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Nichtigkeit eines Bedarfswertbescheids

Ein Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts für Erbschaftsteuerzwecke, der als Inhaltsadressatin lediglich eine Erbengemeinschaft, nicht aber die einzelnen Miterben bezeichnet, ist nichtig. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 29. Mai 2013 (Az. 3 K 4298/11 F) entschieden.

Die Kläger sind Mitglieder einer Erbengemeinschaft. Das Finanzamt erließ einen Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks allein gegenüber der Erbengemeinschaft, ohne die einzelnen Miterben zu bezeichnen. Die Kläger vertraten die Ansicht, der Bescheid sei nichtig und damit unwirksam, weil der Inhaltsadressat nicht genau bezeichnet sei. Demgegenüber ging das beklagte Finanzamt davon aus, dass der Inhaltsadressat mit dem Zurechnungssubjekt der Feststellung identisch sei. Dies sei im Fall der Grundbesitzbewertung gemäß § 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG bei mehreren Erben die Erbengemeinschaft.

Das Gericht gab der Klage statt. Der Bescheid sei nichtig, weil sein Inhaltsadressat nicht hinreichend bestimmt sei. Dass die Erbengemeinschaft nach § 151 BewG Feststellungsbeteiligte sei, mache sie nicht automatisch zur Inhaltsadressatin. Die in dieser Regelung angeordnete Zurechnung des Grundstücks zur Erbengemeinschaft erfolge lediglich deshalb, weil nicht das Lagefinanzamt, das den Feststellungsbescheid erlasse, sondern das Erbschaftsteuerfinanzamt die Erbquote ermitteln müsse. Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheids seien vielmehr allein die Miterben, da sie Schuldner der Erbschaftsteuer seien. Diese seien aber weder im Kopf des Bescheids noch in den Erläuterungen namentlich benannt. Der nichtige Bescheid sei zwar nicht wirksam, müsse aber zur Beseitigung des Rechtsscheins aufgehoben werden.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Münster, Mitteilung vom 15.08.2013 zum Urteil 3 K 4298/11 F vom 29.05.2013

Quelle: Newsletter 08/2013

 

Finanzgericht Münster, 3 K 4298/11 F

Datum:
29.05.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 4298/11 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Der Bescheid vom 26.05.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2011 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Streitig ist, ob ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bzw. über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer rechtmäßig ist.

3Am 00.00.0000 verstarb E 4. Er ist beerbt worden von seiner Ehefrau E 1 mit einem Anteil von 7/10 (35/50) sowie seinen Söhnen E 3 zu 2/25 (4/50) und E 2 mit einem Anteil von 11/50. Zu dem Nachlass gehörte u. a. das Grundstück A-Straße 1 in N.

4Am 13.05.2011 ging die Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes für das bebaute Grundstück A-Straße 1 beim Beklagten ein. Als Eigentümer ist angegeben E 4 und in Zeile 12, in dem nach dem übertragenen Anteil gefragt wird, 100 %.

5In den Zeilen 31 ff. wird nach dem Erwerber/Beteiligten gefragt, dort ist in Zeile 32 angegeben E 1 mit der Anschrift A-Straße 1 in N. In den Zeilen 38 ff., in denen nach der Erbengemeinschaft gefragt wird, werden keine Angaben gemacht. In den Zeilen 13 bis 17 der Erklärung ist eingetragen, dass der Bescheid E 1 bekannt gegeben werden soll.

6Der Beklagte bewertete das Grundstück als Ein- oder Zweifamilienhaus im Sachwertverfahren und stellte den Grundbesitzwert einheitlich und gesondert auf 298.418 Euro fest. Unter Zurechnung des Grundbesitz heißt es:

7„Bisher:

8Herr E 4

9neu:

104 E Erbengemeinschaft, B-Straße 2, N“.

11Den Bescheid gab der Beklagte E 1 bekannt und zwar als Empfangsbevollmächtigten für „4 E Erbengemeinschaft, B-Straße 2, N. Der Bescheid enthält weiter den Satz: „Der Bescheid ergeht mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft und alle Miterben“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 00.00.0000 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 26.05.2011 Bezug genommen.

12Der Prozessbevollmächtigte zeigte mit Schreiben vom 22.06.2011 an, dass er „die Erbengemeinschaft nach E 4, Frau E 1, Herrn E 2 und Herrn E 3“ vertrete. Es werde namens und in Vollmacht der Mandanten Einspruch gegen den Bescheid vom 26.05.2011 eingelegt.

13Eine Begründung des Einspruchs erfolgte nicht.

14Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.11.2011 als unbegründet zurück. Als Einspruchsführer bezeichnete er die Erbengemeinschaft nach E 4, bestehend aus Frau E 1, A-Straße 1, N, Herrn E 2, C-Straße 3, N und Herrn E 3, D-Straße 4, N. Den Bescheid gab er dem Prozessbevollmächtigten bekannt.

15Mit der Klage wenden sich E 1, E 2 und E 3 „in Erbengemeinschaft nach dem am 00.00.0000 verstorbenen E 4, vertreten durch die Empfangsbevollmächtigte E 1, falls diese wirksam bestimmt sein sollte, ansonsten handelnd jeweils für sich und für die Erbengemeinschaft“ gegen die vom Beklagten vorgenommene Bewertung.

16Der angefochtene Bescheid sei nichtig. Denn der Zurechnungs- und Inhaltsadressat sei mit „4 E Erbengemeinschaft“ nicht genau bezeichnet. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Miterben die Erbengemeinschaft E bestehe. Der Bescheid vom 26.05.2011 sei auch nicht gegenüber allen Inhaltsadressaten bekannt gegeben worden. Ein Empfangsbevollmächtigter sei nicht wirksam bestimmt worden.

17Inhaltsadressat des Bescheids seien alle Mitglieder der Erbengemeinschaft und demgemäß sei der Feststellungsbescheid auch allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft gegenüber bekannt zu geben. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter wirksam bestimmt sei. An einer wirksamen Bestimmung eines Empfangsbevollmächtigen fehle es aber. Denn in der Erklärung seien die Miterben E 3 und E 2 nicht aufgenommen worden. Die Erklärung sei auch nur von E 1 unterschrieben worden, sodass sich auch daraus keine wirksame Bestimmung eines Empfangsbevollmächtigten ableiten lasse.

18Ein nichtiger Verwaltungsakt könne nicht geheilt werden. Auf Tz. 4.1.1 AEAO zu § 122 AO werde hingewiesen. Eine Heilung der unzutreffenden Bezeichnung eines Inhaltsadressaten durch die Einspruchsentscheidung sei nicht möglich.

19Auch Tz. 2.4.1.3 AEAO zu § 122 AO sei anzuwenden. Bei der Erbengemeinschaft sei kein geschäftsüblicher Name vorhanden, sodass die Bescheide an alle Mitglieder der Erbengemeinschaft zu richten seien. Soweit der Beklagte zur Begründung seiner abweichenden Auffassung auf die Neufassung von § 151 BewG verweise, verkenne er, dass bereits in § 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG a. F. die Zurechnung auf die Erbengemeinschaft erfolgt sei. In der Neufassung sei lediglich hinzugefügt worden,

20„… beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft erfolgt die Zurechnung in Vertretung der Miterben auf die Erbengemeinschaft.“ …

21Hierdurch werde ausdrücklich betont, dass nach wie vor die Miterben Feststellungsbeteiligte und somit Inhaltsadressaten seien. § 151 BewG n. F. schaffe gegenüber den Verfahrensvorschriften der AO kein gesondert zu beurteilendes Verfahrensrecht. Nach wie vor seien die Vorschriften der AO auch für den Feststellungsbescheid nach § 151 BewG anzuwenden.

22Soweit der Beklagte sich auf die Bundestagsdrucksache beziehe, seien die dortigen Ausführungen „schlichter Unsinn“. Zivilrechtlich würden die Miterben nicht durch die Erbengemeinschaft vertreten, sondern umgekehrt handele die Erbengemeinschaft durch die Miterben. Durch die Hinzufügung des Zusatzes „in Vertretung der Miterben“ habe der Gesetzgeber im Gegenteil deutlich machen wollen, dass nicht die Erbengemeinschaft selbst Zurechnungssubjekt sei, sondern die Miterben. Aus § 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG a. F. habe man hingegen darauf schließen können, dass die Erbengemeinschaft selbst Zurechnungssubjekt sei. Die Neuregelung besage somit das glatte Gegenteil von dem, was der Beklagte aus ihr heraus lesen wolle. Was in diesem Zusammenhang der Satz „Die Erbengemeinschaft erlangt insoweit steuerliche Rechtsfähigkeit“ sagen solle, bleibe in seinem rechtlichen Gehalt völlig inhaltsleer. Welche Art steuerrechtlicher Rechtsfähigkeit sei gemeint? Mit welchen konkreten rechtlichen Auswirkungen?

23Selbst wenn man jedoch die Auffassung des Beklagten teilen sollte, bleibe der angegriffene Bescheid nichtig, da die Bezeichnung „4 E Erbengemeinschaft, B-Straße 2, N“ völlig unbestimmt sei. Wer sei das? Handele es sich bei „4 E“ um den Erben, einen der Erben oder um den Erblasser? Habe er seinen Wohnsitz in der B-Straße 2, N? Wenn es sich um den Erblasser handele, wer seien dann die Erben? Handele es sich um einen Miterben, wer seien dann die anderen Miterben?

24Wenn die Auffassung des Beklagten richtig sei, dass die strengen Anforderungen der Rechtsprechung und des Anwendungserlasses zur AO an die Bezeichnung des Inhaltsadressaten und des Bekanntgabeadressaten durch die Änderung des § 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG nicht mehr zu beachten seien, so wäre dem Chaos und der Willkür im Hinblick auf die Rechtswirkung der Feststellungsbescheide nach dem BewG für Zwecke der Erbschaftsteuer Tür und Tor geöffnet. Der Beklagte verkenne den Charakter der Klarstellung in § 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG.

25Weiter sei aber auch die vom Beklagten vorgenommene Bewertung im Sachwertverfahren unzutreffend. Ein- und Zweifamilienhäuser seien nach § 182 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Weshalb der Beklagte davon ausgehe, dass kein Vergleichswert vorliege, sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Das Sachwertverfahren sei nicht annähernd geeignet, einen Grundbesitzwert zu ermitteln, der dem Verkehrswert vor Ort entspreche. Denn die Bewertung im Sachwertverfahren führe bei wirtschaftlichen Einheiten im Zuständigkeitsgebiet des Beklagten durchgängig und gerichtsbekannt zu deutlich überhöhten Grundbesitzwerten.

26Die Ermittlung des Sachwerts sei darüber hinaus fehlerhaft; wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16.04.2012, Blatt 31, 33 ff. der Gerichtsakte, wird Bezug genommen.

27Mit Schreiben vom 27.05.2013 legten die Kläger eine Wertschätzung für das zu bewertende Objekt vom 18.05.2013 vor, erstellt von Dipl. Ing. R, von der Industrie- und Handelskammer I öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden. Den Verkehrswert ermittelte er im Sachwertverfahren mit 235.000 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die Wertschätzung vom 18.05.2013 Bezug genommen.

28Die Kläger beantragen,

29den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 00.00.0000 für Zwecke der Erbschaftsteuer für die wirtschaftliche Einheit A-Straße 1 in N vom 26.05.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2011 aufzuheben,

30hilfsweise den angefochtenen Bescheid zu ändern und den Grundbesitzwert auf den 00.00.0000 auf 235.000 Euro gesondert und einheitlich festzustellen,

31hilfsweise im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

32Der Beklagte beantragt,

33die Klage abzuweisen,

34hilfsweise im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

35Der Bescheid sei den Klägern wirksam bekanntgegeben worden, die Einspruchsentscheidung sei nämlich an den von der Erbengemeinschaft bestellten Rechtsanwalt als Empfangsbevollmächtigten gesandt worden. Entgegen der Ansicht der Kläger seien auch alle Miterben im Rubrum der Einspruchsentscheidung benannt worden und die Zurechnung sei zu Recht nach § 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG auf die Erbengemeinschaft nach E 4 erfolgt. Soweit die Kläger vortragen, die Feststellungserklärung sei nur von einem Erben abgebeben worden, sei auf § 153 Abs. 1 und 4 BewG hinzuweisen. Danach seien andere Beteiligte von der Erklärungspflicht befreit, wenn ein Erklärungspflichtiger eine Erklärung abgegeben und eigenhändig unterschrieben habe.

36In verfahrensrechtlicher Hinsicht vertieft der Beklagte sein Vorbringen mit Schreiben vom 12.12.2012. Sowohl hinsichtlich des Inhaltsadressaten als auch hinsichtlich des Bekanntgabeadressaten seien alle Voraussetzungen für eine wirksame Bekanntgabe erfüllt. Die ursprünglich fehlerhafte Bekanntgabe des Feststellungsbescheides an nur einen der Miterben sei durch die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an den gemeinsamen Bevollmächtigten geheilt worden. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheids liegende Mangel, der die Unwirksamkeit des Bescheides bewirke, durch fehlerfreie Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt werde. Der wirksam bekannt gegebene Bescheid sei auch inhaltlich ausreichend bestimmt. Der BFH habe zwar einen schwerwiegenden, zur Nichtigkeit führenden Mangel im Inhalt eines Verwaltungsaktes angenommen, wenn der Steuerverwaltungsakt den Adressaten bei Personenmehrheiten (z. B. Erbengemeinschaften) nicht angebe. Nach Ansicht des Beklagten seien aber weder die dazu ergangenen Entscheidungen einschlägig noch Tz. 2.4.1.3 des AEAO zu § 122 AO anwendbar.

37Die Nichtigkeit werde vom BFH damit begründet, dass bei einem Bescheid, mit dem gegen einzelne Mitglieder Besteuerungsgrundlagen einheitlich und gesondert festgestellt würden und der sich damit inhaltlich gegen die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft richte, die Gesellschaft nur durch Angabe ihrer Gesellschafter charakterisiert werden könne. Damit seien die Mitglieder die notwendigen Adressaten eines an sie gerichteten Feststellungsbescheids. Im Streitfall richteten sich die Feststellungen aber gerade nicht an die Mitglieder, sondern an die Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben. Tz. 2.4.2 des AEAO zu § 122 AO stelle dazu klar: „Steuerbescheide und Feststellungsbescheide sind an die Gesellschafter (Mitglieder, Gemeinschafter) zu richten, wenn die einzelnen Beteiligten unmittelbar aus dem Steuerschuldverhältnis in Anspruch genommen werden sollen oder ihnen der Gegenstand der Feststellung zugerechnet wird (vgl. Tz. 2.5. und 2.6).“

38Der Anwendungserlass und auch der BFH gehe daher davon aus, dass der Inhaltsadressat identisch sei mit dem Steuerschuldner bzw. dem Feststellungsbeteiligten. Der Feststellungsbeteiligte sei aber regelmäßig identisch mit demjenigen, dem der Gegen-stand der Feststellung zuzurechnen sei. Auf das Urteil des BFH vom 17.09.1997 (II R 48/95, BFH/NV 1998, 417) werde hingewiesen. Zurechnungssubjekt sei aufgrund der Änderung des § 151 BewG beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft aber die Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben. In der Bundestagsdrucksache 16/2712 zu § 151 Abs. 2 BewG heiße es:

39„Bei der Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit ist zwischen folgenden Fallgruppen zu unterscheiden:

40- Der Grundbesitz bzw. der Anteil am Grundbesitz geht auf mehrere Erwerber über. Bei Übergang des – ggf. anteiligen – Grundbesitzes auf mehrere Erben erfolgt die Zurechnung insgesamt auf die Erbengemeinschaft. Mit der Neufassung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Erbquote nicht vom Lagefinanzamt zu ermitteln ist, sondern vom Erbschaftsteuer-Finanzamt.“

41Auf Seite 40 der BT-Drucksache 16/7918 werde ausgeführt:

42„Zwecks Klarstellung wird ergänzt, dass die Zurechnung auf die Erbengemeinschaft in Vertretung der einzelnen Miterben erfolgt. Die Erbengemeinschaft erlangt insoweit steuerrechtliche Rechtsfähigkeit. Der Feststellungsbescheid hat für die durch die Erbengemeinschaft gesetzlich vertretenen Miterben Bindungswirkung hinsichtlich der Art der wirtschaftlichen Einheit des festgestellten Wertes sowie darüber, dass die wirtschaftliche Einheit allen Miterben zuzurechnen ist.“

43Da diese gesetzliche Regelung unmittelbar für Zwecke der Grundbesitzwerte verabschiedet worden sei, sei sie vorrangig vor den allgemeinen Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden.

44Mit Schriftsatz vom 16.04.2013 weist der Beklagte darauf hin, dass der angefochtene Bescheid inhaltlich ausreichend bestimmt sei. Die Bezeichnung „E Erbengemeinschaft“ beziehe sich zweifelsfrei auf E 1, zumal die Erbengemeinschaft aus der Ehefrau und den beiden Söhnen des Verstorbenen bestehe. Es nicht nachvollziehbar, dass Zweifel an den beteiligten Erben existieren sollten.

45Regelungen in den Einzelsteuergesetzen seien vor den allgemeinen Regelungen der Abgabenordnung anzuwenden, ansonsten werde der Rechtssatz dadurch seines praktischen Anwendungsbereichs beraubt (vgl. Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 465).

46Der Senat hat am 29.05.2013 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

47Entscheidungsgründe

48Die zulässige Klage ist begründet.

49Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 00.00.0000 vom 26.05.2011 ist wegen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit nichtig (§ 125 Abs. 1 AO) und deshalb ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2011 zur Beseitigung des Rechtsscheins aufzuheben.

50I. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO). Einem Verwaltungsakt muss nämlich hinreichend sicher entnommen erden können, was von wem verlangt wird (vgl. BFH, Urteil vom 19.08.1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409). Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, denn es muss angegeben werden, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Es reicht dabei aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der vom Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann.

51Im Streitfall ist der Inhaltsadressat in dem angefochtenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 00.00.0000 mit der Bezeichnung „4 E Erbengemeinschaft“ nicht hinreichend bestimmt und damit nichtig.

521. Die Feststellung von Grundbesitzwerten erfolgt seit 01.01.2007.

53a. Die §§ 151 bis 156 BewG a. F. sind durch das Jahressteuergesetz 2007 mit Wirkung vom 01.01.2007 eingefügt worden. Danach sind nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG a. F. Grundbesitzwerte gesondert festzustellen (§ 179 AO), wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Nach § 151 Abs. 2 BewG a. F. sind in dem Feststellungsbescheid für Grundbesitzwerte auch Feststellungen zu treffen,

54„1. über die Art der wirtschaftlichen Einheit, bei Betriebsgrundstücken, die zu einem Gewerbebetrieb gehören (wirtschaftliche Untereinheiten) auch über den Gewerbebetrieb;

552. über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe des Anteils, der für die Besteuerung oder eine andere Feststellung von Bedeutung ist; beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft erfolgt die Zurechnung auf die Erbengemeinschaft“ (Hervorhebung hinzugefügt).

56§ 153 BewG a. F. enthält Regelungen zur Erklärungspflicht und zur Feststellungsfrist sowie Verfahrensvorschriften für die gesonderte Feststellung. Das Finanzamt kann danach von jedem, für dessen Besteuerung eine gesonderte Feststellung von Bedeutung ist, die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen (§ 153 Abs. 1 Satz 1 BewG a. F.). Ist der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen oder ist eine Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft dessen Eigentümer, so kann das Finanzamt auch von der Gemeinschaft oder Gesellschaft die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen (§ 153 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F.). Die Erklärung hat der Erklärungspflichtige eigenhändig zu unterschreiben (§ 153 Abs. 4 Satz 1 BewG a. F.). Die anderen Beteiligten sind von der Erklärungspflicht befreit, soweit ein Erklärungspflichtiger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abgegeben hat (§ 153 Abs. 4 Satz 2 BewG a. F.). § 153 Abs. 5 BewG a. F. regelt, dass § 181 Abs. 1 und 5 AO entsprechend anzuwenden sind.

57§ 154 BewG a. F. nennt die Feststellungsbeteiligten. Feststellungsbeteiligte sind danach diejenigen, denen der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist (§ 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG a. F.) und diejenigen, die das Finanzamt zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (§ 154 Abs. 1 Nr. 2 BewG a. F.) § 154 Abs. 2 BewG a. F. regelt, dass in den Fällen der Anteilsbewertung der Feststellungsbescheid auch der Kapitalgesellschaft bekannt zu geben ist.

58Schließlich regelt § 155 BewG a. F. die Rechtsbehelfsbefugnis. Danach sind zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Feststellungsbescheid die Beteiligten im Sinne von § 154 Abs. 1 BewG a. F. sowie diejenigen befugt, für deren Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz der Feststellungsbescheid von Bedeutung ist (§ 155 Abs. 1 BewG a. F.). § 352 AO und § 48 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten nicht (§ 155 Satz 2 BewG).

59b. Durch das Gesetz vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3018) sind mit Wirkung zum 01.01.2009 Änderungen erfolgt.

60§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BewG sind neugefasst worden: Hierbei handelt es sich aber lediglich um redaktionelle Änderungen hinsichtlich des Verweises auf die Paragraphen des Bewertungsgesetzes. Neugefasst worden sind aber auch die Absätze 2 und 3 von § 151 BewG, die nunmehr wie folgt lauten:

61„(2) In dem Feststellungsbescheid für Grundbesitzwerte sind auch Feststellungen zu treffen,

621. über die Art der wirtschaftlichen Einheit;

632. über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe des Anteils, der für die Besteuerung oder eine andere Feststellung von Bedeutung ist; beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft folgt die Zurechnung in Vertretung der Miterben auf die Erbengemeinschaft. Entsprechendes gilt für die Feststellungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4. (Hervorhebung hinzugefügt).

64Mit Wirkung vom 01.01.2009 ist weiter in § 154 BewG ein Absatz 3 mit folgendem Inhalt eingefügt worden:

65„Soweit der Gegenstand der Feststellung einer Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben zuzurechnen ist, ist § 183 Abgabenordnung entsprechend anzuwenden. Bei der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides ist darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Miterben erfolgt.“

66§ 155 BewG wurde ebenfalls geändert, in der Fassung ab 01.01.2009 lautet er:

67„Zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Feststellungsbescheid sind die Beteiligten im Sinne des § 154 Abs. 1 sowie diejenigen befugt, für deren Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz der Feststellungsbescheid von Bedeutung ist. Soweit der Gegenstand der Feststellung einer Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben zuzurechnen ist, sind § 352 AO und § 48 FGO entsprechend anzuwenden.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

68c. Neu aufgenommen in § 154 Abs. 1 BewG ist die Nummer 3 ist mit Wirkung vom 01.07.2011. Danach sind am Feststellungsverfahren auch diejenigen beteiligt, die eine Steuer schulden, für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist (§ 154 Abs. 1 Nr. 3 1. Halbsatz.). Die Sätze 2 und 3 von § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG regeln, wer in Schenkungsteuerfällen Beteiligter ist.

692. Nach der bisherigen Rechtslage war die Erbengemeinschaft nur ausnahmsweise Inhaltsadressat, nämlich bei der Einheitswertfeststellung, da diese nur noch für die Grundsteuer Bedeutung hat (vgl. BFH, Urteil vom 07.07.2004 II R 77/01, BFH/NV 2005, 73). Denn die Erbengemeinschaft sei in diesen Fällen auch materiell-rechtlich die richtige Inhaltsadressatin; bei Feststellungsbescheiden entspreche dem Steuerschuldner der Feststellungsbeteiligte als Inhaltsadressat, gegen den der Bescheid zu richten sei (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Erbengemeinschaft sei durch die Bezeichnung Erbengemeinschaft mit dem Zusatz der Familiennamen der Erben („Erbengemeinschaft NN/NN“) gemäß § 119 Abs. 1 AO ausreichend bezeichnet.

70Eine Aufteilung auf die Erben habe zu unterbleiben, da sie für Grundsteuerzwecke nicht erforderlich sei. Das Grundsteuergesetz enthalte in § 10 Abs. 1 und 3 für beide denkbaren Möglichkeiten der Zurechnung auf die Gesamthandsgemeinschaft oder auf die Gesamthänder eine Regelung (vgl. BFH, Beschluss vom 22.02.2001 II B 39/00, BStBl II 2001, 476).

71Im Streitfall sei die Erbengemeinschaft als formell- wie materiell-rechtlicher Inhaltsadressat durch die Bezeichnung „Erbengemeinschaft NN/NN“ gemäß § 119 Abs. 1 AO ausreichend bezeichnet. Der Inhaltsadressat, d. h. die Angabe dessen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll, müsse nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Vielmehr reiche es aus, wenn sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, der auslegungsfähig sei, zweifelsfrei ergebe, wer Inhaltsadressat sein solle. Dabei seien Formalismus und Wortklauberei unangebracht. Entscheidend sei vielmehr, ob der Inhaltsadressat sich sicher identifizieren lasse (vgl. zu Steuerbescheiden BFH, Urteil vom 23.03.1998 II R 7/95, BFH/NV 1998, 1329, mit weiteren Nachweisen sowie BFH, Urteil vom 09.12.1992 II R 43/88, BFH/NV 1993, 702). Dies sei im Streitfall möglich. Die „Erbengemeinschaft NN/NN“ sei im Verfahren als solche aufgetreten. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft hätten Bevollmächtigte bestellt. Diese hätten dem Ablehnungsbescheid und der Einspruchsentscheidung eindeutig entnehmen können, gegen wen sie sich richten sollten.

723. Unabhängig davon, dass die Erbengemeinschaft durch die gesetzliche Regelung in § 151 BewG Feststellungsbeteiligte geworden ist, ist der angefochtene Bescheid unter Anwendung der Rechtsausführungen in dem Urteil des BFH vom 07.07.2004 nichtig, da ihm der Inhaltsadressat nicht eindeutig zu entnehmen ist.

73Bescheide, mit denen Besteuerungsgrundlagen für mehrere Personen gesondert festgestellt werden, richten sich gegen die Steuerpflichtigen, denen der Gegenstand der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Feststellung erfolgt gegen-über allen Gesamtrechtsnachfolgern, wenn sich bei mindestens einem von ihnen eine „materielle“ Steuerpflicht ergibt (vgl. Halaczinksy in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, § 151 Anm. 12). Wird ein Feststellungsbescheid nicht an alle Beteiligte gerichtet (adressiert), für die er inhaltlich bestimmt ist, ist er nichtig und damit unwirksam (ebenso Halaczinsky, a. a. O. unter Hinweis auf Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 179 AO Rz. 56 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch BFH, Urteil vom 17.11.2005 III R 8/03, BStBl II 2006, 287, betreffend einen Einkommensteuerbescheid).

74Die Bezeichnung „4 E Erbengemeinschaft“ entspricht diesen Anforderungen nicht. Es ist nicht erkennbar, ob es sich bei 4 E um einen Miterben oder um den Erblasser handelt. Selbst wenn man durch Auslegung zu dem Ergebnis kommen würde, dass der Erblasser bezeichnet werden soll (üblich wäre die Bezeichnung „Erbengemeinschaft E 4“, vgl. Tz. 2.4.1.3 AEAO zu § 122 AO, oder „Erbengemeinschaft nach E 4“), fehlt es aber an der namentlichen Benennung der Erben, wie sie der BFH (vgl. Urteile vom 17.03.1970 II 65/63, BStBl II, 598; vom 29.11.1972 II R 42/67, BStBl 1973 II, 372); vom 17.11.1987 V B 111/87, BFH/NV 1988, 682) und auch die Finanzverwaltung in Tz. 2.4.1.3 AEAO zu § 122 verlangen.

75Ist die Bezeichnung der Mitglieder der nicht rechtsfähigen Personenvereinigung durch die Aufzählung aller Namen im Kopf des Bescheides aus technischen Gründen nicht möglich, kann nach Tz. 2.4.1.3 AEAO zu § 122 so verfahren werden, dass neben einer Kurzbezeichnung im Bescheidkopf (Beispiel: „Erbengemeinschaft Max Meier“ die einzelnen Mitglieder in den Bescheiderläuterungen oder in einer Anlage zum Bescheid aufgeführt werden.

76Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht.

77Der Auffassung des Beklagten, dass durch die Regelungen im BewG die Regelungen der AO zur Bezeichnung des Inhaltsadressaten nicht zu beachten seien, folgt der Senat nicht.

784. Dass die Erbengemeinschaft nach §§ 151, 154 BewG Feststellungsbeteiligte geworden ist, macht sie entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zum Inhaltsadressaten. Denn sie wird dadurch, anders als in dem vom BFH zur Einheitsbewertung entschiedenen Fall, nicht zum Steuerschuldner, das bleiben nämlich der Erbe bzw. die Erben. Dies erklärt auch, dass in § 154 Abs. 1 BewG die Nr. 3 eingefügt worden ist, wonach am Feststellungsverfahren auch diejenigen beteiligt sind, die eine Steuer schulden, für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist. § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG ist im Streitfall zwar nicht anwendbar, zeigt aber, dass die Erben auch Feststellungsbeteiligte sein sollen.

79Der Senat schließt sich den Ausführungen von Halaczinsky (a. a. O., § 154 Anm. 11) an, dass der neue Absatz 3 des § 154 BewG nicht direkt die Beteiligtenstellung regelt, denn er zielt auf die Bekanntgabe der Feststellungsbescheide ab.

805. Mit der Zurechnung des Grundbesitzes auf die Erbengemeinschaft nach § 151 BewG hat die Bezeichnung des Inhaltsadressatens nichts zu tun. Es geht hier nur darum, dass die Erbquote nicht vom Lagefinanzamt, sondern vom Erbschaftsteuerfinanzamt zu ermitteln ist. Auf die Ausführungen in der BT-Drucks. 16/2712 vom 25.09.2006, 89, wird Bezug genommen.

81Dazu dient auch die Neufassung durch das Gesetz vom 24.12.2008, auf die sich der Beklagte beruft. In der Begründung BT-Drucks. 16/7918 wird dazu ausgeführt.

82„Zwecks Klarstellung wird ergänzt, dass die Zurechnung auf die Erbengemeinschaft in Vertretung der einzelnen Miterben erfolgt. Die Erbengemeinschaft erlangt insoweit steuerrechtliche Rechtsfähigkeit. Der Feststellungsbescheid hat für die durch die Erbengemeinschaft gesetzlich vertretenen Miterben Bindungswirkung hinsichtlich der Art der wirtschaftlichen Einheit, des festgestellten Werts sowie darüber, dass die wirtschaftliche Einheit allen Miterben zuzurechnen ist. Im Feststellungsbescheid wird aber keine Entscheidung darüber getroffen, welcher Anteil den einzelnen Miterben zuzurechnen ist. Diese Entscheidung wird erst im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung getroffen.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

83Der Satz, dass die Erbengemeinschaft steuerrechtliche Rechtsfähigkeit erlangt habe, ist in diesem Zusammenhang weder nötig noch nachvollziehbar. Die Klarstellung soll sicherstellen, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt und eben nicht das Lagefinanzamt über die Höhe des zuzurechnenden Anteils entscheidet. Eine Rechtsfähigkeit einer Erbengemeinschaft kann damit schon deswegen nicht verbunden sein, weil sie für die Zurechnung auf die Erbengemeinschaft nicht erforderlich ist.

84Halaczinsky (a. a. O., § 154 Anm. 12) führt zutreffend aus, dass die Erbengemeinschaft nach den gesetzlichen Regelungen zwar Beteiligte am Feststellungsverfahren sein soll, sie aber verfahrensrechtlich keine Beteiligtenstellung haben und auch nicht die damit verbundene Rechtsbehelfsbefugnis (§ 155 BewG) ausüben kann, da die Erbengemeinschaft rechtlich ein „Nullum“ sei, denn sie sei nicht handlungsfähig im Sinne des § 79 AO. Die Verknüpfung der Beteiligtenstellung mit der Zurechnung von Grundbesitzwerten gehe damit de facto in Leere.

856. Eine Heilung durch die Einspruchsentscheidung ist nicht möglich, wenn der Inhaltsadressat nicht ausreichend bezeichnet ist (vgl. BFH, Urteil vom 17.08.1995 II R 25/93, BFH/NV 1996, 196). Nur bei einem Bekanntgabemangel kommt eine Heilung in Betracht.

867. Da der Bescheid nichtig ist, muss der Senat offen lassen, ob der Bescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben worden ist. Der Senat weist allerdings vorsorglich darauf hin, dass – für den Fall, dass der BFH den angefochtenen Bescheid nicht für nichtig hält –, Zweifel an einer wirksamen Bekanntgabe des Bescheids mindestens gegenüber den Miterben E 2 und E 3 bestehen. Denn die Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes ist nur von E 1 unterschrieben; damit ist sie aber nicht von den Miterben zum Empfangsbevollmächtigten bestellt worden.

878. Der nichtige Bescheid äußert keine Rechtswirkungen. Zur Beseitigung des Rechtsscheins kann er aber nach ständiger Rechtsprechung des BFH mit der Anfechtungsklage angegriffen und vom Gericht ausdrücklich aufgehoben werden (vgl. z. B. BFH,Urteile vom 07.081985 I R 309/82, BStBl II 1986, 42, vom 27.02.1997 IV R 38/96, BFH/NV 1997, 388 und vom 19.08.1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409).

88II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

89Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

90Die Revision war zuzulassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Nachträgliche Erteilung einer Spendenbescheinigung ermöglicht keine Änderung des Bescheids

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 18. Juli 2013 (Az. 13 K 4515/10 F) entschieden, dass ein bestandskräftiger Bescheid für 2004 nicht aufgrund einer Spendenbescheinigung geändert werden kann, die nach Erlass des Bescheids ausgestellt wird.

Die Klägerin gab in der Einkommensteuererklärung für 2004 Spenden an. Da die Höchstbeträge für den Spendenabzug überschritten waren, erließ das Finanzamt einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Großspendenvortrags, der bestandskräftig wurde. Nach mehr als zwei Jahren reichte die Klägerin im Jahr 2008 erteilte Spendenbescheinigungen für 2004 ein. Das Finanzamt lehnte eine Änderung des Feststellungsbescheids ab, da keine Änderungsvorschrift eingreife. Insbesondere stelle eine nachträglich erteilte Bescheinigung wegen § 175 Abs. 2 Satz 2 AO kein rückwirkendes Ereignis dar. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Ansicht, dass diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz verstoße.

Der Senat wies die Klage ab, weil nach seiner Ansicht keine Änderungsvorschrift einschlägig sei. Die Spendenbescheinigungen stellten keine nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, da sie bei Erlass des Feststellungsbescheids noch nicht vorhanden gewesen seien.

Sie seien vielmehr grundsätzlich als rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen, da sie als materielle Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für Spenden rückwirkend in den steuerlichen Sachverhalt eingriffen. Eine Änderung sei jedoch nach § 175 Abs. 2 Satz 2 AO bei nachträglicher Erteilung einer Bescheinigung ausdrücklich ausgeschlossen.

Das europarechtliche Effektivitätsgebot stehe einer Anwendung dieser Regelung im Streitfall nicht entgegen. Der Senat versteht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Juni 2011 („Meilicke II“) dahingehend, dass ein solcher Verstoß nur angenommen werden könne, wenn eine nationale Regelung rückwirkend und ohne Einräumung einer Übergangsregelung die Durchsetzung europarechtlich geschützter Werte verwehre. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsschutzlos gestellt, da die bereits 2004 eingeführte Neuregelung in § 175 Abs. 2 Satz 2 AO bei Abgabe der Steuererklärung Anfang 2006 bekannt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Unionsrecht auch deshalb nicht betroffen, da es sich um einen reinen Inlandssachverhalt handele. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Münster, Mitteilung vom 15.08.2013 zum Urteil 13 K 4515/10 vom 18.07.2013

Quelle: Newsletter 08/2013

 

Finanzgericht Münster, 13 K 4515/10 F

Datum:
18.07.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 4515/10 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:

2Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Bescheid über die Feststellung des Großspendenvortrags auf den 31.12.2004 nachträglich zu ändern ist.

3Die Klägerin wurde zusammen mit ihrem Ehemann, Herrn Q. H., zur Einkommensteuer veranlagt. Ihr Ehemann verstarb am 15.09.2004 und wurde von seinen Kindern D. H., T. H1. und E. F. beerbt. Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2004 Einnahmen aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte.

4In ihrer im Januar 2006 für sich und ihren Ehemann abgegebenen Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin u.a. Zuwendungen an Stiftungen in Höhe von insgesamt … EUR und Zuwendungen für kirchliche, religiöse und gemeinnützige Zwecke in Höhe von … EUR. Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung für 2004 durch und berücksichtigte Zuwendungen nach § 10b des Einkommensteuergesetzes – EStG – in Höhe von zunächst … EUR und später von … EUR. Zudem erließ er am 28.02.2006 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Großspendenvortrags für die Einkommensteuer auf den 31.12.2004 gegenüber der Klägerin und den Erben nach Herrn Q. H., mit dem er den verbleibenden Großspendenvortrag auf … EUR feststellte. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Der Beklagte berücksichtigte den festgestellten Spendenvortrag sodann bei der Einkommensteuerveranlagung der Erben nach Herrn Q. H. für das Jahr 2005 im Verhältnis von je einem Drittel.

5Mit Schreiben vom 18.09.2008 beantragte die Klägerin, auch im Namen der Erben nach Herrn Q. H., den Einkommensteuerbescheid 2004 und den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Großspendenabzugs auf den 31.12.2004 zu ändern. Hierzu legte sie sechs am 27.08.2008 ausgestellte Zuwendungsbestätigungen vor, aus denen sich Spenden des Herrn Q. H. in Höhe von insgesamt … EUR aus dem Zeitraum vom 25.02.2004 bis 15.07.2004 an die B. GmbH in E1. ergaben. In den Bescheinigungen war erläutert, die B. GmbH sei vom Finanzamt E1. gemäß Freistellungsbescheid vom 06.04.2005 als gemeinnützig anerkannt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zuwendungsbestätigungen verwiesen.

6Die B. GmbH war im Handelsregister des Amtsgerichts M. unter der Nr. … eingetragen. Nach den Handelsregistereintragungen wurde sie 2005 aufgelöst und 2006 beendet sowie im Handelsregister gelöscht. Als Liquidatorin war zuletzt Frau J1. R. I., E1., eingetragen.

7Mit Bescheid vom 05.03.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab und begründete dies damit, mangels Änderungsvorschrift sei eine Änderung des Feststellungsbescheids nicht möglich. Zudem wies er darauf hin, dass eine Berücksichtigung des nicht verbrauchten Betrags der Großspende nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – (Urteil vom 21. 10. 2008 X R 44/05) bei den Erben nicht möglich sei.

8Dagegen legten die Klägerin und die Erben nach Herrn Q. H. am 01.04.2009 Einspruch ein, der sich sowohl auf die Einkommensteuerveranlagung als auch auf die Feststellung des verbleibenden Großspendenabzugs bezog. Zur Begründung trugen sie vor, eine Änderung der Bescheide sei sowohl gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO – als auch gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich. Ein grobes Verschulden liege nicht vor, da die Erben die Zuwendungsbestätigungen erst nachträglich erhalten hätten und bei Einreichung der Steuererklärung hiervon keine Kenntnis hätten haben können. Der Spendenvortrag sei auch, zumindest für eine Übergangszeit bis zum 18.08.2008, vererblich.

9Mit Einspruchsentscheidung vom 08.11.2010 wies der Beklagte den Einspruch nur in Bezug auf den Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin und den Erben nach Herrn Q. H. als unbegründet zurück.

10Daraufhin hat nur die Klägerin am 09.12.2010 Klage erhoben.

11Nachdem sie mit Schriftsatz vom 14.02.2011 zunächst eine Berücksichtigung der vollständigen Spenden in Höhe von … EUR begehrt hatte, hat sie ihr Klagebegehren im Erörterungstermin vom 19.02.2013 reduziert und begehrt nun eine Änderung des Feststellungsbescheids in der Weise, dass lediglich der hälftige, auf sie allein entfallende Spendenvortrag in Höhe von … EUR zusätzlich anzuerkennen sei.

12Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor: Obwohl die Spenden von ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann gezahlt worden seien, sei wegen der Zusammenveranlagung die Hälfte der Spenden von vornherein ihr persönlich zuzurechnen (BFH-Urteil vom 20. 2. 1991 X R 191/87, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1991, 690), so dass es auf die Frage einer Vererblichkeit des Spendenabzugs nicht ankomme. Nur die Berücksichtigung dieser Hälfte der Spenden werde klageweise geltend gemacht.

13Eine Änderung des bestandskräftigen Bescheids vom 28.02.2006 sei verfahrensrechtlich zulässig. Jedenfalls sei eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich. Das entscheidende nachträglich bekannt gewordene Ereignis sei die Zahlung der Spende, nicht die Erstellung der Bescheinigung. Die Zahlung sei schon vor Erlass des Feststellungsbescheids erfolgt und nachträglich bekannt geworden infolge der Ausstellung der Zuwendungsbestätigungen. Bei den Zuwendungsbestätigungen handle es sich zudem nicht um ein materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal gem. § 10b EStG, sondern um ein Beweismittel, was sich aus § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ergebe (so Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175 AO Rz. 49a). Insofern seien Beweismittel nachträglich bekannt geworden.

14Daneben komme nach dem BFH-Urteil vom 9. 11. 2011 VIII R 18/08 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2012, 370) auch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zur Anwendung. Die einschränkende Vorschrift des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO, wonach die nachträgliche Ausstellung einer Bescheinigung nicht als rückwirkendes Ereignis anzuwenden sei, sei verfassungswidrig und europarechtswidrig. Letzteres ergebe sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes – EuGH – vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II (ABl EU 2011, Nr. C 252, 3, BFH/NV 2011, 1467, unter Rz. 59). Die Vorschrift verstoße gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz und dürfe daher nicht angewendet werden.

15Ein Spendenabzug sei auch nicht wegen einer evtl. Unrichtigkeit der Zuwendungsbestätigungen ausgeschlossen. Der Klägerin sei nicht bekannt, dass die B. GmbH im Zeitpunkt der Ausstellung der Zuwendungsbestätigungen nicht mehr vom Finanzamt E1. als gemeinnützig anerkannt gewesen sei. Diesbezüglich komme ihr der Vertrauensschutz gem. § 10b Abs. 4 EStG zugute. Den Beklagten treffe die Beweislast zu der Frage, ob die Klägerin eine etwaige Kenntnis gehabt habe.

16Die Klägerin beantragt sinngemäß,

17              den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 05.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.11.2010 den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Großspendenvortrags für die Einkommensteuer auf den 31.12.2004 vom 28.02.2006 zu ändern und zu ihren Gunsten die Abzugsfähigkeit weiterer Spenden in Höhe von … EUR festzustellen.

18Der Beklagte beantragt,

19              die Klage abzuweisen,

20hilfsweise,

21              die Revision zuzulassen.

22Zwar könnten nach seiner Auffassung Verluste, die im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten noch nicht ausgeglichen sind, im Rahmen der Zusammenveranlagung gem. §§ 26, 26b EStG mit positiven Einkünften des überlebenden Ehegatten verrechnet werden. Die Verrechnung beschränke sich hierbei auf die auf den überlebenden Ehegatten entfallenden nicht ausgeglichenen Verluste.

23Im Streitfall sei jedoch eine Änderung des Feststellungsbescheids verfahrensrechtlich nicht möglich. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO seien nicht erfüllt, da die Zuwendungsbestätigungen nicht nachträglich bekannt, sondern nachträglich ausgestellt worden seien. Da es sich gem. § 50 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung – EStDV – um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Spendenabzug handle, liege ein nachträgliches Bekanntwerden nur dann vor, wenn die Bescheinigung schon bei der ersten Veranlagung vorgelegen habe und lediglich nicht bekannt gewesen sei. Dies sei im Streitfall aber nicht der Fall. Auf die weitere Frage, ob die Klägerin ein grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO treffe, komme es daher nicht an.

24Es liege aber auch kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Denn gem. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO könne die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Zuwendungsbestätigung nicht als rückwirkendes Ereignis angesehen werden. Diese Vorschrift sei gem. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO ab dem 28.10.2004 anzuwenden und finde daher auf die am 27.08.2008 ausgestellten Bescheinigungen Anwendung. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe auch nicht das EuGH-Urteil vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II (ABl EU 2011, Nr C 252, 3, BFH/NV 2011, 1467) entgegen. Denn dieses Urteil beziehe sich auf das letztmals für den Veranlagungszeitraum 2001 geltende Anrechnungsverfahren. Im vorliegenden Streitfall sei bei Abgabe der Steuererklärung für das Streitjahr 2004 hingegen die zum 28.10.2004 in Kraft getretene Fassung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO bereits bekannt und von der Klägerin uneingeschränkt zu beachten gewesen. Zudem sei das Urteil des EuGH auch deshalb im Streitfall nicht zu beachten, weil europarechtliche Grundfreiheiten in der Regel auf rein interne Sachverhalte eines Mitgliedsstaates nicht anwendbar seien.

25Darüber hinaus würden auch die vorgelegten Zuwendungsbestätigungen einen Spendenabzug gem. § 10b EStG nicht zulassen. Das B. sei schon bald nach dem Tod des Herrn Q. H. geschlossen, die B. GmbH aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden. Im Jahr 2008 habe die GmbH daher keine Zuwendungsbestätigungen mehr ausstellen können. Eine Zuwendungsbestätigung könne jedoch nicht anerkannt werden, wenn der Empfänger der Spende im Zeitpunkt der Ausstellung der Bestätigung nicht zur Ausstellung berechtigt gewesen sei (BFH-Urteil vom 19. 7. 2011 X R 32/10, BFH/NV 2012, 179). Anders als in den Zuwendungsbestätigungen erläutert, datiere außerdem der letzte an die B. GmbH gerichtete Körperschaftsteuerbescheid vom 20.04.2006 und enthalte keine Aussage zu einer Steuerbefreiung der Gesellschaft.

26Da der Klägerin diese Sachverhalte bekannt gewesen seien, könne sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es werde „angeregt“, zu dieser Frage die Ausstellerin der Zuwendungsbestätigung, Frau J1. I., als Zeugin zu vernehmen.

27Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

28Entscheidungsgründe:

29Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

30Die Klage ist unbegründet.

31Der Ablehnungsbescheid vom 05.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 FGO). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Großspendenvortrags für die Einkommensteuer auf den 31.12.2004 vom 28.02.2006 zu ändern.

32Der Feststellungsbescheid vom 28.02.2006 ist bestandskräftig geworden und kann nicht mehr geändert werden.

33I.

34Eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist nicht zulässig.

35Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

361.              Die Zahlungen des verstorbenen Herrn Q. H. aus dem Zeitraum vom 25.02.2004 bis 15.07.2004 in Höhe von insgesamt … EUR können nicht als nachträglich bekannt gewordene Tatsache angesehen werden, die zu einer niedrigeren Steuer bzw. einem höheren Verlustvortrag führen würden.

37Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen und Beweismittel sind solche, die zu dem Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Bescheids bereits vorhanden, aber noch unbekannt waren (BFH-Urteile vom 5. 12. 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588; vom 9. 11. 2011 VIII R 18/08, BFH/NV 2012, 370; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 Rz. 25). Diese Tatsachen oder Beweismittel müssen zu einer niedrigeren Steuer führen, also rechtserheblich sein. Das ist der Fall, wenn die Finanzbehörde bei rechtzeitiger Kenntnis einer ihr unbekannt gebliebenen Tatsache schon bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung zu einem höheren oder niedrigeren steuerlichen Ergebnis gelangt wäre (BFH-Beschluss vom 23. 11. 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180; BFH-Urteil vom 27. 1. 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet danach aus, wenn die Unkenntnis der später bekannt gewordenen Tatsache oder des Beweismittels für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist. Wie die Finanzbehörde bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt im ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und der die Finanzbehörden bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses gegolten haben (BFH-Urteile vom 22. 4. 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951; vom 27. 1. 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543).

38Bei den Zahlungen des Herrn Q. H. handelte es sich zwar um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen. Die Zahlungen waren im Zeitpunkt des Erlasses des ur-sprünglichen Bescheids vom 28.02.2006 bereits vorhanden. Sie sind erst nach Vorlage der Zuwendungsbestätigungen vom 27.08.2008 bekannt geworden.

39Jedoch führte allein die Zahlung nicht zu einer niedrigeren Steuer. Denn selbst wenn der Finanzverwaltung die Zahlungen bereits bei Erlass des ursprünglichen Bescheids bekannt gewesen wären, hätte sie sie nicht als Sonderausgaben gem. § 10b EStG i.V.m. § 50 EStDV anerkannt. Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung können Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S.d. §§ 52 bis 54 AO in bestimmten Grenzen als Sonderausgaben abgezogen werden. Gem. § 50 Abs. 1 EStDV in der im Streitzeitraum gültigen Fassung dürfen Zuwendungen i.S.d. § 10b EStG nur abgezogen werden, wenn sie durch eine Zuwendungsbestätigung nachgewiesen werden, die der Empfänger nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck ausgestellt hat. Da im Zeitpunkt der ersten Veranlagung zur Einkommensteuer die Zuwendungsbestätigungen jedoch noch nicht vorlagen, hätte allein die Zahlung nicht genügt, um Sonderausgaben in Höhe der Zahlungen anzuerkennen. Vielmehr hätte es der weiteren materiell-rechtlichen Voraussetzung, des Vorliegens der Zuwendungsbestätigungen bedurft.

402.              Die am 27.08.2008 ausgestellten Zuwendungsbestätigungen können nicht als nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO angesehen werden.

41Denn es handelte sich nicht um ein nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel. Die Zuwendungsbestätigungen waren im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Bescheids am 28.02.2006 noch nicht vorhanden, sondern sind erst nachträglich erstellt worden. Bei einer erst nachträglich erstellten Bescheinigung kommt eine Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 9. 11. 2011 VIII R 18/08, BFH/NV 2012, 370).

42II.

43Eine Änderung des Feststellungsbescheids vom 28.02.2006 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ebenfalls nicht zulässig.

44Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

451.              Die Zuwendungsbestätigungen können bei isolierter Betrachtung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO grundsätzlich als rückwirkendes Ereignis angesehen werden.

46a)              Ein rückwirkendes Ereignis liegt vor, wenn der nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhalt sich später anders gestaltet und sich steuerlich in der Weise in die Vergangenheit auswirkt, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Beschluss vom 19. 7. 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 9. 11. 2011 VIII R 18/08, BFH/NV 2012, 370). Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen (BFH-Urteile vom 27. 1. 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543; vom 4. 5. 2006 VI R 17/03, BFHE 213, 383, BStBl II 2006, 830). Die Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung kann demnach ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sein, wenn sie ein materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal bildet (BFH-Urteil vom 9. 11. 2011 VIII R 18/08, BFH/NV 2012, 370).

47Nach diesen Grundsätzen kann die Vorlage der Zuwendungsbestätigungen grundsätzlich als rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO angesehen werden, da sie gem. § 50 Abs. 1 EStDV eine materiell-rechtliche Voraussetzung zur Berücksichtigung der Zuwendungen als Sonderausgaben darstellen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. 9. 2005 XI B 50/05, BFH/NV 2006, 236).

48b)              Anders als die Klägerin meint, sind die Zuwendungsbestätigungen nicht aus dem Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) ausgeschlossen und statt dessen als Beweismittel i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen, weil sich dies aus dem mit Gesetz vom 09.12.2004 (BGBl I S. 3310) eingeführten § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ergebe. Gem. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO gilt die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung nicht als rückwirkendes Ereignis. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die Erteilung der Bescheinigung hierdurch jedoch lediglich aus dem Anwendungsbereich des § 175 AO ausgeschlossen, nicht jedoch zusätzlich dem Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugewiesen (BFH-Beschluss vom 26. 9. 2005 XI B 50/05, BFH/NV 2006, 236; FG Münster, Urteil vom 11. 9. 2007 14 K 5023/06 E, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1926). Zu dem Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift enthält § 175 Abs. 2 Satz 2 AO vielmehr keine Aussage und eröffnet somit nicht deren Anwendungsbereich für nachträglich erteilte Bescheinigungen (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175 Rz. 49a).

49c)              Die Zuwendungsbestätigungen hatten für die Klägerin auch eine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der Klägerin kommt der Gutglaubensschutz gemäß § 10b Abs. 4 EStG zugute.

50Nach dieser Vorschrift darf der Steuerpflichtige auf die Richtigkeit der Bestätigung über Spenden und Mitgliedsbeiträge vertrauen, es sei denn, dass er die Bestätigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt hat oder dass ihm die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Im Streitfall hat der – insofern feststellungsbelastete – Beklagte jedoch lediglich vorgetragen, die Klägerin habe gewusst, dass die B. GmbH aufgelöst und im Handelsregister gelöscht sowie dass das B. geschlossen worden sei. Er hat jedoch nicht vorgetragen, aus welchen Umständen er schließt, dass der Klägerin eine Unrichtigkeit der Zuwendungsbestätigungen bekannt gewesen sei. Er hat auch nicht substantiiert dargelegt, die Klägerin habe gewusst, dass die B. GmbH keine Zuwendungsbestätigungen mehr ausstellen dürfte, z.B. weil sie nicht nur aufgelöst und auch nicht in Nachtragsliquidation befindlich, sondern bereits vollbeendet war. Auch der Senat kann nicht erkennen, dass die Klägerin eine Kenntnis über eine Unrichtigkeit der Zuwendungsbestätigungen hatte bzw. dass ihr eine solche Unrichtigkeit grob fahrlässig unbekannt geblieben wäre. Vor diesem Hintergrund musste der Senat dem von dem Beklagten „angeregten“ Zeugenbeweis nicht nachgehen.

512.              Dessen ungeachtet wirken die Zuwendungsbestätigungen jedoch aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht als rückwirkendes Ereignis.

52Nach dieser Vorschrift gilt die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung nicht als rückwirkendes Ereignis.

53a)               Bei Zuwendungsbestätigungen i.S.d. § 10b EStG i.V.m. § 50 EStDV handelt es sich um Bescheinigungen i.S.d. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO (BFH-Beschluss vom 26. 9. 2005 XI B 50/05, BFH/NV 2006, 236).

54b)              Im Streitfall ist diese durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) vom 09.12.2004 (BGBl I S. 3310) eingeführte Fassung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO auch zeitlich anwendbar. Denn gem. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO ist diese Fassung erstmals anzuwenden, wenn die Bescheinigung oder Bestätigung nach dem 28.10.2004 vorgelegt oder erteilt wird. Dies ist im Streitfall der Fall.

55c)              Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht wegen eines Verstoßes gegen Europarecht unanwendbar. Die Vorschrift muss vielmehr bei der Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beachtet werden.

56Aus dem Urteil des EuGH vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II (ABl EU 2011, Nr C 252, 3, BFH/NV 2011, 1467) ergibt sich – zumindest für den Streitfall – keine Unanwendbarkeit des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO.

57aa)              Gegenstand des Rechtsstreits vor dem EuGH war u.a. die Frage, ob und in welcher Weise unter der Geltung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens materiell- und verfahrensrechtlich eine Bescheinigung über tatsächlich entrichtete ausländische Körperschaftsteuer beigebracht werden konnte, um eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die deutsche Körperschaftsteuer zu erlangen. Der EuGH hatte hierbei auch zu entscheiden, ob der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des „effet utile“ der Regelung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO entgegenstand, wonach rückwirkend die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung nach dem 28.10.2004 (Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO) nicht mehr als rückwirkendes Ereignis anzuerkennen war und daher die Berücksichtigung der Bescheinigung verfahrensrechtlich unmöglich gemacht wurde, ohne dass eine Übergangsfrist zur Geltendmachung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer eingeräumt worden war (vgl. auch FG Köln, Vorlagebeschluss vom 14. 5. 2009 2 K 2241/02, EFG 2009, 1491).

58Der EuGH hat in dem Urteil vom 30. 6. 2011 (unter Rz. 59) entschieden, der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des „effet utile“ stehe der nationalen Regelung – wie sie sich aus § 175 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO ergebe – entgegen, da es diese Regelung rückwirkend und ohne Einräumung einer Übergangsfrist verwehre, eine steuerliche Auswirkung dadurch zu erlangen, dass eine hinreichende Bescheinigung vorgelegt werden könne, anhand derer die Steuerbehörden des Mitgliedstaats eindeutig und genau überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Steuervorteils vorliegen. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts zu bestimmen, welche Frist für die Vorlage dieser Bescheinigung oder dieser Belege angemessen sei (EuGH-Urteil vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II, ABl EU 2011, Nr. C 252, 3, BFH/NV 2011, 1467, Rz. 59 a.E.).

59Der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz besagt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass ein Mitgliedstaat mangels einer einschlägigen Unionsregelung zwar die Verfahrensmodalitäten für die dem Unionsrecht erwachsenden Rechte selbstständig innerhalb der innerstaatlichen Rechtsordnung bestimmen dürfe, dass andererseits die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte aber nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfe (EuGH-Urteile vom 7. 1. 2004 C-201/02 – Wells, Slg. 2004, I-723, Rz. 67; vom 19. 9. 2006 C-392/04 und C-422/04 – i-21 Germany und Arcor, Slg. 2006, I-8559, Rz. 57). Mit dem Effektivitätsgrundsatz sei es aber vereinbar, wenn angemessene Ausschlussfristen festgesetzt würden für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit; solche Fristen seien nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (EuGH-Urteil vom 17. 11. 1998 C-228/96 – Aprile, Slg. 1998, I-7141, Rz. 19). Bei einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Erstattungsmodalitäten gebiete es der Effektivitätsgrundsatz daher, dass die neue Regelung eine Übergangsregelung enthalte, die dem Einzelnen eine Frist einräume, die ausreiche, um nach Erlass der Regelung die Erstattungsansprüche geltend zu machen, die er unter der alten Regelung hätte geltend machen können (EuGH-Urteile vom 11. 7. 2002 C-62/00 – Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325, Rz. 38; vom 24. 9. 2002 C-255/00 – Grundig Italiana, Slg. 2002, I-8003, Rz. 37).

60bb) Das beschriebene Urteil des EuGH vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II ist im Schrifttum unterschiedlich gedeutet worden.

61(1)              Das Urteil ist so kommentiert worden, § 175 Abs. 2 Satz 2 AO sei insoweit europarechtswidrig und nicht anzuwenden, als eine Übergangsregelung fehle und keine eigenständige Festsetzungsfrist in Lauf gesetzt werde (Rehm/Nagler, GmbHR 2011, 881, 883). Die erforderliche Übergangsfrist beginne möglicherweise erst ab Ergehen der EuGH-Entscheidung und könne bis zum 31.12.2011 andauern (Rehm/Nagler, GmbHR 2011, 881, 883). Diese Kommentierung könnte so verstanden werden, der Steuerpflichtige habe stets bis zu diesem Tag Zeit, die erforderlichen Nachweise zu besorgen, vorzulegen und das rückwirkende Ereignis auszulösen (Rehm/Nagler, GmbHR 2011, 881, 883). Dann wäre im Streitfall § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht anwendbar, weil die Zuwendungsbestätigungen noch vor dem 31.12.2011 vorgelegt worden sind.

62(2)              Andere Autoren heben heraus, dass allein die rückwirkende Anwendung durch das EURLUmsG vom 09.12.2004 mit Wirkung ab dem 28.10.2004 europarechtlich nicht haltbar sei und es nur im Rückwirkungsfall einer Übergangsfrist bedürfe (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175 AO Rz. 49 a.E.; Frotscher in Schwarz, AO, § 175 Rz. 67p; Gosch, BFH/PR 2011, 338, 340). Soweit keine Rückwirkung vorliege, verbleibe es im Übrigen bei der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO, so dass die Regelung in ihrem Kern unangetastet bleibe (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175 AO Rz. 49 a.E.; Gosch, BFH/PR 2011, 338, 340). Der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz erfordere es dementsprechend nicht, dass verfahrensrechtliche Rechte bzw. Ansprüche eingeräumt würden, für welche die gesetzliche Ausschlussfrist im Zeitpunkt des Ergehens der EuGH-Entscheidung schon verstrichen gewesen sei (Frotscher in Schwarz, AO, § 175 Rz. 67o). Vielmehr treffe in solchen Fällen den Steuerpflichtigen die Obliegenheit, das Verwaltungsverfahren offen zu halten; unterlasse er dies, sei er auch bei einer späteren günstigen EuGH-Entscheidung an die Bestandskraft des Bescheids gebunden (Frotscher in Schwarz, AO, § 175 Rz. 67o). Soweit § 175 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO daher keine echte Rückwirkung entfalte, also nicht in bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume eingreife, liege ein Verstoß gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht vor (Frotscher in Schwarz, AO, § 175 Rz. 67n).

63Unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung wäre § 175 Abs. 2 Satz 2 AO im Streitfall anzuwenden, da das Streitjahr 2004 am Stichtag 28.10.2004 (dem Datum der Dritten Lesung des EURLUmsG im Deutschen Bundestag) noch nicht abgeschlossen war und die gesetzliche Neuregelung daher nicht im Sinne einer echten Rückwirkung in einen abgeschlossenen Veranlagungszeitraum eingriff. Vielmehr waren sowohl bei Ablauf des Veranlagungszeitraums 2004 als auch bei Einreichung der Steuererklärung der Klägerin im Januar 2006 die Wirkungen des neuen § 175 Abs. 2 Satz 2 AO sowie die Bedeutung einer möglicherweise erst später eingereichten Zuwendungsbestätigung bekannt. Unter Beachtung der genannten Rechtsauffassung wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, das Verwaltungsverfahren offen zu halten, bis die fraglichen Zuwendungsbestätigungen vorgelegt werden konnten; dies hat sie jedoch unterlassen.

64(3)              Soweit ersichtlich liegt zu der Frage der Auswirkungen des Urteils des EuGH vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II auf § 175 Abs. 2 Satz 2 AO bislang keine finanzgerichtliche Rechtsprechung vor.

65cc)              Der Senat schließt sich der zweiten Rechtsauffassung an.

66Er versteht die EuGH-Entscheidung vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II in der Weise, dass der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz einer nationalen Regelung nur dann entgegensteht, wenn diese rückwirkend und ohne Einräumung einer Übergangsfrist verwehrt, dass europarechtlich geschützte Rechte auch verfahrensrechtlich durchgesetzt werden können. Im Streitfall ist dies jedoch nicht der Fall. Denn im Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung der Klägerin im Januar 2006 war bereits bekannt, dass die nachträgliche Erstellung und Einreichung von Bescheinigungen im Falle der Bestandskraft eines Steuerbescheids gemäß § 175 Abs. 2 Satz 2 AO Einschränkungen unterliegt. Die Klägerin war also nicht – wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall – rechtsschutzlos gestellt, weil ihr rückwirkend die Möglichkeit der Vorlage von Bescheinigungen genommen worden wäre.

67Nach Auffassung des Senats bleibt das EuGH-Urteil vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II auch deshalb ohne Auswirkung auf den Streitfall, weil der Streitfall einen innerstaatlichen Sachverhalt betrifft. Der EuGH hat die Rechtsfolge einer teilweisen Europarechtswidrigkeit des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO jedoch an den Verstoß des europarechtlichen Effektivitätsgrundsatzes geknüpft. Dieser ist nur dann verletzt, wenn der Durchsetzung von Unionsrecht – in dem vom EuGH entschiedenen Fall der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer – inländische Vorschriften entgegenstehen. Im Fall der Klägerin sind jedoch keine unionsrechtlichen Vorschriften betroffen, welche durch § 175 Abs. 2 Satz 2 AO in ihrer Durchsetzbarkeit beeinträchtigt würden; vielmehr handelt es sich um einen innerstaatlichen Sachverhalt.

68d)              Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 175 Abs. 2 Satz 2 AO auch nicht verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ist nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht näher dargelegt worden.

69III.

70Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

71Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 30. 6. 2011 C-262/09 – Meilicke II (ABl EU 2011, Nr C 252, 3, BFH/NV 2011, 1467) auf die Anwendung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO bislang nicht durch den BFH geklärt sind.

Keine Mehrwertsteuer auf Müllgebühren

Berlin: (hib/HLE) Kernbereiche öffentlichen Handels wie die Müllabfuhr oder die Abwasserentsorgung werden auch in Zukunft mehrwertsteuerfrei bleiben. Die Bundesregierung versichert in einer Antwort (17/14516) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen): „Der Kernbereich öffentlichen Handelns – der originär hoheitliche Bereich, in dem es keinen Wettbewerb gibt – wird auch in Zukunft nicht der Umsatzsteuer unterliegen.“ Dies betreffe insbesondere die Bereiche der klassischen Eingriffsverwaltung sowie die gegenüber dem Bürger erbrachte Entsorgung von Müll aus privaten Haushalten sowie die Abwasserentsorgung. Voraussetzung sei allerdings, dass die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen unverändert bleiben würden.

Hintergrund der Anfrage waren Urteile des Bundesfinanzhofes und des Europäischen Gerichtshofes, nach deren Tenor Leistungen der öffentlichen Hand, die mit denen privater Anbieter vergleichbar sind oder in direktem Wettbewerb mit privaten Anbietern erbracht werden, der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Die Bundesregierung erklärt, sie nehme das Thema angesichts einer erheblichen Verunsicherung im Kommunalbereich ernst. Die Problematik der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand werde bereits seit längerem intensiv mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert.

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 15.08.2013

Quelle: hib-Nr. 424/2013

Kindergeld auch für verheiratete Kinder in Erstausbildung

Für verheiratete volljährige Kinder in Erstausbildung besteht auch dann ein Kindergeldanspruch, wenn die eigenen Einkünfte des Kindes und die Unterhaltsleistungen des Ehegatten den Grenzbetrag von 8.004 Euro überschreiten. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Köln am 16.07.2013 (9 K 935/13) entschieden.

In dem Verfahren verwehrte die Familienkasse der Klägerin das Kindergeld ab Januar 2012 für ihre 21-jährige verheiratete Tochter. Dies begründete die Familienkasse damit, dass sich die Tochter der Klägerin selbst unterhalten könne, da die Summe aus ihrer Ausbildungsvergütung und dem Unterhaltsbeitrag ihres Ehemanns den Grenzbetrag von 8.004 Euro überschreite. Damit läge kein sog. „Mangelfall“ und damit keine zwingende Unterhaltsbelastung der Klägerin für ihre Tochter vor.

Dem folgte der Senat nicht und gewährte das beantragte Kindergeld. Dies begründet er in seinem Urteil damit, dass sich die Tochter der Klägerin in Erstausbildung befinde, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und das Gesetz keine weiteren Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld enthalte. Insbesondere seien seit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2012 die eigenen Bezüge der Kinder ohne Bedeutung. Dies gelte genauso für verheiratete Kinder. Daher müsse auch bei diesen – entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – keine „typische Unterhaltssituation“ mehr vorliegen.

Mit seiner Entscheidung erklärt der Senat die anderslautende Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern (31.2.2 DA FamEStG) für rechtswidrig.

Der Senat hat gegen sein Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 15.08.2013 zum Urteil 9 K 935/13 vom 16.07.2013

Hilfsgelder für Flutopfer stehen bereit – Aufbauhilfeverordnung vom Kabinett beschlossen

Das Bundeskabinett hat am 14. August 2013 die Verordnung für den Aufbauhilfefonds nach dem Hochwasser 2013 beschlossen. Bund und Länder lösen ihr Versprechen an die vom Hochwasser geschädigten Bürger ein: Noch im August kann mit der Auszahlung der Hilfen zum Wiederaufbau begonnen werden.

Insgesamt stehen im Aufbauhilfefonds bis zu 8 Milliarden Euro zur Verfügung.

Mit der Verordnung wird die Verteilung der Mittel auf die vom Hochwasser betroffenen Länder geregelt. Bund und Länder haben sich hierzu auf einen vorläufigen Schlüssel entsprechend der bisher von den Ländern gemeldeten Flutschäden geeinigt. Endgültig werden die Mittel erst nach einer genaueren Feststellung der entstandenen Schäden verteilt.

Weniger als zwei Monate nachdem Bund und Länder die Errichtung des Fonds vereinbart haben, ist mit der beschlossenen Verordnung von Seiten des Bundes der letzte Schritt gemacht, um die Mittel für die Aufbauhilfe den geschädigten Bürgern zur Verfügung zu stellen.

Jetzt muss der Bundesrat der Verordnung noch zustimmen. Er wird sich in seiner Sondersitzung am 16. August damit befassen. Die Bundesregierung hat damit alles von ihrer Seite mögliche getan, um eine schnelle Hilfe für die Opfer der Flut zu ermöglichen. Die Abwicklung der Hilfe liegt nunmehr in den Händen der Länder, von denen die Geschädigten die Wiederaufbauhilfe ausgezahlt bekommen. Anträge können bei den dort zuständigen Behörden gestellt werden.

Die Gelder aus dem Fonds können eingesetzt werden, um Hochwasserschäden zu beseitigen, betroffene Privathaushalte und Unternehmen zu entschädigen und die beschädigte Infrastruktur des Bundes, der Länder und der Gemeinden wiederaufzubauen. Dabei können geschädigten Bürgern und Unternehmen bis zu 80 Prozent der entstandenen Schäden ersetzt werden. Versicherungsleistungen sowie andere mit dem Hochwasser zusammenhängende Hilfen Dritter werden berücksichtigt, so dass keine Überkompensation von Schäden erfolgt.

Der Aufbauhilfefonds wird von Bund und Ländern gemeinsam finanziert. Dabei wird der Bund die Kosten für den Wiederaufbau der zerstörten Bundesinfrastruktur in Höhe von circa 1,5 Milliarden Euro alleine tragen. An den weiteren Hilfen beteiligen sich Bund und Länder jeweils zur Hälfte. Der Bund wird den Fonds im Rahmen seines normalen Schuldenmanagements vorfinanzieren. Der dafür notwendige Nachtragshaushalt für 2013 ist bereits am 28. Juni vom Bundestag beschlossen worden. Die Länder werden ihre Hälfte an den Kosten des Aufbaufonds, also Tilgung und Zinsen, über einen Zeitraum von 20 Jahren erbringen.

Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung „Hochwasserschäden: Bund stellt Aufbaugelder bereit“ der Bundesregierung vom 14.08.2013.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 14.08.2013

Subventionen auf niedrigstem Niveau seit knapp 20 Jahren – Kabinett beschließt 24. Subventionsbericht

Das Bundesfinanzministerium hat am 14. August 2013 dem Kabinett den 24. Subventionsbericht der Bundesregierung vorgelegt. Der Bericht stellt die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen im Zeitraum von 2011 bis 2014 dar. Der Subventionsbericht wird alle zwei Jahre vorgelegt.

Die Subventionen sind in absoluten Zahlen des Berichtszeitraums mit 21,8 Milliarden Euro nahezu konstant geblieben. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist das Subventionsvolumen mit 0,8 % des BIP aber so niedrig wie seit knapp zwei Jahrzehnten nicht mehr.

Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode die Subventionen um ein Viertel von 28,4 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 21,3 Milliarden Euro im Jahr 2013 abgebaut. Auch bezogen auf die Steuereinnahmen und die Ausgaben des Bundes zeigt sich diese positive Entwicklung: Der Anteil der Steuervergünstigungen an den Steuereinnahmen des Bundes ist kontinuierlich zurückgegangen und liegt auf dem niedrigsten Niveau seit 1999. Der Anteil der Finanzhilfen an den Ausgaben des Bundes hat sich im gleichen Zeitraum mehr als halbiert.

Der Abbau der Subventionen war ein wichtiger Beitrag, um den Bundeshaushalt in nur einer Legislaturperiode nachhaltig zu konsolidieren.

Unmittelbar nach der Finanz- und Wirtschaftskrise war das Ausgangsniveau bei den Subventionen krisenbedingt hoch. Die zur Krisenbekämpfung kurzfristig erforderlichen Stabilisierungsmaßnahmen in den Jahren 2009 und 2010 hat die Bundesregierung konsequent und zügig zurückgeführt.

Der Subventionsbericht spiegelt auch die ökonomischen und technologischen Herausforderungen im Berichtszeitraum wider. Einfluss auf die Subventionspolitik haben neben der gesamtwirtschaftlichen Lage – das Wachstum in Deutschland und Unsicherheiten im internationalen Umfeld – insbesondere die Beschlüsse zur Energiewende.

Die Finanzhilfen konnten im Berichtszeitraum auf dem Stand von rund 6 Milliarden Euro ungefähr konstant gehalten werden. Zusätzliche Hilfen im Rahmen der Energiewende wie die Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms wurden im Volumen durch die Verringerung von Finanzhilfen an anderer Stelle nahezu kompensiert.

Die auf den Bund entfallenden Steuermindereinnahmen durch Steuervergünstigungen gehen im Vergleich zum 23. Subventionsbericht auf ein Niveau von rund 15,5 Milliarden Euro zurück (23. Subventionsbericht / 2010: 18,6 Milliarden Euro). Zu den 20 größten Steuervergünstigungen zählen u. a. auch die Förderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge durch Zulagen, die Steuerbefreiung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sowie der ermäßigte Steuersatz für Personenbeförderung im öffentlichen Nahverkehr.

Den 24. Subventionsbericht finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 14.08.2013

Bekanntmachung des Vordruckmusters für die Bescheinigung der 2013 angelegten vermögenswirksamen Leistungen

Das Vordruckmuster für die Bescheinigung der 2013 angelegten vermögenswirksamen Leistungen (Anlage VL 2013) wird hiermit in der Anlage bekannt gemacht (§ 15 Abs. 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetz, § 5 der Verordnung zur Durchführung des Fünften Vermögensbildungsgesetz).

Der Vordruck hat das Format DIN A 4.

Der Vordruck kann auch maschinell hergestellt werden. Im Interesse einer korrekten Erfassung (maschinelle Beleglesung) muss der maschinell hergestellte Vordruck sämtliche Angaben in gleicher Anordnung enthalten und in Format, Aufbau, Druckbild und Wortlaut dem bekannt gemachten Vordruck entsprechen. Insbesondere darf ein maschinell hergestellter Vordruck bezüglich folgender Punkte nicht vom amtlichen Muster abweichen:

  • keine Hinterlegung in Farbe oder Grauwerten,
  • keine Kammboxen und keine Erläuterungstexte in den Datenfeldern,
  • Schriftgrößen,
  • keine Serifenschriften,
  • keine zusätzlichen Inhalte wie Erläuterungstexte und Informationen des Anlageinstituts, Unternehmens, Empfängers.

Wird der Vordruck maschinell ausgefüllt, dürfen für die Eintragungen in den Datenfeldern ebenfalls keine Serifenschriften verwendet werden. Diese Eintragungen sind in Schriftgröße 12 pt vorzunehmen. Eine kleinere Schrift darf nur verwendet werden, wenn anderenfalls der für die Eintragung zur Verfügung stehende Platz nicht ausreichen würde.

Maschinell erstellte Bescheinigungen brauchen nicht handschriftlich unterschrieben zu werden.

Beim Ausfüllen der Anlage VL 2013 sind die Vorgaben im BMF-Schreiben vom 9. August 2004 (BStBl I Seite 717), geändert durch die BMF-Schreiben vom 16. März 2009 (BStBl I Seite 501), vom 4. Februar 2010 (BStBl I Seite 195) und vom 2. Dezember 2011 (BStBl I Seite 1252), zu beachten. Eine redaktionelle Zusammenfassung der BMF-Schreiben ist unterwww.bundesfinanzministerium.de abrufbar.

Das Vordruckmuster finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Schreiben IV C 5 – S-2439 / 13 / 10001 vom 13.08.2013

Elektronische Steuererklärung wird zur Haftungsfalle für Steuerberater – Rigoroses BFH-Urteil

Spätestens nach dem jüngsten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Az.: III R 12/12) kann dem Steuerberater die elektronische Übermittlung von Steuererklärungen zum Verhängnis werden: Den Steuerberater trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen, wenn er dem Steuerpflichtigen nur das komprimierte Formular zur Überprüfung aushändigt, ohne vorher den vollständigen Sachverhalt ermittelt zu haben. In dem zu entscheidenden Fall konnte der in der komprimierten Steuererklärung unberücksichtigt gebliebene Sachverhalt nachträglich nicht mehr berücksichtigt werden. Der Steuerpflichtige blieb so auf der zu hohen Steuerlast sitzen.

„Die zunehmende elektronische Kommunikation ist zu befürworten, da sie allen Beteiligten das Verfahren generell erleichtern soll.“ meint Harald Elster, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV). Dieses Urteil bestätige jedoch, dass die seit der Einführung der elektronischen Steuererklärung kritisierten Nachteile in nicht hinnehmbarer Weise auf die Steuerberaterschaft abgewälzt würden. Elster: „Gewollter Bürokratieabbau wird zum Bürokratie-Wahnsinn für die Kanzleien.“

Um haftungs- sowie steuerstrafrechtliche Risiken einzudämmen, muss die Steuerberaterschaft gerade nach diesem Urteil die alten Papier-Vordrucke wieder bemühen. Nur deren Aushändigung an den Mandanten sowie eine Freigabe der erklärten Daten durch die Unterzeichnung des kompletten Ausdrucks schützt den Berater. Andernfalls nimmt er dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die erklärten Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen – so der BFH. Dies gelte unabhängig von dem zur Datenübertragung verwendeten Programm.

Um dem Bürokratieaufwand etwas entgegenzusetzen, wird sich der DStV weiterhin für eine Reduzierung der Belastungen durch die in diesem Kontext relevanten Medienbrüche einsetzen. Die Arbeit in den Kanzleien wird nach wie vor auch durch die Nachforderungen von Papier-Belegen seitens der Finanzverwaltung strapaziert. Bereits im letzten Jahr hat der DStV dem Bundesfinanzministerium den organisatorischen Mehraufwand aufgezeigt. Wünschenswert sind ein bundesweit geltender Leitfaden, in dem der Umfang der einzureichenden Belege mit Augenmaß bestimmt wird, sowie die elektronische Übertragbarkeit auch der Belege.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Pressemitteilung vom 09.08.2013

Ungünstige Gesetzesänderung für Nutzer von Wohnrechten

Der 11. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem am 09.08.2013 veröffentlichten Urteil vom 2. Juli 2013 (11 K 4508/11 E) entschieden, dass die Nutzung von Ferienimmobilien, die eine AG verwaltet und nach einem speziell entwickelten Punkte- und Reservierungssystem an ihre Aktionäre überlässt, zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, deren Höhe sich nach dem Mietpreis für vergleichbare Ferienobjekte richtet. Die Vergleichsmiete sei – so der Senat – insbesondere nicht um die von den Aktionären gezahlten Jahresbeiträge, die unabhängig von der konkreten Nutzung von Ferienobjekten anfallen, zu mindern. Die Jahresbeiträge stellten Werbungskosten der Aktionäre dar, die jedoch wegen der ab dem Jahr 2009 geltenden gesetzlichen Beschränkung des Werbungskostenabzuges in § 20 Abs. 9 EStG nicht mehr abziehbar seien. Die Entscheidung betrifft eine Vielzahl von Steuerpflichtigen, die über eine Gesellschaftsbeteiligung exklusiv die Möglichkeit erhalten, Feriendomizile der Gesellschaft zu nutzen, ohne hierfür Miete zahlen zu müssen.

Auch der Kläger, der deutlich über dem Sparerpauschbetrag liegende Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte, war an der AG beteiligt. Dieser hatte er – wie vertraglich vorgesehen – außerdem ein Darlehen gewährt. Hierfür erhielt er jährlich eine bestimmte Anzahl von Punkten. In den Streitjahren 2009 und 2010 hatte der Kläger drei Objekte der AG genutzt. Hierfür hatte er eine bestimmte Anzahl der ihm gutgeschriebenen Punkte eingesetzt. Eine Miete hatte er nicht zu zahlen, wohl aber die anlässlich der Aufenthalte angefallenen Nebenkosten. Unabhängig von der konkreten Nutzung der Objekte hatte er – ebenfalls vertragsgemäß – Jahresbeiträge an die AG überwiesen.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Nutzung der Ferienobjekte zwar grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe, diese aber vom beklagten Finanzamt der Höhe nach unzutreffend berücksichtigt worden seien. Das Finanzamt habe den ihm zugeflossenen Vorteil unzutreffend bewertet, da es fälschlicherweise von einer unentgeltlichen Nutzung der Objekte ausgegangen sei. Es habe zudem verkannt, dass die Jahresbeiträge keine (nicht mehr abziehbaren) Werbungskosten darstellten, sondern bei der Bewertung des zugeflossenen Vorteils mindernd zu berücksichtigen seien. Statt der vom Finanzamt angesetzten Nutzungsvorteile in Höhe von 1.002 Euro (2009) und 304 Euro (2010) seien lediglich Beträge von 120 Euro (2009) und 36,40 Euro (2010) zu versteuern.

Der 11. Senat folgte der Argumentation des Klägers nicht und wies die Klage ab. Er ist der Meinung, dass der Kläger in Höhe der von der AG selbst ermittelten Vergleichsmieten und damit in der vom Finanzamt berücksichtigten Höhe Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt habe. Der 11. Senat folgt damit im Ergebnis einer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes aus den 1990er Jahren. Seinerzeit hatte der Bundesfinanzhof zugunsten von Aktionären der AG entschieden, dass die von ihnen gezahlten Jahresbeiträge als Werbungskosten abzugsfähig sind. Dies hatte zur Folge, dass die durch die Nutzung von Ferienobjekten erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen der Aktionäre regelmäßig erheblich gemindert wurden und dementsprechend niedrig waren. Mit der Umstellung der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Einführung der sog. Abgeltungssteuer (§ 32d EStG) hat sich die Rechtslage geändert, denn seit dem Jahr 2009 ist auch der Abzug von Werbungskosten auf den sog. Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro beschränkt. Ein Abzug tatsächlicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist ausgeschlossen. Sind aber – wie der 11. Senat meint – die Jahresbeiträge als Werbungskosten anzusehen, so sind diese ab 2009 nicht mehr in tatsächlicher Höhe abziehbar. Das führt zu einer spürbar höheren Besteuerung der Nutzungsvorteile bei den Aktionären.

Der 11. Senat hat die Revision zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 09.08.2013 zum Urteil 11 K 4508/11 vom 02.07.2013

2.000 Euro Hundesteuer für einen Kampfhund sind zu viel

Hundesteuer: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Urteil vom 25. Juli 2013 entschieden, dass ein Steuersatz für sogenannte Kampfhunde in Höhe von 2.000 Euro jährlich angesichts der für die Haltung eines solchen Hundes in der Regel erforderlichen Aufwendungen nicht mehr auf die Einnahmeerzielung zielt, sondern auf ein faktisches Verbot der Kampfhundehaltung; er entfalte damit eine erdrosselnde Wirkung und sei nicht rechtmäßig.

Damit hat der BayVGH der Berufung eines Ehepaars stattgegeben, das sich gegen einen entsprechenden Steuerbescheid der Wohnsitzgemeinde gewandt hatte. Beim Verwaltungsgericht München hatte noch die Gemeinde Erfolg, der BayVGH gab nun aber den Hundehaltern Recht.

Zwar könne eine Gemeinde für einen sogenannten Kampfhund einen erhöhten Steuersatz festsetzen. Das gelte auch, wenn der Halter gemäß der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit einen sog. positiven Wesenstest vorweisen könne, wonach der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweise. Denn der positive Wesenstest im Einzelfall ändere nichts daran, dass bei Kampfhunden generell von einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen sei. Grundsätzlich sei es gerechtfertigt, eine Lenkungssteuer mit dem Ziel zu erlassen, eine als gefährlich vermutete Hundepopulation einzudämmen. Der Lenkungszweck dürfe aber nicht so dominieren, dass der Zweck, Einnahmen zu erzielen, völlig zurücktrete. Letzteres sei der Fall, wenn die Steuerregelung aufgrund der Höhe des Steuersatzes ersichtlich darauf abziele, damit die Haltung bestimmter Hunderassen durch eine „erdrosselnde Wirkung“ praktisch unmöglich zu machen. Die Hundesteuer sei eine kommunale Aufwandsteuer. Nach einer wissenschaftlichen Untersuchung sei von einer jährlichen finanziellen Belastung von im Bundesdurchschnitt 900 bis 1.000 Euro pro Hund auszugehen. Eine Steuerbelastung, die diesen anzunehmenden Hundehaltungs-Aufwand so deutlich übersteige wie im entschiedenen Fall, sei nicht mehr zu rechtfertigen und wirke sich aus wie ein auf bestimmte Rassen bezogenes Hundehaltungsverbot. Für den Erlass eines solchen Hundehaltungsverbots fehle der Gemeinde jedoch die Regelungskompetenz.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde zugelassen.

Quelle: BayVGH, Pressemitteilung vom 08.08.2013 zum Urteil 4 B 13.144 vom 25.07.2013

Ein Steuersatz für sogenannte Kampfhunde in Höhe von 2.000 Euro jährlich zielt angesichts der für die Haltung eines solchen Hundes in der Regel erforderlichen Aufwendungen nicht mehr auf die Einnahmeerzielung, sondern auf ein faktisches Verbot der Kampfhundehaltung; er entfaltet damit eine erdrosselnde Wirkung.
Erhöhter Steuersatz für Kampfhund (Rottweiler); erdrosselnde Wirkung der Steuer
 
Hundesteuersatzung

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 4. Senat, Urteil vom 25.07.2013, 4 B 13.144

Art 105 Abs 2a GG, Art 3 Abs 1 KAG BY

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 (Az. M 10 K 11.6018) wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2011 wird aufgehoben, soweit darin eine Hundesteuer festgesetzt wird, die den Betrag von 75 Euro übersteigt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Kläger hielten seit dem 10. April 2011 im Gemeindegebiet der Beklagten eine Rottweilerhündin, für die die Beklagte am 12. April 2011 den Klägern das Negativzeugnis nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit zunächst befristet bis einschließlich Februar 2012, anschließend am 12. März 2012 unbefristet, erteilte.
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Die Beklagte hat ihre am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Satzung für die Erhebung der Hundesteuer (HStS) am 7. Dezember 2010 beschlossen und bekannt gemacht. Im Mai 2011 änderte die Beklagte mit der ersten Satzung zur Änderung der HStS § 5 Abs. 2 HStS rückwirkend zum 1. Januar 2011 dahingehend, dass Hunde, die zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bereits gehalten wurden und für die ein Negativzeugnis vorliegt, von der Kampfhundeeigenschaft ausgeschlossen seien. Besteuert wird nach der HStS das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet. Der Steuersatz beträgt für den ersten Hund 75,- Euro, für den zweiten und jeden weiteren Hund 160,- Euro und abweichend hiervon für sogenannte Kampfhunde je 2.000,- Euro jährlich. Kampfhunde sind nach § 5 Abs. 2 HStS Hunde, bei denen aufgrund rassenspezifischer Merkmale, Zucht und Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist. Kampfhunde im Sinne dieser Vorschrift sind alle in § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 in der jeweils geltenden Fassung genannten Rassen und Gruppen von Hunden. Nach § 8 Abs. 3 HStS wird für Kampfhunde keine Steuerbefreiung und/oder Steuerermäßigung gewährt.
3
Mit Bescheid vom 28. April 2011 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern für das Kalenderjahr 2011 eine erhöhte Hundesteuer in Höhe von 2.000,- Euro fest. Nach erfolglosem Widerspruch hiergegen erhoben die Kläger im Dezember 2011 Klage, die das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 27. September 2012 abwies. Die Hundesteuersatzung sei formell und materiell-rechtlich rechtmäßig. Die Satzung beruhe auf der Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 KAG. Die Grenzen der hiernach zulässigen Lenkungssteuer würden durch die Satzung nicht überschritten. Zulässiger Lenkungszweck bei der Besteuerung der Hundehaltung sei die Eindämmung der Hundehaltung generell wie auch die Eindämmung der Haltung bestimmter Hunderassen wegen ihres abstrakten Gefährdungspotentials. Die Steuersatzung wäre nur dann nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 As. 2 a Satz 1 GG gedeckt, wenn die Steuer in ihrer konkreten Ausgestaltung nach Gewicht und Auswirkung einem unmittelbaren sachlichen (außerfiskalischen) Ge- oder Verbot gleichkäme, wenn also das Steuergesetz unter Missbrauch der Form in Wahrheit ausschließlich die entsprechende Sachregelung und nicht mehr die Erzielung von Einnahmen bezweckte. Für die Frage nach der erdrosselnden Wirkung einer Steuer sei unerheblich, ob aus der subjektiven Sicht eines einzelnen Hundehalters diesem die persönliche Hundehaltung wirtschaftlich nicht mehr möglich sei. Der notwendige steuerliche Zweck der Einnahmeerzielung sei nur dann nicht vorhanden, wenn sich die Besteuerung faktisch wie ein Verbot der Hundehaltung auswirkte. Hierbei verbiete sich aber eine isolierte Betrachtung der Haltung von sogenannten Kampfhunden, weil im Hinblick auf die Prüfung der Einhaltung der Gesetzgebungskompetenz zur Besteuerung auf den Steuertatbestand der Hundesteuersatzung abzustellen sei. Bei der von der Beklagten erhobenen Steuer für die Haltung von Hunden im Gemeindegebiet (Steuertatbestand) liege die dauerhafte Einnahmeerzielungsabsicht vor. Die von der Beklagten erhobene Hundesteuer für die Haltung von Hunden mache die Hundehaltung generell im Gemeindegebiet wirtschaftlich nicht unmöglich und laufe dadurch dem steuerlichen Hauptzweck der Einnahmeerzielung nicht zuwider. Da sich der Jahressteuersatz für die Haltung eines „normalen“ Hundes auf 75,- Euro belaufe, werde einerseits die Hundehaltung im Gemeindegebiet nicht faktisch verboten und andererseits sei an der Einnahmeerzielungsabsicht nicht zu zweifeln. Im Hinblick auf die erhöhte Kampfhundesteuer bestehe kein Widerspruch zur Erlaubnispflicht für das Halten gefährlicher Hunde nach Art. 37 LStVG. Die Lenkungsfunktion der höheren Hundesteuer für Kampfhunde erschöpfe sich in der Minimierung der Anzahl der nach ihrer Rasse als gefährlich geltenden Hunde im Gemeindegebiet. Das ordnungsrechtliche Instrumentarium nach Art. 37 LStVG habe demgegenüber einen anderen Zweck. Die von der Beklagten gewählte Gestaltung und Definition der Regelung des Steuermaßstabs für Kampfhunde begegne keinen rechtlichen Bedenken. Der gewählte Steuermaßstab widerspreche auch nicht dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Dem Steuergesetzgeber stehe in Bezug auf die fehlende Differenzierung innerhalb der Kampfhundebesteuerung ein weites Ermessen zu. Dabei werde die Hundepopulation, die zurückgedrängt werden solle, nicht durch die individuelle Gefährlichkeit der Tiere, sondern durch Gruppenmerkmale charakterisiert, die auf eine vorhandene genetische Veranlagung schließen ließen, welche der Satzungsgeber als Gefährdungspotential einstufe. Dabei dürfe typisierend auf alle in der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit genannte Hunderassen abgestellt werden. Dies gelte auch ohne Rücksicht darauf, dass bei einem Teil der dort genannten Rassen in gefahrenabwehrrechtlicher Hinsicht durch Erlangung eines Negativzeugnisses für einen der Rasse angehörenden einzelnen Hund die Vermutung der Kampfhundeeigenschaft entkräftet werden könne. Die Höhe des Steuersatzes von 2.000,- Euro für das Kalenderjahr für die Haltung eines Kampfhundes im Gemeindegebiet der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die Gemeinde könne die Höhe der Steuer nach ihrem Ermessen bestimmen. Sie habe dabei einen weitreichenden Gestaltungsspielraum, bei dessen Ausübung vor allem kommunal- und finanzpolitische Überlegungen eine Rolle spielten. Hinsichtlich der erdrosselnden Wirkung der Steuer sei bei der Hundesteuer als örtlicher Aufwandsteuer ausschließlich zu prüfen, ob ein Verstoß gegen Art. 2 GG – allgemeine Handlungsfreiheit – vorliege. Ein verfassungsrechtlich unverhältnismäßiger Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit liege bei dem genannten Steuersatz jedoch nicht vor. Bei umgerechnet rund 167 Euro pro Monat werde die Haltung eines Kampfhundes nicht ausgeschlossen.
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Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen vom 23. November 2012 insoweit aufzuheben, als darin eine 75 Euro übersteigende Hundesteuer festgesetzt ist.
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Der Hundesteuerbescheid beruhe auf einer rechtswidrigen Steuersatzung der Beklagten. Die festgelegte Steuer für Kampfhunde in Höhe von 2.000,- Euro jährlich sei wegen ihrer erdrosselnden Wirkung unzulässig, da insoweit keinerlei fiskalische Zwecke verfolgt würden, sondern vielmehr ein faktisches Haltungsverbot für Hunde im Sinne des § 1 der Verordnung für Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (Kampfhunde-VO) geschaffen werden solle. Gegenstand der Beurteilung der Erdrosselungswirkung sei nur die in § 5 Abs. 2 der Satzung geregelte Kampfhundesteuer. Für die Frage der Einnahmeerzielungsabsicht könne gerade nicht auf die allgemeine Hundesteuer der Beklagten abgestellt werden. Die Satzung der Beklagten stelle sich als verfassungswidriger Formenmissbrauch dar, weil der Gemeinde die Satzungsgebungskompetenz für ein Kampfhundeverbot fehle. Die Erhebung der Hundesteuer werde somit nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG gedeckt. Bei einem Kampfhundesteuersatz in Höhe von 2.000,- Euro jährlich trete der erforderliche Zweck der Einnahmeerzielung gegenüber dem außerfiskalischen Zweck der Zurückdrängung von Kampfhunden vollständig zurück. Eine Einnahmeerzielungsabsicht liege bei der Beklagten insoweit gar nicht vor. Das Erstgericht verkenne, dass eine mögliche Einnahmeerzielungsabsicht bei der Besteuerung von „normalen“ Hunden gerade nicht als Begründung für das Vorliegen einer Einnahmeerzielungsabsicht bei der vorliegenden Besteuerung von Kampfhunden herangezogen werden könne. Das Lenkungsziel der Kampfhundebesteuerung sei dabei im vorliegenden Fall schlicht die Tatbestandsvermeidung. Seit Erlass der Steuersatzung im Gemeindegebiet der Beklagten sei außer dem klägerischen Tier nicht ein einziger Kampfhund im Sinne der Satzung angemeldet worden. Die Kläger seien daher die einzigen Rechtsunterworfenen, welche zur Entrichtung der Kampfhundesteuer der Beklagten herangezogen werden sollten. Die Kläger hätten im Übrigen aufgrund der übermäßigen Steuerbelastung den streitgegenständlichen Hund mittlerweile durch Schreiben vom 31. Oktober 2012 an die Beklagte abgemeldet. Die Beklagte erziele daher durch die Kampfhundesteuer keine Einnahmen mehr und werde dies auch künftig nicht tun. Dass nach der Satzung der Beklagten keinerlei Befreiungs- und Ausnahmetatbestände für Kampfhunde vorgesehen seien, belege, dass keine realistische Alternative bestehe, dem faktischen Kampfhundeverbot auszuweichen. Darüber hinaus zeige der Steuersatz der Beklagten für normale Hunde mit seiner Höhe von 75,- Euro pro Jahr, dass dieser Betrag aus Sicht der Beklagten unter kommunal- und finanzpolitischen Gesichtspunkten für die Hundehaltung im maßgeblichen Gebiet ausreichend und angemessen sei. Die demgegenüber 26-fach erhöhte Steuer für Kampfhunde stelle sich auch unter diesem Aspekt als bloße Lenkungsmaßnahme im Gewand eines Steuergesetzes dar. Der Steuersatz lasse keine aufwandsbezogene Orientierung mehr erkennen. Schließlich sei der tatsächliche Aufwand für die Kampfhundehaltung nicht höher als bei einem normal großen anderen Hund.
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Des Weiteren verstoße die Besteuerung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Die Beklagte besteuere pauschal alle Kampfhunde und differenziere damit nicht zwischen Hunden der Kategorie I, welche als unwiderlegbar gefährlich gelten, und Hunden der Kategorie II, bei denen die Gefährlichkeit widerlegt werden könne und vorliegend auch widerlegt worden sei. Es sei sachlich nicht vertretbar, Hunde wie das streitgegenständliche Tier, bei dem die Ungefährlichkeit durch Sachverständigengutachten und das daraufhin von der Beklagten erteilte Negativattest erwiesen sei, unterschiedslos in den Steuertatbestand aufzunehmen.
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Indem die Beklagte negativ getestete Hunde der Kategorie II, die zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bereits gehalten worden seien, von der Kampfhundeigenschaft in § 5 Abs. 2 der Satzung ausnehme, offenbare sie, dass sie für negativ getestete Hunde tatsächlich ein geringeres Gefahrenpotential annehme als für nicht negativ getestete Hunde sowie für Hunde der Kategorie I. Es liege eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu solchen negativ getesteten Tieren vor, die bereits vor Satzungserlass gehalten worden seien. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum negativ getestete Hunde der Kategorie II abhängig vom Zeitpunkt ihrer Anschaffung besteuert werden sollten.
9
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. März 2013
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Grenzziehung zwischen der unzulässigen Erhebung einer Kampfhundesteuer mit erdrosselnder Wirkung ohne Einnahmeerzielungsabsicht und der Erhebung einer zulässigen Kampfhundesteuer ohne erdrosselnde Wirkung, jedoch mit der Verfolgung des Lenkungszwecks, die Haltung von Kampfhunden im Gemeindegebiet zurückzudrängen, werde bereits durch die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung vorgegeben. Ausschlaggebend sei allein, ob die Kampfhundesteuer einem ausschließlich außerfiskalischen Verbot der Kampfhundehaltung gleichkomme. Nur in diesem Fall sei die Absicht der Einnahmeerzielung in Frage gestellt. Höchstrichterlich geklärt sei dabei auch, dass die Absicht der Einnahmeerzielung neben dem gleichzeitig verfolgten weiteren Lenkungszweck der Zurückdrängung von Kampfhunden im Gemeindegebiet deutlich in den Hintergrund treten dürfe. Eine erdrosselnde Wirkung komme der Erhebung einer Hundesteuer in Höhe von 2.000.- jährlich, was einer monatlichen Belastung von 167,- Euro entspreche, nicht zu. Setze man die Kampfhundesteuer in Relation zu den weiteren Kosten, die einem Halter eines Kampfhundes zwangsläufig entstünden, so beliefen sich allein die Futterkosten auf 90,- bis 120,- Euro im Monat. Hinzu kämen Kosten für Hundezubehör, Tierarzt, Unkosten für Haftpflichtversicherung. Diese Kosten, welche die Kampfhundehaltung ohnedies bereits mit sich bringe, beliefen sich auf mehr als 2.000,- Euro jährlich, ohne dass dies etwa einem Kampfhundeverbot gleichkäme. Dabei sei unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des einzelnen Hundehalters eine abstrakte Betrachtung aller Halter geboten. Im Hinblick auf den steuerlichen Lenkungszweck, die Anzahl der im Gemeindegebiet gehaltenen Kampfhunde und das damit einhergehende Gefährdungspotential zu verringern, stelle sich die erhöhte Besteuerung von Kampfhunden auch nicht etwa deshalb als gleichheitswidrig dar, weil Hundehalter von Hunden, die nicht in der Kampfhunderasseliste enthalten seien, sich aber individuell sicherheitsrechtlich als gefährlich erwiesen hätten, nicht ebenfalls mit einer erhöhten Hundesteuer belegt würden. Der Lenkungszweck könnte durch eine solche Satzungsbestimmung nämlich nicht mehr erreicht werden. Die Beklagte dürfe die Eindämmung von Gefahren durch Hunde, die sich individuell als gefährlich erwiesen hätten, ausschließlich dem Ordnungs- bzw. Sicherheitsrecht überlassen.
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Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt, ohne sich zur Sache zu äußern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zugelassene Berufung der Kläger hat Erfolg. Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 28. April 2011, der für den von den Klägern gehaltenen Rottweiler eine Hundesteuer in Höhe von 2.000 Euro für das Jahr 2011 festsetzt, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts und der Hundesteuerbescheid waren daher im tenorierten Umfang aufzuheben.
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1. Der Klägervertreter hat in der ersten Instanz und auch noch während des Berufungsverfahrens Antrag auf vollumfängliche Aufhebung des Hundesteuerbescheides gestellt. Der Begründung seines Klagebegehrens war jedoch klar zu entnehmen, dass er nicht gegen die Hundesteuer generell, sondern lediglich gegen den stark erhöhten Steuersatz für sogenannte Kampfhunde vorgehen wollte. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden gemäß § 86 Abs. 3 VwGO hat die Klägerseite ihren Klageantrag insoweit präzisiert.
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2. Der streitgegenständliche Hundesteuerbescheid beruht auf § 5 Abs. 2 HStS, der für sogenannte Kampfhunde einen Steuersatz von 2.000 Euro jährlich festsetzt. Diese Satzungsvorschrift verstößt gegen höherrangiges Recht. Zwar kann eine Gemeinde für einen sogenannten Kampfhund einen erhöhten Steuersatz festsetzen (a). Wenn der Steuersatz allerdings so hoch angesetzt wird, dass damit die Haltung bestimmter Hunderassen faktisch unterbunden wird, entfaltet der Steuersatz erdrosselnde Wirkung. Für ein Hundehaltungsverbot, das sich auf bestimmte Rassen bezieht, fehlt der Gemeinde jedoch die Regelungskompetenz (b).
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a) Entgegen der Auffassung der Kläger kann eine Gemeinde für einen sogenannten Kampfhund einen erhöhten Hundesteuersatz festsetzen. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris Rn. 29 m.w.N.; BayVGH B.v. 6.11.2012 – 4 C 11.2699 – juris; BayVGH B.v. 15.1.2013 – 4 ZB 12.540 – juris, für einen Rottweiler) auch dann, wenn der Halter des betreffenden Hundes gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit über einen Nachweis darüber verfügt, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist. Denn der positive Wesenstest lässt nur die sicherheitsrechtliche Erlaubnispflicht entfallen (Art. 37 Abs. 1 LStVG), ändert aber nichts daran, dass es sich um Hunde handelt, bei denen von einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen ist. Ein rechtfertigender sachlicher Grund für den Erlass einer Lenkungssteuer mit dem Ziel der Minimierung einer als gefährlich vermuteten Hundepopulation besteht selbst dann, wenn nach dem einschlägigen Gefahrenabwehrrecht nur solche Hunde der in einer Kampfhundeliste verzeichneten Rassen gehalten werden dürfen, die nachweislich keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen (BVerwG vom 28.6.2005 NVwZ-RR 2005, 844/845). Dass damit auch im Einzelfall als ungefährlich anzusehende Hunde der erhöhten Steuer unterworfen sind, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, sondern ist vom Gestaltungs- und Typisierungsspielraum des Normgebers gedeckt. Die spezielle Besteuerung von „Kampfhunden“ nach Maßgabe der in der Hundesteuersatzung enthaltenen Rasselisten dient nicht der konkreten Gefahrenabwehr, sondern zielt darauf ab, ganz generell und langfristig im Gemeindegebiet solche Hunde zurückzudrängen, die aufgrund ihres Züchtungspotentials in besonderer Weise die Eignung aufweisen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln, sei es auch erst nach Hinzutreten anderer Faktoren (BVerwG vom 19.1.2000 BVerwGE 110, 265/275 = NVwZ 2000, 929/931). Die Anknüpfung der erhöhten Steuerpflicht an die Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Müssten in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von der höheren Besteuerung gewährt werden, so würde das dem Ziel, den Bestand an potentiell gefährlichen Hunden möglichst gering zu halten, zuwiderlaufen (BVerwG a.a.O.). Da aus der nur potentiellen Gefährlichkeit bei Hinzutreten anderer Faktoren jederzeit eine akute Gefährlichkeit erwachsen kann, ist es jedenfalls unter dem Blickwinkel des steuerlichen Lenkungszwecks sachgerecht, bereits an dem abstrakten Gefahrenpotential anzuknüpfen. Die Widerlegung der Vermutung der Kampfhundeeigenschaft nach der entsprechenden sicherheitsrechtlichen Verordnung muss demnach nicht zwingend auf die Höhe des Steuersatzes durchschlagen; vielmehr kann der Satzungsgeber davon absehen, ausschließlich konkret gefährliche Hunde dem erhöhten Steuersatz zu unterwerfen (BayVGH vom 23.11.2005, NVwZ-RR 2007, 57/58; vom 24.6.2009 Az. 4 ZB 08.2507 <juris>).
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Die erhöhte Besteuerung der Hunde bestimmter Rassen erweist sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht deshalb als gleichheitswidrig, weil die Halter von Hunden, die zwar in keiner Liste verzeichnet sind, sich aber individuell als gefährlich gezeigt haben, nicht ebenfalls einer erhöhten Besteuerung unterworfen werden. Da der Lenkungszweck der Steuer bei solchen konkret gefährlichen Hunden nicht greifen kann, darf der Steuersatzungsgeber die Behandlung der von ihnen ausgehenden Gefahren dem Ordnungsrecht überlassen (vgl. BVerwG vom 22.12.2004 NVwZ 2005, 598/600).
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b) Die in der Rechtsprechung festgestellte Zulässigkeit erhöhter Hundesteuersätze für sogenannte Kampfhunde bedeutet aber nicht, dass die Gemeinde den betreffenden Steuersatz beliebig hoch ansetzen kann. Der unter a) beschriebene (zulässige) Lenkungszweck schlägt nämlich ab einer gewissen Höhe der Steuerbelastung in ein (faktisches) Verbot der Haltung dieser Tiere um. Die rechtsetzende Gemeinde betreibt dann Formenmissbrauch, weil sie im Gewand einer Aufwandsteuervorschrift das Ziel verfolgt, die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich zu machen, ohne dabei noch die ernste Absicht der Einnahmeerzielung zu haben (vgl. OVG Rh-Pf. U.v. 14.6.2005 – 6 C 10308/05 – juris Rn. 25):
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aa) Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, ob die Gemeinde auch noch einen moderaten Steuersatz für „normale“ Hunderassen vorgesehen hat und damit die Hundehaltung als solche im Gemeindegebiet wirtschaftlich nicht unmöglich gemacht ist, so dass der Gemeinde insoweit auch noch eine Einnahmeerzielungsabsicht unterstellt werden kann. Denn die Gemeinde definiert zwar in ihrer Steuersatzung in § 1 zunächst den Steuertatbestand allgemein als das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet, schafft dann aber in § 5 ihrer Satzung einen besonderen erhöhten Steuersatz für Kampfhunde, für den die Gemeinde ebenfalls eine Regelungskompetenz vorweisen können muss (vgl. Ecker, KommunalPraxis 1994, 12/15: keine erdrosselnde Wirkung des einzelnen Steuersatzes). Ist das nicht der Fall, kann ein Bescheid auf diese Regelung nicht gestützt werden, auch wenn die Haltung anderer Hunderassen in der Gemeinde in zulässiger Höhe besteuert wird.
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bb) Die Gemeinde darf mit einer Hundesteuersatzung neben der Einnahmeerzielungsabsicht auch einen Lenkungszweck verfolgen, der üblicherweise darin besteht, die Zahl der in der Gemeinde gehaltenen Hunde und besonders auch die Haltung sogenannter Kampfhunde wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit einzudämmen. Der Lenkungszweck darf aber dabei nicht so dominieren, dass der Zweck, Einnahmen zu erzielen, völlig zurücktritt. Dies ist dann der Fall, wenn die Steuerregelung aufgrund der Höhe des Steuersatzes ersichtlich darauf abzielt, die Erfüllung des Steuertatbestandes durch eine „erdrosselnde Wirkung“ praktisch unmöglich zu machen (vgl. OVG RhPf U.v. 14.5.2013 – 6 C 11221/12 – juris Rn. 25 mit Hinweis auf BVerwG, B.v. 19.8.1994 – 8 N 1.93 – BVerwGE 96,272 ff.; BVerfG, U.v. 22.5.1963 – 1 BvR 78/56 – BVerfGE 16, 147 <161>).
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Auf eine erdrosselnde Wirkung in diesem Sinne kann vorliegend aber noch nicht daraus geschlossen werden, dass nach unbestrittenem Klägervortrag ihr Hund der einzige in der Gemeinde gewesen ist, der unter die Regelung des § 5 Abs. 2 HStS gefallen ist und den die Kläger wegen der Höhe der Steuer hätten weggeben müssen. Zwar können Bestandszahlen vor und nach einer Steuererhebung oder Steuererhöhung ein wichtiges Indiz dafür sein, ob nur von einer erlaubten Lenkung oder schon von einer unerlaubten Erdrosselung auszugehen ist (vgl. OVG RhPf, U.v. 14.5.2013 – 6 C 11221/12 – juris Rn. 26 für eine Hundesteuererhöhung in der Stadt Mainz). Dies setzt aber größere Hundebestandszahlen in der jeweiligen Gemeinde voraus. Bei einer sehr kleinen Zahl von Kampfhunden innerhalb einer Gemeinde sind keine klaren Rückschlüsse auf das Verhalten eines typisierten Hundehalters möglich. Denn es kommt nicht darauf an, ob – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt hat – dem einzelnen Hundehalter die persönliche Hundehaltung aus seiner subjektiven Sicht wirtschaftlich nicht mehr möglich ist. Bei nur einem einzigen Rechtsunterworfenen ist eine statistisch valide Aussage nicht möglich.
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Auch der von der Klägerseite betonte erhebliche Steigerungsfaktor des Steuersatzes im Vergleich zum Steuersatz für einen normalen Hund kann zwar ein gewichtiges Indiz, jedoch für sich allein nicht der ausschlaggebende Faktor für die Bejahung einer erdrosselnden Wirkung der Steuer sein. Im vorliegenden Fall hat die Gemeinde für einen Kampfhund den Betrag, der für einen Nicht-Kampfhund an jährlicher Steuer verlangt wird, um das 26-fache erhöht. Der Steigerungsfaktor 26 wäre etwa dann ohne große Aussagekraft, wenn eine Gemeinde für einen nicht gelisteten Hund einen sehr niedrigen Hundesteuerbetrag verlangte. Allerdings gibt die Beklagte mit ihrem gewählten nicht allzu niedrigen Steuersatz für einen Nicht-Kampfhund, worunter auch durchaus große Hunde fallen können, zu erkennen, was sie in Bezug auf den vom Hundehalter getriebenen Aufwand für die Haltung eines (großen) Hundes an Aufwandsteuer für gerechtfertigt hält. Selbst unter Berücksichtigung der Zulässigkeit eines höheren Steuersatzes für sogenannte Kampfhunde ist eine Steigerung gleich um das 26-fache ein deutliches Indiz dafür, dass Halter dieser Hunde in einer Weise getroffen werden sollen, die das Halten der betreffenden Hunde angesichts der üblicherweise für die Hundehaltung anfallenden Kosten gänzlich uninteressant machen soll.
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Ohne weitere Anhaltspunkte rechtfertigt auch der Steuerbetrag von 2.000 Euro als solcher nach Auffassung des Senats noch keinen Rückschluss auf eine erdrosselnde Wirkung. Es greift zu kurz, wenn man nach Umrechnung dieses Jahresbetrages auf die Monatsbelastung (gerundet 167 Euro) oder die Tagesbelastung (5,48 Euro) feststellt, dass damit die Haltung eines Kampfhundes im Sinne der Steuersatzung noch nicht unmöglich gemacht wird, weil davon ausgegangen wird, dass ein durchschnittlicher Hundehalter irgendwie auch noch diese Beträge aus seinen freien verfügbaren Mitteln aufbringen könnte, wenn er nur wollte. Denn es kommt auch darauf an, was üblicherweise für die Haltung eines Hundes aufzuwenden ist.
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In die Betrachtung muss daher einbezogen werden, dass die Hundesteuer eine kommunale Aufwandsteuer ist, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit desjenigen treffen will, der für die Haltung eines Hundes finanziellen Aufwand treibt. Da die Hundesteuer auf das Halten eines Hundes im Gemeindegebiet abhebt, bezieht sie sich zudem nur auf den hier regelmäßig entstehenden Aufwand und nicht auf alle für den Hund anfallenden Kosten (vgl. BayVGH B.v. 15.1.2013 – 4 ZB 12.540 – juris Rn. 11 zur örtlichen Radizierung der Hundesteuer). Für die Anschaffung und Haltung eines Hundes ist für die Halter neben dem reinen nicht bezifferbaren Affektionsinteresse vor allem die Höhe der mit der Hundehaltung verbundenen laufenden Kosten von entscheidender Bedeutung. Nach einer – den Streitparteien im Verfahren übergebenen – Untersuchung „Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland“ von Prof. Dr. Ohr und Dr. Zeddies, Göttingen 2006 (http://www.uni-goettingen.de/de/aktuelles/65380.html, dort S.25 ff.) ist davon auszugehen, dass von einer jährlichen finanziellen Belastung von im Bundesdurchschnitt 900 bis 1.000 Euro pro Hund ausgegangen werden kann (die im übrigen die Hundesteuer schon enthält). Die Untersuchung erscheint angesichts der dort für die einzelnen denkbaren Kostenpositionen veranschlagten Kostenrahmen plausibel; sie verifiziert das aus Befragungen ermittelte Ergebnis durch Schätzungen der Zeitschrift test sowie durch Angaben etwa des Vereins für Deutsche Schäferhunde. Die Beklagte hat demgegenüber im Laufe des Verfahrens zwar höhere Kosten, die für die Haltung eines Rottweilers anfallen sollen, beziffert, ohne jedoch ihre Annahme in irgendeiner Weise plausibel zu machen oder zu belegen.
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Eine Steuerbelastung, die den anzunehmenden jährlichen Aufwand für die Hundehaltung deutlich übersteigt und wie im vorliegenden Streitfall im Endergebnis etwa zu einer Verdreifachung des bundesdurchschnittlichen Haltungsaufwandes führt, kann jedenfalls nicht mehr mit einem zulässigen Lenkungszweck gerechtfertigt werden. Diese Steuerbelastung wirkt bezogen auf den durchschnittlichen und weithin akzeptierten Haltungsaufwand in einer Weise prohibitiv, dass nicht mehr von einer Einnahmeerzielungsabsicht der diesen Steuersatz aufstellenden Gemeinde ausgegangen werden kann. Der Steuersatz für Kampfhunde in § 5 Abs. 2 HstS kommt in seiner Wirkung einem unmittelbaren und gezielten Verbot gleich, solche Hunde zu halten. Er steht außer Verhältnis zu dem vom Halter betriebenen Aufwand. Damit fehlt es für Art. 5 Abs. 2 HStS an der Regelungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a GG, Art. 3 Abs. 1 KAG. Für ein sicherheitsrechtliches Verbot der Haltung bestimmter Hunderassen auf ihrem Gemeindegebiet fehlt der Gemeinde jedoch die Regelungskompetenz. Diese steht nach Art. 70 abs. 1 GG insoweit für das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BayVerfGH v. 12.10.1994 – Vf. 16-VII-92 – VerfGHE 47, 207, juris Rn. 121) dem Freistaat Bayern zu, der davon auch mit Art. 37 LStVG in Verbindung mit der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit bereits Gebrauch gemacht hat. Im Ergebnis konnte der streitgegenständliche Hundesteuerbescheid von der Beklagten daher nicht auf § 5 HStS gestützt werden, weil es an einer wirksamen Satzungsregelung zur Bestimmung eines höheren Steuersatzes für Kampfhunde fehlt.
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Da die Kläger jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrem Rottweiler einen Hund gehalten haben, greift der in § 5 Abs. 1 HStS geregelte Steuersatz in Höhe von 75 Euro. Der Bescheid der Beklagten war daher antragsgemäß aufzuheben, soweit darin ein Hundesteuerbetrag festgesetzt ist, der den Betrag von 75 Euro übersteigt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung hat dabei die Rechtsfrage, ob bei der Beurteilung der erdrosselnden Wirkung eines Hundesteuersatzes auf den für die Haltung eines Hundes typischerweise erforderlichen Aufwand als objektiven Anhaltspunkt abgestellt werden kann.
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Beschluss
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Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 1.925 Euro festgesetzt.