Schlagwort-Archive: Arbeitsstätte

Mautpflichtige Straße als kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Mautpflichtige Straße als kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Kernproblem
Für die Aufwendungen des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (ab 2014: erster Tätigkeitsstätte) gilt die Entfernungspauschale von 0,30 EUR je Entfernungskilometer. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend; eine andere Verbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird. Was auf deutschen Straßen (noch) zur Ausnahme gehört, ist die Nutzung mautpflichtiger Straßen für die Wege zur Arbeit mit dem Pkw. Inwieweit sich solche Strecken bei Ermittlung der Entfernungspauschale auswirken, war Thema eines Rechtsstreits vor dem Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern.

Sachverhalt
Ein in Rostock wohnhafter Arbeitnehmer gab in seiner Einkommensteuererklärung für die Fahrten zur Arbeit des ebenfalls in der Hansestadt ansässigen Arbeitgebers eine Entfernung von 22 km an. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch nur eine Entfernungspauschale von 11 km, die sich unter Berücksichtigung der Nutzung des privatwirtschaftlich betriebenen und daher mautpflichtigen Rostocker Warnowtunnels ergab. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass zwar die kürzeste Verbindung durch den Tunnel führe, aber bei Ermittlung der durch das Gesetz definierten „offensichtlich verkehrsgünstigeren“ auch die von ihm genutzte „kostengünstigere“ Straßenverbindung Berücksichtigung finden müsse. Denn die Nutzung der Umwegstrecke sei erheblich kostengünstiger, als die Tunnelgebühr von täglich 4,50 EUR. Das Finanzamt lehnte den Einspruch ab.

Entscheidung
Auch das Finanzgericht wies die Klage des Arbeitnehmers als unbegründet ab, weil die kürzeste Straßenverbindung ungeachtet dessen maßgebend bliebe, ob diese über eine mautpflichtige Straße führe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setze eine verkehrsgünstigere Strecke entweder eine Zeitersparnis oder andere Besonderheiten (z. B. lange Wartezeiten oder ungünstige Ampelschaltungen) voraus. Eine Gleichsetzung der kostengünstigeren Verbindung lehnten die Finanzrichter ebenso ab wie eine Berücksichtigung des Umstands, dass der Tunnel nach Auffassung des Arbeitnehmers keine öffentliche Straße im eigentlichen Sinne darstelle. Weil auch keine Mautgebühren angefallen waren, konnten die Richter offen lassen, ob sich solche Aufwendungen neben der Entfernungspauschale ausgewirkt hätten.

Konsequenz
Die praktische Ausführung des vorgenannten Streitfalls dürfte sich noch in Grenzen halten. Sofern man davon betroffen ist, sollten Verfahren offen gehalten werden, denn der Rechtsstreit ist wegen grundsätzlicher Bedeutung nun beim BFH anhängig geworden. Dagegen dürfen sich Gebührenzahler von Tunneln und mautpflichtigen Straßen wenig Hoffnung auf weitere Werbungskosten machen, denn diese sind nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen.

Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei vorübergehender Versetzung

Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei vorübergehender Versetzung

Kernproblem
Mit dem ab 2014 geltenden Reisekostenrecht wurde der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte durch die erste Tätigkeitsstätte abgelöst. Das neue Recht bietet zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten und definiert Begriffe, die bis dahin gesetzlich unbestimmt waren und die Gerichte beschäftigt haben. Für Altfälle hilft das aber nicht weiter, so dass sich der Bundesfinanzhof (BFH) immer noch mit der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ auseinandersetzen muss. In diesem Fall ging es um eine 3-jährige Abordnung eines Beamten und die Frage, ob dieser in dem Zeitraum Reisekosten geltend machen konnte.

Sachverhalt
Ein Finanzbeamter wurde von seinem Finanzamt für einen Zeitraum von „längstens 3 Jahren“ an die Landesfinanzschule Niedersachsen abgeordnet. Im Nachhinein dauerte die Abordnung einige Monate länger an, bevor der Beamte wieder an seinem Finanzamt mit der Absicht einer dauerhaften Versetzung tätig wurde. In den Steuererklärungen der letzten beiden Jahre der Finanzschultätigkeit beantragte der Beamte für die Fahrten zunächst die Entfernungspauschale und später im Einspruchsverfahren den Ansatz von Reisekosten. Dies wurde ihm vom Finanzamt mit der Begründung verwehrt, dass er sich auf die dauerhafte Tätigkeit an der Schule hätte einrichten können. Das Niedersächsische Finanzgericht stützte die Ansicht der Verwaltung, weil der Beamte über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg fortdauernd und immer wieder an einer Einrichtung des Arbeitgebers tätig wurde.

Entscheidung
Die Revision des Finanzbeamten vor dem BFH hatte Erfolg. Nach Auffassung des Senats wird auch eine vorübergehende Tätigkeitsstätte nicht durch bloßen Zeitablauf zur regelmäßigen Arbeitsstätte. Das gelte nur bei einer dauerhaften Zuordnung. Dafür seien die der Auswärtstätigkeit zugrundeliegenden Vereinbarungen zu untersuchen und aus damaliger Sicht zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer voraussichtlich an seine regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren werde. Denn anders als ab 2014 sehe das bis dahin geltende Recht keine zeitliche Obergrenze vor.

Konsequenz
Ab dem 1.1.2014 gilt eine Grenze von 48 Monaten, nach der eine dauerhafte Zuordnung gesetzlich unterstellt wird. Hierunter fallen auch Abordnungen, die bereits zu diesem Zeitpunkt angetreten sind. In solchen Fällen war zu empfehlen, dass der Arbeitgeber bis zu Beginn des Jahres eine Prognose zu treffen und zu dokumentieren hatte, falls das nicht bereits zu Beginn der Tätigkeit erfolgt war. Das Bundesfinanzministerium (BMF) bietet laut aktuellem Schreiben durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, denn eine so genannte Kettenabordnung ist keine dauerhafte Zuordnung, wenn die einzelne Abordnung jeweils einen Zeitraum von weniger als 48 Monaten umfasst.

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unternehmerisch veranlasst?

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unternehmerisch veranlasst?

Kernaussage
Während Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ertragsteuerlich der privaten Kfz-Nutzung zugerechnet werden, werden sie in der Umsatzsteuer der unternehmerischen Nutzung zugeordnet. Sie berechtigen daher grundsätzlich zum Vorsteuerabzug. Der Bundesfinanzhof (BFH) muss nun entscheiden, ob dies so bleibt.

Sachverhalt und Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Münster hatte die Fahrten eines Unternehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als private Nutzung qualifiziert. Die Richter beriefen sich hierbei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die Beförderung von Arbeitnehmern zur Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber ebenfalls der unternehmensfremden Nutzung zugeordnet hatte. Nun ist die Revision beim BFH anhängig.

Konsequenz
Das Urteil des FG steht im Widerspruch zur derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung. Solange die Entscheidung des BFH aussteht, besteht daher vorerst kein Anlass die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Allerdings ist die weitere Entwicklung zu verfolgen. Es ist auch fraglich, ob sich für viele Unternehmer etwas ändern wird, sollte der BFH dem FG folgen. Denn in der Praxis ist zu beobachten, dass die „Vorteile“ die die Umsatzsteuer bei der Besteuerung der privaten Kfz-Nutzung im Gegensatz zur ertragsteuerlichen Betrachtung mit sich bringt, selten in vollem Umfang genutzt werden. So ist den Wenigsten bekannt, dass neben der 1 %- und der Fahrtenbuchmethode für Zwecke der Umsatzsteuer die unternehmerische Nutzung auch geschätzt werden darf. Die Schätzung bietet i. d. R. Vorteile, wenn ertragsteuerlich die „Kostendeckelung“ zum Tragen kommt oder das Fahrtenbuch formal als nicht ordnungsgemäß verworfen wird, jedoch als Grundlage einer Schätzung noch taugt.

Regelmäßige Arbeitsstätte bei längerer Entsendung

Regelmäßige Arbeitsstätte bei längerer Entsendung

Kernaussage
Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in das Ausland entsandt, kann er nicht in jedem Fall Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend machen. Auch sind die Kosten für die Wege zwischen der im Ausland gelegenen Wohnung und der dortigen Arbeitsstätte nicht zwingen nach Reisekostenrecht zu berücksichtigen.

Sachverhalt
Der Kläger wurde von seiner Arbeitgeberin, einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft, zu einem 3-jährigen Tätigkeit für die ausländische Tochtergesellschaft entsandt. Zu diesem Zweck zog der Kläger mit seiner Ehefrau und seinen Kinder um. Die inländische Wohnung behielt die Familie bei und hielt sich dort ca. 2 bis 3 Wochen im Jahr auf. Die Kosten für die im Ausland belegene Wohnung machte der Kläger als Werbungskosten unter dem Gesichtspunkt doppelter Haushaltsführung geltend. Zudem begehrte er Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen seiner ausländischen Wohnung und der Betriebsstätte der ausländischen Tochtergesellschaft nach den Grundsätzen des Reisekostenrechts. Dies versagte das Finanzamt.

Entscheidung
Das Finanzgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Weder seien die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Grundsätzen des Reisekostenrechts noch die Miete der ausländischen Wohnung als Kosten doppelter Haushaltsführung abzugsfähig. Eine doppelte Haushaltsführung läge nur vor, wenn der Steuerpflichtige von seiner Familie aufgrund beruflicher Tätigkeit getrennt sei und an seinem Einsatzort eine Wohnung unterhalte. Demgegenüber komme eine doppelte Haushaltsführung nicht in Betracht, wenn auch die Familie des Steuerpflichtigen an den Einsatzort umziehe. Der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen verlagere sich dann an seinen Einsatzort. Die Anmietung der ausländischen Wohnung und auch die Beibehaltung der Wohnung im Inland seien vor diesem Hintergrund Kosten der privaten Lebensführung. Auch ein Werbungskostenabzug nach Reisekostengrundsätzen scheide aus. Der Steuerpflichtige sei über mehrere Jahre hinweg im Ausland tätig gewesen. Damit läge eine regelmäßige Arbeitsstätte vor. Daher sei der Werbungskostenabzug nach den Grundsätzen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf die Entfernungspauschale von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer begrenzt. Ein weitergehender Abzug scheide aus.

Konsequenz
Wer über einen längeren Zeitraum an einer (anderen) Betriebsstätte des Arbeitgebers arbeitet, begründet dort möglicherweise eine regelmäßige Arbeitsstätte. Fahrtkosten zwischen der Wohnung und dieser Arbeitsstätte können dann nur auf Grundlage der Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Zieht der Steuerpflichtige zusammen mit seiner Familie um, verlagert er seinen Lebensmittelpunkt. Ein Abzug für doppelte Haushaltsführung scheidet dann aus.

Arbeitsstätte eines Piloten

FG Rheinland-Pfalz wendet neue BFH Rechtsprechung zur Arbeitsstätte eines Piloten zwar an, stellt sie jedoch gleichzeitig in Frage

“Mit Urteil zur Einkommensteuer 2007 vom 21. September 2012 (Az.: 3 K 1740/10) hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zur Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte eines Piloten Stellung genommen.

Der Kläger ist von Beruf Pilot und als Flugzeugführer bei einer Fluggesellschaft beschäftigt. Nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2007 wurde von dem Kläger wegen verschiedener – hier nicht angesprochener – Streitpunkte im Jahre 2010 Klage vor dem FG erhoben.

Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahre 2011 seine bisherige Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte eines Arbeitnehmers (AN) dahin geändert hatte, dass ein AN nur noch eine regelmäßige Arbeitsstätte haben könne und dass der Heimatflughafen bei einem Piloten nicht mehr als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen sei, erweiterte der Kläger seine Klage. Er beantragte, den Flughafen Frankfurt nicht mehr als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen. Bisher habe das Finanzamt die Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Flughafen Frankfurt nur mit der Entfernungspauschale (0,30 € pro Entfernungskilometer) bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Gehe man jedoch davon aus, dass das Cockpit als seine regelmäßige Arbeitsstelle anzusehen sei, müssten die Fahrten zum Flughafen nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 € pro tatsächlich gefahrenem Kilometer) angesetzt werden.

Die Klage war in diesem Streitpunkt (zwar) erfolgreich.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, dass verfahrensrechtlich von einer zulässigen Klageerweiterung auszugehen sei. Eine Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid sei regelmäßig auch insoweit möglich, als sie nach Ablauf der Klagefrist erweitert werde. Der Sonderfall, dass ein Kläger eindeutig zu erkennen gegeben habe, er wolle von einem weitergehenden Klagebegehren absehen, liege hier nicht vor. Weiter sei der BFH im Jahre 2011 von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, nach der der Heimatflughafen eines Piloten als seine regelmäßige Arbeitstätte anzusehen war. Nach der neuen Rechtsprechung sei aber bei einem Piloten davon auszugehen, dass dieser im Cockpit des ihm zugewiesen Flugzeug es schwerpunktmäßig tätig werde. Damit verfüge ein Pilot nicht über einen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit und gehe daher einer Auswärtstätigkeit nach. Der Abzug der Fahrtkosten des Klägers vom und zum Flughafen sei daher nicht auf die Entfernungspauschale beschränkt.

Obwohl das FG Rheinland-Pfalz der neuen Rechtsprechung des BFH folgte, ließ es – mit ausführlicher Begründung – die Revision zu: Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung durch den Ansatz der Entfernungspauschale sei der Umstand, dass sich der AN auf die immer gleichen Wege zu seiner regelmäßigen Arbeitstelle einstellen und auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könne (z.B. Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Wohnsitznahme, o.ä.). Im Streitfall bedürfe es für die Tätigkeit des Klägers jedoch zwingend einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers als ortsgebundenen Ausgangs- und Endpunkt der Flugtätigkeit im Cockpit des ihm zugewiesenen Flugzeuges für Start und Landung. Der Heimatflughafen sei – von Besonderheiten abgesehen – auch regelmäßig Ziel und Abschluss der Flugtätigkeit eines Piloten. Hinzu komme, dass von Piloten durch den Arbeitgeber regelmäßig verlangt werde, im Einzugsbereich des Flughafens über eine Unterkunft zu verfügen. Der Kläger könne sich daher auf die immer gleichen Wege von seiner Wohnung zu seinem Heimatflughafen in unterschiedlicher Weise einstellen und auf eine Minderung seiner Kosten hinwirken, so dass es dem Sinn und Zweck der Entfernungspauschale entsprechen würde, den Webungskostenabzug auf die Entfernungskilometer zu beschränken. Deswegen bedürfe es der höchstrichterlichen Klärung der Frage, ob der Heimatflughafen eines Piloten nicht doch eine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne der Abzugsbeschränkung der Entfernungspauschale darstelle. Demnach sei die Revision zuzulassen.

Anmerkung: Das Urteil wird erst in diesen Tagen zugestellt; ob die Finanzverwaltung tatsächlich in Revision gehen wird, ist hier nicht bekannt.”

FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 21.09.2012 – 3 K 1740/10

Pressemeldung des Gerichts: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten

Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten

Kernproblem

Ob ein Arbeitnehmer eine oder mehrere regelmäßige Arbeitsstätten hat, kann Anknüpfungspunkt für viele steuerliche Fragestellungen sein. Dies gilt z. B. für die Bemessung von steuerlichen Sachbezügen bei der Überlassung eines Dienstwagens oder im Reisekostenrecht. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) konnte ein Arbeitnehmer mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander haben. Im Sommer letzten Jahres hat der BFH seine Rechtsprechung geändert und in 3 Urteilen entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte je Arbeitsverhältnis innehaben kann, auch wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. In einem solchen Fall sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Wie die Finanzverwaltung auf die neue Rechtsprechung reagieren würde, war bisher noch unklar.

Neues Schreiben des Bundesfinanzministeriums

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Anwendung und Veröffentlichung der Urteile im Bundessteuerblatt angekündigt. Bei Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Folgendes zu beachten: in der Regel ist von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der dienstrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Festlegungen entweder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers arbeitstäglich (oder je Arbeitswoche einen vollen Arbeitstag oder mindestens 20 % seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit) tätig werden soll (Prognoseentscheidung). Wird im Einzelfall hiervon abweichend geltend gemacht, dass entsprechend den Grundsätzen der Entscheidungen des BFH eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte ist oder keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, ist dies anhand des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.

Konsequenz

Das BMF wendet damit zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte die bereits bisher in den Lohnsteuerrichtlinien 2011 verlautbarten Kriterien an. Aber wohlgemerkt, jetzt nicht mehr zur Bestimmung „mehrerer“, sondern nur noch der „einen“ oder keiner regelmäßigen Arbeitsstätte.

Arbeitnehmer darf nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte haben

Arbeitnehmer darf nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte haben

Kernproblem

Ob ein Arbeitnehmer eine oder mehrere regelmäßige Arbeitsstätten hat, kann Anknüpfungspunkt für viele steuerliche Fragestellungen sein. Dies gilt z. B. für die Bemessung von steuerlichen Sachbezügen bei der Überlassung von Firmen-Pkw, wenn der Wagen auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden kann. Dass es hier auch auf die Häufigkeit der Fahrten zur Arbeitsstätte ankommt und bei Unregelmäßigkeit eine Minderung der Sachbezüge in Betracht kommt, hatte der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst schon festgestellt. Andere Fragestellungen ergeben sich aus dem Reisekostenrecht. Werden Fahrten des Arbeitnehmers zwischen mehreren regelmäßigen Arbeitsstätten durchgeführt, ist eine steuerfreie Arbeitgebererstattung von Fahrtkosten oder Verpflegungsmehraufwand als Reisekosten ebenso wenig möglich, wie ein alternativer Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers. Unliebsame Überraschungen gab es dann in der Vergangenheit bei Lohnsteuer-Außenprüfungen, wenn der Prüfer mehrere Arbeitsstätten identifizieren konnte.

Bisherige Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des BFH konnte ein Arbeitnehmer mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander haben (so z. B. rechtskräftig entschieden für mehrere im Wechsel aufgesuchte Busdepots eines Linienbusfahrers oder Rettungsstationen eines Rettungsassistenten). Gleiches galt, wenn die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer durchschnittlich im Kalenderjahr an einem Arbeitstag je Arbeitswoche aufgesucht wurde.

Änderung der Rechtsprechung

Ein Arbeitnehmer kann nach neuer Auffassung des BFH nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben, auch wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. In einem solchen Fall sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Ferner sei insbesondere zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden sei, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnehme und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukomme. Diese Leitsätze können nach Zurückverweisung an das Finanzgericht einem Geschäftsführer zugute kommen, der in einem bei seiner Wohnung belegenen angemieteten Kellerraum des Arbeitgebers (mit separatem Zugang) Wartungs- und Optimierungsarbeiten an der betrieblichen EDV-Anlage durchführte. Gleiches gilt für einen Außendienstmitarbeiter, der den Betriebssitz des Arbeitgebers regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsuchte. Auch eine für 15 Filialen einer Supermarktkette zuständige Managerin übe eine wechselnde Auswärtstätigkeit ohne regelmäßige Arbeitsstätte aus, wenn keine der Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale Bedeutung habe.

Konsequenz

Nach diesen Entscheidungen kommt auch (wie im 1. Fall geschildert) der Vermietung des Arbeitsraums an den Arbeitgeber (hier über die Lebensgefährtin gestaltet) besondere Bedeutung zu, soweit eine Trennung zur häuslichen Sphäre möglich ist.