Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern eines Mitglieds und Vorsitzenden einer Gemeindevertretung

Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder, die ein ehrenamtliches Mitglied einer Gemeindevertretung, das auch gleichzeitig deren Vorsitzender ist, aufgrund der gemeindlichen Entschädigungssatzung in einer jährlichen Höhe von 2.792 Euro bis zu 2.942 Euro erhält, sind in Hessen nicht in voller Höhe nach § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Aktenzeichen: 3 K 2837/11).

Der Kläger war in den Streitjahren 2007 bis 2009 ehrenamtliches Mitglied und gleichzeitig Vorsitzender einer Gemeindevertretung. Hierfür hatte er von der Gemeinde nach deren Entschädigungssatzung jährlich Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder in Höhe von 2.792 Euro, 2.942 Euro und 2.842 Euro erhalten. Nach seiner Auffassung sind die Beträge insgesamt nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei.

Nach Durchführung einer Lohnsteueraußenprüfung bei der Gemeinde änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009, wobei es die Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder lediglich teilweise, nämlich nur in Höhe von 2.160 Euro (für 2007 und 2008) sowie in Höhe von 2.496 Euro (für 2009) gemäß § 3 Nr. 12 EStG als steuerfrei ansah. Den darüber hinausgehenden Differenzbetrag zu den tatsächlich erhaltenen Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern setzte das Finanzamt als steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit des Klägers an.

Das Hessische Finanzgericht urteilte, dass dies nicht zu beanstanden ist. Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder seien zwar als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerpflichtig, jedoch grundsätzlich nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei. Bei der hier streitentscheidenden Frage, in welcher konkreten Höhe diese Steuerfreiheit bestehe, habe sich das Finanzamt in nicht zu beanstandender Weise an die entsprechenden, wortgleichen Erlasse des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 21.12.2007 (betreffend 2007 und 2008) und vom 09.06.2009 (betreffend 2009) gehalten. Danach solle, wenn wie im Streitfall eine höhere Entschädigung als 90 Euro bzw. 104 Euro pro Monat gezahlt werde, diese bis zu 175 Euro monatlich steuerfrei belassen werden. Dies entspreche auf das Kalenderjahr hochgerechnet einem Betrag von 2.100 Euro. Damit werde mindestens der Betrag steuerfrei gestellt, der im Übrigen auch nach § 3 Nr. 26 EStG für die dort aufgezählten nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienste einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer gemeinnützigen juristischen Person des Privatrechts steuerbefreit sei.

Die vom Kläger geforderte Verdoppelung des Betrags von monatlich 175 Euro sei abzulehnen, obwohl dieser nicht nur Gemeinderatsmitglied sondern auch gleichzeitig Vorsitzender der Gemeindevertretung sei. Dies entspreche im Übrigen auch einem Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 01.07.2009, der im Wesentlichen mit den hessischen Erlassen wortgleich sei und darüber hinaus klarstelle, dass sich eine etwaige Verdoppelung nicht auf den Mindestbetrag in Höhe von 175 Euro beziehe. Im Übrigen handele es sich auch bei dem Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG um einen Höchstbetrag. Dies bedeute, dass selbst bei Ausübung mehrerer der aufgezählten Tätigkeiten der Steuerfreibetrag auf 2.100 Euro jährlich gedeckelt sei.

Dem Kläger sei es allerdings unbenommen, die ihm entstandenen Betriebsausgaben nachzuweisen, wenn er der Meinung sei, dass die nur teilweise Anerkennung der ihm gewährten Aufwandsentschädigung als steuerfrei nach Maßgabe der jeweils festgelegten pauschalen Sätze nicht ausreichend sei.

Das Urteil vom 24.06.2013 ist rechtskräftig.

Quelle: FG Hessen, Pressemitteilung vom 13.09.2013 zum Urteil 3 K 2837/11 vom 24.06.2013

Steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein Wertgutachten bei Scheidung

Gutachterkosten für die Wertermittlung einer Immobilie, die im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wegen Auskunftserteilung und Zahlung von Zugewinn anfallen, sind mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abziehbar.

Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 13 K 985/13).

Die ehemalige Ehefrau des Klägers hatte im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wegen Auskunftserteilung und Zahlung von Zugewinn Auskunft über das Endvermögen des Klägers durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und durch Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen Unterlagen gefordert. Daraufhin beauftragte der Kläger einen Sachverständigen, der ein kostenpflichtiges Wertgutachten bezüglich des Grundbesitzes erstellte.

Das Finanzamt verweigerte die steuerliche Berücksichtigung der Kosten für das Wertgutachten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG. Der Kläger meinte hingegen, dass er sich den Gutachterkosten aus rechtlichen Gründen nicht habe entziehen können, da die Wertermittlung von seiner damaligen Ehefrau im Scheidungsverfahren per Auskunftsklage eingefordert worden sei.

Dem folgte das Hessische Finanzgericht nicht und wies die Klage ab. Der Kläger sei zur Erstellung des Wertgutachtens nämlich nicht verpflichtet gewesen. Denn das Auskunftsverlangen der Ehefrau sei lediglich auf Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen Unterlagen und nicht auf die Vorlage eines Sachverständigengutachtens gerichtet gewesen. Dies entspreche im Übrigen auch der zivilrechtlichen Rechtslage (§ 1379 BGB), wonach lediglich die Verpflichtung bestehe, dem anderen Ehegatten über den Bestand seines Endvermögens Auskunft zu erteilen. Auch der über den Auskunftsanspruch hinaus bestehende Wertermittlungsanspruch richte sich nur auf die zuverlässige Ermittlung durch den Auskunftsverpflichteten selbst, erforderlichenfalls durch Einholung von Auskünften oder Einschaltung von Hilfskräften. Ein Sachverständiger müsse insoweit aber nicht beauftragt werden, da der Anspruch auf Wertfeststellung durch einen Sachverständigen im Gesetz nicht vorgesehen sei. So habe auch die Ehefrau die Ermittlung des Immobilienwertes durch einen Sachverständigen im Auskunftsverlangen lediglich als sinnvoll und damit nicht als zwingend erachtet. Das Gutachten sei vom Kläger damit in eigener Verantwortung und nicht zwangsläufig in Auftrag gegeben worden. Folgerichtig habe auch das Familiengericht die Gutachterkosten im Kostenfestsetzungsverfahren nicht als erstattungsfähig angesehen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 12.05.2011, Az. VI R 42/10), mit der dieser die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Kosten eines Zivilprozesses aufgegeben habe und nunmehr darauf abstelle, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Denn die neue Rechtsprechung des BFH sei dahingehend zu verstehen, dass lediglich Zivilprozesskosten im engeren Sinne, das heißt lediglich Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten (Vergütungsansprüche eines eigenen Prozessbevollmächtigten sowie der Kostenerstattungsanspruch des Gegners) abzugsfähig seien. Hierzu gehörten aber nicht die Aufwendungen für ein Wertgutachten, das – wie im Streitfall – in eigener Verantwortung in Auftrag gegeben worden sei.

Das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 02.07.2013 ist rechtskräftig.

Quelle: FG Hessen, Pressemitteilung vom 16.09.2013 zum Urteil 13 K 985/13 vom 02.07.2013

Voller Betriebsausgabenabzug für Fahrten eines Steuerberaters zu seinem Hauptauftraggeber

Mit Urteil vom 10. Juli 2013 (Az. 10 K 1769/11 E) hat der 10. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass Fahrten eines selbstständigen Steuerberaters zu seinem Hauptauftraggeber nicht dem beschränkten Betriebsausgabenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte unterliegen.

Der Kläger erzielt mehr als 60 % seiner Einnahmen als selbstständiger Steuerberater aus Tätigkeiten für eine andere Steuerberaterpraxis. Diese stellte ihm für die Tätigkeiten einen Arbeitsplatz in ihren Räumlichkeiten zur Verfügung, die er im Streitjahr an 181 Tagen aufsuchte. Für seine übrigen Mandanten wurde der Kläger von zu Hause aus tätig.

Der Kläger machte Betriebsausgaben für ein geleastes betriebliches Fahrzeug geltend. Das beklagte Finanzamt kürzte die Betriebsausgaben, weil es die Steuerberaterpraxis des Hauptauftraggebers als regelmäßige Betriebsstätte des Klägers ansah. Deshalb seien diese Fahrten nur mit 0,30 EUR pro Entfernungskilometer zu berücksichtigen. Demgegenüber ist der Kläger der Ansicht, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden keine regelmäßige Betriebsstätte eines Selbstständigen darstelle.

Der Senat folgte der Ansicht des Klägers und gab der Klage statt. Die BFH-Rechtsprechung, nach der Arbeitnehmer bei einem Kunden ihres Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte haben, selbst wenn sie dort länger eingesetzt sind, sei auf selbstständig Tätige zu übertragen. Die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs sei nicht gerechtfertigt, da der Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit habe, sich auf die Tätigkeitsstätte einzustellen. Dies gelte für den Kläger insbesondere deshalb, weil er lediglich als freier Mitarbeiter für seinen Hauptauftraggeber tätig gewesen sei und jederzeit hätte gekündigt werden können. Eine gleichartige Auslegung der Begriffe der Arbeitsstätte und der Betriebsstätte sei auch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster

 

Finanzgericht Münster, 10 K 1769/11 E

Datum: 10.07.2013
Gericht: Finanzgericht Münster
Spruchkörper: 10. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 10 K 1769/11 E
Sachgebiet: Finanz- und Abgaberecht
Tenor: Der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 15.12.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.4.2011 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

1G r ü n d e:2I.

3Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers für Fahrten mit seinem überwiegend betrieblich genutzten Fahrzeug zu seinem Hauptauftraggeber in vollem Umfang oder nur mit einer Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer als Betriebsausgaben abziehbar sind.

4Der in E wohnhafte Kläger ist seit 1998 Steuerberater und hat sich mit dem Schwerpunkt internationale Rechnungslegung spezialisiert. Er war bis Oktober 2006 bei einem Steuerberater im C angestellt und ist seitdem selbstständig tätig, ohne mit einem eigenen Telefoneintrag oder anderen Werbemaßnahmen an die Öffentlichkeit zu treten.

5Im Streitjahr 2009 war sein Hauptauftraggeber, von dem der Kläger als freier Mitarbeiter rund 61 % seiner Nettoeinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit erzielte, die in S ansässige Steuerberaterpraxis T & Partner (im Folgenden: Steuerberaterpraxis), für die der Kläger seit etwa 2006 tätig ist.

6Die hierzu mündlich getroffene Vereinbarung sieht die Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen sowie vergleichbare Leistungen für Mandanten der Steuerberaterpraxis vor, für die der Kläger zwischen 40% (z.B. für die Fertigung von Jahresabschlüssen etc.) und 80% (z.B. für intensive Beratungsgespräche) der gegenüber den Mandanten der Steuerberaterpraxis abgerechneten Nettohonorare, Stundensätze bzw. direkt anfallenden Sonderkosten erhält. Der Umfang der Tätigkeit des Klägers richtet sich nach dem Arbeitsanfall der Steuerberaterpraxis. Absprachen über die Dauer und die Länge der Zusammenarbeit wurden nicht getroffen. Seine Leistungen für die Steuerberaterpraxis hat der Kläger an deren Sitz in S zu erbringen, den er im Streitjahr an insgesamt 181 Tagen aufsuchte. Er konnte dabei über seine Arbeitszeiten frei bestimmen und regelmäßig den gleichen Arbeitsplatz und das Equipment der Steuerberaterpraxis nutzen.

7Neben der Tätigkeit für die Steuerberaterpraxis war der Kläger für einen international tätigen Konzern und weitere Mandanten aus dem Raum E und L tätig. Diese Mandate beruhten noch auf Bekanntschaften aus der Zeit seiner Angestelltentätigkeit sowie nachfolgender Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Tätigkeit für diese Mandanten übte der Kläger nach seinen Angaben in bzw. von seiner aus 2 Zimmern und Bad bestehenden Wohnung in E aus, in der das dafür notwendige Equipment (2 Computer, 2 Monitore, 1 Laptop, 1 Drucker, 1 Reisedrucker, 1 Multifunktionsgerät, 1 Reißwolf und 1 Telefonanlage, Regale und Schränke, Ordner und Archivboxen, Akten, Fachliteratur) vorhanden war und dessen vorderes Zimmer er (auch) beruflich nutzte.

8In seiner Gewinnermittlung für 2009 berücksichtigte der Kläger als Betriebsausgaben Kosten in Höhe von netto € 10.801,11 für einen geleasten betrieblichen Pkw, mit dem er im Jahre 2009 insgesamt 35.604 Kilometer zurücklegte.

9Als Entnahme für die private Pkw-Nutzung des Pkw setzte er einen an Hand seiner Aufzeichnungen im Fahrtenbuch ermittelten Betrag in Höhe von insgesamt netto € 1.672,01 (15,48 % der Gesamtkosten für 5.513 Kilometern privat gefahrene Kilometer) an.

10Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2009 zunächst erklärungsgemäß fest.

11Nach Überprüfung des Fahrtenbuchs des Klägers vertrat er die Ansicht, die Steuerberaterpraxis in S stelle die regelmäßige Betriebsstätte des Klägers dar. Insoweit dürften die Aufwendungen für die Fahrten nach S gemäß

12§ 4 Absatz 5 Nr. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe des positiven Unterschiedsbetrages zwischen dem auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ergebenen Betrag den Gewinn nicht mindern.

13Er erhöhte dementsprechend den Gewinn um –der Höhe nach unstreitige- € 3.595,35 und setzte mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 15.12.2010 die Einkommensteuer für 2009 auf € 6.235,- fest. Gleichzeitig hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

14Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage vertritt der Kläger weiterhin in die Ansicht, die Aufwendungen für seine Fahrten nach S seien in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

15Die Steuerberaterpraxis in S stelle nicht seine Betriebsstätte oder regelmäßige Arbeitsstätte dar. Hierfür sei erforderlich, dass die Geschäftseinrichtung der Verfügungsmacht des Unternehmers unterliegen. Dies sei bei ihm nicht der Fall.

16Die Steuerberaterpraxis sei aus seiner Sicht ein Kunde wie alle seine anderen Mandanten. Er habe dort im Jahre 2009 lediglich 61,7% seiner Einnahmen erzielt. Dieser Anteil sei im Jahre 2010 auf unter 45% gesunken und habe sich auch 2011 weiter reduziert. Der Umfang und die Dauer der freien Mitarbeit seien nicht abzusehen bzw. geplant gewesen. Hinzu komme, dass er an keinerlei bestimmte Arbeitszeiten gebunden sei, so dass seine persönliche Anwesenheit in S jederzeit in seinem freien Ermessen gelegen habe.

17In der Steuerberaterpraxis habe zunächst das Freie-Platz-Prinzip geherrscht. Im Streitjahr 2009 habe er aber die Möglichkeit gehabt, regelmäßig den gleichen Arbeitsplatz zu nutzen. Eine Tätigkeit für eigene Mandanten sei ihm zwar nicht ausdrücklich untersagt gewesen, da es keine Überschneidungen gegeben habe. Wegen bestehender Platzprobleme hätte sich die Steuerberaterpraxis aber „bedankt“, wenn er die dortigen Räumlichkeiten mit seinem Material vollgestopft hätte. Zudem sei eine Abwicklung eigener Angelegenheiten organisatorisch nur schwer möglich gewesen, da sich sämtliche Akten seiner sonstigen Mandanten, seine Fachliteratur, sein Archivmaterial und sein Equipment in E befunden hätten. Insbesondere habe er in E erheblich umfangreichere Fachliteratur zum internationalen Steuerrecht, als sie in der Steuerberatungspraxis vorhanden sei. Faktisch habe es sich so eingespielt, dass er in E auch Angelegenheiten der Steuerberaterpraxis erledigt habe, insbesondere wenn er auf seine Literatur habe zurückgreifen müssen.

18Zudem sei nach dem BFH-Urteil vom 9.7.2009 VI R 21/08, BStBl II 2009, 822 die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte. Diese Rechtsprechung sei auch bei Gewinneinkünften entsprechend anzuwenden.

19Der Kläger beantragt,

20den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 15.12.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.4.2011 ersatzlos aufzuheben.

21Der Beklagte beantragt,

22die Klage abzuweisen.

23Er trägt vor, in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 9.6.11 VI R 36/10, BStBl II 2012, 36 und VI R 55/10, BStBl II 2012, 38), wonach ein Arbeitnehmer nur noch eine regelmäßige Arbeitsstätte haben könne, sei auch bei Selbstständigen nur noch eine regelmäßige Betriebsstätte anzunehmen.

24Regelmäßige Betriebsstätte des Klägers sei aber die Steuerberaterpraxis in S, die der Kläger an 181 Arbeitstagen aufgesucht und in der er einen nicht unerheblichen Teil seiner Betriebseinnahmen erwirtschaftet habe.

25Die mit der Begrenzung des Fahrtkostenabzugs in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG angestrebte Gleichbehandlung des Werbungskostenabzugs bei Arbeitnehmern und des Betriebsausgabenabzugs bei Selbstständigen verlange eine deutliche Grenzziehung zwischen dem privaten Bereich des Wohnens und dem der beruflichen oder betrieblichen Betätigung. Räumlichkeiten, die wie üblicherweise ein häusliches Arbeitszimmer nur einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bildeten, könnten ungeachtet ihrer beruflichen oder betrieblichen Nutzung nicht als Betriebsstätte qualifiziert werden.

26Insoweit sei die Kürzung der Fahrtkosten zu Recht erfolgt.

27Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und de Steuerakten Bezug genommen.

28II.

29Die Klage ist begründet.

30Der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 15.12.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.4.2011 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO-), da der Beklagte hierin die auf die Fahrten nach S entfallenden Fahrzeugkosten nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben berücksichtigt, sondern unter Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG um € 3.595,- gekürzt hat. Er war deshalb aufzuheben.

311. Bei den dem Kläger im Streitjahr für seinen Pkw entstandenen Aufwendungen handelt es sich um Betriebsausgaben i. S. von § 4 Abs. 4 EStG, weil dieses Fahrzeug weit überwiegend betrieblich genutzt wurde und deshalb zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehörte. Die Fahrten nach S sind auch betrieblich veranlasst. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

32Zu Unrecht geht der Beklagte jedoch davon aus, dass diese Aufwendungen teilweise einem Abzugsverbot gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG unterliegen. Nach dieser Regelung dürfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nur in dem durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG bestimmten Umfang mindern. Danach sind Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale von € 0,30 für jeden vollen Entfernungskilometer, höchstens € 4.500,- im Kalenderjahr, abgegolten; ein höherer Betrag als € 4.500,- ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zu Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.

33Diese Vorschrift ist im Streitfall nicht anzuwenden, weil der Kläger bei der aus Gründen der Gleichbehandlung gebotenen Anwendung der neueren BFH-Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte von Arbeitnehmern auch auf die übrigen Steuerpflichtigen im Streitjahr 2009 am Sitz der Steuerberaterpraxis keine Betriebsstätte im Sinne des

34§ 12 AO oder des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG unterhielt und damit auch keine Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte vorlagen.

35a. Eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 S. 1 AO liegt nicht vor. Diese erfordert, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage hat. Das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen selbst dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht, wenn die Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg erbracht wird (BFH-Urteil vom 4.6.2008 I R 30/07, BStBl II 2008, 922 m.w.N.). Im Streitfall war dem Kläger die Nutzung seines Arbeitsplatzes in S nur im Rahmen seiner Tätigkeit für die Steuerberaterpraxis eingeräumt. Ein eigenständiges Nutzungsrecht bestand nicht. Insbesondere konnte ihm die Nutzungsmöglichkeit jederzeit entzogen werden.

36b. Der Senat verkennt nicht, dass die bisherige BFH-Rechtsprechung den Begriff der Betriebsstätte im Sinne des § 6 Abs. 5 Nr. 6 Satz 1 EStG abweichend von § 12 AO definiert und unter „Betriebsstätte“ jede (von der Wohnung getrennte) Beschäftigungsstätte des Steuerpflichtigen versteht. Als regelmäßige Betriebstätte war danach der Ort zu verstehen, an dem der Unternehmer die geschuldete Leistung mit einer gewissen Nachhaltigkeit zu erbringen hatte; anders als in § 12 AO war eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 19.9.1990 X R 44/89, BStBl II 1991, 97 m.w.N.). Demgegenüber konnten im eigenen Wohnhaus belegene oder in die private Sphäre eingebundene Räumlichkeiten nicht als Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG qualifiziert werden (BFH-Beschlüsse vom 18.5.2005 X B 42/04, Juris; vom 28.6.2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243 und vom 26.6.2007 V B 197/05, BFH/NV 2007, 1897). Damit wurden entsprechend dem Regelungszweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG, Unternehmer und Arbeitnehmer hinsichtlich der Kosten für Fahrten

37zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte gleich behandelt und die tatbe-standlichen Voraussetzungen für Arbeitsstätte und Betriebsstätte gleich interpretiert. Nach dieser bisherigen Rechtsprechung ist das Bürogebäude eines Auftraggebers, das ein Selbständiger im Rahmen seiner Tätigkeit praktisch jeden Arbeitstag regelmäßig aufsuchte, als Betriebsstätte anzusehen, da der Selbstständige einem Arbeitnehmer vergleichbar war, der täglich zu seiner Arbeitsstätte fährt. Sein häusliches Arbeitszimmer ist keine Betriebsstätte (vgl. BFH-Beschluss vom 21.3.2001 IV B 29/00, Juris).

38Bei Anwendung dieser bisherigen Rechtsprechung unterlägen die 181 Fahrten des Kläger dem begrenzten Betriebskostenabzug, da er –wie ein Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstelle- seine Beschäftigungsstelle in S praktisch jeden Arbeitstag von seiner Wohnung aus aufgesucht hat.

39b. Der BFH hat allerdings seine die regelmäßige Arbeitsstätte von Arbeitnehmern betreffende Rechtsprechung inzwischen aufgegeben bzw. modifiziert.

40Regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nach der neueren BFH-Rechtsprechung nur noch jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb.

41Dagegen ist die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Die Vorschrift kommt demnach auch dann nicht zur Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Kunden des Arbeitgebers längerfristig eingesetzt ist (BFH-Urteile vom 10.7.2008 VI R 21/07, BStBl II 2009, 818; vom 9.7.2009 VI R 21/08, BStBl II 2009, 822).

42Zur Begründung führt der BFH an, dass gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG alle beruflich veranlassten Aufwendungen, zu denen grundsätzlich auch Fahrt- bzw. Mobilitätskosten gehören, regelmäßig in tatsächlicher Höhe abziehbar seien. Dieser Grundsatz erfahre zwar durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG insoweit eine Einschränkung, als die Fahrtkosten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte nicht im tatsächlichen Umfang steuerlich abziehbar seien, sondern nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale. Diese Durchbrechung des Prinzips des Begrenzung sei im Grundsatz sachlich gerecht-fertigt (BFH-Urteil vom 11.5.2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782), da sich ein Arbeitnehmer bei einer auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegten (regelmäßigen) Arbeitsstätte in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könne. Dies könne etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen. Für diesen Fall erweise sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip.

43Dagegen sei die Durchbrechung der vollen Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt, wenn keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vorliege, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen könne. Dies sei insbesondere bei Auswärtstätigkeiten der Fall (BFH-Urteile vom 11.5.2005 VI R 7/02, BStBl II 2005, 782 und VI R 70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785; vgl. auch BFH-Urteil vom 10.4.2008 VI R 66/05, BStBl II 2008, 825). Ein auswärts tätiger Arbeitnehmer habe typischerweise nicht die vorgezeichneten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten, insbesondere scheide ein Familienumzug an die Tätigkeitsstätte aus. Entsprechendes treffe auch auf einen Arbeitnehmer zu, der vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden für seinen Arbeitgeber tätig ist.

44Dementsprechend ist der BFH in seinem Urteil vom 10.7.2008 VI R 21/07, BStBl II 2009, 818 auch bei einem Arbeitnehmer, der vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden für seinen Arbeitgeber tätig ist, davon ausgegangen, dass dieser typischerweise nicht die Möglichkeit hat, sich auf diese Tätigkeitsstätte einzustellen. Hieraus hat der BFH geschlossen, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist, und insoweit ausgeführt, dass diese Vorschrift auch dann nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Kunden längerfristig eingesetzt wird. Denn die Beurteilung, ob sich ein Arbeitnehmer in der genannten Weise auf eine bestimmte Tätigkeitsstätte einstellen kann, habe stets aus der Sicht zum Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Tätigkeit („ex ante“) zu erfolgen. Solle ein Arbeitnehmer in der betrieblichen Einrichtung eines Kunden seines Arbeitgebers eingesetzt werden, so sei prägend für diese Sicht des Arbeitnehmers allein das Arbeitsverhältnis und nicht die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde. Auf die konkrete Ausgestaltung und die Dauer jener vertraglichen Beziehung könne und müsse sich der Arbeitnehmer typischerweise weder rechtlich noch faktisch mit dem Ergebnis der Minderung der Wegekosten einstellen. Vielmehr sei es gerade Ausdruck des Arbeitsverhältnisses, dass der beim Kunden eingesetzte Arbeitnehmer hinsichtlich des Orts, an dem er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, in besonderer Weise dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliege. Auch bei längerfristigem Einsatz beim Kunden stehe die dortige Tätigkeit unter einem dem Einfluss des Arbeitnehmers entzogenen Vorbehalt, dass die vom Arbeitsverhältnis unabhängige Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde Bestand hat.

45d. Der Senat ist der Auffassung, dass die geänderte Rechtsprechung des BFH zur regelmäßigen Arbeitsstätte in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entsprechend auch hinsicht-lich der Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG anzuwenden ist.

46Das Erfordernis einer entsprechenden Auslegung ergibt sich insbesondere aus der bereits nach der bisherigen Rechtsprechung zum Betriebsstättenbegriff verfassungsrecht-lich gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Unternehmern in Bezug auf den Abzug von Fahrtkosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- bzw. Betriebsstätte (vgl. BVerfG-Beschluss vom 2.10.1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58; so auch Urteile des Finanzgerichts Münster vom 22.3.2013 4 K 4834/10 E, EFG 2013, 839; des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 27.10.2011 3 K 1849/09, EFG 2012, 310). Ebenso wie ein Arbeitnehmer, der an wechselnden Arbeitsstellen oder in der betrieblichen Einrichtung eines Kunden des Arbeitsgebers eingesetzt ist, kann auch ein in einer betrieblichen Einrichtung eines Kunden tätiger selbstständiger Unternehmer regelmäßig nicht durch Bildung von Fahrgemeinschaften oder die Verlegung seines Wohnsitzes die Fahrtkosten minimieren. Denn auch für ihn ist es –ebenso wie für einem Arbeitnehmer, der in der Einrichtung eines Kunden tätig ist- typischerweise ungewiss, wie lange die vertragliche Beziehung zu seinem Kunden erhalten bleibt, da –soweit nicht ausnahmsweise langfristige Verträge abgeschlossen sind– das Auftragsverhältnis üblicherweise jederzeit kurzfristig beendet werden kann. Insoweit kann auch ein Unternehmer aus der maßgeblichen Sicht zum Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Tätigkeit regelmäßig nicht beurteilen, wie lange seine Tätigkeit in der betrieblichen Einrichtung seines Auftraggebers fortdauern wird. Selbst wenn er –anders als hier der Kläger- lediglich für einen Kunden tätig ist, ist es ihm daher regelmäßig nicht zumutbar, seinen Fahrtaufwand dadurch zu reduzieren, dass er seinen Wohnsitz in die Nähe der betrieblichen Einrichtung des Kunden verlegt. Dies gilt erst recht, wenn ein Unternehmer nicht nur für einen einzigen Kunden in dessen betrieblicher Einrichtung, sondern daneben für weitere Kunden tätig ist.

47Im Übrigen spricht auch der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG enthaltene Verweis, wonach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 insgesamt und nicht nur in Bezug auf seine Rechtsfolgen anzuwenden ist, für eine gleichartige Auslegung beider Vorschriften

48e. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze und der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls hatte der Kläger im Streitjahr 2009 keine Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG in S, sodass die streitigen Fahrtkosten dorthin in vollem Umfang als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

49Es war dem Kläger –ähnlich einem Arbeitnehmer, der in der Einrichtung eines Kunden seines Arbeitgebers tätig ist- nicht möglich und zumutbar, etwa durch Verlegung seines Wohnsitzes seine Fahrtkosten zu minimieren, da er nicht von einer dauerhaften und regelmäßigen Tätigkeit in der betrieblichen Einrichtung der Steuerberaterpraxis in S ausgehen konnte.

50Gegen eine von vornherein langfristig angelegte Tätigkeitsstätte in S spricht bereits, dass der Kläger lediglich als freier Mitarbeiter für die Steuerberaterpraxis tätig war und Absprachen über die Dauer und die Länge der Zusammenarbeit nicht getroffen waren. Insoweit war das Auftragsverhältnis jederzeit kündbar. Zudem richtete sich der Umfang der Tätigkeit nach dem Arbeitsanfall der Steuerberaterpraxis, sodass der Kläger nicht nur vom Bestehen des Auftragsverhältnisses mit der Steuerberaterpraxis, sondern auch von den nicht in seinem Einflussbereich liegenden weiteren Vertragsverhältnissen zwischen der Steuerberaterpraxis und deren Mandanten abhängig war.

51Dagegen sind Umstände, nach denen der Kläger von vorneherein von einem über lange Jahre gesichertem Auftragsverhältnis hätte ausgehen können, weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Hiergegen spricht auch, dass der mit der Steuerberaterpraxis erzielte Umsatzanteil nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers von im Streitjahr rund 61% auf im Jahre 2010 unter 45% gesunken ist und sich 2011 noch weiter reduziert hat.

523. Da nach alledem die Räume der Steuerberaterpraxis keine regelmäßige Betriebsstätte des Klägers darstellen, ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht anwendbar. Die Fahrzeugkosten für seine Fahrten nach S sind daher ohne Beschränkung abziehbar.

53Die Ermittlung des Betrags, mit dem die Nutzungsentnahme durch den Gebrauch des Pkw für Privatfahrten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 3 EStG angesetzt wurde, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das vom Kläger vorgelegte Fahrtenbuch ist ordnungsgemäß. Danach betrug der Anteil der privaten Kfz-Nutzung nicht mehr 15,48 %. Die dafür angesetzte Entnahme kann wie vom Kläger ermittelt angesetzt werden. Dies ist nicht streitig

544. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

555. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, die Maßgeblichkeit der Rechtsprechung des VI. Senats auch für die Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu bestätigen.

Doppelte Haushaltsführung bei Zweitwohnung in der Nähe des Familienwohnsitzes

Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung kann auch dann vorliegen, wenn die Zweitwohnung näher am Familienwohnsitz als an der Arbeitsstätte liegt. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 27. Juni 2013 (Az. 3 K 4315/12 E) entschieden.

Der Kläger ist als Professor an einer Universität beschäftigt. Der Ort, an dem er mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebt, liegt etwa 2 Stunden von seiner Arbeitsstätte entfernt. Aus diesem Grund hatte der Kläger ursprünglich eine Zweitwohnung in der Nähe der Universität. Diese gab er jedoch auf und bezog eine neue Zweitwohnung, die 83 km von der Universität, aber nur 47 km vom Familienwohnsitz entfernt liegt.

Das beklagte Finanzamt erkannte keine Kosten für eine doppelte Haushaltsführung an, da die Zweitwohnung aufgrund der zu großen Entfernung nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers angesehen werden könne. Die Entfernung zur Familienwohnung sei für die Wahl der Zweitwohnung zumindest mitbestimmend gewesen. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Zweitwohnung besonders verkehrsgünstig gelegen sei und er die Universität innerhalb von 50 Minuten erreichen könne. Darüber hinaus verfüge der Ort der Zweitwohnung auch über in seinem Fachbereich sehr gut ausgestattete Bibliotheken, die er 3 bis 5 Mal pro Monat aufsuche.

Das Gericht gab der Klage statt. Für eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung sei es erforderlich, dass der Arbeitnehmer „am Beschäftigungsort“ wohne. Hierfür sei nicht eine Wohnung in der politischen Gemeinde der Arbeitsstätte erforderlich; es reiche vielmehr aus, dass die Wohnung in deren Einzugsgebiet liege. Maßgeblich sei, dass die Arbeitsstätte von dort aus in zumutbarer Weise täglich aufgesucht werden könne, was bei einer Fahrzeit von 50 Minuten pro Strecke trotz der Entfernung von 83 km der Fall sei. Da der Kläger überdies auch die vor Ort liegenden Bibliotheken beruflich nutze, komme dem Umstand der günstigen Lage zum Familienwohnsitz kein überlagerndes Gewicht mehr zu. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. VI R 59/13).

 

Finanzgericht Münster, 3 K 4315/12 E

Datum:
27.06.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 4315/12 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Einkommensteuerfestsetzungen 2010 vom 23.07.2012 und 2011 vom 05.07.2012, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012, werden nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert. Die Berechnung der Steuer obliegt dem Beklagten.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 1/9 und der Beklagte 8/9.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Steuerfestsetzung der Veranlagungszeiträume 2010 und 2011 als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt werden können.

3Die Kläger sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 2010 und 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Professor für … an der … in B    und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Die Klägerin bezieht als angestellte Buchhändlerin im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beschäftigungsort der Klägerin und Familienwohnsitz der Kläger mit den beiden gemeinsamen Kindern ist H   .

4Bereits im Jahr 2007 wechselte der Kläger von P    an die Universität nach B   , als er dort die Möglichkeit erhielt, vertretungsweise einen Lehrstuhl zu übernehmen. Um sich mit den Gepflogenheiten in B    und der Universität vertraut machen zu können, nahm er eine Wohnung in der Nähe der Universität. Parallel zur Lehrstuhlvertretung durchlief der Kläger ein Berufungsverfahren für eine andere Professur an der Universität in B   , die er dann im Herbst 2007 erhielt. Bereits im Spätsommer 2007 kündigte der Kläger seine Wohnung in B    und suchte nach einer für sich geeigneten Wohnung in E   . Er entschied sich für E    deshalb, weil dort die …bibliothek und auch die …bibliothek ansässig sind, die im Fachbereich des Klägers sehr gut ausgestattet sind. In seinem Fachgebiet „…“ besteht die Arbeit des Klägers im Wesentlichen im Literaturstudium. Die Bibliotheken sucht er dabei im Schnitt drei bis fünf mal im Monat auf, wobei die Nutzung entsprechend seines Arbeitsfortschritts unterschiedlich intensiv ist. Maßgeblich ist aus Sicht des Klägers der schnell mögliche Zugriff.

5Die Lehrverpflichtungen des Klägers belaufen sich im Schnitt auf fünf Veranstaltungen pro Woche. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor eines Instituts und somit bestimmten Verwaltungsaufgaben und Verpflichtungen, z. B. an Fachbereichssitzungen teilzunehmen, betraut.

6In den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Für 2010 beliefen sich die Aufwendungen auf insgesamt 9.164 Euro und für 2011 auf 8.078 Euro. Im Wesentlichen handelte es sich um die Kosten der Unterkunft des Klägers in E   , diverse Einrichtungsgegenstände und die Aufwendungen für die Heimfahrten nach H   . Die Aufwendungen für die in E    angemietete Garage betragen 480 Euro jährlich. Zu den Einzelheiten wird auf die Angaben in den Steuererklärungen 2010 und 2011 (Blatt 15/16 und Blatt 84/85 der Steuerakte) Bezug genommen.

7Die Entfernung der vom Kläger bewohnten Wohnung in E    zum Familienwohnsitz nach H    beträgt 47 km, die Entfernung zur Arbeitsstätte in B    83 km.

8Die Wohnung in E   , A-Straße 44, ist in einer Entfernung von ca. 4 Kilometern zur …bibliothek belegen. Die Autobahn nach B    ist schnell zu erreichen.

9Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 durch Bescheid vom 03.08.2011 und für 2011 durch Bescheid vom 29.06.2012 berücksichtigte der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zur doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten, da der Wohnsitz in E    zu weit vom Arbeitsort entfernt liege und deshalb nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers angesehen werden könne.

10Die Einkommensteuerfestsetzung 2011 änderte der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen durch Einkommensteuerbescheid vom 05.07.2012.

11Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen erhoben die Kläger Einspruch am 31.08.2011 (2010) und am 30.07.2012 (2011). Sie verwiesen darauf, dass der Beschäftigungsort sich begrifflich nicht auf die politische Gemeinde beschränke, in der sich die Arbeitsstätte des Steuerpflichtigen befinde, sondern auch das Einzugsgebiet umfasse. Soweit sich die Zweitwohnung in der Nähe des Beschäftigungsortes befinden müsse, könne diese Nähe auch zeitlich begründet sein. Dies gelte im Fall des Klägers deshalb, weil er seine Arbeitsstätte von der besonders verkehrsgünstig gelegenen Wohnung in E    innerhalb von 50 Minuten erreichen könne. Diese Fahrtzeit werde ausweislich der Rechtsprechung für eine Strecke zwischen Wohnung und Beschäftigungsort für Pendler als zumutbar erachtet. Gegenüber einer Fahrt zum Arbeitsort von seinem Familienwohnsitz aus ergebe sich eine tägliche Fahrzeitersparnis von mindestens zwei Stunden. Darüber hinaus eröffne ihm die Wohnung in E    den unproblematischen Zugang zu dort vorhandenen Bibliotheken, die einen für seine Tätigkeit unerlässlichen Literaturbestand auswiesen. Natürlich ermögliche es die Wohnung in E    auch, den familiären Kontakt nach H    über die Woche unkomplizierter zu halten. Dies sei jedoch nicht der für die Wohnungswahl ausschlagende Grund gewesen.

12Den Einkommensteuerbescheid 2010 änderte der Beklagte durch Bescheide vom 05. und 23.07.2012 aus hier nicht streitigen Gründen.

13Durch Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012, bekannt gegeben durch einfachen Brief, wies er die Einsprüche als unbegründet zurück. Es treffe zwar zu, dass der Begriff der Wohnung am Beschäftigungsort weit auszulegen sei. Sei jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Entfernung zwischen Zweitwohnsitz und Beschäftigungsort wesentlich höher als die zwischen Zweitwohnsitz und Familienwohnsitz, komme nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ebenfalls die private Lebensführung als Ursache der doppelten Haushaltsführung in Betracht. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Entfernung zwischen dem Zweitwohnsitz in E    und dem Familienwohnsitz in H    für den Bezug der Zweitwohnung mitbestimmend gewesen und die doppelte Haushaltsführung deshalb nicht ausschließlich beruflich veranlasst sei. Soweit sich der BFH in seinem Urteil vom 19.04.2012 (VI R 59/11, BFH/NV 2012, 1378) dahingehend geäußert habe, dass auch bei einer Entfernung von 141 km zwischen Zweitwohnsitz und Beschäftigungsort eine doppelte Haushaltsführung gegeben sein könne, liege dem vom BFH entschiedenen Fall ein anderer Sachverhalt zu Grunde, da dort der Arbeitgeber seinen Firmensitz vom Ort des beruflich bedingten Zweitwohnsitzes wegverlegt habe.

14Mit der dagegen am 14.12.2012 erhobenen Klage beantragen die Kläger gleichzeitig Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist.

15Sie tragen dazu vor, die den Klägern am 22.10.2012 zugegangene Einspruchsentscheidung sei per E-Mail an den Klägervertreter weitergeleitet worden. Dieser habe am 07.11.2012 auf Wunsch der Kläger, trotz Ablehnung einer Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung am 29.10.2012, die Klage gefertigt und per Post an das Finanzgericht Münster versandt. Dies sei ausreichend gewesen, da das Fristende auf den 19.11.2012 berechnet worden sei. Da entgegen der sonstigen Erfahrungen eine Eingangsbestätigung für diese Klage nicht eingegangen sei, habe das Büro des Klägervertreters auf Nachfrage beim Finanzgericht Münster am 05.12.2012 erfahren, dass ein Klageeingang nicht zu verzeichnen gewesen sei. Davon habe der Klägervertreter persönlich am 11.12.2012 nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub erfahren. Dass die Klageschrift rechtzeitig gefertigt und versandt worden sei, ergebe sich aus dem Postausgangsbuch und der eidesstattlichen Versicherung der absendenden Bearbeiterin. Auf die in Kopie vorgelegten Dokumente (Blatt 6 und 5 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

16Die Kläger beantragen,

17unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung bzgl. der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die Einkommensteuerfestsetzung 2010 gemäß Bescheid vom 23.07.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012 zu ändern und Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 9.164 Euro zu berücksichtigen,

18unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung bzgl. der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die Einkommensteuerfestsetzung 2011 gemäß Bescheid vom 05.07.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012 zu ändern und Werbungkosten wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 8.078 Euro zu berücksichtigen,

19hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

20Der Beklagte beantragt,

21die Klage abzuweisen,

22hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

23Unabhängig von der rechtzeitigen Erhebung der Klage hält er an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung fest.

24Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 18.04.2013 erörtert. Der Klägervertreter hat im Termin das Fristenkontroll- und das Postausgangsbuch im Original vorgelegt. Zu den Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll (Blatt 75/76 der Gerichtsakte) hingewiesen.

25Der Senat hat in der Sache am 27.06.2013 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

26Entscheidungsgründe

27I.

28Die Klage ist zulässig.

29Sie ist insbesondere fristgemäß erhoben, da bezüglich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

30Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) einen Monat und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Einspruchsentscheidung dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 122 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) gilt die Einspruchsentscheidung bei Übersendung mit einfachem Brief mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Danach hätte im vorliegenden Fall die Klagefrist mit Ablauf des 19.11.2012 geendet, und die am 14.12.2012 erhobene Klage ist verfristet. Jedoch sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben. Gemäß § 56 FGO kann einem Kläger, der die Klagefrist unverschuldet versäumt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses einen entsprechenden Antrag stellt, die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft macht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.

31Im vorliegenden Fall geht der Senat davon aus, dass die Klagerhebung unverschuldet nicht fristgemäß erfolgte. Denn der Klägervertreter hat im Erörterungstermin durch die Vorlage des Fristenkontrollbuchs und des Postausgangsbuchs im Original sowie durch die Schilderung des Arbeitsablaufs in seiner Kanzlei glaubhaft dargelegt, dass die maßgebliche Klageschrift bereits am 07.11.2012 gefertigt und auch tatsächlich versandt wurde. Dass die Klage das Gericht nicht erreicht hat, ist den Klägern nicht als von ihnen zu vertretender Umstand zuzurechnen. Vielmehr ist von einem Verlust der Klageschrift auf dem Postweg auszugehen. Wiedereinsetzungsantrag und Nachholung der Klageerhebung als maßgeblicher Rechtshandlung sind auch innerhalb der 14tägigen Frist nach Wegfall des Hindernisses, das ist hier das Telefonat vom 05.12.2012 mit dem Finanzgericht Münster, erfolgt.

32II.

33Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

34Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt dabei nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch „am Beschäftigungsort wohnt“. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass die letztgenannte Voraussetzung nicht nur dann erfüllt ist, wenn der Arbeitnehmer sich in der politischen Gemeinde seiner Arbeitsstätte eine Wohnung nimmt, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer in der Umgebung, d. h. im Einzugsgebiet der politischen Gemeinde wohnt (vgl. BFH, Beschluss vom 02.10.2008 VI B 33/08, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Von diesen Grundsätzen ist der BFH bereits in seinem Urteil vom 09.11.1971 (VI R 96/70, BStBl II 1972, 134) ausgegangen. In der gleichen Entscheidung hat der BFH aber auch betont, ein Wohnen am Beschäftigungsort sei nicht mehr anzunehmen, wenn bei der Wahl des Wohnortes offenbar die Lage der Familienwohnung eine maßgebende Rolle gespielt habe, so wenn sich die Zweitwohnung des Arbeitnehmers an einem Ort befinde, der näher zum Ort der Familienwohnung als zur Arbeitsstätte gelegen sei und an dem andere Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsstätte in der gleichen politischen Gemeinde hätten wie der einen doppelten Haushalt führende Arbeitnehmer, üblicherweise nicht wohnten. In einem derartigen Fall schließe § 12 Nr. 1 EStG unter Umständen eine Anerkennung von Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung aus. In seinem Urteil vom 19.04.2012 (VI R 59/11, BStBl II 2012, 833) geht der BFH davon aus, dass ein Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort jedenfalls dann wohnt, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann. Maßgeblich sei dabei, dass die fragliche Wohnung in der Weise am Beschäftigungsort, nämlich so zur Arbeitsstätte gelegen sei, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen könne. Ob dies der Fall sei, sei aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wobei insbesondere die individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte maßgeblich seien. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei zwar ein wesentliches, allerdings nicht allein entscheidungserhebliches Merkmal.

35Ausgehend von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen hat der Senat im vorliegenden Fall die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger mit der Wohnung in E    eine Wohnung am Beschäftigungsort inne hat.

36Ausgangspunkt der Überlegungen des Senats ist dabei die Tatsache, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz in B    nicht in zumutbarer Weise von seinem Familienwohnsitz in H    aus arbeitstäglich – wie dies angesichts des Vorlesungsplans des Klägers zumindest in der Vorlesungszeit erforderlich ist – erreichen kann. Denn sowohl der Weg über … als auch über … war und ist in erheblicher Weise baustellen- und staubelastet, sodass ein arbeitstägliches Pendeln mit Fahrzeiten von bis zu zwei Stunden pro Strecke nicht zumutbar und damit die Nutzung einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort angezeigt ist.

37Die vom Kläger in E    genommene Zweitwohnung ist auch als Wohnung am Beschäftigungsort anzusehen, da sie unter Zugrundelegung der Grundsätze des Urteils des BFH, vom 19.04.2012 (VI R 59/11, BStBl II 2012, 833) noch als im Einzugsbereich von B    belegen anzusehen ist. Denn die Anforderung des BFH, dass der Arbeitsplatz von der Zweitwohnung aus in zumutbarer Weise zu erreichen sein muss, erfüllt die vom Kläger in E    genommene Wohnung. Der Kläger kann nämlich von dieser Wohnung aus – vom Beklagten unbestritten – seinen Arbeitsplatz trotz der Entfernung von 83 Kilometern in unter einer Stunde Fahrzeit erreichen. Im übrigen handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine heutzutage durchaus übliche Pendelstrecke und Pendelzeit. Hinzu kommt, dass E    mit den dort ansässigen Bibliotheken, zu denen die Wohnung des Klägers ebenfalls günstig gelegen ist, einen weiteren für den Beruf des Klägers gewichtigen Standortvorteil bietet, ohne dass es nach Auffassung des Senats letztlich ausschlaggebend ist, wie häufig der Kläger diese Bibliotheken nutzt. Dass der Kläger sie tatsächlich nutzt, steht aufgrund des differenzierten Vortrags des Klägers zur Ausstattung der Bibliotheken in seinem Fachgebiet in B    und E    und zur nur geringen Digitalisierungsquote hinsichtlich der Literaturbestände seines Fachbereichs zur Überzeugung des Senats fest und wird im Übrigen vom Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen. Ein diesbezüglich gleichwertiger Standort für eine Zweitwohnung im Einzugsbereich von B    ist nicht ersichtlich.

38Bei dieser Sachlage kommt dem Umstand, dass E    auch zur Familienwohnung des Klägers günstig gelegen ist und so den familiären Kontakt unter der Woche erleichtert, kein die vorrangig berufliche Veranlassung überlagerndes Gewicht mehr zu.

39Entsprechend der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung sind der Besteuerung nunmehr 180 Tage für die Fahrten von der Zweitwohnung in E    zum Arbeitsplatz nach B    zugrunde zu legen. Zu den Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung gehören auch die Kosten für die Anmietung einer Garage am Beschäftigungsort (vgl. BFH, Urteil vom 13.11.2012 VI R 50/11, BStBl. II 2013, 286), wie sie der Kläger geltend gemacht hat.

40Die Steuerberechnung obliegt dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

41Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

42Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 155 FGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

43Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Einkommensteuer: Ehegattensplitting auch für eingetragene Lebenspartnerschaften (BVerfG)

Die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen beim Ehegattensplitting ist verfassungswidrig. Die entsprechenden Vorschriften verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, da es an hinreichend gewichtigen Sachgründen für die Ungleichbehandlung fehlt. Die Rechtslage muss rückwirkend zum 1.8.2001 geändert werden. Übergangsweise sind die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden (BVerfG, Beschluss v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06; 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07; veröffentlicht am 6.6.2013). 

  • Die §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG sind mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie eingetragenen Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens eröffnen.
  • Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft am 1.8.2001 zu beseitigen. Da er hierfür unterschiedliche Möglichkeiten hat, kommt vorliegend nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht.
  • Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, die der Gesetzgeber unverzüglich zu treffen hat, bleiben §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zur Vermeidung einer Unsicherheit über die Rechtslage anwendbar mit der Maßgabe, dass auch eingetragene Lebenspartner, deren Veranlagungen noch nicht bestandskräftig durchgeführt sind, mit Wirkung ab dem 1.8.2001 unter den für Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingverfahrens beanspruchen können.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 6.6.2013

 

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle - Pressemitteilung Nr. 41/2013 vom 6. Juni 2013
Beschluss vom 7. Mai 2013
2 BvR 909/06 2 BvR 1981/06 2 BvR 288/07

Ausschluss eingetragener Lebenspartnerschaften vom Ehegattensplitting ist verfassungswidrig


 

Die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen 
beim Ehegattensplitting ist verfassungswidrig. Die entsprechenden 
Vorschriften des Einkommensteuergesetzes verstoßen gegen den allgemeinen 
Gleichheitssatz, da es an hinreichend gewichtigen Sachgründen für die 
Ungleichbehandlung fehlt. Dies hat der Zweite Senat des 
Bundesverfassungsgerichts in einem heute veröffentlichten Beschluss 
entschieden. Die Rechtslage muss rückwirkend ab der Einführung des 
Lebenspartnerschaftsgesetzes zum 1. August 2001 geändert werden. 
Übergangsweise sind die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting 
auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden. Die Entscheidung 
ist mit 6:2 Stimmen ergangen; der Richter Landau und die Richterin 
Kessal-Wulf haben ein gemeinsames Sondervotum abgegeben. 

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde: 

1. Das Einkommensteuergesetz ermöglicht Ehegatten, die 
Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zu wählen, was zur Anwendung des 
sogenannten Splittingtarifs führt (§§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG). Die 
Beschwerdeführer beantragten nach Begründung eingetragener 
Lebenspartnerschaften für die Jahre 2001 und 2002 die 
Zusammenveranlagung mit ihren jeweiligen Lebenspartnern. Die 
Finanzverwaltung führte stattdessen Einzelveranlagungen durch. Die 
hiergegen gerichteten Klagen blieben vor den Finanzgerichten und dem 
Bundesfinanzhof erfolglos. Gegen diese Entscheidungen wenden sich die 
Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden. 

2. Die §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes sind mit Art. 
3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie eingetragenen 
Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der 
Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des 
Splittingverfahrens eröffnen. Die angegriffenen Entscheidungen hat der 
Senat aufgehoben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an den 
Bundesfinanzhof zurückverwiesen. 

a) Die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen 
Lebenspartnern in den Vorschriften zum Ehegattensplitting stellt eine am 
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messende mittelbare 
Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar. Auch wenn die 
Regelung selbst an den Familienstand anknüpft, ist doch die Entscheidung 
für eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft kaum trennbar 
mit der sexuellen Orientierung verbunden. 

Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig 
eine strenge Bindung des Gesetzgebers an die Erfordernisse des 
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Anforderungen an die Rechtfertigung 
sind umso strenger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale an die 
des Art. 3 Abs. 3 GG annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass 
die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Dies 
ist bei Differenzierungen nach der sexuellen Orientierung der Fall. 

b) Allein der besondere Schutz der Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG 
vermag die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener 
Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen. Die Wertentscheidung des 
Art. 6 Abs. 1 GG bildet einen sachlichen Differenzierungsgrund, der in 
erster Linie dazu geeignet ist, die Ehe gegenüber anderen 
Lebensgemeinschaften besser zu stellen, die durch ein geringeres Maß an 
wechselseitiger Pflichtbindung geprägt sind. Geht die Privilegierung der 
Ehe mit einer Benachteiligung anderer, in vergleichbarer Weise rechtlich 
verbindlich verfasster Lebensformen einher, rechtfertigt der bloße 
Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung indes 
nicht. 

Der Gesetzgeber hat die Lebenspartnerschaft von Anfang an in einer der 
Ehe vergleichbaren Weise als umfassende institutionalisierte 
Verantwortungsgemeinschaft verbindlich gefasst und bestehende 
Unterschiede kontinuierlich abgebaut. Wie die Ehe unterscheidet sich die 
Lebenspartnerschaft sowohl von ungebundenen Partnerbeziehungen als auch 
von den Rechtsbeziehungen zwischen Verwandten. 

c) Es bedarf daher jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG 
eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der die Begünstigung von Ehen 
gegenüber Lebenspartnerschaften gemessen am jeweiligen 
Regelungsgegenstand und -ziel rechtfertigt. Ein solcher lässt sich für 
das Splittingverfahren weder aus dem Normzweck noch aus der 
Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers im Steuerrecht herleiten. 

aa) Zweck des 1958 eingeführten Splittingverfahrens ist es, Ehen 
unabhängig von der Verteilung des Einkommens zwischen den Ehegatten bei 
gleichem Gesamteinkommen gleich zu besteuern. Das Splittingverfahren 
nimmt hierbei den zivilrechtlichen Grundgedanken der Ehe als 
Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs auf. Auch die eingetragene 
Lebenspartnerschaft ist als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs 
ausgestaltet. Bereits seit ihrer Einführung im Jahr 2001 ist sie in 
ihren für die steuerrechtliche Anknüpfung wesentlichen Grundzügen mit 
der Ehe vergleichbar: Die wechselseitige Verpflichtungsbefugnis bei 
Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs sowie die eingeschränkte 
Verfügungsberechtigung über eigenes Vermögen sind in beiden Instituten 
identisch geregelt. Zudem mussten die Lebenspartner bereits seit 2001, 
wenn sie nicht einen Lebenspartnerschaftsvertrag schließen wollten, die 
sogenannte Ausgleichsgemeinschaft vereinbaren, für die die Vorschriften 
für die eheliche Zugewinngemeinschaft entsprechend galten. Zum 1. Januar 
2005 wurde explizit die Zugewinngemeinschaft als Regelgüterstand 
eingeführt. Darüber hinaus wurde der - bei Ehescheidungen erst seit 1977 
stattfindende - Versorgungsausgleich auf die Aufhebung der 
Lebenspartnerschaft erstreckt. 

Familienpolitische Intentionen vermögen die Ungleichbehandlung von Ehen 
und eingetragenen Lebenspartnerschaften bezüglich des 
Splittingverfahrens nicht zu rechtfertigen. Nach dem 
Einkommensteuergesetz hängt die Gewährung des Splittingvorteils allein 
von der Existenz einer Ehe ab, in der die Partner nicht dauernd getrennt 
leben. Unbeachtlich ist demgegenüber das Vorhandensein von Kindern sowie 
die Möglichkeit, dass während der Ehe gemeinsame Kinder der Ehepartner 
geboren werden. 

Das Splittingverfahren erweitert den Spielraum der Ehepartner bei der 
Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe und wird deshalb auch als Regelung 
angesehen, die vor allem für Familien gedacht ist, in denen ein 
Ehepartner wegen Familienarbeit (d. h. wegen Kindererziehung oder 
Pflege) nicht oder nur teilweise erwerbstätig ist. Jedoch erkennt auch 
das Lebenspartnerschaftsgesetz - ebenso wie das Eherecht - den Partnern 
Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf ihre persönliche und wirtschaftliche 
Lebensführung zu und geht von der Gleichwertigkeit von Familienarbeit 
und Erwerbstätigkeit aus. Unterschiede zwischen der Lebenssituation von 
Ehepartnern und Lebenspartnern, die eine Ungleichbehandlung 
rechtfertigen könnten, sind insoweit nicht zu erkennen. Zum einen gibt 
es nicht in jeder Ehe Kinder und ist nicht jede Ehe auf Kinder 
ausgerichtet. Zum anderen werden zunehmend auch in Lebenspartnerschaften 
Kinder großgezogen; insoweit sind Ausgestaltungen denkbar und nicht 
völlig unüblich, in denen der eine der Lebenspartner schwerpunktmäßig 
die Betreuung der Kinder übernimmt. 

bb) Die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur Lebenspartnerschaft 
lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mit der Typisierungsbefugnis des 
Gesetzgebers im Steuerrecht begründen. 

Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich 
geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen; die tatsächlichen 
Anknüpfungspunkte müssen im Normzweck angelegt sein. Typisierung setzt 
voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur 
unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig 
kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den 
Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Der gesetzgeberische Spielraum 
für Typisierungen ist umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen 
Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind. Er endet dort, wo die 
speziellen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG betroffen 
sind. 

Der Umstand, dass eingetragene Lebenspartnerschaften und Ehen 
gleichermaßen als Gemeinschaften des Verbrauchs und Erwerbs konstituiert 
sind, geböte bei einer typisierenden Gruppenbildung eine steuerliche 
Gleichbehandlung. 

Auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Aufwachsens von Kindern 
kommt eine typisierende Begünstigung von Ehepaaren gegenüber 
eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Splittingverfahren nicht in 
Betracht. Nach Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen 
entfallen zwar 91 % des gesamten Splittingvolumens auf Ehepaare mit 
aktuell oder früher steuerlich relevanten Kindern. Da der 
Splittingvorteil umso höher ist, je größer die Einkommensunterschiede 
zwischen beiden Partnern ausfallen, werden indes eingetragene 
Lebenspartnerschaften ebenso wie Ehen insbesondere dann vom Splitting 
profitieren, wenn in ihnen Kinder aufwachsen oder aufgewachsen sind und 
deshalb einer der Partner nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig ist. 
Dass der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartnerschaften weit unter 
dem von Ehepaaren liegt, genügt für eine typisierende Beschränkung des 
Splittingverfahrens auf Ehepaare nicht. Die Benachteiligung von 
Lebenspartnerschaften beim Splittingverfahren ist ohne größere 
Schwierigkeiten für den Gesetzgeber und die Verwaltung vermeidbar. 
Auszublenden, dass auch in Lebenspartnerschaften Kinder aufwachsen, 
liefe auf eine mittelbare Diskriminierung gerade wegen der sexuellen 
Orientierung der Partner hinaus. 

3. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten 
Verfassungsverstoß rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des 
Instituts der Lebenspartnerschaft am 1. August 2001 zu beseitigen. Da er 
hierfür unterschiedliche Möglichkeiten hat, kommt vorliegend nur eine 
Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Bis zum Inkrafttreten einer 
Neuregelung, die der Gesetzgeber unverzüglich zu treffen hat, bleiben §§ 
26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zur Vermeidung einer Unsicherheit über die 
Rechtslage anwendbar mit der Maßgabe, dass auch eingetragene 
Lebenspartner, deren Veranlagungen noch nicht bestandskräftig 
durchgeführt sind, mit Wirkung ab dem 1. August 2001 unter den für 
Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung und die 
Anwendung des Splittingverfahrens beanspruchen können. 

Sondervotum des Richters Landau und der Richterin Kessal-Wulf: 

1. Der Senat verkennt, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum 
Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des 
Lebenspartnerschaftsrechts am 1. Januar 2005 nach dem ausdrücklichen 
Willen des Gesetzgebers nicht als eine der Ehe vergleichbare 
Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch ausgestaltet war. Bereits dies 
rechtfertigt die Privilegierung der Ehe in den allein 
streitgegenständlichen Veranlagungsjahren 2001 und 2002, ohne dass es 
eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 GG bedarf. 

a) Die Ehe ist von Verfassungs wegen als Gemeinschaft des Erwerbs und 
Verbrauchs konzipiert, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten 
des anderen jeweils zur Hälfte teilhat. Die §§ 26, 26b und 32a EStG 
nehmen die zivil- und sozialversicherungsrechtliche Gestaltung der Ehe 
auf und führen sie für den Bereich des Einkommensteuerrechts fort. Der 
Gesetzgeber hat das Splittingverfahren als „Reflex“ der 
Zugewinngemeinschaft angesehen. Es wahrt und stärkt - dem Schutzauftrag 
des Art. 6 Abs. 1 GG folgend - die eheliche Gemeinschaft von Erwerb und 
Verbrauch. Einem Ehepartner wird ermöglicht, ohne steuerliche Einbußen 
dauerhaft oder vorübergehend einer Beschäftigung in Teilzeit nachzugehen 
oder sich gar ausschließlich familiären Aufgaben zu stellen. 

b) Für das Kriterium der Vergleichbarkeit sind das eheliche Güterrecht 
und das Recht des Versorgungsausgleichs daher in besonderem Maße 
bedeutsam; hinzu treten flankierende Regelungen im 
Sozialversicherungsrecht, insbesondere zur Hinterbliebenenversorgung. 
Diese konstitutiven Merkmale sind jedoch erst mit Wirkung zum 1. Januar 
2005 auf die eingetragene Lebenspartnerschaft ausgedehnt worden. Die 
Übergangsvorschriften sahen keine zwingende rückwirkende Erstreckung auf 
bestehende Lebenspartnerschaften vor. 

c) Die Lebenspartnerschaften der Beschwerdeführer sind daher - 
jedenfalls in den allein streitgegenständlichen Veranlagungsjahren 2001 
und 2002 - nicht als Gemeinschaften von Erwerb und Verbrauch im Sinne 
der Splittingvorschriften anzusehen. Der Verweis des Senats auf die 
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und 
Schenkungsteuer, zur Grunderwerbsteuer und zum besoldungsrechtlichen 
Familienzuschlag ist ungeeignet, das gegenteilige Ergebnis zu begründen. 
Keine der genannten Entscheidungen stellt Grundsätze auf, die auf den 
Bereich des Einkommensteuerrechts unbesehen übertragbar sind. Durch den 
bloßen Hinweis auf diese Entscheidungen setzt sich der Senat dem Vorwurf 
einer rein schematischen Fortführung der bisherigen Rechtsprechung aus. 

Die Erstreckung des Splittingverfahrens auf eingetragene Lebenspartner 
für die Veranlagungsjahre vor 2005 läuft auf die Gewährung der 
einkommensteuerrechtlichen Vorteile einer Gemeinschaft von Erwerb und 
Verbrauch hinaus, ohne dass die hieraus spiegelbildlich erwachsenden 
Verpflichtungen zwischen den Lebenspartnern in auch nur annähernd 
vergleichbarem Umfang bestanden hätten. Auch blendet die Begründung des 
Senats aus, dass der Gesetzgeber bewusst von einer vollständigen 
Gleichstellung abgesehen und gerade die ökonomische Selbstständigkeit 
beider Partner als gesetzliches Leitbild herausgestellt hat. Somit setzt 
der Senat seine Einschätzung an die Stelle des hierzu alleine berufenen 
Gesetzgebers. 

2. Die Annahme des Senats, die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers 
rechtfertige nicht die festgestellte Ungleichbehandlung von Ehe und 
Lebenspartnerschaft, entbehrt einer tragfähigen Begründung. 

a) Der Senat räumt zwar ein, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des 
Splittingverfahrens im Jahr 1958 auch familienpolitische Zwecke verfolgt 
hat. Er zieht daraus aber nicht den gebotenen Schluss, dass auch diese 
familienpolitische Funktion grundsätzlich geeignet ist, eine 
typisierende Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu 
rechtfertigen, selbst wenn sie in vergleichbarer Weise rechtlich 
verbindlich gefasst sind. Entsprechend der sozialen Wirklichkeit konnte 
der Gesetzgeber bei der Einführung des Splittingverfahrens davon 
ausgehen, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Ehen auf die Erziehung 
von Kindern ausgerichtet war, und es - typisierend - nur vom Bestand der 
Ehe und nicht zusätzlich vom Vorhandensein von Kindern abhängig machen. 

b) Heute wachsen zunehmend auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften 
Kinder auf. Hieraus kann jedoch nicht zwingend geschlossen werden, dass 
schon in den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 der Gesamtheit der 
eingetragenen Lebenspartnerschaften das Splittingverfahren im Wege der 
Typisierung zu eröffnen gewesen wäre. Die Annahme des Senats, die 
steuerlichen Vorteile kämen auch bei Lebenspartnerschaften 
typischerweise solchen mit Kindern zugute, ist nicht belegt. 
Unbeantwortet bleibt zudem die für die Typisierung entscheidende Frage, 
wie hoch der Anteil der Lebenspartnerschaften gewesen ist, in denen 
Kinder erzogen wurden. 

Etwaigen Ungleichbehandlungen von eingetragenen Lebenspartnerschaften, 
in denen Kinder erzogen werden oder wurden, hätte auch durch eine auf 
diese beschränkte Eröffnung des Splittingverfahrens Rechnung getragen 
werden können. Ein solcher Lösungsansatz ist durch den Senat, der 
ausschließlich auf die typisierende Einbeziehung der 
Lebenspartnerschaften abstellt, jedoch nicht vertieft worden. 

3. Schließlich wäre es dem Gesetzgeber angesichts des 
familienpolitischen Normzwecks des Splittingverfahrens zuzubilligen 
gewesen, zunächst die eingetragene Lebenspartnerschaft im Hinblick auf 
ihre Vorwirkung für die Familie und Generationenfolge zu evaluieren und 
hieraus gegebenenfalls steuerliche Konsequenzen zu ziehen. Diesen 
Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers übergeht der Senat durch seine 
rückwirkende Unvereinbarkeitserklärung und verengt dessen 
Gestaltungsmöglichkeiten zusätzlich. Dabei setzt sich der Senat zudem 
über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinweg, 
wonach der Gesetzgeber einen mit dem Grundgesetz unvereinbaren 
Rechtszustand nicht rückwirkend beseitigen muss, wenn die 
Verfassungslage nicht hinreichend geklärt war.

Geduld beim Steuerbescheid

Dauer der Bearbeitungszeit ist vor allem eine Frage des Wohnortes

Bei vielen Steuerzahlern trudeln nun die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2012 ein. Wer den Abgabetermin für die Steuererklärung am 31. Mai 2013 eingehalten hat, hat vielleicht schon seinen Steuerbescheid erhalten oder wird in den nächsten Tagen Post vom Finanzamt bekommen – zumindest statistisch gesehen. Je nach Bundesland schwanken die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten für Einkommensteuererklärungen zwischen vier Wochen und drei Monaten.

In vielen Fällen dauert die Bearbeitung damit zu lange, findet der Bund der Steuerzahler. Schließlich erwarten viele Arbeitnehmer eine Steuererstattung. Rund 858 Euro gab es im letzten Jahr in Arbeitnehmerfällen zurück. Da ist es ärgerlich, wenn die Steuerzahler monatelang auf die Steuererstattung warten müssen. Wo die Steuerzahler am meisten Geduld haben müssen und wo es hingegen durchschnittlich gesehen recht flott geht, hängt im Wesentlichen vom Wohnort der Steuerzahler ab. Trotz gleicher Computerprogramme benötigen die Finanzämter für die Bearbeitung der Steuererklärungen nämlich unterschiedlich viel Zeit. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit in den Bundesländern hat der Bund der Steuerzahler untersucht.

Mehr dazu lesen Sie hier!

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.
Rückfragen an Julia Berg, Tel.-Nr: 030/25 93 96-0

Bild: Fotolia_m.schuckart

Einbringung von Grundstücken in KG als gewerblicher Grundstückshandel

 Leitsatz

1. Werden Grundstücke nicht an fremde Dritte veräußert, sondern in eine KG eingebracht, an der der Eigentümer der Grundstücke zu 100 % an Gewinn und Vermögen beteiligt ist, ist die Einbringung bei Übernahme der Verbindlichkeiten, die auf den Grundstücken lasten, einer entgeltlichen Veräußerung an einen fremden Dritten gleichzustellen, so dass bei Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Einbringung erfolgt, um zu Zwecken der Vermögensnachfolge ein Stiftung zu gründen.

 Gesetze

EStG § 15 Abs. 2

 Tatbestand

Streitig ist, ob F.X. einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben und zum 30. Dezember 2000 seinen gesamten Grundbesitz in die X GmbH & Co. KG im Rahmen dieses Grundstückshandels eingebracht hat.

1. Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin (Alleinerbin) des 2008 verstorbenen F.X. (F).

F war zu Beginn des Streitjahres mit einem Anteil von 99,75 % an der zum 1. Januar 1976 gegründeten Grundstücksgemeinschaft X GbR (GbR) beteiligt. Mitgesellschafter war zuletzt Y mit einem Anteil von 0,25 %. Zweck der Gesellschaft war nach § 2 des Gesellschaftsvertrags vom 29. März 1976 die Verwaltung, Nutzung und Verwertung von Grundstücken, wozu auch der Kauf, der Verkauf und die Bebauung von Grundstücken sowie die Abwicklung aller damit zusammenhängenden Geschäfte gehörten. Die GbR erzielte aufgrund der eigenen Aktivitäten – unstreitig – gewerbliche Einkünfte.

Daneben war F selbst Eigentümer zahlreicher Immobilien. Einige Grundstücke wurden vom ihm bebaut und anschließend – bei Wohnungen mit unbefristeten Mietverträgen –vermietet. Diese Objekte wurden wiederum gelegentlich – zumeist nach Ablauf von drei Jahren nach der Bebauung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1, 1. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG ) zum Teilwert – unentgeltlich in die GbR eingelegt und von dieser kurze Zeit später veräußert. Die GbR versteuerte dadurch lediglich die Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und dem ggfs. durch AfA geminderten Einlagewert der Grundstücke. F selbst verkaufte weder im Streitjahr noch in den Jahren davor Immobilien an Dritte. Die Betriebsprüfung der Jahre 1996 bis 1999 beurteilte die Aktivitäten des F nicht als gewerblichen Grundstückshandel. F erzielte in diesen Jahren dementsprechend Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung brachte F vor dem Jahr 2000 die folgenden von ihm zuvor bebauten und vermieteten Grundstücke in die GbR ein:

 

   Objekt    Anschaffung/   Fertigstellung   durch F    Einbringung in   GbR    Veräußerung   durch GbR
 B.,C-Str. 1 und 2  1993(Fertigstellung)  31.12.1998  21.12.2000
 B.,C-Str. 3  15.05.1995(Fertigstellung)  01.07.1998  26.11.1998
 B.,C-Str. 4  01.07.1994(Fertigstellung)  01.07.1998  28.07.1999
 B.,C-Str. 5  01.04.1996(Fertigstellung)  01.07.1998  27.04.1999
 B.,C-Str. 7  15.06.1994(Fertigstellung)  01.07.1998  19.06.2000
 B.,C-Str. 10  15.02.1994(Fertigstellung)  01.07.1998  30.07.1999
 B.,G-Str. 11  01.04.1994(Fertigstellung)  01.07.1998  19.05.2000
 B.,G-Str. 15  01.02.1994(Fertigstellung)  01.07.1998  20.06.2000
 Hotel W.;diverse Apartments  1992-1996(Anschaffung)  01.07.1997  1998
 D.,H-Str.  1996(Modernisierung)  1998  1998
 I.,K-Str. 3  1996-1997(Modernisierung)  01.07.1997  2000-2001
 I.,K-Str. 4  1996-1997(Modernisierung)  01.07.1997  1999-2002

 

2. Zum Ende des Jahres 2000 ordnete der kinderlos gebliebene und inzwischen 76 Jahre alte F seinen Grundbesitz grundlegend neu. Dabei verfolgte er nach seinen Angaben das Ziel, die Erträge aus den Immobilien nach seinem Tod einer gemeinnützigen Stiftung (der Klägerin) zugute kommen zu lassen. Er gründete zunächst am 5. Oktober 2000 die X Verwaltung GmbH (GmbH), die am 30. Oktober 2000 in das Handelsregister eingetragen wurde. Die GmbH trat am 11. Dezember 2000 in die GbR ein, aus der Y zeitgleich austrat. Im nächsten Schritt wurde die GbR ebenfalls mit Vertrag vom 11. Dezember 2000 in die X Immobilien GmbH & Co. KG (KG) umgewandelt. Gesellschafter der KG waren die GmbH als Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung und der Kommanditist F mit einer Beteiligung von 100 % (fester Kapitalanteil von 50 Mio. DM). Die KG wurde am 18. Dezember 2000 in das Handelsregister eingetragen.

Mit mehreren Verträgen vom 11. Dezember 2000 brachte F seinen gesamten Grundbesitz zum 30. Dezember 2000 in die zwischen ihm und der GmbH bestehende Gesellschaft ein. Bei den in den Anlagen näher bezeichneten Grundstücken handelt es sich um 27 Objekte in D., 14 Objekte in I, sechs Objekte in L, sechs Objekte in B., zwei Objekte in M und ein Objekt in O… Die KG wurde als neue Eigentümerin der Grundstücke in die Grundbücher eingetragen.

In der Bilanz der KG zum 31. Dezember 2000 wurde der eingebrachte Grundbesitz mit einem angenommenen Teilwert von 341.873.840 DM aktiviert. Die auf den Objekten lastenden, übernommenen Verbindlichkeiten passivierte die KG in Höhe von 207.460.000 DM. Die verbleibenden 134.414.000 DM wurden dem Privatkonto des F gutgeschrieben.

Zum 1. Juli 2001 wurde die KG in die X AG (AG) umgewandelt. F errichtete die Klägerin am 10. Dezember 2003 und übertrug ihr am 15. Dezember 2004 unentgeltlich die Aktien der AG.

3. Bei der Betriebsprüfung bei F der Jahre 2000 bis 2003 vertrat der Prüfer die Auffassung, F betreibe einen gewerblichen Grundstückshandel. Aufgrund der Veräußerungen der GbR, die bei F mitzählten, sei die Drei-Objekt-Grenze überschritten. In den Grundstückshandel seien wegen der Branchennähe des F sämtliche Grundstücke einzubeziehen, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erworben bzw. errichtet und veräußert worden sind. Als Veräußerungen des F würden auch die Einbringungen der Grundstücke in die KG gelten, da diese gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und gegen Schuldübernahme erfolgten und daher als tauschähnliche Veräußerungsvorgänge anzusehen seien. Der Grundstückshandel habe im Jahr 1993 begonnen, als F das Objekt in B., C-Str. 1 und 2 fertigstellte.

Im Einzelnen erfasste der Beklagte im Rahmen des gewerblichen Grundstückshandels von den zum 30. Dezember 2000 in die KG eingebrachten Grundstücke diejenigen, die F seit dem Beginn des von ihm angenommenen Grundstückshandels im Jahr 1993 anschaffte oder auf denen er – wie zumeist – ein Gebäude errichtete. Nach den Angaben der Klägerin wurde bisher lediglich eines dieser Grundstücke (im Jahr 2005) verkauft.

 

   Objekt    Anschaffung/   Fertigstellung   durch F    Einbringung in   KG
 L.,N-Str. 1,3,5;E-Str. 12, 14, 16  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 L.,N-Str. 2  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 L.,N-Str. 6  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 L.,N-Str. 4  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 L.,N-Str. 8  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 L.,N-Str. 10  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 D.,Q-Str. 5, 7;Ü-Str. 11, 13;Ä-Str. 12  1995(Fertigstellung)  30.12.2000
 D.,R-Str. 8, 9, 11, 12  1996(Anschaffung)  30.12.2000
 D.,T-Str. 8, 10  1993(Fertigstellung)  30.12.2000
 D.,T-Str. 14, 16  1993(Fertigstellung)  30.12.2000
 I.,P-Str. 6  1997(Fertigstellung)  30.12.2000
 M.,J-Str. 10-16  1996(Fertigstellung)  30.12.2000
 V., Ö-Str.  1996 (Fertigstellung)  30.12.2000
 V., Ö-Str.  1996 (Fertigstellung)  30.12.2000

 

Der Beklagte folgte dem Prüfer und stellte mit geändertem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer vom 2. Januar 2008 für F den verbleibenden Verlust zum 31. Dezember 2000 auf 72.752.169 DM fest.

4. Im hiergegen am 5. Februar 2008 erhobenen Einspruch berief sich F auf das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 26. April 2003 (BStBl I 2004, 462 ), nach dessen Tz. 30 ein gewerblicher Grundstückshandel ausnahmsweise dann nicht anzunehmen sei, wenn aufgrund besonderer Umstände eindeutige Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprächen. Solche Umstände seien im Streitfall gegeben. Er habe seinen Immobilienbesitz in einer gewerblich tätigen Gesellschaft zusammengefasst, um Risiken bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Stiftung (der Klägerin) auszuschließen. Eine gemeinnützige Stiftung könne nicht an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt sein. Daher sei die KG in eine AG umgewandelt worden. Er habe sodann sämtliche Anteile an der AG an die Stiftung verschenkt. Es sei fraglich, ob Gewerblichkeit bei einer Schenkung an eine Stiftung überhaupt vorliegen könne. Gegen eine Veräußerungsabsicht spreche auch, dass er die Wohnungen langfristig vermietet hatte.

Während des Einspruchsverfahrens einigten sich die Beteiligten auf die Teilwerte, mit denen die Grundstücke zum 31. Dezember 2000 bei der KG anzusetzen sind. Die KG verfolgte mit der Erhöhung der Teilwerte das Ziel, die AfA-Bemessungsgrundlage für die eingebrachten Grundstücke zu erhöhen. Die Gewinnfeststellungsbescheide gegenüber der KG wurden mit diesen Werten bestandskräftig. Der Beklagte stellte mit geändertem Verlustfeststellungsbescheid vom 29. Juni 2011 für F einen Verlust von nunmehr 35.747.507 DM fest.

5. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2011 als unbegründet zurück.

Er ist der Auffassung, die Einbringungen der Grundstücke in die KG durch F stünden voll entgeltlichen Veräußerungen gleich, da dem bilanzierten Wert der Grundstücke übernommene Bankdarlehen in Höhe von 207.460.000 DM sowie ein Darlehen gegenüber F von 134.414.000 DM gegenüber stünden. Durch die Einbringung des Grundbesitzes in die KG sei die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel überschritten worden. Für die Ermittlung der Zählobjekte seien die von der GbR veräußerten Grundstücke zu berücksichtigen, so dass F innerhalb des Fünfjahreszeitraums weit mehr als drei Veräußerungen zuzurechnen seien. Aufgrund der Branchennähe des F seien weitere Objekte bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen. Die indizielle Bedeutung der Drei-Objekt-Grenze für das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels sei im Streitfall nicht durch besondere Umstände widerlegt. F habe die Wohnungen nicht langfristig vermietet, sondern die Mietverträge seien auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Mietverträge auf unbestimmte Zeit seien nicht mit befristeten Mietverträgen vergleichbar

6. Mit der am 8. August 2011 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels.

Die Einbeziehung der Grundstücksgeschäfte der GbR sei nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst gleichartige wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet hätte. Das sei hier jedoch nicht der Fall. F habe selbst keine Grundstücke an Dritte veräußert. Auch einem gewerblichen Grundstückshändler sei ein Privatbereich zuzugestehen, in dem er Grundstücke besitzen könne.

Die Einbringung seines Grundbesitzes in die KG im Jahr 2000 sei nicht als Veräußerung im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels zu werten. F sei – nach Auffassung des Beklagten – bis zum 29. Dezember 2000 vermögensverwaltender Privatmann gewesen. Er könne daher nicht am 30. Dezember 2000 durch die Einbringung seines Grundbesitzes in die KG einen gewerblichen Grundstückshandel zugleich begründet und wieder beendet haben. Diese Auffassung verstoße gegen die Grundsätze der Logik. Vielmehr handele es sich bei der Einbringung um den letzten Akt einer privaten Vermögensverwaltung. Es schließe sich logisch aus, dass auf der einen Seite Veräußerungen einer Personengesellschaft dem Gesellschafter zugerechnet würden, auf der anderen Seite bereits die Einbringung in eine Personengesellschaft als Veräußerung gewertet werde. Die Übertragung der Grundstücke auf die KG könne jedenfalls nicht als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr angesehen werden, da F die Grundstücke nicht selbst am Markt einer unbegrenzten Zahl von Personen angeboten, sondern lediglich privates Vermögen im Hinblick auf eine Nachfolgeplanung umgewandelt habe, an deren Ende eine gemeinnützige Stiftung stehen sollte. Die Übertragung des Grundbesitzes auf die KG sei Teil eines dem Beklagten bekannten Gesamtplans gewesen, um die Vermögensverhältnisse neu zu ordnen. Eine Vermarktung des Vermögens sei nicht beabsichtigt gewesen. F sei schließlich nicht nachhaltig tätig geworden. Eine Wiederholungsabsicht habe nicht bestanden.

Die Grundstückseinbringungen des F in die GbR in den Jahren 1997 und 1998 könnten ebenfalls nicht zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels herangezogen werden, da die GbR steuerrechtlich von den Gesellschaftern nicht zu trennen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Verkäufe einer GbR dem Gesellschafter zuzurechnen seien, wenn gleichzeitig der Gesellschafter durch die Übertragung der Grundstücke an die GbR eine Veräußerung tätige. Für den umgekehrten Fall der Realteilung einer Personengesellschaft habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Übertragung von Grundbesitz zum Alleineigentum eines Gesellschafters bei der Prüfung der Drei-Objekt-Grenze nicht einzubeziehen sei. Ein Anschaffungsvorgang bei der GbR könne nur angenommen werden, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse änderten. Dies sei im Streitfall aber nicht geschehen, da der Anteil des F an der GbR ohnehin fast 100 % betrug. Auch für das Jahr 2000 gelte schließlich, was in der vorangegangenen Betriebsprüfung festgestellt worden sei, F sei kein gewerblicher Grundstückshändler.

Als Indiz gegen eine Veräußerungsabsicht spreche jedenfalls, dass F die errichteten Wohnungen langfristig vermietet habe. Die Mieter hätten in den Wohnungen bleiben können, solange sie wollten.

Selbst wenn man annehmen würde, dass es sich bei der Übertragung des Grundbesitzes um das Ende eines gewerblichen Grundstückshandels handelte, sei der Gewinn als Betriebsaufgabegewinn gewerbesteuerfrei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000 vom 29. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2011, geändert mit Bescheid vom 6. August 2012, dahingehend abzuändern, dass ein Verlust in Höhe von 86.264.730 DM festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2011 und führt ergänzend aus, dass die GbR seit Jahren aufgrund der von ihr vollzogenen Grundstücksgeschäfte gewerbliche Einkünfte erzielt habe und allein deshalb eine gewerbliche Betätigung der Grundstücksgeschäfte des F indiziert werde. Bei der hier durchgeführten Form der Einbringung in die KG liege eine Veräußerung vor, die F zuzurechnen sei. Die KG besitze steuerrechtlich eine eigene Rechtspersönlichkeit. Als Gegenleistung für die Grundstücke habe F wirtschaftlich mit den Grundstücken im Zusammenhang stehende Darlehen auf die KG übertragen und die KG ihm eine Darlehensforderung gewährt. Die Übertragung der Grundstücke auf die KG sei der letzte Akt eines bereits im Jahr 1993 begonnenen gewerblichen Grundstückshandels.

F habe mit der Einbringung auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, da hierfür Geschäftsbeziehungen zu einem einzigen Vertragspartner ausreichten. Er habe auch nachhaltig gehandelt, denn bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit seien auch die Grundstücksgeschäfte der GbR mit einzubeziehen.

Die Vermietung der Wohnungen könne nicht als Indiz gegen eine Veräußerungsabsicht herangezogen werden. Die Mietverträge seien auf unbestimmte Zeit und nicht langfristig, d.h. nicht mit einer festen Mietdauer abgeschlossen worden. Die tatsächliche Dauer der Vermietung sei unerheblich.

Der Gewinn aus der Einbringung der Grundstücke sei schließlich laufender gewerbesteuerpflichtiger Gewinn, da der gewerbliche Grundstückshandel bereits im Jahr 1993 begründet worden sei und die später eingebrachten Grundstücke seit diesem Zeitpunkt dem Umlaufvermögen zuzuordnen seien.

Der Beklagte hat den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2000 am 6. August 2012 aus hier nicht streitigen Gründen erneut geändert.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000 vom 29. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2011, geändert mit Bescheid vom 6. August 2012, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). F hat die Grundstücke am 30. Dezember 2000 im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels in die KG eingebracht.

1. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist. Außerdem müssen durch die Tätigkeit die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten werden. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Eine private Vermögensverwaltung wird ausgeübt, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtungen nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann dagegen im Regelfall ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf, d.h. etwa fünf Jahren, mindestens vier Objekte veräußert werden, weil die äußeren Umstände dann den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2009 III R 101/06 , BFHE 228, 65 , BStBl II 2010, 541, m.w.N.).

Bei der Prüfung der Drei-Objekt-Grenze sind zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels Grundstücksverkäufe einer GbR einem Gesellschafter, der auch eigene Grundstücke veräußert, in der Weise zuzurechnen, dass unter Einbeziehung dieser Veräußerungen ein gewerblicher Grundstückshandel des Gesellschafters besteht (BFH-Entscheidungen vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86 , BStBl II 1995, 617 ; vom 10. April 2003 X B 109/02, BFH/NV 2003, 1082 ; vom 28. November 2002 III R 1/01, BFHE 201, 133 , BStBl II 2003, 250 ; vom 22. August 2012 X R 24/11, BFHE 238, 180 , BStBl II 2012, 865 ).

2. Nach diesen Maßstäben hat F im Streitjahr einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben und im Rahmen dieses Grundstückshandels die Grundstücke am 30. Dezember 2000 in die KG eingebracht.

a) F hat sowohl durch die Zurechnung der Grundstücksveräußerungen der GbR als auch durch eigene Einbringungen vom 30. Dezember 2000 die Drei-Objekt-Grenze überschritten.

aa) F sind zunächst die Grundstücksveräußerungen der GbR zuzurechnen, die seit ihrer Gründung im Jahr 1976 bis zur Umwandlung in die KG im Jahr 2000 – unstreitig – einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat.

bb) Darüber hinaus stehen die Grundstückseinbringungen in die KG zum 30. Dezember 2000 entgeltlichen Veräußerungen gleich.

Die Einbringung von Wirtschaftsgütern aus dem Vermögen eines Gesellschafters in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und ggf. einer weiteren Gegenleistung ist als tauschähnlicher Vorgang anzusehen, der beim einbringenden Gesellschafter zu einer entgeltlichen Veräußerung führt. Denn jeder offenen Sacheinlage liegt eine Vereinbarung des Gegenstands der Sacheinlage und der Höhe der in Geld ausgedrückten Einlageschuld zugrunde, auf die der Gesellschafter die Sacheinlage leistet, die die Gesellschaft mit dem angemessenen Wert gegen ihre Einlageforderung verrechnet. Dies verdeutlicht, dass die Einbringung ihrem rechtlichen und sachlichen Charakter nach auf eine Veräußerung gegen ein dem Verkehrswert des Grundstücks entsprechendes Entgelt und insofern auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gerichtet ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 1976 I R 17/74 , BFHE 119, 285 , BStBl II 1976, 748 ; vom 29. Oktober 1987 IV R 93/85, BFHE 151, 181 , BStBl II 1988, 374 ; vom 19. Oktober 1998 VIII R 69/95, BFHE 187, 434 , BStBl II 2000, 230 ; vom 11. Dezember 2001 VIII R 58/98, BFHE 197, 411 , BStBl II 2002, 420 ).

Die Gegenleistung für die Einbringung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebs- oder Privatvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen einer gewerblichen Personengesellschaft kann in der (erstmaligen) Gewährung von Gesellschaftsrechten, aber auch in Barentgelt, in der Übernahme von Verbindlichkeiten des Gesellschafters durch die Gesellschaft oder in der Gewährung eines Darlehensanspruch gegen die Gesellschaft liegen (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 IV R 37/06 , BFHE 220, 374 , BStBl II 2011, 617 ). Die im Zuge der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter von der aufnehmenden Personengesellschaft übernommenen Verbindlichkeiten des übertragenden Gesellschafters führen auch dann zu einer (gewinnwirksamen) Gegenleistung beim einbringenden Gesellschafter, wenn die übernommenen Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den eingebrachten aktiven Einzelwirtschaftsgütern stehen (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 58/98 , BFHE 197, 411 , BStBl II 2002, 420 ).

Der Behandlung der Sacheinlage als tauschähnlichen Vorgang steht nicht entgegen, dass der Gesellschafter bereits vor der Einbringung zu 100 % an Gewinn und Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist. Auch in diesem Fall wird durch den Beschluss über die Erhöhung des Kapitals und die Übernahme der erhöhten Beteiligung durch den Gesellschafter eine Einlageforderung der Gesellschaft begründet, die die Gesellschaft gegen den einzubringenden Sachgegenstand hingibt (BFH-Urteil vom 17. Juli 2008 I R 77/06 , BFHE 222, 402 , BStBl II 2009, 464, unter B.II.2.b; BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 , BStBl I 2011, 713, unter II.2.c).

Die Beurteilung von Einbringungen gegen Gesellschaftsrechte und ggf. einer weiteren Gegenleistung als tauschähnlichen Vorgang führt auch beim gewerblichen Grundstückshandel zu einer Gleichstellung mit Veräußerungen mit der Folge, dass diese als gewerblich zu qualifizieren sind (ebenso: Schmidt/Wacker, EStG , 31. Aufl. 2012, § 15 Rn. 56; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 1131; Bordewin/Brandt, § 15 EStG , Rn. 93f; Markl/Zeidler in Lademann, EStG , § 15 Rn. 110; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG , § 2 Rn. 1332; Finanzgericht – FG – Hamburg, Urteil vom 27. Mai 2009 2 K 158/08, EFG 2009, 1934 , rechtskräftig; BFH-Urteil vom 19. September 2002 X R 51/98 , BFHE 201, 19 , BStBl II 2003, 394, obiter dictum zur Einbringung in eine Personengesellschaft; BMF-Schreiben vom 26. März 2004 , BStBl I 2004, 434, Tz. 7; vgl. auch BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 15/00 , BFH/NV 2005, 1033 , zum umgekehrten Fall der Veräußerung eines Grundstücks an einen Gesellschafter; BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 IV R 74/95 , BFHE 181, 19 , BStBl II 1996, 599, zur Realteilung, wo offengelassen wird, ob Grundstücksgeschäfte einer Mitunternehmerschaft mit ihren Mitunternehmern überhaupt als Vorgänge anzusehen sind, die auf die Drei-Objekt-Grenze Anrechnung finden; ablehnend: FG Münster, Beschluss vom 10. Dezember 2001 1 V 3502/01 , EFG 2002, 324 , unter II.2.c; Prinz, Deutsches Steuerrecht – DStR – 1996, 1145, 1151, unter 4.5.). Denn auch in diesem Fall wird beim Gesellschafter Vermögen durch Ausnutzung substantieller Vermögenswerte umgeschichtet.

Im Streitfall hat F die Grundstücke im Wege eines tauschähnlichen Vorgangs und damit entgeltlich in die KG eingebracht. Der von F eingebrachte Grundbesitz wurde von der KG zum Teilwert von 341.874.000 DM aktiviert. Als Gegenleistung übernahm die KG Bankverbindlichkeiten des F in Höhe von 207.460.000 DM und wies den Differenzbetrag von 134.414.000 DM auf dessen Privatkonto (Darlehenskonto) aus.

cc) Gegenüber diesem Ergebnis greifen die Einwendungen der Klägerin nicht durch.

Der Einwand, F habe in eigener Person kein einziges Objekt veräußert, trifft nicht zu, da er die – als Veräußerungen anzusehenden – Einbringungen in eigener Person getätigt hat. Im Übrigen wäre dieser Einwand selbst dann unbeachtlich, wenn F in eigener Person tatsächlich kein Grundstück veräußert hätte. Auch wenn ein Steuerpflichtiger in eigener Person kein einziges Objekt veräußert, kann er allein durch die Zurechnung der Grundstücksverkäufe von Personengesellschaften oder Gemeinschaften einen gewerblichen Grundstückshandel betreiben (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 24/11 , BFHE 238, 180 , BStBl II 2012, 865 ).

Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, die Einbringung aller Objekte könne nicht zugleich Beginn als auch Ende des gewerblichen Grundstückshandels sein. Bereits die Grundstücksveräußerungen durch die GbR waren F zuzurechnen, so dass während der Gewerblichkeit der GbR das Damoklesschwert des gewerblichen Grundstückshandels über ihm bzw. seinem Grundbesitz schwebte (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 24/11 , BFHE 238, 180 , BStBl II 2012, 865, unter II.3.b). Durch die Einbringungen zum 30. Dezember 2000 hat F vielmehr seinen gewerblichen Grundstückshandel beendet.

Dem Steuerpflichtigen wird auch grundsätzlich nicht die Möglichkeit genommen, zwischen einer privaten und einer betrieblichen Vermögenssphäre zu trennen. Die Trennung der Vermögenssphären wird nur und erst dann aufgehoben, wenn die Vermutungswirkung der Drei-Objekt-Grenze zum Tragen kommt. Es ist lediglich nicht möglich, neben einem bestehenden Grundstückshandel weitere Objekte – ohne Einbeziehung in den Grundstückshandel – im Privatvermögen in engem zeitlichen Zusammenhang zum jeweiligen Erwerb ohne Auslösung einer Einkommensteuerbelastung zu veräußern (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 24/11 , BFHE 238, 180 , BStBl II 2012, 865, unter II.3.b). Dementsprechend hat der Beklagte auch nur diejenigen Einbringungen vom 30. Dezember 2000 beim gewerblichen Grundstückshandel erfasst, bei denen zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung durch F und Veräußerung durch die GbR ein Zeitraum von zehn Jahren nicht überschritten wurde.

dd) Ob auch die Einbringungen des F in die GbR in den Jahren vor 2000 als Veräußerungen zu werten ist, kann dahinstehen, da es zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels auf diese Einbringungen nicht ankommt und ein dabei etwaig angefallener Veräußerungsgewinn nicht im Streitjahr zu erfassen wäre. Es ist wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung auch unerheblich, dass die vorangegangene Betriebsprüfung der Jahre 1996 bis 1999 die Aktivitäten des F nicht als gewerblich einstufte (BFH-Urteil vom 20. November 2012 IX R 7/11 , BFHE 239, 302 , DStR 2013, 525, unter II.4.a).

b) Der Beklagte hat zu Recht in den gewerblichen Grundstückshandel aufgrund der Branchennähe des F auch Grundstücke mit einbezogen, die zwar außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums, jedoch innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb bzw. der Bebauung in die KG eingebracht worden sind.

Zur Veräußerung im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels sind die Objekte bestimmt, auf die sich die Veräußerungsabsicht des Steuerpflichtigen bezieht. Steht diese nicht fest, so sind das die Objekte, die aufgrund des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen ihrer Anschaffung bzw. Errichtung und ihrer Veräußerung die Veräußerungsabsicht indizieren. Dabei können auch die erst nach Ablauf von fünf, aber innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb oder Errichtung veräußerten Immobilien in den gewerblichen Grundstückshandel mit einzubeziehen sein. Der Fünf-Jahres-Zeitraum hat nur indizielle Bedeutung. Bei Hinzutreten besonderer Umstände verlängert sich der Fünf-Jahres-Zeitraum, so beispielsweise bei einer nur geringfügigen zeitlichen Überschreitung, einer größeren Anzahl von Objekten, der Ausübung eines branchennahen Hauptberufs oder kontinuierlich fortlaufenden Grundstücksankäufen und Grundstücksverkäufen (BFH-Urteil vom 5. Mai 2004 XI R 7/02 , BFHE 206, 141 , BStBl II 2004, 738, m.w.N.).

Im Streitfall besteht jedenfalls eine Branchennähe des F, da er über Jahre hinweg eigene Grundstücke erworben, bebaut und die GbR eingebracht hat. Zudem hatte er in der GbR, die selbst gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, eine beherrschende Mitunternehmerstellung inne.

c) Anhaltspunkte für besondere Umstände, die trotz der – für einen gewerblichen Grundstückshandel sprechenden – Veräußerung von mehr als drei Objekten im Streitfall zweifelsfrei gegen eine im Zeitpunkt des Immobilienerwerbs vorliegende, ggf. bedingte Veräußerungsabsicht hinsichtlich der einzelnen Objekte sprechen könnten (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240 , BStBl II 2002, 291, unter C.III.5.), sind im Streitfall nicht gegeben.

Ein solcher Umstand besteht insbesondere nicht in der Vermietung der Wohnungen durch F. Im Streitfall wurden Mietverträge von unbestimmter Dauer abgeschlossen, die damit innerhalb der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Fristen kündbar waren.

Nicht entscheidend ist, dass tatsächlich das Mietverhältnis über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren bestanden hat. Denn maßgeblich für die gegen eine bedingte Veräußerungsabsicht sprechende Indizwirkung eines Pacht- oder Mietvertrags über eine von vornherein vereinbarte Laufzeit von mehr als fünf Jahren ist der Gesichtspunkt, dass die Immobilie hierdurch nur eingeschränkt durch Veräußerung verwertbar ist (BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2008 X B 118/08 , BFH/NV 2009, 152 , unter II.1.b). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob F selbst berechtigt gewesen wäre, die Mietverträge zu kündigen. Die Verkehrsfähigkeit einer Wohnung bestimmt sich hauptsächlich danach, ob der Erwerber alsbald nach dem Kauf der Wohnung diese z.B. nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs zu eigenen Wohnzwecken nutzen kann. Die langfristige Vermietung von Gewerbeobjekten würde der Annahme einer bedingten Veräußerungsabsicht dagegen von vornherein nicht entgegenstehen, da hier die Vermietung das Objekt für Kapitalanleger interessant macht und damit eher verkaufsfördernd wirkt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Januar 2004 IX R 88/00, BFH/NV 2004, 1089 ; vom 13. November 2006 IV B 47/06, BFH/NV 2007, 234 ).

d) Die Einbringung der Grundstücke zum 30. Dezember 2000 stellt sich auch als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar.

Das Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert eine Tätigkeit, die gegen Entgelt am Markt erbracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 83/96 , BFHE 188, 101 , BStBl II 1999, 534 ). Nicht erforderlich ist, dass die Tätigkeit für das allgemeine Publikum erkennbar ist; es genügt bereits die Erkennbarkeit für die beteiligten Kreise, ohne dass die Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten angeboten werden müssen. Dementsprechend genügen als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr Geschäftsbeziehungen zu einem einzigen Vertragspartner (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1977 I R 110/76 , BFHE 123, 507 , BStBl II 1978, 137 ; vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245 , BStBl II 1986, 851 ; vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332 , BStBl II 1989, 24 ), und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige vertraglich an der Begründung von Geschäftsbeziehungen zu weiteren Personen gehindert ist (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 16/99 , BFHE 191, 45 , BStBl II 2000, 404 ).

Folglich sind an die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr keine strengen Maßstäbe anzulegen. Entscheidend ist, ob die zu beurteilende Tätigkeit nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 16/99 , BFHE 191, 45 , BStBl II 2000, 404 ). Das Merkmal dient dazu, solche Betätigungen aus dem unternehmerischen Bereich auszugrenzen, die zwar von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen, aber nicht auf einen Güter- und Leistungsaustausch gerichtet sind (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 83/96 , BFHE 188, 101 , BStBl II 1999, 534 ; vom 24. Januar 1990 X R 44/88, BFH/NV 1990, 798 ). Demnach sind einem gewerblichen Grundstückshandel auch solche Verkäufe zuzurechnen, die von vornherein aus der Sicht des Handelnden nur mit einem bestimmten Erwerber abgewickelt werden sollen (BFH-Urteile vom 31. Januar 1980 IV R 13/76 , BFHE 130, 34 , BStBl II 1980, 318 ; vom 28. Oktober 1993 IV R 66-67/91, BFHE 173, 313 , BStBl II 1994, 463 ).

Im Streitfall hat F danach durch die Einbringungen in die KG am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen (ebenso: FG Hamburg, Urteil vom 27. Mai 2009 2 K 158/08 , EFG 2009, 1934 ; Schmidt/Wacker, EStG , 31. Aufl. 2012, § 15 Rn. 20; BFH-Urteil vom 19. September 2002 X R 51/98 , BFHE 201, 19 , BStBl II 2003, 394, zur Einbringung in eine Kapitalgesellschaft; ablehnend: Reiß in Kirchhof, EStG , 11. Aufl. 2012, § 15 Rn. 123; Kauffmann in Frotscher, EStG , § 15 Rn. 82b, 85; Carlé/T. Carlé in Korn, § 15 EStG Rn. 353; Olbrich, Der Betrieb 1996, 2049, 2051, unter III.; Carlé, Deutsche Steuerzeitung 2003, 483, 488, unter III.3.). Es kommt nicht darauf an, dass die Tätigkeit gegenüber Dritten äußerlich in dem Sinne erkennbar ist, dass eine Veräußerungsabsicht öffentlich kundgetan wird. Dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht es auch, dass der Anbieter gezielt ein Geschäft nur mit einem einzigen Abnehmer schließen will, sei es aufgrund vertraglicher Bindungen oder sonstiger Interessen. Die Marktteilnahme ist vorliegend auch auf einen Güter- und Leistungsaustausch gerichtet, denn zivilrechtlich wurden die Grundstücke auf die Gesamthand der KG übertragen. An diesen zivilrechtlichen Güter- und Leistungsaustausch muss sich die Klägerin auch steuerrechtlich festhalten lassen. Dem Wert der Grundstücke als Gegenstand der Sacheinlage steht die in Geld ausgedrückte Einlageschuld gegenüber und bezeichnet damit den Marktwert. Aus diesem Grund vermag sich der Senat auch nicht der Meinung der Klägerin anzuschließen, ein gewerblicher Grundstückshandel scheide aus, weil der Grundbesitz letztlich unentgeltlich auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen worden sei, denn dabei lässt die Klägerin den von F tatsächlich verwirklichten Lebenssachverhalt (entgeltliche Einbringung in die KG) außer Acht.

e) F ist auch nachhaltig tätig geworden.

Nachhaltigkeit erfordert eine Tätigkeit, die von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und die objektiv erkennbar auf Wiederholung angelegt ist. Im Gegensatz hierzu steht eine einmalige, ohne die Absicht der Wiederholung vorgenommene Handlung (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1971 I R 49/70 , BFHE 104, 178 , BStBl II 1972, 291 ; vom 22. April 1998 X R 17/96, BFH/NV 1998, 1467 ).

Im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters sind alle ihm zuzurechnenden Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels in eine Gesamtwürdigung am Maßstab des § 15 Abs. 1 EStG einzubeziehen. Wirtschaftliche Aktivitäten, die der Steuerpflichtige in seiner Person tätigt, die aber als solche die im Steuertatbestand vorausgesetzte Nachhaltigkeit nicht erreichen, können in einer Gesamtschau mit einer mitunternehmerischen Betätigung als gewerblich bewertet werden. In gleicher Weise können solche gemeinschaftlich verwirklichten Aktivitäten, die auf der Ebene der Gesellschaft/Gemeinschaft (noch) nicht gewerblicher Art sind, und hiermit sachlich zusammenhängende Tätigkeiten des Steuerpflichtigen selbst – auch solche im Rahmen einer anderen vermögensverwaltenden Gesellschaft – in seiner Person insgesamt als gewerblich eingestuft werden (BFH-Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86 , BStBl II 1995, 617, unter C.IV.3.a).

Im Streitfall handelte F aufgrund der Grundstücksveräußerungen der GbR, die ihm zuzurechnen sind, nachhaltig.

3. Gegen die Höhe des vom Beklagten angesetzten Veräußerungsgewinns bestehen keine Bedenken. Die Beteiligten haben sich anlässlich der Betriebsprüfung während des Einspruchsverfahrens auf die Teilwerte geeinigt, zu denen die Grundstücke bei der KG angesetzt wurden. Die Gewinnfeststellungsbescheide gegenüber der KG wurden bestandskräftig. Aus den angesetzten Teilwerten hat der Beklagte den Veräußerungsgewinn berechnet. Die Klägerin hat insoweit keine Einwendungen vorgebracht.

4. Der Veräußerungsgewinn stellt keinen – gewerbesteuerfreien – Aufgabegewinn dar. Veräußert ein gewerblicher Grundstückshändler seinen gesamten Grundstücksbestand (Umlaufvermögen) an einen oder zwei Erwerber, ist ein laufender Gewinn – kein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn – gegeben. Ein solcher Gewinn ist weder einkommensteuerrechtlich nach den §§ 16 , 34 EStG begünstigt noch gewerbesteuerrechtlich von der Gewerbeertragsteuer freigestellt (BFH-Urteil vom 25. Januar 1995 X R 76-77/92, BFHE 176, 426 , BStBl II 1995, 388, m.w.N.). Für die – im Streitfall als Veräußerung zu wertende – Einbringung des Grundbesitzes in die KG kann nichts anderes gelten.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

6. Die Revision war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO . Bei den bisher vom BFH entschiedenen Streitfällen veräußerten die Gesellschafter, denen Grundstücksveräußerungen der Personengesellschaft als Zählobjekte zugerechnet wurden, Grundstücke aus ihrem Privatvermögen an Dritte. Der Streitfall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass der Gesellschafter F seine Grundstücke nicht an fremde Dritte veräußert, sondern in eine ihm zu 100 % gehörende KG eingebracht hat. Es ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels einer entgeltlichen Veräußerung an einen fremden Dritten gleichzustellen ist und ob diese Einbringung das Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt.

 

Nahe stehende Personen” i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. a EStG

 Leitsatz

1. Sind Schuldner und Gläubiger von Kapitalerträgen Geschwister, ist nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 a EStG auf die erzielten Zinsen nicht der Abgeltungssteuersatz von 25 %, sondern der progressive Steuersatz anzuwenden. Aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise ist unerheblich ist, ob die Geschwister sich tatsächlich nahe stehen.

2. § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG ist verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur die Fälle eines potentiellen Gesamtbelastungsvorteils erfasst werden.

 Gesetze

EStG § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1a
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
AStG § 1 Abs. 2
AO § 15
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6
GG Art. 2

 Tatbestand

Streitig ist, ob Zinsen aus der Stundung eines Kaufpreises zwischen Geschwistern dem linearen Abgeltungssteuersatz von 25 % unterliegen oder nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG ) in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912 ) mit dem progressiven, tariflichen Steuersatz zu besteuern sind.

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Die Klägerin war zusammen mit ihrem Vater A.X. und ihrem Bruder C.X. als Kommanditistin an der X GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Daneben hielt sie – ebenfalls zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder – eine Beteiligung an der X Verwaltungs-GmbH (Komplementärin der KG) sowie an der grundbesitzenden XY GbR (GbR). Der Grundbesitz der GbR war an die KG verpachtet.

Mit Anteilsübertragungsvertrag vom 29. Mai 2008 zwischen der Klägerin, A. und C.X. veräußerte sie – ebenso wie ihr Vater A.X. – mit Wirkung zum 1. Juni 2008 diese Beteiligungen an ihren Bruder C.X..

Der Kaufpreis betrug für die KG-Beteiligung 180.000 EUR und für die GbR-Beteiligung 460.000 EUR. Er war in drei gleichen Raten zum 15. Januar 2009, zum 31. Dezember 2009 und zum 31. Dezember 2010 zu zahlen. Das Auseinandersetzungsguthaben war vom Tage des Ausscheidens an mit dem Zinssatz für Kontokorrentkredite der Hausbank zu verzinsen (Nr. III § 3 Abs. 3 und Nr. IV § 3 Abs. 3 des Anteilsübertragungsvertrags). Diese Regelungen beruhen auf § 15 des Gesellschaftsvertrags über die Errichtung der KG vom 7. September 1989 und dem Gesellschaftsvertrag der GbR vom 21. Dezember 1998 (Verweis auf den Gesellschaftsvertrag der KG in § 12).

Der Erwerber C.X. leistete an die Klägerin vereinbarungsgemäß im Streitjahr die erste und zweite Rate zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 39.704 EUR.

Die Klägerin erklärte in der Einkommensteuererklärung 2009 vom 19. Mai 2010 die Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem Abgeltungssteuersatz von 25 % unterfallen.

Der Beklagte unterwarf die Zinsen im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Oktober 2010 dagegen dem – höheren – tariflichen Steuersatz, weil C.X. eine nahe stehende Person der Klägerin sei (Hinweis auf § 15 der Abgabenordnung – AO – ) und die Zinsen bei ihm als Betriebsausgaben abzugsfähig seien.

Den dagegen am 18. Oktober 2010 (Eingang beim Beklagten) erhobenen Einspruch begründeten die Kläger damit, dass zur Bestimmung der nahe stehenden Person nicht auf die Definition der Angehörigen in § 15 AO zurückgegriffen werden dürfe. Erforderlich sei nach dem zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ergangenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 136) vielmehr, dass die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande sei, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahe stehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben, oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen habe. Das sei zwischen der Klägerin und C.X. nicht der Fall gewesen. Die Anteilsübertragung habe ihren Grund in der Entfremdung der Parteien. Die Klägerin und C.X. hätten seit dem Tag der Anteilsübertragung außer über ihre Anwälte keinen Kontakt mehr miteinander gehabt.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 als unbegründet zurück. Nach dem BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 136) sei typisierend davon auszugehen, dass Angehörige i.S. des § 15 AO einander nahe stehende Personen seien. Der Gesetzgeber bediene sich hier zur Entlastung der Steuerverwaltung einer Typsierung, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Mit der dagegen am 31. August 2011 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Die Klägerin sei keine ihrem Bruder nahe stehende Person i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG . Das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94 ) sei als Verwaltungsvorschrift nicht geeignet, Angehörige i.S. des § 15 AO ohne weitere Voraussetzungen in den Kreis der nahe stehenden Personen einzubeziehen. Die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG sei als Missbrauchsbekämpfungsnorm konzipiert. Sie müsse daher im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend eingeschränkt werden, dass ein Gesamtbelastungsvorteil und eine Einkünfteverlagerung festgestellt werden müsse, damit eine nahe stehende Person angenommen werden könne. Die Anwendung des Abgeltungssteuersatzes dürfe nur dann ausscheiden, wenn die dem Gläubiger nahe stehende Person das ihr überlassene Kapital zur Finanzierung progressiv besteuerter Tätigkeiten einsetze. Eine solche Situation liege im Streitfall nicht vor. C.X. könne als Privatmann die gezahlten Zinsen steuerlich nicht abziehen.

Die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion folge auch aus § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG ) 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, 1768 ), die ab dem Veranlagungszeitraum 2011 gelte. Darin habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift nunmehr eingeschränkt, indem die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sein müssen, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG keine Anwendung findet. Diese Einschränkung sei auch vorliegend zu berücksichtigen, da der Gesetzgeber nicht gewollt habe, die Vorschrift im Streitjahr anders auszulegen als nach dem JStG 2010 . Der Beklagte habe nicht begründet und nachgewiesen, dass der Schuldner C.X. die Kapitalerträge als privatwirtschaftlicher Erwerber der Gesellschaftsanteile als Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit seinen Einkünften, die der inländischen Besteuerung unterliegen, berücksichtigen könne.

Im Übrigen verstoße die Anwendung des tariflichen Einkommensteuersatzes im Streitfall gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG ), weil grundlos verwandtschaftliche Beziehungen gegenüber Rechtsbeziehungen zu fremden Dritten diskriminiert würden.

In der mündlichen Verhandlung führten die Kläger außerdem aus, die – verzinsliche– Stundung der Kaufpreise sei auf die Gesellschaftsverträge der KG und der GbR aus den Jahren 1989 und 1998 zurückzuführen. Damit habe die Fortführung der Gesellschaften erleichtert werden sollen. Ein Missbrauch der Abgeltungssteuer, etwa durch eine Back-to-back-Finanzierung, sei nicht beabsichtigt gewesen. Die Zinseinnahmen des anderen Veräußerers A.X. seien in bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden dem Abgeltungssteuersatz unterworfen worden.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 dahingehend abzuändern, dass die erhaltenen Zinsen in Höhe von 39.704 EUR mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 % und nicht mit dem tariflichen Steuersatz besteuert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

1. Die Klägerin erzielt durch die Vereinnahmung der Zinsen aus der Stundung des Veräußerungserlöses Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ).

2. Die Zinsen sind gemäß § 32a EStG mit dem tariflichen, progressiven Steuersatz zu versteuern. Der Abgeltungssteuersatz findet keine Anwendung.

a) Nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt die Einkommensteuer 25 Prozent für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht unter § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG fallen. Der Abgeltungssteuersatz gilt jedoch nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG u.a. nicht für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG , wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind.

Der Begriff der nahe stehenden Person ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 soll ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahe stehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BT-Drucks. 16/4841, S. 61; BR-Drucks. 220/07, S. 98).

Die Finanzverwaltung hat diese – ohne Gesetzeszitat an die Begriffsbildung des § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) angelehnte – Definition in den BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 136, Satz 1) und nachfolgend vom 9. Oktober 2012 (BStBl I 2012, 953, Tz. 136, Satz 1) übernommen. Ergänzend heißt es dort, dass ein derartiges Näheverhältnis vorliegt, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S. des § 15 AO sind oder wenn – außerhalb von Angehörigenverhältnissen – die Vertragsbeziehungen einem Fremdvergleich nicht standhalten (jeweils Sätze 2 und 3).

Die Literatur folgt zum Teil der Finanzverwaltung darin, dass bei Angehörigen von einander nahe stehenden Personen auszugehen sei (Schmidt/Weber-Grellet, EStG , 32. Aufl. 2013, § 32d Rz 8; gegen diese Gleichstellung: Koss in Korn, § 32d EStG Rz 47; Behrens/Renner, Betriebs-Berater – BB – 2008, 2319, unter IV.2.; Fischer, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2007, 1898, unter 2.; Worgulla, Der Erbschaft-Steuer-Berater – ErbStB – 2010, 151, unter IV.2.c). Zum Teil wird – wie von der Gesetzesbegründung –ein Näheverhältnis i.S. des § 1 Abs. 2 AStG gefordert (Baumgärtel/Lange in Hermann/ Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 20; Schulz/Vogt, DStR 2008, 2189, unter 2.1.1.3; gegen diese Bezugnahme: Storg in Frotscher, EStG , § 32d Rz 20). Andere Autoren vertreten wiederum, dass sich das Näheverhältnis nach zu den verdeckten Gewinnausschüttungen (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ) entwickelten Kriterien bestimme (Lambrecht in Kirchhof, EStG , 12. Aufl. 2013, § 32d Rz 11; Blümich/Treiber, § 32d EStG Rz 69; Schmidt/Wänger, NWB, Fach 3, S. 14939, 14948; ebenso: Niedersächsisches Finanzgericht – FG –, Urteil vom 6. Juli 2011 4 K 322/10, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2012, 242 , zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ).

Nach Auffassung des Senats kommt im Gesetzestext des § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG im Gegensatz zu anderen steuerlichen Vorschriften die Bezugnahme auf die Legaldefinition der „nahe stehenden Person” in § 1 Abs. 2 AStG nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck (siehe z.B. § 90 Abs. 3 Satz 1, § 162 Abs. 3 Satz 3 und § 178a Abs. 1 Satz 1 AO ; § 3 Nr. 70 Satz 4 EStG ; § 8 Abs. 1 Nr. 3 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG ; § 8a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 KStG; § 121 Nr. 4 des Bewertungsgesetzes und § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes 1982). Im Übrigen ist die für die Beschreibung eines Näheverhältnisses bei natürlichen Personen allein in Betracht kommende Bestimmung des § 1 Abs. 2 Nr. 3, letzter Halbsatz AStG in den Gesetzesmaterialien nicht wörtlich übernommen worden. Die gesetzliche Formulierung „eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen” versteht die Rechtsprechung als „persönliches” und nicht als „wirtschaftliches Interesse” (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19. Januar 1994 I R 93/93 , BFHE 174, 61 , BStBl II 1994, 725 ). In der Gesetzesbegründung wird demgegenüber ein „wirtschaftliches Interesse” verlangt.

Die Ausnahmevorschrift will Gestaltungen verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne, z.B. in Form von Darlehenszinsen, abgesaugt werden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungssteuersatz reduziert wird (BT-Drucks. 16/4841, S. 60). Die Gefahr einer solchen Gestaltung besteht immer dann, wenn zwischen den handelnden Personen (Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge) eine Beziehung besteht, durch die der zwischen Fremdkapitalgeber und -nehmer normalerweise bestehende Interessengegensatz eingeschränkt oder aufgehoben wird. Damit entsprechen die Kriterien für die Bestimmung einander nahe stehender Personen i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG denjenigen, die der Feststellung verdeckter Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ; § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ) bei Vorteilsgewährungen der Kapitalgesellschaft an Nichtgesellschafter zugrunde gelegt werden (ebenso: Niedersächsisches FG, Urteil vom 6. Juli 2011 4 K 322/10 , EFG 2012, 242 ). Für eine weite Auslegung des Begriffs der „nahe stehenden Person” spricht auch, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG in den Jahren 2009 und 2010 durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 134) und ab dem Jahr 2011 durch die Fassung des JStG 2010 eine am Gesetzeszweck orientierte Einschränkung (Bestehen eines Gesamtbelastungsvorteils) erfahren hat (vgl. unten unter 2.b).

Bei der Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung reicht als Indiz für ein „Nahestehen” jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 I R 139/94 , BFHE 182, 184 , BStBl II 1997, 301 ; vom 22. Februar 2005 VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266 ; vom 19. Juni 2007 VIII R 54/05, BFHE 218, 244 , BStBl II 2007, 830 ; vom 19. Dezember 2007 VIII R 13/05, BFHE 220, 187 , BStBl II 2008, 568 ; vom 8. Oktober 2008 I R 61/07, BFHE 223, 131 , BStBl II 2011, 62 ). Sie umfassen insbesondere auch Angehörigenverhältnisse (Schmidt/Weber-Grellet, EStG , 32. Aufl. 2013, § 20 Rz 56; Schuhmann, GmbH-Rundschau – GmbHR – 2008, 1029, unter III.1.).

Im Streitfall sind Schuldner und Gläubiger der Kapitalerträge Geschwister (Angehörige nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 AO ). Sie stehen damit in einer engen familienrechtlichen Beziehung, die typischerweise dazu geeignet ist, den zwischen fremden Dritten bestehenden Interessengegensatz einzuschränken oder aufzuheben. Ob die Klägerin und ihr Bruder tatsächlich einander nahe standen, ist in Anbetracht der typisierenden Betrachtungsweise des Gesetzes unerheblich (vgl. zu § 1 Abs. 2 AStG : BFH-Urteil vom 19. Januar 1994 I R 93/93 , BFHE 174, 61 , BStBl II 1994, 725, unter II.3.c). Der Gesetzgeber hat einen Korrekturbedarf gesehen, aber mit dem JStG 2010 außer dem theoretisch möglichen Bestehen eines Gesamtbelastungsvorteils durch die Steuersatzspreizung keine weiteren Einschränkungen (z.B. Widerlegung des Nahestehens durch besondere Umstände des Einzelfalls, Fremdüblichkeit der Zinsvereinbarung) normiert. Solche Einschränkungen würden außerdem das Vereinfachungsziel der Typisierung in Frage stellen.

b) Die weiteren – im Streitjahr lediglich von der Finanzverwaltung aufgestellten und für das Gericht nicht bindenden – einschränkenden Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG sind ebenfalls erfüllt.

Die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG wird bereits im Streitjahr durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 134) u.a. dahingehend eingeschränkt, dass der Darlehensnehmer, wenn er eine natürliche Person ist, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung erzielen und die Darlehenszinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend machen können muss.

Der Gesetzgeber hat diese Einschränkung durch das Jahressteuergesetz 2010 ab dem Veranlagungszeitraum 2011 (und damit außerhalb des Streitzeitraums) im Wesentlichen übernommen. Danach ist der Abgeltungssteuersatz nicht anzuwenden, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG keine Anwendung findet. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird damit die Ausnahmeregelung auf Fälle beschränkt, in denen eine Steuersatzspreizung (Abzug der gezahlten Entgelte für die Kapitalüberlassung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben, Besteuerung der vereinnahmten Erträge mit dem Abgeltungssteuersatz) gestaltet werden kann, da nur insoweit ein Regelungsbedürfnis besteht (BT-Drucks. 17/3549, S. 19; BR-Drucks. 318/10 – Beschluss –, S. 44). Es soll also kein „Gesamtbelastungsvorteil” dadurch erzielt werden können, dass der Schuldner die gezahlten Zinsen im Rahmen seiner – tariflichen, progressiven – Einkommensbesteuerung mit einem Steuersatz von bis zu 45 % als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen kann, während der Gläubiger die vereinnahmten Zinsen nur mit dem linearen Steuersatz von 25 % versteuern muss. Der Gesetzgeber belässt es insoweit bei einer abstrakten Betrachtungsweise; er fordert nicht, dass der Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug die Steuerbelastung beim Schuldner tatsächlich um über 25 % mindert. Die Neuregelung führt im Ergebnis dazu, dass der Gläubiger die Zinseinnahmen bei einem Darlehen an eine nahe stehende Person für deren Einkünfteerzielung (Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug im Rahmen der – tariflichen, progressiven – Einkommensbesteuerung) mit dem tariflichen Einkommensteuersatz versteuert und bei einem Darlehen an eine nahe stehende Person für deren privaten Konsum (kein Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug) mit dem Abgeltungssteuersatz.

Im Streitfall besteht die – im Streitjahr nach dem BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 134) vorausgesetzte – abstrakte Gefahr eines solchen Gesamtbelastungsvorteils. Entgegen der Ansicht der Kläger kann der Bruder die an die Klägerin gezahlten Zinsen im Rahmen seiner – tariflichen, progressiven – Einkommensbesteuerung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen, da er aus dem Betrieb des Unternehmens Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus der Verpachtung des Grundbesitzes Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder – bei Bestehen einer Betriebsaufspaltung – solche aus Gewerbebetrieb erzielt. Ob wegen der Bindung der Vertragsparteien an die Gesellschaftsverträge aus den Jahren 1989 und 1998 oder wegen nicht bestehender Missbrauchsabsicht ein Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt, kann der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden.

3. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger gegen § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG teilt der Senat nicht. Insbesondere kann die Vorschrift – wie vorliegend– mit dem BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 134) jedenfalls verfassungskonform einschränkend so ausgelegt werden, dass sie nur die Fälle eines potentiellen Gesamtbelastungsvorteils erfasst. Der Senat schließt sich insoweit der ausführlichen Begründung des Niedersächsischen FG (Urteil vom 18. Juni 2012 15 K 417/10, EFG 2012, 2009 , unter 2.c der Entscheidungsgründe) an.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO . Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Es ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, wie der Begriff der „nahe stehenden Person” in § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG auszulegen ist und ob die Vorschrift verfassungsgemäß ist (siehe bereits Niedersächsisches FG, Urteile vom 6. Juli 2011 4 K 322/10, EFG 2012, 242 , Revision BFH VIII R 31/11 , zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ; vom 18. Juni 2012 15 K 417/10, EFG 2012, 2009 , Revision BFH VIII R 9/13 ).

Einkommensteuer: Verlustfeststellung für Berufsausbildungskosten eines Piloten

Finanzgericht Köln, 14 K 3720/12

Datum:
17.07.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 3720/12
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, VI R 52/13
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2008.

3Der Kläger ist von Beruf Pilot und erzielt als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

4Im Streitjahr (2008) befand sich der Kläger in der Schulung bei der A Training GmbH zum Verkehrsflugzeugführer, die er am 00. Juni 2007 begonnen hatte.

5Am 15. April 2009 ging beim Finanzamt B die erste und selbst erstellte Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 2008 ein, in der er lediglich Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärte. Des Weiteren teilte der Kläger mit, dass er noch Schüler sei und Einkünfte aus einem Sparbuch erziele.

6Mit Einkommensteuerbescheid vom 30. April 2009 veranlagte das Finanzamt B den Kläger zur Einkommensteuer und setzte diese mit 0 € fest.

7Am 19. August 2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Änderung des Bescheides über Einkommensteuer nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO beim Finanzamt B, welchen dieses als verspäteten Einspruch auslegte.

8Am 28. Oktober 2009 nahm der Kläger den Antrag zurück und beantragte gleichzeitig beim Finanzamt B die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer 2008.

9Mit Bescheid vom 30. Oktober 2009 lehnte das Finanzamt B den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass die geltend gemachten Kosten nicht als vorab entstandene Werbungskosten anerkannt werden könnten, da kein hinreichender konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit künftig steuerbaren Einnahmen aus einer angestrebten beruflichen Tätigkeit bestehe.

10Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass nach seiner Auffassung ein Ausbildungsverhältnis vorliege. Weiterhin nahm er Bezug auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) zu diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren VI R 8/09 (mittlerweile entschieden durch Urteil vom 28. Juli 2011 BFH/NV 2011, 2038) und beantragte Ruhen des Verfahrens. Hilfsweise beantragte er den Verlust aus den vorab entstandenen Werbungskosten vorläufig festzustellen, bis ersichtlich sei, dass entsprechende Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit entstünden.

11Am 29. September 2011 stellte der nunmehr steuerlich beratene Kläger beim mittlerweile zuständig gewordenen Beklagten u.a. einen Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31. Dezember 2008. Als Anlagen fügte er u.a. die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 bei. Für 2008 erklärte der Kläger darin Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 46.198 €. Der Betrag ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

12Mit Bescheid vom 9. Januar 2012 für das Jahr 2008 setzte der Beklagte daraufhin die Einkommensteuer mit 0 € fest. Die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen berücksichtigte er lediglich als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben in Höhe von 4.000 € für das Jahr 2008. Zur Begründung führte er aus, dass mit dem Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie, sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) nunmehr durch §§ 4 Abs. 9, 9 Abs. 6 und 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) geregelt werde, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung/ ein Erststudium oder vorangegangene Berufsausbildung keine Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben darstellten. Diese Regelung sei ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden (§§ 52 Abs. 12, 23d und 30a EStG) und damit bei der Bearbeitung anhängiger Verfahren.

13Gegen den Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung verwies er auf die fehlende Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Ergänzend trug er vor, dem Beklagten sei ein Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages per 31. Dezember 2008 übersandt worden. Er habe daraufhin einen Einkommensteuerbescheid erlassen, obwohl keine Einkommensteuerveranlagung beantragt worden sei. Er könne diesen Bescheid als Ablehnung der Verlustfeststellung per 31. Dezember 2008 werten und bitte den Einspruch entsprechend umzudeuten. Alternativ bat er um Erlass eines Bescheides zum Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages per 31. Dezember 2008, danach könne er den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zurücknehmen. Für 2008 sei durch das Finanzamt B ein sog. Nullbescheid ergangen, dieser hindere nicht dem Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zum 31. Dezember 2008 stattzugeben.

14Mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2012 wies der Beklagte den Einspruch gegen Einkommensteuer 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass er (der Beklagte) in Unkenntnis des bereits erlassenen Einkommensteuerbescheides 2008 vom 30. April 2009 durch das Finanzamt B am 9. Januar 2012 einen weiteren Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 über 0 € Einkommensteuer erlassen habe. Letzterer Verwaltungsakt sei nichtig, da er an einen besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei (§ 125 Abs. 1 der Abgabenordnung –AO–). Ein besonders schwerwiegender Fehler liege insbesondere vor, wenn aus der maßgeblichen Sicht des Adressaten die inhaltliche Bestimmtheit im Sinne des § 119 Abs. 1 AO fehle. Dies sei dann der Fall, wenn ein Verwaltungsakt von einem Steuerpflichtigen zum zweiten Mal (als zweiter, nicht lediglich wiederholender Verwaltungsakt) verlange, was bereits schon ein anderer Verwaltungsakt angeordnet habe. Ein nichtiger Verwaltungsakt entfalte keinerlei Wirkung. Es sei nach § 124 Abs. 3 AO unwirksam. Der am 16. Januar 2012 eingelegte Einspruch gehe daher ins Leere.

15Mit Schreiben vom 14. November 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sein Einspruch hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d EStG für das Jahr 2008 ruhe.

16Der Kläger teilte daraufhin mit, dass er mit einer Ruhendstellung des Einspruchs betreffend die Ablehnung der Verlustfeststellung für das Jahr 2008 nicht einverstanden sei und bat um Erlass klagefähiger Entscheidungen.

17Am 10. Dezember 2012 legte der Kläger Untätigkeitsklage ein. Zur Begründung führte er aus, er sei Verkehrsflugzeugführer und habe im Jahr 2008 die geltend gemachten Aufwendungen zur Berufsausbildung gehabt. Diese seien im Rahmen des gesonderten Verlustfeststellungsabzuges zur Einkommensteuer geltend gemacht worden. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. Hiergegen sei frist- und formgerecht am 27. November 2009 Einspruch eingelegt worden, über welchen bis zum heutigen Tage nach über drei Jahren nicht entschieden worden sei. Aufgrund dessen werde Untätigkeitsklage erhoben. Im November sei ihm mitgeteilt worden, dass nunmehr ein weiteres Ruhen des Verfahrens bestünde. Das Fortsetzungsbegehren sei ausdrücklich geäußert worden. Es sei um eine klagefähige Entscheidung gebeten worden. Eine Zwangsruhe sei nicht gegeben. Die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Soweit sich der Beklagte darauf berufe, dass eine Zwangsruhe bestehe, werde auf § 363 Abs. 2 Satz 4 AO verwiesen. Die geltend gemachten Kosten seien der Höhe nach unstreitig. Es handele sich um eine reine Rechtsfrage.

18Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2013 wies der Beklagte u.a. den Einspruch gegen die „Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d EStG“ als unbegründet zurück. Das ruhende Einspruchsverfahren sei nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO fortzusetzen, da der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten dies beantragt habe. Die gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO vorzunehmende Überprüfung der angefochtenen Verwaltungsakte habe unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Argumente zu folgendem Ergebnis geführt: Die erlassenen Veraltungsakte entsprächen den gesetzlichen Vorgaben und seien nicht zu beanstanden. Mit dem BeitrRLUmsG vom 7. Dezember 2011 werde durch die §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG geregelt, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung (hier die Ausbildung zum Piloten) keine vorweggenommenen Werbungskosten darstellten. Die geltend gemachten Aufwendungen seien daher zutreffend nicht als Werbungskosten, sondern als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen. Aus den gleichen Gründen sei die Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden „Verlustabzugs“ gemäß § 10d EStG für 2008 zutreffend.

19Der Kläger beantragt,

20unter Aufhebung des Bescheides über die Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d EStG für 2008 vom 30. Oktober 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2013 den Beklagten zu verpflichten den vortragsfähigen Verlust auf den 31. Dezember 2008 mit 46.198 € festzustellen;

21hilfsweise,

22die Revision zuzulassen.

23Der Beklagte beantragt,

24die Klage abzuweisen.

25Auf die Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2013 hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 und 2009 sowie zur Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d EStG für 2008 werde vollinhaltlich Bezug genommen.

26Entscheidungsgründe

27I. Die Klage ist zulässig.

28Wird bei einer nach § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhobenen Untätigkeitsklage während des Klageverfahrens der Einspruch zurückgewiesen, so wird das Klageverfahren fortgesetzt, ohne dass eine erneute Klage erforderlich oder zulässig wäre (BFH-Beschluss vom 28. Oktober 1988 III B 184/86, BFHE 155, 12, BStBl II 1989, 107, m.w.N.).

29II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

30Der Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d EStG auf den 31. Dezember 2008 vom 30. Oktober 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

311. Nach §§ 9 Abs. 6 i.V.m. 12 Nr. 5 EStG dürfen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für sein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Regelungen gelten rückwirkend für Veranlagungszeiträume ab 2004, § 52 Abs. 23d Satz 5 und Abs. 30a EStG. Die gesetzlichen Neuregelungen in § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 und ihre Anwendung nach § 52 Abs. 23d Satz 5 und Abs. 30a EStG lassen keinen Verstoß gegen die Verfassung erkennen.

32Sie verstoßen nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot. Da durch die Neuregelungen in abgeschlossene Veranlagungszeiträume eingegriffen wird, handelt es sich um eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Diese ist jedoch im Streitfall zulässig, da der Kläger für sich kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen kann (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung2009, 187). Der Gesetzgeber hat mit den Neuregelungen die Rechtslage für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Berufsausbildungskosten der allgemeinen Rechtsanwendungspraxis entsprach (vgl. BFH-Urteile vom 04. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884). Zwar ersetzen und ergänzen die Neuregelungen die Vorgängervorschrift des § 12 Nr. 5 EStG a.F. (Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004, BGBl I 2004, 1753), da der BFH diese in seinen Urteilen vom 28. Juli 2011 wegen gesetzessystematischer Mängel im Ergebnis nicht angewandt hatte (VI R 5/10, BFHE 234, 262, BStBl II 2012, 553; in BFH/NV 2011, 2038; VI R 38/10, BFHE 234, 729, BStBl II 2012, 561; VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19; VI R 7/10, BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557). Vertrauensschutz konnte der Kläger jedoch auch nicht auf der Grundlage des Abzugsverbots des § 12 Nr. 5 EStG a.F. für sich beanspruchen. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf in seinem Urteil vom 14. Dezember 2011 (14 K 4407/10 F, EFG 2012, 686, nicht rechtskräftig –nrkr.– Rev. VI R 2/12), des FG Münster in seinem Urteil vom 20. Dezember 2011 (5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612, nrkr. Rev. VI R 8/12) sowie den Ausführungen des 15. Senats des FG Köln in seinem Urteil vom 22. Mai 20112 (15 K 3413, EFG 2012, 1735, nrkr. Rev. VI R 38/12) an.

332. Darüber hinaus erkennt der Senat in den Neuregelungen keinen Verstoß gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Leistungsfähigkeits- und daraus entwickelte objektive Nettoprinzip. Die Differenzierung zwischen erstmaligen Berufsausbildungskosten und Kosten eines Erststudiums, welches eine erstmalige Berufsqualifikation vermittelt, liegt als zulässige Typisierung im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessensspielraums. Generalisierend ordnet der Gesetzgeber diese Kosten vorrangig der individuellen Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Erlangung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne einer allgemeinen Ausbildung zu, der noch keine konkreten Einnahmen gegenüber stehen. Auch insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des FG Düsseldorf und des FG Münster sowie des FG Köln an (s. nrkr. FG-Urteile in EFG 2012, 686; in EFG 2012, 612, und in EFG 2012, 1735; ausdrücklich offen gelassen in BFH-Urteilen in BFHE 234, 262, BStBl II 2012, 553; in BFH/NV 2011, 2038; in BFHE 234, 729, BStBl II 2012, 561; in BFH/NV 2012, 19; in BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557).

34Die Ausbildungskosten des Klägers sind demnach gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F., § 52 Abs. 24a Satz 3 EStG im Rahmen des Höchstbetrages von 4.000 € als Sonderausgaben abzugsfähig, was sich im Rahmen der Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 EStG indes nicht auswirkt.

35III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO

36IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Einkommensteuer: Besteuerung von Krankengeld

Finanzgericht Köln, 6 K 3506/10

Datum:
22.11.2012
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 3506/10
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, III R 36/13
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30.08.2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2010 wird dahingehend geändert, dass lediglich Krankengeld in Höhe von € 9.649,- dem Progressionsvorbehalt unterworfen wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

1Sachverhalt

2Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und sind in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Die Klägerin bezog im Streitjahr 2009 von ihrer Krankenkasse, der …/in A, € 9.649,- Krankengeld. Ein Restbetrag von € 466,- für 2009 wurde der Klägerin im Laufe des Jahres 2010 ausgezahlt.

3Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2009 der Kläger mit Bescheid vom 30.08.2010 auf € 2.979,- fest. Bei der Veranlagung unterwarf er erklärungsgemäß Krankengeld in Höhe von € 10.115,- dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage.

4Mit der Klage machen sie – wie bereits im Einspruchsverfahren – geltend, die Regelung des § 32 b EStG sei verfassungswidrig, soweit von ihr das Krankengeld unter Progressionsvorbehalt gestellt werde. Sie verstoße gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. § 32 b EStG stelle nämlich lediglich das von einer gesetzlichen Krankenversicherung bezogene Krankengeld unter Progressionsvorbehalt, während das von einer privaten Krankenversicherung bezogene Krankentagegeld nicht erfasst werde. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung sei willkürlich. Denn in beiden Fällen handele es sich um eine nach § 3 Nr. 1 a EStG steuerfreie Leistung. Und in beiden Fällen habe der Arbeitnehmer die Beiträge für diese Versicherung allein aufgebracht, denn der vom gesetzlich pflichtversicherten Arbeitnehmer allein aufzubringende Beitragsanteil von 0,9 % entspreche genau der Differenz zwischen dem allgemeinen Beitragssatz mit Krankengeldversicherung und dem verminderten Beitragssatz ohne Krankengeldversicherung. Wenn überhaupt sei die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Krankengeld aus gesetzlichen und privaten Kassen früher gerechtfertigt gewesen, als nämlich der gesamte Krankenversicherungsbeitrag eines pflichtversicherten Arbeitnehmers hälftig vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen worden sei. Die diesbezüglichen Regelungen seien aber ab dem 01.01.2009 dahingehend geändert worden, dass der Beitragsanteil für das Krankengeld allein vom Arbeitnehmer zu tragen sei.

5Aber selbst in der Vergangenheit dürfte die unterschiedliche Behandlung entgegen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 26.11.2008 (X R 59/06, BFH/NV 2009, 739) schon nicht gerechtfertigt gewesen sein. Denn schon damals habe Arbeitnehmern, die nicht krankenversicherungspflichtig seien, ein Zuschuss bis zur Hälfte des Gesamtbetrags zur gesetzlichen Krankenversicherung (einschließlich Krankengeld) zu den Prämien, die sie für eine gleichartige private Krankenversicherung aufzuwenden hätten, zugestanden. Demgemäß bezuschusse der Arbeitgeber in zahlreichen Fällen auch den Anteil für die private Krankentagegeldversicherung hälftig. Vor diesem Hintergrund sei es nicht hinnehmbar, dass das Krankengeld, das pflichtversicherte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, bezögen, dem Progressionsvorbehalt unterfalle, hingegen aber das – aufgrund vom Arbeitgeber genauso bezuschusster Prämienzahlungen – von einem privat versicherten Arbeitnehmer bezogene Krankentagegeld dem Progressionsvorbehalt nicht unterfalle.

6Letztlich verstoße die Regelung des § 32 b EStG auch gegen das Sozialstaatsprinzip, denn Krankengeld bezögen im Regelfall diejenigen Arbeitnehmer, deren Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze liege, während höher verdienende Arbeitnehmer die Möglichkeit hätten, dem Progressionsvorbehalt durch Abschluss einer privaten Krankenversicherung auszuweichen, von den zu erwartenden höheren Leistungen für privatärztliche Versorgung ganz zu schweigen. Das Sozialstaatsprinzip gebiete es aber, die Steuerlast für einkommensschwache Personen im Grundsatz niedriger als für einkommensstärkere Personen zu gestalten.

7Hilfsweise begehren die Kläger den Ansatz des Krankengelds in tatsächlich gezahlter Höhe von € 9.649,- anstelle des derzeit berücksichtigen Betrags von € 10.115,-.

8Die Kläger beantragen,

9den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30.08.2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2010 dahingehend zu ändern, dass das Krankengeld nicht dem Progressionsvorbehalt unterworfen wird,

10hilfsweise Krankengeld in Höhe von € 9.649,- dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen.

11Der Beklagte beantragt,

12lediglich Krankengeld in Höhe von € 9.649,- dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen und im Übrigen die Klage abzuweisen.

13Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, das im Streitjahr zugeflossene Krankengeld unterfalle dem Progressionsvorbehalt.

14Entscheidungsgründe

15Die Klage ist teilweise begründet.

16Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz FGO. Der Beklagte hat zwar dem Grunde nach zutreffend das Krankengeld dem Progressionsvorbehalt gemäß §  32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG unterworfen. Der angesetzte Betrag ist jedoch zu hoch bemessen.

17Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in dem Veranlagungszeitraum Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch, der Reichsversicherungsordnung, dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte oder dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen, ist gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin bezog im Streitjahr von der …/in A Krankengeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, nämlich gemäß § 44 Abs. 1 SGB V.

18§ 32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG verletzt die Kläger auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 GG. Wie der Bundesfinanzhof bereits mehrfach entschieden hat (BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 59/06, BFH/NV 2009, 739, BFH-Beschluss vom 09.09.1996 VI B 86/96, BFH/NV 1997), begegnet die Einbeziehung des Krankengeldes in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt die Einbeziehung des Krankengeldes lediglich gesetzlicher Krankenkassen und nicht privater Krankenkassen nicht gegen Art. 3 GG. Dies gilt sowohl für die Einbeziehung des von einem freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten, selbständig Erwerbstätigen bezogenen Krankengeldes in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG als auch für die gleichzeitige Nichteinbeziehung des Krankengel-des aus einer privaten Krankenversicherung in den Progressionsvorbehalt (BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 59/06, BFH/NV 2009, 739). Die Einbeziehung des von einem freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse versicherten, selbständigen Erwerbstätigen wird mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt. Die Nichteinbeziehung des Krankengeldes aus einer privaten Krankenversicherung ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofes nicht willkürlich, sondern gerechtfertigt, da sich die gesetzliche Krankenversicherung von der privaten Krankenversicherung maßgeblich unterscheide: Die gesetzliche Krankenversicherung sei wesentlich durch das Solidarprinzip geprägt. Die Kassen nähmen als Träger öffentlicher Verwaltung die Aufgaben der Sozialversicherung i.S. des Art. 74 Nr. 12 GG wahr und seien öffentlich-rechtliche Körperschaften. Der Anspruch auf Krankengeld ergebe sich als Sozialleistung aus dem gesetzlichen Leistungskatalog des § 11 SGB V. Er sei Teil des Sozialversicherungsverhältnisses und damit eines öffentlich rechtlichen Schuldverhältnisses. Dagegen folge die private Krankenversicherung dem Äquivalenzprinzip. Die Bemessung der Beiträge bestimme sich nach dem versicherten Risiko. Der Anspruch auf Krankengeld des Versicherungsnehmers einer privaten Versicherung beruhe auf dem Versicherungsvertrag. Die gesetzliche Krankenversicherung sei zwar im Grundsatz dem Privatversicherungsverhältnis nachgebildet sei, jedoch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs modifiziert worden. Diese entsprechend den Geboten des Sozialstaats vorgenommene Ergänzung des Versicherungsprinzips sei die Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der jeweiligen Krankengelder. Darüber hinaus rechtfertige auch der Aspekt der Administrierbarkeit die unterschiedliche Behandlung (BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 59/06, BFH/NV 2009, 739). Diesen Erwägungen des Bundesfinanzhofs schließt sich der erkennende Senat an und sieht deshalb in der genannten Regelung keinen Verstoß gegen Art. 3 GG.

19Entgegen der Ansicht der Kläger ist auch nicht deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil sich die Rechtslage seit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs geändert habe und die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten den Beitrag für das Krankengeld nunmehr allein, d.h. ohne hälftige Beteiligung des Arbeitgebers, aufzubringen haben. Zum einen hat der Bundesfinanzhof der Frage, wer den Beitrag für die Krankenversicherung zu entrichten hat, keine Bedeutung beigemessen. Das Urteil vom 26.11.2008 (X R 59/06, BFH/NV 2009, 739) betraf einen selbständigen Unternehmer, der in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert war. Der Bundesfinanzhof hielt die unterschiedliche Behandlung von Krankengeld aus gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen für gerechtfertigt, obwohl ein freiwillig in der gesetzlichen Versicherung versicherter selbständiger Unternehmer naturgemäß seine Beiträge in vollem Umfang selbst finanziert.

20Zum anderen stimmt die Behauptung der Kläger nicht, die Klägerin finanziere den Beitrag für das Krankengeld allein. Es ist zwar richtig, dass bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Arbeitgeber gemäß § 249 Abs. 1 SGB V lediglich die Hälfte der Beiträge des Mitglieds aus dem Arbeitsentgelt nach dem um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen oder ermäßigten Beitragssatz trägt, d.h. das Mitglied trägt einen Beitrag von 0,9 % selbst. Dieser selbst zu tragende Anteil von 0,9 Beitragssatzpunkten steht jedoch entgegen der Behauptung der Kläger in keinem Zusammenhang mit dem Beitrag für das Krankengeld. Er geht zurück auf einen Sonderbeitrag von 0,9 % der beitragspflichtigen Einnahmen, den die Mitglieder allein zu finanzieren hatten. Dieser Sonderbeitrag wurde zum 01.07.2005 durch das Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004 in Form eines zusätzlichen Beitragssatzes gemäß § 241 a SGB V eingeführt. Hintergrund der Regelung war die Absicht, die Mitglieder stärker an den Leistungen für Zahnersatz zu beteiligen. Weiterhin sollten Unternehmen bei den Lohnnebenkosten entlastet und so das Wachstum der Wirtschaft und eines Unternehmens gefördert werden. Da seit dem 01.01.2009 dieser zusätzliche Beitragssatz Teil des einheitlichen Beitragssatzes geworden ist, wurde § 249 Abs. 1 SGB V geändert und der bisherige Grundsatz der hälftigen Teilung der Beiträge aufgehoben. Die Neuformulierung trägt der Tatsache Rechnung, dass der bislang vom Mitglied allein zu tragende zusätzliche Beitragssatz von 0,9 % im allgemeinen bzw. ermäßigten Beitragssatz aufgegangen ist. Die Verteilung der Beitragslast sollte nach dem Willen des Gesetzgebers im gleichen Verhältnis wie zuvor bestehen bleiben. Einen Bezug zum Krankengeld hat dieser zusätzliche Beitrag bzw. selbst zu tragende Beitragsanteil von 0,9 Punkten nicht.

21Er entspricht – entgegen der Behauptung der Kläger – auch nicht der Differenz zwischen dem das Krankengeld umfassenden allgemeinen Beitragssatz nach § 241 SGB V zu dem ermäßigten, keinen Krankengeldanspruch umfassenden, Beitragssatz nach § 243 SGB V. Die Differenz zwischen den Beitragssätzen beträgt vielmehr lediglich 0,6 %. Der allgemeine Beitragssatz betrug im ersten Halbjahr des Streitjahres 15,5 % und im zweiten Halbjahr 14,9 %, wohingegen der ermäßigte 14,9 % bzw. 14,3 % betrug.

22Schließlich steht die Regelung des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG auch nicht im Widerspruch zum sich aus Art. 20 GG ergebenden Sozialstaatsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 03.05.1995 (1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758) entschieden, dass der Gesetzgeber von der Verfassung – insbesondere aufgrund des Sozialstaatsprinzips – nicht gehindert sei, Arbeitslosenbezüge oder sonstige Einkommenssurrogate im Rahmen der Besteuerung zu berücksichtigen, sofern die Grundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beachtet werden. Dies ist aufgrund der Steuerfreiheit des Krankengeldes gemäß § 3 Nr. 1 a EStG und seiner ausschließlichen Bedeutung für die Berechnung des Steuersatzes gewährleistet. Denn Steuerpflichtige, die neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, sind wirtschaftlich leistungsfähiger als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erhalten haben. Die Regelung ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil vom Progressionsvorbehalt lediglich das Krankengeld der Geringverdiener, nicht aber das Krankengeld besserverdienender privat krankenversicherter Arbeitnehmer erfasst wird. Die Kläger übersehen bei ihrer Argumentation, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur Geringverdiener versichert sind, sondern auch freiwillig Versicherte, deren Gehalt die Bemessungsgrenze übersteigt. In der privaten Krankenversicherung dagegen sind auch nicht nur Besserverdiener versichert, sondern gerade auch eine Vielzahl von Selbständigen mit relativ geringen Einkünften.

23Da die Klägerin im Streitjahr lediglich € 9.649,- anstelle des derzeit berücksichtigen Betrags von € 10.115,- Krankengeld erhalten hat, ist gemäß § 11 Abs. 1 EStG nur dieser Betrag in die Einkommensteuerfestsetzung in der vom Beklagten vorgenommenen Art und Weise einzubeziehen. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten auferlegt.

24Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 137 FGO. Soweit die Kläger obsiegt haben, tragen sie Kosten des Verfahrens, da sie den Nachweis über den Zeitpunkt der Auszahlung des Krankengeldes früher hätten vorlegen können und müssen.