Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Kein Aufteilungsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer (Finanzgericht Köln)

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können bei einer gemischten Nutzung anteilig als Werbungskosten abgezogen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Charakter als „Arbeitszimmer“ trotz der privaten Mitbenutzung zu bejahen ist (FG Köln, Urteile v. 15.5.2013 – 4 K 1384/10 und 4 K 1242/13; jeweils Revision anhängig).

 

Finanzgericht Köln, 4 K 1384/10

Datum: 15.05.2013

Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 K 1384/10
Nachinstanz: Bundesfinanzhof, XI R 20/13
Tenor:

Die Bescheide über die gesonderter Feststellung von Einkünften 2007 und 2008 werden dergestalt geändert, dass weitere Sonderwerbungskosten des Klägers für 2007 in Höhe von 688,00 € und für 2008 in Höhe von 484,00 € berücksichtigt werden. Die Einspruchsentscheidung vom 1.4.2010 wird aufgehoben.

Die Berechnung der Einkünfte 2007 und 2008 wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

1Tatbestand

2Streitig ist, ob dem Kläger ein Abzug eines Teils der auf sein Arbeitszimmer entfallenden Kosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung deswegen versagt werden kann, weil er das Arbeitszimmer auch für eine Tätigkeit nutzte, die vom Finanzamt (FA) als einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei eingestuft wurde.

3Die Grundstücksgemeinschaft A (Beigeladene), an der der Kläger und sein Sohn B jeweils zur Hälfte beteiligt sind, erzielte in den Streitjahren (2007 und 2008) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück C-Straße ….

4In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Jahr 2007 erklärte die Beigeladene gemeinschaftliche Einnahmen von 35.324 € und gemeinschaftliche Werbungskosten von 43.657 € und damit einen gemeinschaftlichen Verlust von 8.333 €. Darüber hinaus erklärte sie Sonderwerbungskosten für den Kläger i.H.v. 2.885,94 € und für den Sohn B i.H.v. 7.266,69 €.

5In den Sonderwerbungskosten des Klägers war ein Betrag i.H.v. 688 € enthalten, der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer enthielt. Diese Aufwendungen berechneten sich wie folgt:

6

AfA für im Jahr 2001 für 831,36 € gekaufte Leuchten i.H.v. 83,14 € (1/10)
Regal gekauft im Jahr 2007 451,00 €
Betriebskosten des Hauses, 6489,65 € x 17,63 % 1.144,13 €
Schuldzinsen, 158 € x 17,63 % 27,86 €
AfA Gebäude, 5.928,82 € x 17,63 % 1.045,25 €
Gesamtaufwendungen 2.751,37 €

7Den Anteil von 17,63% (Betriebskosten, Schuldzinsen, AfA) errechnete der Kläger in dem er die Fläche des Arbeitszimmers von 32,36 qm in ein Verhältnis zur Gesamtfläche der Wohnung (Erdgeschoss und Dachgeschoss) von 183,51 qm setze. Er legt hierzu eine Wohnflächenberechnung des Dipl. Ing. D vor. Außerdem legte er Grundrisspläne des von ihm bewohnten, und entweder ihm alleine oder den Ehegatten jeweils zur Hälfte, gehörenden Ein- oder Zweifamilienhauses vor. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass das vom Kläger genutzte Arbeitszimmer aus zwei im Dachgeschoss liegenden Räumen bestand.

8Der Kläger nutzte das Arbeitszimmer in den Streitjahren (2007 und 2008) zeitanteilig zu 30% für seine wissenschaftliche Tätigkeit, zu 45% für die Hausverwaltung E-Straße … (14 Wohneinheiten) und zu 25% für die Hausverwaltung C-Straße (5 Wohneinheiten).

9Die Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer teilte der Kläger demzufolge für das Jahr 2007 wie folgt auf:

10

Aufteilung der Kosten Gesamt Anteil (%) Anteil (€)
beruflich 2.751,37 € 30 % 825,00 €
Hausverwaltung
E-Straße … 2.751,37 € 45 % 1.238,00 €
Hausverwaltung
C-Straße … 2.751,37 € 25 % 688,00 €
Gesamtaufwendungen 2.751,37 €

11In dem Feststellungsbescheid 2007 vom 29.7.2008 wich das Finanzamt (FA) insoweit einer Steuererklärung ab, als es bei den Sonderwerbungskosten des Klägers Aufwendungen für ein Arbeitszimmer i.H.v. 688 € nicht berücksichtigte. Im Übrigen erfolgte die Veranlagung erklärungsgemäß.

12In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Jahr 2008 erklärte die Beigeladene gemeinschaftliche Einnahmen von 37.685 € und gemeinschaftliche Werbungskosten von 20.170 € und damit einen gemeinschaftlichen Gewinn von 17.515 €. Darüber hinaus erklärte sie Sonderwerbungskosten für den Kläger i.H.v. 2.902,12 € und für den Sohn B i.H.v. 7.156,21 €.

13In den Sonderwerbungskosten des Klägers war ein Betrag i.H.v. 484 € enthalten, der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer enthielt. Diese Aufwendungen berechneten sich wie folgt:

14

AfA für im Jahr 2001 für 831,36 € gekaufte Leuchten i.H.v. 83,14 € (1/10)
Betriebskosten des Hauses, 4.437,93 € x 17,63 % 782,41 €
Schuldzinsen, 141 € x 17,63 % 24,86 €
AfA Gebäude, 5.928,82 € x 17,63 % 1.045,25 €
Gesamtaufwendungen 1.935,65 €

15Die Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer teilte der Kläger wie folgt auf:

16

Aufteilung der Kosten Gesamt Anteil (%) Anteil (€)
beruflich 1.935,65 € 30 % 581,00 €
Hausverwaltung
E-Straße … 1.935,65 € 45 % 871,00 €
Hausverwaltung
C-Straße … 1.935,65 € 25 % 484,00 €
Gesamtaufwendungen 1.935,65 €

17In dem Feststellungsbescheid 2008 vom 30.10.2009 wich das Finanzamt (FA) insoweit von der Steuererklärung ab, als es bei den Sonderwerbungskosten des Klägers Aufwendungen für ein Arbeitszimmer i.H.v. 484 € nicht berücksichtigte. Im Übrigen erfolgte die Veranlagung erklärungsgemäß.

18Die auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen ließ das FA für beide Jahre zunächst mit der Begründung, das Arbeitszimmer bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Tätigkeit des Klägers, außer Ansatz.

19Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

20Während der Kläger ursprünglich die Ansicht vertreten hatte, das Arbeitszimmer bilde den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, vertritt er nunmehr die Ansicht, ihm stünde ein zumindest begrenzter Werbungskostenabzug zu, weil ihm für seine Verwaltungstätigkeit für die Vermietung des Objektes C-Straße, bestehend aus fünf Wohneinheiten, kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe.

21Der Kläger beantragt,

22die Feststellungsbescheide 2007 vom 29.7.2008 und 2008 vom 30.10.2009 dergestalt zu ändern, dass bei ihm weitere Sonderwerbungskosten für 2007 in Höhe von 688,00 € und für 2008 in Höhe von 484,00 € berücksichtigt werden und die Einspruchsentscheidung vom 1.4.2010 aufzuheben.

23Der Beklagte beantragt,

24die Klage abzuweisen;

25hilfsweise, die Revision zuzulassen.

26Der Beklagte vertritt die Ansicht, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gehörten grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung und dürften gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) den Gewinn nicht mindern. Dies gelte nach § 9 Abs. 5 EStG auch für die so genannten Überschusseinkunftsarten, zu denen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zählten.

27Das Abzugsverbot gelte zwar nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

28Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setze die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer aber voraus, dass das Zimmer ausschließlich oder so gut wie ausschließlich betrieblich bzw. beruflich oder auch anderweitig zur Erzielung steuerrelevante Einkünfte und jedenfalls nicht privat genutzt werde. Eine private Mitbenutzung sei nach der Rechtsprechung des BFH nur dann unerheblich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung sei. Ansonsten sei ein Abzug der Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG ausgeschlossen (vgl. hierzu FG Hamburg Urteil vom 8.12.2004, II 120/04).

29Das Arbeitszimmer des Klägers sei seinen Angaben nach in den Streitjahren zu 30 % für seine selbstständig ausgeübte wissenschaftliche Tätigkeit genutzt worden. Diese werde jedoch mangels Gewinnerzielungsabsicht als Liebhaberei dem nicht steuerrelevanten und damit dem Privatbereich des Klägers zugerechnet. Insoweit werde auf die zur Einkommensteuer 2007 und 2008 ergangene Einspruchsentscheidung verwiesen.

30Hier liege die Nutzung für eine nicht der Einkünfteerzielung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dienende und damit in die Privatsphäre fallende Tätigkeit bei vom Kläger geschätzten 30 % und sei damit, unabhängig von der Feststellung, wo sich letztlich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit befinde und ob dem Kläger für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers seien daher nach § 12 EStG in vollem Umfang dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen und damit nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Grundstücksgemeinschaft zu berücksichtigen.

31Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

32Entscheidungsgründe

33Die Klage ist begründet. Das FA hat einen Abzug in Höhe von 25 % der Aufwendungen für das häusliches Arbeitszimmer zu Unrecht versagt. Der Senat schließt sich bei seiner Beurteilung den überzeugenden Ausführungen des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG), welches einen vergleichbaren Fall zu beurteilen hatte, im Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 254/11, EFG 2012, 2100, an.

34Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer waren in Höhe von 25 % der entstandenen Raumkosten als Sonderwerbungskosten des Klägers im Rahmen der Einkünfte der Beigeladenen aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, weil der Kläger zu diesem Zeitanteil das Arbeitszimmer für Verwaltungstätigkeiten für das Haus C-Straße genutzt hatte.

351. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG bestimmt, dass die folgenden Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern dürfen, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 EStG). Diese Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend.

362. Im Streitfall bildete das Arbeitszimmer zwar nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.

37Dem Kläger stand in den Streitjahren für seine Verwaltungstätigkeit für das Haus C-Straße aber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

38Der Kläger kann daher 25 % der entstandenen Aufwendungen als Sonderwerbungskosten im Rahmen der Grundstücksgemeinschaft geltend machen.

39a) Einem Abzug steht nicht entgegen, dass das Arbeitszimmer nicht nahezu ausschließlich für Einkunftszwecke genutzt wurde. Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzte zwar nach bisheriger Auffassung des BFH grundsätzlich voraus (vgl. Niedersächsisches FG Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 254/11, EFG 2012, 2100 m.w.N.), dass das Arbeitszimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Denn nach der Rechtsprechung des BFH konnten Aufwendungen für die eigene Wohnung bei der Einkommensteuer grundsätzlich nicht abgezogen werden, weil es sich bei diesen Aufwendungen regelmäßig um solche der privaten Lebensführung handele, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar seien (vgl. BFH-Urteil v. 18.10.1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, betr. Durchgangszimmer). Etwas anderes galt nur dann, wenn die Aufwendungen gleichwohl ausnahmsweise nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich veranlasst waren (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, und BFH-Urteil vom 21.7.1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37). Eine solche Veranlassung wurde nur angenommen, wenn – unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen außerhalb seiner Wohnung ein ausreichender Arbeitsplatz zur Verfügung stand und unabhängig davon, ob ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich war – feststand, dass der Raum so gut wie ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wurde. Eine private Mitbenutzung wurde lediglich dann als unschädlich bewertet, wenn sie von untergeordneter Bedeutung war (BFH-Urteile vom 28.10.1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16 und vom 28.09.1967 IV R 120/66, BStBl II 1968, 77 und BFH-Beschlüsse vom 19.10.1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 und vom 19.10.1970 GrS 3/70, BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21). War die private Mitbenutzung nicht von nur untergeordneter Bedeutung, so stand die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen.

40b) Indes ist die Rechtfertigung für ein solch grundsätzliches Aufteilungsverbot durch den BFH-Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 entfallen, so dass nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls dann, wenn der Charakter als „Arbeitszimmer” trotz der privaten Mitbenutzung zu bejahen ist, eine Aufteilung nach den Grundsätzen dieses Beschlusses geboten ist.

41aa) Das FG Baden-Württemberg hat mit rechtskräftigem Urteil vom 2.2.2011 (7 K 2005/08, EFG 2011, 1055) allerdings die Verwaltungsauffassung bestätigt, wonach Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann abgezogen werden können, wenn das fragliche Zimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl. 2010 II S. 672, ergebe sich nichts anderes. Wohnungskosten gehörten, anders als die vom Großen Senat beurteilten Reisekosten, zu den grundsätzlich nicht aufteilbaren Kosten für die Lebensführung, die bereits durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten seien (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 2.2.2011, 7 K 2005/08, EFG 2011, 1055), vgl. auch OFD Koblenz v. 19.9.2011 – S 2354 A-St 32 2). Dem hat sich das Sächsische FG in der Entscheidung vom 11.1.2012 (2 K 1854/11, EFG 2012, 1125) im Wesentlichen angeschlossen.

42bb) Das FG Köln hat demgegenüber im Urteil vom 19.5.2011 (10 K 4126/09, EFG 2011, 1410) bei teils privater, teils betrieblicher Raumnutzung eine schätzungsweise 50/50-Aufteilung „unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände” vorgenommen. Der von ihm angewendete Aufteilungsmaßstab ergebe sich unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.2.2011 VI R 12/10, BFHE 233, 123, BStBl. II 2011, 796, wonach eine Aufteilung grundsätzlich im Verhältnis 50:50 geboten sei.

43c) Im Streitfall war ein anteiliger Abzug in Höhe von 25 % der durch die Vermietungstätigkeit veranlassten Raumaufwendungen geboten.

44Der Große Senat des BFH hat am 21.9.2009 (GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010) in Bezug auf Reisekosten entschieden, dass die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegenstehe. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG normiere danach kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot. Bestünden keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil von Aufwendungen beruflich veranlasst sei, bereite seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so sei dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen. Griffen jedoch die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich sei, fehle es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so komme ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. Nach diesen Maß-stäben war ein anteiliger Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer vorzunehmen.

45Denn zwischen den Beteiligten ist unstreitig zu welchen Zeitanteilen der Kläger sein Arbeitszimmer für welche Zwecke nutzte. Der Kläger hat im Termin der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass er sich bemüht habe, diese Zeitanteile sachgerecht zu schätzen. Die zeitanteilige Nutzung des Arbeitszimmers ist ein sachgerechter Schlüssel, um die für das Arbeitszimmer entstanden Aufwendungen aufzuteilen.

46d) Weitere Bedenken gegen eine Anerkennung eines Teils der für das Arbeitszimmer geltend gemachten Aufwendungen bestehen nicht.

47aa) Dies gilt zunächst nicht wegen der Anforderungen, die an ein häusliches Arbeitszimmer zu stellen sind.

48Ein häusliches Arbeitszimmer ist ein Raum mit einer inneren Beziehung zum Wohnen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten dient. Der typische Fall eines „häuslichen Arbeitszimmers” ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das häusliche Büro, wobei das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes der Schreibtisch sein sollte (Urteil des BFH vom 9.8.2011, VIII R 4/09, BFH/NV 2012, 200). Darüber hinaus sollte das häusliche Arbeitszimmer mit Bücher- und Aktenschränken bzw. -regalen, Aktenbock und ähnlichen „Büromöbeln” sowie mit Büchern, Aktenordnern, Schreibmaschinen, Computern und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet sein (Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 6.4.2011, EFG 2011, 1416 m.w.N.).

49Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Unterlagen bestand das Arbeitszimmer aus zwei Räumen im Dachgeschoss, die gegenüber den übrigen Wohnräumen abgeschlossen waren. Nach diesen Unterlagen war das größere dieser beiden Zimmer mit Regalen an allen Wänden und 2 Schreibtischen ausgestattet. Über die Einrichtung des kleineren Zimmers ergibt sich zwar aus den vorgelegten Unterlagen nichts. Indes ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass auch das kleinere der beiden Zimmer einrichtungsgemäß den Anforderungen an ein Arbeitszimmer entsprach.

50bb) Auch der Höhe nach war die Ermittlung der Aufwendungen nicht zu beanstanden.

51Denn der Kläger hat die ermittelten Gesamtaufwendungen für das Arbeitszimmer glaubhaft gemacht.

52Ein Abzug lediglich der hälftigen Anschaffungskosten im Rahmen der Absetzung für Abnutzung war auch nicht vor dem Hintergrund des sog. Drittaufwandes für den Fall geboten, dass der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau lediglich Miteigentümer des von ihm bewohnten Hauses gewesen sein sollte.

53Nutzt ein Miteigentümer im Rahmen seines Miteigentumsanteils einen Teil des Wirtschaftsguts (Arbeitszimmer) zur Einkunftserzielung alleine, dann ist davon auszugehen, dass er Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat, um diesen Raum insgesamt zu nutzen. In diesem Fall wird der den anderen Miteigentümern gehörende Anteil grundsätzlich nicht wechselseitig gemietet und vermietet (vgl. Urteil des BGH vom 28.11.1963 II ZR 41/62, NJW 1964, 648, zu III.), d.h. der Miteigentümer nutzt den Raum zivilrechtlich nicht teils aus eigenem Recht und teils durch Überlassung zur Nutzung durch den oder die Miteigentümer, sondern er nutzt ihn insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer (§ 743 Abs. 2 BGB). Das gilt auch einkommensteuerrechtlich (vgl. BFH-Urteil vom 7.12. 1993 IX R 169/88, BStBl II 1994, 325, zu I. 1.b; Trzaskalik in Festschrift für L. Schmidt, 1993, S. 51, 72). Anders als sein Miteigentumsrecht bezieht sich sein Nutzungsrecht auf den ganzen Raum (vgl. auch BFH-Urteil vom 12.2.1988 VI R 141/85, BFHE 173, 131, BStBl II 1988, 764 und BFH-Beschluss vom 23.08.1999 GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774). Nutzt der Kläger das Arbeitszimmer in vollem Umfang aus eigenem Recht, sind auch seine eigenen anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als im Interesse dieser Nutzung aufgewendet anzusehen, so dass eine Aufteilung nach Miteigentumsanteilen nicht vorzunehmen war. Davon ist im Falle der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines Gebäudes auch dann auszugehen, wenn es im Übrigen vom Steuerpflichtigen und seinem Ehegatten gemeinsam bewohnt wird (§ 1353 BGB).

543. Die Ausrechnung der festzustellenden Einkünfte wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

55Die Kostenfolge beruht auf § 135 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

56Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer eine (nahezu) ausschließliche Nutzung zu beruflichen (betrieblichen) Zwecken voraussetzt, zuzulassen.

Quelle: FG Köln online

Freistellungsauftrag für Kapitalerträge und Antrag auf ehegattenübergreifende Verlustverrechnung

Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013;

Änderung des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012 (BStBlI 2013 Seite 36) und  vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953) mit Anpassung Muster „Freistellungsauftrag für Kapitalerträge und Antrag auf  ehegattenübergreifende Verlustverrechnung“
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die BMF-Schreiben
vom 20. Dezember 2012 (BStBl 2013 Seite 36) und vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953)
wie folgt geändert:
1. Änderung des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012
a. Die Angabe zu Randziffer 23 wird wie folgt gefasst:
„Rz. 23 (weggefallen)“.
b. Nach Randziffer 57 wird folgende Randziffer 58 eingefügt:
„Die Bestimmungen der Randziffern dieses Schreibens zu Ehegatten finden ab dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in UmsetzungSeite 2
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 auf Lebenspartner
Anwendung.“
2. Änderung des BMF-Schreibens vom 9. Oktober 2012
Nach Randziffer 325 wird folgende Randziffer 326 eingefügt:
„Die Bestimmungen der Randziffern dieses Schreibens zu Ehegatten finden ab dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 auf Lebenspartner
Anwendung.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn ab diesem Zeitpunkt erteilte gemeinsame Freistellungsaufträge aus automationstechnischen Gründen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014
berücksichtigt werden.“
Das nachfolgend als Anlage beigefügte Muster ersetzt das Muster im BMF-Schreiben vom
9. Oktober 2012. Bereits gedruckte Muster der Freistellungsaufträge können noch bis zum
30. Juni 2014 weiter verwendet werden.
Dieses BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine
Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik
– Themen – Steuerarten – Steuern – Abgeltungsteuer –
(http://www.bundesfinanzministerium.de/Einkommensteuer-.479.htm) zum Download bereit.
Im Auftrag

Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Anwendung des BFH-Urteils vom 12.05.2011 (VI R 42/10)

Unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 12.05.2011 (VI R 42/10) entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses – unabhängig von dessen Gegenstand – bei den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig sind. Einschränkend weist er darauf hin, dass entsprechende Aufwendungen lediglich dann zwangsläufig seien, wenn die Prozessführung ausreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Prozesses zumindest ebenso wahrscheinlich sei wie der Misserfolg.

Nach dem BMF-Schreiben vom 20.12.2011 ist das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.

Mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 wurde in § 33 Abs. 2 EStG die steuerliche Berücksichtigung von Zivilprozesskosten ab 2013 neu geregelt. Danach sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnissen dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Da§ 33 Abs. 2 EStG n.F. erst ab 2013 Anwendung findet, bleibt es für Zeiträume vor 2013 bei der bisherigen Rechtslage, insbesondere ist das Urteil des BFH vom 12.05.11 (VI R 42/10) weiterhin nicht anzuwenden.
Zurzeit sind beim BFH noch weitere Verfahren zur Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen Az.: IX R 5/12, VI R 9/13; VI R 70/12; VI R 5/13; VI R 69/12; VI R 65/12; VI R 74/12, VI R 14/13; X R 34/12; VI R 66/12; X R 23/12) anhängig. Einsprüche, die hierauf gestützt werden, ruhen insoweit gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes.

Außerdem sind zur Zeit beim FG Rheinland-Pfalz Verfahren zur Frage der Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung anhängig (Az.: 1 K 1921/12, 2 K 1342/12, 3 K 1448/10, 3 K 665/12, 5 K 1843/12, 5 K 1424112, 5 V 1654112 (AdV). Entsprechende Einsprüche können mit Zustimmung des Einspruchsführers gemäß § 363 Abs. 2 Satz l AO aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen.

Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale

Erstmaliger Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale durch den Arbeitgeber und Anwendungsgrundsätze für den Einführungszeitraum 2013  
Nach § 52b EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I Seite 1809) sind im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder für den Lohnsteuerabzug ab dem Kalenderjahr 2013 die folgenden Regelungen zu beachten:
I. Starttermin  
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 – IV C 5 – S 2363/07/0002-03, DOK 2012/1170782 – (BStBl I Seite 1258, ELStAM-Startschreiben) hat das Bundesministerium der Finanzen als Starttermin für das Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM- Verfahren) den 1. November 2012 festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt können die Arbeitgeber die ELStAM der Arbeitnehmer mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 abrufen. Der Arbeitgeber hat das ELStAM-Verfahren grundsätzlich für laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 2012 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und für sonstige Bezüge, die nach dem 31. Dezember 2012 zufließen, anzuwenden.
II. Einführungszeitraum für das ELStAM-Verfahren
Nach der Regelung in § 52b Absatz 5 Satz 2 EStG ist für die Einführung des ELStAM- Verfahrens ein Zeitraum zu bestimmen (Einführungszeitraum). Auf der Grundlage dieser Vorschrift wird hiermit das Kalenderjahr 2013 als Einführungszeitraum bestimmt. Damit wird insbesondere den Arbeitgebern ein längerer Umstellungszeitraum auf das ELStAM-Verfahren angeboten, um auch eventuelle technische und organisatorische Probleme, die bei einem gleichzeitigen Einstieg aller Arbeitgeber zu einem festen Termin entstehen könnten, zu vermeiden. Daraus folgt auch, dass der Arbeitgeber die ELStAM spätestens für den letzten im Kalenderjahr 2013 endenden Lohnzahlungszeitraum abzurufen und anzuwenden hat. Ein Abruf mit Wirkung ab 2014 ist verspätet.
 Seite 3  Weil im Einführungszeitraum das Lohnsteuerabzugsverfahren nach Maßgabe der Regelungen für das Papierverfahren oder für das ELStAM-Verfahren durchgeführt werden kann, sind abweichend vom BMF-Schreiben vom 6. August 2013 – IV C 5 – S 2363/13/10003, DOK 2013/0563339 – (BStBl I Seite xxx) die folgenden Regelungen zu beachten.
III. Arbeitgeber
1. Papierverfahren im Einführungszeitraum
Solange der Arbeitgeber im Einführungszeitraum das ELStAM-Verfahren nicht anwendet, sind für den Lohnsteuerabzug folgende Papierbescheinigungen zugrunde zu legen: 1. Die Lohnsteuerkarte 2010 oder  2. eine vom Finanzamt nach § 52b Absatz 3 EStG ausgestellte Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2011, 2012 oder 2013 (Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013).
Sind von den unter Nummer 1 und 2 genannten Papierbescheinigungen abweichende Lohn- steuerabzugsmerkmale anzuwenden, kann sie der Arbeitnehmer anhand folgender amtlicher Bescheinigungen nachweisen: 1. Mitteilungsschreiben des Finanzamts zur „Information über die erstmals elektronisch gespeicherten Daten für den Lohnsteuerabzug (Elektronische Lohnsteuerabzugs- merkmale)“ nach § 52b Absatz 9 EStG i. d. Fassung des Jahres 2012, 2. Ausdruck oder sonstige Papierbescheinigung des Finanzamts mit den ab dem 1. Januar 2012 oder zu einem späteren Zeitpunkt im Übergangszeitraum 2012 und Einführungs- zeitraum 2013 gültigen ELStAM oder 3. Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (Tz. III. 2) aufgrund abweichender Meldedaten (§ 52b Absatz 5a Satz 3 EStG)  bis zur Bereitstellung der ELStAM nach Aufhebung der Abrufsperre, längstens bis zum Ablauf der Gültigkeit (§ 52b Absatz 5a Satz 4 und 5 EStG).
Die in den vor dem 1. Januar 2013 ausgestellten Ausdrucken oder sonstigen Papierbescheini- gungen eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale (Steuerklasse, Zahl der Kinderfreibeträge, Freibetrag, Hinzurechnungsbetrag, Kirchensteuerabzugsmerkmal, Faktor) bleiben weiterhin gültig und sind dem Lohnsteuerabzug im Einführungszeitraum zugrunde zu legen (§ 52b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 EStG). Ein erneuter Antrag des Arbeitnehmers ist hierfür nicht erforderlich.
Das Mitteilungsschreiben des Finanzamts nach § 52b Absatz 9 EStG i. d. Fassung des Jahres 2012 ist nur dann für den Arbeitgeber maßgebend, wenn ihm gleichzeitig die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung 2011 für das erste Dienstverhältnis des Arbeitnehmers vorliegt (Steuerklassen I bis V). Hingegen ist der Ausdruck bzw. die sonstige Papierbeschei- nigung des Finanzamts mit den ab dem 1. Januar 2012 oder zu einem späteren Zeitpunkt im Einführungszeitraum 2013 gültigen Lohnsteuerabzugsmerkmalen für den Arbeitgeber maßgebend, wenn ihm gleichzeitig die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 für das erste Dienstverhältnis des Arbeitnehmers vorliegt (Steuerklassen I bis V).  
#Legt der Arbeitnehmer ein Mitteilungsschreiben des Finanzamts nach § 52b Absatz 9 EStG i. d. Fassung des Jahres 2012, einen Ausdruck bzw. eine sonstige Papierbescheinigung des Finanzamts oder eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug dem Arbeitgeber zum Zweck der Berücksichtigung beim Lohnsteuerabzug vor, sind allein die ausgewiesenen Lohnsteuerabzugsmerkmale auf der zuletzt ausgestellten amtlichen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug maßgebend. Sämtliche auf einer Lohnsteuerkarte 2010 oder einer zu einem früheren Zeitpunkt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 oder einer anderen zu einem früheren Zeitpunkt ausgestellten amtlichen Bescheinigung eingetragenen Lohnsteuer- abzugsmerkmale werden überschrieben. Diese vereinfachte Nachweismöglichkeit besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr 2013 in ein neues erstes Dienstverhältnis wechselt.  
Somit sind die zuletzt eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale – unabhängig von der ein- getragenen Gültigkeit – vom Arbeitgeber zunächst auch noch für das Lohnsteuerabzugsver- fahren im Einführungszeitraum zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber braucht nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die einzelnen Lohnsteuerabzugsmerkmale dem Grunde bzw. der Höhe nach noch vorliegen.
Zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgegennahme und Aufbewahrung der vom Finanz- amt ausgestellten Papierbescheinigungen vgl. Tz. III. 9.
Ist auf der Lohnsteuerkarte 2010 eine Lohnsteuerbescheinigung erteilt und die Lohnsteuer- karte an den Arbeitnehmer herausgegeben worden, kann der Arbeitgeber bei fortbestehendem Dienstverhältnis die Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerkarte 2010 im Einführungs- zeitraum 2013 weiter anwenden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich bestätigt, dass die Lohn- steuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerkarte 2010 auch weiterhin für den Lohnsteuerabzug im Einführungszeitraum 2013 zutreffend sind (§ 52b Absatz 1 Satz 5 EStG). Eine amtliche Be- scheinigung ist hierfür nicht vorgesehen, so dass eine formlose Erklärung des Arbeitnehmers als Nachweis ausreicht. Diese schriftliche Bestätigung ist als Beleg zum Lohnkonto zu neh- men.
Für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige ledige Arbeitnehmer, die im Kalenderjahr 2013 während des Einführungszeitraums ein Ausbildungsverhältnis als erstes Dienstverhältnis beginnen, kann der Arbeitgeber die Vereinfachungsregelung des § 52b Absatz 4 EStG anwen- den. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug ohne Vorlage einer Lohn- steuerkarte 2010 oder Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 nach der Steuerklasse I vorneh- men. Dazu hat der Auszubildende seinem Arbeitgeber die Identifikationsnummer, den Tag der Geburt und ggf. die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemein-
 Seite 5  schaft mitzuteilen und schriftlich zu bestätigen, dass es sich um ein erstes Dienstverhältnis handelt.
Wurde die vorstehende Vereinfachungsregelung bereits im Kalenderjahr 2011 oder 2012 in Anspruch genommen, kann im Einführungszeitraum 2013 die Lohnsteuer weiterhin nach der Steuerklasse I ermittelt werden. Voraussetzung hierfür ist eine schriftliche Bestätigung des Auszubildenden, dass es sich weiterhin um sein erstes Dienstverhältnis handelt.
2. Bescheinigung bei unzutreffenden ELStAM und Sperrung des Arbeitgeberabrufs (Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug)
Bei Einführung des ELStAM-Verfahrens bzw. dem erstmaligen Abruf der ELStAM durch den Arbeitgeber kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Finanzverwaltung für den Arbeitnehmer aufgrund fehlerhafter Meldedaten materiell unzutreffende ELStAM bereitstellt, da die Finanzämter nicht befugt sind, in der ELStAM-Datenbank gespeicherte Meldedaten zu ändern. Es können auch aus anderen Gründen unzutreffende ELStAM gespeichert sein, deren Berichtigung aus technischen Gründen nicht zeitnah möglich ist.
Hat das Finanzamt in diesen Fällen eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug ausgestellt (§ 52b Absatz 5a Satz 3 EStG, Tz. V. 2), wird der Arbeitgeberabruf durch das Finanzamt gesperrt, sog. Vollsperrung. Meldet der Arbeitgeber oder sein Vertreter den Arbeitnehmer trotz erfolgter Sperrung an, erhält er die Mitteilung „Keine Anmelde- berechtigung“. Die Regelungen des § 39e Absatz 6 Satz 8 EStG (Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse VI) sind nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug vorgelegt hat.
Der Arbeitgeber darf die Lohnsteuerabzugsmerkmale dieser Besonderen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug nur dann für den angegebenen Zeitraum anwenden, wenn ihm die Lohnsteuerkarte 2010 oder eine Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 des Arbeitnehmers mit einer der Steuerklassen I bis V (erstes Dienstverhältnis) vorliegt. Zur Anwendung der kalenderjahrbezogen bescheinigten Lohnsteuerabzugsmerkmale vgl. Tz. V. 2.
Erfolgte die Sperrung der ELStAM vor dem erstmaligen Abruf durch den Arbeitgeber, hat der Arbeitnehmer und nicht das Finanzamt dem Arbeitgeber die Aufhebung der Sperrung mitzuteilen (Tz. IV und V. 2). Dazu hat der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber das Infor- mationsschreiben seines Wohnsitzfinanzamts über die Aufhebung der Sperrung auszu- händigen. Aufgrund dieser Mitteilung hat der Arbeitgeber den beschäftigten Arbeitnehmer erstmalig in der ELStAM-Datenbank anzumelden (Tz. III. 4) und die entsprechenden ELStAM abzurufen. Diese Grundsätze gelten auch bei einem Arbeitgeberwechsel während der Dauer der Sperrung. Hat das Finanzamt die ELStAM nach ihrem erstmaligen Abruf gesperrt, wird dem Arbeit- geber die Aufhebung der Sperrung durch Bereitstellung sog. Änderungslisten automatisch
 Seite 6  mitgeteilt. Daraufhin hat der Arbeitgeber die bereitgestellten ELStAM abzurufen und ab der dem Abruf folgenden Lohnabrechnung anzuwenden.
3. Unzutreffende ELStAM aus anderen Gründen
Bei unzutreffenden ELStAM, die auf vom Finanzamt zu bildenden Merkmalen beruhen (z. B. Freibetrag aus dem Lohnsteuerermäßigungsverfahren, Steuerklassenkombination bei Ehegat- ten, Beantragung der Steuerklasse II), korrigiert das Finanzamt auf Veranlassung des Arbeit- nehmers die ELStAM in der Datenbank. Daraufhin werden dem Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM zur Verfügung gestellt.
Nimmt das Finanzamt die Korrektur vor dem erstmaligen Abruf vor (z. B. bei Feststellung des Fehlers im Rahmen des Ermäßigungsverfahrens), werden dem Arbeitgeber beim erstmali- gen Abruf die zutreffenden ELStAM bereitgestellt. Der vom Finanzamt in diesem Fall aus- gestellte Ausdruck der ELStAM (Tz. V. 2) kann auch vor dem erstmaligen Arbeitgeberabruf nach den Grundsätzen der Tz. III. 1 dem Lohnsteuerabzug zugrunde gelegt werden.
Nimmt das Finanzamt die Korrektur nach dem erstmaligen Abruf vor, werden dem Arbeit- geber die zutreffenden ELStAM bereitgestellt (sog. Änderungsmitteilung), die rückwirkend auf den Zeitpunkt des erstmaligen Abrufs angewendet werden können. Zur Beschleunigung der Korrektur eines unzutreffenden Lohnsteuerabzugs kann der in diesem Fall ausgestellte Ausdruck der ELStAM (Tz. V. 2) vor dem Abruf der korrigierten ELStAM nach den Grundsätzen der Tz. III. 1 dem Lohnsteuerabzug zugrunde gelegt werden.
4. Erstmaliger Einsatz des ELStAM-Verfahrens nach dem Starttermin
Nach dem Starttermin hat der Arbeitgeber oder sein Vertreter die beschäftigten Arbeitnehmer im Einführungszeitraum für den Einsatz des ELStAM-Verfahrens in der ELStAM-Datenbank anzumelden. Dazu soll der Arbeitgeber sämtliche Arbeitnehmer einer lohnsteuerlichen Betriebsstätte zeitgleich in das ELStAM-Verfahren einbeziehen. Um den Arbeitgebern den Einstieg in das ELStAM-Verfahren zu erleichtern, bestehen abweichend davon aber keine Bedenken, die Arbeitnehmer im Einführungszeitraum auch stufenweise (zu verschiedenen Zeitpunkten) in das ELStAM-Verfahren zu überführen. Wählt der Arbeitgeber diese Möglich- keit, hat er für den Lohnsteuerabzug – bezogen auf die jeweilige Betriebsstätte – sowohl die Regelungen für das Papierverfahren als auch für das ELStAM-Verfahren zu beachten.
 Seite 7  Der Arbeitgeber soll dem Arbeitnehmer den Zeitpunkt für die erstmalige Anwendung der ELStAM zeitnah mitteilen. Eine Mitteilung des erstmaligen Abrufs der ELStAM gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt ist nicht erforderlich. Bei der Anmeldung in der ELStAM- Datenbank hat der Arbeitgeber auch anzugeben, ob es sich um ein erstes oder ein weiteres Dienstverhältnis des Arbeitnehmers handelt. Diese Angaben sind für die programmgesteuerte Bildung der Lohnsteuerklasse erforderlich.
Ein erstes Dienstverhältnis darf der Arbeitgeber während des Einführungszeitraums nur anmelden, wenn ihm für den betreffenden Arbeitnehmer – die Lohnsteuerkarte 2010 oder – eine vom Finanzamt ausgestellte Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2011, 2012 oder 2013 (Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013) mit einer der Steuerklassen I bis V vorliegt oder wenn – er im Rahmen der Vereinfachungsregelung für Auszubildende (§ 52b Absatz 4 EStG) den Lohnsteuerabzug ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte 2010 oder einer Ersatz- bescheinigung nach der Steuerklasse I vorgenommen hat oder – er die Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerkarte 2010 nach § 52b Absatz 1 Satz 5 EStG aufgrund einer Erklärung des Arbeitnehmers weiter angewendet hat (§ 52b Absatz 5 Satz 5 EStG). Diese Grundsätze gelten – mit Ausnahme der Fälle des § 52b Absatz 1 Satz 5 EStG (Anwen- dung der Lohnsteuerabzugsmerkmale 2010 ohne Lohnsteuerkarte 2010) – auch bei Begrün- dung eines neuen Dienstverhältnisses im Einführungszeitraum. Für unbeschränkt einkom- mensteuerpflichtige ledige Arbeitnehmer, die im Einführungszeitraum nach Einstieg des Arbeitgebers in das ELStAM-Verfahren ein Ausbildungsverhältnis als erstes Dienstverhältnis beginnen, kann der Arbeitgeber ein erstes Dienstverhältnis ohne Vorlage einer Lohnsteuer- karte 2010 oder einer Ersatzbescheinigung anmelden, wenn der Auszubildende seinem Arbeitgeber dies entsprechend schriftlich bestätigt.
5. ELStAM bei verschiedenen Lohnarten
Auch wenn der Arbeitgeber verschiedenartige Bezüge zahlt, sind diese aufgrund des Grund- satzes eines einheitlichen Dienstverhältnisses zu einem Arbeitgeber zusammenzurechnen. In den folgenden Fällen handelt es sich um ein einheitliches Dienstverhältnis, so dass die Lohn- steuer für die Bezüge einheitlich und nach denselben ELStAM zu erheben ist. Der Abruf von ELStAM für ein zweites Dienstverhältnis des Arbeitnehmers durch denselben Arbeitgeber ist nicht möglich.
Beispiele für die Zahlung verschiedenartiger Bezüge:
 Seite 8  • Ein Arbeitnehmer erhält vom Arbeitgeber neben einer Betriebsrente noch Arbeitslohn für ein aktives Dienstverhältnis; die Lohnsteuer wird nicht pauschal erhoben. • Ein Arbeitnehmer erhält vom Arbeitgeber Hinterbliebenenbezüge und eigene Ver- sorgungsbezüge oder Arbeitslohn für ein aktives Dienstverhältnis. • Ein Arbeitnehmer ist in Elternzeit und arbeitet gleichwohl beim selben Arbeitgeber weiter.
Behandelt der Arbeitgeber solche Bezüge bei der Durchführung des Lohnsteuerabzugs wie Bezüge aus unterschiedlichen Dienstverhältnissen, sind für Lohnabrechnungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2015 enden, bzw. für sonstige Bezüge, die vor dem 1. Januar 2015 zu- fließen, die vom Arbeitgeber abgerufenen ELStAM für einen der gezahlten Bezüge anzu- wenden. Für den jeweils anderen Bezug ist die Steuerklasse VI ohne weiteren Abruf von ELStAM für ein zweites Dienstverhältnis zu Grunde zu legen. Für den Lohnsteuereinbehalt von Versorgungsbezügen nach der Steuerklasse VI ist § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 1 EStG zu berücksichtigen, wonach kein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag anzusetzen ist. Die Lohnsteuerbescheinigung ist entsprechend den getrennt abgerechneten Bezügen auszustellen und an die Finanzverwaltung zu übermitteln.
6. Anwendung der abgerufenen ELStAM
Nach erfolgreichem Abruf der ELStAM hat der Arbeitgeber für die angemeldeten Arbeitneh- mer die Vorschriften des ELStAM-Verfahrens (§§ 38 bis 39e EStG, Regelverfahren) anzu- wenden. Danach sind die vom Arbeitgeber oder seinem Vertreter abgerufenen ELStAM grundsätzlich für die nächste auf den Abrufzeitpunkt folgende Lohnabrechnung anzuwenden und im Lohnkonto aufzuzeichnen (§§ 52b Absatz 5 Satz 3, 41 Absatz 1 Satz 2 EStG; Ausnahme vgl. Tz. III. 7).
Eine erneute Anwendung der Lohnsteuerabzugsmerkmale nach der Lohnsteuerkarte 2010 und den vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen ist grundsätzlich nicht mehr möglich (§ 52b Absatz 5a Satz 1 und 2 EStG; Ausnahme vgl. Tz. III. 7). Dieser Grundsatz ist auch dann zu beachten, wenn ein späterer Abruf oder eine spätere Anwendung der ELStAM aufgrund technischer Störungen nicht möglich ist. In diesen Fällen sind die Regelungen des § 39c EStG (Einbehaltung der Lohnsteuer ohne Lohnsteuerabzugsmerkmale) anzuwenden.
Scheitert allerdings der erstmalige Abruf der ELStAM während des Einführungszeitraums aufgrund technischer Probleme, kann der Arbeitgeber bis zum vorletzten Lohnzahlungszeit- raum des Einführungszeitraums weiterhin das Papierverfahren und die Regelungen des § 52b EStG anwenden.
Weichen die erstmals abgerufenen ELStAM von den auf der Lohnsteuerkarte 2010, einer vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und den weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen eingetragenen bzw. im Lohnkonto aufgezeich- neten Lohnsteuerabzugsmerkmalen ab, besteht für den Arbeitgeber weder eine Korrektur- pflicht nach § 41c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG noch eine Anzeigepflicht nach § 41c Absatz 4 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG, da er bei Berücksichtigung der vom Arbeitnehmer vorgelegten Lohnsteuerkarte 2010, der vom Finanzamt ausgestellten Ersatz- bescheinigung 2011, 2012, 2013 und den weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papier- bescheinigungen vorschriftsmäßig gehandelt hat. Abweichungen können z. B. dann auftreten, wenn der Arbeitnehmer seiner Anzeigeverpflichtung im Papierverfahren bei Änderungen der Lohnsteuerabzugsmerkmale zu seinen Ungunsten nicht nachgekommen ist (z. B. Steuerklasse III oder II anstatt I).
7. Verzicht auf sofortige Anwendung der abgerufenen ELStAM
Nichtanwendung der erstmals abgerufenen ELStAM Abweichend von Tz. III. 6 kann der Arbeitgeber nach § 52b Absatz 5a Satz 7 EStG auf eine sofortige Anwendung der im Einführungszeitraum erstmals abgerufenen ELStAM einmalig verzichten. Statt dessen kann er den Lohnsteuerabzug für die Dauer von bis zu sechs Kalendermonaten weiter nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte 2010, einer vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen bzw. nach den im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen durchführen. Der 6-Monats-Zeitraum gilt auch dann, wenn dieser über das Ende des Einführungszeitraums (31. Dezember 2013) hinausreicht.
Für eine verzögerte Anwendung der erstmals abgerufenen ELStAM ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, solch eine betriebsinterne Abstimmung lohnsteuerlich zu dokumentieren; es sind keine Aufzeichnungen im Lohnkonto erforderlich.
In diesem 6-Monats-Zeitraum kann der Arbeitgeber insbesondere die Funktionsfähigkeit der eingesetzten Lohnabrechnungsprogramme absichern. Ferner ermöglicht diese Regelung, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die abgerufenen ELStAM zur Überprüfung vorab mitteilt. Hierfür – aber auch für eine spätere Prüfung der ELStAM – stellt die Finanzverwaltung einen Vordruck (Vordruck „Bescheinigung zur Überprüfung der elektronischen Lohnsteuerabzugs- merkmale (ELStAM)“) im Internetangebot der obersten Finanzbehörden der Länder und in einer Formulardatenbank der Bundesfinanzverwaltung unter der Internetadresse https://www.formulare-bfinv.de in der Rubrik Formularcenter/Formularkatalog/Steuerformulare/Lohnsteuer zur Einsicht und zum Abruf bereit.
 Nichtanwendung der erstmals abgerufenen ELStAM nach erstmaligem Lohnsteuerabzug Der Arbeitgeber kann ferner nach § 52b Absatz 5a Satz 7 und 8 EStG und abweichend von Tz. III. 6 auf freiwilliger Basis und mit Zustimmung des Arbeitnehmers den Lohnsteuerabzug nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte 2010 oder einer vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papier- bescheinigungen bzw. nach den im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen für die Dauer von bis zu sechs Kalendermonaten durchführen, wenn die erstmalige Anwendung der im Einführungszeitraum erstmals abgerufenen ELStAM zu einem vom bisherigen Verfahren abweichenden Lohnsteuerabzug führt. In diesem Zeitraum kann der Arbeitnehmer mit dem Finanzamt die Abweichungen der ELStAM von den bislang berücksichtigten Lohnsteuerabzugsmerkmalen aufklären. Auch hierzu kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Abweichungen zwischen den im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen und den ELStAM durch den Vordruck „Bescheinigung zur Überprüfung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM)“ mitteilen.
Der 6-Monats-Zeitraum gilt auch dann, wenn dieser über das Ende des Einführungszeitraums (31. Dezember 2013) hinausreicht.
Lohnsteuerabzug nach Korrektur der ELStAM bzw. nach Ablauf des 6-Monats-Zeitraums Nach Vorlage der Besonderen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (z. B. bei unzu- treffenden Meldedaten) durch den Arbeitnehmer oder nach Eingang einer sog. Änderungs- mitteilung zum Abruf der vom Finanzamt korrigierten ELStAM hat der Arbeitgeber diese Merkmale entsprechend Tz. III. 2 bzw. III. 3 anzuwenden. Spätestens nach Ablauf des 6-Monats-Zeitraums hat der Arbeitgeber die (erstmals) abgerufenen ELStAM anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer keine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug vorgelegt hat oder keine sog. Änderungsmitteilung zum Abruf der vom Finanzamt korrigierten ELStAM eingeht, z. B. weil die (erstmals) bereitgestellten ELStAM zutreffend sind.
Keine Rückrechnungsverpflichtung des Arbeitgebers Wendet der Arbeitgeber die Regelungen des § 52b Absatz 5a Satz 7 und 8 EStG an, besteht für ihn weder eine Rückrechnungs-/Korrekturpflicht noch eine Anzeigeverpflichtung für den 6-Monats-Zeitraum bzw. auf den 1. Januar 2013 (vgl. Tz. III. 6).
8. Beendigung des Dienstverhältnisses bei Anwendung des ELStAM-Verfahrens
Hat der Arbeitgeber die ELStAM des Arbeitnehmers bereits angewendet, hat der Arbeitgeber den Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses (z. B. in Fällen des Arbeitgeberwechsels) der Finanzverwaltung unverzüglich mitzuteilen (sog. Abmeldung, § 39e Absatz 4 Satz 5 EStG). Eine solche elektronische Abmeldung ist auch dann erforderlich, wenn das Finanzamt den Arbeitgeberabruf gesperrt hat (vgl. Tz. III. 2).
9. Entgegennahme und Aufbewahrung der Lohnsteuerkarte 2010/Papier- bescheinigung(en)
Der Arbeitgeber hat auch im Einführungszeitraum die Lohnsteuerkarte 2010, Ersatz- bescheinigung für 2011, 2012, 2013 und die weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papier- bescheinigungen entgegenzunehmen, aufzubewahren sowie die darauf eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale in das Lohnkonto zu übernehmen. Die so aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmale sind dem Lohnsteuerabzug im Einführungszeitraum bis zur erstmaligen Anwendung der ELStAM für den jeweiligen Arbeitnehmer zugrunde zu legen.
Auf Anforderung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Einführungszeitraum die vor- gelegten Bescheinigungen (Tz. III. 1) zur Änderung nicht mehr zutreffender Lohnsteuer- abzugsmerkmale durch das Finanzamt vorübergehend zu überlassen oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf des Kalenderjahres 2014 innerhalb einer angemessenen Frist auszuhändigen (§ 52b Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 und 3 EStG).
Die Lohnsteuerkarte 2010, Ersatzbescheinigung für 2011, 2012, 2013 und die weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen dürfen erst nach Ablauf des Kalenderjahres 2014 vernichtet werden (§ 52b Absatz 1 Satz 4 EStG).
10. Härtefallregelung
Weil der Einführungszeitraum zum 31. Dezember 2013 endet, können Härtefallanträge auf Nichtteilnahme am ELStAM-Verfahren (§ 39e Absatz 7 EStG) für das Kalenderjahr 2013 frühestens mit Wirkung ab dem letzten Lohnzahlungszeitraum in 2013 gestellt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt steht das Papierverfahren ohnehin zur Verfügung.
IV. Arbeitnehmer
Papierverfahren vor Einsatz des ELStAM-Verfahrens Bis zum erstmaligen Einsatz des ELStAM-Verfahrens im Einführungszeitraum sind für den Nachweis der Lohnsteuerabzugsmerkmale die Regelungen für die Papierbescheinigungen in Tz. III. 1 zu beachten. Die Vereinfachungsregelung für Auszubildende nach § 52b Absatz 4 EStG kann weiterhin angewandt werden (Tz. III. 4).
Sind aufgrund geänderter Lebensverhältnisse für das Kalenderjahr 2013 gegenüber den Verhältnissen des Jahres 2012 abweichende Lohnsteuerabzugsmerkmale (Freibetrag, Hinzurechnungsbetrag, Kirchensteuerabzugsmerkmal, Faktor) maßgebend, kann das Finanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatz- bescheinigung für 2011 oder 2012, 2013 berichtigen. Weicht die Eintragung der Steuerklasse oder die Zahl der Kinderfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte 2010, der Ersatzbescheinigung 2011 oder 2012 oder der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen von den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres 2013 zu Gunsten des Arbeitnehmers ab oder ist die Steuerklasse II bescheinigt und entfallen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende (§ 24b EStG) im Laufe des Kalenderjahres 2013, besteht auch im Jahr 2013 – wie bisher – eine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt (§ 52b Absatz 2 Satz 2 und 3 EStG).
Wechselt der Arbeitnehmer im Einführungszeitraum seinen Arbeitgeber, hat er sich die Lohn- steuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 sowie die weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen vom bisherigen Arbeitgeber aushändigen zu lassen und dem neuen Arbeitgeber vorzulegen.
Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2013 Für die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 39a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und 5 bis 8 EStG ist zu beachten, dass die für die Kalenderjahre 2010, 2011 oder 2012 bescheinigten Beträge in 2013 ohne weiteren Antrag nur für den Zeitraum des Papierverfahrens bis zum Einsatz des ELStAM-Verfahrens im Einführungszeitraum gelten.
Entspricht ein für das Kalenderjahr 2010, 2011 oder 2012 eingetragener Freibetrag im Kalen- derjahr 2013 nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen, z. B. Minderung des Freibetrags aufgrund geringerer Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- stätte als Werbungskosten, ist der Arbeitnehmer zwar nicht verpflichtet, die Anpassung des Freibetrags auf den dem Arbeitgeber vorliegenden Bescheinigungen (Tz. III. 1) zu veran- lassen. Unterbleibt jedoch ein Antrag auf Herabsetzung des Freibetrags, kann dies zu Nachzahlungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung führen.
Sollen Freibeträge auch bei Anwendung der ELStAM durch den Arbeitgeber in 2013 (weiter) berücksichtigt werden, sind diese grundsätzlich im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungs- verfahrens für 2013 neu zu beantragen. Entsprechendes gilt für das Faktorverfahren (§ 39f EStG), die Steuerklasse II bei volljährigen Kindern sowie für antragsgebundene Kinderzähler, sofern nicht bereits für das Kalenderjahr 2012 eine mehrjährige Berücksichtigung des Kindes beantragt worden ist. Pauschbeträge für behinderte Menschen und Hinterbliebene werden weiterhin in der Regel mehrjährig berücksichtigt.
Korrektur der ELStAM nach Einsatz des ELStAM-Verfahrens Stellt die Finanzverwaltung im Einführungszeitraum dem Arbeitgeber ELStAM bereit, die nach Auffassung des Arbeitnehmers unzutreffend sind, kann er beim Wohnsitzfinanzamt eine Berichtigung der ELStAM beantragen (vgl. Tz. III. 2 und 3). Macht der Arbeitgeber von der Regelung im § 52b Absatz 5a Satz 7 und 8 EStG (Verzicht auf sofortige Anwendung der abgerufenen ELStAM) Gebrauch, bedarf dies der Zustimmung des Arbeitnehmers (Tz. III. 7).
Zur Erleichterung der Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Finanzamt in Abwei- chungsfällen kann der Arbeitnehmer den Vordruck „Antrag auf Korrektur der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM)“ verwenden, der im Internetangebot der obersten Finanzbehörden der Länder und in einer Formulardatenbank der Bundesfinanzverwaltung unter der Internetadresse https://www.formulare-bfinv.de in der Rubrik Formularcenter/Formularkatalog/Steuerformulare/Lohnsteuer zur Einsicht und zum Abruf bereit steht.
Auf die Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über die vom Finanzamt mit- geteilte Aufhebung einer Abrufsperre zu informieren, wird hingewiesen (Tz. III. 2 und V. 2).
V. Finanzamt
1. Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2013
Sind beim Arbeitnehmer im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens für das Kalen- derjahr 2013 Freibeträge zu berücksichtigen, hat das Finanzamt diese Lohnsteuerabzugs- merkmale in der ELStAM-Datenbank zu speichern. In diesen Antragsfällen ist dem Arbeitnehmer stets ein Ausdruck der ELStAM mit den ab 2013 geltenden Merkmalen zur Vorlage beim Arbeitgeber auszustellen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer für das Kalenderjahr 2013 die Berücksichtigung eines Kinderzählers, der Steuerklasse II, eines Faktors oder einer anderen Steuerklassenkombination bei Ehegatten beantragt hat.
2. Unzutreffende ELStAM
Allgemeines Werden dem Arbeitgeber ELStAM bereitgestellt, die nach Auffassung des Arbeitnehmers unzutreffend sind, hat das Wohnsitzfinanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers die gebildeten ELStAM zu prüfen und sie ggf. zu ändern.
Unzutreffende ELStAM und Sperrung des Arbeitgeberabrufs Entsprechen die programmgesteuert gebildeten ELStAM nicht den tatsächlichen Verhält- nissen des Arbeitnehmers und sind somit unzutreffend (z. B. wegen fehlerhafter Meldedaten), hat das Finanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug auszustellen (§ 52b Absatz 5a Satz 3 EStG) und den Arbeitgeberabruf zu sperren, sog. Vollsperrung (vgl. Tz. III. 2). Die Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuer- abzug kann für das Kalenderjahr 2013 und 2014 ausgestellt werden, wobei der Faktor (§ 39f EStG) sowie Freibeträge nach § 39a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und 5 bis 8 EStG stets nur bezogen auf ein Kalenderjahr zu bescheinigen sind.
Hat das Finanzamt ein sog. Fehlerticket erstellt, wird ihm die Korrektur der Unstimmigkeiten bzw. Fehler in der ELStAM-Datenbank mitgeteilt. Im Anschluss daran hat das Finanzamt die Sperrung aufzuheben. Erfolgte die Sperrung nach dem erstmaligen Abruf der ELStAM, erhält der Arbeitgeber automatisch eine sog. Änderungsmitteilung mit den korrigierten ELStAM. Erfolgte die Sperrung bereits vor dem erstmaligen Abruf, ist deren Aufhebung dem Arbeit- nehmer zur Information des Arbeitgebers mitzuteilen (Informationsschreiben, vgl. Tz. III. 2). In diesem Fall hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erstmalig in der ELStAM-Datenbank anzumelden.
Lebenspartnerschaften Derzeit übermitteln die Meldebehörden lediglich die Information an die Finanzverwaltung, dass es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Lebenspartner handelt. Neben dem Merkmal der Lebenspartnerschaft wird die Identifikationsnummer des anderen Lebenspartners derzeit noch nicht mitgeteilt. Daher ist eine programmgesteuerte Bildung der für Ehegatten möglichen Steuerklassenkombinationen für Lebenspartner im ELStAM-Verfahren noch nicht möglich.
Die Berücksichtigung der für Ehegatten möglichen Steuerklassen und Steuerklassen- kombinationen beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber setzt in diesen Fällen einen Antrag beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt voraus. Da diese Lohnsteuerabzugsmerkmale noch nicht automatisiert gebildet werden können, stellt das Finanzamt nach § 52b Absatz 5a Satz 3 EStG (vgl. Tz. III. 2) eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug aus, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs vorzulegen hat. Der Arbeitgeberabruf für die ELStAM ist entsprechend zu sperren.
Nach der technischen Umsetzung der programmgesteuerten Bildung von Steuerklassen- kombinationen für Lebenspartnerschaften gelten die für Ehegatten zu beachtenden Rege- lungen entsprechend. Sollen die automatisch gebildeten Steuerklassen aus Sicht der Lebens- partner nicht zur Anwendung kommen, kann eine abweichende Steuerklassenkombination beim zuständigen Finanzamt beantragt werden; Vordruck „Antrag auf Steuerklassenwechsel bei Ehegatten/Lebenspartnern“). Ein solcher Antrag gilt nicht als Änderung der Steuerklassen im Sinne des § 39 Absatz 6 Satz 3 EStG. Das Recht, einmal jährlich die Steuerklasse zu
 Seite 15  wechseln, bleibt davon unberührt (§ 39 Absatz 6 Satz 4 EStG). Ebenso gilt eine Änderung der Steuerklassen bei Wiederaufnahme der Lebenspartnerschaft nicht als Steuerklassenwechsel.
Leben die Lebenspartner dauernd getrennt, haben sie dies dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen (Vordruck „Erklärung zum dauernden Getrenntleben“). Dadurch wird – ungeachtet eines etwaigen Steuerklassenwechsels im Trennungsjahr – ab Beginn des darauf folgenden Jahres die Steuerklasse I gebildet.
Unzutreffende ELStAM aus anderen Gründen Betreffen die für den Arbeitnehmer bereitgestellten unzutreffenden ELStAM vom Finanzamt zu bildende Merkmale (z. B. Freibetrag aus dem Lohnsteuerermäßigungsverfahren, Steuer- klassenkombination bei Ehegatten, Beantragung der Steuerklasse II), korrigiert es auf Veran- lassung des Arbeitnehmers die ELStAM, die daraufhin dem Arbeitgeber elektronisch zum Abruf bereitgestellt werden.
Wird die Korrektur vor dem erstmaligen Abruf der ELStAM durchgeführt, z. B. im Lohn- steuerermäßigungsverfahren, werden dem Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM beim erstmaligen Abruf bereitgestellt. Nimmt der Arbeitgeber bereits am ELStAM-Verfahren teil, erhält der Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM mit der nächsten sog. Änderungsmitteilung bereitgestellt.
Dem Arbeitnehmer ist stets ein Ausdruck der ELStAM (ggf. mit Freibetrag) zur Vorlage beim Arbeitgeber auszuhändigen. Nimmt der Arbeitgeber noch nicht am ELStAM-Verfahren teil, hat er den Ausdruck entsprechend den Grundsätzen der Tz. III. 1 und 3 zu berücksichtigen.
3. Keine Rückforderung der Papierbescheinigungen
Das Finanzamt hat die im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens 2013 ausgestellten Bescheinigungen für den Lohnsteuerabzug 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen nicht zurückzufordern.
Dieses Schreiben ist ab dem 1. November 2012 anzuwenden.
Dieses Schreiben steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik – Themen – Steuern – Steuerarten – Lohnsteuer – BMF-Schreiben/Allgemeines – zur Einsicht und zum Abruf bereit. Es wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Behandlungskosten bei psychischer Erkrankung (Burn-Out) sind keine Werbungskosten

Berücksichtigung als außergewöhliche Belastung nur bei vorherigem amtsärztlichen Attest

 Leitsatz

1. Burn-Out ist keine typische Berufskrankheit. Ein Werbungskostenabzug der Behandlungskosten ist daher nicht möglich.

2. Nach § 64 EStDV muss für eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ein vorheriges amtsärztliches Attest vorgelegt werden. Gegen die rückwirkende Anwendung der durch das Gesetz vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131 ) neu gefassten Vorschrift des § 64 Abs. 1 EStDV auf alle Fälle, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 84 Abs. 3f EStDV in der Fassung des Änderungsgesetzes) bestehen keine Bedenken.

 Gesetze

EStG § 9
EStG § 33
EStDV § 64

 Tatbestand

 Gründe

I.

Streitig ist, ob Aufwendungen für eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind.

Der Kläger wird mit seiner Ehefrau für das Streitjahr 2007 vom Beklagten – dem Finanzamt – zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Im Rahmen seiner ESt-Erklärung begehrt er den Abzug von Aufwendungen in Höhe von 8.403,21 EUR für eine mehrwöchige stationäre Behandlung in der psychosomatischen Abteilung der A Klinik in B als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Für diese Behandlung waren Aufwendungen in Höhe von 10.018,65 EUR entstanden, von denen die Krankenkasse jedoch nur 1.615,44 EUR erstattet hatte.

Deren berufliche Veranlassung begründet der Kläger wie folgt: Er sei aufgrund der Fusion seines Arbeitgebers nicht wie erwartet zum Prokuristen ernannt worden, sondern bei der erwarteten Beförderung übergangen worden. Man habe ihm mit einer Vertragsanpassung gedroht, die aus seiner Sicht einer Degradierung gleichgekommen wäre. Daraufhin habe er akute gesundheitliche Beschwerden verspürt, mit der Gefahr einer Eskalation. Seine Hausärztin habe ihn deswegen in Abstimmung mit einem Facharzt für Psychiatrie in die psychosomatische Klinik nach B zur stationären Behandlung überwiesen. Seine Krankenversicherung habe die Übernahme der nunmehr streitigen Kosten verweigert, da nach ihrer Auffassung ein stationärer Aufenthalt zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen sei. Auf die beim Finanzamt eingereichten Atteste und Bestätigungen wird verwiesen.

Das Finanzamt berücksichtigte die streitigen Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 18. Juni 2008 nicht, weil es eine Zuordnung in die berufliche Sphäre als nicht leicht und einwandfrei möglich erachtete. Im Einspruchsverfahren änderte das Finanzamt den Bescheid aus anderen Gründen mehrfach, zuletzt am 02. September 2010. Hinsichtlich des streitigen Sachverhalts wies das Finanzamt den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06. September 2010 zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel einer Berücksichtigung als Werbungskosten weiter.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2007 vom 18. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2010, zuletzt geändert durch Bescheid vom 02. September 2010, zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 8.403,21 EUR zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen;

hilfsweise den genannten Betrag nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen;

hilfsweise für den Fall der Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Die Kläger wurden vom Berichterstatter auf die Nachweisanforderungen des § 64 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV ) hingewiesen und aufgefordert, entsprechende Nachweise vorzulegen. Ein amtsärztliches Gutachten konnten die Kläger nicht vorlegen (wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 07. Dezember 2012 verwiesen).

Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2013 wird verwiesen.

 Gründe

  

II.

1. Die Klage ist nicht begründet.

a. Das Finanzamt hat den Ansatz der streitgegenständlichen Aufwendungen bei den Werbungskosten zu Recht abgelehnt.

aa. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Zwar stehen Aufwendungen für die Gesundheit – ebenso wie für Kleidung, Nahrung und Wohnung – insofern auch in Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen, weil er ohne Nahrung oder als Kranker seinen Beruf nicht ausüben kann. Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sind jedoch solche Ausgaben, die sowohl den Beruf als auch die private Lebensführung des Steuerpflichtigen betreffen, vom Werbungskostenabzug ausgenommen und daher aus versteuertem Einkommen zu erbringen, sofern nicht ausnahmsweise eine eindeutige und klare Trennung der Aufwendungen in einen beruflichen und privaten Teil möglich oder die Berührung der privaten Lebenssphäre nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 17. Juli 1992 VI R 96/88 , BFH/NV 1993, 19 ).

Abweichend hiervon sind nach der Rspr. des BFH Krankheitskosten als Werbungskosten abziehbar, wenn sie zur Heilung einer typischen Berufskrankheit oder Vorbeugung gegen eine solche aufgewandt werden (z.B. Vergiftungserscheinungen eines Chemikers, Staublunge eines Bergmannes, Tuberkuloseerkrankung in einer TBC-Heilungsstätte, Sportunfall eines Berufsfußballspielers u.a.). Entsprechendes gilt für Kurkosten, wenn sie nachweisbar zur Beseitigung einer bestehenden oder Vorbeugung gegen eine drohende typische Berufskrankheit aufgewandt werden. Soweit sie darüber hinaus ohne eingetretene oder drohende Berufskrankheit als vorbeugende Maßnahme ganz oder teilweise auch zur Erhaltung des allgemeinen Gesundheitszustandes dienen, sind sie weder als außergewöhnliche Belastung noch als Werbungskosten abziehbar (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ; vgl. BFH, ebenda).

bb. An diesen Grundsätzen hat sich durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH zur Aufteilbarkeit von Reisekosten im Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BStBl II 2010, 672, BFHE 227, 1 ) nichts Wesentliches geändert. Vielmehr bestätigt der BFH, dass die unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung – wozu auch der Aufwand für eine Kur oder die Behandlung von Krankheiten gehört – grundsätzlich nicht abziehbar und nicht aufteilbar sind. Diese Aufwendungen sind durch die gesetzliche Zuordnung zu den außergewöhnlichen Belastungen dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und des § 9 EStG entzogen (BFH, Beschluss des Großen Senats vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672, BFHE 227, 1 , Rz. 122 ff. unter Verweis auf die Rspr. schon des Preussischen Oberverwaltungsgerichts). In Anwendung dieser Grundsätze werden Aufwendungen für die Heilung oder Linderung einer Krankheit – zu denen auch Aufwendungen wie die streitgegenständlichen gehören können – einkommensteuerrechtlich regelmäßig als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG – unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG – behandelt.

cc. Selbst dort, wo eine Aufteilung von Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind, nach dieser Rspr. in Betracht kommt, ist weitere Voraussetzung deren Aufteilbarkeit, nämlich das Vorhandensein abgrenzbarer beruflicher und privater Anteile (BFH, GrS 1/06, a.a.O., Rz. 121). Liegen derartige Abgrenzungskriterien nicht vor, so scheidet die Aufteilung aus. Ebenso in Fällen, in denen die private oder die berufliche Nutzung nur von völlig untergeordneter Bedeutung ist (ebenda).

dd. Nach diesen Rechtsgrundsätzen scheidet eine Zuordnung der Aufwendungen für den Klinikaufenthalt zu den Werbungskosten aus.

Bei einer psychischen oder psychosomatischen Krankheit, die – zumindest auch – durch eine starke emotionale Belastung im Beruf ausgelöst wird, handelt es sich nicht um eine typische Berufskrankheit. Die in der Rechtsprechung den Werbungskosten zugeordneten Fälle sind Ausnahmen, die anders gelagert sind als der Streitfall. Dort handelte es sich um Krankheiten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine nahezu ausschließliche Kausalität zu typischen Berufsumständen aufgewiesen haben. So kann eine Strahlenerkrankung etwa ab einer bestimmten empfangenen Strahlungsmenge eine Strahlenerkrankung physikalisch-medizinisch so sicher erscheinen lassen, dass der Strahlenexposition der Charakter einer alleinigen Ursache zuerkannt werden kann. Entsprechend mag eine beruflich begründete dauerhafte Staubexposition ohne Rücksicht auf andere individuelle Faktoren so sicher eine Staublunge auslösen, dass ihr der Charakter einer Einzelursache zuerkannt wird.

Eine solche geradezu zwingende Kausalität von Belastungssituationen und Stress im Beruf für eine manifeste psychische Erkrankung sieht der erkennende Senat nicht. Zwar mag beruflicher Stress konkreter Auslöser einer Verschlechterung mit Krankheitscharakter sein. Dies macht ihn aber nicht zur alleinigen oder nahezu zwingenden Ursache der Krankheit. Vielmehr spielen bei psychischen Erkrankungen ebenso wie bei den meisten körperlichen Krankheiten eine Vielzahl bekannter wie unbekannter Faktoren zusammen, die es dem Gericht verwehren, einer der Ursachen den Charakter der Wesentlichen zuzusprechen und von Monokausalität auszugehen. Dem entsprechend hat der BFH etwa abgelehnt, den Herzinfakt bei Angehörigen von freien Berufen als typische Berufskrankheit und damit als einen solchen Ausnahmefall zu beurteilen (BFH-Urteil vom 04. Oktober 1968 IV R 59/68 , BStBl II 1969, 179, BFHE 94, 442 ). Der BFH hat in dieser Entscheidung erkannt, dass ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und dem Beruf nicht eindeutig feststehe und es sich nicht um eine typische Berufserkrankung handele, weil Herzinfakte erfahrungsgemäß nicht nur bei Angehörigen geistiger Berufe und bei Personen in leitender Stellung, sondern bekanntlich auch bei Handwerkern, Arbeitern und Hausfrauen in erheblichem Umfange aufträten. Ähnlich entschied der BFH zu inneren Erkrankungen wie der Zuckerkrankheit (BFH-Urteil vom 09. Februar 1962 VI 10/61 U , BStBl III 1962, 235, BFHE 74, 632 ).

Im Streitfall gilt gleiches: Psychische Erkrankungen treten in praktisch allen Bevökerungsschichten gleichermaßen in zumindest erheblichem Umfang auf. Das gilt auch für Krankheitsbilder wie „Burn-Out” oder ähnliche durch akute Belastungssituationen ausgelöste psychische Erkrankungen.

Nach Auffassung des Senats lässt sich die Ursächlichkeit einer psychischen Erkrankung alleine im beruflichen Bereich schon generell nicht feststellen. Daher kann es im Streitfall auch nicht darauf ankommen, ob – wie die Kläger vortragen – im privaten Bereich keine besonderen Stressfaktoren vorhanden sind. Denn was in welchem Maße als Stressfaktor empfunden wird, hängt wiederum ganz wesentlich von der persönlichen Veranlagung bzw. Prädisposition ab. Auch ist die Frage, ob im Privatbereich solche Faktoren vorhanden sind, objektiv für kein Gericht ermittelbar.

ee. An dieser Beurteilung vermag das Attest vom 23. Juni 2008 (Bl. 13 der Rechtsbehelfsakte) der Ärztin des Klägers nichts zu ändern. Dabei kann der Senat unterstellen, dass sie den damaligen Zustand des Klägers grundsätzlich zutreffend wiedergibt: Danach leidet dieser seit ca. Mitte 2006 an depressiver Stimmung mit Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Tinitus, Schwindel. Körperliche Ursachen können nach Auffassung der Ärztin ausgeschlossen werden.

Die weitere Aussage, dass es aus Sicht der Ärztin keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Ursache im privaten oder familiären Bereich zu suchen seien und der Grund im beruflichen Umfeld liege, ist dagegen aus dem notwendigerweise eingeschränkten Erkenntnishorizont der Ärztin getroffen und enthält eine Wertung. Eine unkritische Übernahme der Beurteilung der Ärztin durch das Gericht verbietet sich schon deshalb, weil die Ärztin aus dem Arzt-Patient-Verhältnis heraus keinerlei Anlass hat, etwa Angaben des Patienten zu hinterfragen. Für das Gericht ergibt sich die Verpflichtung hierzu jedoch schon aus seiner Sachaufklärungspflicht. Auch ist die Beurteilung der Ursächlichkeit alleine Aufgabe des Tatgerichts, weil diese Wertung zu seinen ureigensten Aufgaben gehört. Die für eine Beurteilung als Werbungskosten erforderliche monokausale Ursächlichkeit konnte das Gericht aber im Streitfall nicht erkennen. Zur Begründung verweist das Gericht auf den bereits oben gezogenen Schluss, dass bei psychischen Erkrankungen eine derartige Monokausalität schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zuerkannt werden kann. Bestätigt wird dies für den Streitfall aus Sicht des Gerichts dadurch, dass nach dem zitierten Gutachten der Ärztin die Zunahme der Beschwerden „nach einer Umstellung der Organisationsstruktur des Arbeitgebers” „im Jahr 2007” aufgetreten ist. Hierzu passt zeitlich die vorgelegte Diagnose vom 23. Juli 2007 „v.a. Burnout-Syndrom”. Beschwerden äußerte der Kläger aber offenbar schon ein Jahr früher. Daraus folgert das Gericht, dass der Kläger offenbar Beschwerden schon vor der Organisationsumstellung hatte – wenngleich wohl in geringerem Ausmaß. Dies bestätigt aus Sicht des Gerichts die oben dargestellte Beurteilung, dass eine psychische Erkrankung – ungeachtet ihrer akuten Auslösung oder Verschlechterung durch (ggf. zusätzlichen) beruflichen Stress – stets und auch im Streitfall mannigfaltige Ursachen hat.

ff. Die weiteren vorgelegten Unterlagen des Klägers (Arztbrief und Schriften zum Arbeitsgerichtsprozess) stammen aus einer Zeit lange nach dem Streitjahr. Rückschlüsse auf das Streitjahr können aus Sicht des Gerichts aus diesen ärztlichen Äußerungen oder dem Prozess nicht gezogen werden.

Schließlich kann der sinngemäßen Argumentation des Klägers dahin nicht gefolgt werden, dass von einer ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen beruflichen Veranlassung der Aufwendungen auszugehen sei, wenn berufliche Ursachen vorgetragen und nachgewiesen, hingegen private Ursachen nicht erkennbar oder aktenkundig seien. Damit beruft sich der Kläger wohl sinngemäß auf Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Diese gelten indes für die hier in Rede stehende Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs nicht. Die Beurteilung eines solchen Zusammenhangs ist nicht eine reine Tatsachenwürdigung (für die möglicherweise ähnliche Beweislastgrundsätze gelten), sondern eine wertende Zuordnungsentscheidung, die das Gericht unter Heranziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung rechtlicher Kriterien zu treffen hat.

gg. Eine Aufteilung der Aufwendungen und deren anteilige Berücksichtigung wegen auch beruflicher Veranlassung scheidet schon deshalb aus, weil die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Krankheitskosten – sieht man einmal von den Ausnahmefällen der typischen Berufskrankheit ab – durch die Normierung bei den außergewöhnlichen Belastungen abschließend geregelt ist (vgl. die Grundsätze des Großen Senats des BFH, a.a.O.). Selbst dann, wenn man Krankheitskosten wegen dieser Ausnahmefälle für grundsätzlich aufteilbar beurteilte, so schiede die teilweise Berücksichtigung mangels erkennbaren Aufteilungsmaßstabs aus (vgl. BFH, GrS 1/06, a.a.O.).

hh. Schließlich entstünde nach Auffassung des erkennenden Senats ein Wertungswiderspruch, wenn bestimmte Krankheitskosten – wie die im Streitfall zu beurteilende Kur – bei der Prüfung als außergewöhnliche Belastung in § 64 Abs. 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV ) formalisierten Nachweisanforderungen unterstellt würden, während sie im Fall einer Beurteilung als Werbungskosten ohne solchen qualifizierten Nachweis abgezogen werden dürften. Auch dies spricht dafür, die Regelung von Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen als abschließend zu betrachten.

b. Zum ersten Hilfsantrag: Ein Abzug der die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG übersteigenden Beträge als außergewöhnliche Belastung scheidet im Streitfall ebenfalls aus.

aa. Nach § 64 Abs. 1 EStDV hat der Steuerpflichtige den erforderlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für eine Bade- oder Heilkur bzw. eine psychotherapeutische Behandlung durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu führen (BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10 , BStBl II 2012, 577, BFHE 237, 156 ). Diesen formalisierten Nachweis haben die Kläger auch nach Hinweis des Gerichts nicht geführt.

bb. Gegen die rückwirkende Anwendung der durch das Gesetz vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131 ) neu gefassten Vorschrift des § 64 Abs. 1 EStDV auf alle Fälle, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 84 Abs. 3f EStDV in der Fassung des Änderungsgesetzes) bestehen keine Bedenken (BFH-Urteil VI R 74/10 , a.a.O.). Diese Regelung bestimmt gesetzlich, was im Streitzeitraum aufgrund der gefestigten damaligen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 , BStBl II 1980, 295) zur Auslegung des § 33 EStG allgemein als geltendes Recht angenommen wurde. Das Urteil des BFH vom 11. November 2010 VI R 17/09 , BStBl II 2011, 969, in dem dieser in Änderung seiner Rechtsprechung geringere Anforderungen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit gestellt hat, ist erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Veranlagungszeitraums und nach Klageerhebung ergangen. Ein schutzwürdiges Vertrauen konnte sich aus dieser Entscheidung bis zur bereits knapp ein Jahr später erlassenen Neuregelung des Gesetzgebers nicht entwickeln, so dass sich die Kläger insoweit nicht auf ein geschütztes Vertrauen auf eine für sie günstigere Rechtslage berufen können (vgl. BVerfG-Urteil vom 21. Juli 2010 zum Fremdrentengesetz 1 BvL 11/06, BGBl I 2010, 1358 , BVerfGE 126, 369 ; vgl. auch Lohse/Zanzinger, DStR 2012, 1053). Insbesondere können sich die Kläger nicht darauf berufen, die jetzige Beweisnot beruhe in einem Vertrauen auf die (erst später geänderte) Rechtsprechung. Denn bei Entstehen der Krankheitsaufwendungen hätten die Kläger nach der damals gefestigten Rechtsprechung ebenfalls ein vorheriges amtsärztliches Gutachten benötigt.

Nach alledem konnte die Klage auch nicht teilweise Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

3. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ). Der BFH hatte über die Frage, ob psychische Erkrankungen Berufskrankheiten sein können, – soweit ersichtlich – noch nicht zu befinden. Die angewendete Rspr. des BFH zu Berufskrankheiten stammt zudem aus der Zeit vor der Aufgabe des Aufteilungsverbots bei § 12 EStG . Auch ist derzeit ein Verfahren vor dem BFH zur Anerkennung von Krankheitskosten als Werbungskosten unter dem Az. VI R 37/12 anhängig.

Datenübermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen nach § 32b Abs. 3 EStG

Rückwirkende Verrechnung zwischen Trägern der Sozialleistungen

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt im Hinblick auf die Meldung von dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen nach § 32b Abs. 3 EStG in Fällen der rückwirkenden Verrechnung zwischen Trägern der Sozialleistungen Folgendes:

Hat ein Leistungsträger (LT 1) Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese wegen der rückwirkenden Zubilligung einer anderen Sozialleistung nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die andere Leistung zuständige Leistungsträger (LT 2) grundsätzlich erstattungspflichtig (vgl. § 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Es erfolgt insoweit regelmäßig kein Rückgriff beim Leistungsempfänger, sondern LT 2 erstattet LT 1 die an den Leistungsempfänger gezahlten Beträge. In diesen Fällen ist die ursprünglich von LT 1 gezahlte Sozialleistung in Höhe dieses Erstattungsanspruchs als Sozialleistung des LT 2 zu qualifizieren. Die von LT 2 gewährte Sozialleistung gilt in dieser Höhe im Zeitpunkt der Zahlung der ursprünglichen Leistung als dem Leistungsempfänger zugeflossen (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 2002 – X R 46/01 -, BStBl II 2003 Seite 391).

LT 2 hat den Leistungsbetrag und LT 1 hat den Minderungsbetrag (Stornierungsbetrag) jeweils in seiner Mitteilung nach § 32b Abs. 3 Satz 1 EStG für das Jahr zu berücksichtigen, in dem die ursprüngliche Leistung dem Leistungsempfänger zugeflossen ist. Eine zuvor bereits übersandte Mitteilung ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch amtlich bestimmte Datenfernübertragung zu korrigieren. Der Steuerpflichtige ist nach § 32b Abs. 3 Satz 2 EStG zu informieren.

Diese Regelungen gelten für die zur Meldung nach § 32b Abs. 3 EStG verpflichteten Sozialleistungsträger unabhängig davon, ob die andere Sozialleistung auch dem Progressionsvorbehalt unterliegt, die andere Leistung als steuerfreie Sozialleistung nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegt oder die andere Sozialleistung als Rente zu besteuern ist (zur entsprechenden Rechtslage bei Renten: vgl. R 32b Abs. 4 EStR 2008; BMF-Schreiben vom 13. September 2010, BStBl I Seite 681, Rz. 229).

Sofern einzelne Träger der Sozialleistungen diese Rechtslage bei bisher erfolgten elektronischen Meldungen nicht berücksichtigt haben und es ihnen aufgrund technischer Gegebenheiten nicht möglich sein sollte, die für zutreffende elektronische Meldungen erforderlichen Daten für die Jahre vor 2014 zu ermitteln, haben diese dem Steuerpflichtigen auf dessen Bitte hin, Papierbescheinigungen mit den zutreffenden Beträgen auszustellen oder ihm Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die es ihm ermöglichen, die korrekten Beträge zu ermitteln. Spätestens für das Jahr 2014 haben die Träger der Sozialleistungen korrekte elektronische Meldungen oder Korrekturmeldungen zu übermitteln.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2295 / 12 / 10007 :001 vom 16.07.2013

Kein Spekulationsgewinn bei Bedingungseintritt nach Fristablauf!

Für die Berechnung der zehnjährigen sog. Spekulationsfrist kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Erfolgt der Verkauf eines Grundstückes unter einer aufschiebenden Bedingung und tritt diese erst nach Ablauf der Spekulationsfrist ein, so liegt kein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft vor – das hat der 10. Senat des Finanzgerichts Münster in einem heute veröffentlichten Urteil klargestellt (Urteil vom 22. Mai 2013, 10 K 15/12). Damit hat der Senat über eine bei Veräußerungsgeschäften immer wieder auftretende, höchstrichterlich noch nicht geklärte Fragestellung zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden.

 

Im Streitfall hatte der Kläger ein Grundstück, das er mit Kaufvertrag vom 3. März 1998 erworben hatte, mit notariellem Vertrag vom 30. Januar 2008 wieder verkauft. Besitz, Nutzen und Lasten an dem Grundstück sollten am 24. Juli 2008 auf den Käufer übergehen. Allerdings hatten die Parteien vereinbart, dass der Vertrag nur wirksam werden sollte, wenn eine bestimmte behördliche Freistellungsbescheinigung erteilt wird. Die Bescheinigung lag tatsächlich erst am 10. Dezember 2008 vor. Das Finanzamt war der Meinung, der Verkauf sei innerhalb der gesetzlichen Zehnjahresfrist erfolgt und unterwarf den Gewinn des Klägers in Höhe von rund 125.000 Euro der Besteuerung.

 

Der hiergegen gerichteten Klage gab der 10. Senat jetzt statt. Maßgeblich für die Frage, ob ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft im Sinne der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliege, sei die Wirksamkeit des Vertrages vom 30. Januar 2008. Diese sei nicht vor Ablauf der Zehnjahresfrist eingetreten, denn die Wirksamkeit des Vertrages habe unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der Freistellungsbescheinigung gestanden. Diese Bedingung sei jedoch erst nach Ablauf der Spekulationsfrist eingetreten, so dass die Veräußerung steuerfrei sei. Dies gelte unabhängig davon, dass der Bedingungseintritt von der Entscheidung einer nicht am Vertrag beteiligten Behörde abhängig gewesen sei. Der Eintritt der Bedingung wirke – so der Senat – auch nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück.

 

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen.

 

Finanzgericht Münster, 10 K 15/12 E

Datum:
22.05.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 15/12 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2011 wird dahingehend geändert, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers aus dem Grundstücksverkauf an die Stadt A-Stadt (notarieller Vertrag vom 30.01.2008, UR-Nr. 10/2008, Notar N…., A-Stadt) nicht der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterworfen wird. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Zu entscheiden ist, ob der Kläger durch die Veräußerung eines Grundstücks im Jahr 2008 den Tatbestand eines steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfts gemäߠ  § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) verwirklicht hat.

3Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 03.03.1998 von der Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung ein Teilgrundstück in A-Stadt, Grundbuchblatt 1900, Gemarkung A-Stadt, Flur 6 Stück 43 (UR-Nr. 38/1998 des Notars N…. mit dem Amtssitz in A-Stadt). In § 3 des Kaufvertrages wurde als Stichtag für den Besitzübergang der 01.04.1998 vereinbart. In § 4 des Kaufvertrages verpflichtete sich der Käufer für den Fall, dass das Kaufgrundstück oder Teile davon innerhalb von zehn Jahren nach der Umschreibung im Grundbuch einer höherwertigen Planung zugeführt würden, dem Verkäufer die sich daraus ergebende Wertsteigerung zu erstatten. Das in der Folgezeit neu vermessene Grundstück wird seit 1999 unter dem Grundbuchblatt 6132 Gemarkung A-Stadt Flur 6 Flurstück 464, „B-Straße“, geführt.

4Der Kläger vermietete das Grundstück „B-Straße“ an die X………. GmbH.

5Am 30.01.2008 schloss der Kläger mit der Stadt A-Stadt einen notariellen Kaufvertrag über das bebaute Grundstück „B-Straße“ (UR-Nr. 10/2008 des Notars N…., A-Stadt). Der Kaufpreis in Höhe von 309.632 Euro sollte gemäß § 3 des Kaufvertrages eine Woche nach Vorlage einer Bankbürgschaft in Höhe des Kaufpreises gegenüber der Käuferin fällig sein. Außerdem wurde in § 3 des Kaufvertrages der beurkundende Notar angewiesen, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst dann zu beantragen, wenn ihm der Zahlungseingang des vollständigen Kaufpreises durch den Verkäufer mitgeteilt wird und die Entwidmung durch die Deutsche Bundesbahn vorliegt. Gemäß § 5 des Kaufvertrages war der Kläger verpflichtet, der Käuferin das Grundstück am 24.07.2008 zu übergeben, Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr sollten mit diesem Zeitpunkt auf die Käuferin übergehen. In § 7 des Kaufvertrages wurde festgehalten, dass die Käuferin vom beurkundenden Notar über die Risiken einer Kaufpreiszahlung bei schwebender Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen worden sei und es dennoch bei der Kaufpreisfälligkeit wie in § 3 des Kaufvertrages geregelt bleiben solle. In § 8 des Kaufvertrages war geregelt, dass die Kaufvertragsparteien sich darüber einig seien, dass das Eigentum an dem verkauften Grundstück vom Verkäufer auf die Käuferin übergehen solle und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bewilligt und beantragt werde. Ferner wurde in § 8 die Eintragung einer Erwerbsvormerkung zugunsten der Käuferin bewilligt und beantragt. § 9 des Kaufvertrages sah vor, dass der Vertrag „[…] nur dann wirksam [wird] (schwebend bedingt), wenn die Deutsche Bundesbahn bzw. die dafür zuständige Behörde/Amt die Entwidmung dieses Grundstücks erklärt hat.“ Weiter war in § 9 geregelt, dass, sollte die Entwidmung versagt werden, der Kaufvertrag, „[…] soweit bereits abgewickelt (Kaufpreiszahlung) […]“, aufgehoben und rückabgewickelt werden soll. Für den Fall der Rückabwicklung enthielt § 9 die Verpflichtung des Verkäufers, auf Verlangen den Kaufpreis ohne Zinsen innerhalb von 14 Tagen nach Zahlungsaufforderung an die Käuferin zu erstatten. § 9 sah schließlich vor, dass die Käuferin in alle Verpflichtungen des Klägers aus dem Grundstückskaufvertrag vom 03.03.1998 (UR-Nr. 38/1998 des Notars N…. mit dem Amtssitz in A-Stadt) eintreten sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 30.01.2009 Bl. 23 bis 29 GA, Bezug genommen.

6Unter dem 10.12.2008 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Stadt A-Stadt einen Freistellungsbescheid, mit dem das Grundstück „B-Straße“ von Bahnbetriebszwecken freigestellt wurde. In einem begleitenden Schreiben gleichen Datums teilte das Eisenbahn-Bundesamt der Stadt A-Stadt mit, dass die Grundstücksfläche damit vollständig in die Planungshoheit der Gemeinde zurückfalle.

7Mit Schreiben vom 26.01.2009 teilte der beurkundende Notar N…. dem Kläger mit, dass ihm die Stadt A-Stadt mitgeteilt habe, dass die Entwidmung des Grundstücks „B-Straße“ rechtskräftig geworden sei und er die Eigentumsumschreibung beantragt habe.

8In seiner Einkommensteuererklärung 2008 gab der Kläger an, dass private Veräußerungsgeschäfte, insbesondere Grundstücks- und Wertpapierveräußerungen, nicht getätigt worden seien.

9Im Einkommensteuerbescheid 2008 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 65.525 Euro fest und berücksichtigte dabei Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 124.776 Euro aufgrund der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße“ durch den Kläger. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass für die Berechnung des Zehnjahreszeitraums gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend sei, in dem der obligatorische Vertrag abgeschlossen werde. Der Übergang von Nutzen und Lasten sei unerheblich.

10Den gegen die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Grundstücks „B-Straße“ eingelegten Einspruch des Klägers wies der Beklagte als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete dies wiederum damit, dass grundsätzlich der Abschluss des obligatorischen Geschäfts für die Berechnung des Zehnjahreszeitraums gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgeblich sei. Es lägen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, welche eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Die Parteien des Kaufvertrages vom 30.01.2008 seien sich auch von Anfang an darüber einig gewesen, dass der Vertrag wie vereinbart durchgeführt würde, wenn das Eisenbahn-Bundesamt die Freistellung erteilte. Lediglich in dem Fall, dass das Eisenbahn-Bundesamt die Entwidmung versagt hätte, hätte der Kaufvertrag aufgehoben und rückabgewickelt werden sollen. Auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sei jedenfalls dann auf den ursprünglichen Abschlusszeitpunkt des Kaufvertrages abzustellen, wenn lediglich die Genehmigung eines am Vertrag nicht selbst beteiligten Dritten ausstehe, soweit der Vertragsabschluss für die Beteiligten selbst bindend sei. Da im Streitfall die Wirksamkeit des Kaufvertrages von der Genehmigung eines Dritten abhänge, seien für die Berechnung der Zehnjahresfrist wie im Regelfall die obligatorischen Rechtsgeschäfte maßgebend.

11Mit seiner hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend, dass die Zehnjahresfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im Hinblick auf das Grundstück „B-Straße“ abgelaufen sei. Es komme nicht allein auf den Zeitpunkt der notariellen Urkundserrichtung an, sondern auf den Vertragsschluss und den Zeitpunkt, an dem dem Grundstückskäufer die wirtschaftliche Verfügungsmacht verschafft werde, also auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Steuerlich seien nicht ausschließlich die schuldrechtlichen Vereinbarungen maßgeblich, sondern in erster Linie der wirtschaftliche Gehalt eines Veräußerungsvorgangs. Der Streitfall weiche außerdem insofern vom Regelfall ab, als der Vertragsschluss und der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums weit hinter dem Zeitpunkt der notariellen Beurkundung gelegen hätten. Der Kaufvertrag vom 30.01.2008 sei außerdem unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt geschlossen und deshalb erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung am 10.12.2008 wirksam geworden. Hierauf sei es nicht nur dem Kläger, sondern auch der Stadt A-Stadt als Käuferin angekommen. Der Kläger und der Käufer hätten am 30.01.2008 noch keine bindenden Willenserklärungen abgegeben. § 9 des Kaufvertrages bedürfe nicht der Auslegung, weil er den Parteiwillen klar und deutlich wiedergebe. Zudem habe auch der beurkundende Notar darauf hingewiesen, dass die „Spekulationsfrist“ von zehn Jahren nicht unterschritten werden dürfe. Darauf sei der Kläger auch von seinem steuerlichen Berater hingewiesen worden. Der Kläger habe außerdem kein Interesse an einem Vertragsschluss am 30.01.2008 gehabt, weil er bei einem Verkauf innerhalb einer gleichlaufenden Zehn-Jahres-Frist einen anteiligen Mehrerlös an seinen damaligen Verkäufer, die Deutsche Bahn Immobilien GmbH, hätte zahlen müssen.

12Auch die weiteren Schritte der Vertragsabwicklung bestätigten, dass der Vertragsschluss unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgte. In § 7 Abs. 8 des Kaufvertrages vom 30.01.2008 werde der Käufer auf die Risiken einer vorzeitigen Kaufpreiszahlung hingewiesen. Gemäß § 3 Abs. 2 des Kaufvertrages habe sich die Käuferin dieses Risiko durch eine Bürgschaft absichern lassen. Ferner sei der beurkundende Notar in § 3         Abs. 8 des Kaufvertrages angewiesen worden, die Auflassungserklärung erst nach Vorliegen der Entwidmungserklärung des Eisenbahnbundesamtes an das Grundbuchamt weiterzuleiten. Der Umstand, dass die Kaufpreiszahlung vor Erteilung der Freistellungsbescheinigung erfolgt sei, bedeute nicht, dass die Parteien des Kaufvertrages sich so hätten stellen wollen, als würde der Vertrag sofort wirksam geschlossen.

13Der Kläger beantragt,

14

  • 151 den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 03.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2011 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers aus dem Grundstücksverkauf an die Stadt A-Stadt mit notariellem Vertrag vom 30.01.2008 (UR-Nr. 10/2008, Notar N…., A-Stadt) nicht besteuert wird,

16

  • 172 dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

18

  • 193 die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

20Der Beklagte beantragt,

21

  • 221 die Klage abzuweisen,

23

  • 242 hilfsweise,

25die Revision zuzulassen.

26Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

27Mit Schreiben vom 22.04.2013 hat die Stadt A-Stadt gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu dessen Frage, ob der Kaufvertrag vom 30.01.2008 aufschiebend bedingt geschlossen worden sei, auf ein Protokoll vom 05.03.2008 aus der Sitzung des Ausschusses für Grundstücke und Gebäude am 22.01.2008 verwiesen, in dem es heißt, dass der Kaufvertrag nur unter der aufschiebenden Bedingung der Entwidmung des Kaufgrundstücks durch das Eisenbahnbundesamt geschlossen werden könne, der Kläger aber auf eine Kaufpreiszahlung sofort nach Vertragsabschluss bestehe und sich deshalb die Frage stelle, in welcher Form eine Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des Kaufpreises gesichert werden könne. Weiter hat die Stadt A-Stadt in dem Schreiben vom 22.04.2013 ausgeführt, dass diese Sicherung dann durch eine Bankbürgschaft erfolgt sei.

28Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.

29Entscheidungsgründe

301. Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2011 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), als der Beklagte den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße“ der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterworfen hat.

31a) Die Voraussetzungen der § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für eine Besteuerung des Gewinns des Klägers aus der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße“ liegen nicht vor.

32Gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind als sonstige Einkünfte steuerpflichtig u.a. Gewinne aus einem Veräußerungsgeschäft bei einem Grundstück, bei dem der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Im Streitfall lagen zwischen der Anschaffung des Grundstücks „B-Straße“ und der Veräußerung mehr als zehn Jahre.

33aa) Maßgeblicher Anschaffungszeitpunkt iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für das Grundstück „B-Straße“ war der Tag des Abschlusses des Kaufvertrages mit der Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung am 03.03.1998. Für den Zeitpunkt der Anschaffung iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, der schuldrechtlichen Vereinbarung maßgeblich (BFH IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171). Auf den dinglichen Vollzug kommt es nicht an.

34bb) Die zehnjährige Veräußerungsfrist iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG war vorliegend abgelaufen. Eine wirksame Veräußerung war nicht schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.01.2008 anzunehmen. Es kann offen bleiben, ob die Veräußerung bereits mit Übergang von Nutzen, Lasten, Besitz und Gefahr des Grundstücks „B-Straße“ auf die Käuferin am 24.07.2008 oder erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt am 10.12.2008 vollzogen war, denn die zehnjährige Veräußerungsfrist war zu beiden Zeitpunkten abgelaufen.

35(1) Für den Zeitpunkt der Veräußerung eines Grundstücks und damit für die Berechnung des Zehnjahres-Zeitraums gemäß § 23 Abs. 1 S. 1  Nr. 1 EStG kommt es ebenfalls auf den Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen (Verkaufs-) Vertrages, also des zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts an (vgl. nur BFH v. 02.10.2001, IX R 45/99, BStBl. II 2002, 10 m.w.N.). Der Vertragsabschluss muss innerhalb der Spekulationsfrist für beide Vertragsparteien bindend sein (BFH a.a.O.). Im Einzelfall kann bereits vor Zustandekommen des schuldrechtlichen Vertrages eine Veräußerung iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angenommen werden, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten bereits übergegangen sind und der Verkauf damit bereits vor seinem wirksamen Zustandekommen wirtschaftlich vollzogen ist (BFH v. 02.10.2001, IX R 45/99, BStBl. II 2002, 10).

36(2) Eine Veräußerung ist vorliegend nicht schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.01.2008 anzunehmen, da der Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht zivilrechtlich wirksam war. Der Kaufvertrag über das Grundstück „B-Straße“ ist erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Stadt A-Stadt am 10.12.2008 wirksam geworden, da er unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung dieser Freistellungsbescheinigung geschlossen wurde. Auf diese zivilrechtliche Wirksamkeit kommt es für Zwecke des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG an.

37(a) § 9 des Kaufvertrages vom 30.01.2008 sah vor, dass der Vertrag „[…] nur dann wirksam [wird] (schwebend bedingt), wenn die Deutsche Bundesbahn bzw. die dafür zuständige Behörde/Amt die Entwidmung dieses Grundstücks erklärt hat.“ Diese vertragliche Bestimmung ist unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien und des Gesamtzusammenhangs der vertraglichen Regelungen als aufschiebende Bedingung iSv § 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen. Der Grundstückskaufvertrag sollte nach dem Vertragswillen der Beteiligten nicht unmittelbar mit Vertragsschluss am 30.01.2008, sondern erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung wirksam zustande kommen.

38Bereits der Wortlaut des § 9 des Grundstückskaufvertrages vom 30.01.2008 („… nur dann wirksam wird…“) spricht für eine aufschiebende Bedingung. Weiter heißt es in § 9 zwar, dass der Vertrag „aufgehoben und rückabgewickelt“ wird, wenn die Entwidmung versagt werden sollte und es wird eine detaillierte Regelung für die Rückerstattung des Kaufpreises an die Stadt A-Stadt getroffen. Die Formulierung „rückabwickeln“ könnte nahelegen, dass der Grundstückskaufvertrag zunächst wirksam sein und alle vereinbarten Rechtsfolgen entfalten sollte. Die Fälligkeit des Kaufpreises ist aber die einzige Rechtsfolge, die unmittelbar mit Abschluss des Kaufvertrages bzw. Vorlage der Bankbürgschaft eintreten sollte. Der Übergang von Nutzen und Lasten des Grundstücks sollte erst am 24.07.2008 erfolgen. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch sollte ebenfalls erst nach Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt erfolgen. Auch aus dem Schreiben der Stadt A-Stadt vom 22.04.2013 bzw. dem darin zitierten Protokoll vom 05.03.2008 der Sitzung des Ausschusses für Grundstücke und Gebäude am 22.01.2008 ergibt sich, dass der Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Entwidmung des Kaufgrundstücks durch das Eisenbahnbundesamt geschlossen werden sollte und nur die Kaufpreiszahlung auf Wunsch des Klägers sofort nach Vertragsabschluss erfolgen sollte. Dementsprechend wurde auch nur der mögliche Anspruch der Stadt A-Stadt auf Rückzahlung des Kaufpreises durch eine Bankbürgschaft gesichert. Die Sicherung des Eigentums des Klägers an dem Grundstück für den Fall der Versagung der Freistellungsbescheinigung erfolgte bereits dadurch, dass die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bei Versagung der Genehmigung nicht erfolgt wäre (§ 3 des Kaufvertrages vom 30.01.2008).

39Darüber hinaus ergibt sich der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien, dass der Kaufvertrag aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Freistellungsbescheinigung des Eisenbahn-Bundesamtes geschlossen werden sollte, auch daraus, dass in § 7 des Kaufvertrages ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Käuferin vom beurkundenden Notar über die Risiken einer Kaufpreiszahlung bei schwebender Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen worden sei.

40Schließlich ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass zumindest der Kläger kein Interesse an einem wirksamen und bindenden Vertragsschluss am 30.01.2008 gehabt haben konnte, weil für ihn nach den Regelungen des Kaufvertrages über die Anschaffung des Grundstücks vom 30.03.1998 bei einem Verkauf innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach der Umschreibung im Grundbuch das Risiko bestand, einen anteiligen Mehrerlös an seinen damaligen Verkäufer, die Deutsche Bahn Immobilien GmbH, auskehren zu müssen. In § 9 des Grundstückskaufvertrages vom 30.01.2008 hat die Stadt A-Stadt ausdrücklich bestätigt, dass ihr die Regelungen des Vertrages vom 30.03.1998 bekannt seien und sie in alle Verpflichtungen aus diesem Vertrag eintrete.

41(b) Der maßgebliche Veräußerungszeitpunkt lag nicht bereits in der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.01.2008. Für Zwecke des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Kaufvertrages an. Im Kaufvertrag vom 30.01.2008 hatten zwar der Kläger und die Stadt A-Stadt bindende Willenserklärungen abgegeben. Der Vertrag war aber aufgrund der vereinbarten aufschiebenden Bedingung bis zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt schwebend unwirksam.

42Der maßgebliche Veräußerungszeitpunkt iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bestimmt sich danach, wann der schuldrechtliche (Verkaufs-)vertrag zivilrechtlich wirksam geworden ist. Die zivilrechtliche Wirksamkeit tritt gemäß § 158 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung ein, der Zeitpunkt des Bedingungseintritts ist damit maßgeblich für den Fristablauf gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Senat folgt insofern nicht der zur Grunderwerbsteuer vertretenen Auffassung des  II. Senats des Bundesfinanzhofs, wonach ein Erwerbsvorgang bereits dann verwirklicht sein kann, wenn die Rechtswirkungen eines Rechtsgeschäfts noch von dem Eintritt einer Bedingung oder Erteilung einer Genehmigung abhängen, durch die Abgabe wirksamer Willenserklärungen aber bereits eine Bindung der Vertragsbeteiligten an das vorgenommene Rechtsgeschäft eingetreten ist (BFH v. 18.05.1999 II R 16/98, BStBl. II 1999, 606). Die Parteien eines genehmigungsbedürftigen oder bedingten Rechtsgeschäfts seien im Regelfall durch den Vertragsabschluss gebunden und könnten die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen (BFH a.a.O.). Der  IX. Senat des Bundesfinanzhofs hat in einer Entscheidung zu § 23 EStG ausdrücklich offen gelassen, ob eine Veräußerung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch dann vorliegen kann, wenn eine für den Eintritt der Wirksamkeit erforderliche Genehmigung eines Dritten, der am Vertrag selbst nicht beteiligt ist, fehlt (BFH v. 02.10.2001 IX R 45/99, BStBl. II 2002, 10).

43Der Senat vertritt die Auffassung, dass es für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht ausreicht, wenn die Vertragsbeteiligten wie vorliegend zwar bindende Willenserklärungen abgegeben haben, der Vertrag aber wegen Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung oder eines Genehmigungsvorbehalts noch schwebend unwirksam ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit und damit des Bedingungseintritts bzw. der Erteilung der Genehmigung. Frühestens von diesem Zeitpunkt an können tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bis dahin schwebend unwirksamen Vertrag gezogen und die Rechte der Vertragsbeteiligten durchgesetzt werden. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung erfordert, nur einen verwirklichten Tatbestand der Besteuerung zugrunde zu legen.

44(c) Die spätere Erteilung der Freistellungsbescheinigung hat auch nicht dazu geführt, dass der Grundstückskaufvertrag rückwirkend gemäß § 184 BGB wirksam geworden ist. Bei der Erteilung der Freistellungsbescheinigung handelte es sich nicht um eine Genehmigung des Kaufvertrages iSv § 184 BGB, sondern um eine aufschiebende Bedingung gemäß § 158 BGB, deren Eintritt keine rückwirkende Wirkung entfaltet. Im Übrigen wäre auch eine Rückwirkung gemäß § 184 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht in die Spekulationsfristberechnung einzubeziehen (BFH           v. 2. Oktober 2001, IX R 45/99, BStBl II 2002, 10; BFH v. 7. Juni 2006, IX R 4/04, BStBl II 2007, 294; BFH v. 16. Oktober 2007, VIII R 21/06, BStBl II 2008, 126; BFH v. 29. Mai 2009, IX B 23/09 – juris –).

45b) Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte den Veräußerungsgewinn der Höhe nach zutreffend bestimmt hat, weil schon die Voraussetzungen der § 22 Nr. 2 iVm § 23            Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für eine Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße“ dem Grunde nach nicht vorlagen.

462. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

473. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139           Abs. Abs. 3 Satz 3 FGO wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für notwendig zu erklären.

484. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Maklerkosten können Werbungskosten bei Vermietungseinkünften sein!

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem heute veröffentlichen Urteil entschieden, dass Maklerkosten, die im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Hauses anfallen, Werbungskosten bei Vermietungseinkünften sein können, die der Steuerpflichtige aus anderen Objekten erzielt (Urteil vom  22. Mai 2013, 10 K 3103/10 E). Dies ist – so der Senat – dann der Fall, wenn und soweit der Veräußerungserlös tatsächlich für die Finanzierung der Vermietungsobjekte verwendet wird, diese Verwendung von vornherein beabsichtigt war und dementsprechend z.B. durch entsprechende vertragliche Bestimmungen im Kaufvertrag endgültig festgelegt wird.

Der Senat hat damit über eine höchstrichterlich noch ungeklärte und im Zusammenhang mit anderen Einkunftsarten vom Bundesfinanzhof abweichend beurteilte Frage entschieden. Die für Steuerpflichtige positive Entscheidung des 10. Senates dürfte auf breites Interesse stoßen und den Inhalt künftiger Vertragsregelungen beeinflussen.

Im Streitfall hatte der Kläger eines seiner drei Objekte, aus denen er Vermietungseinkünfte erzielte, verkauft und dazu einen Makler beauftragt. Die Finanzierung der weiterhin vom Kläger vermieteten Wohn-/Geschäftshäuser war über eine Grundschuld auf dem veräußerten Grundstück abgesichert. In dem Vertrag war festgelegt, dass der Kaufpreis in wesentlichen Teilen zur Tilgung von Darlehen, die der Finanzierung der beiden anderen Vermietungsobjekte dienten, verwendet und daher direkt an die finanzierenden Banken überwiesen werden sollte. Insoweit, als der Kaufpreis anteilig zur Darlehnstilgung verwendet wurde, sah der Kläger den damit zusammenhängenden Teil der Maklerkosten als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften an. Das Finanzamt lehnte einen entsprechenden Werbungskostenabzug jedoch ab.

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster gab dem Kläger Recht. Es sei möglich, dass Veräußerungskosten zugleich als Geldbeschaffungskosten im Veranlassungszusammenhang mit der Erzielung von Vermietungseinkünften durch ein anderes Wirtschaftsgut stehen können. Allerdings sei dies nicht ausnahmslos der Fall, sondern nur dann, wenn und soweit der Veräußerungserlös – wie im Streitfall – tatsächlich für die Finanzierung der Vermietungsobjekte verwendet werde und diese Verwendung von vornherein beabsichtigt und im Vertrag endgültig festgelegt sei.

Der 10. Senat hat die Revision zugelassen.

Pressemitteilung Nr. 7 vom 01.07.2013

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Finanzgericht Münster, 10 K 3103/10 E

Datum:
22.05.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 3103/10 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 15.4.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.8.2010 wird dahingehend geändert, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 23.730,51 € berücksichtigt werden.

Die Berechnung der geänderten Steuerfestsetzung wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen

1T a t b e s t a n d

2Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger angefallene Maklerkosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen sind.

3Der Kläger erzielte im Streitjahre 2007 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den folgenden drei Objekten:

4- Wohn- und Geschäftshaus „B-Straße 1“ in A-Stadt

5- Wohn- und Geschäftshaus „C-Straße 2 18“ in A-Stadt

6- Parkplätze „C-Straße 2 7“ in A-Stadt

7Das Objekt „B-Straße 1“ war über ein Darlehen bei der D-Bank AG finanziert worden (Darlehen-Nr. 5181311.017 i.H.v. 660.000 € und 5181300.026 i.H.v. 540.000 €). Das Objekt „C-Straße 2 7“ war über ein Darlehen bei der E…-Bank-Bank A-Stadt eG finanziert worden (Darlehen-Nr. 250 144 574 i.H.v. 140.000 €). Nach dem Vorbringen des Klägers waren beide Darlehen auf Verlangen der beiden Banken ganz oder zum Teil grundbuchlich (über Grundschulden) mit dem Objekt „C-Straße 2 18“ abgesichert (bei dem Objekt „B-Straße 1“ sei zudem eine Grundschuld auf dem Objekt selbst eingetragen worden). Auch der Beklagte (das Finanzamt –FA–) geht davon aus, dass die vorgenannten Darlehen jeweils tatsächlich für die Anschaffung der beiden Objekte verwendet wurden und die auf die Darlehen anfallenden bzw. gezahlten Schuldzinsen daher beim Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der beiden Objekte abziehbar sind. Der Schuldzinsenabzug wurde vom FA auch in den entsprechenden Veranlagungszeiträumen jeweils anerkannt.

8Zu den Darlehen der D-Bank AG liegt eine Darlehenszusage vom 14.2.2003 vor, in der die Mithaftung des Objekts „C-Straße 2 18“ vorgesehen ist. Zu dem Darlehen der E…-Bank-Bank A-Stadt eG liegt der (undatierte) Darlehensvertrag vor, in dem als Sicherheit ebenfalls das Objekt „C-Straße 2 18“ vorgesehen ist. Weitere Unterlagen über die tatsächliche Verwendung der Darlehensbeträge liegen allerdings nicht vor.

9Das Objekt „C-Straße 2 18“ hatte der Kläger mit notarieller Urkunde vom 30.3.1995 entgeltlich erworben.

10Ab 2006 kam es bei den Objekten „C-Straße 2 18“ und „B-Straße 1″ zu mehreren Mietausfällen. Im Einzelnen handelte es sich nach dem Vorbringen des Klägers um folgende Ausfälle:

11C-Straße 2 18:

12- Kündigung einer Gewerbeeinheit durch die Fa. X…. vom 20.2.2006 zum 28.2.2007 (lt. Kläger Miete mtl. 1.247,02 €)

13- Kündigung einer Wohnung durch Herrn M1…. vom 31.7.2007 zum 31.10.2007 (lt. Kläger Miete mtl. 1.300,10 €, Angebot, Nachmieter zu stellen)

14- Kündigung einer Wohnung durch Herrn M2…. vom 27.11.2006 zum 28.2.2007 (lt. Kläger Miete mtl. 391 €, Ankündigung, er werde sich um einen Nachmieter bemühen)

15B-Straße 1:

16- Privatinsolvenz des Mieters einer Wohnung (Herr Maik M3…., lt. Kläger Miete mtl. 447 €)

17- Insolvenz des Mieters einer Gewerbeeinheit (Friseur M4…., lt. Kläger Miete mtl. 1.882,32 €)

18- Kündigung einer Wohnung durch Frau M5…. vom 29.1.2008 zum nächstmöglichen Termin (Miete lt. Kläger mtl. 603,54 €)

19Ob und wie lange die vorgenannten Objekte jeweils tatsächlich leer standen und in welcher Höhe die Mieten daher tatsächlich ausgefallen sind, ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Auf die Ausführungen des Klägers zu den vorgenannten Mietausfällen und den hierzu eingereichten Unterlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen (siehe Schriftsätze des Klägervertreters vom 18.8.2010 sowie die Anlagen zu diesem und vom 19.4.2013).

20Mit notariellem Vertrag vom 20.7.2007 veräußerte der Kläger das Objekt C-Straße 2 18“ für einen Kaufpreis von 1.400.000 € an eine dänische Fondsgesellschaft (die Fa. ……………….., im Folgenden: Y…). Laut den Ausführungen in dem Vertrag waren im Grundbuch des Objekts Grundschulden i.H.v. 850.000 € für die E…-Bank-Bank A-Stadt eG und i.H.v. 1.200.000 € für die D-Bank AG eingetragen. Nach § 2 des Vertrags war der Kaufpreis vom Käufer mit den Beträgen, die zur Ablösung der vorgenannten Grundschulden erforderlich waren, an die Gläubiger der Grundschulden und mit dem Restbetrag an den Verkäufer zu zahlen. Nach § 4 des Vertrags sollte der Besitz etc. an dem Objekt mit dem auf die vertragsgemäße Zahlung folgenden Monatsersten auf den Käufer übergehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 20.7.2007 Bezug genommen.

21Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung überwies die Y… die folgenden Teile des Kaufpreises direkt zur Tilgung der o.g. Darlehen des Klägers bei der D-Bank AG und der (nunmehrigen) E…-Bank-Bank West eG:

22- 513.349,44 € (512.779,81 € am 3.9.2007 und 569,63 € am 10.9.2007) auf das Darlehenskonto Nr. 5181300.026 bei der D-Bank AG

23- 86.650,56 € auf das Darlehenskonto Nr. 51813111.017 bei der D-Bank AG (am 3.9.2007)

24- 64.661,40 € auf das Darlehenskonto Nr. 250 144 584 bei der E…-Bank-Bank eG (am 4.9.2007)

25Laut zwei Kontoauszügen der D-Bank AG und eines Kontosauszugs der E…-Bank-Bank eG wurden die vorgenannten Beträge dort als Tilgungsbeträge auf die vorgenannten Darlehen verbucht. Die tatsächlich von der Y… an die jeweiligen Banken überwiesenen Beträge überstiegen die vorgenannten Beträge, da ein Teil der Zahlungen auch für Kosten im Zusammenhang mit der Ablösung der Darlehen verbucht wurden (siehe Schriftsatz des Klägervertreters vom 19.4.2013 und das in der Anlage dazu beigefügte Schreiben des Rechtsanwalts der Y… vom 11.9.2007).

26Bei der Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ war ein Immobilienmakler eingeschaltet. Mit Schreiben vom 29.8.2007 stellte dieser dem Kläger für die Vermittlung des Käufers Y… eine Courtage von 49.980 € (42.000 € zzgl. Umsatzsteuer) in Rechnung (mit Fälligkeit zum 10.9.2007). Nach dem Vorbringen des Klägers hätten bei dem Verkauf sowohl er als Verkäufer als auch die Y… als Käufer je die Hälfte der Maklerkosten tragen müssen. Der in der auf ihn lautenden Rechnung ausgewiesene Betrag sei der von ihm zu tragende Anteil gewesen. Der Grund dafür, dass auch er als Verkäufer einen Teil der Maklerkosten habe tragen müssen, sei, dass es um einen schnellen Verkauf gegangen sei (siehe zu diesem Vorbringen das Protokoll über den Erörterungstermin vom 1.3.2013).

27In seiner Einkommensteuererklärung 2007 machte der Kläger einen Teil der o.g. Maklerkosten i.H.v. 23.730,51 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, und zwar bei den Objekten „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“. Hierzu legte er eine Berechnung bei, nach der die Kaufpreisbeträge, die zur Tilgung der o.g. und zur Finanzierung des Objekts „B-Straße 1“ aufgenommenen Darlehen bei der D-Bank AG verwendet wurden, 36,67 % und 6,69 % des gesamten Kaufpreises ausmachen, was einem Anteil an den Maklerkosten von 18.327,67 € und 3.093,76 € entspreche. Der Kaufpreisbetrag, der zur Tilgung des o.g. und zur Finanzierung des Objekts „C-Straße 2 7“ aufgenommenen Darlehens bei der E…-Bank-Bank West eG , mache 4,62 % des gesamten Kaufpreises aus, was einem Anteil an den Maklerkosten von 2.309,08 € entspreche.

28Unter dem Datum vom 15.4.2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid 2007, in dem es den vorgenannten Betrag nicht als Werbungskosten berücksichtigte. Die Aufwendungen dienten nicht der Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der beiden verbleibenden Objekte, sondern seien aufgrund der Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ entstanden.

29Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Die Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ und damit die Maklerkosten hätten zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus den anderen beiden Objekten „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“ gedient, und zwar insoweit als der Veräußerungserlös zur Tilgung der Darlehen verwendet worden sei, die für die Anschaffung der beiden letztgenannten Objekte aufgenommen worden seien. Diese Verwendung des Veräußerungserlöses sei auch bereits bei dem Verkauf so beabsichtigt gewesen und die Kaufpreiszahlung im Vertrag vom 29.7.2007 entsprechend vereinbart worden. Auch hätten die Banken als Darlehensgeber der vorgenannten Darlehen, die über die Grundschulden auf dem veräußerten Objekt „C-Straße 2 18“ abgesichert worden seien, eine Tilgung bzw. Ablösung der Darlehen zur Bedingung für die Erteilung einer Löschungsbewilligung gemacht. So habe die D-Bank AG insoweit eine Tilgung des von ihr erteilten Darlehens i.H.v. 600.000 € verlangt. Hierzu reichte der Kläger den Ausdruck einer e-mail der D-Bank AG vom 5.6.2007 ein, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Dass die Tilgungen durch den Veräußerungserlös zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus den beiden verbliebenen Objekten gedient hätten, zeige sich auch dadurch, dass durch die Tilgungen die Zinsbelastung bei dem Objekt „B-Straße 1“ erheblich gesunken und bei dem Objekt „C-Straße 2 7“ sogar vollständig entfallen sei. Hierzu führte der Kläger außerdem ein Urteil des 9. Senats des BFH vom 14.1.2004 (IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091) an. Der BFH habe dort entschieden, dass eine im Zusammenhang mit einer Grundstücksveräußerung gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zu den Finanzierungskosten eines neuen Mietobjekts gehört, wenn und soweit der nach der Darlehenstilgung verbleibende Restkaufpreis zur Finanzierung dieses Objekts tatsächlich verwendet werde. Die im Streitfall in Rede stehenden Maklerkosten seien ebenso zu behandeln. Darüber hinaus ergebe sich im Streitfall der Veranlassungszusammenhang mit den Vermietungseinkünften aus den verbliebenen Objekten auch daraus, der Kläger gegen Ende des Jahres 2006 und im Jahr 2007 erhebliche Mietausfälle in den Objekten „C-Straße 2 18“ und „B-Straße 1“ von über 6.000 € monatlich erlitten habe. Aufgrund dieser Mietausfälle sei der Verkauf des Objekts „C-Straße 2 18“ notwendig geworden.

30Mit Einspruchsentscheidung vom 4.8.2010 änderte das FA die Einkommensteuer in einem anderen, hier nicht relevanten Punkt und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Auslösendes Moment für die Entstehung der Maklerprovision sei die Veräußerung des Objekts, die in die nicht steuerbare Vermögenssphäre falle und – abgesehen von Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 22 Nr. 2, § 23 EStzG – keinem einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich zugeordnet werden könne. Aus diesem Grund habe der BFH auch etwa Maklerkosten, die aus Anlass eines beruflich veranlassten Umzugs anfallen, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG angesehen (Hinweis auf BFH-Urteile vom 24.5.2000 VI R 147/99, BStBl II 2000, 476; vom 15.11.1991 VI R 36/89, BStBl II 1992, 492). Des Weiteren habe etwa das FG Hamburg entschieden, dass Veräußerungskosten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Wertpapieren auch dann nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen, wenn der Erlös zur Finanzierung des vermieteten Objekts verwendet werde. In der Literatur gebe es ähnliche Äußerungen (Hinweis auf Hermann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Anm. 750 Stichwort „Veräußerungskosten“, Littmann/Bitz/Pust, § 9 EStG Anm. 530 Stichwort „Verkaufsaufwendungen“). Dass nach dem BFH für Vorfälligkeitsentschädigungen ausnahmsweise etwas anderes gelte, wenn bereits im Zeitpunkt der Veräußerung der endgültig gefasste Entschluss zur entsprechenden Verwendung des Veräußerungserlöses bestehe, ändere nichts an der Beurteilung des Streitfalls. Anders als bei Maklerkosten handele es sich bei Vorfälligkeitsentschädigungen um Aufwendungen, die bei einem entsprechenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Einkunftsart bereits gesetzlich den Werbungskosten gleichgestellt würden.

31Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Klage. Das Vorbringen des Klägers entspricht im Wesentlichen dem Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ergänzend macht der Kläger geltend, entgegen dem FA könnten aufgrund der Rechtsprechung des BFH zu Vorfälligkeitsentschädigungen auch die hier in Rede stehenden Maklerkosten nicht anders behandelt werden. Dies zeige auch die Rechtsprechung zur Umwidmung von Darlehen, die den Schuldzinsenabzug betreffe. Danach könne ein Darlehen, welches zunächst für ein einkünfteerzielendes Objekt verwendet worden sei, aufgrund der Veräußerung dieses Objekts und einer entsprechenden Verwendung des Veräußerungserlöses einem neuen Objekt zugeordnet werden (Hinweis etwa auf FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.7.2009 9 K 251/07, EFG 2009, 1829). Des Weiteren macht er zu den von ihm angeführten Mietausfällen ergänzend geltend, die Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ sei auch aus diesem Grund notwendig gewesen, um die anderen beiden Objekte zu erhalten. Aufgrund der Ausfälle sei die zukünftige Bedienung der monatlichen Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus den drei Objekten nicht mehr gewährleistet bzw. gefährdet gewesen. Aufgrund der fallenden Mieteinnahmen und der wirtschaftlichen Verhältnisse hätten auch die Banken gefordert, die entsprechenden Darlehen auf den Objekten zurückzuführen. Die monatliche Belastung aus den Zins- und Tilgungsverpflichtungen habe 6.170,30 € betragen (74.043,60 € pro Jahr). Hinzu kämen weitere finanzielle Belastungen durch Werbungskosten (ohne Abschreibungen) i.H.v. 38.165 € pro Jahr. Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem Vorbringen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 19.4.2013 und die Anlagen zu diesem Bezug genommen.

32Der Kläger beantragt sinngemäß,

33den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 15.4.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.8.2010 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 23.730,51 € berücksichtigt werden,

34hilfsweise,

35die Revision zuzulassen.

36Das FA beantragt,

37die Klage abzuweisen.

38Zur Begründung verweist das FA auf sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung. In der mündlichen Verhandlung hat das FA ergänzend ausgeführt, ein Unterschied zwischen den hier in Rede stehenden Maklerkosten und den vom Kläger in Bezug genommenen Vorfälligkeitsentschädigungen bzw. der Rechtsprechung zu diesen besteht darin, dass die Vorfälligkeitsentschädigungen aufgrund der bestehenden vertraglichen Regelungen zwingend anfielen, während die Maklerkosten auf einer freiwilligen Entscheidung zur Einschaltung eines Maklers beruhten.

39Am 1.3.2013 hat ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Protokoll zu diesem Erörterungstermin wird Bezug genommen.

40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

41Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

42I. Die Maklerkosten, die aufgrund der Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ angefallen sind, sind in der vom Kläger geltend gemachten Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers nach § 21 EStG aus den beiden verbliebenen Objekten „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“ zu berücksichtigen.

431. Nach Auffassung des Senats sind die anteiligen Maklerkosten deshalb als Werbungskosten im vorgenannten Sinne zu berücksichtigen, weil der Kläger bereits bei der Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ die Absicht und zudem vertraglich festgelegt hatte, dass er den anteiligen Veräußerungserlös zur Finanzierung und damit zur Einkünfteerzielung mit den verbliebenen beiden Objekten verwendet, indem er mit diesem die zur Anschaffung dieser beiden Objekte aufgenommenen Darlehen tilgt. Der Senat sieht die anteiligen Maklerkosten aus diesem Grund als Geldbeschaffungskosten im Rahmen der Finanzierung dieser beiden Objekte an.

44a) Der Kläger beruft sich auf die Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zu durch die Veräußerung eines Mietobjekts ausgelösten Vorfälligkeitsentschädigungen als Finanzierungskosten eines neu erworbenen Mietobjekts. Soweit bei der Veräußerung eines Mietobjekts eine Vorfälligkeitsentschädigung bei dem für dieses aufgenommene Darlehen anfällt, hat der BFH diese grundsätzlich als Veräußerungskosten angesehen, die dem – abgesehen von § 23 EStG – nicht steuerbaren Vermögensbereich zuzuordnen und daher nicht als Werbungskosten abziehbar sind (so etwa BFH-Urteil vom 23.4.1996 IX R 5/94, BStBl II 1996, 595, unter 2.a; diese Einordnung könnte sich allerdings durch die jüngst geänderte Rechtsprechung des BFH zum nachträglichen Schuldzinsenabzug bei § 21 EStG geändert haben, vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20.6.2012 IX R 67/10, DStR 2012, 1801). Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH können aber Vorfälligkeitsentschädigungen im vorgenannten Sinne ausnahmsweise und unter bestimmten Umständen zu den Finanzierungskosten eines neuen Mietobjekts gehören. Zunächst hat der BFH hierzu verlangt, dass ein entsprechender Veranlassungszusammenhang mit dem neuen Objekt dann bestehe, wenn der Steuerpflichtige bereits bei der Veräußerung (z.B. im Kaufvertrag selbst oder zumindest bei dessen Abschluss) im vorhinein so unwiderruflich über den Restkaufpreis verfügt, dass er ihn unmittelbar in seiner Verwendung zum Erzielen von Einkünften aus diesem Objekt festlegt (so BFH-Urteil in BStBl II 1996, 595, unter 2.a, unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 21.6.1994 IX R 57/89, BFH/NV 1995, 106, welches eine entsprechende Beurteilung auf der Einnahmeseite betraf). Später hat der BFH diese strengere Anforderung nicht mehr verlangt und es genügen lassen, dass der Restkaufpreis tatsächlich zur Finanzierung des neuen Objekts verwendet wird (so BFH-Urteil vom 14.1.2004 IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091, unter II.1.; BFH-Beschluss vom 28.7.2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, unter 1.b, jeweils unter Aufgabe des o.g. Kriteriums aus dem BFH-Urteil in BStBl II 1996, 595; vgl. zu dieser Rechtsprechung auch Schmidt/Loschelder, 32. Aufl., § 9 EStG Rz. 92; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Anm. 97; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Anm. 385 „Vorfälligkeitsentschädigungen“; ablehnend jedoch Schießl, DStZ 2007, 466 ff.).

45Im Widerspruch zu der vorgenannten Beurteilung steht allerdings die Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG. Danach ist eine durch eine Veräußerung eines (Miet-)Objekts ausgelöste Vorfälligkeitsentschädigung in keinem Fall als Werbungskosten bei Einkünften aus einer neuen Kapitalanlage zu berücksichtigen, und zwar weder dann, wenn der Restkaufpreis tatsächlich für diese neue Kapitalanlage verwendet wurde, noch, wenn im o.g. Sinne bereits bei der Veräußerung entsprechend in endgültiger Weise über den Kaufpreis verfügt wurde (so BFH-Urteil vom 6.12.2005 VIII R 34/04, BStBl II 2006, 265, unter II.2.b bb und 3.; ablehnend hierzu Schmidt/Loschelder, 32. Aufl., § 9 EStG Rz. 92; Kempermann, FR 2006, 417 f.; zustimmend dagegen Schießl, DStZ 2007, 466 ff.). Der VIII. Senat des BFH hat sich hierbei so von der o.g. Rechtsprechung des IX. Senats des BFH abgegrenzt, dass eine Abweichung von dessen Urteil in BStBl II 1996, 595 nicht vorliege, da die dort vertretene Rechtsauffassung vom 9. Senat später selbst wieder aufgegeben wurde (nämlich im BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1091; vgl. hierzu aber Kempermann, FR 2006, 417 f., wonach der IX. Senat in dieser Entscheidung lediglich das o.g. strengere Kriterium aufgegeben habe, nicht aber die gesamte Rechtsprechung als solches, und der demgemäß von einer Unvereinbarkeit der beiden Entscheidungen ausgeht). Eine Abweichung von den späteren Entscheidungen des IX. Senats des BFH in BFH/NV 2004, 1091 und in BFH/NV 2005, 43 liege nicht vor, da dort die o.g. Rechtsprechung nicht tragend geworden sei, weil die vom IX. Senat aufgestellten Voraussetzungen in den dortigen Fällen nicht vorgelegen hätten (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2006, 265, unter II.3.).

46b) Des Weiteren beruft sich der Kläger auf die Rechtsprechung des BFH zur Umwidmung von Darlehen. Wird ein Darlehen für die Anschaffung eines Objekts verwendet (z.B. eines Vermietungsobjekts, einer Kapitalanlage oder auch eines privaten WG) und wird dieses Objekt veräußert und der Veräußerungserlös zur Anschaffung eines anderen Einkünfteobjekts (z.B. eines anderen Vermietungsobjekts oder einer anderen Kapitalanlage) verwendet, steht das Darlehen nach der Rechtsprechung des BFH nunmehr im Veranlassungszusammenhang mit dem neuen Objekt. Die Schuldzinsen des Darlehens sind dann nunmehr Werbungskosten etwa bei den Einkünften aus dem neu angeschafften Mietobjekts (§ 21 EStG) oder der neu angeschafften Kapitalanlage (§ 20 EStG; siehe hierzu im Einzelnen Schmidt/Loschelder, 32. Aufl., § 9 EStG Rz. 82, m.w.N. aus der Rspr. des BFH).

47c) Das FA beruft sich demgegenüber auf die Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu der Frage, ob Maklerkosten als Umzugskosten Werbungskosten bei Einkünften aus § 19 EStG bilden können. Danach sind sowohl Maklerkosten als auch Vorfälligkeitsentschädigungen, die durch die Veräußerung eines am bisherigen Wohn- und Arbeitsort bewohnten Einfamilienhauses ausgelöst werden, auch dann nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG, wenn die Veräußerung des Einfamilienhauses anlässlich eines beruflich veranlassten Umzugs an einen anderen Ort vorgenommen wird. Es handele sich ungeachtet des Zusammenhangs mit dem berufsbedingten Umzug um Veräußerungskosten, die vorrangig zum nicht steuerbaren Vermögensbereich gehören (so BFH-Urteil vom 24.5.2000 VI R 147/99, BStBl II 2000, 476; BFH-Beschluss vom 2.3.2005 IX B 184/03, BFH/NV 2005, 1067).

48d) Eine Ähnlichkeit zur vorliegenden Situation weist außerdem die Rechtsprechung des BFH zur Umschuldung von Darlehen auf. Wird ein Darlehen zur Anschaffung eines Einkünfteobjekts (z.B. eines Vermietungsobjekts) verwendet und später dieses Darlehen durch ein neues Darlehen abgelöst (also umgeschuldet), sind die Kosten des neuen Darlehens ebenso Werbungskosten bei den Einkünften aus § 21 EStG wie die Kosten des vorherigen Darlehens (vgl. etwa Schmidt/Loschelder, 32. Aufl., § 9 EStG Rz. 91). Dies betrifft nicht nur die laufenden Schuldzinsen des neuen Darlehens, sondern sämtliche Kosten des neuen Darlehens. Dazu gehören auch Nebenkosten der Darlehensaufnahme als sog. Geldbeschaffungskosten (z.B. Notar- und Grundbuchkosten für die Eintragung einer Sicherung, Provisionen eines Darlehensmaklers, auch Reisekosten zur Kreditbeschaffung, vgl. hierzu etwa Schmidt/Loschelder, 32. Aufl., § 9 EStG Rz. 91 und Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Anm. 385 „Geldbeschaffungskosten“, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

49e) Unmittelbar zur vorliegenden Konstellation ist bisher lediglich finanzgerichtliche Rechtsprechung ergangen. Das FG A-Stadt hat in einem Urteil vom 28.2.1985 (VIII K 446/83, EFG 1985, 549 f.) Maklerkosten, die bei der Veräußerung eines Hauses angefallen sind, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften eines mit dem Veräußerungserlös erworbenen neuen Hauses angesehen (wobei es sich um ein selbstgenutztes Haus handelte, welches jedoch der damals geltenden Nutzungswertbesteuerung unterlag). Das FG A-Stadt hat hierbei ausgeführt, zwar seien Geldbeschaffungskosten in Form von Nebenkosten einer Darlehensaufnahme zur Finanzierung eines vermieteten Objekts als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung abziehbar. Dies liege aber in der gesetzlichen Regelung über den Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG begründet und sei mangels Bestehen einer solchen Regelung nicht auf die Nebenkosten der Veräußerung eines anderen Wirtschaftsguts zur Geldbeschaffung für die Einkünfteerzielung übertragbar. Das FG Hamburg hat in einem Urteil vom 4.11.1987 (I 445/85, EFG 1988, 230) den Abzug von Veräußerungskosten (Provisionen) aus der Veräußerung von Wertpapieren als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung eines mit dem Veräußerungserlös erworbenen Vermietungsobjekts abgelehnt. Einem solchen Abzug stehe der Charakter der Kosten als Veräußerungskosten entgegen (an den beiden Entscheidungen zweifelnd Schmidt/Loschelder, 32. Aufl., § 9 EStG Rz. 91 a.E., auch unter Hinweis auf die o.g. Rechtsprechung des BFH zur Umwidmung eines Darlehens).

50f) Der Senat hält es für die im Streitfall in Rede stehenden Maklerkosten für zutreffend, diese als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung anderer Vermietungsobjekte zu berücksichtigen, wenn und soweit zum einen der Veräußerungserlös tatsächlich für die Finanzierung dieser Vermietungsobjekte verwendet wird und zum anderen diese Verwendung des Veräußerungserlöses von vornherein der Absicht des Steuerpflichtigen entsprach und er sie – wie etwa hier durch die vertraglichen Bestimmungen im Kaufvertrag – entsprechend in endgültiger Weise festgelegt hat.

51Grundsätzlich bilden Maklerkosten, die aufgrund der Veräußerung eines Vermietungsobjekts anfallen, in gleicher Weise wie etwa dadurch ausgelöste Vorfälligkeitsentschädigungen Veräußerungskosten und gehören daher dem nicht steuerbaren Vermögensbereich in Bezug auf das veräußerte Wirtschaftsgut an, wobei eine steuerliche Berücksichtigung lediglich bei etwaigen Einkünften aus § 23 EStG erfolgen kann. Der Senat hält es jedoch für möglich, dass solche Veräußerungskosten zugleich als Geldbeschaffungskosten im Veranlassungszusammenhang mit einer Einkünfteerzielung i.S.v. § 21 EStG durch ein anderes Wirtschaftsgut stehen können. In Bezug auf diese Einkünfteerzielung und dieses Wirtschaftsgut gehören die Kosten dann nicht zum nicht steuerbaren Vermögensbereich. Der Senat knüpft insoweit an die o.g. Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zu aufgrund einer Veräußerung anfallenden Vorfälligkeitsentschädigungen an, welche dieser im Grundsatz ebenfalls als Veräußerungskosten und damit dem nicht steuerbaren Vermögensbereich angehörend einstuft, die er jedoch aufgrund einer Verwendung des Veräußerungserlöses zur Finanzierung eines anderen Vermietungsobjekts ausnahmsweise als Geldbeschaffungskosten und damit als Werbungskosten bei diesem ansieht (siehe hierzu oben unter I.1.a). Wenn man, was der Senat macht, dieser Rechtsprechung folgt, liegt es nahe, durch eine solche Veräußerung ausgelöste Maklerkosten – welche im Streitfall in Rede stehen – in gleicher Weise zu behandeln. Dass eine Vorfälligkeitsentschädigung ihrem Charakter nach eine größere Nähe zu den Finanzierungskosten aufweist als es eventuell bei Maklerkosten der Fall ist, kann insoweit keinen entscheidenden Unterschied ausmachen. Die hier in Rede stehenden Vorfälligkeitsentschädigungen weisen nämlich lediglich einen Zusammenhang zu den Finanzierungskosten des veräußerten Objekts auf, wohingegen auch bei ihnen unter keinem Gesichtspunkt ein Zusammenhang zu der Finanzierung des anderen Objekts bestand, sondern ein solcher erst durch die entsprechende Verwendung des Veräußerungserlöses hergestellt wird. Ebenfalls bildet der Einwand des FA, der Anfall einer Vorfälligkeitsentschädigung sei aufgrund der bestehenden vertraglichen Regelungen zwingend, während die Maklerkosten aufgrund einer freiwilligen Entscheidung des Steuerpflichtigen anfielen, keinen entscheidenden Unterschied. Für die Beurteilung, ob Aufwendungen durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind, ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die Aufwendungen zwangsläufig oder aufgrund einer freiwilligen Entscheidung des Steuerpflichtigen anfallen.

52Auch kann man die vorliegend in Rede stehende Situation mit derjenigen einer Umschuldung vergleichen: Hätte der Kläger die bisherigen Darlehen zur Finanzierung der verbliebenen Objekte „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“ durch ein neues Darlehen getilgt bzw. abgelöst, wären nicht lediglich die laufenden Schuldzinsen dieses neuen Darlehens als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung dieser Objekte abziehbar, sondern auch etwa angefallene weitere Geldbeschaffungskosten zur Beschaffung des neuen Darlehens (wie etwa auch die Kosten eines Kreditmaklers, siehe dazu oben unter I.1.d). Im Streitfall hat der Kläger nicht die bestehenden Darlehen durch ein neues Darlehen umgeschuldet, sondern diese mittels eines bei ihm vorhandenen, jedoch nicht liquiden Vermögenswerts (des Objekts „C-Straße 2 18“), welchen er zu diesem Zweck zuvor durch die Veräußerung „zu Geld“ gemacht hat, getilgt. Bei den hierbei angefallenen Nebenkosten – wie den hier streitigen Maklerkosten – handelt es sich daher ebenfalls um Geldbeschaffungskosten zur Finanzierung der verbliebenen beiden Objekte, wenn auch nicht um solche zur Beschaffung eines neuen Darlehen, sondern um solche zu Beschaffung liquider Mittel in Form eines Veräußerungserlöses, ohne welchen die Tilgung der Darlehen nicht möglich gewesen wäre.

53Allerdings hält der Senat zugleich eine Einschränkung dieser Würdigung für zutreffend. Er hält es nur dann für zutreffend, Veräußerungskosten im o.g. Sinne als Geldbeschaffungs- und damit Werbungskosten für ein anderes Vermietungsobjekt einzuordnen, wenn diese Verwendung des Veräußerungserlöses von vornherein der Absicht des Steuerpflichtigen entsprach und er sie – wie etwa hier durch die vertraglichen Bestimmungen im Kaufvertrag – entsprechend in endgültiger Weise festgelegt hat. Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass die Finanzierung des anderen Vermietungsobjekts mit dem Veräußerungserlös auf einer neuen Anlageentscheidung des Steuerpflichtigen beruht. Beruht die Verwendung des Veräußerungserlöses aber auf einer solchen neuen Anlageentscheidung, erscheint es nicht möglich, die Veräußerungskosten -wie im Streitfall die Maklerkosten- als durch diese Verwendung veranlasst anzusehen. Andernfalls würden Veräußerungskosten auch dann Werbungskosten bei einer anderen Einkünfteerzielung bilden, wenn der Veräußerungserlös irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt und ohne einen von vornherein bestehenden Zusammenhang für diese (etwa für eine Kapitalanlage oder die Anschaffung eines Vermietungsobjekts) eingesetzt wird. In einem solchen Fall kann aber nicht von einer Geldbeschaffung für die andere Einkünfteerzielung die Rede sein. Die vorgenannte Einschränkung entspricht im Wesentlichen den strengeren Kriterien des IX. Senats zur Beurteilung der o.g. Vorfälligkeitsentschädigungen, die er in seinem Urteil in BStBl II 1996, 595 aufgestellt, später allerdings wieder aufgegeben hat (siehe hierzu oben unter I.1.a).

54Nach Auffassung des Senats steht die vorstehende Beurteilung im Widerspruch zu der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH zur Behandlung von durch eine Veräußerung ausgelöste Vorfälligkeitsentschädigungen bei einer Verwendung des Veräußerungserlöses für eine Kapitalanlage i.S.v. § 20 EStG (siehe zu dieser ebenfalls oben unter I.1.a). Im o.g. Umfang folgt der Senat dieser Rechtsprechung daher nicht. Ebenso folgt der Senat nicht den o.g. finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Behandlung von Maklerkosten in der vorliegenden Konstellation (siehe zu dieser oben unter I.1.e).

55Die Rechtsprechung des VI. Senats des BFH dazu, ob durch einen berufsbedingten Umzug ausgelöste Maklerkosten Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG bilden können (siehe zu dieser oben unter I.1.c) ist nach Auffassung des Senats dagegen nicht auf die vorliegend in Rede stehende Situation übertragbar. Es steht jeweils eine andere Art von Veranlassungszusammenhang in Rede, nämlich zum einen ein solcher aufgrund einer (von vornherein beabsichtigten und festgelegten) Verwendung des Veräußerungserlöses, und zum anderen aufgrund eines berufsbedingten Umzugs.

56Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen sind die vorliegend streitigen Maklerkosten in der vom Kläger geltend gemachten Höhe von 23.730,51 € als Werbungskosten bei dessen Vermietungseinkünften aus den Objekten „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“ abzuziehen. Der Kläger hat einen entsprechenden Anteil des durch die Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ erzielten Veräußerungserlöses zur Tilgung der beiden für die Anschaffung der erstgenannten Objekte aufgenommenen Darlehen bei der D-Bank AG und der E…-Bank Bank verwendet. Diese Verwendung des anteiligen Veräußerungserlöses war vom Kläger auch von vornherein beabsichtigt und dementsprechend in endgültiger Weise festgelegt worden, indem in § 2 des Kaufvertrags vereinbart wurde, dass der Käufer den Kaufpreis insoweit, als er zur Ablösung der auf dem verkauften Grundstück lastenden Grundschulden erforderlich war, an die Gläubiger der Grundschulden zu zahlen und nur der Restbetrag an den Verkäufer auszuzahlen war. Diese Zahlungen, zu denen der Käufer verpflichtet war, lösten nicht nur die Grundschulden ab, sondern tilgten zugleich die vorgenannten Darlehen, zu deren Sicherung die Grundschulden dienten. Hierbei geht der Senat in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass die beiden Darlehen bei der D-Bank AG und der E…-Bank Bank bzw. die jeweilige Darlehensvaluta vom Kläger ursprünglich auch tatsächlich für die Anschaffung der beiden Objekte „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“ verwendet wurde. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dagegen sprechen und auch das FA hat dies in den vorherigen Veranlagungszeiträumen so zugrunde gelegt. Des Weiteren geht der Senat davon aus, dass der Kläger die Maklerkosten auf die entsprechende Rechnung vom 29.8.2007 hin auch noch im Streitjahr gezahlt hat. Auch hier sind keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ersichtlich und das FA hat insoweit keine Einwendungen erhoben.

572. Angesichts der vorstehenden Würdigung kann dahinstehen, ob die anteiligen Maklerkosten im Streitfall auch deswegen als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften aus den beiden verbliebenen Objekten „B-Straße 1“ und „C-Straße 2 7“ anzusehen sein könnten, weil der Kläger – wie er ergänzend geltend macht – ohne die Veräußerung des Objekts „C-Straße 2 18“ wirtschaftlich nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die beiden genannten Objekte zu halten, es sich also in diesem Sinne um einen „Notverkauf“ handelte. Allerdings wäre der Senat aufgrund des bisherigen Vorbringens des Klägers auch bereits nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob eine Situation der vorgenannten Art tatsächlich vorgelegen hat. Der Kläger hat zwar in allgemeiner Form geltend gemacht, er habe Mietausfälle erlitten, aufgrund derer in Zukunft die Gefahr bestanden habe, dass er die durch die drei Objekte bedingten Zahlungen an die Banken nicht mehr habe leisten können. Ob der Kläger aber tatsächlich wirtschaftlich nicht mehr in der Lage war, die Objekte zu halten und die durch sie bedingten Zahlungen zu leisten, ließe sich nur anhand der gesamten Vermögenssituation des Klägers beurteilen.

58II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 und 3 FGO i.V.m. § 709 ZPO.

59III. Die Revision war zuzulassen. Es handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Angesichts der von der Beurteilung des Senats abweichenden finanzgerichtlichen Entscheidungen sowie der Rechtsprechung des VIII. Senats zu Einkünften aus § 20 EStG (siehe oben unter I.1.f) erscheint eine Entscheidung des BFH über den Streitfall zudem zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Sonderabschreibungen gehören nicht zum steuerpflichtigen Spekulationsgewinn!

Entfällt der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstückes innerhalb der zehnjährigen sog. Spekulationsfrist auf Wertsteigerungen, die nach „alter Rechtslage“ steuerfrei hätten realisiert werden können, so bleiben diese Gewinnanteile weiterhin steuerfrei. Dies müsse auch für den Teil des Veräußerungsgewinnes gelten, der daraus resultiere, dass der Verkäufer Sonderabschreibungen und andere Absetzungen bis zum 31. März 1999 in Anspruch genommen habe – das hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster in einer am 15. Juli 2013 veröffentlichten Entscheidung vom 21. Juni 2013 (Az. 4 K 1918/11 E) klargestellt.

Das Urteil betrifft eine bisher ungeklärte Rechtsfrage, die im Zusammenhang mit der im Jahr 1999 beschlossenen Verlängerung der sog. Spekulationsfrist für private Veräußerungsgeschäfte von zwei auf zehn Jahre steht und die weiterhin in einer Vielzahl von Veräußerungsfällen – insbesondere bei Grundstücksgeschäften – relevant ist. Die Verlängerung der Spekulationsfrist traf seinerzeit unter anderem auch Steuerpflichtige, die ihre Grundstücke zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 bereits länger als zwei Jahre besaßen. Sie hätten – nach alter Rechtslage – den Gewinn, den sie beim Verkauf des Grundstückes erzielen, nicht versteuern müssen. Die gesetzliche Neuregelung führte allerdings dazu, dass für diese Grundstückseigentümer ebenfalls die neue zehnjährige Spekulationsfrist galt. Ein steuerfreier Verkauf war damit für die Betroffenen plötzlich erst wieder nach Ablauf einer Frist von insgesamt zehn Jahren zwischen An- und Verkauf möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat dies insoweit als verfassungswidrig angesehen, als durch die Neuregelung Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zur Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 bereits entstanden waren und die nach der bis dahin geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können (BVerfG Beschluss vom 7. Juli 2010, 2 BvL14/02 u. a.). Daher sind in einer Vielzahl von Veräußerungsfällen die entstandenen Gewinne aufzuteilen. Soweit sie auf Wertsteigerungen beruhen, die bereits vor dem 31. März 1999 eingetreten sind, bleiben die Gewinne steuerfrei.

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat jetzt entschieden, dass der Veräußerungsgewinn, soweit er auf Sonderabschreibungen bzw. anderen Absetzungen beruht, die vor dem 31. März 1999 in Anspruch genommen worden sind, ebenfalls steuerfrei bleibt. Auch insoweit sei das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns schutzwürdig. Der Senat gab der Klage statt. Er folgt damit nicht der von der Finanzverwaltung allgemein vertretenen Auffassung, dass derartige Abschreibungen und Absetzungen bei der Aufteilung eines Veräußerungsgewinnes in steuerpflichtige und steuerfreie Anteile lediglich linear zu berücksichtigen seien.

Im Streitfall hatte der Kläger ein Grundstück, das er im Dezember 1996 erworben hatte, im September 1999 verkauft. Dabei erzielte er einen Gewinn von rund 120.000 DM. Dieser resultierte zu einem erheblichen Teil aus einer Sonderabschreibung nach § 4 des Fördergebietsgesetzes sowie anderen Absetzungen, die der Kläger bereits vor dem 31. März 1999 in Anspruch genommen hatte. Als steuerpflichtig sah er lediglich einen Gewinn in Höhe von 4.900 DM an, während das Finanzamt einen steuerpflichtigen Gewinn von 18.200 DM errechnete. Das Finanzamt hatte die sich aus der Inanspruchnahme der Sonderabschreibung und der sonstigen Absetzungen ergebende „buchmäßige“ Wertsteigerung linear verteilt und damit teilweise auch dem Zeitraum nach dem 31. März 1999 zugeordnet, während der Kläger diese als vor dem 31. März 1999 eingetretene, steuerfreie Wertsteigerung behandelt hat.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 15.07.2013 zum Urteil 4 K 1918/11 vom 21.06.2013

 

Finanzgericht Münster, 4 K 1918/11 E

Datum:
21.06.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1918/11 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.5.2011 wird dahingehend geändert, dass der Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 4.904,- DM gemindert wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten über die Höhe der Aufteilung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Grundstücks in Bezug auf die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) teilweise für verfassungswidrig erklärte Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei Jahren auf zehn Jahre.

3Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten neben Arbeitslohn Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus der Vermietung mehrerer Grundstücke und aus Beteiligungen.

4Mit notariellem Vertrag vom 3.12.1996 erwarb der Kläger das bebaute Grundstück J- Weg 1 in M-Stadt für 345.279,25 DM. Die Anschaffungskosten betrugen einschließlich Nebenkosten und anschaffungsnahen Aufwendungen 360.679,- DM. Der Kläger vermietete das Grundstück, bis er es mit notariellem Vertrag vom 1.9.1999 für 290.000,- DM veräußerte. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nahm er für das Gebäude im Anschaffungsjahr eine Sonderabschreibung nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 170.020,- DM und im Übrigen Regelabschreibungen vor.

5Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1999 teilte der Kläger dem Beklagten auf Nachfrage folgende Berechnung des Veräußerungsgewinns mit:

6

Anschaffungskosten 1996 360.679,- DM
§ 4 FördG 170.020,- DM
Regel-AfA 1997 6.712,- DM
Regel-AfA 1998 7.384,- DM
Regel-AfA 1999 6.768,- DM
AfA gesamt 190.884,- DM
„Buchwert“ 169.795,- DM
Verkaufspreis 290.000,- DM
Differenz 120.205,- DM
Veräußerungskosten 172,- DM
Veräußerungsgewinn 120.033,- DM

7Nach seiner Ansicht sei der Veräußerungsgewinn wegen der schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch steuerfrei zu stellen. Die Verhandlungen mit der Käuferin seien bereits vor Erlass der Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, mit dem die Spekulationsfrist für Grundstücke auf zehn Jahre verlängert wurde, aufgenommen worden.

8Der Beklagte berücksichtigte im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 1999 den vollen Veräußerungsgewinn als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Das Verfahren über den hiergegen eingelegten Einspruch ruhte wegen der beim BVerfG anhängigen Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist (Aktenzeichen 2 BvL 2/04 und 2 BvL 13/05).

9Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 7.7.2010 entschieden hatte, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist verfassungswidrig ist, soweit Wertsteigerungen bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 besteuert werden, legte der Beklagte in einem geänderten Einkommensteuerbescheid einen geminderten Veräußerungsgewinn in Höhe von 18.222,- DM zugrunde. Diesen berechnete er wie folgt:

10

Zeitraum Wertzuwachs
3.12.1996 – 1.9.1999 = 32,935 Monate 120.033,- DM
3.12.1996 – 31.3.1999 = 27,935 Monate 101.811,- DM steuerfrei
1.4.1999 – 1.9.1999 = 5 Monate 18.222,- DM steuerpflichtig

11Den weiterhin aufrecht erhaltenen Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück. Er verwies auf das zwischenzeitlich ergangene BMF-Schreiben vom 20.12.2010 (BStBl I 2011, 14), wonach die Aufteilung eines nach der Rechtsprechung des BVerfG teilweise steuerfreien und teilweise steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns grundsätzlich zeitanteilig vorzunehmen sei, soweit keine Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Wertsteigerung oder Wertminderung vorlägen. Den besonderen Wertverlusten sei bereits durch Gewährung der Sonderabschreibung nach § 4 FördG entsprochen worden.

12Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass der Veräußerungsgewinn nicht aus einem Wertzuwachs, sondern aus der hohen Sonderabschreibung resultiere. Tatsächlich habe es gar keinen Wertzuwachs gegeben. Die Sonderabschreibung sowie die bis zum 31.3.1999 in Anspruch genommenen Regelabschreibungen seien dem steuerfreien Zeitraum zuzuordnen. Wäre das Grundstück vor dem 31.3.1999 verkauft worden, wäre folgender Veräußerungsgewinn entstanden:

13

Anschaffungskosten 1996 360.679,- DM
§ 4 FördG 170.020,- DM
Regel-AfA 1997 6.712,- DM
Regel-AfA 1998 7.384,- DM
Regel-AfA 1999 anteilig bis 31.3. 1.692,- DM
AfA gesamt 185.808,- DM
„Buchwert“ 31.3.1999 174.871,- DM
Verkaufspreis 290.000,- DM
Veräußerungsgewinn 115.129,- DM

14In dieser Höhe sei der Gewinn steuerfrei zu belassen, da insoweit aufgrund der steuerlichen Entstrickung eine Vermögensposition vorliege, die entsprechend der Ansicht des BVerfG verfassungsrechtlichen Schutz genieße. Nur die Differenz zum gesamten Veräußerungsgewinn (120.033,- DM) in Höhe von 4.904,- DM sei demnach steuerpflichtig.

15Die Kläger beantragen sinngemäß,

16den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.5.2011 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 4.904,- DM reduziert wird.

17Der Beklagte beantragt sinngemäß,

18              die Klage abzuweisen,

19hilfsweise, die Revision zuzulassen.

20Er ist der Ansicht, dass die Kläger nicht nachgewiesen hätten, dass ein atypischer Wertzuwachs des Grundstücks überwiegend vor dem 31.3.1999 stattgefunden habe. Die Berücksichtigung der Sonderabschreibung nach § 4 FördG ausschließlich im steuerfreien Zeitraum würde zu einer Doppelbegünstigung des Klägers führen, da die Abschreibung bereits als Werbungskosten berücksichtigt worden sei. Aus diesem Grund werde das ausgenutzte AfA-Volumen im Fall der Veräußerung wieder neutralisiert. Tatsächlich sei der Wert des Grundstücks gar nicht in diesem Umfang gesunken, wie sich am Verkaufspreis zeige.

21Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

22Entscheidungsgründe

23Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).

24Den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.5.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften ein 4.904,- DM übersteigender Betrag angesetzt wurde.

25Der Beklagte hat den steuerbaren Anteil des Veräußerungsgewinns aus dem Grundstück in M-Stadt unzutreffend linear zeitanteilig nach der Haltedauer des Grundstücks berechnet.

26Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (bis 1998: Spekulationsgeschäfte) im Sinne von § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stellen gemäß § 22 Nr. 2 EStG sonstige Einkünfte dar. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) EStG in der bis zum 31.12.1998 gültigen Fassung (EStG a. F.) waren Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken nur dann steuerbar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betrug. Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dahingehend geändert, dass nunmehr eine zehnjährige Frist gilt. Die Neuregelung ist auf alle Veräußerungsgeschäfte anwendbar, bei denen der obligatorische Vertrag nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossen wurde (§ 52a Abs. 11 Satz 1 EStG).

27In den Fällen, in denen die Spekulationsfrist am 31.12.1998 bereits abgelaufen war, verstößt die Anwendungsbestimmung zur Neuregelung gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit in dem Veräußerungsgewinn auch Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.3.1999 entstanden sind und die nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden sind oder hätten realisiert werden können (BVerfG-Beschluss vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, unter C. II. 2. b) der Gründe). Denn mit dem Ablauf der Zweijahresfrist erfüllte sich die vertrauensrechtlich geschützte Erwartung, dass die bisherigen Wertzuwächse steuerlich nicht erfasst werden. Durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist wurde diese Vertrauensposition nachträglich entwertet.

28Veräußerungsgewinn ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 (bis 1998: Nr. 4 bis 6) abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG bzw. § 23 Abs. 3 Satz 2 EStG a. F.). Im Streitfall beträgt der auf die gesamte Haltedauer des Grundstücks entfallende Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung dieser Regelung unstreitig 120.033,- DM.

29Dieser Betrag ist in einen nicht steuerbaren und in einen steuerbaren Teil aufzuteilen. Der auf den Zeitraum vor dem 1.4.1999 entfallende Veräußerungsgewinn unterliegt nicht der Besteuerung. Dieser Teil beträgt 115.129,- DM. Die Kläger haben bei der Berechnung des bis zum 31.3.1999 entstandenen und damit nicht steuerbaren Teil des Veräußerungsgewinns zutreffend die bis zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) sowie die Sonderabschreibung nach § 4 FördG von den Anschaffungskosten abgezogen.

30Nach der Entscheidung des BVerfG vom 07.07.2010 ist maßgeblich, ob der Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen enthält, die bis zum 31.3.1999 steuerfrei hätten realisiert werden können. Nach Ansicht des Senats muss dies auch für Sonderabschreibungen und andere Absetzungen gelten, die im Veräußerungsgewinn enthalten sind. Es kann nicht darauf ankommen, ob es sich um tatsächliche Steigerungen des Grundstückswerts handelt oder der Veräußerungsgewinn überwiegend deshalb entsteht, weil in der Vergangenheit gesetzlich zulässige Sonderabschreibungen in Anspruch genommen worden sind. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Steuerfreiheit der mit Ablauf der Zweijahresfrist geschützten Vermögensposition ist in diesem Fall verfassungsrechtlich ebenso geschützt wie bei tatsächlichen Wertsteigerungen. Maßgeblich ist allein, dass das Grundstück vor dem 31.3.1999 vollständig steuerfrei hätte veräußert werden können. Eine zeitlich lineare Aufteilung, wie sie vom Beklagten entsprechend der „Vereinfachungsregelung“ in Tz. II.1 des BMF-Schreibens vom 20.12.2010 (BStBl I 2011, 14) vorgenommen wurde, entspricht den Vorgaben des BVerfG nicht (so im Ergebnis auch Niedersächsisches FG, Beschluss vom 27.12.2011 9 V 280/11, EFG 2012, 1460; zweifelnd auch BFH-Beschlüsse vom 11.4.2012 IX B 14/12, BFH/NV 2012, 1130 und vom 12.7.2012 IX B 64/12, BFH/NV 2012, 1782).

31Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt auch keine Doppelbegünstigung des Klägers vor. Vielmehr würde umgekehrt eine teilweise Zuordnung zum steuerpflichtigen Teil eine verfassungswidrige und damit unzulässige Besteuerung darstellen. Der Kläger hat im Anschaffungsjahr die gesetzlich zulässige Sonderabschreibung nach § 4 FördG in Anspruch genommen. Dass diese Abschreibung in die Berechnung des nicht steuerbaren Veräußerungsgewinns einbezogen wird, ist Ausfluss des verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens auf die Realisierung eines steuerfreien Gewinns.

32Der verbleibende Teil des Veräußerungsgewinns in Höhe von 4.904,- DM unterliegt nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als privates Veräußerungsgeschäft im Streitjahr 1999 der Einkommensteuer.

33Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

34Die Revision war wegen besonderer Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Rechtsfrage, ob es sich bei im Rahmen der Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Abschreibungen um „Wertzuwächse“ im Sinne der BVerfG-Rechtsprechung handelt, noch unentschieden (BFH-Beschlüsse vom 11.4.2012 IX B 14/12, BFH/NV 2012, 1130 und vom 12.7.2012 IX B 64/12, BFH/NV 2012, 1782). Darüber hinaus sieht das BMF-Schreiben vom 20.12.2010 (BStBl I 2011, 14) in Tz. II.1. grundsätzlich eine zeitanteilig lineare Aufteilung vor und enthält keine Sonderregelungen für Abschreibungen.

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