Archiv der Kategorie: Privatbereich

Zum Wegfall eines Vergütungsanspruchs bei „Kartenlegen“

Zum Wegfall eines Vergütungsanspruchs bei „Kartenlegen“

Kernproblem

Der Bundesgerichtshof hat sich jüngst mit der Frage beschäftigt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Vergütung einer Leistung besteht, die unter Einsatz übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten erbracht werden soll.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Selbstständige und bietet Lebensberatung (life coaching) an, wobei sie ihre Ratschläge anhand der durch Kartenlegen gewonnenen Erkenntnisse erteilt. Der Beklagte traf erstmals im September 2007 auf die Klägerin, als er sich in einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise befand. Die Klägerin legte ihm am Telefon mehrfach zu verschiedenen beruflichen und privaten Lebensfragen die Karten und gab Ratschläge. Hierfür zahlte der Beklagte in 2008 über 35.000 EUR. Für weitere, Anfang 2009 erbrachte Leistungen verlangt die Klägerin rd. 6.700 EUR und blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen, dass die von der Klägerin versprochene Leistung objektiv unmöglich ist; sie konnte nach den Naturgesetzen bzw. dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden. Daraus folgt allerdings nicht zwingend ein Wegfall des Vergütungsanspruchs der Klägerin. Denn im Rahmen der Vertragsfreiheit können Parteien wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich gegen Entgelt dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem Glauben oder einer irrationalen Haltung entsprechen. Im vorliegenden Fall lag es nicht fern, anzunehmen, dass die Klägerin die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstandes beanspruchen konnte, dass die Tauglichkeit der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar war. Erkauft sich nämlich jemand derartige Leistungen in dem Bewusstsein, dass die Geeignetheit zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht erklärbar ist, würde es den Motiven der Parteien widersprechen, einen Vergütungsanspruch zu verneinen.

Konsequenz

Der BGH verwies die Sache dennoch an das OLG zurück, um klären zu lassen, ob die Vereinbarung der Parteien wegen Sittenwidrigkeit nichtig war (§ 138 BGB). Derartige Verträge schließen vielfach Personen, die sich in einer schwierigen Lebensphase befinden oder generell leichtgläubig, unerfahren oder psychisch labil sind. In solchen Fällen dürfen nach Ansicht des BFGH keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten gestellt werden.

Teilzeitbeschäftigte müssen nicht zwingend nachmittags arbeiten

Teilzeitbeschäftigte müssen nicht zwingend nachmittags arbeiten

Kernfrage

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, der in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens unter mehr oder weniger strengen Voraussetzungen gewährt werden muss. Eine Ablehnung muss jedenfalls auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt sein. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte über das Teilzeitbeschäftigungsverlangen eines Arbeitnehmers zu entscheiden, der aus privaten Gründen zudem nicht mehr in dem im Betrieb üblichen Schichtdienst eingesetzt werden wollte, sondern eine ausschließliche Beschäftigung in der Frühschicht verlangte.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer verlangte mit sofortiger Wirkung aus privaten Gründen in Teilzeit, und zwar nur in der Frühschicht an 3 Tagen in der Woche, eingesetzt zu werden. Dieses Verlangen wies der beklagte Arbeitgeber mit der Begründung zurück, alle Arbeitnehmer müssten in dem im Betrieb geltenden Zweischichtdienst eingesetzt werden können. Der Arbeitgeber unterlag schließlich vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Gericht urteilte, dass der Arbeitnehmer zwar keinen Anspruch habe, sofort in Teilzeit eingesetzt zu werden, weil eine dreimonatige Anzeigefrist gelte. Dies mache aber nicht das Verlangen insgesamt unwirksam, sondern verschiebe lediglich den Beginn der Teilzeit um die einzuhaltende Antragsfrist. In der Sache selbst hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg, weil er nicht darlegen konnte, dass ein ausschließlicher Einsatz in einer Schicht weder durch eine zumutbare Änderung der Betriebsabläufe, noch durch den Einsatz einer in der anderen Schicht tätigen Ersatzkraft ermöglicht werden konnte.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt, welche Anstrengungen der Arbeitgeber unternehmen muss, um Teilzeitarbeit zu ermöglichen. Die bisherige Betriebspraxis stellt jedenfalls keinen Grund dar, der das Teilzeitverlangen verhindern kann.

Zusammenveranlagung von Ehegatten in der Insolvenz

Zusammenveranlagung von Ehegatten in der Insolvenz

Kernproblem

Leben Eheleute nicht dauernd getrennt, können sie zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung wählen. Von Ausnahmen abgesehen, führt eine Zusammenveranlagung wegen steuerlichen Progressionsvorteilen zum günstigeren Ergebnis. Eine getrennte Veranlagung erfolgt dann, wenn dies einer der Ehegatten beantragt. Es mag Fälle geben, bei denen sich die Ehegatten über die Veranlagungsart nicht einig sind und es zu einem Rechtsstreit kommt, in dem die Zustimmung des anderen erzwungen werden soll. In der Praxis häufiger anzutreffen ist dies z. B. im Scheidungsverfahren und der Veranlagung für zurückliegende „intakte“ Jahre. Dass auch ein Insolvenzverwalter in einen solchen Zwist verwickelt werden kann, zeigt der folgende, vom BGH entschiedene Fall.

Sachverhalt

Über das Vermögen des Ehemannes war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im Veranlagungsjahr führte das Finanzamt auf Antrag des Insolvenzverwalters die getrennte Veranlagung durch. Dadurch musste die in intakter Ehe mit dem Insolvenzschuldner lebende Ehefrau eine Steuernachzahlung leisten. Der Ehemann verfügte über einen erheblichen Verlustvortrag, der durch den Antrag von der Anrechnung ausgeschlossen wurde. Weil aus der Verwaltung der Insolvenzmasse keine steuerpflichtigen Einnahmen erzielt wurden, verlangte die Ehefrau vom Insolvenzverwalter die Zustimmung zur Zusammenveranlagung. Das Landgericht stimmte dem auch formal zu, sprach aber die Steuervorteile dem Insolvenzverwalter zu. Das Berufungsgericht dagegen wollte den Vorteil bei der Ehefrau belassen und diese nur verpflichten, den Ehemann von künftig eintretenden steuerlichen Nachteilen freizustellen.

Entscheidung des BGH

Zunächst einmal stellte der BGH fest, dass sich der Anspruch auf die Zustimmung tatsächlich gegen den Insolvenzverwalter richte, denn nur dieser könne das Wahlrecht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausüben. Er dürfe die Zustimmung aber nicht davon abhängig machen, dass ihm auch der Steuervorteil ausgekehrt werde, denn aus dem Wesen der Ehe folge eine Verpflichtung beider Ehegatten, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich sei. Dass die Verlustvorträge des Ehemanns gemindert werden, ändere hieran nichts, wenn der begehrende Ehegatte den anderen von etwaigen Nachteilen freistelle.

Konsequenz

Der BGH käme zum selben Ergebnis, wenn sich eine Steuerbelastung ergeben hätte, diese aber im Innenverhältnis vom anderen Ehegatten getragen würde, etwa durch Antrag auf Aufteilung der Steuerschulden oder tatsächliche Gestaltung im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft.

Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Fondserträge

Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Fondserträge

Einführung

Thesaurierende Investmentfonds schütten ihre Erträge nicht an die Anteilseigner aus, sondern verwenden diese zum Erwerb weiterer Vermögenswerte. Dennoch gelten die Erträge als beim Anteilseigner zugeflossen und sind der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Die auf die Erträge entfallende Kapitalertragsteuer wird bei ausländischen Fonds erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Fondsanteile einbehalten und abgeführt.

Sachverhalt

Der Kläger erhielt von seiner Mutter im Jahr 1998 Anteile an einem thesaurierenden ausländischen Fonds geschenkt, die er in 2004 veräußerte. Die depotverwahrende Bank ermittelte den Gesamtbetrag der thesaurierten Erträge bis zum Verkaufstag und führte die daraus resultierende Zinsabschlagsteuer sowie den Solidaritätszuschlag an das Finanzamt ab. Der Kläger gab in seiner Steuererklärung 2004 keine Einnahmen im Zusammenhang mit den Fondsanteilen an, beantragte jedoch die Anrechnung der einbehaltenen und abgeführten Zinsabschlagsteuer sowie des Solidaritätszuschlags. Das beklagte Finanzamt hingegen erfasste die thesaurierten Erträge, soweit sie auf noch nicht festsetzungsverjährte Jahre entfielen, anteilig als Einnahmen und ließ auch die Zinsabschlagsteuer und den Solidaritätszuschlag nur anteilig zur Anrechnung zu. Es ging stillschweigend davon aus, dass die thesaurierten Erträge in der Vergangenheit weder bei der Mutter noch beim Kläger versteuert wurden. Der Kläger hatte schließlich vor dem BFH Erfolg.

Entscheidung des BFH

Die Anrechnung von Kapitalertragsteuer kann nur insoweit erfolgen, als die entsprechenden Kapitalerträge auch als Einnahmen versteuert wurden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch die rechtliche Verknüpfung zwischen Einkünftebesteuerung und Kapitalertragsteuerabzug Steuerausfälle und Steuerverkürzungen vermieden werden. Dies setzt keine Personenidentität zwischen demjenigen, der die Kapitalerträge erzielt und demjenigen, der den Kapitalertragsteuerabzug begehrt, voraus. Es kommt lediglich darauf an, dass im Ergebnis die Erfassung der Kapitalerträge gewährleistet ist. Allerdings bemängelte der BFH, dass sich das FG lediglich auf die Annahme des Finanzamtes gestützt habe, die Einnahmen seien bei der Mutter des Klägers nicht besteuert worden und könnten auch wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr besteuert werden, ohne dies eingehend geprüft zu haben. Der BFH verwies den Fall daher zurück an das FG. Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, dass die Mutter die Erträge tatsächlich nicht versteuert hat, ist der vom Finanzamt ergangene Steuerbescheid rechtmäßig.

Konsequenz

Seit dem 1.1.2009 unterliegen Kapitalerträge, die über eine inländische Bank erzielt werden, regelmäßig dem Abgeltungsteuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag). Da die Bank den Steuerabzug vornimmt, müssen die Erträge vom Steuerpflichtigen nicht mehr in die Steuererklärung aufgenommen werden. Hiervon ausgenommen sind aber ausschüttungsgleiche Erträge aus ausländischen thesaurierenden Fonds. Diese sind in den bescheinigten Kapitalerträgen der Banken nicht enthalten und müssen vom Steuerpflichtigen weiterhin in der Anlage KAP aufgeführt werden.

Einsicht in Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Einsicht in Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Kernfrage

Dem Grunde nach enden die wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit dessen Beendigung. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in der Form seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus wirkt und den Arbeitnehmer schützt.

Sachverhalt

Die Parteien hatten sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses um das Zeugnis für den Kläger gestritten. Dabei warf der beklagte Arbeitgeber dem klagenden Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf dessen Personalakte Illoyalität vor, worauf hin der Arbeitnehmer Einsicht in seine Personalakte verlangte, die ihm verweigert wurde. Seinen mit der Klage verfolgten Einsichtnahmeanspruch begründete er mit einer Vorschrift des Bundesdatenschutzgesetzes (Auskunfts- und Einsichtnahmeanspruch, § 34 BDSG) und gewann vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung

Arbeitnehmer können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran haben, den Inhalt ihrer fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Anspruch folge allerdings nicht aus dem Bundesdatenschutzgesetz, sondern gründet sich auf die vertragliche Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers. Diese gebietet es, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, hier in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt, wie datenschutzrechtliche Fragestellungen im Arbeitsrecht an Bedeutung gewinnen. Sie zeigt außerdem, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung über das Arbeitsverhältnis hinaus wirkt.

Rechtsschutzgarantie durch vorläufige Steuerfestsetzungen

Rechtsschutzgarantie durch vorläufige Steuerfestsetzungen

Kernaussage

Auch wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht oder einem oberen Bundesgericht ist, kann die Steuer dennoch vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung gewährleistet ausreichenden Rechtsschutz des Steuerpflichtigen. Dieser wird auch dadurch nicht verfassungswidrig eingeschränkt, dass die Finanzbehörde bei einem Einspruch gegen die vorläufige Steuerfestsetzung vorab über entscheidungsreife Teile des Einspruchs entscheidet.

Sachverhalt

Das beklagte Finanzamt erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2005. Der Bescheid enthielt Vorläufigkeitserklärungen hinsichtlich der Vereinbarkeit der dort aufgeführten gesetzlichen Vorschriften (z. B. SolzG) mit höherrangigem Recht. Das Finanzamt wies darauf hin, dass Änderungen dieser Regelungen von Amts wegen berücksichtigt würden. Sofern der Kläger im Einspruchsverfahren die ungeklärte Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke rügte, erließ das Finanzamt in diesem Umfang eine Teileinspruchsentscheidung. Mit der Klage möchte der Kläger die Nichtigkeit der Bescheide wegen der Unbestimmtheit der vorläufigen Festsetzung festgestellt wissen.

Entscheidung

Ein Vorläufigkeitsvermerk ist hinreichend bestimmt, wenn er auf die Besteuerungsgrundlage hinweist, hinsichtlich derer die Steuer vorläufig festgesetzt wird. Es ist nicht erforderlich, die betragsmäßige Auswirkung der vorläufigen Festsetzungen anzugeben und die anhängigen Musterverfahren nach Gericht und Aktenzeichen zu bezeichnen. Ergeht die Vorläufigkeit hinsichtlich eines solchen Musterverfahrens, kann der Steuerpflichtige Einspruch und Klage erheben, wenn besondere Gründe substantiiert geltend gemacht werden können. Anderenfalls wird der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen durch die Vorläufigkeit gewahrt. Hinsichtlich der gerügten Nichtigkeit der Vorläufigkeitsvermerke war der Einspruch entscheidungsreif, so dass eine Teileinspruchsentscheidung ergehen konnte. Diese ist sachdienlich, da sie dem Interesse des Finanzamts an einer zeitnahen Entscheidung dient. Die Rechtsschutzgarantie gebietet es hingegen nicht, Einspruchsverfahren möglichst lange offen zu lassen.

Konsequenz

Sowohl die vorläufige Steuerfestsetzung trotz Musterverfahrens als auch die Teileinspruchsentscheidung sind zulässig und beschränken nicht den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen. Sofern ein Musterverfahren nicht weiter verfolgt werden sollte (z. B. Abhilfe oder Rücknahme) und die Steuerfestsetzungen für endgültig erklärt werden, kann gegen diese endgültige Festsetzung Einspruch eingelegt werden.

Zur Steuerfreiheit von Zuwendungen unter Lebenden bzgl. Familienheim

Zur Steuerfreiheit von Zuwendungen unter Lebenden bzgl. Familienheim

Kernfrage

Die zinsgünstigen bzw. zinsfreien Darlehensgewährungen stellen schenkungsteuerlich freigiebige Zuwendungen dar und unterliegen der Schenkungsteuer. Allerdings kann die Schenkungsteuer dann nicht erhoben werden, wenn eine persönliche oder sachliche Steuerbefreiung vorliegt. In einer zum alten Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (bis 31.12.2008) ergangenen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof nunmehr zur Frage des Zusammentreffens mehrerer Steuerbefreiung Stellung genommen.

Sachverhalt

Der spätere Ehemann, hier Kläger, hatte seiner zukünftigen Frau ein Darlehen gewährt, das zunächst günstig, später nicht mehr verzinst und schließlich ganz erlassen wurde. Mit den Darlehensmitteln schaffte die Ehefrau einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit dazu gehörendem Herrenhaus an, wobei das Herrenhaus im Privatvermögen verblieb und Familienwohnheim in der später geschlossenen Ehe wurde. Das beklagte Finanzamt setzte für den einheitlichen Vorgang Schenkungsteuer fest. Der Bundesfinanzhof gab der hiergegen gerichteten Klage nur teilweise statt.

Entscheidung

Zwar stimmte der Bundesfinanzhof der Finanzverwaltung zu, dass die erste voreheliche Zuwendung (zinsgünstiges Darlehen) nicht schenkungsteuerlich privilegiert gewesen sei, allerdings seien die späteren ehelichen Zuwendungen mit Rücksicht auf das Herrenhaus, das als Familienwohnheim anzusehen sei, privilegiert. Insoweit galt nach altem Erbschaftsteuerrecht, dass die Übertragung des Familienwohnheims unter Eheleuten steuerfrei war. Die Finanzverwaltung wollte diese Steuerbefreiung allerdings nicht anerkennen, weil sie einen einheitlichen Schenkungsakt gerichtet auf den Erwerb von Betriebsvermögen annahm. Diese Auffassung wies der Bundesfinanzhof zurück. Für jeden der Schenkungsteuer unterliegenden Vorgang sei gesondert zu prüfen, ob eine Steuervergünstigung in Anspruch genommen werden könne.

Konsequenz

Die Tragweite der Entscheidung liegt in der vom Bundesfinanzhof vorgenommenen Differenzierung zwischen Schenkungsvorgang im betrieblichen und privaten Bereich. Werden mit einem einheitlichen Lebenssachverhalt 2 steuerlich selbstständige Vorgänge verwirklicht, ist der Lebenssachverhalt in 2 selbstständige Vorgänge aufzuteilen.

Besteuerung des Letzterwerbs bei mehreren Erwerben eines Nacherben

Besteuerung des Letzterwerbs bei mehreren Erwerben eines Nacherben

Kernfrage

Das Erbschaftsteuergesetz sieht vor, dass bei angeordneter Nacherbfolge, die Besteuerung des Nacherben auf Antrag so erfolgen kann, als sei der Erwerb vom Erblasser unmittelbar erfolgt. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn der Vorerbe im Verhältnis zum Nacherben in einer schlechteren Steuerklasse steht, als dies der Erblasser getan hat. Im konkreten Fall stand der Nacherbe im Verhältnis zum Erblasser (Großvater) in Steuerklasse I, im Verhältnis zur Vorerbin (Tante) aber nur in Steuerklasse II. Gleichzeitig sieht das Erbschaftsteuergesetz vor, dass Erwerbe von ein und derselben Person innerhalb von 10 Jahren zusammen besteuert werden. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, wie sich das Verhältnis zwischen privilegierter Nacherbenbesteuerung und Mehrfacherwerb innerhalb von 10 Jahren im Rahmen der Besteuerung darstellt.

Sachverhalt

Der Kläger war Nacherbe nach seinem Großvater. Vorerbin war seine Tante. Bereits zu Lebzeiten übertrug die Tante den Nachlass nach dem Großvater auf den Nacherben (Kläger). Auf entsprechenden Antrag beim beklagten Finanzamt hin wurde der Kläger mit den persönlichen Voraussetzungen zur Erbschaftsteuer veranlagt, wie diese im Verhältnis zum Großvater bestanden. Innerhalb von 10 Jahren wurde der Kläger dann Erbe nach seiner Tante. Die Finanzverwaltung rechnete beide Erwerbe zusammen und setzte Erbschaftsteuer mit den steuerlich schlechteren persönlichen Voraussetzungen im Verhältnis zur Tante fest. Mit der hiergegen gerichteten Klage obsiegte der Kläger zuletzt vor dem Bundesfinanzhof.

Entscheidung

Auch beim zweiten Erwerb und der damit ausgelösten Zusammenrechnung beider „Erbfälle“ (Übertragung Nacherbschaft einerseits und echter Erwerb von Todes wegen anderseits) ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die privilegierte Besteuerung nach den persönlichen Voraussetzungen im Verhältnis des Erwerbers zum Großvater anzuerkennen. Der zweite Erwerb wirkt sich nicht steuerschädlich aus.

Konsequenz

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Ungeachtet der Tatsache, dass es zur Zusammenrechnung mehrerer Vermögensübergänge innerhalb von 10 Jahren kommt, kann eine durch Antrag gewährte Privilegierung eines Vermögenserwerbs nicht durch einen späteren Vermögenserwerb „infiziert“ werden.

Aufwendungen für immunbiologische Krebsabwehrtherapie abziehbar

Aufwendungen für immunbiologische Krebsabwehrtherapie abziehbar

Kernproblem

Krankheitskosten sind ohne Rücksicht auf die Art und Ursache der Erkrankung als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Allerdings werden nur solche Aufwendungen berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen. Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen hingegen nicht zu den Krankheitskosten. Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits, fordert der BFH die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers.

Sachverhalt

Die später verstorbene Ehefrau des Klägers wurde wegen einer schweren Krebserkrankung operiert, nach deren Anschluss sie sich einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie mit Ukrain unterzog. Das Präparat ist in Europa nicht als Arzneimittel zugelassen. Zu der alternativen Krebsabwehrtherapie hatte der Hausarzt u. a. deswegen geraten, weil eine konventionelle Chemotherapie nicht möglich war. Beklagtes Finanzamt und später auch das Finanzgericht lehnten den Abzug der als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen von 30.000 EUR ab.

Entscheidung

Der BFH hat die streitigen Aufwendungen zum Abzug zugelassen und damit in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass auch Kosten für eine objektiv nicht zur Heilung oder Linderung geeigneten Behandlung zwangsläufig erwachsen können, wenn eine Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung besteht, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht. Dies gelte selbst dann, wenn sich der Erkrankte für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheide. Nach Auffassung des BFH begründe nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den „Griff nach jedem Strohhalm“ gebiete.

Konsequenz

Der Abzug von Aufwendungen für „Außenseitermethoden“ als außergewöhnliche Belastung findet dort ihre Grenze, wo die Behandlung von einer Person vorgenommen wird, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen ist.

Information über Schwerbehindertenantrag innerhalb von 3 Wochen nach Kündigung

Information über Schwerbehindertenantrag innerhalb von 3 Wochen nach Kündigung

Rechtslage

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers muss mit Zustimmung des Integrationsamtes erfolgen. Fehlt diese Zustimmung, ist die Kündigung unwirksam. Regelmäßiges Problem ist, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung nichts weiß und eine Kündigung in dem Glauben erklärt, es liege keine solche vor. Auch diese Kündigung ist unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat jetzt zur Informationspflicht des Mitarbeiters entschieden.

Sachverhalt

Der Klägerin war durch den beklagten Arbeitgeber formell und materiell wirksam betriebsbedingt gekündigt worden. Dass eine Schwerbehinderung vorlag, war dem Arbeitgeber und auch dem beteiligten Betriebsrat nicht bekannt. In ihrer Kündigungsschutzklage legte die Klägerin die Schwerbehinderung erstmals offen. Die Zustellung der Kündigungsschutzklage erfolgte mehr als 3 Wochen nach dem Zugang der Kündigung. Mit ihrer Klage machte sie den besonderen Schwerbehindertenkündigungsschutz geltend und unterlag.

Entscheidung

Das Gericht urteilte, dass sich die Klägerin nicht auf den Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderte berufen könne. Zwar stehe der Sonderkündigungsschutz schwerbehinderten Arbeitnehmern auch dann zu, wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung nichts von der Schwerbehinderung wisse. Hierfür müsse der Arbeitnehmer den Arbeitgeber aber nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren. Die angemessene Frist entspricht dabei der Frist für die Kündigungsschutzklage, beträgt also 3 Wochen. Geht dem Arbeitgeber die Information über die Schwerbehinderung später zu, ist der Arbeitnehmer vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie jedenfalls am Ende des Arbeitsverhältnisses für Klarheit sorgt. Die Nachricht über die Schwerbehinderung muss unmittelbar an den Arbeitgeber erfolgen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig.