Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer sind steuerfrei

Steuerfreiheit für Aufwandsentschädigungen

Laut BFH-Urteil sind Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB ab 2011 begrenzt und für die Jahre davor unbegrenzt steuerfrei.

Der Kläger war vom Amtsgericht in bis zu 42 Fällen als Betreuer bestellt worden und hatte dafür Aufwandsentschädigungen nach § 1835a BGB von bis zu 323 EUR pro Jahr und betreuter Person bezogen. Das Finanzamt erfasste diese Aufwandsentschädigungen als Einnahmen. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 EStG kam nach seiner Auffassung nicht in Betracht, weil die Aufwandsentschädigungen nicht ausdrücklich als solche im Haushaltsplan ausgewiesen waren.

Der BFH folgte dagegen im Ergebnis der Auffassung des Klägers, dass die Aufwandsentschädigungen steuerfrei seien. Es handele sich zwar um Einnahmen aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Sie seien aber steuerfrei, und zwar in den Jahren ab 2011 – betraglich begrenzt – nach § 3 Nr. 26b EStG und in den Vorjahren (und damit im Streitfall) in vollem Umfang nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.

Es handele sich nicht um eine Vergütung, die der Kläger ebenfalls hätte verlangen können und die dann einen erheblich höheren Umfang gehabt hätte, sondern nur um eine geringe Aufwandsentschädigung, die die für die Betreuung anfallenden Kosten typisierend abgelten solle. Der Ausweis der Aufwandsentschädigung in einem Bundesgesetz (§ 1835a BGB) reiche für die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG aus. Ein zusätzlicher ausdrücklicher Ausweis im Haushaltsplan sei weder nach dem Wortlaut der Vorschrift, noch nach ihrem Zweck und auch nicht aufgrund der Entstehungsgeschichte erforderlich.

BFH, Urteil v. 17.10.2012, VIII R 57/09, veröffentlicht am 2.1.2013

BFH, Pressemitteilung Nr. 01/2013 v. 2.1.2013

 

 Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG für Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB

 Leitsatz

1. Betreuer üben eine sonstige vermögensverwaltende Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus (Anschluss an BFH-Urteile vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09 , BFHE 230, 47 , BStBl II 2010, 906; VIII R 14/09, BFHE 230, 54 , BStBl II 2010, 909).

2. Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB sind nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei.

 Gesetze

EStG § 3 Nr. 12 Satz 1
EStG § 3 Nr. 26b
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 1835a

 Instanzenzug

FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 24. September 2009 3 K 1350/08 (EFG 2010, 120 )BFH VIII R 57/09

 Gründe

I.

1  Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezogene Aufwandsentschädigungen für bis zu 42 gleichzeitige ehrenamtliche Betreuungen in den Streitjahren 2001 bis 2004 der Einkommensteuer unterliegen.

2  Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus einer hiervon unabhängigen selbständigen Tätigkeit als Aufsichtsrat sowie aus Kapitalvermögen.

3  Daneben bezog er Aufwandsentschädigungen aus der Bestellung als Betreuer i.S. des § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB ) in zeitweise bis zu 42 Fällen durch das zuständige Amtsgericht (AG). In wenigen Fällen erfolgten die Zahlungen durch die Betreuten selbst (2001: 5 Fälle; 2002: 3 Fälle; 2003: 7 Fälle und 2004: 5 Fälle). Im Übrigen leistete das AG für jede andere im Streitzeitraum vom Kläger betreute Person —jeweils jährlich— eine Aufwandsentschädigung i.S. der §§ 1835a , 1908i BGB in Höhe von 600 DM für das Jahr 2001, in Höhe von 312 € für die Zeit von Januar 2002 bis Juni 2004 sowie in Höhe von 323 € ab 1. Juli 2004. In Einzelfällen erfolgte die Zahlung anteilig.

4  Die an den Kläger gezahlten Aufwandsentschädigungen verbuchte das AG unter dem Haushaltstitel Nr. 0503.53601.0007 (in 2001 und 2002: Kapitel 0503 Titel 53601 Untertitel 0007) des Einzelplans 05 des Staatshaushaltsplans des Landes Baden-Württemberg. Der zum Kapitel 0503 (Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften) gehörende Haushaltstitel 53601 trug in allen Streitjahren die Bezeichnung „Auslagen in Rechtssachen (einschließlich Reisekosten)” und betraf nach den Erläuterungen zu diesem Haushaltstitel in den Jahren 2002 bis 2004 (jeweils unter 7.) „Aufwand für ehrenamtliche Vormünder, Pfleger und Betreuer …” (gefolgt von dem jeweiligen Betrag) sowie nach den Erläuterungen zum Staatshaushaltsplan für das Jahr 2001 (unter Nr. 6) „Aufwand für Vormünder, Pfleger und Betreuer …”.

5  Die in den Einkommensteuererklärungen des Klägers für die Streitjahre nicht erfassten Aufwandsentschädigungen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung mit Einkommensteueränderungsbescheiden für die Streitjahre vom 4. September 2007 —unter Ansatz eines pauschalen Werbungskostenabzugs von 25 %— als nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbare Leistungen.

6  Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 120 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Aufwandsentschädigungen seien nach § 15 EStG steuerbar und insbesondere nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei.

7  Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

8  Er beantragt, das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre 2001 bis 2004 vom 4. September 2007 jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

9  Das FA beantragt, im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen FG-Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10  Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es hält die Revision für unbegründet, hat aber keinen Antrag gestellt.

II.

11  Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil und die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO aufzuheben, weil die streitigen Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Betreuer steuerfrei sind.

12  1. Im Ausgangspunkt sind FA und FG allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Einnahmen des Klägers aus seiner Betreuertätigkeit grundsätzlich steuerbar sind. Rechtsgrundlage dafür ist aber nicht § 15 EStG (wie vom FG angenommen) oder § 22 Nr. 3 EStG (wie von der Finanzverwaltung angenommen), sondern § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG . Denn Betreuer i.S. des § 1896 BGB erzielen nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Einkünfte, die der vermögensverwaltenden Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen sind (BFH-Urteile vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09 , BFHE 230, 47 , BStBl II 2010 , 906 ; VIII R 14/09, BFHE 230, 54 , BStBl II 2010, 909, unter Aufgabe der früheren abweichenden Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 4. November 2004 IV R 26/03 , BFHE 208, 280 , BStBl II 2005, 288).

13  2. Die Einnahmen aus der im Streitfall ehrenamtlich ausgeübten Betreuertätigkeit sind aber nach § 3 EStG steuerfrei.

14  a) Für die —hier nicht betroffenen— Veranlagungszeiträume ab 2011 folgt die —allerdings betraglich begrenzte— Steuerfreiheit aus § 3 Nr. 26b EStG . Nach dieser durch das Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010 ) vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768 ) eingefügten Vorschrift sind „Aufwandsentschädigungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs” steuerfrei, soweit sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen im Sinne der Nr. 26 den Freibetrag nach Nr. 26 Satz 1 nicht überschreiten (vgl. dazu von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 3 Nr. 26b Rz B 26b/25 ff.).

15  b) Für frühere Veranlagungszeiträume —wie hier für die Streitjahre 2001 bis 2004— folgt dies entgegen der Ansicht des FA, des FG und des BMF aus § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG . Danach sind solche Bezüge steuerfrei, die aus einer Bundes- oder Landeskasse gezahlt werden und

16  „in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden”.

17  Auf diese Regelung kann sich der Kläger ungeachtet dessen berufen, dass sie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 (BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502) für verfassungswidrig erklärt hat.

18  aa) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit wurde vom BVerfG ausdrücklich nur auf die Anwendbarkeit bei Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen dienstlicher Tätigkeit in Dienststellen der sog. neuen Bundesländer beschränkt und vom BFH entsprechend (nur) auf solche Zulagen für Landesbeamte erstreckt (BFH-Urteile vom 26. März 2002 VI R 26/00 , BFHE 198, 545 , BStBl II 2002, 823; vom 26. März 2002 VI R 45/00, BFHE 198, 554 , BStBl II 2002, 827). Zulagen dieser Art gleichen nämlich —so das BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502— nicht tatsächlich entstandenen Erwerbsaufwand aus, sondern erhöhen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für sie ist die unwiderlegbare Vermutung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG , nach dieser Vorschrift festgesetzte Zahlungen seien bei Einhaltung der gesetzlich benannten Festsetzungsvoraussetzungen Aufwandsentschädigungen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz B 12/7; Carl, Finanz-Rundschau —FR— 1991, 125), nicht zu rechtfertigen.

19  bb) Inwieweit dies auch für andere Zahlungen aus öffentlichen Kassen gilt (für eine weitgehende Verfassungswidrigkeit der Vorschrift Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 3 Nr. 12 EStG Rz 3, m.w.N), kann für den Streitfall dahinstehen. Denn für den Ersatz von Aufwendungen, die ihrer Art nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, wird die Steuerfreiheit i.S. des § 3 Nr. 12 EStG als verfassungskonform angesehen (vgl. Blümich/Erhard, § 3 EStG Rz 117 unter Bezugnahme auf BFH-Beschluss vom 21. September 2006 VI R 81/04 , BFHE 215, 196 , BStBl II 2007, 114; BFH-Urteil vom 29. November 2006 VI R 3/04 , BFHE 216, 163 , BStBl II 2007, 308, m.w.N.).

20  cc) Um solche Aufwendungen handelt es sich bei der hier streitigen Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB . Sie setzt schon nach dem Wortlaut der Regelung voraus, dass dem Betreuer —dem Regelfall des § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend— kein Anspruch auf Vergütung zusteht und soll geringfügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, und damit auch die Gerichte von einem darauf bezogenen Prüfungsaufwand entlasten (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 88).

21  c) Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind im Streitfall gegeben.

22  aa) Die Bezüge des Klägers aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer beruhen zunächst auf einer Festsetzung als Aufwandsentschädigung in einem Bundesgesetz.

23  Denn § 1835a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1908i BGB setzt den Anspruch eines Betreuers (ohne Vergütungsansprüche) auf Aufwendungsersatz ausdrücklich „als Aufwandsentschädigung” fest und bemisst diese Aufwandsentschädigung je Jahr als Festbetrag (Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch , 71. Aufl., § 1835a Rz 3) mit dem Neunzehnfachen des Höchstbetrages der Zeugenentschädigung je Stunde versäumter Arbeitszeit i.S. des § 22 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes .

24  bb) Des Weiteren ist es für die Steuerfreiheit der streitigen Zahlungen unerheblich, dass in dem für die Auszahlung der Aufwandsentschädigung maßgeblichen Haushaltstitel des Haushaltsplans der Begriff „Aufwandsentschädigung” nicht verwendet wird. Dafür sprechen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG .

25

 

  (1) Der Wortlaut des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG lässt sechs Möglichkeiten für steuerbegünstigte Festsetzungen als Aufwandsentschädigung zu (vgl. dazu von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz B 12/60), nämlich
  –   die Festsetzung in einem Bundesgesetz,
  –   die Festsetzung in einem Landesgesetz,
  –   die Festsetzung aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung,
  –   die Festsetzung aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigung,
  –   die Festsetzung durch die Bundesregierung oder
  –   die Festsetzung durch eine Landesregierung.

 

26  Die in der mündlichen Verhandlung nachhaltig vorgetragene Auffassung des FA und des BMF, für alle dieser sechs Möglichkeiten sei gleichermaßen zusätzlich eine entsprechende Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG (so wohl auch HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 EStG Rz 10 „Ausweis”), folgt nicht zwingend aus dem Wortlaut und der Struktur der Regelung.

27  Denn das Gebot der Ausweisung im Haushaltsplan („und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden”) kann angesichts der „oder”- Verknüpfungen zwischen den sechs Möglichkeiten steuerfreier Aufwandsentschädigungen gleichermaßen nur auf die letzte oder die beiden letzten Alternativen (Festsetzung durch die Bundes- oder Landesregierung) bezogen sein.

28  (2) Für diese Auslegung spricht schon der Zweck der Bindung an eine Ausweisung im Haushaltsplan, mit ihr „eine Mitwirkung der parlamentarischen Organe zu gewährleisten” (vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz B 12/61). Einer solchen —weiteren— Mitwirkung bedarf es nämlich ersichtlich nicht für solche Aufwandsentschädigungen, die bereits durch Gesetz —wie im Streitfall in § 1835a BGB — und damit bereits unter Mitwirkung der parlamentarischen Organe als Aufwandsentschädigung normiert worden sind.

29  (3) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Denn der Gesetzgeber hat das Erfordernis einer Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan erst mit § 3 Nr. 12 EStG 1957 „zur Klarstellung in Zweifelsfällen” (vgl. ohne nähere Begründung im Weiteren Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen zu BTDrucks 2/3509 und 2/3510, S. 8) in das EStG eingestellt. Alleiniger Grund für diese Klarstellung war die Entscheidung des BFH in den Urteilen vom 22. September 1955 IV 47/54 S (BFHE 62, 488 , BStBl III 1956, 181) und vom 24. Juli 1956 IV 382/55 S (BFHE 64, 291, BStBl III 1957, 111) zu § 3 Nr. 11 EStG a.F., dass Ministerialzulagen ohne entsprechende ausdrückliche normative Regelung nicht als Aufwandsentschädigungen im Sinne dieser Vorschrift steuerfrei seien, sondern zum Arbeitslohn gehörten.

30  Danach sind „Zweifelsfälle” im Sinne der Motive des Gesetzgebers ersichtlich nur solche Sachverhalte, bei denen sich der Charakter einer Zahlung als Aufwandsentschädigung nicht schon unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ergibt er sich bereits aus dem Gesetz, bedarf es infolgedessen nicht einer zusätzlichen entsprechenden Ausweisung der Zahlungen im Haushaltsplan des jeweiligen Bundes- oder Landeshaushaltsgesetzgebers. Denn in diesem Fall ist dem Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG , eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Behandlung als Aufwandsentschädigung (typisierender Ersatz von Erwerbsaufwendungen) zu gewährleisten, bereits umfassend Rechnung getragen.

31  (4) Ob und in welchem Umfang die hier streitigen Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuer nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 3 Nr. 26a EStG (eingefügt durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007, BGBl I 2007, 2332 , BStBl I 2007, 815, zuletzt geändert durch das JStG 2010 ) sowie in § 3 Nr. 26b EStG i.d.F. des JStG 2010 (weiterhin) in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG fallen oder ob dieser Regelung die neuen Vorschriften der Nrn. 26a und 26b als Sondervorschriften ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorgehen, kann der Senat offenlassen (vgl. zu dem Konkurrenzverhältnis HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 1 „Verhältnis zu anderen Vorschriften” und HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26b EStG Rz 1 „Verhältnis zu anderen Vorschriften”; Oberfinanzdirektion —OFD— Frankfurt, Verfügung vom 30. August 2011 -S 212 A-33-St 213, juris). Denn im Streitfall sind nur die vor diesem Zeitpunkt liegenden Veranlagungszeiträume 2001 bis 2004 betroffen.

32  (5) Mit seiner Auffassung, dass nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG kraft Gesetzes festgesetzte Aufwandsentschädigungen unabhängig von einer entsprechenden Ausweisung im Haushaltsplan steuerfrei sind und eine solche Ausweisung nur für durch die Bundesregierung oder durch Landesregierungen festgesetzte Aufwandsentschädigungen erforderlich ist, weicht der Senat entgegen der Auffassung des FA und des BMF nicht von der Rechtsprechung anderer Senate ab.

33  Nach bisheriger Rechtsprechung greift § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG allerdings nicht ein, wenn die gezahlte Vergütung weder in einem Bundes- oder Landesgesetz noch in einer Bestimmung, die auf einer Ermächtigung in einem Bundes- oder Landesgesetz oder einer Rechtsverordnung beruht, noch durch die Bundesregierung oder eine Landesregierung festgesetzt worden ist und die Leistung nicht aus einem Titel geleistet worden ist, der ausdrücklich als „Aufwandsentschädigung” bezeichnet wurde und Empfänger und Höhe der zu leistenden Entschädigungen nennt (BFH-Urteil vom 20. August 2008 I R 35/08 , BFH/NV 2009, 26 unter Bezugnahme auf HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 EStG Rz 10).

34  Diese Rechtsprechung bezieht sich indessen ausweislich der Entscheidung in BFH/NV 2009, 26 nur auf Fälle, in denen ohne eine solche ausdrückliche Bezeichnung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine solche Zuordnung zu steuerfreien Aufwandserstattungen gegeben wäre.

35  Insbesondere ergibt sich eine Abweichung nicht aus den vom BMF in Bezug genommenen BFH-Urteilen vom 24. August 1973 VI R 100/71 (BFHE 110, 272 , BStBl II 1973, 819) und vom 9. Oktober 1992 VI R 88/91 (BFH/NV 1993, 165 ).

36  Die BFH-Entscheidung in BFHE 110, 272 , BStBl II 1973, 819 betraf nämlich eine nicht durch Gesetz, sondern nur durch die Verwaltung beschlossene „Aufwandsentschädigung”, die auch nach den Ausführungen unter II.2.c bb (1) bis (4) der Gründe dieses Urteils eine entsprechende Ausweisung im Haushaltsplan für die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG voraussetzen würde. Die BFH-Entscheidung in BFH/NV 1993, 165 betraf ebenso wie das dazu ergangene Parallelurteil vom 24. Oktober 1991 VI R 83/89 (BFHE 165, 542 , BStBl II 1992, 140) die revisionsrechtlich nicht überprüfbare Auslegung einer landesrechtlichen Vorschrift durch die Vorinstanz, nach der streitige (Einrichtungs-) Aufwendungen  nicht  von dem Begriff der Aufwandsentschädigung in dieser Vorschrift erfasst wurden.

37  cc) Auf dieser Grundlage bedarf es einer ausdrücklichen Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. OFD Koblenz, Verfügung vom 15. Dezember 2006 S 2240 A -St 31 4, juris) nicht, weil sich der streitige Aufwandsentschädigungsanspruch unmittelbar aus einem Bundesgesetz, nämlich § 1835a BGB ergibt.

38  (1) § 1835a BGB ist —wie bereits ausgeführt— nach dem Wortlaut der Regelung wie auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht auf eine Vergütung der Betreuungstätigkeit gerichtet. Vielmehr soll er ausschließlich in begrenztem Umfang geringfügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, ihnen durch die Pauschalierung die Mühe abnehmen, solche Aufwendungen wie kleinere Porto- oder Telefonkosten durch Belege nachzuweisen und damit auch die Gerichte von einem darauf bezogenen Prüfungsaufwand entlasten (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 88).

39  (2) Auch die geringe Höhe der Aufwandsentschädigung je betreuter Person (monatlich etwa 27 € nach der Rechtslage im Jahre 2004) bietet darüber hinaus ersichtlich keinen Anlass zu Zweifeln, dass die dem pauschalen Werbungskostenansatz des Gesetzgebers zugrunde liegende Annahme eines regelmäßig in dieser Höhe zu erwartenden Aufwandes sachgerecht ist.

40  (3) Dies unterscheidet die streitige Aufwandsentschädigung von anderen öffentlich-rechtlichen Zahlungen wie Ministerialzulagen und oberstgerichtlichen Zulagen, die regelmäßig nicht ausschließlich auf die Abgeltung von Sonderaufwand ausgerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1964 VI 298/60 U , BFHE 81, 401, BStBl III 1965, 144; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; BFH-Urteile in BFHE 198, 545 , BStBl II 2002, 823; in BFHE 198, 554 , BStBl II 2002, 827). Für Zulagen dieser Art wäre —so das BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502— die unwiderlegbare Vermutung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG , nach dieser Vorschrift festgesetzte Zahlungen seien bei Einhaltung der gesetzlich benannten Festsetzungsvoraussetzungen Aufwandsentschädigungen (Carl, FR 1991, 125) sachlich verfehlt.

Wann muss und wann sollte die Anlage KAP mit abgegeben werden

Ab dem 1. Januar 2009 führen Banken und Finanzinstitute auf Zinserträge und andere Gewinne aus Kapitalanlagen pauschal 25 Prozent Kapitalertragsteuer („Abgeltungsteuer“) zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer ab. Grundsätzlich ist die Einkommensteuer auf Kapitalerträge damit abgegolten und die Abgabe der Anlage KAP bei der Steuererklärung nicht erforderlich.

Von dieser Regel gibt es allerdings Ausnahmen.

Eine Erklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn kein Steuerabzug auf die Kapitalerträge erfolgt ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei Auslandskonten und –depots oder Zinsen aus Privatdarlehen, Steuererstattungszinsen, verdeckten Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinnen aus GmbH-Anteilen und Lebensversicherungen. Hier muss also die Anlage KAP mit der Steuererklärung abgegeben werden. Ehegatten müssen ab 2009 jeweils eine eigene Anlage KAP einreichen.

Zum anderen gibt es Fälle, in denen ein sogenanntes Veranlagungswahlrecht besteht. Hier kann sich die freiwillige Abgabe der Anlage KAP für den Steuerbürger durchaus lohnen. Dies ist meist dann der Fall, wenn kein oder ein zu geringer Freistellungsauftrag bei der Bank gestellt wurde. Eine weitere Variante ist die neue Möglichkeit, auf der Anlage KAP die Günstigerprüfung zu beantragen. Dies lohnt sich dann, wenn der persönlicher Steuersatz unter 25 Prozent liegt. Ist dies tatsächlich der Fall, erhält er die zu viel einbehaltene Steuer zurück. Voraussetzung ist allerdings, dass auf der Anlage KAP sämtliche Kapitalerträge erklärt werden.

Der Steuersatz liegt in der Regel unter 25 Prozent, wenn das zu versteuernden Einkommen von rund 15.000 Euro bei Einzelpersonen und rund 30.000 Euro bei Verheirateten nicht überschritten ist.

Zum Hintergrund Freistellungsauftrag:

Bis zur Höhe des Sparer-Pauschbetrages (bei Einzelpersonen beträgt dieser 801 Euro und bei Verheirateten 1.602 Euro) können Steuerbürger ihrer Bank einen sogenannten Freistellungsauftrag erteilen. Eine Aufteilung des Freistellungsvolumens auf verschiedene inländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ist ebenfalls möglich. Zinseinnahmen bleiben dann bis zur Höhe des erteilten Freistellungsauftrags vom Steuerabzug verschont und sind somit vollständig steuerfrei.

Quelle: Oberfinanzdirektion Koblenz, 25.02.2010

Nachträgliche Schuldzinsen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

Kernproblem
Werden Einkünfte aus der Vermietung einer Immobilie erzielt, sind Schuldzinsen der Darlehensaufnahme für die Anschaffung des Objekts als Werbungskosten abzugsfähig. Etwas anderes galt jedoch nach bisheriger Rechtsprechung nach Veräußerung des Objekts. Selbst wenn der Veräußerungserlös nicht zur Schuldentilgung ausreichte, sah der Bundesfinanzhof (BFH) den Zusammenhang mit der Einkunftserzielung als unterbrochen an. In der Folge waren Schuldzinsen auf die Restverbindlichkeit nicht abzugsfähig. Hieran war schon allein deswegen Kritik aufgekommen, weil der gleiche Sachverhalt im Bereich der Gewinneinkunftsarten zu nachträglichen Betriebsausgaben führen würde. Auch die Verlängerung der Spekulationsfristen für Immobilien im Jahr 1999 von 2 auf 10 Jahre konnte dazu Anlass geben, an der bisherigen Rechtsprechung etwas zu ändern. Dies hat der BFH jetzt auch getan.

Sachverhalt
Ein Vermieter hatte im Jahr 1994 ein Wohngebäude erworben und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der Großteil des Kaufpreises musste finanziert werden. Als er im Jahr 2001 das Gebäude wieder veräußerte, blieb ein Verlust von fast 800.000 EUR, den das Finanzamt auch als Spekulationsverlust gesondert feststellte. Weil nach Verrechnung mit dem Veräußerungserlös immer noch Bankverbindlichkeiten von über 500.000 EUR verblieben, fielen in einem darauffolgenden Jahr Schuldzinsen an. Das Finanzamt lehnte den Abzug als nachträgliche Werbungskosten ebenso ab, wie das Finanzgericht. So ging es mit dem Argument zum BFH, an dem Korrespondenzprinzip zwischen der weitgehenden Verschonung von privaten Veräußerungsgewinnen und dem Abzugsverbot nachträglicher Finanzierungskosten könne nach Verlängerung der Spekulationsfristen nicht länger festgehalten werden.

Entscheidung
Der BFH hat seine Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geändert und den Abzug zugelassen. Die Richter führten aus, das Urteil folge der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung zur steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen bei der Veräußerung von Privatimmobilien und deren Verknüpfung mit einer vorangegangenen steuerbaren Nutzung des Grundstücks. Die gesetzliche Regelung zur Ermittlung des Veräußerungsergebnisses (in Form einer Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch bereits in Anspruch genommene Abschreibungen) bewirke eine Gleichstellung mit einer Veräußerung im Betriebsvermögen (Erlös ./. Buchwert). So sei es folgerichtig, den nachträglichen Schuldzinsenabzug auch auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auszuweiten und eine Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen herzustellen.

Konsequenz
Zukünftig ist auf die Deklaration von Schuldzinsen zu achten, soweit der Veräußerungserlös nicht ausreicht, um das Darlehen abzulösen.

 

Presseerklärung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 62:

“Mit Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Schuldzinsen für ein Darlehen, das ursprünglich zur Finanzierung von Anschaffungskosten einer zur Vermietung bestimmten Immobilie aufgenommen wurde, grundsätzlich auch dann noch als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können, wenn das Gebäude veräußert wird, der Veräußerungserlös aber nicht ausreicht, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen.

Der Kläger hatte 1994 ein Wohngebäude erworben, dieses vermietet und hieraus Einkünfte erzielt. Im Jahr 2001 veräußerte er das Gebäude mit Verlust. Mit dem Veräußerungserlös konnten die bei der Anschaffung des Gebäudes aufgenommenen Darlehen nicht vollständig abgelöst werden; dadurch musste der Kläger auch im Streitjahr 2004 noch Schuldzinsen auf die ursprünglich aufgenommenen Verbindlichkeiten aufwenden. Das Finanzamt erkannte die vom Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung für 2004 geltend gemachten “nachträglichen Schuldzinsen” nicht als Werbungskosten an.

Der BFH gab dem Kläger Recht; die geltend gemachten Schuldzinsen seien zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt worden. Der BFH hielt damit an seiner bisherigen – restriktiveren – Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht länger fest. Der BFH begründet seine Rechtsprechungsänderung sowohl mit der im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, Wertsteigerungen bei der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken innerhalb einer auf 10 Jahre erweiterten Frist zu erfassen, als auch mit der gesetzestechnischen Verknüpfung von privaten Veräußerungsgeschäften mit einer vorangegangenen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks durch die Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes, welche bewirke, dass die Ermittlung des Gewinns aus einem steuerbaren Grundstücksveräußerungsgeschäft strukturell der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt werde. Vor diesem Hintergrund sei es folgerichtig, den nachträglichen Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf den im Streitfall zu entscheidenden Sachverhalt auszuweiten und damit die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften wieder herzustellen.”

 BFH-Urteil vom 20.06.2012 – IX R 67/10

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.6.2012, IX R 67/10

Nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – Gewinnermittlung im Rahmen des § 23 EStG erfolgt zeitpunktbezogen

Leitsätze

Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Wohngrundstücks dienten, können auch nach einer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerung der Immobilie weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können.

Tatbestand

1
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 17. Juni 1994 ein Wohngebäude, um damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen; die Anschaffungskosten des Objekts betrugen (einschließlich der Anschaffungsnebenkosten) 1.841.235 EUR. Von diesen Kosten finanzierte der Kläger einen Teilbetrag in Höhe von 1.457.181,86 EUR über Darlehen der Volksbank X.
2
Der Kläger veräußerte das Objekt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 14. Mai 2001; dabei erzielte er einen Veräußerungspreis in Höhe von 1.073.712 EUR. Unter Berücksichtigung der Veräußerungskosten ergab sich nach den gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ein Veräußerungsverlust i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 792.432 EUR, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 nach § 10d Abs. 4 EStG gesondert feststellte. Der Kläger hat in den Jahren 2004 und 2005 nachträgliche Einkünfte aus dem Objekt in Gestalt verspätet geleisteter rückständiger Mieteinnahmen erzielt.
3
Der aus der Veräußerung des Objekts erzielte Erlös reichte nicht aus, um die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden Darlehen abzulösen; das ausschließlich zum Erwerb der Immobilie aufgenommene Darlehen der Volksbank X valutierte im Zeitpunkt der Veräußerung noch mit 534.075 EUR. Für die –nach vollständiger Verwendung des Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung– noch verbliebene Darlehensschuld wandte der Kläger im Streitjahr 2004 Schuldzinsen in Höhe von 21.135 EUR auf, die er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machte.
4
Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr die vom Kläger aufgewendeten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten im Rahmen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger, mit dem sie weiterhin die Berücksichtigung der erklärten Schuldzinsen begehrten, hatte keinen Erfolg.
5
Das FG wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1052 genannten Gründen ab.
6
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertreten die Auffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur eingeschränkten Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen mit Blick auf die erweiterte Besteuerung von Wertsteigerungen im Privatvermögen seit dem Erlass des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) nicht mehr aufrecht zu halten sei; denn das insoweit in der Rechtsprechung bemühte Argument, ein nicht steuerbarer Veräußerungsvorgang überlagere einen ursprünglich gegebenen Veranlassungszusammenhang zur Einkünfteerzielung, sei nicht mehr tragfähig, wenn der Veräußerungsvorgang selbst grundsätzlich steuerpflichtig sei. Dies habe im Übrigen auch der BFH in seinem Urteil vom 16. März 2010 VIII R 20/08 (BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787) zu den insoweit vergleichbaren Einkünften aus Kapitalvermögen aus einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG so gesehen und seine diesbezügliche Rechtsprechung geändert. Während die frühere Rechtsprechung eine gewisse „Korrespondenz“ zwischen der weitgehenden Verschonung von Veräußerungsgewinnen im privaten Vermögensbereich und einem Abzugsverbot für nachträgliche Finanzierungsaufwendungen gesehen habe, lasse sich nun umgekehrt aus dem BFH-Urteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787 ableiten, dass die gesetzgeberische Entscheidung, Veräußerungsgewinne im Privatvermögen weitgehend der Besteuerung zu unterwerfen, auch zum Abzug nachträglicher Finanzierungsaufwendungen führen müsse. Soweit der Gesetzgeber mit den gesetzlichen Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 im Anwendungsbereich des § 23 EStG eine erweiterte Steuerverstrickung eingeführt habe, würden Steuerpflichtige, die Grundstücke aus ihrem Privatvermögen steuerpflichtig veräußern, durch die Versagung des Abzugs nachträglich entstehende Finanzierungskosten schlechter gestellt als Steuerpflichtige, die Grundstücke aus ihrem Betriebsvermögen veräußern. Daher müsse –jedenfalls soweit die Steuerverstrickung reiche– ein nachträglicher Schuldzinsenabzug zulässig sein. Zu Unrecht habe das FG überdies an der –in der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung so vertretenen– unterschiedlichen Behandlung von Überschuss- und Gewinneinkünften festgehalten. Maßgeblich sei nach der neueren BFH-Rechtsprechung nicht mehr alleine die Zuordnung des zur Einkünfteerzielung verwendeten Vermögens zum betrieblichen oder privaten Bereich, sondern die Frage, ob Wertveränderungen dieses Vermögens dem Besteuerungszugriff unterliegen. Schließlich habe das FG auch § 24 Nr. 2 EStG fehlerhaft ausgelegt. Der genannten Norm sei nicht zu entnehmen, dass der Betriebsaufgabe einerseits und der Aufgabe des Kapitalvermögens oder der Veräußerung eines Mietshauses andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich der Berücksichtigung nachträglicher Einnahmen und Aufwendungen beizumessen seien.
7
Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil des FG vom 1. Juli 2010  13 K 136/07 sowie den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27. März 2006, geändert durch Bescheide vom 8. Juni 2006 und vom 17. Juli 2009, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2007 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung der erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung festzusetzen, dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

8
Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit zur weiteren Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht an das FG zurückzuverweisen.

9
Das FA vertritt die Auffassung, dass die unterschiedliche Behandlung von nachträglichem Aufwand bei den Gewinneinkünften einerseits und den Überschusseinkünften andererseits durch den –auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als gültige Grundkonzeption des deutschen Einkommensteuerrechts anerkannten– Dualismus der Einkunftsarten gerechtfertigt sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem BFH-Urteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787, da dessen Grundsätze trotz der von zwei auf zehn Jahre verlängerten Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht übertragen werden könnten. Der Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der Finanzierung der Anschaffungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie sei durch deren Veräußerung unterbrochen; daher könnten die von den Klägern aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen allenfalls bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Überdies müsste eine verlustbringende Veräußerung auch bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger berücksichtigt werden.
10
Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) vertritt die Auffassung, das FG habe zu Recht an der bisherigen Rechtsprechung des BFH zum beschränkten Schuldzinsenabzug nach Veräußerung der Immobilie festgehalten; nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen seien auch mit Blick auf die verlängerten Veräußerungsfristen des § 23 EStG keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Veräußerungserlös der Immobilie nicht zur Tilgung des zur Finanzierung der Anschaffungskosten oder Herstellungskosten aufgenommenen Kredits ausreiche.
11
Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787 seien nicht auf die Rechtslage bei § 21 EStG übertragbar, weil die Änderungen in den maßgeblichen Vorschriften nicht miteinander vergleichbar seien. Rechtsfolge der Bestimmung des § 17 EStG sei –anders als bei der Regelung in § 23 EStG– eine von der Haltedauer unabhängige durchgängige steuerliche Verstrickung der betreffenden Anteile. Vor diesem Hintergrund lasse sich eine Gleichbehandlung mit betrieblichen Einkünften noch eher begründen; dies gelte insbesondere auch aufgrund des Wortlauts des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, der die betreffenden Gewinne aus der Veräußerung der Anteile zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zähle. Demgegenüber bleibe es bei der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von Grundstücken auch nach Verlängerung der Veräußerungsfrist von zwei auf zehn Jahren dabei, dass das Wirtschaftsgut selbst der privaten Vermögensebene zuzuordnen sei. Daher könne man bei der Verlängerung der Veräußerungsfrist im Rahmen des § 23 EStG nicht von einem vergleichbaren „Paradigmenwechsel“ sprechen. Dies habe bislang auch der erkennende Senat stets so gesehen, wenn er –etwa in seinen Urteilen vom 22. April 2008 IX R 29/06 (BFHE 221, 97, BStBl II 2009, 296) und vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05 (BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259)– die Objektivierung der Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG mit den „verhältnismäßig kurzen Veräußerungsfristen“ begründet habe. Eine Vergleichbarkeit der genannten Regelungen in § 17 und § 23 EStG sei überdies auch deshalb nicht gegeben, weil die Grundstruktur der genannten Regelungen auch im Zuge der Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 unverändert geblieben sei; insbesondere sei die gesetzgeberische Grundentscheidung, wonach Verluste aus Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG lediglich innerhalb der Einkunftsart verrechnet werden dürfen (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG), nicht angetastet worden.
12
Das beigetretene BMF hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

13
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die von den Klägern geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
14
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG).
15
a) Als maßgebliches Kriterium für einen steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und einer Einkunftsart wird die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden Moments“ sowie dessen „Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre“ angesehen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672). Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kommt einerseits dem mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerichtet sein muss, und andererseits der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel entscheidende Bedeutung zu. Der notwendige Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist danach als gegeben anzusehen, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; vom 29. Juli 1997 IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 362; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 203).
16
b) Nach den bisher in der Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen besteht der Zweck, sofern das Darlehen nicht vorher abgelöst wird, jedenfalls solange fort, bis die Vermietungsabsicht aufgegeben wird und die Vermietungstätigkeit bzw. das Rechtsverhältnis im Sinne der Einkunftsart endet mit der Konsequenz, dass die auf das Darlehen gezahlten Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG zwar in dem genannten Zeitraum als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, nach Ende der Vermietungstätigkeit jedoch grundsätzlich nicht mehr als solche anerkannt wurden – und zwar auch dann nicht, wenn der Erlös aus der Veräußerung eines zuvor zur Vermietung genutzten Grundstücks nicht ausreichte, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen (vgl. BFH-Urteile vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966; vom 24. April 1997 VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682; vom 19. August 1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353; vom 25. Januar 2001 IX R 27/97, BFHE 195, 135, BStBl II 2001, 573). Etwas anderes galt mit Blick auf die Regelung in § 24 Nr. 2 EStG für rückständige Zinsen, die auf die Zeit der Vermietung entfielen, jedoch erst nach Beendigung der Vermietungstätigkeit geleistet wurden (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 600 „Zinsen“). Zudem hat die Rechtsprechung nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen dann als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, wenn mit dem Kredit Aufwendungen finanziert worden sind, die während der Vermietungstätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren (BFH-Urteile vom 16. September 1999 IX R 42/97, BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528; vom 12. Oktober 2005 IX R 28/04, BFHE 211, 255, BStBl II 2006, 407).
17
2. An dieser Rechtsprechung hält der Senat aus den nachfolgend dargelegten Erwägungen nicht länger fest.
18
a) Die bisherige Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat sich maßgebend von der Erwägung leiten lassen, dass der ursprünglich bestehende wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem zur Finanzierung von Anschaffungskosten aufgenommenen Darlehen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit der Veräußerung des Grundstücks beendet sei und das anschließend fortbestehende (Rest-)Darlehen seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren Veräußerungsverlust habe; Aufwendungen hierauf seien nur noch Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das nicht mehr der Erzielung von steuerbaren Einnahmen diene (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 966; vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48; in BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373).
19
Diese Erwägungen mögen vor dem Hintergrund der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in den Fassungen vor 1999, welche sich auf Veräußerungsgeschäfte mit „Spekulationscharakter“ beschränkte, gerechtfertigt gewesen sein. Mit der auf zehn Jahre erweiterten Erfassung von Wertsteigerungen bei der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, welche ausweislich der Gesetzesbegründung der Verbreiterung der Besteuerungsgrundlagen dienen sollte (vgl. BTDrucks 14/23, S. 179 f.), hat der Gesetzgeber eine Grundentscheidung dahin getroffen, dass zur Erzielung von Einkünften dienende Wohngrundstücke für den genannten Zeitraum –d.h. über einen reinen, steuerpolitisch gerechtfertigten „Spekulationszeitraum“ hinaus– nicht mehr dem privaten, sondern dem steuerrechtlich erheblichen Vermögensbereich zuzuordnen sind und ein etwaiger Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften der Besteuerung unterliegt.
20
b) Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist das bisher von der Rechtsprechung bemühte Argument, der Fortbestand eines den Verkaufserlös der veräußerten Einkunftsquelle übersteigenden (Rest-)Darlehens habe seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren Veräußerungsverlust, nicht länger ergiebig. Nachträgliche Schuldzinsen können mithin auch im Bereich der Überschusseinkünfte der Finanzierung eines steuerrechtlich erheblichen Veräußerungs- oder Aufgabeverlusts dienen. Die Notwendigkeit einer dahin gehenden Fortentwicklung der Rechtsprechung wird besonders an der Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG (vormals § 23 Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes –JStG– 1996, BStBl I 1995, 438, 461) deutlich, wonach im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines veräußerten Wirtschaftsguts sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen mindern, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind. Diese Regelung –die nach § 52 Abs. 22 EStG i.d.F. des JStG 1996 auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden ist, bei denen der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut nach dem 31. Juli 1995 angeschafft hat– verknüpft das private Veräußerungsgeschäft mit der bisherigen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks und bewirkt, dass die Ermittlung des Gewinns aus einem nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäft –strukturell– der Ermittlung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt wird. Denn die Höhe des Gewinns i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG hängt ab von der bisherigen Nutzung des Grundstücks und von der Entscheidung des Steuerpflichtigen, bestimmte Abzugsbeträge im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung geltend zu machen (vgl. Heuermann, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 864, 866).
21
c) Eine Ausweitung des nachträglichen Schuldzinsenabzugs bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führt im System der Einkommensteuer weder zu Wertungswidersprüchen noch zu sachwidrigen Ergebnissen. Der Gesetzgeber selbst hat den Besteuerungszugriff mit der Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. seit 1999 in bedeutsamer Weise ausgedehnt. Der Senat überträgt diese gesetzgeberische Grundentscheidung lediglich folgerichtig auf seine Rechtsprechung, mit der er auch schon bisher den weiteren Abzug von bislang auf einen veräußerten Grundstücksanteil entfallenden Schuldzinsen im Wege der Surrogation unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen hat (vgl. etwa BFH-Urteile vom 25. Februar 2009 IX R 52/07, BFH/NV 2009, 1255; vom 8. April 2003 IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706) und stellt dabei die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften (s. hierzu Beiser, Der Abzug von Schuldzinsen in der Einkommensteuer, Berlin 1990, 129) wieder her.
22
3. Nach diesen Grundsätzen besteht ein ursprünglich gesetzter Veranlassungszusammenhang zwischen einem (Rest-)Darlehen, das der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen Immobilienobjektes diente, und den (früheren) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich auch dann weiter fort, wenn der Steuerpflichtige das Objekt veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen. Durch die mit der Veräußerung des Wohngrundstücks einhergehende Beendigung der Vermietungstätigkeit ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen; vielmehr sind die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommenen Schulden ausgelöst.
23
Mit der Veräußerung des ursprünglich zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen Immobilienobjektes wird auch kein „neuer“, den bisherigen Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung überlagernder oder gar ersetzender Zusammenhang mit den sonstigen Einkünften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geschaffen. Zwar können Aufwendungen, die während des nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgeblichen Zeitraums angefallen sind, auch Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG sein. Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 23 EStG kommt indes zum einen nur dann in Betracht, soweit nicht der Veräußerungsgegenstand im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart genutzt wurde (vgl. § 23 Abs. 2 EStG). Sind daher die Aufwendungen im Rahmen einer steuerlich relevanten Nutzung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu werten, scheidet der Abzug als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften schon dem Grunde nach aus. Zum anderen erfolgt die Gewinnermittlung im Rahmen des § 23 EStG zeitpunktbezogen; aufgrund dieser einkunftsartbedingten Besonderheit kommt eine Berücksichtigung von Schuldzinsen, die nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angefallen sind, entgegen der Auffassung des FA bei den Einkünften nach § 23 EStG nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 X R 22/00, BFHE 206, 406, BStBl II 2005, 91; vom 12. Dezember 1996 X R 65/95, BFHE 182, 363, BStBl II 1997, 603; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 181, 195).
24
4. In Einschränkung dieser Grundsätze ist ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung –entsprechend der rechtlichen Behandlung nachträglicher Schuldzinsen auf Betriebsschulden nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs als Betriebsausgaben (s. BFH-Urteile vom 28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642; vom 19. August 1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353)– dann allerdings zu verneinen, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). In diesem Fall beruht die Entscheidung des Steuerpflichtigen, im Veräußerungszeitpunkt noch valutierende Darlehensschulden nicht oder nicht im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zurückzuführen, auf einer privaten Motivation, die den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagert (vgl. Jachmann/ Schallmoser, Deutsches Steuerrecht 2011, 1245, 1249). Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG kann ferner dann nicht mehr angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich –etwa mit Blick auf eine dauerhaft angelegte Vermietung des maßgeblichen Objektes– mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat (zur Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; zur Übernahme der Typisierung durch den Gesetzgeber s. die Neuregelung des § 21 Abs. 2 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl I 2011, 2131) sowie die hierzu gegebene Gesetzesbegründung in BRDrucks 54/11, 51), seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjektes aus anderen Gründen weggefallen ist.
25
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, in welchen darüber hinaus denkbaren Fallkonstellationen eine den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernde private Motivation den Schluss rechtfertigen könnte, dass nachträgliche Schuldzinsen nicht mehr durch die ursprünglich zu Vermietungszwecken aufgenommenen Schulden ausgelöst sind. Jedenfalls ist in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige –ohne seine Absicht zur Einkünfteerzielung vor der Zeit aufgegeben zu haben– das bisher der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienende Wohngrundstück steuerbar veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen, von einem Fortbestand des Veranlassungszusammenhangs auszugehen.
26
5. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Die Höhe der von dem Kläger im Streitjahr aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen ist ebenso wenig streitig wie der Umstand, dass er das verbliebene (Rest-)Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten eines der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienenden Wohngebäudes aufgenommen hat. Unstreitig war der Kläger auch nicht in der Lage, die bestehenden Darlehensverbindlichkeiten bei der Veräußerung des Immobilienobjektes vollständig zu tilgen; der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung wurde insoweit beachtet.
27
6. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuerbeträge nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem FA gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
28
7. Der Antrag der Kläger, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 28. März 2000 VIII R 68/96, BFHE 191, 505; vom 14. Mai 2009 IV R 47/07, BFHE 225, 116, BStBl II 2009, 900). Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist deshalb das FG als Gericht des ersten Rechtszugs (z.B. BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 16/96, BFHE 189, 67, BStBl II 1999, 596).

Eltern können Kosten für 2-sprachigen Kindergarten abziehen

Kernproblem

Kinderbetreuungskosten werden steuerlich mit bis zu 4.000 EUR je Kind gefördert und sind nicht (wie das Eltern sonst oft vom Finanzamt zu hören bekommen) mit dem Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag abgegolten. Ab dem Jahr 2012 ist die Unterscheidung zwischen erwerbsbedingten und privaten Betreuungskosten entfallen und ein Abzug nur noch als Sonderausgaben möglich. Schon immer Bestand hatte die Einschränkung, dass Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen nicht gefördert werden. In einem Verwaltungserlass nennt die Finanzverwaltung Schulgeld, Nachhilfe oder Fremdsprachenunterricht als negative Beispiele. Werden Kinder in einem mehrsprachig geführten Kindergarten betreut, kann es schon einmal Abgrenzungsprobleme geben.

Sachverhalt

Eltern ließen ihre Kinder in einem städtischen Kindergarten betreuen, der neben deutschen Erzieherinnen auch französische Sprachassistentinnen beschäftigte. Die Methodik sah vor, dass die Erzieherinnen mit den Kindern ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich (ohne Lehrplan) französisch sprachen. In Planung, Durchführung und Auswertung der pädagogischen Aufgaben arbeiteten die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen. Während die Erzieherinnen bei der Stadt angestellt waren, wurden die Sprachassistentinnen von einem Verein zur Förderung der französischen Sprache und Kultur gestellt, an den die Eltern eine gesonderte Vergütung zahlten. Mit Begründung auf die Nichtabziehbarkeit von Unterrichtskosten versagte das Finanzamt den Abzug der an den Verein geleisteten Aufwendungen.

Entscheidung

Wie das Finanzgericht entschied auch der Bundesfinanzhof zugunsten der Eltern. Der Begriff der Kinderbetreuung sei weit zu verstehen und umfasse nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit. Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindere den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht. Etwas anders gelte dann, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten Rahmen stattfänden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund rücke.

Konsequenz

Die bilinguale Kita liegt voll im Trend und kann mit Steuervorteilen für die Eltern werben (zumindest solange es „unorganisiert und ohne Konzept“ zugeht).

 

BFH-Urteil vom 19.04.2012 – III R 29/11

Pressemeldung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 70:

“Berufstätige Eltern konnten auch schon vor 2009 zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4000 EUR je Kind, für die Unterbringung ihrer Kinder in einem zweisprachig geführten Kindergarten nach § 4f bzw. § 9 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der vor 2009 geltenden Fassung (EStG a.F.) wie Betriebsausgaben oder wie Werbungskosten einkommensteuermindernd geltend machen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 19. April 2012 III R 29/11 entschieden.

In dem betreffenden Kindergarten wurden neben deutschen Erzieherinnen auch französische “Sprachassistentinnen” eingesetzt. Die Erzieherinnen sprachen mit den Kindern ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich französisch. Ein Lehrplan existierte nicht. Die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, Durchführung und Auswertung der pädagogischen Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.

Das Finanzamt versagte den Abzug der streitigen Aufwendungen mit der Begründung, dass es sich hierbei nicht um nach § 4f Satz 1 EStG a.F. abziehbare Kinderbetreuungskosten, sondern um nach § 4f Satz 3 EStG a.F. nicht abziehbare Unterrichtskosten gehandelt habe.

Dem folgte der BFH ebenso wie schon das Finanzgericht nicht. Er wies darauf hin, dass der Begriff der Kinderbetreuung weit zu verstehen sei. Er umfasse nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das körperliche, seelische und geistige Wohl des Kindes. Letzteres schließe auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit ein. Nach § 4f Satz 3 EStG a.F. nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fertigkeiten hätten nur dann vorgelegen, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattgefunden hätten und die von der Lehrperson während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund getreten wäre. Davon könne jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.”

Bundesfinanzhof (BFH)

 

Abgrenzung zwischen Kinderbetreuungskosten und nicht abziehbaren Unterrichtsaufwendungen

 Leitsatz

1. Der Begriff der Kinderbetreuung i.S. der §§ 4f und 9 Abs. 5 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091 ) ist weit zu fassen. Er umfasst nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit. Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindert den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht.

2. Nach § 4f Satz 3 EStG nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen nur dann vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund rückt.

 Gesetze

EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 4f
EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 9 Abs. 5 Satz 1

 Instanzenzug

Sächsisches FG vom 6. April 2011 2 K 1522/10 BFH III R 29/11

 Gründe

I.

1  Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater zweier Kinder, die in den Streitjahren 2006 und 2007 die deutsch-französische Gruppe eines städtischen Kindergartens besuchten. Die mit dem Kläger zusammenlebende Mutter der Kinder war wie dieser in den Streitjahren berufstätig.

2  In dem Kindergarten kamen neben deutschen Erzieherinnen auch sogenannte französische Sprachassistentinnen zum Einsatz, die von dem Verein X e.V. (im Folgenden: Verein) bezahlt wurden. Zweck des Vereins ist unter anderem die sozialpädagogische Betreuung von Kindern unter besonderer Vermittlung der französischen Sprache und Kultur. Zwischen der Stadt A —Jugendamt— als dem Kindergartenträger und dem Verein bestand in den Streitjahren eine Kooperationsvereinbarung, wonach das Jugendamt und der Verein partnerschaftlich die konzeptionelle Entwicklung des in der Kindertagesstätte (Kita) eingerichteten Teilbereichs deutsch-französischer Kindergarten fördern sollten. Aufgrund dieser Vereinbarung wurden im deutsch-französischen Kitabereich neben den bei der Stadt angestellten Erzieherinnen die beim Verein beschäftigten französischsprachigen Sprachassistentinnen eingesetzt. Die Fachaufsicht über die Sprachassistentinnen lag bei der Kindergartenleitung bzw. dem Jugendamt. Die Kinder wurden im zweisprachigen Kindergarten nach der sogenannten Immersionsmethode betreut, d.h. die Erzieherinnen sprechen ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich französisch. Letztere unterstützen ihre Aussagen mit Gestik und Mimik, ohne Übersetzungen vorzunehmen. Ein Lehrplan existiert nicht. Die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, der Durchführung und der Auswertung der pädagogischen Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.

3  Den Zahlungen des Klägers lag ein gesonderter Leistungsvertrag zugrunde, in dem er sich aufgrund des Kooperationsvertrages zwischen Jugendamt und Verein verpflichtete, für den Einsatz der Sprachassistentinnen die jeweils festgesetzten Leistungsvergütungen an den Verein zu zahlen.

4  Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte den Abzug der in den Streitjahren an den Verein gezahlten Leistungsvergütungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten im Sinne des in den Streitjahren geltenden § 4f Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Während der Einspruch erfolglos blieb, entsprach das Finanzgericht (FG) mit dem angegriffenen Urteil dem Begehren des Klägers.

5  Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe das Tatbestandsmerkmal „Dienstleistungen zur Betreuung” in § 4f Satz 1 EStG und das Tatbestandsmerkmal „Unterricht” in § 4f Satz 3 EStG verkannt. Betreuung sei die behütende oder beaufsichtigende Betreuung, d.h. die persönliche Fürsorge für das Kind müsse der Dienstleistung erkennbar zugrunde liegen. Bei den gemäß § 4f Satz 3 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen für Unterricht u.ä. handele es sich um Kosten, die durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bereits abgegolten seien. Die Abgrenzung richte sich danach, ob der Betreuungszweck wesentlicher Bestandteil der Dienstleistung sei. Wenn dies bejaht werden könne, dann seien weitere Motive für die Inanspruchnahme der Betreuungseinrichtung unschädlich. Das FG habe verkannt, dass der Betreuungszweck durch den Einsatz der französischen Sprachassistentinnen nicht den überwiegenden Bestandteil der zu erbringenden Leistung darstelle. Aus der Konzeption der Kita und der Kooperationsvereinbarung mit dem Verein ergebe sich das Ziel des Erlernens einer Zweitsprache. Dies sei der überwiegende Bestandteil der zu erbringenden Leistung der Sprachassistentinnen. Dass nebenbei auch Betreuungsleistungen erbracht würden, sei nicht von der Hand zu weisen, aber nicht rechtserheblich. Denn jeder Musik- oder Sportlehrer erbringe neben seiner hauptsächlichen Unterrichtsleistung zwangsläufig auch eine Betreuung der Kinder im Sinne einer behütenden Aufsicht. Auch wenn im Streitfall die Vermittlung der französischen Sprache nicht unterrichtsmäßig erfolge, was angesichts des Alters der Kinder nicht funktionieren könne, so falle sie doch in den Bereich des § 4f Satz 3 EStG . Es gehe nämlich um die Vermittlung besonderer Fähigkeiten im Sinne dieser Vorschrift. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. Januar 2007 IV C 4 -S 2221- 2/07 (BStBl I 2007, 184) sei von einer Aufteilung in Betreuungs- und andere Leistungen abzusehen.

6  Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

7  Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

8  Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die an den Verein geleisteten Zahlungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen sind.

9  1. a) Nach § 4f Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes i.S. des § 32 Abs. 1 EStG , die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, unter anderem bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden. Nach § 4f Satz 3 EStG sind Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten sowie für sportliche und andere Freizeitbetätigungen nicht begünstigt. Für den Bereich der Überschusseinkunftsarten gelten diese Regelungen sinngemäß (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG ), so dass erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen sind.

10  b) Der vom Gesetz nicht definierte Begriff der Kinderbetreuung ist weit zu fassen. Aus dem Wortlaut —das Verb betreuen stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet so viel wie schützen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch)— und dem Zusammenhang mit der Altersgrenze von 14 Jahren ergibt sich zunächst, dass mit der in § 4f Satz 1 EStG enthaltenen Formulierung „Betreuung eines Kindes” jedenfalls die behütende und beaufsichtigende Betreuung im Sinne eines Schutzes vor Gefahren, Verletzungen und Schäden erfasst werden soll (das sogenannte „Aufpassen” auf das Kind). Darüber hinausgehend ist Betreuung aber grundsätzlich als Personensorge i.S. des § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 28. November 1986 III R 1/86 , BFHE 149, 211 , BStBl II 1987, 490) und erfasst daher —mit Ausnahme der durch das Kindergeld oder die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bereits abgegoltenen Verpflegung des Kindes— auch die Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das geistige, seelische und körperliche Wohl des Kindes. Da es nicht in dem so verstandenen fürsorgerischen Interesse des Kindes liegt, lediglich „verwahrt” zu werden, umfasst der Betreuungsbegriff daher insbesondere auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der im Kindergarten und in ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit. Dass der Gesetzgeber keinen auf die Beaufsichtigung und die Behütung beschränkten Betreuungsbegriff vertreten hat, zeigt sich auch an dem zeitgleich mit § 4f EStG eingeführten subsidiären Sonderausgabentatbestand in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG . Mit der dort im Hinblick auf drei- bis sechsjährige Kinder vorgesehenen Abzugsmöglichkeit wollte der Gesetzgeber —wiederum unter Ausschluss von Aufwendungen für Unterrichtsdienstleistungen und ähnliches (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG )— vor allem den Abzug der Kindergartengebühren sicherstellen (BTDrucks 16/643, S. 9; BTDrucks 16/974, S. 6). Es spricht nichts dafür, dass dem Gesetzgeber hierbei nicht das Bild eines modernen Kindergartens, wie es in § 22 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) gezeichnet wird, vor Augen stand. Tageseinrichtungen für Kinder haben danach einen Förderauftrag. Dieser umfasst nach § 22 Abs. 3 SGB VIII Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Werden dem Kind im Rahmen einer so verstandenen Betreuung und Erziehung beim Basteln und Werken, beim gemeinsamen Singen und Musizieren, beim Einüben eines fremdsprachigen Weihnachts- oder Kinderliedes oder beim Ballspiel erste handwerkliche, musische, sprachliche oder sportliche Fähigkeiten, also frühkindliche Bildung, vermittelt, dann steht dies einer Berücksichtigung der geleisteten Aufwendungen nach § 4f Satz 1 EStG nicht entgegen, unabhängig davon, ob es sich bei den genannten Fähigkeiten um allgemeine oder besondere im Sinne des Satzes 3 des § 4f EStG handeln sollte. Denn die Vermittlung besonderer Fähigkeiten steht hier nicht im Vordergrund, sondern ist unselbständiger Bestandteil der Betreuung. Danach werden von § 4f Satz 1 EStG insbesondere Aufwendungen für die Unterbringung des Kindes in Kindergärten, Kitas und ähnlichen Einrichtungen begünstigt (so schon BFH-Urteil vom 6. November 1997 III R 27/91 , BFHE 184, 493 , BStBl II 1998, 187, zu § 33c EStG a.F.). Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindert den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht (gleicher Auffassung z.B. Hey, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 2001 ; Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4f EStG Rz 10; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 4f EStG Rz B 27).

11  c) Nach § 4f Satz 3 EStG nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen demnach nur vor, wenn, wie die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele des Musikunterrichts oder des Computerkurses zeigen (BTDrucks 16/643, S. 9), die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die —behütende— Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen) Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund rückt.

12  2. Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht die angegriffene Entscheidung. Nach der auf tatsächlichem Gebiet liegenden und damit grundsätzlich bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO ) Würdigung des FG hinsichtlich Konzeption und praktischer Verwirklichung des deutsch-französischen Kindergartenprojekts haben die deutschen Erzieherinnen und die französischen Sprachassistentinnen die Kinder des Klägers in den deutsch-französischen Gruppen partnerschaftlich betreut und beim Spielen, Singen und ähnlichen kindergartentypischen Aktivitäten neben der damit einhergehenden Erlernung erster französischer Wörter und Sätze sicherlich auch zur Verbesserung der noch ausbaufähigen Kenntnisse der deutschen Sprache beigetragen. Die kindergartentypische Betreuung der Kinder stand hierbei jedoch im Vordergrund. Darin lag auch der Hauptzweck des Einsatzes der französischen Sprachassistentinnen. Diese sollten den Kindern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den deutschen Erzieherinnen eine bilinguale und interkulturelle Erziehung ermöglichen. Das FG hat zusätzlich in für den Senat bindender Weise festgestellt, dass der Kläger —abgesehen vom spielerischen Spracherwerb— gerade auch das Ziel einer allgemein besseren Betreuung durch Einsatz eines zusätzlichen Betreuers verfolgt hat. Kosten, die aufgewandt werden, um in den Genuss eines günstigeren Betreuungsschlüssels zu kommen, werden aber unproblematisch von § 4f Satz 1 EStG erfasst. Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für eine solche Betreuung und Erziehung seiner Kinder tätigt, unterfallen dem Anwendungsbereich des § 4f Satz 1 EStG . Dass die Zahlungen nicht an die Stadt A als Kindergartenträger, sondern an deren Kooperationspartner, den Verein, geleistet wurden, ist unschädlich.

BMF: Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2013

Die Programmablaufpläne berücksichtigen nicht Tarifsenkungen aufgrund des Gesetzes zum Abbau der kalten Progression. Das Gesetz befindet sich derzeit noch im Vermittlungsver­fahren, nachdem der Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt (s. Bundestags-Drs. 17/9644 vom 11. Mai 2012) und die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen hat (s. Bundestags-Drs. 17/9672 vom 16. Mai 2012). Der Arbeitgeber ist bis zur Bekanntmachung geänderter Programmablaufpläne nicht verpflichtet, Tarifsenkungen durch dieses Gesetz bei der Berechnung der Lohnsteuer zu berücksichtigen. Arbeitgeber, die die Lohnsteuer manuell berechnen (§ 39b i. V. m. § 51 Absatz 4 Nummer 1a EStG), können die Lohnsteuer bis zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt nach Bekanntmachung geänderter Programmablauf­pläne auch auf Grundlage von Lohnsteuertabellen für 2012 (Bekanntmachung vom

22. November 2011, BStBl I S. 1114, Anlage 2) ermitteln, wenn der Arbeitnehmer nicht aus­drücklich widerspricht und der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug bis zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt nach Bekanntmachung geänderter Programmablaufpläne korrigiert.

Auf die Erläuterungen unter „1. Gesetzliche Grundlagen/Allgemeines“ wird im Übrigen gesondert hingewiesen. Die Terminologie in den Programmablaufplänen berücksichtigt bereits die Regelungen des Verfahrens zu den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM).

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen „http://www.bundesfinanzministerium.de“ unter der Rubrik „Themen/Steuern/ Steuerarten/Lohnsteuer/Programmablaufplan“ zur Ansicht und zum Abruf bereit.

BMF, Schreiben v. 19.11.2012, IV C 5 – S 2361/12/10001

Niedersachsen bundesweit Spitzenreiter beim Erklärungseingang

Der Eingang von Steuererklärungen hat sich besonders in Niedersachsen sehr erfreulich entwickelt. Am 31.08.2012 lagen für 2011 57,66 % der Einkommensteuerklärungen vor, das ist Platz eins in Deutschland. Hierzu sagte Finanzminister Möllring: “Den Bürgerinnen und Bürgern, den Angehörigen der steuerberatenden Berufe, und den Lohnsteuerhilfevereinen gebührt für diese frühzeitige Bereitstellung der Veranlagungsdaten ein besonderer Dank.” Er betonte weiterhin, dass die Finanzverwaltung ein hohes Interesse daran habe, dem erfreulichen Erklärungseingang auch eine entsprechend zügige Abarbeitung der vorhandenen Steuererklärungen gegenüberzustellen, um gerade Erstattungen zeitnah zu ermöglichen. Leider sei das aus den Vorjahren gewohnte Niveau noch nicht wieder vollständig erreicht.

Durch den zum Jahreswechsel 2011/ 2012 erfolgten Beitritt Niedersachsens zum sog. KONSENS Verbund, einem Zusammenschluss aller Länder zur bundesweiten Vereinheitlichung der Entwicklung und Anwendung von EDV-Verfahren in der Steuerverwaltung, wurde eine Umstellung nahezu aller EDV-Verfahren der niedersächsischen Finanzämter vorgenommen. Während dieser Zeit war die Bearbeitung von Steuererklärungen nur sehr eingeschränkt möglich, Steuerbescheide konnten zeitweise nicht erlassen werden.

Dadurch wurden – trotz aller vorbereitenden Anstrengungen – Arbeitsrückstände aufgebaut, die auch die Bearbeitung der Steuererklärungen 2011 beeinflussen. Die entstandenen Rückstände werden derzeit in den Finanzämtern mit Hochdruck bearbeitet und zwar schrittweise nach Erklärungseingang. Im Einzelfall leider kann es deshalb etwas länger dauern, bis die Bürgerinnen und Bürger ihren Steuerbescheid 2011 in Händen halten.

Niedersächsisches Finanzministerium

Arbeitsstätte eines Piloten

FG Rheinland-Pfalz wendet neue BFH Rechtsprechung zur Arbeitsstätte eines Piloten zwar an, stellt sie jedoch gleichzeitig in Frage

“Mit Urteil zur Einkommensteuer 2007 vom 21. September 2012 (Az.: 3 K 1740/10) hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zur Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte eines Piloten Stellung genommen.

Der Kläger ist von Beruf Pilot und als Flugzeugführer bei einer Fluggesellschaft beschäftigt. Nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2007 wurde von dem Kläger wegen verschiedener – hier nicht angesprochener – Streitpunkte im Jahre 2010 Klage vor dem FG erhoben.

Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahre 2011 seine bisherige Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte eines Arbeitnehmers (AN) dahin geändert hatte, dass ein AN nur noch eine regelmäßige Arbeitsstätte haben könne und dass der Heimatflughafen bei einem Piloten nicht mehr als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen sei, erweiterte der Kläger seine Klage. Er beantragte, den Flughafen Frankfurt nicht mehr als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen. Bisher habe das Finanzamt die Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Flughafen Frankfurt nur mit der Entfernungspauschale (0,30 € pro Entfernungskilometer) bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Gehe man jedoch davon aus, dass das Cockpit als seine regelmäßige Arbeitsstelle anzusehen sei, müssten die Fahrten zum Flughafen nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 € pro tatsächlich gefahrenem Kilometer) angesetzt werden.

Die Klage war in diesem Streitpunkt (zwar) erfolgreich.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, dass verfahrensrechtlich von einer zulässigen Klageerweiterung auszugehen sei. Eine Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid sei regelmäßig auch insoweit möglich, als sie nach Ablauf der Klagefrist erweitert werde. Der Sonderfall, dass ein Kläger eindeutig zu erkennen gegeben habe, er wolle von einem weitergehenden Klagebegehren absehen, liege hier nicht vor. Weiter sei der BFH im Jahre 2011 von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, nach der der Heimatflughafen eines Piloten als seine regelmäßige Arbeitstätte anzusehen war. Nach der neuen Rechtsprechung sei aber bei einem Piloten davon auszugehen, dass dieser im Cockpit des ihm zugewiesen Flugzeug es schwerpunktmäßig tätig werde. Damit verfüge ein Pilot nicht über einen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit und gehe daher einer Auswärtstätigkeit nach. Der Abzug der Fahrtkosten des Klägers vom und zum Flughafen sei daher nicht auf die Entfernungspauschale beschränkt.

Obwohl das FG Rheinland-Pfalz der neuen Rechtsprechung des BFH folgte, ließ es – mit ausführlicher Begründung – die Revision zu: Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung durch den Ansatz der Entfernungspauschale sei der Umstand, dass sich der AN auf die immer gleichen Wege zu seiner regelmäßigen Arbeitstelle einstellen und auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könne (z.B. Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Wohnsitznahme, o.ä.). Im Streitfall bedürfe es für die Tätigkeit des Klägers jedoch zwingend einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers als ortsgebundenen Ausgangs- und Endpunkt der Flugtätigkeit im Cockpit des ihm zugewiesenen Flugzeuges für Start und Landung. Der Heimatflughafen sei – von Besonderheiten abgesehen – auch regelmäßig Ziel und Abschluss der Flugtätigkeit eines Piloten. Hinzu komme, dass von Piloten durch den Arbeitgeber regelmäßig verlangt werde, im Einzugsbereich des Flughafens über eine Unterkunft zu verfügen. Der Kläger könne sich daher auf die immer gleichen Wege von seiner Wohnung zu seinem Heimatflughafen in unterschiedlicher Weise einstellen und auf eine Minderung seiner Kosten hinwirken, so dass es dem Sinn und Zweck der Entfernungspauschale entsprechen würde, den Webungskostenabzug auf die Entfernungskilometer zu beschränken. Deswegen bedürfe es der höchstrichterlichen Klärung der Frage, ob der Heimatflughafen eines Piloten nicht doch eine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne der Abzugsbeschränkung der Entfernungspauschale darstelle. Demnach sei die Revision zuzulassen.

Anmerkung: Das Urteil wird erst in diesen Tagen zugestellt; ob die Finanzverwaltung tatsächlich in Revision gehen wird, ist hier nicht bekannt.”

FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 21.09.2012 – 3 K 1740/10

Pressemeldung des Gerichts: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Pokergewinne sind steuerpflichtig

“Das Finanzgericht Köln hat heute entschieden, dass die Gewinne eines erfolgreichen Pokerspielers der Einkommensteuer unterliegen.

In dem Verfahren (Az.: 12 K 1136/11) hat ein Flugkapitän geklagt, der seit vielen Jahren an Pokerturnieren teilnimmt und in den letzten Jahren Preisgelder im sechsstelligen Bereich erzielt hat. Diese hat das Finanzamt in dem angefochtenen Steuerbescheid als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert. Es steht auf dem Standpunkt, dass Gewinne aus Pokerspielen nur bei einem Hobbyspieler steuerfrei seien. Betreibe ein Steuerpflichtiger das Pokerspiel dagegen berufsmäßig, so erziele er sowohl mit seinen Spielgewinnen als auch mit seinen Fernseh- und Werbegeldern steuerpflichtige Einkünfte.

In der mündlichen Verhandlung stritten die Beteiligten insbesondere darum, ob beim Pokern das Glück oder das Geschick überwiegt. Der Vertreter der Finanzverwaltung verglich das Pokerspiel mit einer sportlichen Auseinandersetzung, bei der derjenige mit den besten analytischen und psychologischen Fähigkeiten gewinne. Demgegenüber sagte der Kläger: “Jeder kann ein Pokerturnier gewinnen. Gerade die großen Turniere werden immer wieder von Anfängern gewonnen. Letztendlich entscheidet das Kartenglück”.

Der 12. Senat des Finanzgerichts ließ sich von den Argumenten des Klägers nicht überzeugen. Er wies die Klage mit der Begründung ab, dass Gewinne eines Pokerspielers jedenfalls dann der Einkommensteuer unterliegen, wenn er regelmäßig über Jahre hinweg erfolgreich an namhaften, mit hohen Preisen dotierten Turnieren teilnimmt. Es komme für die Beurteilung der Steuerpflicht nicht darauf an, ob der Erfolg beim Pokerspiel für einen Durchschnittsspieler oder bezogen auf ein einzelnes Blatt auf Zufallsergebnissen beruhe. Maßgebend sei, ob der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten mit guten Erfolgsaussichten an renommierten Pokerturnieren teilnehmen könne und wiederholt Gewinne erziele.

Der 12. Senat hat gegen das Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen. Das schriftliche Urteil wird den Beteiligten demnächst zugestellt und auf der Homepage des Finanzgerichts Köln (www.FG-Koeln.NRW.de) veröffentlicht werden.”

 

FG Köln Urteil vom 31.10.2012 – 12 K 1136/11

 

Pressemitteilung des Gerichts: Finanzgericht Köln

Voraussetzungen des Investitionsabzugsbetrags bei neugegründeten Betrieben

Voraussetzungen des Investitionsabzugsbetrags bei neugegründeten Betrieben

Kernaussage

Kleine und mittelgroße Betriebe können unter den Voraussetzungen des § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Investitionsförderung erhalten. Sie können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd als so genannten Investitionsabzugsbetrag abziehen. Voraussetzung ist die Anschaffung innerhalb der nächsten 3 Geschäftsjahre und eine Mindestnutzung im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung sowie im darauf folgenden Jahr. Außerdem ist das zu begünstigende Wirtschaftsgut zu benennen und ein ernsthafter Investitionswille nachzuweisen.

Sachverhalt

Der Kläger beantragte für 2007 den Abzug eines Investitionsabzugsbetrags gem. § 7g EStG für eine beabsichtigte Investition. Als Beleg dafür legte er einen Kostenvoranschlag aus 2007 vor. Die Bestellung erfolgte in 2008. Das Finanzamt führte in der Veranlagung 2007 den Abzug nicht durch, da zum 31.12.2007 nicht die verlangte verbindliche Bestellung als Nachweis für den ernsthaften Investitionswillen erfolgte. Das Finanzgericht gab hingegen dem Kläger Recht.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte die Ansicht der Finanzrichter, weil die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags erfüllt waren. Der Kläger konnte auch ohne eine verbindliche Bestellung nachweisen, dass die Investition ernsthaft beabsichtigt war. Die vom Finanzamt geforderte verbindliche Bestellung wurde von der Rechtsprechung in Bezug auf die alte Gesetzesfassung als notwendige Voraussetzung gefordert; hier geschah die steuerliche Entlastung in Form einer „Ansparabschreibung“. Nach der neuen Fassung jedoch kann dieser Nachweis auch durch andere Indizien als ausschließlich die Vorlage einer verbindlichen Bestellung nachgewiesen werden.

Konsequenz

Der BFH hat mit dem Urteil die Nachweispflichten für Betriebsgründer, die einen Investitionsabzugsbetrag geltend machen wollen, erleichtert. Für die bis 2007 geltende „Ansparabschreibung“ bleibt die bisherige Rechtsprechung hingegen unverändert. Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für Betreiber von Photovoltaikanlagen. Diese können die Investitionsförderung beanspruchen, wenn sie die Anlage am 31.12. des Vorjahres zwar noch nicht verbindlich bestellt hatten, die spätere Durchführung der Investition aber aus anderen Gründen bereits absehbar war.

 

BFH fällt Urteil mit Bedeutung für Betreiber von Photovoltaikanlagen: Verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen zur Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags bei neugegründeten Betrieben nicht zwingend

BFH-Urteil vom 20.06.2012 – X R 42/11

Pressemitteilung Nr. 57 des Bundesfinanzhofs (BFH):

“Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 20. Juni 2012 X R 42/11 die Nachweispflichten für Betriebsgründer, die einen Investitionsabzugsbetrag geltend machen wollen, erleichtert.

Kleine und mittelgroße Betriebe können unter den Voraussetzungen des § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Investitionsförderung erhalten. Diese besteht darin, dass der Betriebsinhaber bereits vor der tatsächlichen Durchführung der Investition einen Teil der künftigen Abschreibungen steuerlich geltend machen kann. Hierdurch ergibt sich eine frühzeitige steuerliche Entlastung, die die Finanzierung der Investition erleichtern soll. Bis zur Änderung des § 7g EStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 geschah dies in Form der “Ansparabschreibung”, seither durch einen “Investitionsabzugsbetrag”.

Nach dem Gesetzeswortlaut ist jeweils erforderlich, dass der Steuerpflichtige die Investition “voraussichtlich” tätigen wird. Dies ist bei Betrieben, deren Gründung noch nicht abgeschlossen ist, nur schwer überprüfbar. Daher hatte der BFH zur früheren Fassung des § 7g EStG entschieden, dass die Geltendmachung der Ansparabschreibung in solchen Fällen eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetze. Die Finanzverwaltung wollte diese Rechtsprechung auch auf den heute geltenden Investitionsabzugsbetrag übertragen.

Dem ist der BFH nunmehr entgegen getreten. Zwar ist bei noch in Gründung befindlichen Betrieben eine strenge Prüfung der Investitionsabsicht erforderlich. Der Steuerpflichtige hat im Anwendungsbereich der Neufassung des § 7g EStG jedoch die Möglichkeit, diese Voraussetzung auch durch andere Indizien als ausschließlich die Vorlage einer verbindlichen Bestellung nachzuweisen. Für die bis 2007 geltende Ansparabschreibung bleibt die bisherige Rechtsprechung hingegen unverändert.

Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für Betreiber von Photovoltaikanlagen. Diese können die Investitionsförderung beanspruchen, wenn sie die Anlage am 31. Dezember des Vorjahres zwar noch nicht verbindlich bestellt hatten, die spätere Durchführung der Investition aber aus anderen Gründen bereits absehbar war.”

Bundesfinanzhof (BFH)

 

 

Einkünfte aus dem Verkauf und dem Kauf von Verkaufsoptionen auf den DAX (sog. Put-Spread-Strategie)

Finanzgericht Köln, 4 K 73/09

Datum: 31.10.2012
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 K 73/09
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, IX R 46/12
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

 

 

 

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

 

 

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Einordnung der im Bereich der privaten Vermögensverwaltung erzielten Einkünfte des Klägers aus dem Verkauf und dem Kauf von Verkaufsoptionen auf den DAX in Gestalt von betrags- und zeitidentischen Kombinationsgeschäften mit unterschiedlichem Basispreis zur Begrenzung des Verlustrisikos (sog. Put-Spread-Strategie) und die sich hieraus ergebenden Folgerungen für die Verrechnung von Verlusten nach Maßgabe des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999 (im Folgenden: EStG).

3Der Kläger unterhielt seit Mitte der 90er Jahre ein Wertpapierdepot bei der E Bank AG, die für ihn als Vermögensverwalterin Optionsgeschäfte mit Derivaten abwickelte, bei denen der Kläger insbesondere ab Anfang des Jahres 2000 als Optionsgeber (Stillhalter) von an der elektronischen Terminbörse EUREX gehandelten Verkaufsoptionen (sog. Put-Optionen) auf den DAX fungierte. Nachdem der Kläger aus diesen Geschäften ganz überwiegend Verluste mit der Folge entsprechender Verbindlichkeiten gegenüber der E Bank AG erzielt hatte, vereinbarte er im Jahr 2001 mit der E Bank AG, zur Verminderung des Risikos künftig neue Positionen als Optionsgeber nur noch in Verbindung mit gegenläufigen Positionen als Optionskäufer zu eröffnen (vgl. dazu Bestätigungsschreiben der E Bank AG vom 14.7.2006). Dementsprechend verknüpfte die für den Kläger handelnde E Bank AG ab September 2001 den Verkauf von Verkaufsoptionen auf den DAX (Short-Positionen) jeweils mit dem Kauf der gleichen Anzahl von Verkaufsoptionen (Long-Positionen) mit derselben Laufzeit, aber niedrigerem Basiskurs. Durch diese Kombinationsgeschäfte (sog. Spreads) sollte das Verlustrisiko auf den Differenzbetrag zwischen den unterschiedlichen Basispreisen begrenzt werden. Die Schließung (sog. Closing) dieser an der EUREX gehandelten Optionen erfolgte jeweils durch ein betrags- und laufzeitkongruentes Gegengeschäft (Glattstellung). Für die Verpflichtungen des Klägers aus den verkauften Optionsrechten hinterlegte die E Bank AG gegen Berechnung einer sog. Marginprovision Sicherheitsleistungen bei der EUREX. Für die Ermittlung der Höhe der Sicherheitsleistung wurden dabei die im Gegengeschäft aus den gekauften Optionsrechten erzielbaren Prämien von den Verpflichtungen aus den verkauften Optionsrechten abgezogen.

4So lag beispielsweise den von dem Kläger per 26.8.2002 verkauften 1300 Put-Optionen ein Basiswert des DAX vom 4200 Punkten (vereinnahmte Optionsprämie: 2.489.500 €) und den am gleichen Tag gekauften 1300 Put-Optionen ein Basiswert des DAX von 3700 Punkten (verausgabte Optionsprämie: 890.500 €) zu Grunde. Letzter Handelstag der verkauften und gekauften Optionen war der 18.10.2002. Am 11.10.2002 stellte der Kläger diese Positionen glatt und erzielte dadurch aus den gekauften 1300 Put-Optionen einen Überschuss i.H.v. 4.732.000 € sowie aus den verkauften 1300 Put-Optionen einen Verlust i.H.v. ./. 6.415.500 €. Der Gesamtverlust des Kombinationsgeschäftes wurde auf diese Weise auf ./. 1.683.500 € begrenzt.

5Im Rahmen dieser Kombinationsgeschäfte vereinnahmte der Kläger im Streitjahr aus dem Verkauf von Put-Optionen Stillhalterprämien i.H.v. 23.656.250 €, während er zur Glattstellung der verkauften Optionen Prämien i.H.v. 42.124.550 € aufwenden musste. Nach Abzug von Nebenkosten (75.254 €) und Margingebühren (96.887 €) ergab sich ein Verlust aus den Stillhaltergeschäften mit Put-Optionen i.H.v. ./. 18.640.441 €. Für den Kauf von Put-Optionen wandte der Kläger demgegenüber Prämien i.H.v. 12.854.250 € auf, während er aus der Glattstellung der erworbenen Optionen Prämien i.H.v. 17.934.830 € vereinnahmte. Nach Abzug der Nebenkosten (42.730 €) ergab sich ein Gewinn aus dem Erwerb von Put-Optionen i.H.v. 5.237.850 €.

6Weiterhin verkaufte der Kläger im Streitjahr als Optionsgeber auch vier Kaufoptionen (Call-Optionen), denen keine gegenläufigen Positionen gegenüberstanden. Aus diesen Verkäufen vereinnahmte der Kläger nach Abzug von Nebenkosten insgesamt Optionsprämien i.H.v. 2.388.803 € und einen Überschuss nach Glattstellung bzw. Verfall i.H.v. 934.711 €.

7In gleicher Weise hatte der Kläger im Jahr 2001 einen Verlust aus dem Verkauf von Optionen (./. 2.533.676 €) und einen Gewinn aus dem Erwerb von Optionen (326.517 €) erzielt. Im Jahr 2003 wurden alle noch offenen Optionsgeschäfte geschlossen. In diesem Jahr erzielte der Kläger einen Gewinn aus dem Erwerb von Optionen i.H.v. 9.359.320 €. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Klägern am 15.5.2008 zu der Rechtsbehelfsakte gereichte Zusammenstellung der Einkünfte aus Optionsgeschäften vom 14.11.2007 und die Aufstellung auf Seite 6 der Klageschrift (Bl. 62 GA) verwiesen. In einer am 6.8.2004 vor dem Hintergrund des Vorwurfs der mangelhaften Beratung, auch bezüglich der steuerlichen Konsequenzen der Put-Spread-Strategie, bei diesen Derivatgeschäften abgeschlossenen Vergleichsvereinbarung verpflichtete sich die E Bank AG gegenüber dem Kläger, auf die Rückzahlung eines Darlehensbetrages i.H.v. 2.500.000 Euro zu verzichten.

8Der Ermittlung der Einkünfte aus Optionsgeschäften im Rahmen des Veranlagungsverfahrens legte der Beklagte die Auffassung zu Grunde, dass Aufwendungen zum Schließen einer verkauften Put-Option unter Durchbrechung des Zu- und Abflussprinzips im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Optionsprämie, die Anschaffungskosten für erworbene Put-Optionen hingegen im Jahr der Beendigung der Option zu berücksichtigen seien. Der daraus resultierenden Erhöhung der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Streitjahr stimmten die Kläger mit Schreiben vom 11.8.2008 zu.

9Mit der zuletzt durch Bescheid vom 8.12.2008 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerfestsetzung 2002 – der erstmalige einspruchsbefangene Bescheid war am 4.2.2004 ergangen und am 28.12.2007 gem. § 164 Abs. 2 AO sowie am 20.10.2008 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert worden – behandelte der Beklagte die Überschüsse aus den Optionsgeschäften, in denen der Kläger als Käufer (Long-Positionen) fungierte, unter Hinweis auf Tz. 17 und 22 des BMF-Schreibens vom 27.11.2001 (BStBl I 2001, 986) als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Soweit der Kläger demgegenüber im Eröffnungsgeschäft als Stillhalter (Short-Positionen) tätig war, ordnete er unter Hinweis auf die Tz. 24, 26 und 27 des BMF-Schreibens vom 27.11.2001 die erzielten Prämien aus dem Verkauf von Optionen abzüglich der für die Glattstellung aufgewandten Prämien und der Nebenkosten den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG zu. Eine Verrechnung der Verluste aus den Stillhaltergeschäften (./. 17.705.730 €) mit den Gewinnen aus den Veräußerungsgeschäften (5.237.850 €) lehnte er aufgrund des Verrechnungsverbotes des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ab. Infolge der Übernahme eines Additionsfehlers aus der Zusammenstellung vom 14.11.2007 setzte der Beklagte dabei die Einkünfte aus Options-Veräußerungsgeschäften mit einem um 22.500 € geringeren Betrag (5.215.350 €) an. Mit Bescheid gleichen Datums stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2002 für die Einkünfte aus Leistungen mit 20.820.750 € fest (verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2001: 3.115.020 €).

10Mit dem gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2002 gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die Verrechnung der Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften mit den Verlusten aus Stillhaltergeschäften. Zur Begründung verwiesen sie auf den durch den Charakter des Kombinationsgeschäftes vermittelten zwingenden wirtschaftlichen Zusammenhang. Stillhaltergeschäfte und Veräußerungsgeschäfte mit Optionen seien einheitlich als Termingeschäfte unter die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu subsumieren, so dass das Verrechnungsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht eingreife. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 12.10.2004, 12.5.2005, 30.8.2006 und 11.8.2008 verwiesen.

11Mit Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass durch die BFH-Urteile X R 197/87, IX R 2/02, IX R 26/03, IX R 23/06 und IX R 40/06 höchstrichterlich geklärt sei, dass Stillhaltergeschäfte auf einen Aktienindex nach § 22 Nr. 3 EStG als Einkünfte aus Leistungen zu erfassen seien und eine Verrechnung der Verluste aus derartigen Stillhaltergeschäften mit Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ausscheide. Eine Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG habe sich insoweit nicht ergeben. Auch bei mit Optionskäufen kombinierten Stillhaltergeschäften würden ungeachtet des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwei rechtlich selbstständige Grundgeschäfte getätigt, die einkommensteuerlich getrennt zu behandeln seien.

12Die Einräumung einer Option stelle kein Veräußerungsgeschäft im Sinne der gegenüber § 22 Nr. 3 EStG vorrangigen Vorschrift des § 23 EStG dar. Die Rechtsprechung trenne zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (sog. Trennungstheorie). Deshalb bildeten das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z. B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Vielmehr stelle das Stillhalten durch den Optionsverkäufer eine wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Leistung dar, die losgelöst von dem nachfolgenden Basis- oder Gegengeschäft zu beurteilen sei. Die Einräumung einer Option sei kein Veräußerungsvorgang oder veräußerungsähnlicher Vorgang, bei dem ein Entgelt dafür gezahlt werde, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben werde. Die Bestellung der Option liege allein im Nutzungsbereich. Der Stillhalter erhalte die Prämie nur als Gegenleistung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung der Option eingegangen sei, nicht aber als Gegenleistung für die Ausführung des Basis- oder Gegengeschäftes. Eine Schließung des Geschäftes durch Glattstellung müsse nicht zwangsläufig stattfinden. In jedem Fall sei die Stillhalterprämie nicht durch das Schließen des Geschäftes wirtschaftlich veranlasst. Der im Zeitpunkt der Prämienzahlung gegebene wirtschaftliche Zusammenhang werde nicht nachträglich durch das Gegengeschäft korrigiert. Diese Prämie sei deshalb unabhängig davon nach § 22 Nr. 3 EStG zu versteuern, ob es bei dem nachfolgenden Geschäft zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten, zu einer Glattstellung oder lediglich zu einem Ausgleich in Geld komme. Es sei daher auch unbedeutend, dass der Kläger Stillhalterprämien auf DAX-Kontrakte, mithin auf Basiswerte, bei denen eine Lieferung nicht möglich sei, vereinnahmt habe. Auch die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG greife nicht ein, da die im Rahmen eines Stillhaltergeschäftes eingeräumte Option beim Optionsgeber nicht die Merkmale eines selbstgeschaffenen Wirtschaftsgutes erfülle und die Einräumung der Option keine Veräußerung darstelle. Weiterhin sei auch der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht einschlägig. Diese Vorschrift setze den Erwerb eines Rechts voraus, an dem es bei der Einräumung der Option durch den Stillhalter fehle. Der Optionsgeber sei nicht der Erwerber eines Rechts, sondern der Verpflichtete des von ihm erstmalig eingeräumten Rechts. Die Prämie des Stillhalters werde auch nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG bestimmt. Sie werde vielmehr zu Beginn des Geschäftes festgesetzt und unterliege keinen nachträglichen Veränderungen. Schließlich sei ein Vergleich der in Tz. 34 ff. des BMF-Schreiben vom 27.11.2001 den Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugewiesenen Future-Kontrakte mit Optionsverkäufen nicht möglich, da diese Geschäfte erst am Verfalltag erfüllt werden müssten und vorher keine Prämie gezahlt werde.

13Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, dass die Ergebnisse der im Streitjahr getätigten Kombinationsgeschäfte insgesamt als Termingeschäfte den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuweisen seien und damit deren teilweise Einordnung unter die subsidiäre Besteuerungsnorm des § 22 Nr. 3 EStG ausscheide.

14§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG verwende den Begriff „Termingeschäft“ als Typusbegriff, der durch die Risiken einer Hebelwirkung, eines Totalverlustes des angelegten Kapitals und der Gefahr gekennzeichnet sei, planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen zu müssen. Auch nach dem BMF-Schreiben vom 27.11.2001 stellten sämtliche als Options- oder Festgeschäfte ausgestalteten Finanzinstrumente, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von den Börsen- oder Marktpreisen von Wertpapieren abhängt, Termingeschäfte im Sinne der Vorschrift dar. Damit werde an die gesetzliche Definition in § 2 Abs. 2 und Abs. 2a WpHG angeknüpft. Bei den Optionsgeschäften des Klägers handele sich um derartige Termingeschäfte, weil er hierdurch einen Anspruch auf bzw. die Verpflichtung zu einem Differenzausgleich erworben habe, der der Höhe nach durch eine veränderliche Bezugsgröße (DAX-Index) bestimmt worden sei. Eine effektive Abnahme oder Lieferung des Basiswertes sei von vornherein ausgeschlossen gewesen. Ein von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasstes Termingeschäft setze keine Anschaffung oder Veräußerung eines Wirtschaftsgutes, sondern lediglich den Erwerb und die Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich oder eines durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrages oder Vorteils innerhalb der Frist von einem Jahr voraus. Der Kläger habe bei den von ihm getätigten Kombinationsgeschäften allein das Ziel verfolgt, Differenzen zwischen den gezahlten und erhaltenen Optionsprämien im Sinne eines Differenzgewinns zu erzielen. Als Ergebnis dieser kombinierten Optionsgeschäfte habe er jeweils einen einheitlich zu beurteilenden Verlust und nicht einerseits einen Verlust und andererseits einen Gewinn erzielt. Eine Unterscheidung zwischen den zeitgleich erworbenen und verkauften Optionsrechten im Sinne rechtlich selbstständiger Einzelgeschäfte werde diesem wirtschaftlichen Sachverhalt nicht gerecht. Der Erwerb des Rechts sei bei den Kombinationsgeschäften des Klägers durch den Abschluss der Eröffnungsgeschäfte, d.h. den zeitgleichen Erwerb bzw. Verkauf von Put-Optionen erfolgt. Sodann sei das Recht auf Differenzausgleich durch die zeitgleiche Glattstellung der eröffneten Geschäfte für denselben Stichtag beendet worden. Der Differenzgewinn aus diesen einheitlich als Termingeschäft einzustufenden Optionsgeschäften sei daher ebenso einheitlich der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu unterwerfen. Für diese rechtliche Einordnung spreche auch § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG.

15Bei den Kombinationsgeschäften seien sowohl das Eröffnungs- als auch das Gegengeschäft Teil eines einheitlichen Handlungs- und Erfolgstatbestandes gewesen. Der zeitgleiche Abschluss und die Schließung beider Geschäfte zu demselben Stichtag belegten, dass der Kläger hierdurch den einheitlichen Zweck der Erzielung eines Differenzgewinns unter kompensatorischer Begrenzung seines Risikos verfolgt habe. Eine Auflösung des Sicherungszusammenhangs zwischen den verkauften und den gekauften Optionen durch vorzeitiges Schließen des Eröffnungs- oder Gegengeschäftes mache wirtschaftlich keinen Sinn. Es erscheint fraglich, ob diese bei Kombinationsgeschäften bestehenden Besonderheiten in der bislang vorliegenden BFH-Rechtsprechung zur Einordnung von Stillhaltergeschäften ausreichend berücksichtigt worden seien.

16Die Unterscheidung zwischen Einkünften aus Leistungen und Veräußerungsgeschäften bei Optionskombinationen werde auch durch den Systemwechsel im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 in Frage gestellt. Im Zuge der Einführung der Abgel-tungssteuer habe der Gesetzgeber den Einkünften aus Kapitalvermögen auch vereinnahmte Stillhalterprämien (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n.F.) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Optionsrechten (§ 20 Abs. 2 Nr. 3b EStG n.F.) zugewiesen. Eine dem § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG entsprechende Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus Stillhaltergeschäften bestehe damit nicht mehr. Folgerichtig müsse dies auch für die durch den Kläger im Jahr 2002 getätigten Kombinationsgeschäfte gelten, da der Gesetzgeber mit der Zuordnung des Ergebnisses aus Kombinationsgeschäften zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der Trennungstheorie die Grundlage genommen habe. Dadurch werde deutlich, dass die Trennungstheorie auf der willkürlichen Aufteilung eines einheitlichen Handlungs- und Erfolgstatbestandes beruhe und daher keinen Bestand haben könne.

17Das Erfordernis, Kombinationsgeschäfte steuerlich einheitlich zu beurteilen, ergebe sich weiterhin aus der entsprechenden Anwendung der für Bewertungseinheiten zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken geltenden Grundsätze in Steuer- und Handelsbilanzen. Hierzu sei auf § 5 Abs. 1a EStG und den Aufsatz von Christiansen in DStR 2003, 264 zu verweisen.

18Dass die von dem Kläger ausgeführten Optionskombinationsgeschäfte als spezielle „Termingeschäfte“ dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG unterfielen, sei schließlich ein Gebot der verfassungskonformen Auslegung. Denn der Kauf und der Verkauf der Optionen stünden bei diesen Geschäften in einem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang und dienten der wechselseitigen Absicherung. Deswegen müsse auch der einkommensteuerliche Belastungstatbestand auf dieses Kombinationsgeschäft ausgerichtet werden. Die auf einen Differenzausgleich angelegten Optionsgeschäfte hätten keine Ähnlichkeit mit der gelegentlichen Vermittlung oder der Vermietung beweglicher Gegenstände, die § 22 Nr. 3 EStG zur Verdeutlichung des Auffangtatbestandes der „Leistung“ nenne. Innerhalb der Termingeschäfte des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sei der Überschuss aller Einnahmen über alle Werbungskosten zu errechnen, damit die Vorgaben des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfüllt würden. Dieses Auslegungsergebnis sei zwingend, weil die Verfassung die Trennung eines einheitlichen Geschäftes in einen Gewinnteil und einen davon abgesonderten Verlustteil, und damit den einkommensteuerlichen Zugriff auf einen Verlusttatbestand, nicht gestatte. Dies folge aus der Garantie der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Belastungsmaßes (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie aus dem Gebot der folgerichtigen Beachtung der im Einkommensteuergesetz getroffenen Belastungsentscheidungen (Art. 3 Abs. 1 GG), das für die Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG die Überschussermittlung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG fordere. Das aus der Eigentumsgarantie und dem Gleichheitssatz abgeleitete Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit erlaube nur die Besteuerung eines tatsächlich zugeflossenen Zuwachses oder einer ausweisbaren Vermögensmehrung. Der Gleichheitssatz verlange dabei eine folgerichtige und widerspruchsfreie Ausführung der gesetzlich statuierten Belastungsprinzipien. § 2 EStG und das darin verankerte objektive Nettoprinzip würden nicht folgerichtig angewendet, wenn die Besteuerung nur die Einnahmen, nicht aber auch die Aufwendungen aus derselben Erwerbsgrundlage berücksichtige. Die Einkünfteerzielungstatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG bauten auf sog. Handlungstatbeständen auf, denen die Nutzung einer Erwerbsgrundlage zugrunde liege. Es unterliege der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen, ob er Einkünfte durch Abschluss von Optionsgeschäften als Einzelgeschäfte mit der Folge eines unbegrenzten Risikos oder Einkünfte durch Abschluss von Kombinationsgeschäften mit der Folge eines begrenzten Risikos erzielen wolle. Sei letzteres der Fall, könne die einheitliche Nutzung einer Erwerbsgrundlage nicht künstlich in die Tatbestände des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und des § 22 Nr. 3 EStG aufgeteilt werden. Denn in diesem Falle werde mit dem Eröffnungs- und dem Gegengeschäft kein jeweils eigenständiger wirtschaftlicher Zweck, sondern ein einheitlicher wirtschaftlicher Zweck verfolgt. Eine Gesetzesauslegung, die durch Aufteilung des negativen Ergebnisses eines einheitlichen Kombinationsgeschäfts in einen nicht ausgleichsfähigen Verlust aus Leistungseinkünften und positive Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Ergebnis einen Verlust als der Besteuerung zu unterwerfendes positives Einkommen behandele, müsse demgegenüber zur Verfassungswidrigkeit des Verbots des Verlustausgleichs in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG führen.

19Letztlich sei noch auf den Beschluss des BVerfG vom 11.10.2010 2 BvR 1710/10 zu verweisen, mit dem der in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangene Beschluss des BFH vom 25. 5. 2010 IX B 179/09 aufgehoben worden sei. Dem aufgehobenen BFH-Beschluss liege wiederum eine Beschwerde gegen den Beschluss des FG München vom 12.8.2009 1 V 1139/09 zu Grunde, mit dem das FG die Trennung zwischen dem Stillhaltergeschäft und dem Basisgeschäft (Lieferung des Basiswerts bzw. Barausgleich) mit der Folge eines Verlustverrechnungsverbotes zwischen den wirtschaftlich zusammenhängenden Geschäften als ernstlich zweifelhaft beurteilt und eine Verrechnung der Verluste aus den Basisgeschäften bis zur Höhe der erhaltenen Stillhalterprämien zugelassen habe. Zur Begründung habe das FG auch auf Wertungswidersprüche zu der Besteuerung des gewerblichen Stillhalters und dem Werbungskostenabzug im Falle der Glattstellung verwiesen. Ein Verlustausgleich widerspreche nach Auffassung des FG nicht dem Ziel der in § 22 Nr. 3 Satz 3 und § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG geregelten eingeschränkten Verlustverrechnung. Nachdem der BFH demgegenüber an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten habe, habe das BVerfG gerügt, das unter Beachtung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz zu prüfen gewesen sei, ob in der Vollziehung der angefochtenen Bescheide eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liege. Dabei sei nach Auffassung des BVerfG zu beachten, dass bei summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auffassung des BFH nicht völlig ausgeschlossen seien. Dies ergebe sich aus den Stellungnahmen in der Literatur, die die getrennte Erfassung von Options- und Basisgeschäft für verfassungswidrig hielten. Bei den von dem Kläger getätigten Kombinationsgeschäften träten die rechtlichen Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung des BFH noch deutlicher zu Tage als in dem von dem BVerfG entschiedenen Fall. Denn die Besonderheit des Streitfalles bestehe darin, dass die getätigten Kombinationsgeschäfte Teil eines einheitlichen Handlungs- und Erfolgstatbestandes gewesen seien. Eine Zerlegung des einheitlichen, ausschließlich auf die Erzielung eines Differenzgewinns ausgerichteten Optionsgeschäfts in die Tatbestände des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG und des § 22 Nr. 3 EStG komme nicht in Betracht. Der Beschluss des BVerfG verdeutliche, dass die von dem Beklagten vertretene Anwendung der Trennungstheorie auf die von dem Kläger getätigten Kombinationsgeschäfte sowohl in materiellrechtlicher Hinsicht als auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Aspekte nicht haltbar sei.

20Die Kläger beantragen,

211.     den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 4.2.2004, zuletzt geändert durch Bescheid vom 8.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008, dahingehend zu ändern, dass der bislang bei den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG erfasste Verlust i.H.v. 18.640.441 € aus dem Verkauf von Optionen im Rahmen der sog. Kombinationsgeschäfte den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG zugewiesen wird,

222.     hilfsweise die Revision zuzulassen.

23Der Beklagte beantragt,

24die Klage abzuweisen.

25Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.

26Mit dem im Anschluss an die mündliche Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 7.11.2012, auf den Bezug genommen wird, haben die Kläger ergänzend vorgetragen, dass der Verkauf und der Kauf der Optionen im Rahmen der streitbefangenen Kombinationsgeschäfte stets zeitgleich erfolgt seien.

27Entscheidungsgründe

28Die Klage ist unbegründet.

29Die Festsetzung der Einkommensteuer 2002 durch den angegriffenen Bescheid ist – mit Ausnahme der die Kläger nicht belastenden und von ihnen nicht angegriffenen Bemessung der Einkünfte aus der Veräußerung erworbener Optionen mit einem um 22.500 € zu niedrigeren Betrag – rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht den Verlust aus Stillhaltergeschäften mit Put-Optionen i.H.v. ./. 18.640.441 € nicht den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999 (im Folgenden: EStG) zugewiesen und eine Verrechnung des insgesamt aus Stillhaltergeschäften i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG erzielten Verlustes i.H.v. ./. 17.705.730 € mit den positiven Einkünften aus der Veräußerung erworbener Optionen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) unter Berufung auf die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG abgelehnt.

301. Zutreffend hat der Beklagte die Einkünfte aus den Optionsgeschäften in der Weise ermittelt, dass Aufwendungen zum Schließen der verkauften Optionen unter Durchbrechung des Zu- und Abflussprinzips im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Optionsprämie, die Anschaffungskosten für erworbene Optionen hingegen im Jahr der Beendigung der Option berücksichtigt worden sind (vgl. dazu Urteile des BFH vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BStBl II 1992, 1017, und vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BStBl II 1991, 916). Da die Kläger der daraus resultierenden Erhöhung der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Streitjahr mit Schreiben vom 11.8.2008 zugestimmt haben, konnte die entsprechende Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2002 mit Bescheid vom 20.10.2008 auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, aber auch unabhängig davon auf den weiterhin bestehenden Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 2 AO) gestützt werden.

312. Zutreffend und insoweit zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig hat der Beklagte weiterhin die Optionsgeschäfte des Klägers nicht als gewerblichen Wertpapierhandel – mit der Folge einer Verrechnungsmöglichkeit von Stillhalterprämien und den Ergebnissen aus dem Optionshandel – erfasst, sondern als private Vermögensverwaltung des Klägers gewertet.

32Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Betätigung nur in besonderen Fällen, nämlich wenn sich der Steuerpflichtige „wie ein Händler” verhalten hat (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1998 XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448; vom 20. Dezember 2000 X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, m.w.N.). Beweisanzeichen für eine solche Zuordnung sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen. Der An- und Verkauf von Wertpapieren kann ferner die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten, wenn der Steuerpflichtige ohne Einsatz eigenen Vermögens mit beruflich erlangten Kenntnissen Kursdifferenzen ausnützt und sich „bankentypisch” verhält. Bei der rechtlichen Zuordnung anhand der vorgenannten Kriterien kann nicht isoliert auf einzelne Merkmale abgestellt werden; vielmehr ist das Gesamtbild entscheidend, wobei die einzelnen Beweisanzeichen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2000, a.a.O.; vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408; vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995 und vom 1. Juni 2004 IX R 35/01, BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26).

33Im Streitfall ist der Kläger in allen Fällen nur auf eigene Rechnung tätig geworden und hat keine eigene Büroorganisation eingeschaltet. Er verfügte über keine einschlägigen beruflichen Erfahrungen und konnte das Risiko der Transaktionen aus seinem anderweitig erworbenen Vermögen abdecken. Ungeachtet des hohen Betrags der vereinnahmten und gezahlten Optionsprämien lässt das Gesamtbild damit kein händlertypisches Verhalten erkennen.

343. Die Einkünfte aus der Glattstellung der von dem Kläger erworbenen Optionsrechte sind als private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar. Private Veräußerungsgeschäfte sind danach Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

35Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sein können, zählen nach der – noch zu der bis zum Jahr 1998 geltenden Vorgängerregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b EStG ergangenen – BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 24. Juni 2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752, und vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995) auch an der EUREX gehandelte Optionen, und zwar unabhängig davon, welcher Basiswert den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildet. Denn es handelt sich um vermögenswerte Vorteile, die selbstständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Da das Optionsrecht selbst als fungibler Gegenstand das für § 23 EStG maßgebende Wirtschaftsgut ist, erlangt auch der Erwerber einer Option auf den DAX, die mangels lieferbaren Basiswertes nur durch Glattstellung oder Barausgleich geschlossen werden kann, ein veräußerungsfähiges Wirtschaftsgut.

36Werden die erworbenen Optionsrechte durch Gegengeschäfte innerhalb der Spekulationsfrist glattgestellt, d.h., durch den Verkauf einer Option der gleichen Serie geschlossen, verwirklicht der Optionskäufer in Höhe der Differenz zwischen der bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten und der bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien den Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Denn das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstellt, führt zu einer Veräußerung der Option (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24 Juni 2003, a.a.O., m.w.N. der Rspr.). Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft bilden keine Einheit, die sich lediglich auf einen Differenzausgleich richtet. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH zwischen Optionsvertrag und Übertragungsgeschäft, also zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft, rechtlich zu unterscheiden, da der Steuerpflichtige mit jedem Teilschritt einen eigenständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, insbesondere die Option verfallen lassen kann (sog. Trennungstheorie). Dies gilt auch im Zusammenhang mit einer Glattstellung. Diese Veräußerung führt nicht lediglich zu einem Rückgängigmachen des Eröffnungsgeschäfts, sondern zu seiner wirtschaftlichen Erfüllung. Maßgebend für den Steuertatbestand ist nämlich, dass mit der Glattstellung die Werterhöhungen des Wirtschaftsgutes realisiert werden. Der Optionsberechtigte erhält für das Gegengeschäft eine Prämie, die von der Kursentwicklung des den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Indexes abhängt und damit den Wert der Option selbst repräsentiert. Das Glattstellungsgeschäft führt so zu einem Vermögenszuwachs des Steuerpflichtigen und zu einer Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Optionsberechtigte realisiert dadurch die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns. Hierin liegt der Zufluss des Veräußerungspreises.

37Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verdrängt als speziellere Norm die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG über Termingeschäfte (Carlé in: Korn, EStG, § 23, Tz. 54.1; Wernsmann in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 23, Tz. B 170 f.; jeweils m. w. N. der h. L.; Heuermann DB 2004, 1848; a. A. Glenk in: Blümich, EStG, § 23, Tz. 71 f.).  Die Einkünfte aus der Glattstellung der erworbenen Optionsrechte können daher – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht dem Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugeordnet werden.

384. Die Prämien, die der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmte, sind – abzüglich der Aufwendungen für die Glattstellung dieser Stillhaltergeschäfte – als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus Leistungen) und nicht als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfassen.

394.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; vom 29. Juni 2004, a.a.O.), der der erkennende Senat folgt, stellt die Einräumung einer Option kein Veräußerungsgeschäft im Sinne der gegenüber § 22 Nr. 3 EStG vorrangigen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar, weil es an einem der „Veräußerung“ vorgeschalteten Erwerb eines Wirtschaftsgutes fehlt. Der Optionsgeber erhält die Prämie allein für die Stillhaltung als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht. Auch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, der Veräußerungsgeschäfte erfasst, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb, ist nicht einschlägig, da die im Rahmen eines Stillhaltergeschäfts eingeräumte Option beim Optionsgeber nicht die Merkmale eines selbst geschaffenen Wirtschaftsguts erfüllt und die Einräumung der Option daher keine Veräußerung darstellen kann. Denn die Option begründet für den Optionsgeber nur eine Verpflichtung, deren Übernahme durch die Prämie abgegolten wird (vgl. dazu eingehend: Heuermann, DB 2004, 1848).

40Weiterhin bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das bei Ausübung der Option nachfolgende Gegengeschäft kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Gegengeschäft nicht durchführen muss. Die Stillhalterprämie kann deshalb nicht zusammen mit dem Gegengeschäft einheitlich einer der Tatbestandsalternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeordnet werden.

41An dieser Rechtslage hat sich nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nichts geändert (Urteil des BFH vom 17. April 2007 IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608; so auch die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. z.B. Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Tz. 200 und 210 (Stichwort: Optionspreis); Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 23 Tz. 24 und § 22 Tz. 150 (Stillhalterprämien); Lüsch in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 22, Tz. 390 (Stichwort: Optionsgeschäft); Heuermann DB 2004, 1848; BMF-Schreiben vom 27. November 2001, BStBl I 2001, 986 ff., Tz 24 und 27; a.A. Blümich/Glenk, § 23 EStG Tz. 71 f.). Denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft nach seinem Wortlaut lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt. Die Vorschrift erfasst Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Das Gesetz verzichtet damit zwar auf die Tatbestandsmerkmale „Wirtschaftsgut“ und „Veräußerung“, setzt aber den Erwerb (die Anschaffung) des dort umschriebenen Rechts voraus. Wer einem Anderen eine Option einräumt, ist nicht der Erwerber eines Rechts, sondern der Verpflichtete des von ihm erstmalig eingeräumte Rechts. Die Optionsprämie ist überdies kein „Geldbe-trag“ im Sinne der Vorschrift, weil sie nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt wird. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen. Die Prämie ist demgegenüber Gegenleistung für das Stillhalten. Der Stillhalter erwirbt den Anspruch auf die Prämie schon mit dem Abschluss der Optionsvereinbarung. Die erlangte Prämie bleibt ihm erhalten. Sie wird unabhängig davon erzielt, ob es je zu einem Basisgeschäft kommt oder wie das Optionsgeschäft sonst beendet wird. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich den Optionsinhaber; nur dessen Recht auf Durchführung des Optionsgeschäfts wird mit dem Ablauf, der Ausübung oder Glattstellung beendet. Aus der gesetzlichen Definition des Termingeschäfts in § 2 Abs. 2 und Abs. 2a WpHG folgt nichts anderes, da in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung des Erwerbs eines Rechts aufgestellt wird, die im Falle eines Stillhaltergeschäfts nicht erfüllt ist.

424.2. An dieser rechtlichen Zuordnung der Einkünfte aus Stillhaltergeschäften ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger den Verkauf und den Kauf von Optionen auf denselben Basiswert in Gestalt sog. Kombinationsgeschäfte zur Verminderung des Risikos der Stillhaltergeschäfte miteinander verknüpft hat. Die Kombinationsgeschäfte des Klägers sind vielmehr entsprechend den für die darin enthaltenen Grundgeschäfte geltenden steuerlichen Regelungen in Einkünfte aus Leistungen und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufzuteilen, da es sich um rechtlich selbstständige Grundgeschäfte handelt (so bereits Urteil des BFH vom 28. November 1990, a.a.O.; BMF-Schreiben vom 27.11.2001, a.a.O., Tz. 28; Wernsmann, a.a.O., Tz. B 181). Allein der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen diesen verschiedenartigen Grundgeschäften gibt keine Handhabe, die Stillhaltergeschäfte als Teil einheitlicher Veräußerungsgeschäfte zu qualifizieren.

43Entgegen der Auffassung der Kläger können die Stillhaltergeschäfte insbesondere nicht zusammen mit der Veräußerung der zur Risikobegrenzung erworbenen Optionen als einheitliches Termingeschäft unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG subsumiert werden. Die Kläger wollen die Besonderheit dieses einheitlichen Termingeschäftes darin sehen, dass hierdurch ein Anspruch auf bzw. die Verpflichtung zu einem Differenzausgleich i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erworben und allein das Ziel verfolgt werde, Differenzen zwischen den gezahlten und erhaltenen Optionsprämien im Sinne eines Differenzgewinns zu erzielen. Die Eingehung einer Verpflichtung gegen Entgelt durch die Einräumung einer Option kann aber nicht als Erwerb eines Rechts aufgefasst und damit dem steuerbegründenden Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG unterstellt werden. Zwar ist denkbar, dass der Erwerb eines Rechts auch die Übernahme einer damit einhergehenden, unselbstständigen Verpflichtung beinhaltet. Im Streitfall stellt indessen die Übernahme der Verpflichtung als Stillhalter ein rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Geschäft dar. Denn der Anspruch des Klägers auf die Stillhalterprämie hängt nicht davon ab, ob die im gegenläufigen Geschäft zur Risikobegrenzung erworbene Option veräußert wird oder verfällt. Andererseits begründet der Erwerb der Option für den Kläger unabhängig von dem Ergebnis des Stillhaltergeschäftes eine Gewinnchance durch deren Veräußerung. Sowohl das die Prämienzahlung auslösende Stillhaltergeschäft als auch die Veräußerung der erworbenen Option stellen eigenständige Erwerbsquellen dar. Der Umstand, dass der Kläger zwei rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Geschäfte mit dem Ziel der Risikobegrenzung durch Saldierung der aus diesen erzielten Gewinne oder Verluste kombiniert hat, lässt deren Selbstständigkeit nicht entfallen. Insbesondere ist diese Handhabung nicht geeignet, den Gewinn aus einem Stillhaltergeschäft, also der Eingehung einer Verpflichtung gegen Entgelt durch die Einräumung einer Option, in einen unselbstständigen Rechnungsposten eines Veräußerungsgeschäfts umzuqualifizieren. Auch der zeitgleiche Abschluss und die gleichzeitige Schließung beider Geschäfte ist nicht geeignet, dass Stillhaltergeschäft und ein zur Risikobegrenzung abgeschlossenes Veräußerungsgeschäfts zu einem einheitlichen Termingeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu verschmelzen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift durch das Stillhaltergeschäft nicht erfüllt werden. Gleiches gilt für den beide Geschäfte verbindenden wirtschaftlichen Zweck der kompensatorischen Risikobegrenzung. Der Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG kommt für die rechtliche Einordnung von Einkünften im Bereich der privaten Vermögensverwaltung ebenso wenig Bedeutung zu wie den für Bewertungseinheiten in Steuer- und Handelsbilanzen geltenden Regeln. Schließlich können sich die Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 sowohl Einkünfte aus Stillhaltergeschäften als auch Gewinne aus der Veräußerung von Optionsrechten ohne eine gegenseitige Verlustverrechnungsbeschränkung den Einkünften aus Kapitalvermögen zugewiesen hat. Denn diese Neuregelung beruht auf dem mit der Einführung der Abgeltungssteuer einhergehenden Systemwechsel und lässt daher keine Schlussfolgerungen auf die Rechtslage in früheren Veranlagungszeiträumen zu.

444.3. Ungeachtet des durch den Zweck der Risikobegrenzung vermittelten wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Veräußerung erworbener Optionen können die Stillhaltergeschäfte auch nicht auf der Grundlage der Vorrangklausel des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 22 Nr. 2 EStG zugeordnet werden. Denn maßgebend für die Zuordnung von Einkünften zu einer vorrangigen Einkunftsart aufgrund eines bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhangs ist die Einkunftsart, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 5. April 2006 IX R 111/00, BStBl II 2006, 654, m.w.N.). Nichts anderes kann bei der Zuordnung von Einkünften aus Leistungen zu den vorrangigen Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG gelten. Im Streitfall ist die Übernahme der Verpflichtung als Stillhalter das wirtschaftlich im Vordergrund stehende Geschäft. Denn die Gewinnchance des Klägers fließt allein aus der vereinnahmten Optionsprämie, deren Höhe bereits mit der Einräumung der Option feststeht. Eine über die Optionsprämie hinausgehende Gewinnchance ergibt sich demgegenüber auch nicht, wenn man den Erwerb gegenläufiger Optionen im Rahmen des Kombinationsgeschäfts in die Betrachtung einbezieht. Der Erwerb von Optionen im Rahmen der Kombinationsgeschäfte hatte gegenüber den im Vordergrund stehenden Stillhaltergeschäften nur eine nachrangige Funktion, nämlich die der Begrenzung ggf. entstehender Verluste bei der Glattstellung der eingeräumten Optionen.

45Andererseits scheidet auch eine Zuordnung der durch die Veräußerung der erworbenen Optionen getätigten privaten Veräußerungsgeschäfte zu den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG aufgrund der gesetzlich eindeutig geregelten Subsidiaritätsverhältnisses zwischen diesen Einkünften und den Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG aus. Die Vorrangklausel des § 23 Abs. 2 EStG erlaubt nur die Hinzurechnung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften zu anderen Einkunftsarten i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG, nicht aber zu anderen Einkünften im Rahmen der gleichen Einkunftsart. Dies folgt im Verhältnis zu den Einkünften aus Leistungen aus dem in § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG festgelegten systematischen Vorrang der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und aus der gesetzlichen Definition des Begriffs der „Einkunftsarten“ in Abgrenzung zu dem Begriff der „Einkünfte“ im Rahmen der gleichen Einkunftsart in § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG. Die gebotene Differenzierung zwischen den Begriffen „Einkunftsart“ und der „Einkünfte“ bestätigen schließlich die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EStG.

465. Der erkennende Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der auf dieser Auslegung beruhenden Einkünftezuordnung und der deshalb einer Verrechnung der Verluste aus Stillhaltergeschäften mit den Überschüssen aus der Glattstellung erworbener Optionen entgegenstehenden Verlustausgleichbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht überzeugt. Er hält daher auch die von den Klägern befürwortete verfassungskonforme Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der Weise, das der Verkauf und der Kauf von Optionen auf denselben Basiswert in Gestalt sog. Kombinationsgeschäfte als Termingeschäft im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sein soll, nicht für geboten.

47Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 30. September 1998 II BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Gestaltungsraum. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet aber, dass er nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzt. Voraussetzungen der Erfassung von Einkünften, die der Steuerpflichtige aus einer bestimmten Erwerbsgrundlage erzielt, sind gemäß § 2 Abs. 1 und 2 EStG eine Erwerbsgrundlage (Zustandstatbestand), deren Nutzung (Handlungstatbestand) und ein daraus sich ergebender Gewinn oder Überschuss (Erfolgstatbestand). Das Einkommensteuergesetz belastet die in § 2, §§ 13 ff. näher bestimmten Einkunftsarten grundsätzlich gleich. Soweit das Einkommensteuerrecht mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, müssen diese ihre Rechtfertigung in besonderen sachlichen Gründen finden. Allein die systematische Unterscheidung durch den Gesetzgeber kann die Ungleichbehandlung in den Rechtsfolgen nicht rechtfertigen.

48Durch die streitbefangenen Kombinationsgeschäfte erzielt der Kläger indessen keine Einkünfte auf einer einheitlichen Erwerbs- und Handlungsgrundlage. Erwerbs- und Handlungsgrundlage der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG ist die Abwicklung von Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Erwerb des später veräußerten Wirtschaftsguts des Privatvermögens unter Nutzung von Wertänderungen. Erwerbs- und Handlungsgrundlage der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG ist demgegenüber die auf die Erzielung eines Überschusses ausgerichtete Leistung unter Nutzung einer marktbezogenen, nicht privaten Erwerbsgrundlage, sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich handelt (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998, a.a.O.). Bereits die negative Abgrenzung von Veräußerungsvorgängen oder veräußerungsähnlichen Vorgängen bei der Bestimmung der in Betracht kommenden Erwerbs- und Handlungsgrundlagen der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG zeigt, dass den Einkünften des Klägers aus Stillhaltergeschäften einerseits und seinen Einkünften aus der Veräußerung erworbener Optionen unterschiedliche Erwerbs- und Handlungsgrundlagen zu Grunde liegen. Allein der aus der Sicht des Klägers durch den Zweck der Risikobegrenzung vermittelte wirtschaftliche Zusammenhang reicht nicht aus, um die im Rahmen eines Kombinationsgeschäfts getätigten Grundgeschäfte der Einräumung einer Option und der Veräußerung einer erworbenen Option zu einem einheitlichen Besteuerungsgegenstand zu verschmelzen. Der sachliche Grund für die systematische Unterscheidung dieser Grundgeschäfte liegt vielmehr neben ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit als jeweils eigenständige Erwerbsquellen (vgl. dazu oben unter Tz. 4.2.) in der Verschiedenenartigkeit der zur Einkunfts-erzielung eingesetzten Erwerbsgrundlagen und deren unterschiedlicher Nutzung zur Überschusserzielung. Der zeitgleiche Abschluss der Eröffnungsgeschäfte der Optionseinräumung und des Optionserwerbs ist ebenso wie die gleichzeitige Schließung beider Geschäfte nicht geeignet, die Eigenständigkeit dieser verschiedenartigen Erwerbsquellen zu beseitigen.

49Handelt es sich demnach bei den im Rahmen des Kombinationsgeschäfts getätigten Grundgeschäften der Einräumung einer Option und der Veräußerung einer erworbenen Option lediglich um zwei sich ergänzende selbstständige Optionsgeschäfte mit unterschiedlichen Erwerbs- und Handlungsgrundlagen, so kann die daraus folgende jeweils eigenständige Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses dieser Geschäfte im Rahmen der Einkünfte aus § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 und § 22 Nr. 3 EStG noch nicht zu der Annahme eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Garantien der Belastungsgleichheit, der Folgerichtigkeit und der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zwingen. Denn dadurch wird nicht der Verlust aus der Nutzung einer einheitlichen Erwerbsgrundlage als der Besteuerung zu unterwerfendes positives Einkommen behandelt. Die Zuordnung dieser unterschiedlichen wirtschaftlichen Betätigungen zu verschiedenen Einkunftsarten entspricht der folgerichtigen Ausprägung der Systematik der §§ 22 Nr. 3, 23 Abs. 1 EStG und der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch zu der Fallgestaltung von Spread-Kombinationsgeschäften – in langjähriger Kontinuität vertretenen Auslegung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87, a.a.O., und die Rechtsprechungshinweise unter Tz. 3. und 4.1. der Gründe). Der Kläger hat diese Rechtslage schlicht bei der Gestaltung seiner Optionsgeschäfte verkannt. Der Kontinuität der Rechtsprechung kommt auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht große Bedeutung zu; denn sie dient der von Art. 20 Abs. 3 GG umfassten Rechtssicherheit (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 24.4.2012 IX B 154/10, BStBl II 2012, 454, unter Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Wollte man eine jahrelange kontinuierliche Rechtsprechung, die zur Grundlage der ständigen Verwaltungspraxis geworden ist, nach Auslaufen des Rechts wieder in Frage zu stellen, würde dies mit Blick auf viele rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zu einer eklatant ungleichen steuerrechtlichen Behandlung führen (BFH-Beschluss vom 24.4.2012, a.a.O.).

50Dass die Verluste aus den Stillhaltergeschäften und die Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht verrechnet werden können, beruht letztlich auf der gesetzlichen Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG, deren Verfassungsmäßigkeit das BVerfG bereits mit den Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, a.a.O., der Prüfung unterzogen hat. Dabei hat es lediglich den Ausschluss eines periodenübergreifenden Verlustabzugs innerhalb der Einkünfte aus Leistungen, nicht aber das Verbot der Verlustverrechnung mit anderen Einkünften (vertikaler Verlustabzug) beanstandet. Es hat vielmehr den Gesetzgeber grundsätzlich als befugt angesehen, die Unschärfe des § 22 Nr. 3 EStG typisierend durch eine Begrenzung der Verlustverrechnung auszugleichen. Daran anschließend hat auch der BFH mit Urteil vom 18. September 2007 IX R 42/05, BStBl II 2008, 26, verfassungsrechtliche Zweifel an dem Verbot des vertikalen Verlustabzugs in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG vor dem Hintergrund der systematischen und strukturellen Verknüpfung der Verlustausgleichsbeschränkungen in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG und in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG und unter Hinweis auf sein zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG ergangenes Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl II 2007, 259 verneint. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, von diesen Aussagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen. Gründe, die es gebieten könnten, die Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG unabhängig von der – hier zu verneinenden – Konstellation einer einkünfteübergreifenden einheitlichen Erwerbs- und Handlungsgrundlage in Frage zustellen, haben auch die Kläger nicht vorgetragen.

51Soweit schließlich das BVerfG mit dem Beschluss vom 11.10.2010 2 BvR 1710/10, BFH/NV 2011, 180, rechtliche Zweifel an der getrennten Erfassung von Options- und Basisgeschäft nicht für völlig ausgeschlossen gehalten hat, ist die dieser Entscheidung zu Grunde liegende Frage des Verlustausgleichs zwischen Stillhalter- und Abschlussgeschäft im Streitfall ohne entscheidungserhebliche Bedeutung, da der Kläger die Stillhaltergeschäfte durch Glattstellung geschlossen hat und die hierfür gezahlten Prämien unbeschadet der Geltung der Trennungstheorie in dem angefochtenen Bescheid als Werbungskosten bei den Einkünften aus Leistungen abgezogen worden sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, a.a.O. ; BMF-Schreiben vom 27.11.2001, a.a.O., Tz. 26). Der Verlust des Klägers aus Stillhaltergeschäften resultiert gerade aus der Berücksichtigung des Prämienaufwands für die Abschlussgeschäfte. Die Besonderheit des Streitfalles liegt demgegenüber darin, dass der Kläger zusätzlich zu den Stillhaltergeschäften weitere Einkünfte aus der Veräußerung erworbener Optionen erzielt hat, deren Verrechnung mit dem Verlust aus Stillhaltergeschäften er begehrt.

525. Die Revision wird – auch im Hinblick auf das bereits bei dem BFH gegen das Urteil des FG Köln vom 15.5.2011 10 K 493/09 anhängige Revisionsverfahren IX R 10/12, das ebenfalls die steuerliche Beurteilung sog. Kombinationsgeschäfte zum Gegenstand hat – wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

53Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.