —ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf— den Schluss auf die innere Tatsache des Erwerbs (bzw. der Bebauung oder Erschließung) des jeweiligen Grundstücks in bedingter Veräußerungsabsicht zulässt, und nicht einer unwiderleglichen Vermutung, die eine Rechtfertigungsgrundlage im materiellen Recht erfordern würde. Ihre Geltungskraft kann daher im Einzelfall durch den Nachweis eines atypischen Sachverhaltsverlaufs erschüttert werden.

23  Dafür kommen indes die persönlichen oder finanziellen Beweggründe der Veräußerung nicht in Betracht, da es sich hierbei regelmäßig um nachträgliche Ereignisse handelt, die keinen Hinweis darauf geben können, ob ohne bedingte Veräußerungsabsicht gekauft (bzw. gebaut oder erschlossen) worden ist. Ungeeignet sind grundsätzlich auch Bekundungen des Steuerpflichtigen; dessen Behauptung, er wolle seine Immobilie lange halten, widerlegen die bedingte Veräußerungsabsicht ebenso wenig, wie ein gewerblicher Grundstückshandel durch eine bloße Absichtserklärung begründet werden kann. Die durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indizierte innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs bzw. des Beginns der Bebauung oder der Erschließung kann danach —wie der Senat bereits mit Urteil in BFHE 228, 65 , BStBl II 2010, 541 entschieden hat (zustimmend BFH-Beschluss vom 17. August 2011 X B 225/10 , BFH/NV 2011, 2083 )— vornehmlich durch Gestaltungen des Steuerpflichtigen widerlegt werden, die in zeitlicher Nähe zum Erwerb (bzw. zur Bebauung oder Erschließung) stehen und eine Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder unwirtschaftlicher machen. Dies kann z.B. eine langfristige Finanzierung oder eine langfristige Vermietung bzw. Verpachtung sein, wenn diese sich im Falle einer Veräußerung voraussichtlich ungünstig auswirken oder zusätzliche finanzielle Belastungen auslösen würde (z.B. durch eine Vorfälligkeitsentschädigung bei Darlehensablösung, vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Januar 2009 X R 35/07 , BFH/NV 2009, 1249 , oder die Inkaufnahme einer durch die Vermietung bedingten Wertminderung), oder die Einräumung von Nießbrauchsrechten, wodurch eine Verfügung über das Grundstück erschwert würde (BFH-Urteil vom 7. November 1990 X R 170/87 , nicht veröffentlicht). Derartige Indizien hat das FG indessen nicht festgestellt.

24  cc) Die Auffassung des FG, die Annahme einer bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs könne durch den Anlass der Veräußerung —hier die Vermeidung der Zwangsversteigerung— widerlegt werden, widerspricht somit der Rechtsprechung des BFH. Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger —was das FG in Betracht gezogen hat— das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken durch die Sicherungshypotheken verloren hat.

25  2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da die Feststellungen des FG nicht ausreichen, um über die Höhe der Gewerbesteuermessbeträge entscheiden zu können.

Umsatzsteuer | Behandlung sog. Spar-Menüs eines Schnellrestaurantbetreibers (BFH)

Aufteilung eines Gesamtkaufpreises

 Leitsatz

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Aufteilung eines Gesamtkaufpreises nach der „einfachstmöglichen” Aufteilungsmethode zu erfolgen hat. Liefert der Unternehmer die im Rahmen eines Gesamtkaufpreises gelieferten Gegenstände auch einzeln, ist der Gesamtkaufpreis grundsätzlich nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise aufzuteilen.

 Gesetze

UStG § 10
FGO § 69

 Instanzenzug

Schleswig-Holsteinisches FG vom 4. Oktober 2012 4 V 30/11 (EFG 2013, 172)

 Gründe

I.

1  Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt als Franchisenehmer einer Fast-Food-Kette mehrere Schnellrestaurants. Sie lieferte ihre Produkte —Speisen und Getränke— sowohl zum Verzehr innerhalb der Restaurants, als auch zum Verzehr außer Haus. Dabei lieferte sie auch sog. „Sparmenüs”, bei denen es sich um Produktzusammenstellungen handelte, die neben Speisen wie Sandwiches und Pommes-frites auch Getränke in verschiedenen Größen umfassten. Hierfür hatte der Kunde einen Pauschalpreis zu entrichten, der unter der Summe der Einzelveräußerungspreise der Menübestandteile lag. Für den Kunden war keine Aufschlüsselung der auf die einzelnen Bestandteile des Menüs entfallenen Preise erkennbar. Lediglich aus dem Kassenzettel war für den Kunden ersichtlich, dass ein Bestandteil des Pauschalpreises mit dem ermäßigten Steuersatz und einer mit dem Regelsteuersatz besteuert wurde.

2  Den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der Einzelpreise und dem Preis des „Sparmenüs” („Rabatt”) berücksichtigte die Antragstellerin ausschließlich bei dem —dem Regelsteuersatz unterliegenden— Getränk. Dies führte im Streitjahr 2002 dazu, dass bei einem sog. mittleren Menü der Preis für das Getränk, dessen Einzelverkaufspreis sich auf ca. 27 % der Summe aller Einzelverkaufspreise des „Sparmenüs” belief, im Rahmen des „Sparmenüs” dagegen nur noch ca. 12,6 % des Menüpreises ausmachte.

3  Grundlage hierfür war insbesondere ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 4. Oktober 2004 (auf eine Anfrage einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), wonach ”… bei der Lieferung von Menüs, die Getränke einschließen, im Rahmen von Außer-Haus-Verkäufen keine einheitlichen Leistungen vorliegen, sondern mehrere Lieferungen ausgeführt werden. Der jeweilige Unternehmer kann das Gesamtentgelt auf die einzelnen Lieferbestandteile aufteilen. Diese Aufteilung darf jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuersätze nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) erfolgen. Damit wird den Unternehmern keine bestimmte Art der Aufteilung des Preisnachlasses vorgeschrieben. Aufgrund der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken erscheint eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein, wenn die Preisbildung nicht missbräuchlich wird, d.h. das Entgelt kann nach Rabattgewährung noch als angemessen beurteilt werden. Die einzelnen Produkte, aus denen sich das Sparmenü zusammensetzt, können damit zwar unterschiedlich kalkuliert werden, für jedes Produkt des Sparmenüs muss jedoch ein angemessener Gewinnaufschlag verbleiben. Wird das Entgelt für das einzelne Produkt des Sparmenüs aufgrund eines zu geringen Gewinnaufschlags zu niedrig angesetzt, würde sich allerdings die Frage des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO stellen”.

4  Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) davon aus, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Kaufpreisaufteilung missbräuchlich sei. Die Entgelte seien nach Einzelproduktpreisen ins Verhältnis zu setzen. Daher sei der Menüpreis in dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Menükomponenten „linear” aufzuteilen und so die Bemessungsgrundlagen für die Besteuerung mit dem Regelsteuersatz (Getränk) einerseits und mit dem ermäßigten Steuersatz (Speisen) andererseits zu ermitteln. Das FA erließ am 8. November 2010 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2002 bis 2006.

5  Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Verfügung vom 13. Januar 2011 lehnte das FA den Antrag auf AdV der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ab.

6  Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte AdV-Antrag hatte keinen Erfolg. Mit dem in „Entscheidungen der Finanzgerichte” 2013, 172 veröffentlichten Beschluss entschied das FG, dass die Umsätze aus der Lieferung der sog. „Sparmenüs”, die zu einem Pauschalpreis angeboten wurden, als „Außer-Haus-Menüs” hinsichtlich der Speisen dem ermäßigten Steuersatz und hinsichtlich des Getränks dem Regelsteuersatz unterlägen. Es sei keine einheitliche Leistung, sondern eine Mehrheit von Leistungen gegeben, die jeweils eigenständig zu beurteilen seien. Der auf die Speisen und auf die Getränke entfallende Teil des Entgelts sei unter Anwendung der einfachst möglichen Berechnungsmethode zu ermitteln. Aus Gründen der Einfachheit und Transparenz bezüglich der Marktpreise sei es sachgerecht, grundsätzlich auf die jeweiligen Einzelveräußerungspreise der Menükomponenten abzustellen. Auf dieser Grundlage sei es unter geringem Ermittlungs- und Berechnungsaufwand auf einfache Weise möglich, das pauschale Entgelt für das Menü in dem Verhältnis, in welchem die Einzelveräußerungspreise der Komponenten zueinander stünden, sachgerecht aufzuteilen. Es bedürfe für diese Form der Ermittlung allein der Heranziehung der im jeweiligen Streitjahr angesetzten Verkaufspreise und des Menüpreises, so dass die Berechnung bei einem aus drei Komponenten bestehenden Menü und gleichbleibenden Verkaufspreisen leicht ermittelbar sei. Dabei entspreche es auch dem Erfordernis der Einfachheit, den Menüpreis im Verhältnis der bekannten Einzelverkaufspreise aufzuteilen und nicht etwa eine oder zwei Komponente(n) mit ihrem Einzelverkaufspreis anzusetzen und den Wert der anderen Komponenten aus der Differenz zwischen diesem Einzelverkaufspreis und dem Pauschalpreis zu ermitteln. Denn bei letzterer Vorgehensweise müsse zudem ein plausibler und sachgerechter Maßstab für die Frage gefunden werden, welche Komponente(n) als Ausgangsgröße(n) heranzuziehen wäre(n) und —wenn nur eine Komponente mit ihrem Einzelverkaufspreis herangezogen werde— wie sich der Restbetrag auf die verbleibenden Menübestandteile verteile. Diese Problematik stelle sich bei einer Aufteilung im Verhältnis der Einzelverkaufspreise nicht.

7  Die Wahl einer Methode auf der Grundlage tatsächlicher Kosten sei dagegen mit einem nicht nur einmaligen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand verbunden, sondern wäre bei unterjährig schwankenden Einkaufspreisen ggf. mehrfach anzupassen. Es müsste neben dem Ausgangswert des Einstandspreises zusätzlich die Streitfrage der jeweiligen Marge pro Menübestandteil geklärt werden, um zu einem konkreten Preis für die Einzelleistungen zu gelangen. Die Antragstellerin habe auch keine transparente, nachvollziehbare einheitliche Methode angewendet. Vielmehr schwankten die auf die Menübestandteile entfallenen Preise, Margen bzw. Aufschlagssätze je nach Art des Menüs und über die Streitjahre hinweg nach einem sich nicht erschließenden System. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Antragstellerin, dass lediglich beim Getränk hinreichend Spielraum für eine Rabattgewährung bestünde, und dass eine verhältnismäßige Rabattgewährung zu einem negativen Rohgewinnaufschlagsatz bei den Hamburgern führen könnte, griffen nicht durch. Denn der Rabatt werde ausschließlich auf das Gesamtpaket in seiner jeweiligen —unveränderbaren— Zusammenstellung gewährt. Ob das Anbieten eines solchen Leistungspakets zum jeweiligen Pauschalpreis unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sinnvoll sei, hänge davon ab, in welchem Verhältnis die gesamten Kosten aller Menübestandteile zum pauschalen Verkaufspreis stünden. Es sei insoweit nicht ersichtlich, dass eine rein interne Zuordnung der Verkaufspreise vornehmlich auf die Speisen wirtschaftliche Vorteile für die Antragstellerin habe. Durch die interne „Verschiebung” der Bemessungsgrundlagen werde weder der Gesamtaufwand für die Menükomponenten noch die Summe des eingenommenen Geldes verändert. Es sei nicht erkennbar, weshalb es sich —bei insgesamt gleichbleibenden Kosten und Einnahmen— als wirtschaftlich ungünstig erweisen sollte, wenn bei der internen Zuordnung der auf einzelne (untrennbare) Menükomponenten entfallene Rohgewinnaufschlag negativ würde.

8  Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Kunden hätten die Kaufpreisaufteilung der Antragstellerin akzeptiert. Die Wahl des Aufteilungsmaßstabes unterliege der Privatautonomie. Es bestehe Preisbestimmungsautonomie. Aufgrund der hohen Aufschläge könne eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken gerechtfertigt sein. Es entspreche betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Grundsätzen der Preisbildung, die Preisermäßigung auf den Produktteil mit dem höchsten Kalkulationsaufschlag zu gewähren. Den Vorgaben des BMF sei zu folgen. Im Hinblick auf die hohen Margen bei den Getränken sei der Rabatt bei deren Lieferung vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Es liege kein Gestaltungsmissbrauch vor. Zumindest sei Vertrauensschutz zu gewähren. Zu berücksichtigen sei auch die Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung.

9  Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 auszusetzen.

10  Das FA beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

11  Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

12  1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 10. Februar 1967 III B 9/66 , BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11 , BFHE 237, 545 , BStBl II 2012, 809, unter II.1.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 237, 545 , BStBl II 2012, 809, unter II.1.; vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215 , BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 237, 545 , BStBl II 2012, 809, unter II.1.).

13  2. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Antragstellerin im Rahmen des „Sparmenüs” zwei Lieferungen, die des Getränks und die der Speise ausgeführt hat. Offen bleiben kann im Streitfall, ob das FA im Hinblick auf die Lieferung der Speise zu Recht von einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit einer in der Anlage zum UStG genannten Position des Zolltarifs ausgegangen ist. Denn wie das FG zutreffend entschieden hat, bestehen keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Rabattaufteilung.

14  a) Im summarischen Verfahren geht der Senat —ohne darüber abschließend zu entscheiden— zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass die Speisenlieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und die Antragstellerin Gegenstände geliefert hat, die teils dem ermäßigten Steuersatz und teils —als Getränk— dem Regelsteuersatz unterliegen.

15  Wie das FG zutreffend entschieden hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kommt es durch die Zusammenfassung von Speise und Getränk im Rahmen eines zum Mitnehmen bestimmten „Sparmenüs” umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer einzigen Lieferung; es ist vielmehr bei der gebotenen summarischen Prüfung von zwei selbständigen Lieferungen auszugehen.

16  b) Ist somit im summarischen Verfahren von zwei unterschiedlich zu besteuernden Lieferungen auszugehen, ist der einheitliche Preis für das Menü in zwei Entgeltbestandteile aufzuteilen.

17  aa) Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP (Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 22. Oktober 1998 C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin (Slg. 1998, I-6229) entschieden hat, ist, wenn „Kunden trotz des einheitlichen Preises aus ihrer Sicht zwei gesonderte Dienstleistungen erwerben, nämlich eine Versicherungsdienstleistung und eine Kartenregistrierungsdienstleistung,…der Teil des einheitlichen Preises, der sich auf die Versicherungsdienstleistung bezieht und jedenfalls von der Steuer befreit bliebe, herauszurechnen”. Dabei ist die „einfachstmögliche Berechnung- oder Bewertungsmethode” zu verwenden. Nach dieser Rechtsprechung, der sich der BFH angeschlossen hat (BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98 , BFHE 194, 555 , BStBl II 2001, 658, unter II.1.d, und vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349 , BStBl II 2011, 303, unter II.4.b), ist ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedlich zu besteuernde Leistungen entrichtet wird, zum einen aufzuteilen, wobei zum anderen die Aufteilungsmethode zu verwenden ist, die „einfachstmöglich” ist.

18  bb) Der Senat hat dabei im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die danach erforderliche Entgeltaufteilung nach der „einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode” jegliches Ermessen des Unternehmers hinsichtlich der Aufteilung ausschließt oder ob für den Unternehmer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 UStG die Befugnis zu einer sachgerechten Schätzung besteht. Denn sachgerecht in diesem Sinne ist die vom FA vorgenommene „lineare” Verteilung des Rabattbetrags für das „Sparmenü” nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise, nicht aber die von der Antragstellerin erstrebte Aufteilung nach den Kosten der beiden Lieferungen, die bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zu einer komplexen Berechnung zur Aufteilung des Gesamtpreises zwingt, wie das FG zutreffend —insbesondere unter Hinweis auf unterjährige Kostenschwankungen— entschieden hat.

19  cc) Ob eine hiervon abweichende Beurteilung dann in Betracht kommen könnte, wenn die lineare Aufteilung des Gesamtverkaufspreises nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise für eine der im Rahmen des „Sparmenüs” erfolgten Einzellieferungen zu einem Entgelt unter dem Nettoeinkaufspreis führt, ist im Streitfall, dem eine derartige Fallgestaltung weder im Hinblick auf Getränke noch im Hinblick auf die von der Antragstellerin zubereiteten Speisen zugrunde liegt, nicht zu entscheiden.

20  dd) Dem von der Antragstellerin als maßgeblich angesehenen Gesichtspunkt der Preisbestimmungs- und Preisaufteilungsautonomie kommt keine Bedeutung zu. Die Antragstellerin hat ihre Preisbestimmungsautonomie durch die Bildung des von ihr gewählten Gesamtpreises ausgeübt. Eine weiter gehende Preisaufteilungsautonomie im Sinne einer Entscheidungsfreiheit über die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen besteht nicht.

21  ee) Schließlich kann sich die Antragstellerin für die von ihr erstrebte Berücksichtigung des Rabatts bei der Getränkelieferung nicht mit Erfolg auf das von ihr zitierte BMF-Schreiben vom 4. Oktober 2004 berufen, in dem auf einen Beschluss der „Abteilungsleiter” verwiesen wird. Für die dort vertretene Auffassung, wonach aufgrund „der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken…eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein [erscheint]”, ist eine —mit der EuGH-Rechtsprechung vereinbare— Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die dort vertretene Rechtsauffassung ist für die Gerichte im finanzgerichtlichen Verfahren zudem ebenso unbeachtlich, wie eine amtlich veröffentlichte Verwaltungsanweisung, der nur norminterpretierender Charakter zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. November 2011 V R 34/10 , BFH/NV 2012, 803 , m.w.N.). Sie ist daher nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen.

Bilanzierung | Ausbuchung einer Körperschaftsteuererstattungsforderung (BFH)

Steuerneutralität der berichtigenden Ausbuchung einer Körperschaftsteuererstattungsforderung (sog. Stornierungsgedanke)

 Leitsatz

Die Ausbuchung einer nicht bestehenden Körperschaftsteuererstattungsforderung durch Bilanzberichtigung in einem späteren Wirtschaftsjahr ist auch dann durch außerbilanzielle Hinzurechnung auszugleichen, wenn die erstmalige Aktivierung in dem früheren Wirtschaftsjahr entgegen § 10 Nr. 2 KStG 1991 nicht außerbilanziell neutralisiert worden war (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2009 I R 43/08, BFHE 227, 469, BStBl II 2012, 688).

 Gesetze

EStG 1990 § 4 Abs. 2 Satz 1
KStG 1991 § 10 Nr. 2

 Instanzenzug

Hessisches FG vom 6. Juli 2011 4 K 1358/10

 Gründe

I.

1  Die Beteiligten streiten darüber, ob die auf die Grundsätze der Bilanzberichtigung und des formellen Bilanzenzusammenhangs gestützte Ausbuchung einer Forderung auf Körperschaftsteuererstattung auf der Grundlage des § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991) außerbilanziell zu neutralisieren ist. Streitjahr ist 1995.

2  Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, beschloss im Jahr 1993 eine Gewinnausschüttung für das Jahr 1991. Hierdurch ergab sich für 1991 eine Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 593.750 DM. Den hieraus resultierenden Körperschaftsteuererstattungsanspruch aktivierte die Klägerin erstmals in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1992. Außerbilanziell zog sie einen Betrag in entsprechender Höhe bei der Ermittlung ihres Einkommens wieder ab.

3  Im Rahmen einer die Jahre 1990 bis 1994 betreffenden Außenprüfung korrigierte der Prüfer diese bilanzielle Behandlung und aktivierte den auf der Ausschüttung beruhenden Erstattungsanspruch unter Hinweis auf § 27 Abs. 3 KStG 1991 bereits zum 31. Dezember 1991. Hieraus folgte eine entsprechende Erhöhung des Steuerbilanzergebnisses für das Jahr 1991. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für das Jahr 1991 zog der Prüfer dann auf der Grundlage des § 10 Nr. 2 KStG 1991 außerbilanziell einen entsprechenden Betrag wieder ab.

4  Die von der Klägerin in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1992 vorgenommene Aktivierung des Körperschaftsteuererstattungsanspruchs von 593.750 DM, die auf der Grundlage der Bilanz der Klägerin im Jahr 1992 zu einem entsprechenden steuerbilanziellen Ertrag geführt hatte, korrigierte der Prüfer nicht. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für das Jahr 1992 berücksichtigte er abweichend von der Steuererklärung der Klägerin insoweit auch keinen Korrekturbetrag nach Maßgabe von § 10 Nr. 2 KStG 1991.

5  Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte den Ergebnissen des Prüfers und setzte auf dieser Grundlage die Körperschaftsteuer für 1992 entsprechend fest. Der Bescheid ist —ebenso wie die Körperschaftsteuerbescheide für 1993 und 1994— bestandskräftig geworden.

6  Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das Streitjahr kam die Klägerin zu der Erkenntnis, ihr Bilanzgewinn für 1992 sei auf der Grundlage der Berechnungen des Prüfers um 593.750 DM zu hoch ausgewiesen; die Körperschaftsteuererstattungsforderung sei in dieser Höhe sowohl 1991 als auch 1992 gewinnerhöhend berücksichtigt worden. Aufgrund der Bestandskraft der darauf basierenden Steuerfestsetzungen für 1992 bis 1994 korrigierte die Klägerin dies in ihrer Steuerbilanz zum 31. Dezember 1995 in der Weise, dass sie die sich aus der Außenprüfung für 1990 bis 1994 ergebenden Steuererstattungsansprüche und Steuerschulden in die Bilanz einstellte und das Steuerbilanzergebnis durch Ausbuchung eines Körperschaftsteuererstattungsanspruchs per Saldo um den Betrag von 593.750 DM minderte.

7  Auch nach Auffassung des FA hätte der Erstattungsbetrag in der Bilanz zum 31. Dezember 1992 nicht (nochmals) gewinnerhöhend angesetzt werden dürfen und sei die von der Klägerin für das Streitjahr vorgenommene Bilanzberichtigung nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs zulässig. Jedoch sei die den Fehler beseitigende Korrektur des Bilanzergebnisses bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens durch eine korrigierende Hinzurechnung nach § 10 Nr. 2 KStG 1991 in gleicher Höhe zu neutralisieren.

8  Auf dieser Grundlage änderte das FA die Bescheide über die Festsetzung der Körperschaftsteuer für 1995 und die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1991 zum 31. Dezember 1995. Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Hessische Finanzgericht (FG) hat die angefochtenen Bescheide dahin geändert, dass das zu versteuernde Einkommen der Klägerin für 1995 um 593.750 DM niedriger angesetzt wird. Sein Urteil vom 6. Juli 2011 4 K 1358/10 ist in Der Konzern 2012, 83 abgedruckt.

9  Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des FA.

10  Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11  Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

12  Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Das FA hat der von der Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1995 vorgenommenen Forderungsausbuchung zu Recht keine steuermindernde Wirkung beigemessen.

13  1. Aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich nicht mit letzter Sicherheit, dass die Ausbuchung der Körperschaftsteuererstattungsforderung in der Schlussbilanz zum 31. Dezember des Streitjahres eine nach § 4 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) zulässige Bilanzberichtigung gewesen ist.

14  a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 darf der Steuerpflichtige die Bilanz auch nach Einreichung beim FA ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften jenes Gesetzes nicht entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist, wenn ein fehlerhafter Bilanzansatz in einem bestandskräftig gewordenen Steuerbescheid berücksichtigt worden ist und jener Bescheid aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht geändert werden kann, bei der Steuerfestsetzung für ein nachfolgendes Jahr als „Betriebsvermögen zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres” i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 das der früheren Veranlagung zugrunde gelegte Betriebsvermögen zu berücksichtigen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142; BFH-Urteile vom 7. Juni 1988 VIII R 296/82, BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886; vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443). Die Korrektur ist in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist (Prinzip des formellen Bilanzenzusammenhangs, vgl. z.B. Senatsurteil vom 13. Februar 2008 I R 44/07, BFHE 220, 429, BStBl II 2008, 673, m.w.N.).

15  b) Auf den Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs stützt die Klägerin die Ausbuchung der Forderung auf Steuererstattung in der Bilanz zum 31. Dezember 1995. Sie möchte damit den Fehler korrigieren, der dadurch entstanden ist, dass bei der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums 1992 aufgrund eines Versehens des Prüfers die aus der Gewinnausschüttung für 1991 resultierende Körperschaftsteuererstattungsforderung gewinnerhöhend berücksichtigt worden ist, obwohl sie bereits in der der Besteuerung des Vorjahres zugrunde gelegten (Prüfer-)Bilanz zum 31. Dezember 1991 aktiviert worden war.

16  c) Aufgrund der Bestandskraft der Steuerveranlagungen für 1992 bis 1994 ist der Veranlagungszeitraum 1995 im Streitfall zwar der erste verfahrensrechtlich noch „offene” Veranlagungszeitraum, in dem eine Bilanzberichtigung erfolgen könnte. Ob eine Fehlerkorrektur nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 in der Bilanz zum 31. Dezember 1995 möglich ist, hängt jedoch davon ab, ob der der Besteuerung des Jahres 1992 zugrunde liegende Fehler gemäß der Annahme der Vorinstanz und der Beteiligten tatsächlich darin bestanden hat, dass die in der Prüferbilanz zum 31. Dezember 1991 aktivierte Körperschaftsteuererstattungsforderung (die ja auch zum 31. Dezember 1992 noch existiert hat und deshalb weiterhin in der Bilanz auszuweisen war) insgesamt zweimal aktiviert worden war.

17  Anhand der insoweit nicht ganz trennscharfen tatrichterlichen Feststellungen ist aber nicht völlig ausgeschlossen, dass der Fehler letztlich nicht in einer abermaligen Aktivierung des Erstattungsanspruchs, sondern in einer unrichtigen Ermittlung des Unterschiedsbetrages nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 bestanden hat: Als Anfangsvermögen des Veranlagungszeitraums 1992 könnte nicht das der Besteuerung des Jahres 1991 tatsächlich zugrunde gelegte Schlussvermögen zum 31. Dezember 1991 angesetzt worden sein, sondern ein um den Betrag der Erstattungsforderung zu geringer Wert, so wie er sich aus der ursprünglichen Bilanzierung der Klägerin für 1991 ergeben hatte. Ein derartiger Fehler bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrags wäre kein nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 berichtigungsfähiger Bilanzierungsfehler (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juni 2010 X B 40/10, BFH/NV 2010, 1632; Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl., § 4 Rz 710). Berichtigt werden kann danach nur die Vermögensübersicht (Bilanz), nicht aber ein außerhalb der Bilanzansätze (bzw. der Verbuchung von Entnahmen und Einlagen, s. BFH-Urteil vom 31. Mai 2007 IV R 54/05, BFHE 218, 188, BStBl II 2008, 665) liegender Fehler bei der Gewinnermittlung. Dieser kann nur —in den Grenzen der Bestandskraft der betreffenden Steuerbescheide— durch Berichtigung der fehlerhaften Veranlagung beseitigt werden und nicht über die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs in einem späteren Veranlagungszeitraum.

18  2. Die Frage der Zulässigkeit der Korrektur kann jedoch für die Entscheidung des Streitfalls offenbleiben. Denn selbst wenn die von der Klägerin zum Fehlerausgleich in der Bilanz zum 31. Dezember 1995 vorgenommene Ausbuchung einer Körperschaftsteuererstattungsforderung von 593.750 DM als Maßnahme der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 zulässig gewesen wäre, hätte dies im Ergebnis keine Auswirkungen auf den von der Klägerin für das Streitjahr zu versteuernden Gewinn gehabt. Denn die sich daraus ergebende Minderung des Steuerbilanzgewinns hätte dem Gewinn entsprechend § 10 Nr. 2 KStG 1991 außerbilanziell wieder hinzugerechnet werden müssen.

19  a) Nach § 10 Nr. 2 KStG 1991 sind u.a. die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern —also auch die Körperschaftsteuer— nichtabziehbare Aufwendungen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Aktivierung eines Anspruchs auf Erstattung derartiger Steuern das zu versteuernde Einkommen nicht erhöhen (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1991 I R 26/91, BFHE 167, 32, BStBl II 1992, 686; Senatsbeschlüsse vom 20. November 2007 I R 54/05, BFH/NV 2008, 617; vom 15. Juli 2008 I B 16/08, BFHE 222, 396, BStBl II 2008, 886; vom 16. Dezember 2009 I R 43/08, BFHE 227, 469, BStBl II 2012, 688) und dementsprechend die Ausbuchung eines solchen Erstattungsanspruchs im Wege der Bilanzberichtigung das zu versteuernde Einkommen nicht mindern darf.

20  b) Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, bei der zum 31. Dezember 1992 ggf. ein weiteres Mal aktivierten (und zum 31. Dezember 1995 ausgebuchten) Forderung handele es sich im Grunde nicht um eine Körperschaftsteuererstattungsforderung, sondern um ein rechtliches Nullum („Luftposten”), auf welches § 10 Nr. 2 KStG 1991 nicht anwendbar sei. Wird eine Forderung in einer Bilanz versehentlich zweimal aktiviert, fehlt es zwar für eine der Buchungen an einer materiell-rechtlichen Grundlage. Aus bilanzrechtlicher Sicht werden aber gleichwohl zwei Bilanzansätze mit identischem rechtlichem Gehalt abgebildet und nicht einerseits eine „echte” Forderung und andererseits ein rechtliches Nullum. Hiervon ist auch bei Ausbuchung der Posten auszugehen.

21  c) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Anwendung des § 10 Nr. 2 KStG 1991 im Streitfall nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine etwaige doppelte Aktivierung der Erstattungsforderung im Jahr 1992 fehlerhaft nicht durch eine entsprechende doppelte außerbilanzielle Gewinnkürzung neutralisiert worden war. Das FG beruft sich insoweit auf den Senatsbeschluss in BFHE 227, 469, BStBl II 2012, 688, der sich mit der korrigierenden Auflösung von Rückstellungen für nach § 10 Nr. 2 KStG 1996 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) im Korrekturjahr nicht mehr abziehbare Nachzahlungszinsen für Personensteuern befasst. Nach diesem Beschluss folgt aus dem sog. Stornierungsgedanken, dass die spätere Korrektur der Bilanz grundsätzlich erfolgswirksam zu erfolgen hat, wenn auch der Bilanzierungsfehler sich an der Fehlerquelle erfolgswirksam ausgewirkt hatte. Hieraus hat das FG für den Streitfall darauf geschlossen, dass für das Streitjahr eine außerbilanzielle Neutralisierung der Forderungsausbuchung entsprechend § 10 Nr. 2 KStG 1991 zu unterbleiben habe, weil sich der Bilanzierungsfehler im Jahr 1992 erfolgswirksam ausgewirkt habe.

22  Dieser Folgerung schließt sich der Senat nicht an. Denn nach der objektiven Rechtslage hätte die in der Veranlagung für 1992 (fälschlich) zugrunde gelegte Gewinnerhöhung aufgrund des zweifachen Ansatzes der Körperschaftsteuererstattungsforderung entsprechend § 10 Nr. 2 KStG 1991 außerbilanziell neutralisiert werden müssen. Und bei der Anwendung des Stornierungsgedankens ist auf die jeweilige objektive Rechtslage abzustellen: Nur dann, wenn der Bilanzierungsfehler sich nach der im Veranlagungszeitraum der Fehlerquelle bestehenden Rechtslage auf den zu versteuernden Gewinn ausgewirkt hat, ist auch die spätere Korrekturmaßnahme als steuerwirksam zu behandeln. Eine etwaige Falschbehandlung des Fehlers im Hinblick auf die Steuerwirksamkeit nach § 10 Nr. 2 KStG 1991 im Jahr der Fehlerquelle ist nicht durch eine nochmalige —gegenläufige— Falschbehandlung im Jahr der Korrektur auszugleichen. Denn eine solche Handhabung würde zu dem systematisch unzutreffenden Ergebnis führen, dass ein nicht die Steuerbilanz betreffender Fehler bei der Gewinnermittlung —hier die unterlassene außerbilanzielle Gewinnkorrektur für das Jahr 1992— mittels Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 noch in späteren Veranlagungszeiträumen ausgeglichen werden könnte.

23  3. Der auch für das Steuerrechtsverhältnis geltende Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. April 2007 I R 16/06, BFHE 218, 102, BStBl II 2007, 707), auf den sich die Klägerin in erster Instanz berufen hat, erfordert kein abweichendes Ergebnis. Zwar war ein (seinerzeit von allen Beteiligten übersehener) Fehler in der Berechnung des Prüfers Ursache für die Besteuerung eines tatsächlich nicht entstandenen Gewinns im Veranlagungszeitraum 1992. Das FA ist jedoch weder verpflichtet noch befugt, diesen Fehler durch Festsetzung einer gemessen an den gesetzlichen Vorschriften zu geringen Körperschaftsteuer im Veranlagungszeitraum 1995 auszugleichen.

Gewerbesteuer | Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH)

Keine sonstigen Einkünfte selbständig tätiger Prostituierter

 Leitsatz

Selbständig tätige Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Aufgabe des BFH-Urteils vom 23. Juni 1964 GrS 1/64 S , BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500).

 Tatbestand

1    A.   Vorgelegte Rechtsfrage, Sachverhalt und Ausgangsverfahren,

Anrufungsbeschluss des III. Senats

2    I. Vorgelegte Rechtsfrage

3  Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluss vom 15. März 2012 III R 30/10 (BFHE 237, 421 , BStBl II 2012, 661) dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

4  Erzielen Prostituierte (sog. Eigenprostitution) Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder sonstige Einkünfte?

5    II. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

6  Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit dem Streitjahr (2006) als Prostituierte tätig und bot Dritten die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt in einer eigens dafür gemieteten Wohnung an. Ihre Betriebseinnahmen beliefen sich im Streitjahr einschließlich der Umsatzsteuer auf etwa 64.000 € und die Betriebsausgaben auf ca. 26.000 €. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) behandelte den aus der Prostitution erzielten Gewinn in Höhe von 38.115 € nicht —wie erklärt— als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 152 € fest.

7  Die Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied mit Urteil vom 14. April 2010 8 K 1846/07 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 318 ), dass die Klägerin Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt habe, und hob den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag auf. Zur Begründung verwies es insbesondere auf das BFH-Urteil vom 23. Juni 1964 GrS 1/64 S (BFHE 80, 73 , BStBl III 1964, 500), wonach aus „gewerbsmäßiger Unzucht” sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erzielt würden. An dieser Auffassung sei trotz veränderter Umstände festzuhalten (so auch BFH-Urteile vom 28. November 1969 VI R 128/68 , BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185; vom 17. April 1970 VI R 164/68, BFHE 99, 200, BStBl II 1970, 620).

8  Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Meinung, die Klägerin habe aus ihrer Tätigkeit als Prostituierte gewerbliche Einkünfte erzielt.

9    III. Vorlagebeschluss des III. Senats

10  Der III. Senat teilt die Auffassung des FA und beabsichtigt daher, der Revision des FA stattzugeben. Da diese Ansicht vom Urteil des Großen Senats des BFH in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 abweiche, sei eine erneute Klärung dieser im Streitfall entscheidungserheblichen Rechtsfrage erforderlich (§ 11 Abs. 2 FGO ).

 Gründe

    B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen

    I. Keine mündliche Verhandlung

13  Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Entscheidung durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Die Vorlagefrage und die Auffassungen, die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten werden, sind im Vorlagebeschluss eingehend dargestellt worden. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der Vorlagefrage Stellung zu nehmen.

    II. Zulässigkeit der Vorlage

15  Die Vorlage des III. Senats ist zulässig.

16  1. Der vorlegende Senat ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat besteht. Das Urteil des Großen Senats in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 ist vor Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung (31. Dezember 1965) ergangen. Da es jedoch gemäß § 64 der Reichsabgabenordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. Mai 1931 (RGBl I 1931, 161) veröffentlicht wurde, ist die Anrufung des Großen Senats gleichwohl erforderlich (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO i.d.F. vom 6. Oktober 1965, BGBl I 1965, 1477 ; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 11 Rz 7).

17  2. Die gemäß § 11 Abs. 3 FGO vorgesehene Anfrage bei anderen Senaten war nicht erforderlich. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Vorlage an den Großen Senat nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. Zwar hat der VI. Senat mit Urteilen in BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185 und in BFHE 99, 200, BStBl II 1970, 620 entschieden, selbständig tätige Prostituierte erzielten sonstige Einkünfte. Eine Anfrage war aber deshalb entbehrlich, weil hierdurch die Divergenz zum Urteil des Großen Senats in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 nicht beseitigt werden könnte. Will der erkennende Senat von einer Entscheidung des Großen Senats des BFH abweichen, muss er die Rechtsfrage dem Großen Senat des BFH erneut vorlegen. Eine Anfrage bei allen anderen Senaten des BFH kommt ebenso wenig in Betracht wie eine Anfrage beim Großen Senat selbst, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhalte (Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 11 FGO Rz 44; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 11 FGO Rz 10; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 18; Dumke in Schwarz, FGO § 11 Rz 18; wohl auch BFH-Beschluss vom 24. Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124 , BStBl II 1985, 587). Der in § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO angesprochene „Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll”, ist stets (nur) ein Fachsenat, nicht aber der Große Senat selbst.

18  3. Die Vorlage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Große Senat bereits durch Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500   über die aufgeworfene Rechtsfrage entschieden hat.

19  a) Nach der Rechtsprechung des Großen Senats ist eine erneute Vorlage derselben Rechtsfrage an ihn nur zulässig, falls in der Zwischenzeit neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind, die bei der ursprünglichen Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnten, und/oder neue Rechtserkenntnisse eine andere Beurteilung der entschiedenen Rechtsfrage rechtfertigen könnten (BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1971 GrS 4/70, BFHE 101, 13 , BStBl II 1971, 207; in BFHE 144, 124 , BStBl II 1985, 587).

20  b) Gegen diese Auffassung wird vorgebracht, § 11 FGO enthalte derlei Einschränkungen für die erneute Vorlage einer Rechtsfrage an den Großen Senat nicht. § 11 Abs. 7 Satz 3 FGO erkläre im Gegenteil die Entscheidung des Großen Senats nur in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat als bindend, woraus sich im Gegenschluss ergebe, dass eine erneute Vorlage in einer anderen Sache selbst für den vorlegenden Senat möglich wäre (zur Kritik vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 11 FGO Rz 11; Gräber/Ruban, a.a.O., § 11 Rz 34; Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 45). Die Auffassung berge überdies die Gefahr der Rechtserstarrung (Gräber/Ruban, a.a.O., § 11 Rz 34).

21  c) Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Große Senat an seiner bisherigen Auffassung zur Zulässigkeit heute noch festhalten könnte (offengelassen bereits im BFH-Beschluss in BFHE 144, 124 , BStBl II 1985, 587). Denn die erneute Vorlage der Rechtsfrage, ob selbständig tätige Prostituierte sonstige Einkünfte oder gewerbliche Einkünfte erzielen, ist jedenfalls schon deshalb zulässig, weil seit der Entscheidung des Großen Senats mehr als 45 Jahre vergangen sind, Verwaltung und Literatur einhellig die Auffassung vertreten, Prostituierte erzielten gewerbliche Einkünfte (s. C.I.2. und 3.), und sich überdies die rechtlichen Rahmenbedingungen —wie im Einzelnen aus dem Beschluss des vorlegenden III. Senats in BFHE 237, 421 , BStBl II 2012, 661 ersichtlich— für die Ausübung der Prostitution seither geändert haben.

    III. Entscheidungserheblichkeit

23  Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des III. Senats erheblich. Würde der Große Senat an seiner Entscheidung in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500   festhalten, wäre der III. Senat gehindert, der Revision des FA —wie beabsichtigt— stattzugeben.

    C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage

25  Der Große Senat entscheidet die vorgelegte Rechtsfrage im Sinne der Auffassung des vorlegenden Senats.

    I. Entwicklung der Rechtsprechung, Auffassung der Literatur und Verwaltung

27  1. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Behandlung der Einkünfte aus Prostitution ist im Vorlagebeschluss in BFHE 237, 421 , BStBl II 2012, 661 wiedergegeben.

28  2. Die Verwaltung ist der Auffassung, dass selbständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. So hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in vorliegendem Verfahren zwar nicht seinen Beitritt erklärt, jedoch mitgeteilt, die Auffassung des vorlegenden III. Senates werde von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder schon seit längerer Zeit vertreten (vgl. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 30. Juli 2004 S 2240 A – St 11, EStG -Kartei NW § 15 (1) Nr. 1 EStG Nr. 802 in Übereinstimmung mit einem Beschluss der Referenten des Bundes und der Länder). Die im Vorlagebeschluss für diese Rechtsauffassung angeführten Argumente seien aus Sicht des BMF zutreffend.

29  3. In der Literatur wird allgemein die Ansicht vertreten, selbständig tätige Prostituierte erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb (z.B. Schön in Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi [Hrsg.], Festschrift K. Vogel, 2000, S. 661, 668; Fischer, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2000, 1342; ders. in Kirchhof, EStG , 11. Aufl., § 22 Rz 69; Schmidt/Weber-Grellet, EStG , 32. Aufl., § 22 Rz 150 „Prostitution”; Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 17, und Blümich/Nacke, § 22 EStG Rz 168 „Gewerbsmäßige Prostitution”; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1059; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 15 Rz 34; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz , § 2 Rz 259; Leisner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 22 Rz D 179 „Geschlechtsverkehr”; Kemper, DStR 2005, 543).

    II. Auffassung des Großen Senats

31  Der Große Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Senats in BFHE 237, 421 , BStBl II 2012, 661, dass selbständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und damit einen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterhalten.

32  Unter einem Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG , § 15 Abs. 2 EStG jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, falls sie den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet und es sich nicht um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG ) oder einer selbständigen Arbeit (§ 18 EStG ) handelt.

33  Selbständig tätige Prostituierte erfüllen diese Voraussetzungen; sie nehmen insbesondere in Abweichung von der im BFH-Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 vertretenen Auffassung auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil; die Prostitution kann in Gestalt eines „sich am wirtschaftlichen Verkehr beteiligenden Unternehmens” betrieben werden. Da dies einhelliger Auffassung in Verwaltung und Literatur (s. C.I.2. und 3.) entspricht, sieht der Große Senat von weiteren Ausführungen hierzu ab, sondern verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im Vorlagebeschluss des III. Senats in BFHE 237, 421 , BStBl II 2012, 661. Prostituierte erzielen auch keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG .

    III. Entscheidung der Vorlagefrage

35  Der Große Senat des BFH beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage danach wie folgt:

36  Selbständig tätige Prostituierte (sog. Eigenprostitution) erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Einkommensteuer | Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf (FG)

Außergewöhnliche Belastung: Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf

 Leitsatz

  1. 1.            Mehraufwendungen für den behindertengerechten Neubau eines Hauses können als agB abziehbar sein.
  2. 2.            Das gilt jedenfalls dann, wenn die Mehraufwendungen unausweislich waren, denn dann erwachsen sie zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG .
  3. 3.            Zu derartigen zwangsläufigen Mehraufwendungen können im Einzelfall auch die Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks gehören.
  4. 4.            Die sog. Gegenwertslehre kommt schon dann nicht zum Tragen, wenn es sich um behinderungsbedingte notwendige Baumaßnahmen handelt, die keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert begründen.

 Gesetze

EStG § 33
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

 Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Die Klägerin ist schwerbehindert. Sie leidet unter Multipler Sklerose. Mit Bescheid vom 22.12.2006 wurde der Grad der Behinderung auf 80 % festgestellt.

Die Kläger errichteten in den Jahren 2009 und 2010 zu eigenen Wohnzwecken einen Bungalow. Aufgrund der behinderungsbedingten Anforderungen an die Wohnfläche entschieden sie sich u.a. nach fachkundiger Beratung für einen eingeschossigen Bungalow. Die gegenüber einem mehrgeschossigen Bungalow erforderliche Grundfläche des Gebäudes erforderte aufgrund der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Grundflächenzahl von 0,3 den Erwerb einer um 151,67 Quadratmeter größeren Grundstücksfläche. Dadurch ergaben sich bei einem Preis von 87 €/qm Mehrkosten für den Baugrund i.H.v. 13.195,29 €. Ferner entstand den Klägern in 2009 durch erforderliche behinderungsgerechte Baumaßnahmen ein behinderungsbedingter Mehraufwand von 205,45 €, den die Kläger nach Abzug von Zuschüssen der Kranken- und Pflegekassen als Eigenanteil selbst zu tragen hatten.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2009 machten die Kläger aufgrund des behinderungsbedingten Mehraufwandes für den Hausbau zunächst keine Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2009 zuletzt mit Einkommensteuerbescheid vom 14.02.2011 fest. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Diesen begründeten sie damit, dass ihnen durch den Hausbau in 2009 Mehrkosten wegen behinderungsbedingter Baumaßnahmen i.H.v. 13.400,74 € entstanden seien, die als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen seien. Da die Klägerin u. a. an einer schweren Gehbehinderung leide und ihr das Steigen von Treppen nicht möglich sei, seien sie auf eine eingeschossige Bauweise des Bungalows angewiesen gewesen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sanitäre Einrichtungen großzügig ausgelegt sein mussten, um die pflegerische und betreuende Unterstützung durch andere Personen zu ermöglichen, und Wendeflächen für den Rollstuhl, breitere Türen und niedrigere Schwellen, Haltegriffe und eine barrierefreie Duschkabine mit einem Klappsitz erforderlich gewesen seien. Dadurch habe sich eine um 45,5 m² größere Grundfläche des Bungalows gegenüber einem Bungalow ergeben, der ohne Berücksichtigung der Behinderung der Klägerin hätte gebaut werden können. Aufgrund der im Baugebiet vorgegebenen Grundflächenzahl seien sie gezwungen gewesen, ein 151,67 Quadratmeter größeres Grundstück zu kaufen, um das Gebäude entsprechend realisieren zu können. Dadurch hätten sich für das Grundstück Mehrkosten i.H.v. 13.195,29 € ergeben. Weitere Aufwendungen i.H.v. 205,45 € ergäben sich durch den nicht bezuschussten Eigenanteil der erforderlichen Mehraufwendungen.

Der Einspruch der Kläger war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, dass baubedingte Mehrkosten aufgrund der Behinderung der Klägerin i.H.v. 13.400,74 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Ferner hätten sie einen Anspruch auf die Berücksichtigung weiterer Kosten für behinderungsbedingte Fahrtkosten in Höhe von pauschal 900 €.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14.02.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 23.11.2011 dahingehend zu ändern, dass der Teil von 14.300,74 €, der die den Klägern zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen und die Steuer entsprechend herabgesetzt wird.

Der Beklagte erkennt die von den Klägern als Eigenanteil getragenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen i.H.v. 205,45 € und die Kosten für behinderungsbedingte Fahrtkosten von pauschal 900 € an und beantragt im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für den Erwerb einer größeren Grundstücksfläche gewesen. Zumindest könnten erhebliche persönliche Motive, die unabhängig von der Krankheit der Klägerin seien, für den Erwerb der größeren Grundstücksfläche nicht ausgeschlossen werden. Unabhängig davon sei bei einer bebauten Fläche von 182,64 m² und einer Grundflächenzahl von 0,3 der Erwerb einer Grundstücksfläche von lediglich 609 m², nicht aber von 693 m² erforderlich gewesen. Ferner sei in dem konkreten Fall der Kläger zu berücksichtigen, dass weiterhin von der Gegenwerttheorie ausgegangen werden müsse. Der BFH habe in seinen Entscheidungen vom 22.10.2009 (VI R 7/09) und vom 24.02.2011 (VI R 16/10) nicht grundsätzlich Abstand von der Gegenwerttheorie genommen. Er habe lediglich klargestellt, dass dann nicht von einem über den Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert auszugehen sei, wenn eine Umbaumaßnahme durch die Behinderung bedingt und notwendig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die keine speziell auf die Behinderung zugeschnittenen Eigenschaften auswiesen. Das Grundstück der Kläger sei unabhängig von der Behinderung der Klägerin von bleibendem und andauerndem Nutzen und besitze einen in seiner Marktfähigkeit zum Ausdruck kommenden Verkehrswert, der unter Berücksichtigung der derzeitigen Wirtschaftslage zukünftig eher noch eine Wertsteigerung erfahren werde.

 Gründe

Die Klage ist begründet.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG ).

a) Mehraufwendungen für den behindertengerechten Neubau eines Hauses können als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sein, da es sich um größere Aufwendungen handelt, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen und die Aufwendungen weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag noch durch den Behinderten- und Pflegepauschbetrag abgegolten sind.

b) Den Klägern sind neben den vom Beklagten anerkannten, von den Klägern als Eigenanteil getragenen behinderungsbedingten baulichen Mehraufwendungen i.H.v. 205,45 € und den vom Beklagten ebenfalls anerkannten Kosten für behinderungsbedingte Fahrtkosten von pauschal 900 € auch die Kosten für das größere Grundstück in Höhe von 13.195,29 € als behinderungsbedingter Mehraufwand zwangsläufig erwachsen. Die mit der schwerwiegenden Behinderung der Klägerin verbundene behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes umfasste auch die Anschaffung des größeren Grundstücks. Da diese Mehraufwendungen für die Kläger unausweichlich waren, sind sie ihnen zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen (vgl. BFH, Urteil vom 24.02.2011 VI R 16/10 , BFH/E 232, 518, BFH/NV 2011, 906 ). Den Klägern sind damit Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung ihres neu errichteten Bungalows i.H.v. 14.300,74 € entstanden.

aa. Die Entscheidung der Kläger, einen eingeschossigen Bungalow entsprechend ihren Vorstellungen und den Bedürfnissen der Klägerin zu errichten, steht der Zwangsläufigkeit behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht entgegen, da die Notwendigkeit einer behinderungsgerechten Ausgestaltung ihres Wohnumfeldes und damit die Zwangsläufigkeit der darauf entfallenden Mehrkosten aus tatsächlichen Gründen nicht auf ihrer freigewählten Wohnsituation, sondern auf der Krankheit und Behinderung der Klägerin beruht. Dies wird vom Beklagten auch nicht in Frage gestellt.

(1) Abzugsfähig sind zwar nur Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Gestaltung seines individuellen Wohnumfeldes erforderlich sind. Hierunter fallen entgegen der Auffassung des Beklagten jedoch auch die von den Klägern geltend gemachten Mehrkosten für die Anschaffung eines gegenüber einem zweigeschossigen Bungalow um 151,67 qm größeren Grundstücks. Die Kläger konnten sich der Anschaffung des entsprechend größeren Grundstücks nicht entziehen. Die Klägerin war krankheitsbedingt auf pflegerische und betreuende Unterstützung durch andere Personen angewiesen. Dadurch war eine flächenmäßig entsprechende Gestaltung der Sanitärbereiche erforderlich. Ferner waren Wendeflächen für den Rollstuhl und breitere Türen mit einer entsprechend größeren Wohnfläche zu berücksichtigen. Damit ergab sich für die Kläger eine um 45,5 m² größere Grundfläche gegenüber einem Bungalow, der ohne Berücksichtigung der Behinderung der Klägerin hätte gebaut werden können. Das um 151,67 qm größere Grundstück ist von den Klägern nur deshalb angeschafft worden, weil die den krankheitsbedingten Anforderungen der Klägerin entgegenkommende eingeschossige Bauweise mit der entsprechend größeren Grundfläche des Bungalows die Anschaffung des größeren Grundstücks aufgrund der nach den Bauvorschriften vorgegebenen Grundflächenzahl zwingend erforderlich machte. Darüber hinausgehende weitere Grundstückkosten haben die Kläger nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Die Grundflächenzahl von 0,3 hätte zwar im Verhältnis zur Grundfläche des Bungalows nur die Anschaffung eines Grundstücks von 609 qm statt der tatsächlich angeschafften 693 qm erfordert. Die Kläger haben jedoch in hinreichender Weise nachgewiesen, dass ein entsprechend kleineres Grundstück nicht zur Verfügung stand und an dem einmal erfolgten Zuschnitt der zum Verkauf anstehenden Grundstücke keine Änderung mehr möglich war. Auf die Erstellung eines Bungalows in einem anderen Baugebiet mit einer entsprechend kleineren Grundstücksfläche brauchen sich die Kläger im Rahmen der steuerrechtlichen Abzugsmöglichkeit nach § 33 EStG nicht verweisen zu lassen. Zudem machen die Kläger auch nur die Anschaffungskosten für die Grundstücksfläche geltend, die sie aufgrund der eingeschossigen Bauweise zusätzlich anschaffen mussten.

(2) Entgegen den Angaben der Klägerin war die Erstellung eines eingeschossigen Bungalows zwar nicht aufgrund ihrer Behinderung zwingend erforderlich. Denn nach dem Schreiben der Firma Westermann Massivhaus vom 22. Juli 2011 sind Alternativen, wie etwa ein Treppenlift oder ein Fahrstuhl u. a. lediglich auch aus Kostengründen verworfen worden. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die eingeschossige Bungalowbauweise alternativlos war, da es bei Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung seines individuellen Wohnfeldes erforderlich sind, auf die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen nicht ankommt (vgl. BFH, Urteil vom 24.02.2011 , a.a.O., Rdz. 13). Es bestehen für das Gericht auch keine Zweifel, dass die Gestaltung des individuellen Wohnfeldes der Kläger behindertenbedingt und erforderlich war. Aus den in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten vorgelegten Grundrissen des Bungalows ergab sich, dass die Kläger nur in minimalem Umfang Wohnflächen vergrößernde Baumaßnahmen umgesetzt haben, die behinderungsbedingt erforderlich waren. Diese Maßnahmen beschränkten sich darüber hinaus auf das Bad und die Flure. Außerdem hielten sich diese notwendigen Wohnflächenvergrößerungen immer noch im Rahmen allgemein üblicher Wohnflächen. Damit sind den Klägern die Mehrkosten für die Anschaffung des größeren Grundstücks zwangsläufig entstandenen.

(3) Der Abzug dieser zwangsläufigen Aufwendungen ist nicht durch einen Gegenwert gehindert, da es sich um behinderungsbedingte notwendige Baumaßnahmen handelt, die keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert begründen. Behinderungsbedingter Mehraufwand steht stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt. Es handelt sich um eine aus tatsächlichen Gründen bestehende zwangsläufige Mehrbelastung des Steuerpflichtigen. Der Senat schließt sich insofern den Gründen der Entscheidung des BFH vom 24.02.2011 (a.a.O.) an.

bb. Hinsichtlich der weiteren Mehrkosten i.H.v. 205,45 € ist unstreitig, dass es sich um Kosten aufgrund des behinderungsbedingten Mehrbedarfs der Klägerin handelt, die auch vom Beklagten entsprechend anerkannt sind. Gleiches gilt für die behinderungsbedingten Fahrtkosten in Höhe von pauschal 900 €. Diese werden von der Finanzverwaltung nach den Einkommensteuerrichtlinien H 33b „Fahrtkosten” i.V.m. H 33.1 bei geh- und stehbehinderten Menschen mit einem Aufwand für Fahrten bis zu 3.000 km im Jahr und einem Km-Satz von 0,30 €/km pauschal als angemessen anerkannt.

b) Damit sind im Rahmen des § 33 EStG insgesamt 14.300,74 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Die Einkommensteuer ist unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG ) entsprechend herabzusetzen.

2. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem FA gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – FGO übertragen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung .

Aufwandsentschädigungen für Ehrenamtliche können der Umsatzsteuer unterliegen

Vereine, Verbände und Organisationen sollten Satzungen anpassen und Regeln für Aufwandsentschädigungen schriftlich festlegen

Um eine bundesweit einheitliche Behandlung von ehrenamtlich Tätigen zu ermöglichen, wurde die steuerliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen durch das Bundesfinanzministerium neu geregelt
Demnach besteht keine Umsatzsteuerpflicht, wenn Vergütungen für ehrenamtliche Vorstände, Chorleiter, Sporttrainer oder ehrenamtliche Tätigkeiten für den Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (z. B. Sparkassen, Verkehrsbetriebe, Stadtwerke) je Stunde maximal 50 Euro und pro Jahr insgesamt nicht mehr als 17.500 Euro betragen. Voraussetzung ist allerdings, dass der tatsächliche Zeitaufwand schriftlich festgehalten wird und für das Finanzamt nachvollziehbar ist. Ein echter Auslagenersatz, der für die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Aufwendungen der ehrenamtlichen Tätigkeit vergütet wird (z.B. Reisekosten), wird bei der Berechnung der Betragsgrenzen nicht mitgerechnet.

Neu ist, dass ein monatlich oder jährlich gezahlter pauschaler Auslagenersatz nur dann von der Umsatzsteuer befreit ist, wenn per Satzung oder Vorstandsbeschluss des Vereins bzw. der Organisation, eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Woche, Monat oder Jahr festgelegt ist und dadurch weder die Jahreshöchstgrenze noch der maximale Betrag pro Stunden überschritten wird.
Die Finanzverwaltung lässt hierzu den betroffenen Ehrenamtlichen sowie ihren Vereinen und Organisationen Zeit bis spätestens 31. März 2014, um entsprechende Verträge und Satzungen anzupassen oder Vereinsbeschlüsse herbeizuführen.

Weitere Infos hierzu gibt es auf den Internetseiten des Bundesfinanzministeriums: www.bundesfinanzministerium.de, unter der Rubrik „Service/BMF-Schreiben“, 27.03.2013, „Umsatzsteuerbefreiung“.