Archiv der Kategorie: Steuerrecht

Zur Umsatzbesteuerung des Schulessens (BMF)

Den Beginn des neuen Schuljahres nimmt der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Hartmut Koschyk zum Anlass, darauf hinzuweisen, wann die Abgabe von Speisen und Getränken in einer Schule umsatzsteuerfrei ist oder nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt.

Das Umsatzsteuerrecht hält in diesem Zusammenhang folgende Möglichkeiten bereit:

Steuerbefreiungen: Die Abgabe von Speisen und Getränken in einer Schule kann derzeit umsatzsteuerfrei sein, wenn diese durch gemeinnützige Einrichtungen erfolgt, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind. Außerdem ist die Beköstigung durch Personen und Einrichtungen umsatzsteuerfrei, wenn diese überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen. Dazu ist nicht erforderlich, dass die Jugendlichen dort Unterkunft und volle Verpflegung erhalten. Unter die Befreiung fallen grundsätzlich auch Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten oder Halbtagsschülerheime. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Verpflegungsleistung durch den Träger der Einrichtung selbst erbracht wird. Das Essen muss nicht in der Schule bzw. durch den Schulträger selbst zubereitet werden, die Ausgabe muss aber durch den Schulträger selbst erfolgen.

Ermäßigter Umsatzsteuersatz: Die Abgabe von Speisen in Schulen kann zum ermäßigten Umsatzsteuersatz erfolgen, wenn sie von einer gemeinnützigen Körperschaft im Rahmen ihres Zweckbetriebs durchgeführt wird. Das gilt z. B. für die Grundversorgung von Schülern mit Speisen und Getränken an Schulen durch gemeinnützige Mensavereine oder Schulfördervereine. In den Fällen der (An-)Lieferung bzw. der Ausgabe der Schulspeisung durch Dritte, z. B. durch Caterer, sieht das Umsatzsteuerrecht eine Steuerbefreiung nicht vor. Sie wäre auch nicht mit EU-Recht vereinbar. Die Lieferung unterliegt aber dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, wenn durch den Caterer lediglich eine reine Lebensmittellieferung erfolgt. Das Bundesministerium der Finanzen setzt sich dafür ein, dass auch bei europarechtlich vorgegebenen Steuerrechtsänderungen in Deutschland Verpflegungsleistungen an Schulen durch gemeinnützige Vereine weiterhin steuerfrei bleiben.

Quelle: BMF online

Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge eines Schweizer Arbeitgebers (FG)

Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei einem ausländischen ArbeitgeberKeine Anwendung des Freizügigkeitsabkommens auf SteuergesetzeVertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung

 Leitsatz

1. Wird die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit eines im Inland ansässigen Grenzgängers, der bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt ist, als fester Bestandteil des Monatslohnes allgemein pauschaliert abgegolten und ist deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht in Betracht.

2. Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln.

3. Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber.

4. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG steht dem nicht entgegen, da dieses auf Steuernormen keine Anwendung findet und als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat und damit den Steuergesetzen nicht vorgeht.

5. Das FA ist bei einem Zuständigkeitswechsel nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen FA gebunden.

6. Vertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung wird nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt.

 Gesetze

EStG § 3b
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 59 Abs. 2
FZA Art. 21
AO § 2

 Instanzenzug

BFH 21.12.2012 – VI R 48/12

 Tatbestand

Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die zusammen veranlagt werden und ihren Wohnsitz im Inland haben. Der Kl ist als Lokomotivführer seit 1. Mai 2004 bei der C GmbH, X/Schweiz, im Schichtdienst tätig. Er fährt „Cargo” und nicht Personenverkehr. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen (Ziffer 8 des Arbeitsvertrags). Nach Ziffer „9. Gehalt” des Arbeitsvertrags erhält der Arbeitnehmer ein

„jährliches Bruttosalär von CHF 108.600.–, zahlbar in 12 Monatslöhnen von je brutto CHF 9050,– spätestens am Ende jeden Monats. … In diesen Beträgen sind CHF 13600,– p.a. bzw. CHF 1133,33 p.M. an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. …”

Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Klage-Akte, S. 99-101).

Der Lohnausweis des Kl für das Streitjahr 2006 (Einkommensteuer(ESt)-Akte, S. 62) wies einen Bruttolohn von 112.896 Schweizer Franken (SFr.) aus und darauf hin, dass im Bruttolohn 16.000 SFr. Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst enthalten seien. Darüber hinaus hat der Kl Reisespesen von insgesamt 4.898 SFr. erhalten. Diese setzen sich nach den Angaben des Kl aus Reisekosten (3.586,30 SFr. für Hin- und Rückfahrten zum/vom Einsatzort) und einer Ausbleibeentschädigung von 1,30 Sfr. ab der 16. Stunde von insgesamt 1.311,30 SFr. zusammen. Der Steuerberater des Arbeitgebers des Kl bestätigte mit Schreiben vom 8. Oktober 2008, dass es sich bei den Reisespesen um die Erstattung „effektiver Auslagen (z.B. für auswärtige Übernachtungen)” handelt (Rechtsbehelfs(Rb)-Akte, S. 14 f.). Die Spesenabrechnungen, abgezeichnet vom Arbeitgeber, legte der Kl vor (Rb-Akte, S. 58 ff.).

Nach der Lohnabrechnung Januar 2006 in SFr. erhielt der Kl:

 

 „Monatslohn

 7 ‚716.65

 Sonn-, Feiertags- und Nachtd.

 1 ‚333.35

 Total AHV-pflichtiger Lohn

 9’050.00 …

 Nettolohn

 7’688.80 …

 Reisespesen für den Monat Dezember 2005

 237,25

 Ausbleibeentschädigung für den Monat Dezember 2005

 151.05…”

 

Der Monatslohn sowie der Betrag für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst war in den Monaten Februar 2006 bis Dezember 2006 identisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lohnabrechnungen der Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 21-32).

Der Kl reichte einen Einzelnachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 mit folgenden Angaben ein:

 

 „Tag  Gearbeitet  bis  Std.  Sonntag  Feiertag  Nacht  Davon
 von  Std.  Std.  Std.20,00-6,00Uhr  Std. 0,00-4,00 Uhr”

 

Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Klage-Akte, S. 33-50).

In seiner Jahresaufstellung der tatsächlich geleisteten Arbeit 2006 (Klage-Akte, S. 51) gab er Folgendes an:

 

 Monat  Std.  Sonntag Std.  Feiertag Std.  Nacht Std. 20,00-6,00 Uhr  Davon Std. 0,00-4,00 Uhr
 Januar

 61,36

 16,03

 5,01

 Februar

 114,49

 2,26

 25,13

 12,15

 März

 190,39

 1,30

 29,37

 12,45

 April

 139,57

 11,03

 6,13

 17,47

 6,53

 Mai

 75,13

 15,46

 4,45

 Juni

 124,06

 38,06

 16,28

 Juli

 128,36

 3,21

 36,01

 22,32

 August

 70,33

 24,57

 13,40

 September

 58,08

 13,07

 12,03

 Oktober

 47,16

 15,22

 3,50

 November

 147,47

 7,33

 39,00

 27,30

 Dezember

 110,53

 29,58

 16,59

 1.269,43

 18,20

 13,46

 300,57

 154,41

 

Der Kl machte in seiner ESt-Erklärung 2006 geltend, von seinem auf dem Schweizer Lohnausweis ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn sei von den von seinem Arbeitgeber pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von 16.000 SFr. ein Betrag von 9.108,25 SFr. steuerfrei.

Diesen ermittelte er wie folgt:

 

 „Grundlohn 7.716,25 Sfr. × 12 = 92.595,00 Sfr.:  tatsächlich geleistete Arbeitsstunden
 1.269,43 Std. = 72,90 Sfr. = 47,02 EUR

 

Tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsarbeitsstunden

 

 Sonntag

 18,20 Std. á 36,45 Sfr.

 =

 663,39 Sfr.

 Feiertagszuschlag

 13,46 Std. á 91,13 Sfr.

 =

 1.226,61 Sfr.

 Nachtarbeit von
 20.00 – 24.00 u. 04.00 – 06.00

 146,16 Std. á 18,58 Sfr.

 =

 2.715,65 Sfr.

 Nachtarbeit von
 00.00 – 04.00

 154,41 Std. á 29,16 Sfr.

 =

 4.502,60 Sfr.

 Gesamt Sonn- und Feiertagszuschläge

 9.108,25 Sfr.”

 

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bezug genommen (Klage-Akte, S. 52).

Der Beklagte (Bekl) behandelte die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Kl. Er berücksichtigte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl in Höhe von (72.521 EUR Bruttoarbeitslohn ./. 8.442 EUR Werbungskosten =) 64.079 EUR, da das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 2 Nummer 10 (Stand Dezember 2004) zur steuerlichen Behandlung der pauschalen Schichtzulage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) u.a. ausführt:

„Steuerliche Behandlung der pauschalen Schichtzulage

…Eine Schichtpauschale kann  steuerfrei bleiben, wenn und soweit sie sich der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit konkret zuordnen lässt,  d.h. wenn sie sich erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt. ….

Die in der Pauschale enthaltenen Einzelzuschläge können aber nur für die am Sonntag, Feiertag und in der Nacht  tatsächlich geleistete  Arbeit steuerfrei bleiben. Soweit sie auf nicht geleistete Stunden (Krankheit, Absenzen, Urlaub) entfallen, sind die Zuschläge in jedem Fall steuerpflichtig (A 30 Abs. 6 Satz 2 LStR ). Dies erfordert, dass der Schweizer Arbeitgeber die tatsächlich geleisteten SFN-Arbeitsstunden festhält.

Darüber hinaus macht die Verwaltung in A 30 Abs. 7 LStR (bestätigt durch BFH-Urteil vom 25.03.1998, a.a.O.) die Steuerbefreiung von einer  Einzelabrechnung durch den Arbeitgeber  abhängig, mit der dieser spätestens am Jahresende eventuell zu viel gezahlte Pauschalzuschläge der Lohnbesteuerung unterwirft. Auf diese Voraussetzung kann bei Grenzgängern verzichtet werden. Die LStR enthalten Anweisungen für den Lohnsteuerabzug durch den inländischen Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber in der Schweiz hat keine Steuerabzugsverpflichtung; folglich kann er selbst bei durchgeführter Abrechnung zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nie der Lohnbesteuerung unterwerfen. Aus diesem Grund ist die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen bzw. das deutsche Finanzamt im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung zulässig.

Die vom Finanzamt für die Abrechnung benötigten Angaben führen zu einer Steuerermäßigung; deswegen liegt die Feststellungslast beim Grenzgänger. …

Die Schichtzulage … ist teilweise steuerfrei zu belassen, wenn

  • • der Grenzgänger das jeweilige Reglement vorlegt und daraus die  Zusammensetzung  der Schichtzulage ersichtlich ist sowie
  • • der Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die  tatsächlich geleisteten  Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt. Zur optimalen Ausnutzung der steuerfreien Nachtzuschläge sind die Nachtstunden von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr getrennt von der übrigen Nachtarbeit auszuweisen (§ 3b Abs. 3 EStG ). Für die abgelaufenen Jahre ist der Nachweis der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit auch nachträglich möglich (BFH-Urteil vom 28.11.1990, BStBl II 1991, S. 298), z.B. durch einen Abgleich des Schichtplans mit der Urlaubs- und Krankenkartei.

 

Der Bekl wich außerdem von den erklärten Werbungskosten des Kl bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung ab und setzte mit Bescheid vom 22. September 2008 die ESt 2006 in Höhe von 10.080 EUR fest. Er zog hiervon die Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 3.226 EUR zurück.

Hiergegen legten die Kl Einspruch ein.

Während des Rechtsbehelfsverfahrens änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 mit Bescheid vom 17. Juli 2009 zugunsten der Kl – er berücksichtigte nunmehr die vom Kl geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit – auf 9.386 EUR. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2009 als unbegründet ab.

Hiergegen erhoben die Kl Klage und machen im Wesentlichen geltend, die vom Schweizer Arbeitgeber des Kl gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit seien gemäß § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung steuerfrei. Diese würden für tatsächlich geleistete Dienste an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht neben seinem festen Monatssalär vergütet. Das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 12 Nummer 10 sehe vor, dass auch Pauschalzuschläge steuerfrei sein können, soweit sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistet Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entsprächen. Diese Vorgehensweise stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Danach seien pauschal gezahlte Zuschläge dann steuerfrei, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden auflistet, danach zum Jahresende abrechnet und zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nachträglich der Lohnbesteuerung unterwirft. Da ein Schweizer Arbeitgeber nicht zum Steuerabzug an den deutschen Fiskus verpflichtet sei, könne die erforderliche „Abrechnung” vom Steuerpflichtigen vorgenommen werden und zwar im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung. Die Schichtzulage sei danach unter Beachtung des Grenzgängerhandbuchs steuerfrei zu belassen, da die Zuschläge durch Einzelauflistung den tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten konkret zugeordnet werden könne. Die Einzelauflistung weise die tatsächlichen Arbeitsstunden für das gesamte Jahr nach und damit auch an Sonntagen, Feiertagen und für Nachtarbeit, wobei die Nachtarbeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr nochmals getrennt ausgewiesen worden sei. Die steuerfreien Zuschläge beliefen sich auf 9.108,25 SFr. (5.783 EUR). Des Kl Arbeitslohn sei damit mit 66.738 EUR anzusetzen.

Im Übrigen sei bei den Veranlagungen der Vorjahre diese Berechnung der Steuerfreiheit der Zuschläge vom Bekl anerkannt worden. Die Einzelaufstellung habe der Kl auf Wunsch des Bekl -früher sei für seine Besteuerung die Hauptstelle zuständig gewesenerstellt. Ein entsprechendes Schreiben des Bekl vom 28. Juni 2006 (Herrn D) habe er zur Einsichtnahme vorgelegt. Ändere sich die interne Zuständigkeit, könne dies nicht zu einer abweichenden Steuerfestsetzung führen. Er habe die von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Dienstpläne verwendet. Die Dienstpläne würden vom Bundesamt für Verkehr mit Sitz in Bern überprüft. Dieses überprüfe aus Sicherheitsgründen die Arbeitszeiten. Diese überprüften Arbeitszeiten habe der Kl seiner Auflistung und Berechnung zugrunde gelegt. Außerdem unterschreibe der Betriebsleiter die Arbeitszeitlisten. Sein Arbeitgeber habe auch die Einzelaufstellungen unterschrieben, welche von seinem Prozessbevollmächtigten für den Bekl aufbereitet worden seien.

Die Kl beantragen,

den geänderten ESt-Bescheid 2006 vom 19. Januar 2012 dahin gehend zu ändern, dass die ESt in Höhe von 7.522 EUR festgesetzt wird;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Zulassung der Revision.

Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, Zuschläge, die in festen Monatsbeträgen pauschal ohne Rücksicht auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt werden, seien nicht steuerfrei. Allein die Aufzeichnung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden reiche für eine Steuerbefreiung nicht aus. Unterliege der Arbeitslohn bei Grenzgängern zur Schweiz nicht dem Lohnsteuerabzug, finde keine für die Steuerbefreiung erforderliche Einzelabrechnung der Pauschalzuschläge durch den Arbeitgeber statt. Nach den bestehenden Verwaltungsanweisungen (Grenzgängerhandbuch) könne zwar eine „Abrechnung” durch den Kl bzw. den Bekl im Rahmen der ESt-Veranlagung vorgenommen werden. Dies setze indes voraus, dass sich die Pauschale erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetze, die sich wiederum an den tatsächlichen Soll-Arbeitsstunden der Arbeitnehmer orientierten und darüber hinaus vom Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder einer Anlage dazu auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen bzw. zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt werden. Der Kl erhalte jedoch neben dem Grundlohn eine feste Schichtzulage und zwar auch während den Urlaubs- und Krankheitszeiten. In solch einem Falle stelle die Zulage keine Abschlagszahlung dar, die im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werde. Im Übrigen setze die Steuerfreiheit der Zulage voraus, dass der Kl das jeweilige Reglement vorlege, woraus ersichtlich sei, wie sich die Schichtpauschale im Einzelnen zusammensetze. Einen solchen Nachweis habe der Kl nicht erbracht, da es nach seinen Angaben kein Reglement gebe, in dem die Zusammensetzung der gezahlten Schichtpauschale geregelt sei.

Die Berichterstatterin erörterte mit den Beteiligten am 28. Juli 2011 die Sach- und Rechtslage. Der Kl legte u.a. ein Schreiben seines Arbeitgebers für 2010 zur Einsichtnahme vor, nach dem er auch aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet habe. Eine Freistellung der Einkünfte begehre er indes nicht. Die Berichterstatterin gab u.a. zu bedenken, dass der Kläger in den Streitjahren in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet habe und ein Abgleich mit dem Schichtplan unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankentagen erfolgt sei. Danach sei eine sachlich zutreffende Aufteilung der Zuschläge tatsächlich möglich, so dass eine Aufteilung der dem Kläger gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen erfolgen könne (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 2004 IV B 160/02 , Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2004, 1649; Moritz in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG , § 3b Rn. 23). Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Klage-Akte, S. 81-83).

Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 5. August 2011, nach Hinzuziehung der Akten der Vorjahre, dass der Kl laut Ziffer 9 des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2004 ein jährliches Bruttosalär von 108.600 Sfr., zahlbar in 12 Monatslöhnen von je 9.050,– Sfr. erhalte. In diesen Beträgen seien 13.600,– Sfr. jährlich bzw. 1.133,35 Sfr. monatlich an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. Dieser sei in der monatlichen Pauschale von 1.333,35 Sfr. enthalten und betrage wohl monatlich 200,– Sfr. Auf der Grundlage der vom Kl gefertigten Aufstellungen könne zwar ermittelt werden, in welcher Höhe ihm der Arbeitgeber nach der Vorschrift des § 3b EStG steuerfreie Zuschläge auszahlen dürfe. Ein Nachweis darüber, dass ihm der Arbeitgeber derartige Einzelzuschläge mit der Schichtpauschale von monatlich 1.133,35 Sfr. auch tatsächlich ausbezahlt hat, sei indes nicht erbracht worden. Die Voraussetzung für eine Steuerfreiheit, wonach eine Schichtpauschale u.a. nur dann steuerfrei bleiben könne, wenn sie sich auch erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt, sei damit nicht erfüllt. Soweit der Bekl für die Vorjahre eine andere bzw. falsche Rechtsauffassung vertreten habe, sei er hieran wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht gebunden.

Der Bekl schilderte noch die Vorgehensweise der Betriebe der Basler Chemischen Industrie in Bezug auf die pauschalen Zuschläge ihrer Mitarbeiter, die Grundlage für die Ausführungen im Grenzgängerhandbuch gewesen seien. Recherchen des Bekl im Internet hätten ergeben, dass im hier betroffenen Bereich der Schweizer Eisenbahnen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit Zuschläge gezahlt würden, die deutlich unter den Beträgen liegen würden, die sich nach den Vomhundertsätzen des § 3b EStG ergäben. Informationen habe er von der E, der D AG, und der G AG (dort sei der Kl vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2004 beschäftigt gewesen) bekommen. Nach den Berechnungen des Kl ergäben sich im Streitfall Zulagen, die weit über den tatsächlich ausbezahlten Zulagen lägen und infolge der rechnerischen Ermittlung jährlich schwankten. § 3b EStG stelle auf den einzelnen Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ab und nicht auf die Summe der Zuschläge für Arbeit zu diesen Zeiten. Nur eine konkrete Zuordnung der Pauschale zu den einzelnen begünstigten Zuschlagsarten ermögliche – wegen der unterschiedlichen Vomhundertsätze für die einzelnen Zuschläge – die Überprüfung der Begrenzung der Steuerfreiheit auf die einzelnen Höchstsätze. Hinsichtlich der vom Kl gefertigten Aufstellungen sei noch darauf hinzuweisen, dass der Grundstundenlohn nicht nach der tatsächlich geleisteten, sondern der im Anstellungsvertrag vereinbarten Sollarbeitszeit (laut Ziffer 8 des Vertrags wöchentlich 40 Stunden) zu ermitteln sei. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 93-132).

Daraufhin bat die Berichterstatterin den Kl um Stellungnahme und Vorlage des Gesamtarbeitsvertrags und/oder des Spesenreglements seines Arbeitgebers.

Der Kl antwortete, dass ein Ortszuschlag nicht bezahlt werde. Ein Ortszuschlag würde die Zuschläge erhöhen. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. September 2011. In dieser wird ausgeführt:

  1. 1.           „Die Mitarbeiter der C Schweiz GmbH sind keinem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. Die Zulagen sind gemäß Arbeitsvertrag bzw. in der Planungs- und Einsatzrichtlinie der C Schweiz GmbH geregelt. Zudem werden die gesetzlichen Vorgaben gemäß Arbeitszeitgesetz (AZG) eingehalten und umgesetzt.
  2. 2.           Es ist richtig, dass die C Schweiz GmbH derzeit keine Lokführer angestellt hat, welche einen anderen Dienstort als X/Schweiz haben. Somit wird hier in X/Schweiz kein Ortszuschlag vergütet.
  3. 3.           Die Einsätze an Sonn- und Feiertagen ergaben sich zum einen aus der Schichtrotation, aber auch aus der aktuellen betrieblichen Lage im Tagesgeschäft. Eine tatsächliche Berechnung der Nebenbezüge (Zulagen) im Vorfeld ist somit nicht möglich, sondern kann allenfalls geschätzt werden.
  4. 4.           Das Arbeitsgesetz ist für alle konzessionierten Eisenbahnunternehmen in der Schweiz grundlegend und findet bei der C Schweiz GmbH vollumfänglich Anwendung. Das Bundesamt für Verkehr hat als hoheitliche Behörde stets das Recht, Kontrollen bezüglich der Einhaltung durchzuführen.”

 

Die Planungs- und Einsatzrichtlinien seines Arbeitgebers, gültig ab 1. Januar 2010, fügte der Kl bei. Darin ist u.a. vermerkt:

„7. Leistungsnachweis

Grundsätzlich wird die erbrachte Arbeitszeit von MEV übernommen. In der Abrechnungsstelle werden nur noch die Zeitgutschriften (Nachtzuschlag) nachgetragen.

8. Pausen / Nachtzuschläge

8.1 AZG

Die Abrechnung respektive die Zuschläge für die Pausen wie auch die Zuschläge für Nachtarbeit werden gemäss AZG [Arbeitszeitgesetz] / AZGV [Verordnung zum Arbeitszeitgesetz ] kalkuliert und auf Ihrer persönlichen Abrechnung ausgewiesen.

8.2 Verpflegungspauschale

Die Höhe der Pauschale richtet sich nach der Abwesenheit vom Dienstort und bezieht sich jeweils auf die Dienstschichten. Die Abrechnung erfolgt über die Schichtprotokolle und Stundenabrechnungen. …

10. Ausfüllen des Leistungsformulars

10.1 Spalte Datum / Tag

Jeder Tag muss vermerkt werden; Ruhetage oder UEZ [Überstundenzuschlag] – Bezug sind immer einzeln als solche in der Spalte Arbeit zu vermerken. Bei Ferien können die reinen Ferientage MO – FR als Block zusammengefasst werden.

10.6 Spalten Arbeitszeit, Zuschläge

In Basisarbeitszeit ist das Total der AZ des ganzen Dienstes, also innerhalb DA [Dienstantritt] – DE [Dienstende] zu notieren. Die übrigen Zuschläge errechnen sich nach den Vorgaben des AZG/AZGV. (Die letzte Spalte Auswärts-Zuschlag ist nicht AZG-relevant).”

Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30. September 2011 nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 135-145).

Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 auf 9.234 EUR. Er erkannte nunmehr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 504 EUR für eine Fahrt zum vermieteten Objekt an.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2012 wies die Berichterstatterin den Vertreter des Kl sowie den Bekl auf das nach dem Erörterungstermin ergangene Urteil des BFH vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 (Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2012, 291 ) nebst zwei Aufsätzen hierzu hin.

Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 4. Juni 2012, dass der BFH bestätige, dass pauschal gezahlte Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nur in Ausnahmefällen steuerfrei belassen werden dürften. Der Kl habe zwar unstreitig die Anzahl der geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden nachgewiesen. Die Zahlung der monatlichen Pauschale sei indes nicht an eine bestimmte im Vorhinein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Stundenzahl geknüpft worden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 56/90 , BStBl. II 1991, 298). Im Übrigen seien in den Urteilsfällen VI R 56/90 und VI R 18/11 –im Gegensatz zum Streitfall– die vom Arbeitgeber bezahlten Einzelzuschläge auch der Höhe nach (im Voraus) vertraglich festgelegt gewesen. Im Streitfall habe der Kl rein rechnerisch ermittelt, in welcher Höhe sein Arbeitgeber steuerfreie Zuschläge hätte auszahlen dürfen. Er könne aber keinen Aufschluss darüber geben, welche Stundenzahl und welche Zuschläge der Arbeitgeber bei den Ermittlungen der monatlichen Pauschale tatsächlich zugrunde gelegt hat. Infolgedessen sei in Bezug auf die Pauschale weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich. Ferner werde im Streitfall die Pauschale nicht neben dem Grundlohn gewährt, sondern sei Teil der einheitlichen Entlohnung. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag Ziffer 9, wonach der Kl ein jährliches Bruttosalär einschließlich der pauschalen Zuschläge erhalte.

Die Kl antworteten mit Fax vom 20. Juni 2012, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, dass das Verfahren VI R 18/11 einen Steuerpflichtigen mit einem inländischen Arbeitgeber betreffe. Im Streitfall gebe es die Besonderheit, dass der Schweizer Arbeitgeber des Kl nicht nach § 41b EStG verpflichtet werden könne, eine jährliche Abrechnung zu erstellen. Ferner sei im Verfahren VI R 27/10 keine Einzelauflistung / Einzelabrechnung vorgelegt, sondern eine prozentuale Ermittlung vorgenommen worden. Ein Pauschalzuschlag sei steuerfrei, als er insoweit den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entspreche. Da der Kl einen Schweizer Arbeitgeber habe, sei die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung zulässig. Seine, des Kl, Schichtzulage sei steuerfrei, da sie durch seine Einzelauflistung der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zugeordnet worden sei.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, so der Bekl mit Schreiben vom 5. August 2011 und die Kl mit Schreiben vom 30. September 2011.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Von den vom Schweizer Arbeitgeber an den Kl pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von insgesamt 16.000 SFr. ist nicht ein Betrag von 9.108,25 SFr. als steuerfreier Arbeitslohn zu behandeln.

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach § 3b Abs. 2 S. 1 EStG ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Unter Berücksichtigung des Wortlauts „neben” kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b Abs. 1 EStG nicht in Betracht, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit allgemein pauschaliert abgegolten wird und deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 , BStBl. II 2012 , 291 ).

Der Kl hat indes eine pauschale Vergütung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten, die nicht neben seinem Grundlohn, sondern als fester monatlicher Bestandteil seines Arbeitslohns ausbezahlt wurde. Sie war Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch nachts, bzw. an Sonntagen und Feiertagen geleistete Tätigkeit des Kl. Dies belegt § 9 des Arbeitsvertrags, nach dem der Kl einen monatlichen Fixbetrag ausbezahlt bekommt, unabhängig davon, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit er seine Arbeit verrichtet. Der Kl hat die pauschalen Zuschläge endgültig erhalten. Sie haben nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung den Charakter einer allgemeinen Lohnerhöhung, da sie unabhängig von der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausbezahlt werden und zwar jeden Monat i.H.v. 1.333,35 SFr. Sie gehören infolgedessen zum laufenden –steuerpflichtigen– Arbeitslohn. Denn laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, laufende Zulagen oder Zuschläge, etc.; BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 , BStBl. II 2011, 43). Vereinbaren der Kl und sein Arbeitgeber einen monatlichen Betrag, nach dem die Zuschläge aus Praktikabilitätsgründen ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet werden, dient die Pauschale nicht lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Denn der Arbeitgeber des Kl hat die pauschalen Zuwendungen nicht als Abschlagszahlung oder Vorschuss auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 , Juris).

Diese Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck der Norm vereinbar. Denn § 3b Abs. 1 EStG soll gewährleisten, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeine Gegenleistung für die Arbeitsleistung – so wie im Streitfalldarstellen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08 , BFH/NV 2010, 201 ).

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der vom Kl anhand der Dienstpläne gefertigten und von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Einzelaufstellungen der unstreitig tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und des hieraus verhältnismäßig ermittelten steuerfreien Arbeitslohns. Zu Recht geht zwar der Kl davon aus, dass eine Steuerfreiheit zu bejahen ist, wenn eine sachlich zutreffende, d.h. nicht nur rechnerische, Aufteilung der ihm pauschal gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen möglich ist (BFH-Beschluss vom 9. August 2004 VI B 160/02 , BFH/NV 2004, 1649 ). Die Aufstellungen und Berechnungen des Kl ermöglichen jedoch allenfalls eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten). Eine Zurechnung der Höhe nach (Steuerfreistellung nach %-Sätzen des Grundlohns) ergibt sich aus ihnen nicht. Die vom Arbeitgeber des Kl bezahlten Einzelzuschläge sind der Höhe nach nicht vertraglich festgelegt gewesen. Vereinbart war eine Pauschale, deren Ermittlung weder dem Arbeitsvertrag noch dem Schreiben des Arbeitgebers vom 19. September 2011 noch den Planungs- und Einsatzrichtlinien des Arbeitgebers zu entnehmen ist. Der Arbeitgeber des Kl verweist insoweit auf seine Kalkulation gemäß AZG und AZGV. Außerdem schwanken infolge der rechnerischen Ermittlung durch den Kl die Zuschläge jährlich.

Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln (siehe zur „Differenzbesteuerung” BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08 , BFH/NV 2010, 201 ). Denn die Steuerbefreiung setzt voraus, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und dem Lohn hergestellt wird (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 27/10 , BFH/NV 2011, 683 ).

Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung sind nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG ) gleichmäßig anzuwenden. Eine Differenzierung nach dem Sitz des Arbeitgebers wäre insoweit nicht sachgerecht.

Dem steht nicht das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EG ) und ihren Mitgliedern vom 21. Juni 1999 (sog. Freizügigkeitsabkommen – FZA –, Bundesgesetzblatt – BGBl. – II 2001, 811), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist (offen gelassen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2003 2 BvR 168/02, Internationales Steuerrecht (IStR) 2004, 125) entgegen, auch wenn das FZA, ein sektorspezifisches Abkommen, ein völkerrechtlicher Vertrag ist, der bestimmte, im Einzelnen geregelte Freiheiten garantiert und ein allgemeines Diskriminierungsverbot formuliert (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, Entscheidungen der FG – EFG – 2010, 1997).

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst nach Art. 39 Abs. 2 und 3 des Vertrags zur Gründung der EG vom 7. Februar 1992 in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001 (BGBl. 2002 II, 1666 ), geändert durch den Beitrittsvertrag (BGBl. 2003 II, 1477 ), das Recht auf Ausreise aus dem Heimatstaat, das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Aufnahmestaat sowie das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang und bei Ausübung einer Beschäftigung (Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003 , Beilage 2, 75). Der Sinn und Zweck der Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht in der Möglichkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Sie enthält neben einem Diskriminierungsverbot, einem Gebot der Inländergleichbehandlung im Aufnahmestaat, ein Recht auf nahezu unbegrenzt grenzüberschreitende Betätigung (Freiheitskomponente), das in ein Beschränkungsverbot mündet. Sie ist damit auch betroffen, wenn eine nationale Regelung geeignet ist, einen Arbeitnehmer an der Aufnahme einer Arbeit in einem anderen Staat zu behindern (EuGHUrteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003 , Beilage 2, 75). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn dem Kl wird die Steuerfreiheit des § 3b Abs. 1 EStG nicht deshalb verwehrt, weil sein Arbeitgeber ein Schweizer Arbeitgeber ist, sondern weil die Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind. Letztendlich begehrt der Kl die Möglichkeit eines einfacheren Nachweises der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung eines Teils seines Arbeitslohns, da er einen ausländischen Arbeitgeber hat. Eine solche Beweiserleichterung lässt sich jedoch mit dem FZA nicht begründen. Nach Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge ist das FZA nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen (EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-70/09, Tz. 36, 42, Juris). Für seine Auslegung sind die im Abkommen selbst festgeschriebenen Zielsetzungen sowie „das Niveau der sektoriellen Integration in den gemeinsamen Binnenmarkt entscheidend” (Imhof, Das Freizügigkeitsabkommen EG -Schweiz und seine Auslegungsmethode – Teil 1, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht – ZESAR – 2007, 155 ff.). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Art. 21 FZA darauf schließen lässt, dass, nach dem Willen der Vertragsparteien, das FZA grundsätzlich keine Anwendung auf Steuernormen finden soll (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, EFG 2010, 1997 ). Hinzu kommt, dass das FZA als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG ) und damit einem Steuergesetz nicht vorgeht. § 2 Abgabenordnung (AO) , nach dessen Wortlaut völkerrechtliche Verträge über die Besteuerung den Steuergesetzen vorgehen, kann als einfaches Recht keinen allgemeinen Vorrang völkerrechtlicher Verträge begründen, so dass eine Normenkollision im konkreten Einzelfall nach den allgemeinen Regeln aufzulösen ist (Drüen in Tipke/Kruse, AO , § 2 Rn. 1 f., 38). Entscheidend ist daher, welche Vorschrift als die speziellere anzusehen ist. Dies ist im Streitfall § 3b Abs. 1 EStG .

Entgegen der Ansicht der Kl war der Bekl ferner nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Treu und Glauben am Erlass des angefochtenen ESt-Bescheids 2006 gehindert. Der Bekl ist bei einem Zuständigkeitswechsel infolge der Abschnittsbesteuerung nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen Bearbeiters gebunden. Im Übrigen stellt das Schreiben des früheren Bearbeiters vom 28. Juni 2006 keine verbindliche Auskunft dar. Es fehlt insoweit an einer behördlichen Erklärung, die sich auf einen erst in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalt bezieht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2004 I R 54/03 , BStBl. II 2004, 767). Soweit die Kl geltend machen, die Entscheidung weiche von Fach B Teil 2 Nummer 10 des Grenzgängerhandbuchs ab, geht es ihnen um einen Vertrauensschutz aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls. Sie begehren die Anwendung der Ausführungen im Grenzgängerhandbuch, einer Verwaltungsanweisung, zu ihren Gunsten. Diesbezüglicher Vertrauensschutz wird nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1998 X R 110/95 , BStBl. II 1999 , 225 ; vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl. II 2009, 744 und vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256 ). Streitgegenstand ist jedoch die ESt-Festsetzung 2006.

Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob der Kl den Grundlohn entsprechend § 3b Abs. 2 S. 1 EStG berechnet hat. Danach orientiert sich dieser an der für den Kl maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit und nicht nach den tatsächlich geleisteten Stunden.

Nachdem das Einverständnis beider Beteiligter vorliegt, hält es der Senat für sachgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kl gemäß § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ). Denn das Verhältnis des FZA zum nationalen Steuerrecht bei einem Arbeitnehmer und dessen Auswirkungen auf Nachweispflichten ist noch nicht geklärt.

Mehrwertsteuer: Kommission schlägt neues Instrument zur schnellen Reaktion auf Betrug vor

Die Kommission hat heute einen Vorschlag für einen Schnellreaktionsmechanismus angenommen, der den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, schneller und wirksamer auf Mehrwertsteuerbetrug zu reagieren. Dieser Mechanismus sieht vor, dass ein Mitgliedstaat, der unvermittelt in großem Umfang von Betrug betroffen ist, auf eine gegenwärtig in den MwSt-Vorschriften nicht vorgesehene Weise bestimmte Notfallmaßnahmen anwenden könnte. So sollen die Mitgliedstaaten binnen eines Monats die sogenannte „Reverse-Charge-Regelung“ anwenden können, bei der die Steuer vom Erwerber geschuldet wird und nicht vom Lieferer der Gegenstände oder vom Dienstleistungsempfänger. Auf diese Weise würden die Chancen, komplexen und systematischen Mehrwertsteuerbetrug wie etwa Karussellbetrug zu bekämpfen, erheblich verbessert und ansonsten unvermeidliche finanzielle Verluste eingedämmt. Damit künftig auf neue Formen des Betrugs reagiert werden kann, sollen im Rahmen des Schnellreaktionsmechanismus auch weitere Betrugsbekämpfungsmaßnahmen genehmigt und eingeführt werden können.

Algirdas Šemeta, EU-Kommissar für Steuern, Zollunion, Audit und Betrugsbekämpfung erklärte: „Bei Mehrwertsteuerbetrug gilt der Grundsatz „Zeit ist Geld“. Betrüger werden immer schneller und raffinierter, wenn es darum geht, Systeme zu entwickeln, um die öffentliche Hand zu bestehlen. Daher müssen wir den Betrügern einen Schritt voraus sein. Mit dem Schnellreaktionsmechanismus wird im MwSt-System eine Handhabe geschaffen, um Mehrwertsteuerbetrug wirksam zu bekämpfen. Der Mechanismus wird dazu beitragen, dringend benötigte öffentliche Einnahmen zu schützen und für ehrliche Unternehmen faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen herbeizuführen.“

Mehrwertsteuerbetrug kostet die EU und die nationalen Haushalte alljährlich mehrere Milliarden Euro. In einigen schwerwiegenden Fällen gehen wegen der sich rasch entwickelnden Betrugssysteme in sehr kurzer Zeit enorme Summen verloren. Ein Beispiel ist der Bereich des Emissionshandels, in dem zwischen Juni 2008 und Dezember 2009 aufgrund von Mehrwertsteuerbetrug schätzungsweise 5 Mrd. Euro verlorengegangen sind.

Ein Mitgliedstaat, der Mehrwertsteuerbetrug durch Maßnahmen bekämpfen möchte, die in den Mehrwertsteuervorschriften der EU derzeit nicht vorgesehen sind, muss förmlich die Genehmigung einer Ausnahmeregelung beantragen. Daraufhin erarbeitet die Kommission einen entsprechenden Vorschlag und legt ihn dem Rat vor, der ihn einstimmig annehmen muss, bevor die Maßnahmen umgesetzt werden können. Dieses Verfahren kann zeitaufwändig und umständlich sein und es verzögert die Maßnahmen der Mitgliedstaaten, um den Betrug zu stoppen.

Mit dem Schnellreaktionsmechanismus müssten die Mitgliedstaaten nicht länger auf den Abschluss dieses förmlichen Verfahrens warten, bevor sie spezielle Betrugsbekämpfungsmaßnahmen anwenden. Stattdessen würde ihnen in einem wesentlich zügigeren Verfahren binnen eines Monats genehmigt, von den Mehrwertsteuervorschriften der EU abzuweichen. Auf diese Weise könnten sie mit der Betrugsbekämpfung fast sofort beginnen, bis dauerhaftere Maßnahmen in Kraft treten (und ggf. das übliche Verfahren zur Genehmigung von Ausnahmeregelungen eingeleitet wird).

Hintergrund

Der Schnellreaktionsmechanismus ist in der neuen Mehrwertsteuerstrategie (siehe IP/11/508) und in der Mitteilung über die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung (siehe IP/12/697) vorgesehen, um die Bekämpfung des Steuerbetrugs in der EU zu verstärken und die öffentlichen Einnahmen zu schützen.

Nützliche Links:

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/vat/key_documents/legislation_proposed/index_de.htm

Für weitere Informationen siehe MEMO/12/609

Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen (BFH)

Steuerrechtliche Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen

 Leitsatz

1. Obligatorische Beiträge an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie aus Einkünften stammen, die in Deutschland aufgrund des DBA-Schweiz steuerfrei sind.

2. Der fehlende Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

3. Die entsprechenden Beiträge können auch nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.

 Gesetze

EStG § 10 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG § 32b Abs. 2 Nr. 2
GG Art. 3
EG Art. 43
FZA Art. 1 Buchst. a
FZA Art. 16 Abs. 2

 Instanzenzug

FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 21. Juli 2009 11 K 378/07 (EFG 2010, 208 )BFH X R 62/09

 Gründe

A.

1  Der im Inland ansässige Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2005 als Unternehmensberater Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Geschäftsführer der U-Aktiengesellschaft mit Sitz in A, Schweiz) sowie aus Gewerbebetrieb (R-Unternehmensberatung, mit Sitz in B, Schweiz).

2  Die gewerblichen Einkünfte sind —was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht— nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BStBl I 1972, 518) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 (BStBl I 2003, 165) —DBA-Schweiz — in Deutschland steuerfrei. Sie unterliegen allerdings dem Progressionsvorbehalt nach § 32b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG ).

3  Auf diese Einkünfte hatte der Kläger Beiträge zur Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) in Höhe von 31.096,61 € zu entrichten. Dabei handelt es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) um obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung (vgl. Art. 112 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 i.V.m. Art. 1a Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung —AHVG—). Diese Beiträge sind nach dem Einkommensteuerrecht der Schweiz zur Ermittlung des Reineinkommens abziehbar (Art. 33 Abs. 1 Buchst. d des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer —DBG—) und wurden vom Kläger bei der Ermittlung seines der Schweizer Bundessteuer unterliegenden Einkommens abgezogen. In seiner deutschen Einkommensteuererklärung machte der Kläger die AHV-Beiträge zum einen als Sonderausgaben geltend und erhöhte zum anderen für Zwecke der Ermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte das der schweizerischen Besteuerung unterliegende Einkommen um diese Beträge auf 641.024,35 CHF (413.460,71 €).

4  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die AHV-Beiträge weder als Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Sonderausgaben noch zog das FA die AHV-Beiträge bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b EStG von den gewerblichen Einkünften in Höhe von 413.460 € ab.

5  Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, unter Berücksichtigung des Paradigmenwechsels bei der Besteuerung der Renten im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG ) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427 ) stehe der AHV-Beitrag in Zusammenhang mit (künftig) steuerpflichtigen Rentenzahlungen. Demnach seien Vorsorgeaufwendungen nicht nur Maßnahmen der Einkommensverwendung, sondern Aufwendungen zur Einkünfteerzielung. Auch die Rente seines ausländischen Versorgungsträgers sei bei Auszahlung im Inland steuerpflichtig. Müsse er aber die Renteneinnahmen im Zeitpunkt des Zuflusses versteuern, ohne dass die hierfür erforderlichen Beiträge als Sonderausgaben berücksichtigt worden seien, treffe ihn eine doppelte Belastung. Werde der vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710) geprägte Grundsatz der intertemporalen Korrespondenz beachtet, seien die AHV-Beträge abziehbar.

6  Das FG wies die Klage mit dem in Entscheidungen des Finanzgerichte (EFG) 2010, 208 veröffentlichten Urteil ab. Die Beiträge des infolge seines inländischen Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtigen Klägers zur Schweizer AHV in Höhe von 31.096,61 € seien nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil sie gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den aufgrund des DBA-Schweiz steuerfreien Einkünften aus der Unternehmensberatung des Klägers stünden. Der Kläger werde durch die Versagung des Sonderausgabenabzugs nicht doppelt belastet, da eine Doppelbelastung nur vorliege, wenn ein Steuerpflichtiger seine Beiträge zur Altersversorgung aus versteuertem Einkommen leiste. Die Einkünfte aus der Unternehmensberatung des Klägers hätten sein im Inland zu versteuerndes Einkommen nicht erhöht und seien schon deshalb „steuerfrei” gestellt worden. Im Übrigen seien die Beiträge zur AHV auch nicht in der Schweiz besteuert, sondern vielmehr von den Einkünften abgezogen worden, so dass auch staatenübergreifend keine Doppelbelastung vorliege.

7  Der Kläger wendet sich mit seiner Revision gegen die Anwendung des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG . Das Merkmal „Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften” müsse im Hinblick auf die nachgelagerte Besteuerung anders ausgelegt werden. Seit dem Inkrafttreten des AltEinkG bestehe nicht mehr allein ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Vorsorgeaufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung und den Einkünften desselben Zeitraums, sondern auch mit den zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen im Rentenbezugszeitraum. Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs sei nach der bis 2004 geltenden Rechtslage sinnvoll gewesen, weil der Zufluss der späteren Renteneinkünfte seinerseits steuerfrei geblieben wäre. Dadurch sei eine überproportionale Begünstigung des Steuerpflichtigen vermieden worden, der neben —ggf. unter Progressionsvorbehalt stehenden— steuerfreien auch steuerpflichtige Einkünfte bezogen habe. Nach dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung könne es jedoch nicht allein darauf ankommen, welches Schicksal die im Zusammenhang mit den Aufwendungen stehenden jetzigen Einnahmen hätten. Vielmehr ergebe sich aus dem ebenfalls unbestreitbaren Sachzusammenhang mit den späteren steuerpflichtigen Renten ein weiteres Differenzierungskriterium. Die Vorsorgeaufwendungen würden aus Einkünften geleistet, die dem Grunde nach besteuert werden könnten. Die Freistellung aufgrund des DBA-Schweiz bewirke, dass der Schweiz das Recht zur Besteuerung zugeteilt werde. Ob die Schweiz von diesem Recht Gebrauch mache, dürfe nicht von Bedeutung sein, da es eine Frage des schweizerischen Steuerrechts sei.

8  Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den geänderten Bescheid über die Einkommensteuer 2005 vom 25. Juni 2007 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein weiterer Betrag in Höhe von 31.096 € bei der Berechnung der anzusetzenden Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigt wird.

9  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10  Unter dem 12. Januar 2010 und unter dem 15. Februar 2011 wurde der Einkommensteuerbescheid 2005 jeweils aus zwischen den Beteiligten nicht strittigen Gründen geändert.

B.

I.

11  Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da der während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 an die Stelle des Änderungsbescheids vom 12. Januar 2010 trat, der seinerseits an die Stelle der Einkommensteuerfestsetzung vom 25. Juni 2007 getreten war. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (siehe dazu Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 46/02, BFH/NV 2004, 1643 , m.w.N.).

12  Der Bescheid vom 15. Februar 2011 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige Streitstoff nicht verändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 127 Rz 2). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00 , BFHE 201, 269 , BStBl II 2004, 43).

II.

13  Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die von ihm an die AHV geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen zwar grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in den Grenzen des § 10 Abs. 3 EStG geltend machen kann (unten 1.), dem Sonderausgabenabzug jedoch § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entgegensteht (unten 2.). Eine Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts ist ebenfalls nicht möglich (unten 3.).

14  1. Die AHV-Beiträge sind grundsätzlich als Vorsorgeaufwendungen abziehbar, weil die AHV als Sozialversicherungsträger i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen ist. Hierzu hat das FG —den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend— festgestellt, dass im Streitfall obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung vorliegen. Ob es sich um einen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträger handelt, ist insoweit ohne Belang (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06, BFHE 225, 421 , BStBl II 2009, 1000).

15  2. Der Sonderausgabenabzug der aufgrund der gewerblichen Tätigkeit zu entrichtenden Beiträge an die AHV scheitert jedoch gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG daran, dass die Beiträge in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

16  Ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht zwischen den vom Kläger an die AHV geleisteten Beiträgen und seinen im Inland steuerbefreiten Einkünften aus der in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (unten a und b). Der Ausschluss dieser ausländischen Vorsorgeaufwendungen vom Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (unten c).

17  a) Zu § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. vor dem Inkrafttreten des AltEinkG hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen ist, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (Urteile vom 18. Juli 1980 VI R 97/77, BFHE 131, 339 , BStBl II 1981, 16 zum steuerfreien Arbeitslohn aufgrund des Montage-Erlasses; vom 27. März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64 , BStBl II 1981, 530 zum gemäß § 3 Nr. 63 EStG 1975 steuerfreien Arbeitslohn für eine Tätigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, und vom 29. April 1992 I R 102/91, BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149 zu den aufgrund eines DBA steuerfreien Einkünften). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor. Die mit der Verausgabung der Pflichtbeiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit wird bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen (so auch u.a. BFH-Urteil in BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149).

18  Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist danach dadurch gegeben, dass die steuerfreien Einnahmen verpflichtend der Finanzierung der Vorsorgeaufwendungen dienen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Vorsorgeaufwendungen zu steuerfreien Einnahmen führen (vgl. auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff —KSM—, EStG , § 10 Rz M 5 ff., M 13 ff.).

19  b) Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des erkennenden Senats ebenfalls für die Rechtslage nach Inkrafttreten des AltEinkG .

20  aa) Durch das AltEinkG wurde der Wortlaut des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht geändert. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelungen zu den Nrn. 1 und 2 Buchst. a und c der bisherigen Regelung entsprächen (Gesetzentwurf des AltEinkG , BTDrucks 15/2150, 34).

21  Durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1959 ) wurde lediglich eine Sonderregelung für steuerfreie Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherungen eingeführt. Danach stehen derartige Zuschüsse insgesamt in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG . Hierdurch wird sichergestellt, dass Beiträge zur Absicherung von Mehrleistungen bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern genauso behandelt werden wie bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/13429, 44).

22  bb) Das neue System der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte aufgrund des AltEinkG mit der grundsätzlichen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, die zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, erfordert keine Änderung bzw. Anpassung der BFH-Rechtsprechung.

23  Mit dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung wurde die Besteuerung von Leibrenten neu geregelt. Rentenzuflüsse, also die zeitlich gestreckte Auszahlung der Versicherungssumme, können jetzt, auch soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des Steuerpflichtigen zur Rentenversicherung beruhen, über den Ertragsanteil hinaus der Besteuerung unterworfen werden. Zumindest solange die Beitragszahlungen „steuerfrei” gestellt werden, wird der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht überschritten (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710).

24  Eine solche Steuerfreistellung ist hier gegeben. Zwar mindern die Beiträge zur schweizerischen AHV die inländische Bemessungsgrundlage nicht. Dafür werden aber die mit den AHV-Beiträgen untrennbar verbundenen gewerblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DBA-Schweiz von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen. Einer weitergehenden steuerlichen Berücksichtigung dergestalt, dass die Beiträge zusätzlich noch die inländische Bemessungsgrundlage vermindern, bedarf es nicht.

25  c) Die fehlende steuerliche Berücksichtigung der auf die gewerbliche Tätigkeit des Klägers entfallenden schweizerischen AHV-Beiträge verstößt weder gegen verfassungsrechtliche Grundsätze noch gegen das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen —FZA—, BGBl II 2001, 811 ).

26  aa) In dem fehlenden Sonderausgabenabzug liegt keine Verletzung des aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips, insbesondere kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip.

27  aaa) Die Altersvorsorgeaufwendungen sind zwar seit der Neuregelung durch das AltEinkG unstreitig ihrer Rechtsnatur nach Werbungskosten. Der erkennende Senat hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Gesetzgeber diese Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur konstitutiv den Sonderausgaben und nicht den Werbungskosten zuweisen konnte (vgl. u.a. Senatsurteile vom 18. November 2009 X R 34/07 , BFHE 227, 99 , BStBl II 2010, 414, X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 , unter II.2.b bb, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 ; X R 6/08, BFHE 227, 137 , BStBl II 2010, 282, und vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165 , BStBl II 2010, 348).

28  bbb) Verfassungsrechtlich kann die Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur dann einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die daraus resultierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht gerechtfertigten steuerlichen Ungleichbehandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen vorweggenommenen Werbungskosten führen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2010, 421 , unter II.2.b cc).

29  So ist die unterschiedliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und anderen (vorweggenommenen) Werbungskosten, wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, vor dem Hintergrund, dass diese Aufwendungen keinen ausschließlichen Werbungskostencharakter haben, sachlich gerechtfertigt, zumal es sich eher um Ausnahmefälle mit nicht besonders gravierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen handelt, so dass die damit verbundenen Nachteile vor allem aus Gründen der Praktikabilität hinzunehmen sind (zur Vermeidung von Wiederholungen vgl. statt vieler Senatsurteil in BFHE 227, 165 , BStBl II 2010, 348, unter B.II.2.b cc ccc und ddd).

30  ccc) Im Streitfall ist jedoch bereits keine Ungleichbehandlung zu erkennen. Bei einer Einordnung der ausländischen Vorsorgebeiträge als Werbungskosten wäre zwar nicht § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG , dafür aber § 3c Abs. 1 EStG zu prüfen gewesen. Danach dürfen Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

31  Da der Wortlaut beider Abzugsverbote im Kern identisch ist, ist davon auszugehen, dass auch der Begriff „unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang” in beiden Vorschriften gleich auszulegen ist (ebenso BFH-Urteil in BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149). Das bedeutet dann aber auch, dass es zu einer verfassungsrechtlich problematischen Ungleichbehandlung nicht kommen kann, unabhängig davon, ob § 3c Abs. 1 EStG oder § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzuwenden ist.

32  So wären im Streitfall die AHV-Beiträge, die wegen der gewerblichen Tätigkeit in der Schweiz zu entrichten waren, wegen ihres unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs mit steuerfreien Einnahmen i.S. des § 3c Abs. 1 EStG selbst dann nicht abziehbar, wenn sie einkommensteuerrechtlich als Werbungskosten anzusehen wären.

33  Bei Altersvorsorgeaufwendungen wird die Zuordnungsproblematik dadurch erschwert, dass sie sowohl untrennbar mit den steuerbefreiten Einkünften als auch untrennbar mit den zukünftigen steuerpflichtigen Renteneinkünften verbunden sind. Diese Konstellation ist mit der Sachlage vergleichbar, bei der Werbungskosten oder Betriebsausgaben, die zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, steuerfrei erstattet werden und deshalb wegen § 3c Abs. 1 EStG nicht abziehbar sind. Das Abzugsverbot basiert in den Fällen des Aufwendungsersatzes auf der Annahme, dass ein Abzug wegen des Fehlens einer wirtschaftlichen Belastung nicht gerechtfertigt sei (BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 XI R 61/04 , BFHE 210, 332 , BStBl II 2006, 163, und vom 20. September 2006 I R 59/05, BFHE 215, 130 , BStBl II 2007, 756, unter II.6.d, jeweils m.w.N.). Nach der Senatsrechtsprechung bedarf es im Rahmen des § 3c Abs. 1 EStG keines unmittelbaren Zusammenhangs innerhalb derselben Einkunftsart, da entscheidend ist, dass die Ausgaben und die steuerfreien Einnahmen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (Senatsurteil vom 28. Mai 1998 X R 32/97, BFHE 186, 275 , BStBl II 1998, 565). Damit ist ein den Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausschließender unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben auch dann gegeben, wenn steuerfreie Einnahmen der einen Einkunftsart Werbungskosten einer anderen Einkunftsart ersetzen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann jedoch nicht gegeben, wenn die steuerfreien Einnahmen lediglich der bloßen Finanzierung von Aufwendungen dienen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 208/85 , BFHE 158, 388 , BStBl II 1990, 88).

34  Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wäre im Streitfall der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 3c Abs. 1 EStG erfüllt gewesen, da aufgrund der obligatorischen Verpflichtung in Art. 1a Abs. 1 Buchst. b AHVG die steuerfreien gewerblichen Einnahmen des Klägers unmittelbar und untrennbar mit den AHV-Beiträgen verbunden waren; die steuerfreie Tätigkeit des Klägers war allein ursächlich.

35  ddd) Dass es systemgerecht ist, für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entscheidend auf die Steuerfreiheit der Einnahmen, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen, abzustellen, obwohl die künftigen Renteneinkünfte dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen und gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht mehr lediglich mit dem Ertragsanteil, sondern mit dem Besteuerungsanteil —und ab dem Jahr 2040 vollständig— besteuert werden, zeigt die umgekehrte Konstellation, in der die Vorsorgeaufwendungen aus steuerpflichtigen Einkünften stammen und zu steuerfreien Einkünften führen.

36  Für diese Sachlage hat der erkennende Senat entschieden, dass im Ausland geleistete Sozialversicherungsbeiträge in dem durch § 10 Abs. 3 EStG vorgegebenen Rahmen im Inland abziehbar sind, obwohl sie zu künftigen nach dem DBA steuerfreien Alterseinkünften führen, da die Beiträge aus im Inland steuerpflichtigen Einkünften stammen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06, BFHE 225, 421 , BStBl II 2009, 1000). Auf die steuerliche Behandlung der Altersrenten kommt es daher für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht an (siehe zur vergleichbaren Konstellation beim Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen, die zu nach § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfreien Leistungen führen, KSM/Söhn, a.a.O., § 10 Rz M 13).

37  bb) Die gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG fehlende Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen über die Steuerfreistellung der zugrunde liegenden Einkünfte hinaus stellt im Streitfall keinen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip dar. Zwar hat der Senat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 1991 X B 126/91 (BFH/NV 1992, 382 ) verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine entsprechende Auslegung des § 10 Abs. 2 EStG für den Fall geäußert, dass ein Steuerpflichtiger weder im Tätigkeitsstaat (als beschränkt Steuerpflichtiger) noch im Inland (als unbeschränkt Steuerpflichtiger) seine Vorsorgeaufwendungen geltend machen kann. Diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, da der Kläger —wie das FG für den Senat bindend festgestellt hat— seine Beiträge zur AHV in der Schweiz im Rahmen der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte gemäß Art. 33 Abs. 1 Buchst. d DBG steuermindernd berücksichtigen konnte.

38  cc) Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG ), jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV ), i.V.m. dem FZA aufgrund einer steuerlichen Diskriminierung seiner in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit berufen.

39  aaa) Zwar ist in Art. 1 Buchst. a des seit dem 1. Juni 2002 gültigen FZA das Ziel vereinbart worden, zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz ein Recht auf Niederlassung als Selbständiger einzuräumen, so dass der Anwendungsbereich des FZA die Niederlassungsfreiheit einer natürlichen Person umfasst (Gerichtshof der Europäischen Union —EuGH—, Urteil vom 11. Februar 2010 Rs. C-541/08 —Fokus Invest—, Slg. 2010, I-1025). Auch enthalten die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit nach ständiger EuGH-Rechtsprechung das Verbot für den Herkunftsstaat, die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern (vgl. u.a. EuGH-Urteile vom 13. April 2000 Rs. C-251/98 —Baars—, Slg. 2000, I-2787, Rz 28; vom 11. März 2004 Rs. C-9/02 —de Lasteyrie du Saillant—, Slg. 2004, I-2409, Rz 42), so dass die Weigerung des Wohnsitzstaates —hier Deutschland—, einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die steuerliche Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge zu gewähren, eine Beschränkung dieser Freiheit darstellt, weil die betroffenen Steuerpflichtigen davon abgehalten werden könnten, die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV ) zu nutzen (so EuGH-Urteil vom 19. November 2009 Rs. C-314/08 —Filipiak—, Slg. 2009, I-11049, Rz 60 ff. und 71).

40  bbb) Allerdings beruht das letztgenannte Urteil ausdrücklich auf der Prämisse, dass die von einem Steuerpflichtigen in dem Staat der Niederlassung entrichteten Pflichtbeiträge in diesem Staat nicht abgezogen werden konnten (EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-11049, Rz 51). Diese Prämisse ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt, da der Kläger die AHV-Beiträge in der Schweiz steuermindernd geltend machen konnte.

41  ccc) Es bedarf daher keiner Entscheidung, inwieweit der Kläger sich überhaupt auf die Niederlassungsfreiheit in ihrer Ausgestaltung durch die EuGH-Rechtsprechung berufen könnte, da nach Art. 16 Abs. 2 FZA nur die Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (21. Juni 1999) berücksichtigt werden kann, soweit für die Anwendung des FZA Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden. Später ergangene Entscheidungen des EuGH zu inhaltsgleichen Bestimmungen können wegen dieses statischen Verweises nicht zur Auslegung des FZA herangezogen werden, soweit der gemäß Art. 14 FZA eingesetzte Gemischte Ausschuss dies nicht beschlossen hat. Infolgedessen gibt das FZA eine qualitativ-zeitliche Begrenzung zur Berücksichtigung der —zumindest nicht lediglich präzisierenden— EuGH-Rechtsprechung vor (so auch BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10 , BFHE 235, 215 , m.w.N.).

42  3. Die streitigen Aufwendungen zur AHV können nicht bei der Bemessung des auf das zu versteuernde Einkommen des Klägers anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt werden.

43  a) Nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind die durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der deutschen Besteuerung freigestellten Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Daran anknüpfend bestimmt § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG , dass die betreffenden Einkünfte den anzuwendenden Steuersatz erhöhen oder vermindern, so dass in die von § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG vorgeschriebene Berechnung nur „Einkünfte” eingehen. Sonderausgaben zählen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 4 EStG ). Dies schließt ihre Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus (so BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 73/09 , BFH/NV 2011, 773 zur steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen zu einer niederländischen Krankenversicherung im Rahmen des Progressionsvorbehalts; sowie vorgehend FG Köln, Urteil vom 26. Mai 2009 1 K 3199/07 , EFG 2010, 415 ; zur Europarechtskonformität vgl. FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Juli 2008 2 K 2194/05 , EFG 2008, 1708 ).

44  b) Da der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen hat (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. auch jüngst Senatsurteil vom 16. November 2011 X R 15/09, BFHE 236, 69 , BStBl II 2012, 325, unter II.2.b bb), sind die vom Kläger gezahlten AHV-Beiträge nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes abzuziehen. Die unterschiedliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und anderen (vorweggenommenen) Werbungskosten ist, wie oben unter B.II.2.c aa ccc dargestellt, sachlich gerechtfertigt. Für die Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt nichts anderes.

 

Internationales Steuerrecht | §§ 5 und 6 InvStG sind unionsrechtskonform und verfassungsgemäß (FG)

Internationales Steuerrecht/Einkommensteuerrecht: §§ 5 und 6 InvStG sind unionsrechtskonform und verfassungsgemäß

 Leitsatz

Die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds gemäß §§ 5 und 6 InvStG ist unionsrechtskonform und verfassungsgemäß (wie hier: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 1 K 1159/08 , veröffentlicht am 16.07.2012; zweifelnd jedoch FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 03.05.2012 16 K 3383/10 F , veröffentlicht am 16.07.2012).

 Gesetze

InvStG § 5
InvStG § 6
EG Art. 56 Abs. 1
AEUV Art. 63 Abs. 1
GG Art. 14
GG Art. 3 Abs. 1
AO § 163
AO § 227

 Instanzenzug

BFH 22.10.2012 – VIII R 36/12

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Besteuerung von Einkünften aus sog. „intransparenten” ausländischen Fonds nach Inkrafttreten des Investmentsteuergesetzes (InvStG ) im Hinblick auf dessen Vereinbarkeit mit Recht der Europäischen Union und mit Verfassungsrecht (Streitjahre: 2004 bis 2006).

I.

Bis einschließlich 2003 galt für inländische Fonds das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAAG) und für ausländische Fonds das Auslandsinvestment-Gesetz (AuslInvG). Erträge aus Fonds, die den jeweils angeordneten Publizitätspflichten, bei ausländischen Fonds auch der Pflicht zur Registrierung im Inland und zur Bestellung eines inländischen Vertreters, nicht entsprachen, wurden bei den Anlegern unterschiedlich besteuert: Bei inländischen Fonds waren die Einkünfte gemäß § 162 AO zu schätzen, während bei ausländischen eine Pauschalsteuer (Mindeststeuer) entstand, und zwar in Höhe von 90 % des Mehrbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im jeweiligen Kalenderjahr erzielten Rücknahmepreises, im Veräußerungsfall 20 % des Veräußerungsentgelts, unabhängig von der Haltedauer.

Der Bundesfinanzhof – BFH – beurteilte diese differenzierte Behandlung in- und ausländischer Fonds als unzulässigen Verstoß gegen die früher gemeinschafts-, jetzt unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit (Rechtsgrundlage in zeitlicher Folge: Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG – Kapitalmarkt-Richtlinie -, Art. 73b bis 73g EG-Vertrag, Art. 56 bis 58 EG-Vertrag, inzwischen Art. 63 bis 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV -, ferner Art. 40 bis 42 EWR-Vertrag), und zwar mit Urteilen vom 18.11.2008 (VIII R 24/07 und VIII R 2/06 ) zunächst für in anderen EU-Mitgliedsstaaten ansässige Fonds und mit Urteil vom 25.08.2009 (I R 88 und 89/07 ) auch für Fonds aus Staaten, die nicht Mitglied der EU oder des EWR sind, und wandte als Folge die für inländische Fonds geltenden Regelungen auch auf ausländische Fonds an.

II.

1. Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz von 2003 ersetzte der Gesetzgeber – nicht zuletzt aufgrund verbreiteter Kritik am AuslInvG auch schon vor den vorerwähnten Entscheidungen des BFH – das KAAG und das AuslInvG ab 2004 durch das nunmehr für in- und ausländische Investmentvermögen einheitliche Investmentsteuergesetz (InvStG ). Wie bisher gilt das Transparenzprinzip, d. h. die grundsätzliche Gleichbehandlung des Anlegers in Investmentanteilen mit dem Direktanleger. In § 5 InvStG ist bestimmt, dass der Fonds bestimmte Steuerdaten (z. B. Betrag der Ausschüttung, erwirtschaftete Erträge, ausgeschüttete Erträge, thesaurierte Erträge und andere steuerliche Bemessungsgrundlagen) nach den Regeln des deutschen Steuerrechts ermittelt und binnen einer bestimmten Frist (vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, im Falle eines Ausschüttungsbeschlusses während dieser Frist binnen vier Monaten nach dem Ausschüttungsbeschluss) im deutschen Bundesanzeiger in deutscher Sprache mit einer Richtigkeitsbescheinigung eines deutschen Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers veröffentlicht. Bei inländischen Investmentgesellschaften findet eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Investmentgesellschaft durch das für diese zuständige Finanzamt statt (§ 13 InvStG ). Bei ausländischen Investmentgesellschaften kann das Bundeszentralamt für Steuern einen Nachweis der Richtigkeit der veröffentlichten Angaben verlangen (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 InvStG ).

2. a) Bei Anlegern von Fonds, die die in § 5 InvStG geforderten steuerlichen Angaben rechtzeitig in der dort vorgesehenen Weise publizieren (sog. transparente Fonds), tritt die sog. Regelbesteuerung (§§ 2 und 4 InvStG) ein, d. h. der Anleger versteuert Ausschüttungen und Zwischengewinne im Hinblick auf Einkunftsart, Halbeinkünfteverfahren und Steuerbefreiungen weitgehend so, als habe er die der Fondsanlage zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter nicht über den Fonds als Sondervermögen, sondern selbst direkt erworben. Da bei einer Direktanlage in einer Kapitalgesellschaft eine Thesaurierung keine steuerliche Wirkung hätte, werden fondsseitig thesaurierte Erträge als „ausschüttungsgleiche Erträge” ebenfalls dem Anleger zugerechnet, weil dieser zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser als ein Direktanleger stehen soll. Bei Privatanlegern fallen vom Fonds bezogene Dividenden und Beteiligungserträge unter das Halbeinkünfteverfahren (HEV, später Teileinkünfteverfahren), hingegen unterliegen vom Fonds erwirtschaftete Zinsen und Mieteinnahmen beim Anleger voll der Einkommensteuer.

b) Bei Anlegern von Fonds, die die in § 5 InvStG geforderten steuerlichen Angaben nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der dort vorgegebenen Weise publizieren (sog. intransparente Fonds), tritt die sog. Pauschalbesteuerung, auch Strafsteuer genannt, ein. Als steuerliche Bemessungsgrundlage gilt dann 70 % des Mehrbetrages, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis ergibt, mindestens jedoch 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises, unabhängig von der Haltedauer und auch bei negativer Wertentwicklung (gesetzlich vermutete Mindestrendite von 6 %). Ein Ansatz (nur) der Werte der Regelbesteuerung bei deren Nachweis durch den Anleger im Einzelfall ist nicht vorgesehen. Bei der Pauschalbesteuerung findet das HEV insgesamt keine Anwendung.

c) Bei Anlegern von Fonds, die nur einzelne bestimmte für Steuerbegünstigungen notwendige Werte nicht publizieren (sog. semitransparente Fonds), werden dem Anleger die jeweiligen Steuerbegünstigungen versagt (sog. gemilderte Pauschalbesteuerung).

3. Dieses nach der Erfüllung der Publizitätspflichten gem. § 5 InvStG durch den Fonds differenzierende Steuerregime für den Anleger gilt gleichermaßen für inländische, EU-und EWR -ausländische und Drittstaaten-ausländische Fonds und bei ausländischen Fonds unabhängig davon, ob mit dem jeweiligen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Auskunftsklausel bzw. ein steuerliches Auskunftsabkommen besteht oder nicht.

III.

1. Die … geborene, seit … verwitwete, in den Streitjahren in Deutschland wohnhafte Klägerin gründete 1997 mit ihrem Ehemann in Liechtenstein aus Mitteln einer Erbschaft eine Stiftung, die von der A (A) … AG verwaltet wurde. Die Eheleute statteten die Stiftung mit je … Mio. DM aus. 2004 wurde das Vermögen wegen familieninterner Streitigkeiten auf eine andere liechtensteinische Stiftung derselben Verwalterin übertragen. Stets war die Klägerin laut den Stiftungsstatuten zu ihren Lebzeiten die Erstbegünstigte der Stiftung. Das Liechtensteiner Stiftungsrecht räumt dem Stifter die Möglichkeit ein, durch Weisungen an den Stiftungsrat über das Vermögen zu verfügen. Zum 31.12.2006 belief sich das Stiftungsvermögen nach zwischenzeitlichen Entnahmen auf rund … Mio. €. Das Stiftungsvermögen gehörte zum Privatvermögen der Klägerin.

2. a) Die Verwalterin der Stiftung, die A AG, investierte das Kapital im Wesentlichen in auf den Kaimaninseln (englisch: Cayman Islands) domizilierenden Fonds u. a. der Fondsgesellschaften B, C und D. In die Auswahl der Fonds war die Klägerin nicht eingebunden und auch sonst in die Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht involviert. Die Geschäftsanschrift der Fondsgesellschaften befindet sich auf … Cayman, die ISIN (International Securities Identification Number, internationale Wertpapierkennnummer) der Fondsanteile beginnt jeweils mit KY.

b) Die Kaimaninseln sind ein südlich von Kuba in der Karibik liegendes britisches Überseegebiet, das nicht zur Europäischen Union gehört, mit eigenem, vom Vereinigten Königreich unabhängigem Rechtssystem. Die kaimanischen Fonds veröffentlichten jedenfalls für die Geschäftsjahre bis 2006 Werte wie etwa Betrag der Ausschüttung, erwirtschaftete Erträge, ausgeschüttete Erträge, thesaurierte Erträge oder steuerliche Bemessungsgrundlagen nach den Regeln des Sitzlandes Kaimaninseln oder des Vertriebslandes Liechtenstein nicht, weder in einem Amtsblatt noch in einer Tageszeitung auf den Kaimaninseln oder in Liechtenstein, auch nicht in Englisch oder einer anderen nichtdeutschen Sprache. Zwischen den Kaimaninseln und Deutschland bestand in den Streitjahren kein steuerliches Abkommen; ein Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch wurde erstmals am 27.05.2010 geschlossen. Es trat am 20.08 .2011 in Kraft und galt gemäß seinem Art. 12 Abs. 2 Buchstabe b) damit erst ab dem Veranlagungszeitraum 2011 und somit ohne Rückwirkung. Auf den Kaimaninseln werden keine direkten Steuern erhoben.

3. a) aa) Für einen Teil der kaimanischen A-Fonds ermittelte die deutsche H Wirtschaftsprüfungsgesellschaft … im Jahre 2008 nachträglich für 2004 bis 2006 die deutschen steuerlichen Daten, von der A Bank in Liechtenstein AG als „Steuerfaktoren” bezeichnet, im Auftrag der kaimanischen Fondsgesellschaften. Die Bescheinigungen von H gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG vom 12.09.2008 können im Internet von der Website von A heruntergeladen werden; dort sind sie allerdings nicht mittels Suchfunktion auffindbar, sondern nur über den der Klägerin mitgeteilten Link (http://www….). Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder einer Tageszeitung erfolgte für die Geschäftsjahre bis 2006 auch insoweit nicht.

Die H-Bescheinigungen führen zum Gegenstand des Auftrages aus:

bb) Für die Jahre ab 2007 (nach den hiesigen Streitjahren) erfolgte für verschiedene A-Investmentfonds eine fristgemäße Publikation im Bundesanzeiger.

b) Für einen anderen Teil der kaimanischen Fonds wurden die deutschen steuerlichen Werte fondsseitig auch nicht nachträglich ermittelt.

IV.

In ihren jeweils zu Anfang des übernächsten Jahres eingereichten ESt-Erklärungen für 2004 bis 2006 deklarierte die Klägerin zwar andere Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte anderer Einkunftsarten, jedoch nicht die Einkünfte aus den über die liechtensteinische Stiftung gehaltenen, von A Liechtenstein verwalteten kaimanischen Fonds. Das beklagte FA erließ hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärungsgemäße Bescheide mit folgenden Daten und Werten:

 

 Jahr  letzter Steuerbescheid  Einkünfte aus Kapitalvermögen
 2004  21.06.2006  … €
 2005  24.04.2007  … €
 2006  30.05.2008  … €

 

V.

1. Aufgrund der Steuerfahndung E im Jahre 2007 zugänglich gemachten Geschäftsunterlagen von A Liechtenstein wurde gegen die Klägerin am 13.01.2008 das Steuerstrafverfahren eingeleitet und am 22.02.2008 ihre Wohnung durchsucht. Die Klägerin räumte die Tatvorwürfe ein und legte nachfolgend Kontounterlagen vor.

Nach deren Auswertung fertigte das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndungen F den Steuerfahndungsbericht vom 06.05.2010 für 1996 bis 2006 und berechnete die Einkünfte für 2004 bis 2006 – zwischen den Beteiligten rechnerisch unstreitig – gemäß § 6 InvStG (Übersicht Bl. 21 Akte Steuerfahndungsprüfung „Zusammenstellung der Einnahmen aus Kapitalvermögen”, im Einzelnen Bl. 22 bis 58 Akte Steuerfahndungsprüfung). Überwiegend wurden die Erträge zu 6 % des Wertes zum jeweiligen Jahresende berechnet. Lediglich bei einem Fonds in einem Jahr kamen 70 % des Mehrwertes vom Jahresende gegenüber Jahresanfang zum Tragen (Bl. 50 Akte Steuerfahndungsprüfung, Jahr 2005).

Es ergaben sich für 2004 bis 2006 folgende Erträge bzw. Werbungskosten:

 

 Jahr  Erträge  Werbungskosten
 2004  … €  … €
 2005  … €  … €
 2006  … €  … €

 

2. a) In der Zusammenstellung der Steuerfahndung sind für die Streitjahre zehn Fonds aufgeführt (dort mit lfd. Nr. 2, 3, 10, 12, 14, 15, 16, 17, 18 und 19 bezeichnet). Bei fünf Fonds hiervon (nämlich lfd. Nr. 10, 12, 14, 15 und 17) wurden von den Fondsgesellschaften auch nachträglich keine deutschen steuerlichen Werte ermittelt. Für die anderen fünf Fonds (lfd. Nr. 2, 3, 16, 18 und 19) existieren H-Bescheinigungen vom 12.09.2008 (Anlageband II, vgl. oben III.3.a).

b) Für diese – allesamt thesaurierenden – Fonds wurden von der Klägerin auch Factsheets vorgelegt (Anlageband 1 letztes Fach). Die Anlagestrategie ist darin wie folgt beschrieben: Die Fonds lfd. Nr. 2 und 3 investieren in „Geldmarktinstrumente, Anleihen und alternative Anlagen”, wobei „festverzinsliche Anlagen in der Regel stärker gewichtet werden”. Die Fonds Nr. 16, 18 und 19 investieren „weltweit in eine Vielzahl zur Verfügung stehende[n] Anlagemöglichkeiten”.

c) Nur bei den Fonds lfd. Nr. 3 und für die Jahre 2004 und 2005 lfd. Nr. 2 weisen die H-Bescheinigungen Erträge aus, die dem HEV unterliegen. Bei den Fonds lfd. Nr. 16, 18 und 19 sowie für das Jahr 2006 beim Fonds lfd. Nr. 2 sind keine dem HEV unterliegenden Erträge verzeichnet.

3. Entsprechend dem Bericht der Steuerfahndung legte das beklagte Wohnsitz-FA mit Änderungsbescheiden für 2004 bis 2006 vom 10.08.2010 folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen zugrunde:

 

 Jahr  Einkünfte aus Kapitalvermögen
 2004  … €
 2005  … €
 2006  … €

 

4. Hiergegen legte die Klägerin am 13.08.2010 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

VI.

Am 27.07.2011 erhob die Klägerin Klage.

Bezüglich der fünf Fonds, bei denen von den Fondsgesellschaften auch nachträglich keine deutschen steuerlichen Werte ermittelt wurden, greift die Klägerin die Änderungsbescheide nicht an.

Hingegen macht sich die Klägerin bei fünf Fonds (lfd. Nr. 2, 3, 16, 18 und 19) die Zahlen aus den H-Bescheinigungen vom 12.09.2008, die sie als Ausdruck vorlegt (vgl. Anlageband 2), zu Eigen, berechnet die sich daraus ergebenden Werte der Regelbesteuerung gemäß §§ 2 und 4 InvStG – zwischen den Beteiligten rechnerisch unstreitig – in ihrer Anlage 1 zum Schriftsatz vom 02.07.2012 (FG-Akte Bl. 109) und begehrt mit ihrer Klage, dass bei diesen fünf Fonds statt der sich aus der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG ergebenden Bemessungsgrundlage nur die sich aus der Regelbesteuerung gemäß §§ 2 und 4 InvStG ergebende Bemessungsgrundlage angesetzt werde.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor:

Die Vorschriften des InvStG über die Pauschalbesteuerung sog. intransparenter Fonds seien unionsrechts- und verfassungswidrig mit der Folge, dass nur die für die Klägerin günstigeren Vorschriften über die Regelbesteuerung anzuwenden seien.

§ 6 InvStG verstoße gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, weil ausländische Investmentvermögen keine Anleger in Deutschland finden könnten, wenn sie nicht die Anforderungen hinsichtlich Ermittlung und Publizität aus § 5 InvStG erfüllten. Entsprechend nähmen Anleger in Deutschland Abstand von Investitionen in ausländische Fonds, wenn diese den Anforderungen des § 5 InvStG nicht nachkämen.

Wenn die Fonds die Pauschalbesteuerung ihrer Anleger vermeiden wollten, müssten sie die in § 5 Abs. 1 InvStG genannten Besteuerungsgrundlagen nach deutschem Recht ermitteln und in deutscher Sprache bekannt machen, was ausländische Fondsgesellschaften zusätzlich belaste und zumindest eine mittelbare Behinderung darstelle, die ausländische Fondsgesellschaften von einem Vertrieb ihrer Fondsanteile in Deutschland abhalten könne.

Außerdem ergäben sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 und 5 InvStG Sonderpflichten nur für ausländische Fonds.

Die Masse ausländischer Investmentvermögen sei nicht auf den deutschen Investmentmarkt zugeschnitten und habe deswegen häufig schon gar kein Bewusstsein für ihre Qualifikation nach dem deutschen InvStG , jedenfalls aber keine Veranlassung, die Ermittlungs- und Publizitätspflichten des § 5 InvStG zu erfüllen. Inländische Fondsgesellschaften müssten hingegen ihre Jahresabschlüsse und eigenen Steuererklärungen sowieso nach deutschem Recht erstellen. Für sie sei es daher wesentlich einfacher, die entsprechenden anlegerbezogenen Werte des § 5 InvStG nach deutschen steuerrechtlichen Vorschriften zu ermitteln und zu veröffentlichen.

Insgesamt sei die Pauschalbesteuerung auf ausländische Fonds zugeschnitten und stelle daher eine verdeckte Diskriminierung dar.

§ 6 InvStG verstoße gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, jedenfalls dann, wenn der Anleger einen Verlust erleide, auch wenn dies bei der Klägerin in den Streitjahren nicht vorgekommen sei. Aber auch abgesehen vom denkbaren Verlustfall zeigten gerade die für die Klägerin ermittelten Beträge, dass die tatsächlichen Erträge (Regelbesteuerung) erheblich unten den fiktiven Renditen (Pauschalbesteuerung) lägen.

Die Pauschalbesteuerung des § 6 InvStG verstoße außerdem gegen den verfassungsrechtlichen allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG ). Zwischen den Anlegern, die in transparente Fonds investierten, und den Anlegern, die in intransparente Fonds investierten, bestünden, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die die Ungleichbehandlung rechtfertigten. Im Übrigen könnten die Anleger nicht beeinflussen, ob der Fonds die Publizitätserfordernisse des § 5 InvStG erfülle. Eine Ungleichbehandlung der Anleger wegen des unterschiedlichen Verhaltens der Fonds sei nicht zulässig.

Die Ungleichbehandlung könne auch nicht mit Vereinfachungs- bzw. Praktikabilitätsgesichtspunkten begründet werden. Diese seien zwar bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, allerdings sei die Pauschalbesteuerung nicht das mildeste Mittel. Zum einen wäre eine Schätzung gemäß § 162 AO für den Anleger ein milderer Eingriff gegenüber dem Ansatz fiktiver Erträge aufgrund der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG . Zum anderen müsse dem Anleger zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis geringerer tatsächlicher Erträge zu führen. Auch für den Anleger in ein inländisches transparentes Investmentvermögen sei die gesonderte Feststellung gegenüber der Fondsgesellschaft (vgl. § 13 Abs. 1 InvStG ) nicht bindend, ihm stehe bei seiner Veranlagung der Nachweis geringerer Einkünfte offen. Ähnliches müsse auch für einen Anleger eines intransparenten Fonds bezüglich der Pauschalbesteuerung gelten.

Darüber hinaus bedeute die Nichtanwendung des HEV auf die fiktiven, nach § 6 InvStG ermittelten Erträge eines Aktienfonds eine gleichheitswidrige „doppelte Bestrafung”. Der Anleger eines transparenten Aktienfonds müsse nur die von diesem tatsächlich erwirtschafteten Dividenden, und diese nur zur Hälfte, versteuern. Der Anleger eines intransparenten Aktienfonds müsse nicht nur eine höhere, fiktive Bemessungsgrundlage zugrunde legen, sondern diese darüber hinaus auch noch voll versteuern.

Die Klägerin gelangt zu folgenden Reduzierungen für die fünf streitgegenständlichen Fonds (FG-A Bl. 109):

 

 Jahr  Erträge  Erträge  Differenz
 laut Steuerfahndung  laut Klägerin
 Pauschalbesteuerung  Regelbesteuerung
 2004  … €  … €  … €
 2005  … €  … €  … €
 2006  … €  … €  … €

 

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006, zuletzt vom 10.08.2010 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2011, dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

in 2004 statt … € jetzt … € weniger, also … €,

in 2005 statt … € jetzt … € weniger, also … € und

in 2006 statt … € jetzt … € weniger, also … €

angesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält die Vorschriften des InvStG über die Pauschalbesteuerung für unions- rechtskonform und verfassungsgemäß und führt dazu aus:

Die Ausführungen der Klägerin, dass intransparente ausländische Fonds keine Anleger in Deutschland finden könnten, seien eine bloße, durch nichts belegte Behauptung.

Im Übrigen könnten dann auch inländische Fondsgesellschaften, die den Ermittlungs- und Publizitätsanforderungen des § 5 InvStG nicht genügten, im Inland nur schwer Anleger finden. Eine speziell ausländische Fonds benachteiligende Wirkung liege nicht vor.

Die nur für ausländische Fonds bestehende Sonderpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 InvStG diene dazu, eine Bevorzugung ausländischer Fonds bzw. Benachteiligung inländischer Fonds zu vermeiden, da nur bei inländischen Fonds bereits im Jahr der Gewinnentstehung ein Kapitalertragssteuerabzug erfolgen könne. Dies sei bei Rückgabe der Fondsanteile bzw. Veräußerung auszugleichen, wofür die zusätzlichen Daten erforderlich seien. Deren Erhebung gerade bei ausländischen Fonds sei somit systembedingt und daher unvermeidlich.

Dass ausländische Fonds die Daten nach deutschem Steuerrecht ermitteln und in deutscher Sprache publizieren müssten, sei Folge des Umstandes, dass weder innerhalb der EU und erst recht nicht außerhalb ein harmonisiertes Ertragssteuerrecht mit einer gemeinsamen steuerlichen Bemessungsgrundlage bestehe und keine gemeinsame Amtssprache. Die an inländische Verhältnisse angepasste Datenanforderung sei daher lediglich Ausfluss der Steuersouveränität der EU-Mitgliedsstaaten. Ihr wohne keine Diskriminierung inne.

Die Pauschalbesteuerung verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, denn die sich aus der Pauschalbesteuerung ergebende Bemessungsgrundlage könne aufgrund des maßgeblichen BMF-Schreibens bei Veräußerung der Anteile einkommensmindernd berücksichtigt werden, so dass etwaige Verluste spätestens bei Veräußerung realisiert würden (BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl 2009 I S. 931 , 952 , 965, Rn. 130, 196a).

Im Übrigen ergebe sich bereits aus den Entscheidungen des BFH vom 18.11.2008 , in denen dieser die Regelungen des früheren AuslInvG verworfen habe, dass er die Neureglungen im InvStG für rechtmäßig erachte.

VII.

Die ESt-Akte Band 4 (angelegt 30.07.2010), die Akte „Allgemeines Steuerfahndungsprüfung” und die Rechtsbehelfsakte Band 1 lagen vor.

 Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Das FA hat die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG ) aus den fünf verfahrensgegenständlichen kaimanischen Fonds zutreffend aufgrund der sich aus § 6 InvStG ergebenden Bemessungsgrundlage ermittelt (Pauschalbesteuerung).

I.

Die Einnahmen sind der Klägerin gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – unstreitig – zuzurechnen (zur Zurechnung liechtensteinischer Stiftungen vgl. BFH, Urteil vom 22.12.2010 I R 84/09 , IStR 2011, 391 , Juris Rn. 12; Hardt in Debatin/Wassermeyer, DBA, Liechtenstein InfAust, Art. 4 Rn. 10 ff). Gemäß § 1 Satz 2 und § 2 Abs. 8 und 9 InvG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 InvStG ist das InvStG anwendbar. Eine Bekanntmachung von steuerlichen Daten der thesaurierenden Fonds an die Anleger ist nicht innerhalb der Frist von vier Monaten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 InvStG und eine Veröffentlichung dieser Daten im Bundesanzeiger gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG ist bis heute nicht erfolgt. Die Berechnung der steuerlich anzusetzenden Beträge auf der Grundlage von § 6 InvStG durch die Steuerfahndung ist betragsmäßig – unstreitig – zutreffend. Unter Berücksichtigung allein des InvStG als nationalem, einfachem Gesetz ist die Bemessungsgrundlage somit richtig ermittelt, worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht.

II.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt nichts anderes aus der unionsrechtlich verbürgten Kapitalverkehrsfreiheit (inzwischen Art. 63 AEUV , in den Streitjahren Art. 56 EG ); im Ergebnis wie hier FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 1 K 1159/08 , noch nicht veröffentlicht, Anlageband 2; zweifelnd hingegen FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 03.05.2012 16 K 3383/10 F , noch nicht veröffentlicht, Anlageband 2).

1. Die Investition der Klägerin in Anteile kaimanischer Fonds unterfällt der Kapitalverkehrsfreiheit.

a) Zwar gehören die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, diese müssen ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (EuGH, Urteil vom 10.05.2012 C-338/11 bis C-347/11 , IStR 2012, 432 , Juris Rn. 14; EuGH, Urteil vom 01.12.2011 C-250/08 , IStR 2012, 67 , Juris Rn. 33; EuGH, Urteil vom 20.10.2011 C-284/09 , IStR 2011, 840 , Juris Rn. 44; EuGH, Urteil vom 16.06.2011 C-10/10 , IStR 2011, 558 , Juris Rn. 23; EuGH, Urteil vom 28.10.2010 C-72/09 , IStR 2010, 842 , Juris Rn. 23).

b) Der Erwerb von Fondsanteilen unterfällt als Direktinvestition der Kapitalverkehrsfreiheit (EuGH, Urteil vom 07.06.2012 C-39/11 , Juris Rn. 21).

c) Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt nicht nur im Verhältnis zu anderen Mitgliedsstaaten der EU oder des EWR (dort Art. 40 EWR A), sondern auch gegenüber dritten Staaten (vgl. EuGH, Urteil vom 20.05.2008 C-194/06 , IStR 2008, 435 , Juris Rn. 30).

Die Kaimaninseln, auf denen die Investmentfonds, von denen die Klägerin ihre Einkünfte bezieht, ihren Sitz haben, gehören zu den sog. überseeischen Ländern und Gebieten (ÜLG, vgl. die Liste inzwischen in Anhang II zum AEUV ), deren besonderes Assoziierungssystem aber den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten und den ÜLG nicht umfasst, so dass sie bezüglich der Kapitalverkehrsfreiheit als dritte Länder abzusehen sind. Wegen des umfassenden räumlichen Anwendungsbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit gilt diese daher auch für den Kapitalverkehr nach und aus den ÜLG (vgl. zu den Britischen Jungferninseln: EuGH, Urteil vom 05.05.2011 C-384/09 , HFR 2011, 710 , Juris Rn. 19 f. und Rn. 30 f.).

2. Die an die Nichterfüllung der Publizitätsobliegenheiten aus § 5 InvStG durch die Fonds anknüpfende Pauschalbesteuerung der Klägerin gemäß § 6 InvStG stellt keine verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

a) Aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit sind Maßnahmen verboten, die geeignet sind, Gebietsfremde von einer Investition in einem Mitgliedsstaat oder – hier relevant – Gebietsansässige von einer Investition in anderen Staaten abzuhalten (EuGH, Urteil vom 10.05.2012 C-338/11 bis C-347/11 , IStR 2012, 432 , Juris Rn. 15).

b) Unterliegen ausländische Fonds im Inland einem Verfahren, das quasi als Zulassungsverfahren zu werten ist, ist dies eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (EuGH, Urteil vom 07.06.2012 C-39/11 , Juris Rn. 24, 25).

Die Publizitätsobliegenheiten des § 5 InvStG erreichen aber nicht diesen Grad, zumal sie nicht vor dem Verkauf von Fondsanteilen im Inland, sondern danach zu erfüllen sind.

c) Die Publizitätsobliegenheiten (§ 5 InvStG ) für inländische und ausländische Fonds sind grundsätzlich identisch, eine von Investitionen in ausländische Fonds abhaltende Wirkung ergibt sich daher nicht schon aus einer formal unterschiedlichen Regelung für in- und ausländische Fonds.

d) Es liegt aber auf der Hand, dass aufgrund der unterschiedlichen Besteuerungsregime für transparente und intransparente Fonds im Inland ansässige Anleger davon abgehalten werden, in intransparente Fonds zu investieren. Die Pauschalbesteuerung ist v. a. dann günstiger als die Regelbesteuerung, wenn der Fonds in einem Jahr besonders hohe Erträge (> 6 %) erzielt hat, für die keine steuerliche Vergünstigung greift (hierzu und zu weiteren Ausnahmefällen vgl. Gnutzmann/Welzel in Haase, § 6 InvStG Rn. 162). Dies ist beim Fondserwerb, also bei der Investitionsentscheidung, jedoch regelmäßig nicht absehbar und wird in Niedrigzinsphasen auch nur selten letztendlich eintreten. Eine aufgrund Intransparenz des Fonds zu erwartende Pauschalbesteuerung stellt daher für den Anleger ein betriebswirtschaftliches Risiko bei der Investitionsentscheidung dar, das geeignet ist, von der Wahl des intransparenten Fonds abzuhalten.

e) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die somit gegebene Benachteiligung intransparenter Fonds jedenfalls dann keine Diskriminierung ausländischer Fonds darstellt, wenn diese – wie hier – den Publizitätsobliegenheiten im Bundesanzeiger überhaupt nicht nachgekommen sind, auch nicht mit Fristüberschreitung oder in anderer Sprache oder mit dem Bestätigungsvermerk eines ausländischen Berufsangehörigen oder sonst unter Verletzung von Formvorschriften und die Daten seinerzeit auch nicht wenigstens beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingereicht wurden. Denn die Obliegenheit auch für ausländische Fonds, Daten für die deutsche Besteuerung überhaupt zu ermitteln und zu publizieren, um ihren Anlegern die Regelbesteuerung zu erhalten, diskriminiert ausländische Fonds nicht gegenüber inländischen Fonds.

aa) Für die Feststellung, ob eine Diskriminierung von Sachverhalten mit Auslandsbezug gegenüber reinen Inlandssachverhalten vorliegt, kommt es maßgeblich auf das mit der Regelung verfolgte Ziel sowie darauf an, ob die Regelung zur Erreichung dieses Ziels beiträgt (EuGH, Urteil vom 01.12.2011 C-250/08 , IStR 2012, 67 , Juris Rn. 61, 65; EuGH, Urteil vom 20.10.2011 C-284/09 , IStR 2011, 840 , Juris Rn. 53 f.).

bb) Die Ermittlungs- und Publizitätsvorschriften haben im Fondsgeschäft als typischem Massengeschäft eine Doppelfunktion: Zum einen sollen die Anleger die Daten erfahren, die sie brauchen, um ihre eigene Steuererklärungspflicht zu erfüllen; und die ebenfalls zahlreichen Veranlagungsfinanzämter sollen einfach überprüfen können, ob die Anleger die Daten der Fonds zutreffend eingesetzt haben. Zum anderen bewirkt die Veröffentlichung, dass das BZSt das zentrale Überprüfungsverfahren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 InvStG einleiten kann: Die ausländischen Fondsgesellschaften sind in Deutschland in der Regel nicht steuer- und daher steuererklärungspflichtig; es bedarf daher eines anderen Anknüpfungspunktes für die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens. Wegen der zentralen Bedeutung der Besteuerungsgrundlagen für die Besteuerung der Anleger ist vorgesehen, dass die Bekanntmachung mit dem Bestätigungsvermerk eines Steuerberaters oder dem Prüfungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers zu versehen ist (BT-Drs 16/1553 S. 121 unter 5. und S. 126; Kotzbacher in Haase, § 5 InvStG Rn. 3 f.). Bei in- und ausländischen Spezial-Investmentvermögen, also solchen mit maximal 100 institutionellen Anlegern, gelten die Veröffentlichungspflichten demgegenüber nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 16 Satz 2 InvStG ).

cc) Die Publizitätsobliegenheiten (auch) ausländischer Fonds erfüllen diese Funktionen im Besteuerungsverfahren. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welche andere, weniger einschneidende Weise in solchen Massenverfahren der notwendige Informationsfluss gewährleistet werden könnte.

Diese Zielerreichung gilt auch insoweit, als den einzelnen Anlegern bei Anwendung der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG der Nachweis geringerer Fondseinkünfte im Einzelfall versagt bleibt. Denn es wäre unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie nicht vertretbar, den (zahlreichen) einzelnen Veranlagungsfinanzämtern hier die Sichtung und Bewertung eingereichter Unterlagen und ggf. weitere Ermittlungen zuzumuten, nachdem der Fonds das zentralisierte Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 InvStG durch entsprechende Veröffentlichung der Daten verweigert. Die Anleger müssen sich insoweit an ihrer Investitionsentscheidung für einen intransparenten Fonds festhalten lassen.

Gleiches gilt für den Umstand, dass bei der Pauschalbesteuerung das HEV insgesamt keine Anwendung findet, auch wenn es sich mutmaßlich um reine Aktienfonds handelt. Es ist den Veranlagungsfinanzämtern nicht zuzumuten, dies im Einzelfall zu überprüfen und gar noch Ermittlungen zum Anteil der Beteiligungserträge an den Einkünften des ausländischen Fonds anzustellen, ohne dass eine zentrale Überprüfung durch das Bundeszentralamt für Steuern seitens des Fonds ermöglicht worden wäre.

dd) Auch die Höhe der pauschalierten Steuer (praktisch besonders bedeutsam die Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 6 % des letzten Rücknahmepreises als vermutete Mindestrendite) erscheint in diesem Zusammenhang nicht unverhältnismäßig. Diese Mindestbemessungsgrundlage wird zwar in Niedrigzinsphasen häufig höher sein als die tatsächlichen Erträge, die bei Anwendung der Regelbesteuerung als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen wären. Es handelt sich jedoch um durch Fondsanlagen realistischerweise erzielbare Erträge. Bei Gesetzen, die über einen längeren Zeitraum gelten sollen, wie die Steuergesetze, ist für die gesetzlich vermutete Rendite auch ein längerer Zeitraum in Betracht zu ziehen, nicht nur ein einzelnes, möglicherweise konjunkturbedingt schlechtes Ertragsjahr. Dass 6 % Rendite nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt auch der verfassungsrechtliche gebilligte gesetzliche Zinssatz im Abgabenrecht von 6 % p. a. gemäß § 238 Abs. 1 AO (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2009 1 BvR 2539/07 , BFH/NV 2009, 2115 , NVwZ 2010, 902 , WM 2009, 2001 , Juris Rn. 29).

ee) Zwar dürfte die Erfüllung der Ermittlungs- und Publikationsobliegenheiten aus § 5 InvStG für ausländische Fonds eine höhere Zusatzbelastung darstellen, namentlich höheren administrativen und finanziellen Aufwand verursachen als für inländische Fonds (Wenzel in Blümich, EStG , § 5 InvStG Rn. 5). Dies ist jedoch die unvermeidbare Folge des Umstandes, dass es international noch keine Harmonisierung im Bereich der Ertragssteuern gibt. Praktisch jeder grenzüberschreitende Sachverhalt, egal auf welchem Gebiet und gleich zwischen welchen Staaten, erfordert daher einen höheren administrativen Aufwand als ein reiner Inlandssachverhalt. Dies ist systemimmanent und daher für sich genommen ohne diskriminierende Tendenz.

f) Die Veröffentlichung auf der Website des liechtensteinischen Mutterkonzerns, zu dem die Fondsgesellschaften anscheinend gehören, ist im Sinne von § 5 InvStG keine für die Besteuerung praktikable und daher keine genügende Publikation. Sie könnte dort jederzeit aus dem Internetauftritt entfernt werden, ist daher nicht dauerhaft, und sie ist auch nur schwer bzw. nicht ohne weiteres auffindbar. Darüber hinaus erfolgte sie auch nicht fristgemäß oder zumindest zeitnah, sondern erst nach September 2008.

3. Da bereits keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, stellt sich die Frage nach Rechtfertigungsgründen (z. B. Kohärenz des Steuersystems, EuGH Urteil vom 01.12.2011 C-250/08 , IStR 2012, 67 , Juris Rn. 77 ff.; Vermeidung von Missbrauch) nicht mehr. Ebenfalls ist nicht mehr zu prüfen, ob die mangelnde Überprüfungsmöglichkeit für die deutschen Steuerbehörden aufgrund nicht vorhandener Auskunftsabkommen bzw. -klauseln ein zulässiges Differenzierungskriterium wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 28.10.2010 C-72/09 , IStR 2010, 842 , Juris Rn. 52). Soweit die Regelungen von §§ 5 , 6 InvStG nicht nach Auskunftsmöglichkeiten differenzieren, ist auch nicht zu entscheiden, ob diese Differenzierung nur dann rechtfertigend eingreifen könnte, wenn die gesetzliche Regelung selbst diese Differenzierung bereits ausdrücklich vorsieht (vgl. EuGH, Urteil vom 20.05.2008 C-194/06 , Juris Rn. 95). Schließlich stellt sich auch nicht die Frage nach einer zulässigen Differenzierung zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Drittstaaten (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.05.2011 C-267/09 , HFR 2011, 710 , Juris Rn. 54 ff.; EuGH, Urteil vom 28.10.2010 C-72/09 , IStR 2010, 842 , Juris Rn. 40).

4. a) Im Bereich des Unionsrechts, aufgrund dessen Anwendungsvorrangs sich die Nichtanwendbarkeit einer nationalen Norm im einzelnen Fall ergeben könnte, ist nicht zu prüfen, ob eine nationale Norm allgemein bzw. in allen denkbaren Fällen mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Der Senat sieht sich gleichwohl veranlasst, darauf hinzuweisen, dass in der Praxis Fälle denkbar sind, in denen die Ausgestaltung der Publizitätsobliegenheiten für die Fonds im Detail und die sich daraus bei den Anlegern ergebende Pauschalbesteuerung gemäß §§ 5 , 6 InvStG unverhältnismäßig sein könnte. Dabei ist insbesondere das „Alles- oder Nichts-Prinzip” zu bedenken: Eine erfolgte Veröffentlichung seitens des Fonds, die nicht allen formalen Anforderungen genügt, führt genauso zur Pauschalbesteuerung beim Anleger wie eine insgesamt unterbliebene Veröffentlichung.

b) Vor diesem Hintergrund erscheinen besonders folgende, u. U. zusammentreffende Fälle bedenkenswert:

  • nur kurzfristige Fristüberschreitung bei der Veröffentlichung im Bundesanzeiger, zumal die Frist von vier Monaten recht kurz ist und sich bei thesaurierenden Fonds mangels Ausschüttungsbeschlusses auch nicht verlängert; die Kürze der Frist ist in Anbetracht der üblichen Veranlagungszeiträume bei den meisten Finanzämtern schwer nachvollziehbar
  • Fristüberschreitungen, weil bei nur wenigen deutschen Anlegern oder im Extremfall vielleicht nur einem deutschen Anleger die ausländische Publikumsfondsgesellschaft zunächst gar nicht wusste, dass es in Deutschland ansässige Anleger gab
  • Fristüberschreitungen bei geringem Fondsvolumen oder (neben den Fällen von Spezial-Investmentvermögen gemäß §§ 15 , 16 InvStG) geringer Anlegerzahl (zur Anwendbarkeit des deutschen InvStG auf ausländische Investmentvermögen auch mit nur insgesamt einem Anleger vgl. Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, EStG , § 1 InvStG Rn. 16)
  • die Pflicht zur Veröffentlichung in deutscher Sprache (statt der Möglichkeit der Veröffentlichung in einer anderen gängigen Sprache verbunden mit der Pflicht des steuerpflichtigen Anteilseigners, im Rahmen seiner Steuererklärung oder beim BZSt eine beglaubigte Übersetzung der fremdsprachlichen Veröffentlichung einzureichen, wenn das FA dies verlangt, weil es der ausländischen Sprache nicht mächtig ist)
  • die Notwendigkeit einer Richtigkeitsbestätigung gerade durch einen deutschen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer

 

Bezüglich solcher formaler Erfordernisse ist zugleich die Rechtsprechung des EuGH zu Ausschüttungsbescheinigungen zu bedenken, wonach die Mitgliedsstaaten aufgrund ihrer Steuerautonomie zwar bestimmen können, welche Nachweise nach ihrem eigenen Steuersystem erforderlich sind, um in den Genuss einer Steuervergünstigung zu kommen. Dabei müssen sie jedoch die Erfordernisse des freien Kapitalverkehrs beachten. In Bezug auf das Maß an Präzision, das die Nachweise aufweisen müssen, die erforderlich sind, um in den Genuss einer Steuervergünstigung zu kommen, darf bei einer ausländischen ausschüttenden Gesellschaft nicht dieselbe Detailliertheit und Präsentationsform verlangt werden wie bei inländischen ausschüttenden Gesellschaften. Vielmehr muss es ausreichen, wenn der Steuerpflichtige Belege vorlegt, die es den Steuerbehörden, hier insbesondere dem BZSt, erlauben, klar und genau zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Steuervorteils vorliegen (EuGH, Urteil vom 30.06.2011 C-262/09 , Juris Rn. 37, 38, 45, 46).

Bezüglich der Bescheinigung durch einen deutschen Steuerberater ist ferner zu bedenken, dass der EuGH die Pflicht zur Bestellung eines inländischen Vertreters als Beschränkung des Kapitalverkehrs angesehen hat wegen der damit verbundenen Kosten der Vergütung (EuGH, Urteil vom 05.05.2011 C-267/09 , IStR 2011, 551 , Juris Rn. 37); für die Notwendigkeit einer entsprechenden Bescheinigung eines inländischen Berufsträgers könnten ähnliche Erwägungen gelten.

c) Solche Einzelfälle können jedoch im Billigkeitsverfahren nach § 163 AO geregelt werden (vgl. BFH, Urteil vom 30.04.2009 V R 15/07 , BStBl II 2009, 1427 , Juris Rn. 47 ff. m. w. N.; EuGH, Urteil vom 19.09.2000 C-454/98 , IStR 2000, 595 , Juris Rn. 64; anders früher EuGH, Urteil vom 09.03.1978 C-106/77 , Juris Rn. 21-23).

Bezüglich der Frist hat das Bundesministerium der Finanzen – BMF – bereits im Erlasswege Erleichterungen verfügt, zunächst für das erste Jahr nach Inkrafttreten 2004 die Frist vom 30.04 .2005 auf den 31.01.2006 und für das zweite Jahr 2005 vom 30.04.2006 auf den 31.05.2006 verlängert (BMF, Schreiben vom 08.12.2005 IV C 1-S 1980-1 -137/05; BMF, Schreiben vom 08.09.2006 IV C 1-S 1980-1-33/06 ). Sodann hat es dauerhaft angeordnet, dass das FA (bei ausländischen Investmentvermögen das BZSt) im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung die Veröffentlichung als noch fristgemäß ansehen kann, wenn eine nur kurzfristige Fristüberschreitung vorliegt und der Fonds eine Zahlung von 25.000 € leistet (BMF, Schreiben vom 04.12.2007 IV B 8-S 1980-1/0 , 2007/0560715; eine Rechtsgrundlage für diese Zahlung wird darin allerdings nicht genannt).

Solche Billigkeitsmaßnahmen (vgl. §§ 163 , 227 AO) dürften – wie vorbeschrieben – auch noch in weiteren Fällen, sei es generalisierend durch Erlass, sei es im Einzelfall, angezeigt sein, um eine Unverhältnismäßigkeit aufgrund konkreter Umstände, die den Anwendungsvorrang der Kapitalverkehrsfreiheit und damit die Nichtanwendung der Regelungen über die Pauschalbesteuerung nach sich ziehen würde, zu vermeiden.

Für die Klägerin besteht jedoch dazu kein Anlass.

III.

Schließlich ist die Regelung über die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds auch nicht verfassungswidrig (im Ergebnis wie hier FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 1 K 1159/08 , noch nicht veröffentlicht).

1. Die Pauschalbesteuerung stellt keine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung dar.

a) Aus Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) folgt das Verbot übermäßiger Besteuerung. Allerdings lässt sich daraus – außer dem Verbot erdrosselnder, d. h. die Einkunftsquelle vernichtender Besteuerung – keine allgemeine verfassungsrechtliche Obergrenze ableiten, sondern nur die Begrenzung von Bemessungsgrundlage und Steuersatz durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip (BVerfG 2. Senat, Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99 , BVerfGE 115, 97 , DStR 2006, 555 , Juris Rn. 43, 44, 50).

b) Eine erdrosselnde, die Einkunftsquelle vernichtende Besteuerung liegt nicht vor.

Eine Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 6 % des Wertes zum Jahresende führt weder kurz- noch mittelfristig zum Substanzverlust, selbst wenn vom Fonds kein Gewinn erzielt wurde. Bis durch die Steuer (seinerzeit auch bei Kapitaleinkünften noch bis zu 45 % zuzüglich SolZS, also maximal 47,475 % von 6 % = maximal 2,8485 % des Wertes zum Jahresende, d. h. der Substanz) mangels Gewinns des Fonds 100 % des eingesetzten Kapitals aufgebraucht sind, würde dauern.

c) Unverhältnismäßig ist die Pauschalbesteuerung schon deswegen nicht, weil sie für den Anleger nicht unvermeidbar ist.

Bei der Anlageentscheidung ist dem Anleger in der Regel bekannt, ob der zur Auswahl stehende Fonds entsprechende steuerliche Angaben ermittelt und publiziert oder nicht, nämlich aufgrund dessen Verhaltens in der Vergangenheit und aufgrund der Angaben im Fondsprospekt. Jeder Fondsanleger muss daher erwägen, wie die Renditeerwartungen und die Chancen und Risiken des Fonds einzuschätzen sind und ob für sie die Pauschalbesteuerung hingenommen werden soll.

Erfüllen sich die Renditeerwartungen nicht und erweist sich die Pauschalbesteuerung mit der ihr innewohnenden Mindestbemessungsgrundlage daher im Nachhinein als wirtschaftlich belastend, so ist dies das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Investitionsentscheidung. Ähnliches tritt beispielsweise bei der Tonnagebesteuerung gemäß § 5a EStG auf: Optiert ein Reeder für die Tonnagesteuer, muss er die bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung eher niedrigen Pauschalen auch dann bezahlen, wenn in einem einzelnen Jahr ein Verlust eintritt. Dass dann auch im Verlustfalle Einkommensteuer anfällt, stellt keine Übermaßbesteuerung dar.

d) Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich bei der Bestimmung der zumutbaren Belastung auch auswirkt, ob die steuerliche Regelung eine am Gemeinwohl orientierte Lenkungsfunktion hat (BFH, Urteil vom 01.12.2010 IV R 39/07 , BFH/NV 2011, 842 , Juris Rn. 21). In solchen Fällen ist der Spielraum des Gesetzgebers noch größer.

Dass Transparenz am internationalen Kapitalmarkt aber dem Gemeinwohl dient, bedarf in Anbetracht der aktuellen Krisen des deutschen und – dort teilweise noch augenscheinlicher – ausländischen Bankwesens und des zumindest potentiellen Einsatzes von immensen inländischen Steuermitteln zu ihrer Bewältigung keiner näheren Begründung.

e) Abschließend ist auch hier auf die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung in Höhe von 6 % p. a. gemäß §§ 233a , 238 AO hinzuweisen (vgl. näher oben II.2.e) dd).

2. Die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dieser Spielraum wird im Bereich des Einkommensteuerrechts vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Das gleichheitsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt die Befugnis des (Steuer-)Gesetzgebers, die zentralen Fragen gerechter Belastungsverteilung weitgehend ungebunden zu entscheiden. Das Verfassungsrecht, namentlich die Grundrechte der Steuerpflichtigen, bilden hier lediglich einen allgemeinen Rahmen für die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Bei der Ausgestaltung seiner Verteilungsentscheidungen binden jedoch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Folgerichtigkeit und Verhältnismäßigkeit die Ausübung der gesetzgeberischen Freiheit an ein hinreichendes Maß an Rationalität und Abgewogenheit. Soweit darüber hinaus „überzeugende” dogmatische Strukturen durch eine systematisch konsequente und praktikable Tatbestandsausgestaltung entwickelt werden müssen, ist dies nicht Aufgabe des Verfassungsrechts (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009 2 BvL 1/00 , BVerfGE 123, 111 , DStRE 2009, 922 , Juris Rn. 26, 32).

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BFH, Urteil vom 01.12.2010 IV R 39/07 , BFH/NV 2011, 842 , Juris Rn. 18).

b) Hier sind zu vergleichen nicht aus- und inländische Fonds, sondern transparente und intransparente Fonds, genauer nicht die Fonds, sondern die Anleger, deren Besteuerung zur Überprüfung steht. Da die Anleger die Fonds auswählen, indem sie ihre Investitionsentscheidung treffen, sind die Vergleichsgruppen daher Anleger, die in transparente Fonds investieren, und Anleger, die in intransparente Fonds investieren. Die Anleger können zwar nicht beeinflussen, ob die Fonds die Publizitätsobliegenheiten aus § 5 InvStG erfüllen, sie können aber die Erfüllung dieser Obliegenheiten bei ihrer Investitionsentscheidung (Auswahlentscheidung) berücksichtigen.

c) Diese beiden Vergleichsgruppen sind jedoch nicht gleich, sondern gerade wesentlich ungleich in Bezug auf die Ermittelbarkeit der Besteuerungsgrundlagen für die deutschen Steuerbehörden.

Die beiden Gruppen mögen zwar in Bezug auf das Merkmal der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vergleichbar sein. Der Steuergesetzgeber darf aber, da es sich um Massenvorgänge des Alltagsgeschäfts handelt, typisierend verallgemeinern und dabei Aspekte des Verwaltungsverfahrens, namentlich des Ermittlungsaufwandes und der Praktikabilität, berücksichtigen.

d) Das System der Publizitätsobliegenheiten gemäß § 5 InvStG und der an deren Nichterfüllung anknüpfenden Pauschalbesteuerung der Anleger gemäß § 6 InvStG ist geeignet, die sich aus den Anforderungen eines effizienten Verwaltungsverfahren ergebenden Ziele des Gesetzgebers zu erreichen (näher oben II.2. e) bb) und cc).

e) Dieses Besteuerungsregime ist auch nicht unverhältnismäßig.

aa) Soweit die Klägerin auf die milderen Mittel einer Schätzung (§ 162 AO ) statt der Pauschalbesteuerung und auf die bei der Pauschalbesteuerung denkbare, vom Gesetzgeber aber gerade nicht vorgesehene Möglichkeit eines Nachweises geringerer Fondserträge im Einzelfall durch den einzelnen Anleger gegenüber seinem Veranlagungsfinanzamt hinweist, sind diese Mittel nicht genauso effizient wie das vom Gesetzgeber gewählte. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit von Schätzungserwägungen bzw. der Überprüfung steuerlicher Daten von Fonds durch die einzelnen Veranlagungsfinanzämter wären für die typischen Fälle von Publikums-Fonds mit ihrer Vielzahl von Anlegern, ggf. auch Kleinanlegern, praktisch nicht handhabbar bzw. für die Steuerverwaltung insgesamt betrachtet mit einem unzumutbaren, jedenfalls unverhältnismäßigen Mehraufwand verbunden. Die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Einzelfall würde dem Gesetzeszweck gerade zuwider laufen. Der Ausschluss eines Gegenbeweises ist folgerichtig.

Für die in- und ausländischen Spezial-Investmentvermögen, also solchen mit maximal 100 institutionellen Anlegern, gelten ebenfalls folgerichtig die Veröffentlichungspflichten nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 16 Satz 2 InvStG ) und daher auch nicht die bei deren Verletzung eintretende Pauschalbesteuerung.

bb) Auch die Höhe der Pauschalbesteuerung ist nicht unverhältnismäßig (vgl. näher oben II.2.e) dd).

cc) Schließlich ist auch der Ausschluss des HEV folgerichtig (vgl. bereits oben II.2. e) cc). Bei Intransparenz werden im Rahmen der Pauschalbesteuerung die Fondseinkünfte als unermittelbar behandelt, was nicht nur die typisierende Schätzung einer Rendite von 6 %, sondern auch die Annahme rechtfertigt, dass die Fonds nur Einkünfte erzielen, die nicht dem HEV unterliegen. Sonst müssten die Veranlagungsfinanzämter im Einzelfall zwar nicht die Höhe der Einkünfte, aber deren Zusammensetzung ermitteln, was nicht weniger unpraktikabel wäre.

f) Wie bereits oben bei der Kapitalverkehrsfreiheit näher ausgeführt, sind – bei der Klägerin nicht vorliegende – Umstände denkbar, die in einzelnen Ausnahmefällen zu einer Unverhältnismäßigkeit führen können (oben II.4.b).

In solchen Fällen sind Billigkeitsmaßnahmen (§§163 , 227 AO) geboten. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist nämlich anerkannt, dass nur in Einzelfällen auftretende untragbare Härten einer Billigkeitsregelung gemäß §§ 163 , 227 AO zuzuführen sind, wodurch ein Gleichheitsverstoß nicht in Betracht kommt (BVerfG, Beschluss vom 22.07.1991 1 BvR 829/89 , HFR 1992, 424 , Juris Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 2 BvL 42/93 , BStBl II 1999, 174 , NJW 1999, 561 , Juris Rn. 82; ebenso BFH, Beschluss vom 17.12.2003 XI R 63/00 , DStRE 2004, 848 , Juris Rn. 10, 37).

In der breiten Mehrzahl der Fälle ergibt sich ein Gleichheitsverstoß hingegen nicht.

Ob ein Gleichheitsverstoß aufgrund besonderer, hier nicht vorliegender, aber anderweitig denkbarer Umstände des Einzelfalles darüber hinaus auch wegen des Grundsatzes der Normerhaltung und daraus folgend der Teilnichtigerklärung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2010 2 BvL 16/09 , NVwZ-RR 2011, 387, Juris Rn. 29 m. w. N.) für die Klägerin nicht entscheidungsrelevant wäre, bedarf danach keiner Entscheidung mehr, ebenso wenig, ob bei den Anlegern ausländischer Fonds in solchen Fällen aufgrund des Anwendungsvorrangs der Unionsrechts und der sich daraus ergebenden Nichtanwendung des nationalen Rechts die innerstaatliche Verfassungswidrigkeit neben der Unionsrechtswidrigkeit überhaupt noch entscheidungserheblich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.2011 1 BvL 3/08 , DStR 2011, 2141 , Juris Rn. 45).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .

Besteuerung ausländischer sog. schwarzer Investmentfonds rechtens (FG)

Kein Verstoß der Besteuerung von Einkünften aus schwarzen US-Fonds gemäß § 6 InvStG gegen EU-Recht oder gegen das Grundgesetz

 Leitsatz

1. Ist der Steuerpflichtige an sog. schwarzen US-Investmentfonds, die die Publizitätsanforderungen nach § 5 Abs. 1 InvStG nicht erfüllen, beteiligt, so ist die deswegen durchgeführte Besteuerung der Einkünfte aus den US-Investmentfonds nach § 6 Abs. 1 InvStG nicht verfassungswidrig oder EU-rechtswidrig; sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit, das Verbot einer (versteckten) Diskriminierung, den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz oder das Verbot einer übermäßigen Besteuerung.

2. Dass in § 5 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4, 5 InvStG spezifische, nur von ausländischen Investmentgesellschaften einzuhaltende Anforderungen enthalten sind, führt nicht zu einer diskriminierenden Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.

3. Es ist EU-rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das – grundsätzlich nach § 2 Abs. 2 InvStG anwendbare – Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG im Anwendungsbereich von § 6 InvStG nicht gilt und dass der Gesetzgeber durch §§ 2 , 4 InvStG einerseits und § 6 InvStG andererseits unterschiedliche Vorschriften für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Einnahmen aus Investmentanteilen geschaffen sowie für inländische und ausländische Investmentgesellschaften im Investmentsteuergesetz teilweise unterschiedliche Fondsbegriffe geregelt hat.

4. Im Urteilsfall kann offen bleiben, ob die im Falle eines Verlustes bei Rückgabe oder Veräußerung von Investmemtanteilen dennoch eintretende Versteuerung nach § 6 InvStG von 6 % des letzten Rücknahmepreises verfassungsgemäß ist.

Doppelbesteuerung | Versorgungsbezüge aus staatlichen Pensionsfonds nach DBA-NL (BMF)

Deutsch-niederländisches Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-NL); Anwendung des Kassenstaatsprinzips auf ehemalige staatliche Pensionsfonds

Das Bundeszentralamt für Steuern hatte sich in Verständigungsverfahren mit den Niederlanden aus dem Zuständigkeitsbereich des Niedersächsischen Finanzministeriums mit der Frage auseinander zu setzen, ob das Kassenstaatsprinzip auf ehemalige staatliche Pensionsfonds der Niederlande angewandt werden kann.
Die Besteuerungsfälle betreffen Versorgungsbezüge, die aus einem niederländischen Pensionsfonds an in Deutschland ansässige ehemalige Beschäftigte des niederländischen öffentlichen Dienstes gezahlt werden. Dieser Pensionsfonds (Algemeen Burgerlijk Pensionensfonds – ABP -) war in den Niederlanden im Rahmen einer Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Versorgungssystems von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine private Stiftung umgewandelt worden. Im Rahmen der Verhandlungen über ein neues DBA waren sich beide Staaten einig, dass das Besteuerungsrecht für die Versorgungsbezüge ehemaliger Beschäftigter des niederländischen öffentlichen Dienstes aus dem ABP dem Kassenstaatsgedanken folgen soll. Das am 12. April 2012 unterzeichnete neue DBA enthält daher in Nr. XIV seines Protokolls die Bestimmung, Seite 2 dass unabhängig vom Schuldner des Ruhegehaltes ein aus den Niederlanden bezogenes Ruhegehalt in den Anwendungsbereich des Kassenstaatsartikels fällt, soweit der Anspruch auf dieses Ruhegehalt im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erworben wurde. Wurde der Anspruch auf ein Ruhegehalt zum Teil im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses und zum Teil im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erworben, werden der Teil dieses Ruhegehalts, der unter den Rentenartikel, und der Teil, der unter den Kassenstaatsartikel fällt, anhand der Anzahl der Jahre, in denen der Anspruch auf dieses Ruhegeld im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses beziehungsweise im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erworben wurde, im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Jahre, in denen der Anspruch auf dieses Ruhegeld erworben wurde, anteilig ermittelt. Das DBA regelt auch eine Rückwirkung dieser Vorschrift für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen.

Die Verständigungsverfahren, die ausschließlich niederländische Versorgungsbezüge betrafen, die im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen aufgebaut wurden, wurden
daher im Lichte des neuen DBA gelöst und den Niederlanden das Besteuerungsrecht nach dem Kassenstaatsgedanken zugeordnet.

Ich bitte, in gleich gelagerten offenen Besteuerungsverfahren Ihres Zuständigkeitsbereiches entsprechend zu verfahren. Mit Blick auf die Zuordnung eines Ruhegeldes aus dem ABP zum
Rentenartikel bzw. zum Kassenstaatsartikel im konkreten Fall weise ich auf die Möglichkeit hin, den Steuerpflichtigen aufzufordern, das Formular „loonbelasting beschikking LBB20“
auszufüllen und beim „belastingdienst buitenland“ in Heerlen einzureichen. Nach Eingang des ausgefüllten Formulars fordert der „belastingdienst buitenland“ beim ABP eine Aufteilung
der Zahlungen der Altersbezüge in Beträge, die auf öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen und in Beträge, die auf privat-rechtlichen Dienstverhältnissen beruhen, an.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es ist außerdem auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen verfügbar

Verfahrensrecht | Änderung widerstreitender Steuerfestsetzungen (BFH)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.5.2012, I R 73/10

Änderung widerstreitender Steuerfestsetzungen: Berücksichtigung ausländischer Steuerbescheide – Unionsrechtskonforme Auslegung – Keine Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei grobem Verschulden – Sorgfaltspflicht des Steuerberaters – „Berücksichtigung“ eines bestimmten Sachverhalts und „Widerstreit“ i.S. von § 174 Abs. 1 AO – Berücksichtigung von Doppelbesteuerungsankommen

Leitsätze

Ein Steuerbescheid kann bei Doppelberücksichtigung eines Sachverhalts auch dann nach Maßgabe von § 174 Abs. 1 AO geändert werden, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von einer Behörde eines EU-Mitgliedstaats stammt.

Tatbestand

1
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.
2
Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.
3
Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.
4
In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 EUR (2005) und 49.103 EUR (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.
5
Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 EUR (2005) und 15.040,80 EUR (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten „Umsatzerlöse Seminare“ (2005) und „Einnahmen, Versicherungen“ (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.
6
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 EUR (2005) und 15.037 EUR (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.
7
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8
II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.
9
1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.
10
a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.
11
b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.
12
c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.
13
aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs „grobes Verschulden“ oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.
14
bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.
15
2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.
16
a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff „Steuerbescheid“ nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb –DB– 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als –wie im Streitfall– Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.
17
aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff „Steuerbescheid“ nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.
18
bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: „soweit nichts anderes vorgeschrieben ist“) und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.
19
aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union –EUV– i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. –bezogen auf die Streitjahre– Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft –EG– i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] –EuGH– vom 4. Juli 2006 C-212/04 „Adeneler“, Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 „Kücükdeveci“, Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln –Äquivalenzgrundsatz–, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren –Effektivitätsgrundsatz– (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 „Wells“, Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 „i-21 Germany und Arcor“, Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 „Meilicke u.a.“, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).
20
bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn –wie im Streitfall– keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich –vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen– im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 „Schwarz und Gootjes-Schwarz“, Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).
21
Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.
22
Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 „de Groot“, Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 „Baars“, Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 „Verkooijen“, Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 „X und Y“, Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).
23
Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen –unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit–, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.
24
Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 „X-Holding“, Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.
25
b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.
26
aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre „ein bestimmter Sachverhalt“ in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.
27
aaa) Der Begriff des „bestimmten Sachverhalts“ in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).
28
Die „Berücksichtigung“ eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).
29
bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen „Umsatzerlöse Seminare“ und „Einnahmen, Versicherungen“ zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.
30
bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.
31
aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein „Widerstreiten“ in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).
32
bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers –den Niederlanden– steuerbar. Oder aber sie hätte –wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre –zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den „sonstigen Einkünften“, für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) –DBA-Niederlande– das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.
33
Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen „Widerstreit“ im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der „Widerstreit“ zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.
34
cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus –wie oben ausgeführt– gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.
35
3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes –aus seiner rechtlichen Sicht konsequent– dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

Doppelbesteuerung | Ausschüttungen einer französischen SICAV (BFH)

Besteuerung von Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen nach dem DBA-Österreich – BFH-Urteil vom 13.06.12   I R 41/11

 

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 13. Juni 2012 I R 41/11 entschieden, dass Vergütungen, die eine im Ausland ansässige Gesellschaft für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten an Sportveranstaltungen von einer im Inland ansässigen Gesellschaft erhält, nicht in Deutschland besteuert werden können.

 

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine in Österreich ansässige GmbH, mit einer im Inland ansässigen Sportrechtevermarktungsgesellschaft Verträge über die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten abgeschlossen. Zweck der Überlassung war die Liveübertragung bzw. Aufzeichnung bestimmter internationaler Sportveranstaltungen im deutschen Fernsehen. Die inländische Gesellschaft zahlte entsprechende Vergütungen an die Klägerin aus, behielt jedoch Steuerabzugsbeträge ein, die an das zuständige Finanzamt abgeführt wurden. Die Klägerin beantragte daraufhin beim beklagten Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Erstattung dieser einbehaltenen Beträge, da aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (DBA-Österreich) Deutschland kein Besteuerungsrecht an diesen Vergütungen zustehe. Dem waren zunächst das BZSt und dann das Finanzgericht nicht gefolgt. Der BFH gab nun der Klägerin Recht.

 

Nach der Entscheidung des BFH ordnet das DBA-Österreich in seinem Art. 17 (zur Besteuerung von Künstlern und Sportlern) das Besteuerungsrecht dem anderen Vertragsstaat zu, in dem der Rechteinhaber ansässig ist (hier Österreich). Die Vergütungen für die Fernsehübertragungsrechte, welche vom Rechteinhaber erworben werden, werden geleistet, um die Sportveranstaltung im Fernsehen zeigen zu dürfen. In der Übertragung schlagen sich zwar maßgeblich auch die sportlichen Tätigkeiten der einzelnen Sportler nieder. Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich aber nicht um Einkünfte des Sportlers selbst. Dies ist nach Auffassung des BFH aber Voraussetzung, um zu einer Besteuerung dieser Einkünfte im Quellenstaat (hier Deutschland) kommen zu können.

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.6.2012, I R 41/11

Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte nach dem DBA-Österreich 2000 – Abkommensrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Veranstalters von Sportveranstaltungen

Leitsätze

1. Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 setzt nicht voraus, dass Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler selbst gezahlt werden.

 

2. Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers (Anschluss an Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625).

Tatbestand

1
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die auf ihre Einkünfte aus der Überlassung von Fernsehübertragungsrechten einbehaltenen und abgeführten Abzugsteuern nach § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) ein Freistellungsbescheid zu erteilen ist.
2
Die Klägerin, eine in Österreich ansässige GmbH, unterhielt in den Streitjahren 2006 und 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) weder eine Betriebsstätte noch hatte sie einen ständigen Vertreter. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Rechten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit schloss sie mit der in Deutschland ansässigen B-GmbH in den Jahren 2005 bis 2007 Verträge über die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten an näher bezeichneten internationalen Sportveranstaltungen ab, die zum Teil in Deutschland stattfanden. Zweck der Überlassung war die Liveübertragung oder Nachverwertung von Aufzeichnungen der bezeichneten Sportveranstaltungen im deutschen Fernsehen. Aufgrund dieser Verträge zahlte die B-GmbH in den Streitjahren die in den Verträgen vereinbarten Brutto-Vergütungen und behielt hiervon gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2002 Abzugsbeträge zur Körperschaftsteuer ein, die sie an das zuständige Finanzamt abführte.
3
Mit mehreren seit dem 11. April 2006 gestellten Anträgen beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt für Steuern –BZSt–) nach § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 i.V.m. § 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) zunächst die Freistellung von Abzugsteuern und sodann die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000 (BGBl II 2002, 734, BStBl I 2002, 584) –DBA-Österreich 2000–.
4
Das BZSt lehnte den Erlass einer Freistellungsbescheinigung sowie eines Freistellungsbescheides auf der Grundlage des § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 ab. Es vertrat die Ansicht, dass nach Art. 17 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den Vergütungen Deutschland zustehe. Das Finanzgericht (FG) Köln wies die anschließende Klage, mit der die Klägerin nur noch die Erstattung der abgeführten Beträge begehrte, mit Urteil vom 17. März 2011  2 K 2278/08 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1428) ab. Es war der Auffassung, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge zustehe, da nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den streitigen Vergütungen Deutschland als Quellenstaat zustehe.
5
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das FG-Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das BZSt zu verpflichten, in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin B-GmbH für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … einen Freistellungsbescheid zu erlassen.
6
Das BZSt beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Ausspruch der begehrten Verpflichtung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das BZSt ist verpflichtet, der Klägerin einen Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … zu erteilen. Die inländische Besteuerung der an die Klägerin gezahlten Vergütungen für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten war nach Maßgabe des DBA-Österreich 2000 ausgeschlossen.
8
1. Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG 2002 –im Streitfall des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002 und § 8 Abs. 1, § 2 Nr. 1 und § 31 Abs. 1 KStG 2002– unterliegen, sind nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer –im Streitfall nach § 50a Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG 2002– durch den Schuldner der Vergütungen i.S. des § 50a EStG 2002 auch dann anzuwenden, wenn sie nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung –im Streitfall dem DBA-Österreich 2000– nicht besteuert werden können. Unberührt davon bleibt nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 der Anspruch des Gläubigers der Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt auf Antrag des Gläubigers der Vergütungen auf der Grundlage eines Freistellungsbescheids nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002. Voraussetzung für die Erteilung eines Freistellungsbescheids und der nach § 50d Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 hieran anknüpfenden Auszahlung des zu erstattenden Betrags ist neben weiteren –im Streitfall unproblematischen– Voraussetzungen, dass die Einkünfte, von der die Abzugsteuer einbehalten und abgeführt worden ist, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht besteuert werden können. Im Streitfall konnten die Vergütungen nicht nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 i.V.m. Abs. 2 DBA-Österreich 2000 in Deutschland besteuert werden.
9
a) Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 dürfen ungeachtet der Art. 7, 14 und 15 Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person u.a. als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Ungeachtet auch des Art. 12 dürfen nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, im anderen Vertragsstaat auch dann besteuert werden, wenn dort keine persönliche Tätigkeit ausgeübt wird. Entsprechendes gilt gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Fließen Einkünfte der in Abs. 1 des Art. 17 DBA-Österreich 2000 genannten Art nicht dem Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu, so dürfen nach Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 deren Einkünfte ungeachtet der Art. 7, 12, 14 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, aus dem sie stammen.
10
b) Soweit die Klägerin Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte von der B-GmbH bezogen hat, handelt es sich um Einkünfte, die einer „anderen Person“ i.S. des Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 zugeflossen sind. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit und muss nicht näher ausgeführt werden. Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 setzt jedoch weiter voraus, dass es sich um Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art handelt. Soweit die Vorinstanz dies unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 bejaht hat, kann dem nicht gefolgt werden. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 setzt zwar ebenso wie Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 –im Unterschied zu Art. 17 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) oder Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) –DBA-Schweiz– nicht voraus, dass die Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler gezahlt werden. Dies ist bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte, die vom Veranstalter selbst oder über einen Dritten überlassen werden, nicht der Fall.
11
aa) Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte werden geleistet, um die Sportveranstaltung im Fernsehen zeigen zu dürfen. In der Übertragung schlagen sich zwar maßgeblich auch die sportlichen Tätigkeiten der einzelnen Sportler nieder. Letztlich beruht eine solche Veranstaltung aber auf einer Vielzahl von organisatorischen, technischen, kaufmännischen und sonstigen Tätigkeiten (z.B. die Überlassung der Sportstätte, die Organisation des Wettkampfs etc.), die vom Veranstalter, ggf. unter Einschaltung weiterer Personen, erbracht und koordiniert werden. Die verschiedenen Tätigkeiten des Veranstalters stellen sich in ihrer Gesamtheit als eine originär ihm zuzurechnende Leistung dar. Dementsprechend geht auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Fernsehübertragungsrechte dem Veranstalter in seiner Eigenschaft als solchem zustehen und er sie nicht aus Rechtspositionen der teilnehmenden Sportler ableitet (z.B. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. März 1990 KVR 4/88, BGHZ 110, 371; Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 19. März 2009  2 U 47/08, Zeitschrift für Sport und Recht 2009, 252; für einen Teil der Einkünfte hierauf abstellend auch Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, 1999, S. 137). Werden die Übertragungsrechte vom Veranstalter des Sportereignisses an einen Dritten überlassen, sind die von dem Dritten dafür vereinnahmten Vergütungen nicht für die persönlich ausgeübte Tätigkeit der an den Veranstaltungen beteiligten einzelnen Sportler gezahlt worden. Vielmehr handelt es sich um Einkünfte, die ihrem Wesen nach der Tätigkeit des jeweiligen Veranstalters entstammen.
12
bb) Für die Tätigkeit eines Veranstalters hat der erkennende Senat in einem Fall zum DBA-Schweiz entschieden, dass dessen Tätigkeit nicht zu den von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz erfassten Tätigkeiten gehört (Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625). Er hat sich dabei maßgebend darauf gestützt, dass die fragliche Regelung im DBA-Schweiz –ebenso wie im OECD-MustAbk– an die persönlich ausgeübte Tätigkeit als Sportler anknüpft. Jedenfalls aus abkommensrechtlicher Sicht stellt sich die Tätigkeit des Veranstalters damit lediglich als Verwertung der durch die einzelnen Sportler persönlich erbrachten Tätigkeiten dar. Die Verwertung wird aber von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz nicht erfasst. Dies gilt für die insoweit wortgleiche Regelung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 entsprechend. Eine unmittelbar an den Veranstalter gezahlte Vergütung für die (Live-)Fernsehübertragungsrechte fällt somit nicht unter Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000.
13
cc) Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird allerdings durch Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 ergänzt. Abweichend von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 für Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, nicht mehr auf eine persönlich ausgeübte Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers im Quellenstaat abgestellt. Entsprechendes gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Das Urteil des Senats in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz, in dem vergleichbare Regelungen fehlen, kann daher nicht ohne Weiteres auf die Rechtslage nach dem DBA-Österreich übertragen werden. Entgegen der Vorinstanz ist daraus jedoch nicht der Schluss zu ziehen, nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 könnten alle Einkünfte aus der Verwertung einer künstlerischen oder sportlichen Darbietung im Quellenstaat besteuert werden. Die Vergütungen müssen zwar nicht aus einer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden, es muss sich aber weiterhin um Vergütungen des Künstlers oder Sportlers selbst handeln (vgl. Lang/Stefaner in Debatin/Wassermeyer, Österreich Art. 17 Rz 15; dieselben, Internationales Steuerrecht –IStR– 2003, 829, 830; Stockmann in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 17 Rz 82; unklar Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 17 DBA-Österreich Rz 26 einerseits, Rz 41 andererseits).
14
aaa) Dies folgt in zweifelsfreier Deutlichkeit aus dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 („dieser Person“) sowie Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, der Einkünfte erfassen will, die „nicht dem Künstler oder Sportler selbst“ zufließen. Der subjektbezogene Charakter des Art. 17 DBA-Österreich 2000 zeigt sich bereits in der Überschrift der Norm und setzt sich im systematischen Zusammenhang der einzelnen Absätze der Vorschrift fort. Wenn Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dagegen auf „Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen“ abstellt, wird der Bezug zu den Einkünften des Künstlers oder Sportlers nicht gelöst. Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 zielt –ebenso wie Satz 2 der Vorschrift– ersichtlich (nur) darauf ab, das Quellenbesteuerungsrecht ohne Rücksicht darauf zu erweitern, ob der betreffende Künstler oder Sportler in diesem Staat auch tatsächlich seine künstlerischen oder sportlichen Aktivitäten erbringt, und zwar –über die Benutzung von Persönlichkeitsrechten des Künstlers oder Sportlers nach Satz 2 hinausgehend– auch für Vergütungen für die Überlassung bestimmter Verwertungsrechte. Die tatbestandlichen Grunderfordernisse der vorangehenden Sätze 1 und 2 der Vorschrift und damit auch jener Bezug zu den Einkünften der Künstler und Sportler selbst bleiben dadurch aber unberührt. Indem Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 über die Worte „Entsprechendes gilt“ an die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Österreich 2000 anknüpft, kommt dies hinlänglich klar zum Ausdruck. Bestätigt wird dieses Verständnis nicht zuletzt durch Abs. 2 der Vorschrift. Denn ein anderweitiges Regelungsverständnis, von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dahingehend, dass losgelöst von Einkünften des Künstlers oder Sportlers alle Einkünfte aus Aufzeichnungen und Übertragungen durch Rundfunk und Fernsehen dem Quellenstaat zugeordnet werden, hätte zur Folge, dass für derartige Einkünfte ein Rückgriff auf Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 nicht mehr erforderlich wäre. Eines Durchgriffs auf eine „andere Person“ bedürfte es nicht, wenn bereits über die Grundnorm in Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 andere Einkünfte als die Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst zu erfassen wären. Abs. 2 der Vorschrift nimmt aber unterschiedslos auf (alle) Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art Bezug und lässt nicht erkennen, dass ihm bezogen auf Abs. 1 Satz 3 lediglich deklaratorische Bedeutung zukäme. Dass Letzteres ausgeschlossen ist, belegt vielmehr der Abgleich mit Art. 17 Abs. 2 OECD-MustAbk, der das (Quellen-)Besteuerungsrecht im Falle des Künstler- oder Sportlerdurchgriffs wie beschrieben demjenigen Vertragsstaat zuweist, „in dem der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt“; Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 weist das Besteuerungsrecht für diese Fälle demgegenüber dem Vertragsstaat zu, aus dem die Einkünfte „stammen“, was unter den Vorgaben der nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 gegenüber Satz 1 erweiterten Einkunftskategorien allein dann „Sinn“ macht, wenn es sich auch auf alle drei dieser Kategorien bezieht (Lang/Stefaner, IStR 2003, 829, 836).
15
bbb) Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers. Dies hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 bereits zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz entschieden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies für die Rechtslage nach dem DBA-Österreich anders beurteilt werden sollte. Es mag zwar richtig sein, dass die an der Veranstaltung beteiligten Organisationen vom Veranstalter häufig Zahlungen erhalten werden, die sie ihrerseits vollständig oder zum Teil zur Honorierung der für sie tätigen Sportler verwenden. Dadurch werden die hier zu beurteilenden Vergütungen aber nicht zur Gänze oder anteilig zu Entgelten für den Auftritt der Sportler. Denn die Sportler erhalten die ihnen zustehenden Vergütungen aufgrund eigenständiger vertraglicher Beziehungen mit Dritten, und jene Vergütungen können auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht im Sinne einer (teilweisen) Weiterleitung der Entgelte für die Übertragungsrechte verstanden werden. Vielmehr vollziehen sich beide Vorgänge auf unterschiedlichen Ebenen und –vor allem– in nur mittelbar zusammenhängenden Geschäftskreisen. Das reicht für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 auf die an die Klägerin gezahlten Vergütungen nicht aus.
16
c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht geboten, wenn man –bezogen auf die Streitjahre rückwirkend– die Konsultationsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Bundesrepublik Deutschland und dem BMF der Republik Österreich vom 9./12. Juli 2010 in BStBl I 2010, 647, in die Überlegungen einbezieht. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in einer Verständigungsvereinbarung oder Konsultationsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen (Grundsatz der Entscheidungsharmonie; vgl. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394). Ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame Übung der beteiligten Finanzverwaltungen können weiterhin nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757), für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein. Dies aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Abkommens ableiten lassen. Der Abkommenswortlaut, nicht aber eine Verständigungsvereinbarung stellt in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar (Senatsurteil in BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; s. auch Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; vom 11. November 2009 I R 84/08, BFHE 227, 410, BStBl II 2010, 390; vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602, und vom 12. Oktober 2011 I R 15/11, BFH/NV 2012, 640).
17
An dieser Grenze scheitert im Streitfall die vom BZSt verfochtene Zuordnung der Entgelte für die Übertragung und Aufzeichnung u.a. sportlicher Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen zum Quellenstaat, auch wenn diese Vergütungen von einer oder über eine Verwertungsgesellschaft gezahlt werden. Denn dem Wortlaut des Abkommens und dem systematischen Verständnis der Vorschrift des Art. 17 DBA-Österreich 2000 ist zu entnehmen, dass es sich um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst handeln muss. Dem wird eine –vom BZSt der Konsultationsvereinbarung entnommene– Zuordnung jeder Art von Entgelten für die Aufzeichnung und Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen nicht gerecht. Den von der Revision formulierten Zweifeln, ob die Konsultationsvereinbarung im Sinne des BZSt zu interpretieren ist, muss daher nicht weiter nachgegangen werden.
18
2. Unter welche andere Bestimmung des DBA-Österreich die in Rede stehenden Vergütungen fallen, kann im Streitfall offenbleiben. Denn keine der in Betracht kommenden Vorschriften gestattet eine Besteuerung in Deutschland. Handelte es sich um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, wäre gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 nur Österreich als Ansässigkeitsstaat der Klägerin steuerberechtigt. Dasselbe gälte, wenn die Überlassung der Übertragungsrechte aufgrund ihres „verbrauchenden“ Charakters als „Veräußerung“ i.S. des Art. 13 Abs. 3 DBA-Österreich 2000 anzusehen wäre (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Mai 2001 I R 64/99, BFHE 196, 210, BStBl II 2003, 641). Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBA-Österreich 2000 können ausgeschlossen werden, da die Klägerin im Inland keine Betriebsstätte unterhalten hat und auch keinen ständigen Vertreter hatte.
19
3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif und der Klage stattzugeben. Der Klägerin ist ein Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 wie beantragt zu erteilen.

Doppelbesteuerung | Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte (BFH)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.6.2012, I R 41/11

Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte nach dem DBA-Österreich 2000 – Abkommensrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Veranstalters von Sportveranstaltungen

Leitsätze

1. Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 setzt nicht voraus, dass Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler selbst gezahlt werden.

 

2. Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers (Anschluss an Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625).

Tatbestand

1
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die auf ihre Einkünfte aus der Überlassung von Fernsehübertragungsrechten einbehaltenen und abgeführten Abzugsteuern nach § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) ein Freistellungsbescheid zu erteilen ist.
2
Die Klägerin, eine in Österreich ansässige GmbH, unterhielt in den Streitjahren 2006 und 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) weder eine Betriebsstätte noch hatte sie einen ständigen Vertreter. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Rechten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit schloss sie mit der in Deutschland ansässigen B-GmbH in den Jahren 2005 bis 2007 Verträge über die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten an näher bezeichneten internationalen Sportveranstaltungen ab, die zum Teil in Deutschland stattfanden. Zweck der Überlassung war die Liveübertragung oder Nachverwertung von Aufzeichnungen der bezeichneten Sportveranstaltungen im deutschen Fernsehen. Aufgrund dieser Verträge zahlte die B-GmbH in den Streitjahren die in den Verträgen vereinbarten Brutto-Vergütungen und behielt hiervon gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2002 Abzugsbeträge zur Körperschaftsteuer ein, die sie an das zuständige Finanzamt abführte.
3
Mit mehreren seit dem 11. April 2006 gestellten Anträgen beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt für Steuern –BZSt–) nach § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 i.V.m. § 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) zunächst die Freistellung von Abzugsteuern und sodann die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000 (BGBl II 2002, 734, BStBl I 2002, 584) –DBA-Österreich 2000–.
4
Das BZSt lehnte den Erlass einer Freistellungsbescheinigung sowie eines Freistellungsbescheides auf der Grundlage des § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 ab. Es vertrat die Ansicht, dass nach Art. 17 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den Vergütungen Deutschland zustehe. Das Finanzgericht (FG) Köln wies die anschließende Klage, mit der die Klägerin nur noch die Erstattung der abgeführten Beträge begehrte, mit Urteil vom 17. März 2011  2 K 2278/08 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1428) ab. Es war der Auffassung, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge zustehe, da nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den streitigen Vergütungen Deutschland als Quellenstaat zustehe.
5
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das FG-Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das BZSt zu verpflichten, in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin B-GmbH für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … einen Freistellungsbescheid zu erlassen.
6
Das BZSt beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Ausspruch der begehrten Verpflichtung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das BZSt ist verpflichtet, der Klägerin einen Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … zu erteilen. Die inländische Besteuerung der an die Klägerin gezahlten Vergütungen für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten war nach Maßgabe des DBA-Österreich 2000 ausgeschlossen.
8
1. Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG 2002 –im Streitfall des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002 und § 8 Abs. 1, § 2 Nr. 1 und § 31 Abs. 1 KStG 2002– unterliegen, sind nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer –im Streitfall nach § 50a Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG 2002– durch den Schuldner der Vergütungen i.S. des § 50a EStG 2002 auch dann anzuwenden, wenn sie nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung –im Streitfall dem DBA-Österreich 2000– nicht besteuert werden können. Unberührt davon bleibt nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 der Anspruch des Gläubigers der Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt auf Antrag des Gläubigers der Vergütungen auf der Grundlage eines Freistellungsbescheids nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002. Voraussetzung für die Erteilung eines Freistellungsbescheids und der nach § 50d Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 hieran anknüpfenden Auszahlung des zu erstattenden Betrags ist neben weiteren –im Streitfall unproblematischen– Voraussetzungen, dass die Einkünfte, von der die Abzugsteuer einbehalten und abgeführt worden ist, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht besteuert werden können. Im Streitfall konnten die Vergütungen nicht nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 i.V.m. Abs. 2 DBA-Österreich 2000 in Deutschland besteuert werden.
9
a) Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 dürfen ungeachtet der Art. 7, 14 und 15 Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person u.a. als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Ungeachtet auch des Art. 12 dürfen nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, im anderen Vertragsstaat auch dann besteuert werden, wenn dort keine persönliche Tätigkeit ausgeübt wird. Entsprechendes gilt gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Fließen Einkünfte der in Abs. 1 des Art. 17 DBA-Österreich 2000 genannten Art nicht dem Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu, so dürfen nach Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 deren Einkünfte ungeachtet der Art. 7, 12, 14 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, aus dem sie stammen.
10
b) Soweit die Klägerin Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte von der B-GmbH bezogen hat, handelt es sich um Einkünfte, die einer „anderen Person“ i.S. des Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 zugeflossen sind. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit und muss nicht näher ausgeführt werden. Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 setzt jedoch weiter voraus, dass es sich um Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art handelt. Soweit die Vorinstanz dies unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 bejaht hat, kann dem nicht gefolgt werden. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 setzt zwar ebenso wie Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 –im Unterschied zu Art. 17 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) oder Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) –DBA-Schweiz– nicht voraus, dass die Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler gezahlt werden. Dies ist bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte, die vom Veranstalter selbst oder über einen Dritten überlassen werden, nicht der Fall.
11
aa) Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte werden geleistet, um die Sportveranstaltung im Fernsehen zeigen zu dürfen. In der Übertragung schlagen sich zwar maßgeblich auch die sportlichen Tätigkeiten der einzelnen Sportler nieder. Letztlich beruht eine solche Veranstaltung aber auf einer Vielzahl von organisatorischen, technischen, kaufmännischen und sonstigen Tätigkeiten (z.B. die Überlassung der Sportstätte, die Organisation des Wettkampfs etc.), die vom Veranstalter, ggf. unter Einschaltung weiterer Personen, erbracht und koordiniert werden. Die verschiedenen Tätigkeiten des Veranstalters stellen sich in ihrer Gesamtheit als eine originär ihm zuzurechnende Leistung dar. Dementsprechend geht auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Fernsehübertragungsrechte dem Veranstalter in seiner Eigenschaft als solchem zustehen und er sie nicht aus Rechtspositionen der teilnehmenden Sportler ableitet (z.B. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. März 1990 KVR 4/88, BGHZ 110, 371; Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 19. März 2009  2 U 47/08, Zeitschrift für Sport und Recht 2009, 252; für einen Teil der Einkünfte hierauf abstellend auch Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, 1999, S. 137). Werden die Übertragungsrechte vom Veranstalter des Sportereignisses an einen Dritten überlassen, sind die von dem Dritten dafür vereinnahmten Vergütungen nicht für die persönlich ausgeübte Tätigkeit der an den Veranstaltungen beteiligten einzelnen Sportler gezahlt worden. Vielmehr handelt es sich um Einkünfte, die ihrem Wesen nach der Tätigkeit des jeweiligen Veranstalters entstammen.
12
bb) Für die Tätigkeit eines Veranstalters hat der erkennende Senat in einem Fall zum DBA-Schweiz entschieden, dass dessen Tätigkeit nicht zu den von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz erfassten Tätigkeiten gehört (Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625). Er hat sich dabei maßgebend darauf gestützt, dass die fragliche Regelung im DBA-Schweiz –ebenso wie im OECD-MustAbk– an die persönlich ausgeübte Tätigkeit als Sportler anknüpft. Jedenfalls aus abkommensrechtlicher Sicht stellt sich die Tätigkeit des Veranstalters damit lediglich als Verwertung der durch die einzelnen Sportler persönlich erbrachten Tätigkeiten dar. Die Verwertung wird aber von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz nicht erfasst. Dies gilt für die insoweit wortgleiche Regelung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 entsprechend. Eine unmittelbar an den Veranstalter gezahlte Vergütung für die (Live-)Fernsehübertragungsrechte fällt somit nicht unter Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000.
13
cc) Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird allerdings durch Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 ergänzt. Abweichend von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 für Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, nicht mehr auf eine persönlich ausgeübte Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers im Quellenstaat abgestellt. Entsprechendes gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Das Urteil des Senats in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz, in dem vergleichbare Regelungen fehlen, kann daher nicht ohne Weiteres auf die Rechtslage nach dem DBA-Österreich übertragen werden. Entgegen der Vorinstanz ist daraus jedoch nicht der Schluss zu ziehen, nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 könnten alle Einkünfte aus der Verwertung einer künstlerischen oder sportlichen Darbietung im Quellenstaat besteuert werden. Die Vergütungen müssen zwar nicht aus einer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden, es muss sich aber weiterhin um Vergütungen des Künstlers oder Sportlers selbst handeln (vgl. Lang/Stefaner in Debatin/Wassermeyer, Österreich Art. 17 Rz 15; dieselben, Internationales Steuerrecht –IStR– 2003, 829, 830; Stockmann in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 17 Rz 82; unklar Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 17 DBA-Österreich Rz 26 einerseits, Rz 41 andererseits).
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aaa) Dies folgt in zweifelsfreier Deutlichkeit aus dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 („dieser Person“) sowie Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, der Einkünfte erfassen will, die „nicht dem Künstler oder Sportler selbst“ zufließen. Der subjektbezogene Charakter des Art. 17 DBA-Österreich 2000 zeigt sich bereits in der Überschrift der Norm und setzt sich im systematischen Zusammenhang der einzelnen Absätze der Vorschrift fort. Wenn Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dagegen auf „Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen“ abstellt, wird der Bezug zu den Einkünften des Künstlers oder Sportlers nicht gelöst. Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 zielt –ebenso wie Satz 2 der Vorschrift– ersichtlich (nur) darauf ab, das Quellenbesteuerungsrecht ohne Rücksicht darauf zu erweitern, ob der betreffende Künstler oder Sportler in diesem Staat auch tatsächlich seine künstlerischen oder sportlichen Aktivitäten erbringt, und zwar –über die Benutzung von Persönlichkeitsrechten des Künstlers oder Sportlers nach Satz 2 hinausgehend– auch für Vergütungen für die Überlassung bestimmter Verwertungsrechte. Die tatbestandlichen Grunderfordernisse der vorangehenden Sätze 1 und 2 der Vorschrift und damit auch jener Bezug zu den Einkünften der Künstler und Sportler selbst bleiben dadurch aber unberührt. Indem Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 über die Worte „Entsprechendes gilt“ an die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Österreich 2000 anknüpft, kommt dies hinlänglich klar zum Ausdruck. Bestätigt wird dieses Verständnis nicht zuletzt durch Abs. 2 der Vorschrift. Denn ein anderweitiges Regelungsverständnis, von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dahingehend, dass losgelöst von Einkünften des Künstlers oder Sportlers alle Einkünfte aus Aufzeichnungen und Übertragungen durch Rundfunk und Fernsehen dem Quellenstaat zugeordnet werden, hätte zur Folge, dass für derartige Einkünfte ein Rückgriff auf Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 nicht mehr erforderlich wäre. Eines Durchgriffs auf eine „andere Person“ bedürfte es nicht, wenn bereits über die Grundnorm in Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 andere Einkünfte als die Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst zu erfassen wären. Abs. 2 der Vorschrift nimmt aber unterschiedslos auf (alle) Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art Bezug und lässt nicht erkennen, dass ihm bezogen auf Abs. 1 Satz 3 lediglich deklaratorische Bedeutung zukäme. Dass Letzteres ausgeschlossen ist, belegt vielmehr der Abgleich mit Art. 17 Abs. 2 OECD-MustAbk, der das (Quellen-)Besteuerungsrecht im Falle des Künstler- oder Sportlerdurchgriffs wie beschrieben demjenigen Vertragsstaat zuweist, „in dem der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt“; Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 weist das Besteuerungsrecht für diese Fälle demgegenüber dem Vertragsstaat zu, aus dem die Einkünfte „stammen“, was unter den Vorgaben der nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 gegenüber Satz 1 erweiterten Einkunftskategorien allein dann „Sinn“ macht, wenn es sich auch auf alle drei dieser Kategorien bezieht (Lang/Stefaner, IStR 2003, 829, 836).
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bbb) Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers. Dies hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 bereits zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz entschieden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies für die Rechtslage nach dem DBA-Österreich anders beurteilt werden sollte. Es mag zwar richtig sein, dass die an der Veranstaltung beteiligten Organisationen vom Veranstalter häufig Zahlungen erhalten werden, die sie ihrerseits vollständig oder zum Teil zur Honorierung der für sie tätigen Sportler verwenden. Dadurch werden die hier zu beurteilenden Vergütungen aber nicht zur Gänze oder anteilig zu Entgelten für den Auftritt der Sportler. Denn die Sportler erhalten die ihnen zustehenden Vergütungen aufgrund eigenständiger vertraglicher Beziehungen mit Dritten, und jene Vergütungen können auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht im Sinne einer (teilweisen) Weiterleitung der Entgelte für die Übertragungsrechte verstanden werden. Vielmehr vollziehen sich beide Vorgänge auf unterschiedlichen Ebenen und –vor allem– in nur mittelbar zusammenhängenden Geschäftskreisen. Das reicht für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 auf die an die Klägerin gezahlten Vergütungen nicht aus.
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c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht geboten, wenn man –bezogen auf die Streitjahre rückwirkend– die Konsultationsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Bundesrepublik Deutschland und dem BMF der Republik Österreich vom 9./12. Juli 2010 in BStBl I 2010, 647, in die Überlegungen einbezieht. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in einer Verständigungsvereinbarung oder Konsultationsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen (Grundsatz der Entscheidungsharmonie; vgl. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394). Ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame Übung der beteiligten Finanzverwaltungen können weiterhin nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757), für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein. Dies aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Abkommens ableiten lassen. Der Abkommenswortlaut, nicht aber eine Verständigungsvereinbarung stellt in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar (Senatsurteil in BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; s. auch Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; vom 11. November 2009 I R 84/08, BFHE 227, 410, BStBl II 2010, 390; vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602, und vom 12. Oktober 2011 I R 15/11, BFH/NV 2012, 640).
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An dieser Grenze scheitert im Streitfall die vom BZSt verfochtene Zuordnung der Entgelte für die Übertragung und Aufzeichnung u.a. sportlicher Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen zum Quellenstaat, auch wenn diese Vergütungen von einer oder über eine Verwertungsgesellschaft gezahlt werden. Denn dem Wortlaut des Abkommens und dem systematischen Verständnis der Vorschrift des Art. 17 DBA-Österreich 2000 ist zu entnehmen, dass es sich um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst handeln muss. Dem wird eine –vom BZSt der Konsultationsvereinbarung entnommene– Zuordnung jeder Art von Entgelten für die Aufzeichnung und Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen nicht gerecht. Den von der Revision formulierten Zweifeln, ob die Konsultationsvereinbarung im Sinne des BZSt zu interpretieren ist, muss daher nicht weiter nachgegangen werden.
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2. Unter welche andere Bestimmung des DBA-Österreich die in Rede stehenden Vergütungen fallen, kann im Streitfall offenbleiben. Denn keine der in Betracht kommenden Vorschriften gestattet eine Besteuerung in Deutschland. Handelte es sich um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, wäre gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 nur Österreich als Ansässigkeitsstaat der Klägerin steuerberechtigt. Dasselbe gälte, wenn die Überlassung der Übertragungsrechte aufgrund ihres „verbrauchenden“ Charakters als „Veräußerung“ i.S. des Art. 13 Abs. 3 DBA-Österreich 2000 anzusehen wäre (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Mai 2001 I R 64/99, BFHE 196, 210, BStBl II 2003, 641). Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBA-Österreich 2000 können ausgeschlossen werden, da die Klägerin im Inland keine Betriebsstätte unterhalten hat und auch keinen ständigen Vertreter hatte.
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3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif und der Klage stattzugeben. Der Klägerin ist ein Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 wie beantragt zu erteilen.