Archiv der Kategorie: EStG

Steuerhinterzieher sind Straftäter

Steuerfahndung im Norden deckt 2012 Steuerschaden von 149 Millionen Euro auf

Kiel. Schleswig-Holstein hat den Kampf gegen die organisierte Steuerhinterziehung weiter
verschärft. Die Beamtinnen und Beamten der Steuerfahndungsstellen in Schleswig-
Holstein hatten im Jahr 2012 insgesamt 3.256 Eingänge abzuarbeiten und führten 261
Durchsuchungen mit meist mehreren Durchsuchungsorten durch.

Dabei werden die rund 100 Beamtinnen und Beamte der Steuerfahndungsstellen Elmshorn,
Flensburg, Kiel-Süd und Lübeck durch die 2008 gegründete Servicestelle Steueraufsicht
und das 2011 errichtete Mobile Sachgebiet unterstützt.

Insgesamt wurde ein Steuerschaden von 149 Millionen Euro aufgedeckt. Der größte Teil
entfällt mit 132 Millionen auf die Umsatzsteuer. Sechs Millionen Euro konnten durch
Vermögensabschöpfungsmaßnahmen noch am Tag der Durchsuchung gesichert werden.
Die Mehrergebnisse aus Selbstanzeigen sind in diesen Werten noch gar nicht enthalten.
Alleine durch die 781 Selbstanzeigen von deutschen Kapitalanlegern in der Schweiz
wurden in den vergangenen beiden Jahren bei der Erbschaft- und Einkommensteuer
Mehrergebnisse von 128 Millionen Euro erzielt. Durch die Justiz wurden 2012 wegen
steuerlicher Delikte Freiheitsstrafen von insgesamt 24 Jahren und 7 Monaten verhängt.
Im Herbst 2012 wurde die Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt und den Staatsanwaltschaften
im Bereich der Geldwäschebekämpfung durch eine Verbindungsstelle
der Steuerfahndung beim Landeskriminalamt intensiviert.

Finanzministerin Monika Heinold dankte den Beamtinnen und Beamten der Steuerfahndung
für ihre erfolgreiche Arbeit: „Jährlich wird den öffentlichen Haushalten vorsätzlich
Geld entzogen, das dann in der Bildung, bei der Polizei, in sozialen Einrichtungen und im
Umweltschutz fehlt. Unsere Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder arbeiten täglich dafür,
dass jeder in Schleswig-Holstein seinen gerechten Beitrag zum Gemeinwesen leistet.
Steuerhinterziehung ist eine Straftat und keine Schummelei.“

FinMin Schleswig-Holstein, Medien-Information v. 18.2.2013

Spekulationsgewinn Beratungsfehler durch den Notar

Kaufvertrag: Möglichkeit der Besteuerung eines Spekulationsgewinns bei Verkauf einer Eigentumswohnung und diesbezüglich (möglicher) Beratungsfehler durch den Notar

LG Verden 7. Zivilkammer, Urteil vom 30.01.2013, 7 O 276/12
§ 22 Nr 2 EStG, § 23 EStG, § 823 Abs 2 BGB, § 17 Abs 1 BeurkG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger war nach Erwerb am 06.04.1999 Eigentümer einer Eigentumswohnung und eines PKW-Einstellplatzes belegen in der Liegenschaft T. in B.. Der Kläger hatte selbst die Anschrift T. in B.. Er beabsichtigte im Jahre 2009 die Eigentumswohnung zu verkaufen und wandte sich an die Firma … in B.. Diese wandte sich an den Beklagten und bat um Fertigung eines entsprechenden Kaufvertrages, sowie Übersendung eines Entwurfes an die Vertragsbeteiligten. Der Beklagte fertigte einen Entwurf und übersandte diesen mit Schreiben vom 11.03.2009 an den Kläger. In diesem Vertragsentwurf ist neben anderen Hinweisen auch der auf Spekulationssteuer gem. §§ 22 Abs. 2, 23 EStG vorhanden. Bei der Verhandlung des Kaufvertrages am 27.03.2009 war im zu beurkundenden Vertrag die Belehrung über die Spekulationssteuer nicht mehr enthalten. Mit Steuerbescheid vom 27.07.2012 für das Jahr 2009 wurde gegen die Kläger als Gesamtschuldner ein zu versteuernder Veräußerungsgewinn in Höhe von 73.877,- € als Spekulationssteuer festgesetzt. Der Kläger hatte die Wohnung nur 7 Monate selbst bewohnt.
2
Die Kläger behaupten, der Beklagte habe ohne vorherige Absprache mit ihnen den ursprünglichen Vertragsentwurf eigenmächtig abgeändert und die Belehrung herausgenommen. Sie sind der Ansicht, dem Beklagten hätte auffallen müssen, bei Durchsicht der Grundbuchauszüge, dass der Zeitpunkt des Erwerbes etwa 10 Jahre her gewesen ist. Zudem hätte der Beklagte fragen müssen, ob 2 Jahre bei Eigennutzung durch den Kläger voll gewesen wären. Zudem hätte der Beklagte auf dem Erwerbstermin vor 10 Jahren aufgrund des Gesprächs über die Einbauküche kommen müssen, da diese ebenfalls fast 10 Jahre alt gewesen sei. Sie sind der Ansicht, aufgrund der unterbliebenen Belehrung zum Anfallen der Spekulationssteuer sei ihnen der Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden, welchen der Beklagte ihnen zu erstatten habe.
3
Die beantragen,
4
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 36.440,08 € zzgl. 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2012 als Gesamtgläubiger zu zahlen,
5
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.490,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (17.10.2012) zu zahlen.
6
Der Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Er ist der Ansicht, er sei seiner Belehrungspflicht hinreichend nachgekommen, da die Belehrungen im Vertragsentwurf enthalten gewesen sein. Aufgrund dieser Hinweise sei der Kläger verpflichtet gewesen, sich steuerrechtlich beraten zu lassen. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass der Kläger das Wohnungseigentum vor weniger als 10 Jahren erworben hatte. Er behauptet, er sei davon ausgegangen, der Kläger habe die Wohnung aufgrund der übereinstimmenden Anschriften selbst bewohnt.
9
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
10
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
11
Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Beratungsfehlers während der Beurkundung gem. §§ 823 II BGB iVm. 17 Abs. 1 BeurkG, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
12
1. Dem Beklagten ist kein Beratungsfehler vorzuwerfen.
13
Zwar besteht bei der Möglichkeit der Besteuerung eines Spekulationsgewinns ein objektiver Anlass für die Entstehung einer entsprechenden Beratungspflicht seitens des Notars (vgl. Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 2. Aufl., Rn. 1255). Denn grundsätzlich kann ein Notar gehalten sein, die von den Verkäufern abgegebenen, für die Steuerbefreiung wichtigen Erklärungen klarzustellen und/oder einen Hinweis darüber zu geben, dass Zweifel an der Steuerbefreiung bestehen könnten (vgl. BGH NJW 1980, 2472).
14
Jedoch ist auch für die Verletzung einer Belehrungspflicht subjektive Voraussetzungen in der Person des Notars, dass dieser die Tatsachen, aus denen sich die Gefährdung ergibt, kennt (vgl. Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, Rn. 1260). Allerdings braucht der Notar die besonderen Umstände, die Anlass für die Hinweis- und Warnpflicht sein könnte, nicht zu ermitteln (vgl. BGH NJW 1995, 2796, BGH NJW 1980, 2472). Denn hat der Notar keinerlei Hinweise (Indizien) auf Umstände, die eine Gefahrenlage begründen, besteht für ihn auch kein Anlass für irgendwelche Nachforschungen. Liegen objektiv solche Hinweise vor und kann dem Notar deswegen, weil er sie nicht zur Kenntnis genommen hat, noch kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, schadet es ihm ebenfalls nicht, dass er keine Ermittlung angestellt hat. Nur für den Fall, dass die Hinweise von einer Art sind, dass ein sorgfältiger Notar sofort an die Gefahr denkt, ist es fahrlässig, wenn dem Betroffenen keine entsprechende Mitteilung gemacht wird. Auf weitere Ermittlungen, um den Verdacht zu prüfen, kommt es dann nicht an (vgl. Ganter/Hertel/Wöstmann, Rn. 450).
15
Bei der den Notar treffenden Aufmerksamkeitspflicht ist zu beachten, dass sich die ursprüngliche Spekulationsfrist von 2 Jahren auf 10 Jahre erhöht hat und die Grundsätze der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage (so noch BGH NJW 1989, 586ff) nicht uneingeschränkt übernommen werden können, da der Ablauf einer Frist von 2 Jahren eher ins Auge sticht als einer solchen von 10 Jahren.
16
Gerade hier waren die vorliegenden Hinweise und Indizien nicht derart auffällig, dass sie dem Beklagten sofort ins Auge fallen mussten. Der Kläger hatte dieselbe Anschrift wie das Verkaufsobjekt. Zudem konnte der Beklagte nicht erkennen, ob der Anschaffungspreis des Wohnobjektes über oder unter dem Verkaufspreis lag. Er konnte aus der Grundschuld nicht ersehen, wie hoch der Kaufpreis lag. Es ist hieraus nur ersichtlich, welcher Betrag finanziert worden ist. Demnach hätte er nicht nachfragen müssen, wie viel Eigenkapital in den Kaufpreis eingebracht worden ist. Zudem konnte der Beklagte auch nicht wissen, dass der Kläger nur 7 Monate vor dem Verkauf in dem Objekt selbst gewohnt hat. Dieses war dem Beklagten aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich und der Kläger hatte diese zuvor auch nicht erwähnt.
17
2. Unabhängig von der fehlenden subjektiven Voraussetzung für die Verletzung einer Hinweispflicht hat der Beklagte durch den Hinweis auf die Belehrung im ersten Vertragsentwurf dem Kläger zu 2.) auch keine Sicherheit vermittelt, dass durch das Weglassen in der beurkundeten Version keine Spekulationssteuer anfallen würde.
18
Den Hinweis unter § 10 e über mögliche Spekulationsgewinne in dem Kaufvertragsentwurf, den die Kläger von dem Beklagten am 11.03.2009 übersandt erhalten hatten, hatte der Kläger zu 2.) gar nicht zur Kenntnis genommen. Der Kläger zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2012 angegeben, er habe gar nicht gemerkt, dass die beurkundete Fassung von dem Entwurf abgewichen sei, er habe seinen Fokus auf den zweiten Entwurf gerichtet. Insofern hat der Kläger zu 2) auch nicht darüber reflektiert, dass der Beklagte die Belehrung unter § 10 e herausgenommen hat, weil er diese für nicht einschlägig gehalten habe.
II.
19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Zu den Voraussetzungen für die Kürzung des Vorwegabzugs

 

Finanzgericht Köln, 10 K 3871/11

Datum: 16.01.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 10. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 10 K 3871/11
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der so genannte Vorwegabzug zu kürzen ist.

3Der Kläger war früher bei der A AG in B als Arbeitnehmer beschäftigt. Er bezieht seit vielen Jahren Versorgungsbezüge seines früheren Arbeitgebers. Im Streitjahr 2009 wurden in der Lohnsteuerbescheinigung auch Einkünfte i.H.v. 5.417,11 EUR bescheinigt, die keine Versorgungsbezüge darstellen. Der Betrag betrifft den geldwerten Vorteil, der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs vom Kläger zu versteuern ist.

4Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung wurden vom Beklagten die Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage 2004 berücksichtigt und dabei der Vorwegabzug um 16 % von 5.417 EUR = 866 EUR gekürzt.

5Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2011, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

6Mit der Klage trägt der Kläger vor:

7Der Vorwegabzug sei nicht zu kürzen. Die neben den Versorgungsbezügen bescheinigten Bezüge seien nicht für ein aktives Arbeitsverhältnis in einem späteren Zeitraum gezahlt worden. Vielmehr fehle es im Streitjahr an der Ausübung einer Berufstätigkeit, so dass keine Arbeitgeberanteile für die Zukunftssicherung erbracht wurden.

8Der Kläger beantragt,

9den Einkommensteuerbescheid 2009 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Vorwegabzug nicht gekürzt wird.

10Der Beklagte beantragt,

11die Klage abzuweisen,

12hilfsweise, die Revision zuzulassen.

13Entscheidungsgründe

14Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

15Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten, vergleiche § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.

16Der Beklagte hat zu Recht den sogenannten Vorwegabzug um 16 % des geldwerten Vorteils gekürzt.

17Nach § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für 2004 geltenden Fassung – EStG a. F. –, die auch im Streitjahr 2009 anzuwenden ist, gelten für Vorsorgeaufwendungen bestimmte Höchstbeträge. Dabei kommt nach Nr. 2 Satz 1 ein Vorwegabzug i.H.v. 3.068 EUR zur Anwendung.

18Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 EStG ist der Vorwegabzug um 16 % der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG ohne Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden.

19Nach Auffassung des erkennenden Senats greift die Kürzung des Vorwegabzugs auch dann ein, wenn es sich um Einnahmen aus einem früheren Beschäftigungsverhältnis handelt. Die Gesetzesentwicklung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber die Anwendung der Kürzungsregelung pauschal vor allem davon abhängig machen wollte, ob der Steuerpflichtige Einnahmen aus einem aktiven nichtselbstständigen Beschäftigungsverhältnis bezogen hat und ob ihm im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses besondere Vorteile in Gestalt arbeitgeberfinanzierter Ansprüche auf Altersversorgung oder auf Zukunftssicherung zugute gekommen sind, die einen Ausschluss von der mit einem ungekürzten Vorwegabzug verbundenen Begünstigung rechtfertigen. Entgegen der früher geltenden Rechtslage sollte es nicht maßgebend sein, ob auch die im jeweiligen Veranlagungszeitraum bezogenen Einnahmen aus einem solchen Beschäftigungsverhältnis mit im gleichen Jahr erworbenen Ansprüchen oder Leistungen verbunden sind (zu Einzelheiten der Gesetzesentwicklung vergleiche Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 26. September 2006 X R 7/05, BFH/NV 2007, 34, Rz. 18 ff.). Es entspricht der Absicht des Gesetzgebers, aus dem Umstand, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 EStG erbracht oder Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung erworben werden, im Wege einer generalisierenden Regelung darauf zu schließen, dass ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten ist. Dieser pauschalierende Gedanke greift auch in Fällen, in denen zeitlich nach Beendigung des mit der Gewährung vorwegabzugsschädlicher Vorteile verbundenen Arbeitsverhältnisses Arbeitslohn ausgezahlt wird, der mit der früheren aktiven Tätigkeit in wirtschaftlichem Zusammenhang steht (BFH, a.a.O., Rz. 31). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang besteht nicht nur, wenn Arbeitslohn für die aktive Beschäftigungszeit nachgezahlt wird, sondern auch dann, wenn es sich um Arbeitslohn aus einem früheren Beschäftigungsverhältnis handelt.

20Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

21Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Wann muss und wann sollte die Anlage KAP mit abgegeben werden

Ab dem 1. Januar 2009 führen Banken und Finanzinstitute auf Zinserträge und andere Gewinne aus Kapitalanlagen pauschal 25 Prozent Kapitalertragsteuer („Abgeltungsteuer“) zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer ab. Grundsätzlich ist die Einkommensteuer auf Kapitalerträge damit abgegolten und die Abgabe der Anlage KAP bei der Steuererklärung nicht erforderlich.

Von dieser Regel gibt es allerdings Ausnahmen.

Eine Erklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn kein Steuerabzug auf die Kapitalerträge erfolgt ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei Auslandskonten und –depots oder Zinsen aus Privatdarlehen, Steuererstattungszinsen, verdeckten Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinnen aus GmbH-Anteilen und Lebensversicherungen. Hier muss also die Anlage KAP mit der Steuererklärung abgegeben werden. Ehegatten müssen ab 2009 jeweils eine eigene Anlage KAP einreichen.

Zum anderen gibt es Fälle, in denen ein sogenanntes Veranlagungswahlrecht besteht. Hier kann sich die freiwillige Abgabe der Anlage KAP für den Steuerbürger durchaus lohnen. Dies ist meist dann der Fall, wenn kein oder ein zu geringer Freistellungsauftrag bei der Bank gestellt wurde. Eine weitere Variante ist die neue Möglichkeit, auf der Anlage KAP die Günstigerprüfung zu beantragen. Dies lohnt sich dann, wenn der persönlicher Steuersatz unter 25 Prozent liegt. Ist dies tatsächlich der Fall, erhält er die zu viel einbehaltene Steuer zurück. Voraussetzung ist allerdings, dass auf der Anlage KAP sämtliche Kapitalerträge erklärt werden.

Der Steuersatz liegt in der Regel unter 25 Prozent, wenn das zu versteuernden Einkommen von rund 15.000 Euro bei Einzelpersonen und rund 30.000 Euro bei Verheirateten nicht überschritten ist.

Zum Hintergrund Freistellungsauftrag:

Bis zur Höhe des Sparer-Pauschbetrages (bei Einzelpersonen beträgt dieser 801 Euro und bei Verheirateten 1.602 Euro) können Steuerbürger ihrer Bank einen sogenannten Freistellungsauftrag erteilen. Eine Aufteilung des Freistellungsvolumens auf verschiedene inländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ist ebenfalls möglich. Zinseinnahmen bleiben dann bis zur Höhe des erteilten Freistellungsauftrags vom Steuerabzug verschont und sind somit vollständig steuerfrei.

Quelle: Oberfinanzdirektion Koblenz, 25.02.2010

Einkünfte aus dem Verkauf und dem Kauf von Verkaufsoptionen auf den DAX (sog. Put-Spread-Strategie)

Finanzgericht Köln, 4 K 73/09

Datum: 31.10.2012
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 K 73/09
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, IX R 46/12
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

 

 

 

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

 

 

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Einordnung der im Bereich der privaten Vermögensverwaltung erzielten Einkünfte des Klägers aus dem Verkauf und dem Kauf von Verkaufsoptionen auf den DAX in Gestalt von betrags- und zeitidentischen Kombinationsgeschäften mit unterschiedlichem Basispreis zur Begrenzung des Verlustrisikos (sog. Put-Spread-Strategie) und die sich hieraus ergebenden Folgerungen für die Verrechnung von Verlusten nach Maßgabe des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999 (im Folgenden: EStG).

3Der Kläger unterhielt seit Mitte der 90er Jahre ein Wertpapierdepot bei der E Bank AG, die für ihn als Vermögensverwalterin Optionsgeschäfte mit Derivaten abwickelte, bei denen der Kläger insbesondere ab Anfang des Jahres 2000 als Optionsgeber (Stillhalter) von an der elektronischen Terminbörse EUREX gehandelten Verkaufsoptionen (sog. Put-Optionen) auf den DAX fungierte. Nachdem der Kläger aus diesen Geschäften ganz überwiegend Verluste mit der Folge entsprechender Verbindlichkeiten gegenüber der E Bank AG erzielt hatte, vereinbarte er im Jahr 2001 mit der E Bank AG, zur Verminderung des Risikos künftig neue Positionen als Optionsgeber nur noch in Verbindung mit gegenläufigen Positionen als Optionskäufer zu eröffnen (vgl. dazu Bestätigungsschreiben der E Bank AG vom 14.7.2006). Dementsprechend verknüpfte die für den Kläger handelnde E Bank AG ab September 2001 den Verkauf von Verkaufsoptionen auf den DAX (Short-Positionen) jeweils mit dem Kauf der gleichen Anzahl von Verkaufsoptionen (Long-Positionen) mit derselben Laufzeit, aber niedrigerem Basiskurs. Durch diese Kombinationsgeschäfte (sog. Spreads) sollte das Verlustrisiko auf den Differenzbetrag zwischen den unterschiedlichen Basispreisen begrenzt werden. Die Schließung (sog. Closing) dieser an der EUREX gehandelten Optionen erfolgte jeweils durch ein betrags- und laufzeitkongruentes Gegengeschäft (Glattstellung). Für die Verpflichtungen des Klägers aus den verkauften Optionsrechten hinterlegte die E Bank AG gegen Berechnung einer sog. Marginprovision Sicherheitsleistungen bei der EUREX. Für die Ermittlung der Höhe der Sicherheitsleistung wurden dabei die im Gegengeschäft aus den gekauften Optionsrechten erzielbaren Prämien von den Verpflichtungen aus den verkauften Optionsrechten abgezogen.

4So lag beispielsweise den von dem Kläger per 26.8.2002 verkauften 1300 Put-Optionen ein Basiswert des DAX vom 4200 Punkten (vereinnahmte Optionsprämie: 2.489.500 €) und den am gleichen Tag gekauften 1300 Put-Optionen ein Basiswert des DAX von 3700 Punkten (verausgabte Optionsprämie: 890.500 €) zu Grunde. Letzter Handelstag der verkauften und gekauften Optionen war der 18.10.2002. Am 11.10.2002 stellte der Kläger diese Positionen glatt und erzielte dadurch aus den gekauften 1300 Put-Optionen einen Überschuss i.H.v. 4.732.000 € sowie aus den verkauften 1300 Put-Optionen einen Verlust i.H.v. ./. 6.415.500 €. Der Gesamtverlust des Kombinationsgeschäftes wurde auf diese Weise auf ./. 1.683.500 € begrenzt.

5Im Rahmen dieser Kombinationsgeschäfte vereinnahmte der Kläger im Streitjahr aus dem Verkauf von Put-Optionen Stillhalterprämien i.H.v. 23.656.250 €, während er zur Glattstellung der verkauften Optionen Prämien i.H.v. 42.124.550 € aufwenden musste. Nach Abzug von Nebenkosten (75.254 €) und Margingebühren (96.887 €) ergab sich ein Verlust aus den Stillhaltergeschäften mit Put-Optionen i.H.v. ./. 18.640.441 €. Für den Kauf von Put-Optionen wandte der Kläger demgegenüber Prämien i.H.v. 12.854.250 € auf, während er aus der Glattstellung der erworbenen Optionen Prämien i.H.v. 17.934.830 € vereinnahmte. Nach Abzug der Nebenkosten (42.730 €) ergab sich ein Gewinn aus dem Erwerb von Put-Optionen i.H.v. 5.237.850 €.

6Weiterhin verkaufte der Kläger im Streitjahr als Optionsgeber auch vier Kaufoptionen (Call-Optionen), denen keine gegenläufigen Positionen gegenüberstanden. Aus diesen Verkäufen vereinnahmte der Kläger nach Abzug von Nebenkosten insgesamt Optionsprämien i.H.v. 2.388.803 € und einen Überschuss nach Glattstellung bzw. Verfall i.H.v. 934.711 €.

7In gleicher Weise hatte der Kläger im Jahr 2001 einen Verlust aus dem Verkauf von Optionen (./. 2.533.676 €) und einen Gewinn aus dem Erwerb von Optionen (326.517 €) erzielt. Im Jahr 2003 wurden alle noch offenen Optionsgeschäfte geschlossen. In diesem Jahr erzielte der Kläger einen Gewinn aus dem Erwerb von Optionen i.H.v. 9.359.320 €. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Klägern am 15.5.2008 zu der Rechtsbehelfsakte gereichte Zusammenstellung der Einkünfte aus Optionsgeschäften vom 14.11.2007 und die Aufstellung auf Seite 6 der Klageschrift (Bl. 62 GA) verwiesen. In einer am 6.8.2004 vor dem Hintergrund des Vorwurfs der mangelhaften Beratung, auch bezüglich der steuerlichen Konsequenzen der Put-Spread-Strategie, bei diesen Derivatgeschäften abgeschlossenen Vergleichsvereinbarung verpflichtete sich die E Bank AG gegenüber dem Kläger, auf die Rückzahlung eines Darlehensbetrages i.H.v. 2.500.000 Euro zu verzichten.

8Der Ermittlung der Einkünfte aus Optionsgeschäften im Rahmen des Veranlagungsverfahrens legte der Beklagte die Auffassung zu Grunde, dass Aufwendungen zum Schließen einer verkauften Put-Option unter Durchbrechung des Zu- und Abflussprinzips im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Optionsprämie, die Anschaffungskosten für erworbene Put-Optionen hingegen im Jahr der Beendigung der Option zu berücksichtigen seien. Der daraus resultierenden Erhöhung der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Streitjahr stimmten die Kläger mit Schreiben vom 11.8.2008 zu.

9Mit der zuletzt durch Bescheid vom 8.12.2008 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerfestsetzung 2002 – der erstmalige einspruchsbefangene Bescheid war am 4.2.2004 ergangen und am 28.12.2007 gem. § 164 Abs. 2 AO sowie am 20.10.2008 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert worden – behandelte der Beklagte die Überschüsse aus den Optionsgeschäften, in denen der Kläger als Käufer (Long-Positionen) fungierte, unter Hinweis auf Tz. 17 und 22 des BMF-Schreibens vom 27.11.2001 (BStBl I 2001, 986) als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Soweit der Kläger demgegenüber im Eröffnungsgeschäft als Stillhalter (Short-Positionen) tätig war, ordnete er unter Hinweis auf die Tz. 24, 26 und 27 des BMF-Schreibens vom 27.11.2001 die erzielten Prämien aus dem Verkauf von Optionen abzüglich der für die Glattstellung aufgewandten Prämien und der Nebenkosten den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG zu. Eine Verrechnung der Verluste aus den Stillhaltergeschäften (./. 17.705.730 €) mit den Gewinnen aus den Veräußerungsgeschäften (5.237.850 €) lehnte er aufgrund des Verrechnungsverbotes des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ab. Infolge der Übernahme eines Additionsfehlers aus der Zusammenstellung vom 14.11.2007 setzte der Beklagte dabei die Einkünfte aus Options-Veräußerungsgeschäften mit einem um 22.500 € geringeren Betrag (5.215.350 €) an. Mit Bescheid gleichen Datums stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2002 für die Einkünfte aus Leistungen mit 20.820.750 € fest (verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2001: 3.115.020 €).

10Mit dem gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2002 gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die Verrechnung der Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften mit den Verlusten aus Stillhaltergeschäften. Zur Begründung verwiesen sie auf den durch den Charakter des Kombinationsgeschäftes vermittelten zwingenden wirtschaftlichen Zusammenhang. Stillhaltergeschäfte und Veräußerungsgeschäfte mit Optionen seien einheitlich als Termingeschäfte unter die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu subsumieren, so dass das Verrechnungsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht eingreife. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 12.10.2004, 12.5.2005, 30.8.2006 und 11.8.2008 verwiesen.

11Mit Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass durch die BFH-Urteile X R 197/87, IX R 2/02, IX R 26/03, IX R 23/06 und IX R 40/06 höchstrichterlich geklärt sei, dass Stillhaltergeschäfte auf einen Aktienindex nach § 22 Nr. 3 EStG als Einkünfte aus Leistungen zu erfassen seien und eine Verrechnung der Verluste aus derartigen Stillhaltergeschäften mit Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ausscheide. Eine Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG habe sich insoweit nicht ergeben. Auch bei mit Optionskäufen kombinierten Stillhaltergeschäften würden ungeachtet des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwei rechtlich selbstständige Grundgeschäfte getätigt, die einkommensteuerlich getrennt zu behandeln seien.

12Die Einräumung einer Option stelle kein Veräußerungsgeschäft im Sinne der gegenüber § 22 Nr. 3 EStG vorrangigen Vorschrift des § 23 EStG dar. Die Rechtsprechung trenne zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (sog. Trennungstheorie). Deshalb bildeten das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z. B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Vielmehr stelle das Stillhalten durch den Optionsverkäufer eine wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Leistung dar, die losgelöst von dem nachfolgenden Basis- oder Gegengeschäft zu beurteilen sei. Die Einräumung einer Option sei kein Veräußerungsvorgang oder veräußerungsähnlicher Vorgang, bei dem ein Entgelt dafür gezahlt werde, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben werde. Die Bestellung der Option liege allein im Nutzungsbereich. Der Stillhalter erhalte die Prämie nur als Gegenleistung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung der Option eingegangen sei, nicht aber als Gegenleistung für die Ausführung des Basis- oder Gegengeschäftes. Eine Schließung des Geschäftes durch Glattstellung müsse nicht zwangsläufig stattfinden. In jedem Fall sei die Stillhalterprämie nicht durch das Schließen des Geschäftes wirtschaftlich veranlasst. Der im Zeitpunkt der Prämienzahlung gegebene wirtschaftliche Zusammenhang werde nicht nachträglich durch das Gegengeschäft korrigiert. Diese Prämie sei deshalb unabhängig davon nach § 22 Nr. 3 EStG zu versteuern, ob es bei dem nachfolgenden Geschäft zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten, zu einer Glattstellung oder lediglich zu einem Ausgleich in Geld komme. Es sei daher auch unbedeutend, dass der Kläger Stillhalterprämien auf DAX-Kontrakte, mithin auf Basiswerte, bei denen eine Lieferung nicht möglich sei, vereinnahmt habe. Auch die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG greife nicht ein, da die im Rahmen eines Stillhaltergeschäftes eingeräumte Option beim Optionsgeber nicht die Merkmale eines selbstgeschaffenen Wirtschaftsgutes erfülle und die Einräumung der Option keine Veräußerung darstelle. Weiterhin sei auch der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht einschlägig. Diese Vorschrift setze den Erwerb eines Rechts voraus, an dem es bei der Einräumung der Option durch den Stillhalter fehle. Der Optionsgeber sei nicht der Erwerber eines Rechts, sondern der Verpflichtete des von ihm erstmalig eingeräumten Rechts. Die Prämie des Stillhalters werde auch nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG bestimmt. Sie werde vielmehr zu Beginn des Geschäftes festgesetzt und unterliege keinen nachträglichen Veränderungen. Schließlich sei ein Vergleich der in Tz. 34 ff. des BMF-Schreiben vom 27.11.2001 den Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugewiesenen Future-Kontrakte mit Optionsverkäufen nicht möglich, da diese Geschäfte erst am Verfalltag erfüllt werden müssten und vorher keine Prämie gezahlt werde.

13Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, dass die Ergebnisse der im Streitjahr getätigten Kombinationsgeschäfte insgesamt als Termingeschäfte den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuweisen seien und damit deren teilweise Einordnung unter die subsidiäre Besteuerungsnorm des § 22 Nr. 3 EStG ausscheide.

14§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG verwende den Begriff „Termingeschäft“ als Typusbegriff, der durch die Risiken einer Hebelwirkung, eines Totalverlustes des angelegten Kapitals und der Gefahr gekennzeichnet sei, planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen zu müssen. Auch nach dem BMF-Schreiben vom 27.11.2001 stellten sämtliche als Options- oder Festgeschäfte ausgestalteten Finanzinstrumente, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von den Börsen- oder Marktpreisen von Wertpapieren abhängt, Termingeschäfte im Sinne der Vorschrift dar. Damit werde an die gesetzliche Definition in § 2 Abs. 2 und Abs. 2a WpHG angeknüpft. Bei den Optionsgeschäften des Klägers handele sich um derartige Termingeschäfte, weil er hierdurch einen Anspruch auf bzw. die Verpflichtung zu einem Differenzausgleich erworben habe, der der Höhe nach durch eine veränderliche Bezugsgröße (DAX-Index) bestimmt worden sei. Eine effektive Abnahme oder Lieferung des Basiswertes sei von vornherein ausgeschlossen gewesen. Ein von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasstes Termingeschäft setze keine Anschaffung oder Veräußerung eines Wirtschaftsgutes, sondern lediglich den Erwerb und die Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich oder eines durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrages oder Vorteils innerhalb der Frist von einem Jahr voraus. Der Kläger habe bei den von ihm getätigten Kombinationsgeschäften allein das Ziel verfolgt, Differenzen zwischen den gezahlten und erhaltenen Optionsprämien im Sinne eines Differenzgewinns zu erzielen. Als Ergebnis dieser kombinierten Optionsgeschäfte habe er jeweils einen einheitlich zu beurteilenden Verlust und nicht einerseits einen Verlust und andererseits einen Gewinn erzielt. Eine Unterscheidung zwischen den zeitgleich erworbenen und verkauften Optionsrechten im Sinne rechtlich selbstständiger Einzelgeschäfte werde diesem wirtschaftlichen Sachverhalt nicht gerecht. Der Erwerb des Rechts sei bei den Kombinationsgeschäften des Klägers durch den Abschluss der Eröffnungsgeschäfte, d.h. den zeitgleichen Erwerb bzw. Verkauf von Put-Optionen erfolgt. Sodann sei das Recht auf Differenzausgleich durch die zeitgleiche Glattstellung der eröffneten Geschäfte für denselben Stichtag beendet worden. Der Differenzgewinn aus diesen einheitlich als Termingeschäft einzustufenden Optionsgeschäften sei daher ebenso einheitlich der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu unterwerfen. Für diese rechtliche Einordnung spreche auch § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG.

15Bei den Kombinationsgeschäften seien sowohl das Eröffnungs- als auch das Gegengeschäft Teil eines einheitlichen Handlungs- und Erfolgstatbestandes gewesen. Der zeitgleiche Abschluss und die Schließung beider Geschäfte zu demselben Stichtag belegten, dass der Kläger hierdurch den einheitlichen Zweck der Erzielung eines Differenzgewinns unter kompensatorischer Begrenzung seines Risikos verfolgt habe. Eine Auflösung des Sicherungszusammenhangs zwischen den verkauften und den gekauften Optionen durch vorzeitiges Schließen des Eröffnungs- oder Gegengeschäftes mache wirtschaftlich keinen Sinn. Es erscheint fraglich, ob diese bei Kombinationsgeschäften bestehenden Besonderheiten in der bislang vorliegenden BFH-Rechtsprechung zur Einordnung von Stillhaltergeschäften ausreichend berücksichtigt worden seien.

16Die Unterscheidung zwischen Einkünften aus Leistungen und Veräußerungsgeschäften bei Optionskombinationen werde auch durch den Systemwechsel im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 in Frage gestellt. Im Zuge der Einführung der Abgel-tungssteuer habe der Gesetzgeber den Einkünften aus Kapitalvermögen auch vereinnahmte Stillhalterprämien (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n.F.) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Optionsrechten (§ 20 Abs. 2 Nr. 3b EStG n.F.) zugewiesen. Eine dem § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG entsprechende Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus Stillhaltergeschäften bestehe damit nicht mehr. Folgerichtig müsse dies auch für die durch den Kläger im Jahr 2002 getätigten Kombinationsgeschäfte gelten, da der Gesetzgeber mit der Zuordnung des Ergebnisses aus Kombinationsgeschäften zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der Trennungstheorie die Grundlage genommen habe. Dadurch werde deutlich, dass die Trennungstheorie auf der willkürlichen Aufteilung eines einheitlichen Handlungs- und Erfolgstatbestandes beruhe und daher keinen Bestand haben könne.

17Das Erfordernis, Kombinationsgeschäfte steuerlich einheitlich zu beurteilen, ergebe sich weiterhin aus der entsprechenden Anwendung der für Bewertungseinheiten zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken geltenden Grundsätze in Steuer- und Handelsbilanzen. Hierzu sei auf § 5 Abs. 1a EStG und den Aufsatz von Christiansen in DStR 2003, 264 zu verweisen.

18Dass die von dem Kläger ausgeführten Optionskombinationsgeschäfte als spezielle „Termingeschäfte“ dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG unterfielen, sei schließlich ein Gebot der verfassungskonformen Auslegung. Denn der Kauf und der Verkauf der Optionen stünden bei diesen Geschäften in einem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang und dienten der wechselseitigen Absicherung. Deswegen müsse auch der einkommensteuerliche Belastungstatbestand auf dieses Kombinationsgeschäft ausgerichtet werden. Die auf einen Differenzausgleich angelegten Optionsgeschäfte hätten keine Ähnlichkeit mit der gelegentlichen Vermittlung oder der Vermietung beweglicher Gegenstände, die § 22 Nr. 3 EStG zur Verdeutlichung des Auffangtatbestandes der „Leistung“ nenne. Innerhalb der Termingeschäfte des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sei der Überschuss aller Einnahmen über alle Werbungskosten zu errechnen, damit die Vorgaben des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfüllt würden. Dieses Auslegungsergebnis sei zwingend, weil die Verfassung die Trennung eines einheitlichen Geschäftes in einen Gewinnteil und einen davon abgesonderten Verlustteil, und damit den einkommensteuerlichen Zugriff auf einen Verlusttatbestand, nicht gestatte. Dies folge aus der Garantie der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Belastungsmaßes (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie aus dem Gebot der folgerichtigen Beachtung der im Einkommensteuergesetz getroffenen Belastungsentscheidungen (Art. 3 Abs. 1 GG), das für die Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG die Überschussermittlung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG fordere. Das aus der Eigentumsgarantie und dem Gleichheitssatz abgeleitete Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit erlaube nur die Besteuerung eines tatsächlich zugeflossenen Zuwachses oder einer ausweisbaren Vermögensmehrung. Der Gleichheitssatz verlange dabei eine folgerichtige und widerspruchsfreie Ausführung der gesetzlich statuierten Belastungsprinzipien. § 2 EStG und das darin verankerte objektive Nettoprinzip würden nicht folgerichtig angewendet, wenn die Besteuerung nur die Einnahmen, nicht aber auch die Aufwendungen aus derselben Erwerbsgrundlage berücksichtige. Die Einkünfteerzielungstatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG bauten auf sog. Handlungstatbeständen auf, denen die Nutzung einer Erwerbsgrundlage zugrunde liege. Es unterliege der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen, ob er Einkünfte durch Abschluss von Optionsgeschäften als Einzelgeschäfte mit der Folge eines unbegrenzten Risikos oder Einkünfte durch Abschluss von Kombinationsgeschäften mit der Folge eines begrenzten Risikos erzielen wolle. Sei letzteres der Fall, könne die einheitliche Nutzung einer Erwerbsgrundlage nicht künstlich in die Tatbestände des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und des § 22 Nr. 3 EStG aufgeteilt werden. Denn in diesem Falle werde mit dem Eröffnungs- und dem Gegengeschäft kein jeweils eigenständiger wirtschaftlicher Zweck, sondern ein einheitlicher wirtschaftlicher Zweck verfolgt. Eine Gesetzesauslegung, die durch Aufteilung des negativen Ergebnisses eines einheitlichen Kombinationsgeschäfts in einen nicht ausgleichsfähigen Verlust aus Leistungseinkünften und positive Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Ergebnis einen Verlust als der Besteuerung zu unterwerfendes positives Einkommen behandele, müsse demgegenüber zur Verfassungswidrigkeit des Verbots des Verlustausgleichs in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG führen.

19Letztlich sei noch auf den Beschluss des BVerfG vom 11.10.2010 2 BvR 1710/10 zu verweisen, mit dem der in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangene Beschluss des BFH vom 25. 5. 2010 IX B 179/09 aufgehoben worden sei. Dem aufgehobenen BFH-Beschluss liege wiederum eine Beschwerde gegen den Beschluss des FG München vom 12.8.2009 1 V 1139/09 zu Grunde, mit dem das FG die Trennung zwischen dem Stillhaltergeschäft und dem Basisgeschäft (Lieferung des Basiswerts bzw. Barausgleich) mit der Folge eines Verlustverrechnungsverbotes zwischen den wirtschaftlich zusammenhängenden Geschäften als ernstlich zweifelhaft beurteilt und eine Verrechnung der Verluste aus den Basisgeschäften bis zur Höhe der erhaltenen Stillhalterprämien zugelassen habe. Zur Begründung habe das FG auch auf Wertungswidersprüche zu der Besteuerung des gewerblichen Stillhalters und dem Werbungskostenabzug im Falle der Glattstellung verwiesen. Ein Verlustausgleich widerspreche nach Auffassung des FG nicht dem Ziel der in § 22 Nr. 3 Satz 3 und § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG geregelten eingeschränkten Verlustverrechnung. Nachdem der BFH demgegenüber an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten habe, habe das BVerfG gerügt, das unter Beachtung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz zu prüfen gewesen sei, ob in der Vollziehung der angefochtenen Bescheide eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liege. Dabei sei nach Auffassung des BVerfG zu beachten, dass bei summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auffassung des BFH nicht völlig ausgeschlossen seien. Dies ergebe sich aus den Stellungnahmen in der Literatur, die die getrennte Erfassung von Options- und Basisgeschäft für verfassungswidrig hielten. Bei den von dem Kläger getätigten Kombinationsgeschäften träten die rechtlichen Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung des BFH noch deutlicher zu Tage als in dem von dem BVerfG entschiedenen Fall. Denn die Besonderheit des Streitfalles bestehe darin, dass die getätigten Kombinationsgeschäfte Teil eines einheitlichen Handlungs- und Erfolgstatbestandes gewesen seien. Eine Zerlegung des einheitlichen, ausschließlich auf die Erzielung eines Differenzgewinns ausgerichteten Optionsgeschäfts in die Tatbestände des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG und des § 22 Nr. 3 EStG komme nicht in Betracht. Der Beschluss des BVerfG verdeutliche, dass die von dem Beklagten vertretene Anwendung der Trennungstheorie auf die von dem Kläger getätigten Kombinationsgeschäfte sowohl in materiellrechtlicher Hinsicht als auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Aspekte nicht haltbar sei.

20Die Kläger beantragen,

211.     den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 4.2.2004, zuletzt geändert durch Bescheid vom 8.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008, dahingehend zu ändern, dass der bislang bei den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG erfasste Verlust i.H.v. 18.640.441 € aus dem Verkauf von Optionen im Rahmen der sog. Kombinationsgeschäfte den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG zugewiesen wird,

222.     hilfsweise die Revision zuzulassen.

23Der Beklagte beantragt,

24die Klage abzuweisen.

25Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.

26Mit dem im Anschluss an die mündliche Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 7.11.2012, auf den Bezug genommen wird, haben die Kläger ergänzend vorgetragen, dass der Verkauf und der Kauf der Optionen im Rahmen der streitbefangenen Kombinationsgeschäfte stets zeitgleich erfolgt seien.

27Entscheidungsgründe

28Die Klage ist unbegründet.

29Die Festsetzung der Einkommensteuer 2002 durch den angegriffenen Bescheid ist – mit Ausnahme der die Kläger nicht belastenden und von ihnen nicht angegriffenen Bemessung der Einkünfte aus der Veräußerung erworbener Optionen mit einem um 22.500 € zu niedrigeren Betrag – rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht den Verlust aus Stillhaltergeschäften mit Put-Optionen i.H.v. ./. 18.640.441 € nicht den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999 (im Folgenden: EStG) zugewiesen und eine Verrechnung des insgesamt aus Stillhaltergeschäften i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG erzielten Verlustes i.H.v. ./. 17.705.730 € mit den positiven Einkünften aus der Veräußerung erworbener Optionen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) unter Berufung auf die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG abgelehnt.

301. Zutreffend hat der Beklagte die Einkünfte aus den Optionsgeschäften in der Weise ermittelt, dass Aufwendungen zum Schließen der verkauften Optionen unter Durchbrechung des Zu- und Abflussprinzips im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Optionsprämie, die Anschaffungskosten für erworbene Optionen hingegen im Jahr der Beendigung der Option berücksichtigt worden sind (vgl. dazu Urteile des BFH vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BStBl II 1992, 1017, und vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BStBl II 1991, 916). Da die Kläger der daraus resultierenden Erhöhung der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Streitjahr mit Schreiben vom 11.8.2008 zugestimmt haben, konnte die entsprechende Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2002 mit Bescheid vom 20.10.2008 auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, aber auch unabhängig davon auf den weiterhin bestehenden Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 2 AO) gestützt werden.

312. Zutreffend und insoweit zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig hat der Beklagte weiterhin die Optionsgeschäfte des Klägers nicht als gewerblichen Wertpapierhandel – mit der Folge einer Verrechnungsmöglichkeit von Stillhalterprämien und den Ergebnissen aus dem Optionshandel – erfasst, sondern als private Vermögensverwaltung des Klägers gewertet.

32Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Betätigung nur in besonderen Fällen, nämlich wenn sich der Steuerpflichtige „wie ein Händler” verhalten hat (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1998 XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448; vom 20. Dezember 2000 X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, m.w.N.). Beweisanzeichen für eine solche Zuordnung sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen. Der An- und Verkauf von Wertpapieren kann ferner die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten, wenn der Steuerpflichtige ohne Einsatz eigenen Vermögens mit beruflich erlangten Kenntnissen Kursdifferenzen ausnützt und sich „bankentypisch” verhält. Bei der rechtlichen Zuordnung anhand der vorgenannten Kriterien kann nicht isoliert auf einzelne Merkmale abgestellt werden; vielmehr ist das Gesamtbild entscheidend, wobei die einzelnen Beweisanzeichen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2000, a.a.O.; vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408; vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995 und vom 1. Juni 2004 IX R 35/01, BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26).

33Im Streitfall ist der Kläger in allen Fällen nur auf eigene Rechnung tätig geworden und hat keine eigene Büroorganisation eingeschaltet. Er verfügte über keine einschlägigen beruflichen Erfahrungen und konnte das Risiko der Transaktionen aus seinem anderweitig erworbenen Vermögen abdecken. Ungeachtet des hohen Betrags der vereinnahmten und gezahlten Optionsprämien lässt das Gesamtbild damit kein händlertypisches Verhalten erkennen.

343. Die Einkünfte aus der Glattstellung der von dem Kläger erworbenen Optionsrechte sind als private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar. Private Veräußerungsgeschäfte sind danach Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

35Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sein können, zählen nach der – noch zu der bis zum Jahr 1998 geltenden Vorgängerregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b EStG ergangenen – BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 24. Juni 2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752, und vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995) auch an der EUREX gehandelte Optionen, und zwar unabhängig davon, welcher Basiswert den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildet. Denn es handelt sich um vermögenswerte Vorteile, die selbstständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Da das Optionsrecht selbst als fungibler Gegenstand das für § 23 EStG maßgebende Wirtschaftsgut ist, erlangt auch der Erwerber einer Option auf den DAX, die mangels lieferbaren Basiswertes nur durch Glattstellung oder Barausgleich geschlossen werden kann, ein veräußerungsfähiges Wirtschaftsgut.

36Werden die erworbenen Optionsrechte durch Gegengeschäfte innerhalb der Spekulationsfrist glattgestellt, d.h., durch den Verkauf einer Option der gleichen Serie geschlossen, verwirklicht der Optionskäufer in Höhe der Differenz zwischen der bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten und der bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien den Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Denn das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstellt, führt zu einer Veräußerung der Option (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24 Juni 2003, a.a.O., m.w.N. der Rspr.). Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft bilden keine Einheit, die sich lediglich auf einen Differenzausgleich richtet. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH zwischen Optionsvertrag und Übertragungsgeschäft, also zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft, rechtlich zu unterscheiden, da der Steuerpflichtige mit jedem Teilschritt einen eigenständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, insbesondere die Option verfallen lassen kann (sog. Trennungstheorie). Dies gilt auch im Zusammenhang mit einer Glattstellung. Diese Veräußerung führt nicht lediglich zu einem Rückgängigmachen des Eröffnungsgeschäfts, sondern zu seiner wirtschaftlichen Erfüllung. Maßgebend für den Steuertatbestand ist nämlich, dass mit der Glattstellung die Werterhöhungen des Wirtschaftsgutes realisiert werden. Der Optionsberechtigte erhält für das Gegengeschäft eine Prämie, die von der Kursentwicklung des den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Indexes abhängt und damit den Wert der Option selbst repräsentiert. Das Glattstellungsgeschäft führt so zu einem Vermögenszuwachs des Steuerpflichtigen und zu einer Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Optionsberechtigte realisiert dadurch die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns. Hierin liegt der Zufluss des Veräußerungspreises.

37Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verdrängt als speziellere Norm die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG über Termingeschäfte (Carlé in: Korn, EStG, § 23, Tz. 54.1; Wernsmann in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 23, Tz. B 170 f.; jeweils m. w. N. der h. L.; Heuermann DB 2004, 1848; a. A. Glenk in: Blümich, EStG, § 23, Tz. 71 f.).  Die Einkünfte aus der Glattstellung der erworbenen Optionsrechte können daher – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht dem Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugeordnet werden.

384. Die Prämien, die der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmte, sind – abzüglich der Aufwendungen für die Glattstellung dieser Stillhaltergeschäfte – als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus Leistungen) und nicht als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfassen.

394.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; vom 29. Juni 2004, a.a.O.), der der erkennende Senat folgt, stellt die Einräumung einer Option kein Veräußerungsgeschäft im Sinne der gegenüber § 22 Nr. 3 EStG vorrangigen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar, weil es an einem der „Veräußerung“ vorgeschalteten Erwerb eines Wirtschaftsgutes fehlt. Der Optionsgeber erhält die Prämie allein für die Stillhaltung als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht. Auch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, der Veräußerungsgeschäfte erfasst, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb, ist nicht einschlägig, da die im Rahmen eines Stillhaltergeschäfts eingeräumte Option beim Optionsgeber nicht die Merkmale eines selbst geschaffenen Wirtschaftsguts erfüllt und die Einräumung der Option daher keine Veräußerung darstellen kann. Denn die Option begründet für den Optionsgeber nur eine Verpflichtung, deren Übernahme durch die Prämie abgegolten wird (vgl. dazu eingehend: Heuermann, DB 2004, 1848).

40Weiterhin bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das bei Ausübung der Option nachfolgende Gegengeschäft kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Gegengeschäft nicht durchführen muss. Die Stillhalterprämie kann deshalb nicht zusammen mit dem Gegengeschäft einheitlich einer der Tatbestandsalternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeordnet werden.

41An dieser Rechtslage hat sich nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nichts geändert (Urteil des BFH vom 17. April 2007 IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608; so auch die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. z.B. Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Tz. 200 und 210 (Stichwort: Optionspreis); Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 23 Tz. 24 und § 22 Tz. 150 (Stillhalterprämien); Lüsch in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 22, Tz. 390 (Stichwort: Optionsgeschäft); Heuermann DB 2004, 1848; BMF-Schreiben vom 27. November 2001, BStBl I 2001, 986 ff., Tz 24 und 27; a.A. Blümich/Glenk, § 23 EStG Tz. 71 f.). Denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft nach seinem Wortlaut lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt. Die Vorschrift erfasst Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Das Gesetz verzichtet damit zwar auf die Tatbestandsmerkmale „Wirtschaftsgut“ und „Veräußerung“, setzt aber den Erwerb (die Anschaffung) des dort umschriebenen Rechts voraus. Wer einem Anderen eine Option einräumt, ist nicht der Erwerber eines Rechts, sondern der Verpflichtete des von ihm erstmalig eingeräumte Rechts. Die Optionsprämie ist überdies kein „Geldbe-trag“ im Sinne der Vorschrift, weil sie nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt wird. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen. Die Prämie ist demgegenüber Gegenleistung für das Stillhalten. Der Stillhalter erwirbt den Anspruch auf die Prämie schon mit dem Abschluss der Optionsvereinbarung. Die erlangte Prämie bleibt ihm erhalten. Sie wird unabhängig davon erzielt, ob es je zu einem Basisgeschäft kommt oder wie das Optionsgeschäft sonst beendet wird. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich den Optionsinhaber; nur dessen Recht auf Durchführung des Optionsgeschäfts wird mit dem Ablauf, der Ausübung oder Glattstellung beendet. Aus der gesetzlichen Definition des Termingeschäfts in § 2 Abs. 2 und Abs. 2a WpHG folgt nichts anderes, da in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung des Erwerbs eines Rechts aufgestellt wird, die im Falle eines Stillhaltergeschäfts nicht erfüllt ist.

424.2. An dieser rechtlichen Zuordnung der Einkünfte aus Stillhaltergeschäften ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger den Verkauf und den Kauf von Optionen auf denselben Basiswert in Gestalt sog. Kombinationsgeschäfte zur Verminderung des Risikos der Stillhaltergeschäfte miteinander verknüpft hat. Die Kombinationsgeschäfte des Klägers sind vielmehr entsprechend den für die darin enthaltenen Grundgeschäfte geltenden steuerlichen Regelungen in Einkünfte aus Leistungen und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufzuteilen, da es sich um rechtlich selbstständige Grundgeschäfte handelt (so bereits Urteil des BFH vom 28. November 1990, a.a.O.; BMF-Schreiben vom 27.11.2001, a.a.O., Tz. 28; Wernsmann, a.a.O., Tz. B 181). Allein der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen diesen verschiedenartigen Grundgeschäften gibt keine Handhabe, die Stillhaltergeschäfte als Teil einheitlicher Veräußerungsgeschäfte zu qualifizieren.

43Entgegen der Auffassung der Kläger können die Stillhaltergeschäfte insbesondere nicht zusammen mit der Veräußerung der zur Risikobegrenzung erworbenen Optionen als einheitliches Termingeschäft unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG subsumiert werden. Die Kläger wollen die Besonderheit dieses einheitlichen Termingeschäftes darin sehen, dass hierdurch ein Anspruch auf bzw. die Verpflichtung zu einem Differenzausgleich i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erworben und allein das Ziel verfolgt werde, Differenzen zwischen den gezahlten und erhaltenen Optionsprämien im Sinne eines Differenzgewinns zu erzielen. Die Eingehung einer Verpflichtung gegen Entgelt durch die Einräumung einer Option kann aber nicht als Erwerb eines Rechts aufgefasst und damit dem steuerbegründenden Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG unterstellt werden. Zwar ist denkbar, dass der Erwerb eines Rechts auch die Übernahme einer damit einhergehenden, unselbstständigen Verpflichtung beinhaltet. Im Streitfall stellt indessen die Übernahme der Verpflichtung als Stillhalter ein rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Geschäft dar. Denn der Anspruch des Klägers auf die Stillhalterprämie hängt nicht davon ab, ob die im gegenläufigen Geschäft zur Risikobegrenzung erworbene Option veräußert wird oder verfällt. Andererseits begründet der Erwerb der Option für den Kläger unabhängig von dem Ergebnis des Stillhaltergeschäftes eine Gewinnchance durch deren Veräußerung. Sowohl das die Prämienzahlung auslösende Stillhaltergeschäft als auch die Veräußerung der erworbenen Option stellen eigenständige Erwerbsquellen dar. Der Umstand, dass der Kläger zwei rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Geschäfte mit dem Ziel der Risikobegrenzung durch Saldierung der aus diesen erzielten Gewinne oder Verluste kombiniert hat, lässt deren Selbstständigkeit nicht entfallen. Insbesondere ist diese Handhabung nicht geeignet, den Gewinn aus einem Stillhaltergeschäft, also der Eingehung einer Verpflichtung gegen Entgelt durch die Einräumung einer Option, in einen unselbstständigen Rechnungsposten eines Veräußerungsgeschäfts umzuqualifizieren. Auch der zeitgleiche Abschluss und die gleichzeitige Schließung beider Geschäfte ist nicht geeignet, dass Stillhaltergeschäft und ein zur Risikobegrenzung abgeschlossenes Veräußerungsgeschäfts zu einem einheitlichen Termingeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu verschmelzen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift durch das Stillhaltergeschäft nicht erfüllt werden. Gleiches gilt für den beide Geschäfte verbindenden wirtschaftlichen Zweck der kompensatorischen Risikobegrenzung. Der Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG kommt für die rechtliche Einordnung von Einkünften im Bereich der privaten Vermögensverwaltung ebenso wenig Bedeutung zu wie den für Bewertungseinheiten in Steuer- und Handelsbilanzen geltenden Regeln. Schließlich können sich die Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 sowohl Einkünfte aus Stillhaltergeschäften als auch Gewinne aus der Veräußerung von Optionsrechten ohne eine gegenseitige Verlustverrechnungsbeschränkung den Einkünften aus Kapitalvermögen zugewiesen hat. Denn diese Neuregelung beruht auf dem mit der Einführung der Abgeltungssteuer einhergehenden Systemwechsel und lässt daher keine Schlussfolgerungen auf die Rechtslage in früheren Veranlagungszeiträumen zu.

444.3. Ungeachtet des durch den Zweck der Risikobegrenzung vermittelten wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Veräußerung erworbener Optionen können die Stillhaltergeschäfte auch nicht auf der Grundlage der Vorrangklausel des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 22 Nr. 2 EStG zugeordnet werden. Denn maßgebend für die Zuordnung von Einkünften zu einer vorrangigen Einkunftsart aufgrund eines bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhangs ist die Einkunftsart, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 5. April 2006 IX R 111/00, BStBl II 2006, 654, m.w.N.). Nichts anderes kann bei der Zuordnung von Einkünften aus Leistungen zu den vorrangigen Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG gelten. Im Streitfall ist die Übernahme der Verpflichtung als Stillhalter das wirtschaftlich im Vordergrund stehende Geschäft. Denn die Gewinnchance des Klägers fließt allein aus der vereinnahmten Optionsprämie, deren Höhe bereits mit der Einräumung der Option feststeht. Eine über die Optionsprämie hinausgehende Gewinnchance ergibt sich demgegenüber auch nicht, wenn man den Erwerb gegenläufiger Optionen im Rahmen des Kombinationsgeschäfts in die Betrachtung einbezieht. Der Erwerb von Optionen im Rahmen der Kombinationsgeschäfte hatte gegenüber den im Vordergrund stehenden Stillhaltergeschäften nur eine nachrangige Funktion, nämlich die der Begrenzung ggf. entstehender Verluste bei der Glattstellung der eingeräumten Optionen.

45Andererseits scheidet auch eine Zuordnung der durch die Veräußerung der erworbenen Optionen getätigten privaten Veräußerungsgeschäfte zu den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG aufgrund der gesetzlich eindeutig geregelten Subsidiaritätsverhältnisses zwischen diesen Einkünften und den Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG aus. Die Vorrangklausel des § 23 Abs. 2 EStG erlaubt nur die Hinzurechnung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften zu anderen Einkunftsarten i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG, nicht aber zu anderen Einkünften im Rahmen der gleichen Einkunftsart. Dies folgt im Verhältnis zu den Einkünften aus Leistungen aus dem in § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG festgelegten systematischen Vorrang der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und aus der gesetzlichen Definition des Begriffs der „Einkunftsarten“ in Abgrenzung zu dem Begriff der „Einkünfte“ im Rahmen der gleichen Einkunftsart in § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG. Die gebotene Differenzierung zwischen den Begriffen „Einkunftsart“ und der „Einkünfte“ bestätigen schließlich die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EStG.

465. Der erkennende Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der auf dieser Auslegung beruhenden Einkünftezuordnung und der deshalb einer Verrechnung der Verluste aus Stillhaltergeschäften mit den Überschüssen aus der Glattstellung erworbener Optionen entgegenstehenden Verlustausgleichbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht überzeugt. Er hält daher auch die von den Klägern befürwortete verfassungskonforme Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der Weise, das der Verkauf und der Kauf von Optionen auf denselben Basiswert in Gestalt sog. Kombinationsgeschäfte als Termingeschäft im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sein soll, nicht für geboten.

47Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 30. September 1998 II BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Gestaltungsraum. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet aber, dass er nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzt. Voraussetzungen der Erfassung von Einkünften, die der Steuerpflichtige aus einer bestimmten Erwerbsgrundlage erzielt, sind gemäß § 2 Abs. 1 und 2 EStG eine Erwerbsgrundlage (Zustandstatbestand), deren Nutzung (Handlungstatbestand) und ein daraus sich ergebender Gewinn oder Überschuss (Erfolgstatbestand). Das Einkommensteuergesetz belastet die in § 2, §§ 13 ff. näher bestimmten Einkunftsarten grundsätzlich gleich. Soweit das Einkommensteuerrecht mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, müssen diese ihre Rechtfertigung in besonderen sachlichen Gründen finden. Allein die systematische Unterscheidung durch den Gesetzgeber kann die Ungleichbehandlung in den Rechtsfolgen nicht rechtfertigen.

48Durch die streitbefangenen Kombinationsgeschäfte erzielt der Kläger indessen keine Einkünfte auf einer einheitlichen Erwerbs- und Handlungsgrundlage. Erwerbs- und Handlungsgrundlage der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG ist die Abwicklung von Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Erwerb des später veräußerten Wirtschaftsguts des Privatvermögens unter Nutzung von Wertänderungen. Erwerbs- und Handlungsgrundlage der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG ist demgegenüber die auf die Erzielung eines Überschusses ausgerichtete Leistung unter Nutzung einer marktbezogenen, nicht privaten Erwerbsgrundlage, sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich handelt (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998, a.a.O.). Bereits die negative Abgrenzung von Veräußerungsvorgängen oder veräußerungsähnlichen Vorgängen bei der Bestimmung der in Betracht kommenden Erwerbs- und Handlungsgrundlagen der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG zeigt, dass den Einkünften des Klägers aus Stillhaltergeschäften einerseits und seinen Einkünften aus der Veräußerung erworbener Optionen unterschiedliche Erwerbs- und Handlungsgrundlagen zu Grunde liegen. Allein der aus der Sicht des Klägers durch den Zweck der Risikobegrenzung vermittelte wirtschaftliche Zusammenhang reicht nicht aus, um die im Rahmen eines Kombinationsgeschäfts getätigten Grundgeschäfte der Einräumung einer Option und der Veräußerung einer erworbenen Option zu einem einheitlichen Besteuerungsgegenstand zu verschmelzen. Der sachliche Grund für die systematische Unterscheidung dieser Grundgeschäfte liegt vielmehr neben ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit als jeweils eigenständige Erwerbsquellen (vgl. dazu oben unter Tz. 4.2.) in der Verschiedenenartigkeit der zur Einkunfts-erzielung eingesetzten Erwerbsgrundlagen und deren unterschiedlicher Nutzung zur Überschusserzielung. Der zeitgleiche Abschluss der Eröffnungsgeschäfte der Optionseinräumung und des Optionserwerbs ist ebenso wie die gleichzeitige Schließung beider Geschäfte nicht geeignet, die Eigenständigkeit dieser verschiedenartigen Erwerbsquellen zu beseitigen.

49Handelt es sich demnach bei den im Rahmen des Kombinationsgeschäfts getätigten Grundgeschäften der Einräumung einer Option und der Veräußerung einer erworbenen Option lediglich um zwei sich ergänzende selbstständige Optionsgeschäfte mit unterschiedlichen Erwerbs- und Handlungsgrundlagen, so kann die daraus folgende jeweils eigenständige Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses dieser Geschäfte im Rahmen der Einkünfte aus § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 und § 22 Nr. 3 EStG noch nicht zu der Annahme eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Garantien der Belastungsgleichheit, der Folgerichtigkeit und der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zwingen. Denn dadurch wird nicht der Verlust aus der Nutzung einer einheitlichen Erwerbsgrundlage als der Besteuerung zu unterwerfendes positives Einkommen behandelt. Die Zuordnung dieser unterschiedlichen wirtschaftlichen Betätigungen zu verschiedenen Einkunftsarten entspricht der folgerichtigen Ausprägung der Systematik der §§ 22 Nr. 3, 23 Abs. 1 EStG und der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch zu der Fallgestaltung von Spread-Kombinationsgeschäften – in langjähriger Kontinuität vertretenen Auslegung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87, a.a.O., und die Rechtsprechungshinweise unter Tz. 3. und 4.1. der Gründe). Der Kläger hat diese Rechtslage schlicht bei der Gestaltung seiner Optionsgeschäfte verkannt. Der Kontinuität der Rechtsprechung kommt auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht große Bedeutung zu; denn sie dient der von Art. 20 Abs. 3 GG umfassten Rechtssicherheit (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 24.4.2012 IX B 154/10, BStBl II 2012, 454, unter Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Wollte man eine jahrelange kontinuierliche Rechtsprechung, die zur Grundlage der ständigen Verwaltungspraxis geworden ist, nach Auslaufen des Rechts wieder in Frage zu stellen, würde dies mit Blick auf viele rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zu einer eklatant ungleichen steuerrechtlichen Behandlung führen (BFH-Beschluss vom 24.4.2012, a.a.O.).

50Dass die Verluste aus den Stillhaltergeschäften und die Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht verrechnet werden können, beruht letztlich auf der gesetzlichen Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG, deren Verfassungsmäßigkeit das BVerfG bereits mit den Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, a.a.O., der Prüfung unterzogen hat. Dabei hat es lediglich den Ausschluss eines periodenübergreifenden Verlustabzugs innerhalb der Einkünfte aus Leistungen, nicht aber das Verbot der Verlustverrechnung mit anderen Einkünften (vertikaler Verlustabzug) beanstandet. Es hat vielmehr den Gesetzgeber grundsätzlich als befugt angesehen, die Unschärfe des § 22 Nr. 3 EStG typisierend durch eine Begrenzung der Verlustverrechnung auszugleichen. Daran anschließend hat auch der BFH mit Urteil vom 18. September 2007 IX R 42/05, BStBl II 2008, 26, verfassungsrechtliche Zweifel an dem Verbot des vertikalen Verlustabzugs in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG vor dem Hintergrund der systematischen und strukturellen Verknüpfung der Verlustausgleichsbeschränkungen in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG und in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG und unter Hinweis auf sein zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG ergangenes Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl II 2007, 259 verneint. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, von diesen Aussagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen. Gründe, die es gebieten könnten, die Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG unabhängig von der – hier zu verneinenden – Konstellation einer einkünfteübergreifenden einheitlichen Erwerbs- und Handlungsgrundlage in Frage zustellen, haben auch die Kläger nicht vorgetragen.

51Soweit schließlich das BVerfG mit dem Beschluss vom 11.10.2010 2 BvR 1710/10, BFH/NV 2011, 180, rechtliche Zweifel an der getrennten Erfassung von Options- und Basisgeschäft nicht für völlig ausgeschlossen gehalten hat, ist die dieser Entscheidung zu Grunde liegende Frage des Verlustausgleichs zwischen Stillhalter- und Abschlussgeschäft im Streitfall ohne entscheidungserhebliche Bedeutung, da der Kläger die Stillhaltergeschäfte durch Glattstellung geschlossen hat und die hierfür gezahlten Prämien unbeschadet der Geltung der Trennungstheorie in dem angefochtenen Bescheid als Werbungskosten bei den Einkünften aus Leistungen abgezogen worden sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, a.a.O. ; BMF-Schreiben vom 27.11.2001, a.a.O., Tz. 26). Der Verlust des Klägers aus Stillhaltergeschäften resultiert gerade aus der Berücksichtigung des Prämienaufwands für die Abschlussgeschäfte. Die Besonderheit des Streitfalles liegt demgegenüber darin, dass der Kläger zusätzlich zu den Stillhaltergeschäften weitere Einkünfte aus der Veräußerung erworbener Optionen erzielt hat, deren Verrechnung mit dem Verlust aus Stillhaltergeschäften er begehrt.

525. Die Revision wird – auch im Hinblick auf das bereits bei dem BFH gegen das Urteil des FG Köln vom 15.5.2011 10 K 493/09 anhängige Revisionsverfahren IX R 10/12, das ebenfalls die steuerliche Beurteilung sog. Kombinationsgeschäfte zum Gegenstand hat – wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

53Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

FG Hessen: Aufwendungen einer Orchestermusikerin für sog. Dispokinese stellen Krankheitskosten dar

Hessisches FG Urteil vom 13.12.2011 – 12 K 2569/10

Pressemeldung des Gerichts:

“Entstehen einer Orchestermusikerin, die unter akuten Einschränkungen im Hals-Nacken-Schulterbereich leidet, Aufwendungen für sog. Dispokinese, handelt es sich hierbei um Krankheitskosten und damit um eine steuerlich nur beschränkt abziehbare außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) und nicht um unbeschränkt berücksichtigungsfähige Werbungskosten nach § 9 EStG. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 12 K 2569/10).

Geklagt hatte eine Orchestermusikerin, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezog. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie Aufwendungen von ca. 1.000 Euro für sog. Dispokinese geltend. Die Aufwendungen seien entstanden, weil sie aufgrund akuter Einschränkungen in der Schulter ihrer Erwerbstätigkeit als Musikerin nicht habe nachgehen können. Zur Behandlung dieser Erkrankung sei Krankengymnastik verordnet worden. Zudem habe sie Aufwendungen für eine Dispokinese-Fortbildung getätigt. Bei Dispokinese handele es sich um eine von Musikern für Musiker entwickelte ganzheitlich orientierte Schulungsform. Diese pädagogische Maßnahme habe zum Ziel, die Spielfähigkeit durch Veränderung der Haltung und der Eigenwahrnehmung zu verbessern. Der Musiker erlerne zahlreiche Übungen, die es ihm ermöglichten, auch in einer Auftrittsituation bessere Leistungen zu erbringen. Damit diene die Dispokinese der Erhaltung und Sicherung der Einnahmen als Berufsmusikerin, was den unbeschränkten Werbungskostenabzug zur Folge haben müsse.

Das Hessische Finanzgericht sah hingegen in den Aufwendungen für die Dispokinese lediglich beschränkt abziehbare Krankheitskosten. Denn die Klägerin habe die Dispokinesesitzungen – nachdem die Besuche bei der Krankengymnastin nicht den erhofften Erfolg gebracht hätten – absolviert, um ihre Gesundheit wieder herzustellen bzw. zu erhalten. Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin aufgrund der Dispokinese über eine verbesserte Körperhaltung verfügt habe und ihr Instrument schmerzfrei habe führen können. Diese Auswirkungen und die damit einhergehende Verbesserung des Spiels als Musikerin mache die Aufwendungen aber nicht zu Werbungskosten. Denn die Aufwendungen seien aufgebracht worden, um die gesundheitlichen Probleme zu bewältigen. Dabei handele es sich jedoch nur um steuerlich beschränkt abzugsfähige Krankheitskosten.

Das letzte Wort hat nun der Bundesfinanzhof (BFH), der die Revision zugelassen hat (Az. VI R 37/12).”

Hessisches Finanzgericht

FG Berlin-Brandenburg: Kosten der Eheschließung mit ausländischem Staatsbürger keine außergewöhnliche Belastung

FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.08.2012 – 7 K 7030/11

Pressemeldung des Gerichts:

“Steuerpflichtige, denen zwangsläufig größere Aufwendungen entstehen als der überwiegenden Mehrzahl der Bürger, können diese steuermindernd geltend machen. Typischer Fall solcher sogenannter außergewöhnlicher Belastungen sind Krankheitskosten, aber auch Kosten einer Ehescheidung können dazu gehören. Demgegenüber können die Kosten einer Eheschließung nach einem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. August 2012 (Aktenzeichen 7 K 7030/11) auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie deshalb besonders hoch sind, weil einer der Ehepartner ausländischer Staatsbürger ist.Im Streitfall hatte die Klägerin einen kanadischen Staatsbürger geheiratet. Neben den üblichen Kosten einer Hochzeit fielen dabei auch u.a. besondere Verwaltungsgebühren und Aufwendungen für Dolmetscherleistungen an; außerdem hatte die Klägerin die Flugkosten des Bräutigams nach Deutschland übernommen. Diese Aufwendungen sind nach Auffassung der Richter des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zum einen nicht als außergewöhnlich anzusehen, weil eine Eheschließung, auch mit einem ausländischen Staatsbürger, ein häufig vorkommender Vorfall ist; zum anderen seien die Aufwendungen auch nicht zwangsläufig entstanden, weil die Klägerin nicht gezwungen gewesen sei, ihren Partner zu heiraten. Selbst wenn die Ehe im Allgemeinen eine anerkannte und förderungswürdige Institution sei und die Klägerin in ihrem besonderen Fall möglicherweise wegen der erleichterten Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis in Kanada ein besonders Interesse an der Eheschließung gehabt haben mag, so gebe es gleichwohl keinen Anspruch auf eine unbegrenzte Subventionierung von Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Ehe.”

Finanzgericht Berlin-Brandenburg

Sind Erstattungszinsen immer einkommensteuerpflichtig?

Kernaussage

Zinsen, die der Staat auf Steuererstattungen zahlt (Erstattungszinsen), sind nicht steuerbar und damit nicht einkommensteuerpflichtig.

Sachverhalt

Die Kläger hatten in den Jahren 1992 bzw. 1996 Erstattungszinsen in erheblicher Höhe erhalten. Zugleich hatten sie in ihrer Steuererklärung auch Nachzahlungszinsen geltend gemacht. Das Finanzamt besteuerte die Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen und berücksichtigte die Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben. Im Jahr 2010 beantragten die Kläger sodann unter Hinweis auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Erstattungszinsen steuerfrei zu stellen. Dies war trotz Verstreichens des langen Zeitraums seit der Veranlagung noch möglich, da die angefochtenen Bescheide aufgrund von Einspruchs- und Klageverfahren noch nicht bestandskräftig und damit noch änderbar waren.

Entscheidung

Das Finanzgericht Münster gab den Klägern Recht. Der Gesetzgeber habe die Grundentscheidung getroffen, Erstattungszinsen zur Einkommensteuer dem nichtsteuerbaren Bereich zuzuweisen. Dies habe auch der BFH in seiner damaligen Entscheidung so gesehen. Soweit der BFH dies auch unter Hinweis auf den ab 1999 bestehenden Gleichklang zwischen der Steuerfreiheit von Erstattungszinsen einerseits und der Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen andererseits begründet habe, folge hieraus nicht, dass Erstattungszinsen steuerbar seien, solange Nachzahlungszinsen – wie in den Streitjahren – noch als Sonderausgaben abzugsfähig gewesen seien. Ein solcher Umkehrschluss stelle eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung dar.

Konsequenz

Der Grundsatz der Steuerfreiheit von Erstattungszinsen gilt nach Auffassung der Finanzrichter also auch dann, wenn die Erstattungszinsen in Zeiträumen angefallen sind, in denen vom Steuerpflichtigen gezahlte Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben abziehbar waren. Das letzte Wort hat jetzt wiederum der BFH; die Revision wurde zugelassen.

Wechsel zur Fahrtenbuchmethode im laufenden Kalenderjahr unzulässig

Kernproblem

Die private Nutzung eines Dienstwagens ist für jeden Kalendermonat mit 1 % des Pkw-Listenpreises anzusetzen. Abweichend hiervon kann der Wert mit dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der Kraftfahrzeugaufwendungen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen die Aufzeichnungen u. a. zeitnah, in geschlossener Form und unter Angabe des Gesamtkilometerstandes in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Bisher noch höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage, ob der Wechsel von der 1 %-Regel zur Fahrtenbuchmethode während des laufenden Kalenderjahres möglich ist, ohne dass ein Fahrzeugwechsel erfolgt.

-> Dienstwagen Rechner

Sachverhalt

Ein Angestellter und dreifacher Vater hatte von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommen, der auch privat genutzt werden durfte. Zum 1.5. des Streitjahres begann er mit der Führung eines inhaltlich ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs, während vorher die 1 %-Methode angewendet wurde. Der Arbeitgeber ermittelte den Sachbezug ab Mai auf Basis des Fahrtenbuchs, was das Finanzamt anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandete. Das Finanzamt bezog sich auf die Verwaltungsanweisung, nach der bei demselben Kfz das Verfahren während des Kalenderjahrs nicht gewechselt werden darf. Der Familienvater begründete den Methodenwechsel mit der Geburt seines dritten Kindes und die eingeschränkte Privatnutzungsmöglichkeit des Dienstwagens wegen der Platzierung von 3 Kindersitzen. Nach ablehnender Einspruchsentscheidung des Finanzamts klagte er wegen familienfeindlicher Richtlinienanwendung vor dem Finanzgericht Münster.

Entscheidung

Das Gericht folgte der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung, denn eine monatlich wechselnde Fahrtenbuchführung berge eine erhöhte Manipulationsgefahr und sei schwer überprüfbar. Die Richter sehen ein Fahrtenbuch nur dann als ordnungsgemäß an, wenn es für einen repräsentativen Zeitraum von mindestens einem Jahr geführt wird. Dagegen widerspreche ein monatlicher Wechsel zwischen der Fahrtenbuch- und der 1 %-Methode dem Vereinfachungs- und Typisierungsgedanken der gesetzlichen Regelung.

Konsequenz

Das Gericht hat die persönlichen Lebensumstände bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Ob das Bestand haben wird, kann jetzt der BFH überprüfen, denn dort ist die Revision wegen besonderer Bedeutung anhängig geworden.

E-Bilanz – Übergangsfrist endet: Sind Sie vorbereitet?

Die Zeit drängt. Für Wirtschaftsjahre ab dem 01.01.2013 muss die Einreichung der Jahresabschlussbilanz in elektronischer Form erfolgen. Den 1,35 Millionen betroffenen Unternehmen bleibt nur noch wenig Zeit, die notwendigen Umstellungen in Buchhaltung und IT vorzunehmen. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) empfiehlt den betroffenen Unternehmen, sich dazu rechtzeitig an ihren Steuerberater zu wenden.

Die Regelung zur E-Bilanz ist Teil des Steuerbürokratieabbaugesetzes (SteuBAG) der Bundesregierung, das Ende 2008 verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz wurde die Grundlage geschaffen, die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie auch für das Besteuerungsverfahren zu nutzen. Ziel ist es, die elektronische Kommunikation zwischen Unternehmen und Steuerbehörden zu verbessern.

Die Umsetzung des Gesetzes wurde bereits zweimal um je ein Jahr verschoben. Da es lange kein festes Regelwerk zur Abgabe einer Steuerbilanz gab, hat sich ein Großteil der deutschen Unternehmen bis heute nicht eingehend mit der E-Bilanz und deren Umsetzung auseinandergesetzt. Dies muss nun dringend geschehen.

Die allgemeine Nichtbeanstandungsregelung der Finanzverwaltung ermöglichte es noch für das erste Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2011 begann, die Bilanz in Papierform einzureichen. Doch die Übergangsfrist endet nun mit dem Jahr 2012. Die Abgabe einer E-Bilanz wird für das Wirtschaftsjahr 2013 zur Pflicht.

Künftig müssen Unternehmen ihre Daten in ein elektronisches Übermittlungsformat (XBRL) übertragen und bei der Finanzverwaltung einreichen. Die Umstellung bedarf u. U. einer längeren Vorbereitungszeit, wenn die Unternehmen mehr und detailliertere Daten erarbeiten und die IT-Systeme anpassen müssen.

Die BStBK empfiehlt die Anpassung der Buchführung an die Erfordernisse der E-Bilanz bis Ende 2012 vorzunehmen, um 2013 bereits richtig buchen zu können. Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter www.bstbk.de.