Archiv der Kategorie: Privatbereich

Vollstreckungsaufschubvoraussetzungen

Vollstreckungsaufschubvoraussetzungen

Kernaussage
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung eine unbillige Härte darstellt, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Ob dieses Ermessen der Behörde im vorläufigen Rechtsverfahren auch dem Gericht zusteht, wenn keine Ermessensreduzierung auf null vorliegt, ist umstritten. Das Finanzgericht geht von einem gerichtlichen Interimsermessen aus.

Sachverhalt
Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollstreckungsaufschub. Sie sei seit 25 Jahren selbständig tätig und in der Vergangenheit ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen. Ende 2012 sei sie unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraten, weil Aufträge nach Erbringung erheblicher Vorleistungen durch sie storniert worden seien. Daher konnte sie die Ende 2012 fällig gewordenen Steuern nicht aufbringen. Die Antragstellerin rechnet jedoch in naher Zukunft mit der Generierung von Aufträgen. Das Finanzamt betreibt die Vollstreckung wegen Forderungen in Höhe von 41.000 EUR. Die Antragstellerin beantragt Vollstreckungsaufschub.

Entscheidung
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Das Gericht kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da es dem Gericht grundsätzlich verwehrt ist, anstelle der Verwaltung eine Ermessensentscheidung zu treffen, bestehen lediglich in den Fällen der Ermessensreduzierung auf null keine Bedenken gegen eine einstweilige Anordnung. Das Finanzgericht geht von der gerichtlichen Befugnis aus, im Rahmen der einstweiligen Anordnung im Hinblick auf Billigkeitsentscheidungen wie Stundung, Erlass oder Vollstreckung Interimsermessen auszuüben. Der zulässige Antrag war jedoch unbegründet, da die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorlagen. Insbesondere war eine kurzfristige Tilgung bei der Antragstellerin nicht zu erwarten. Vielmehr hatte sie lediglich zur vagen Hoffnung auf die Erteilung lukrativer Aufträge vorgetragen.

Konsequenz
Um Vollstreckungsschutz zu erlangen, müssen der Höhe nach angemessene Raten angeboten werden, um somit eine kurzfristige Tilgung der Steuerschulden zu dokumentieren. Der Antrag kann auch im gerichtlichen Verfahren gestellt werden.

„In camera“-Verfahren: Kostenentscheidung?

„In camera“-Verfahren: Kostenentscheidung?

Kernaussage
Das Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO (sogenanntes in camera-Verfahren) ist jedenfalls dann ein unselbständiges Zwischenverfahren ohne eigenständige Kostenentscheidung, wenn der Antrag nach § 86 Abs. 3 FGO erfolglos geblieben und/oder die im Rahmen des § 86 Abs. 3 FGO in Anspruch genommene Behörde Beteiligte auch des Hauptsacheverfahrens ist.

Sachverhalt
Der Antragsteller beantragte in dem seine Geschäftsführerhaftung wegen Umsatzsteuer 2002 und 2003 betreffenden Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) durch den Bundesfinanzhof (BFH) festzustellen, dass die Weigerung der Vorlage des vollständigen Berichts zum Umsatzsteuerbetrug aus 2011 durch das beklagte Finanzamt (FA) rechtswidrig war. Dieser Bericht, den das FG nicht angefordert hatte, war ihm zusammen mit anderen Akten versehentlich übermittelt und auf entsprechenden Hinweis des FA zurückgesandt worden. Dies erfolgte zugleich mit dem Hinweis an die Beteiligten, dass der Bericht nicht Bestandteil der Akten sei, die das Gericht der Entscheidungsfindung zugrunde legen würden.

Entscheidung
Der BFH wies den Antrag als unzulässig zurück. Nach § 86 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Behörden grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden und Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung von Auskünften verweigert werden, wenn die Vorgänge aus bestimmten Gründen geheim gehalten werden müssen. Nach Abs. 3 der Vorschrift stellt der BFH auf Antrag eines Beteiligten in den Fällen der Abs. 1 und 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Verweigerung der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Vorliegend waren jedoch durch das FG gar keine Auskünfte oder Unterlagen angefordert worden. Die Vorschrift ist auch nicht auf Fälle anzuwenden, in denen das FA versehentlich übersandte Unterlagen zurückfordert. Eine Kostenentscheidung erfolgt infolge des Antrags nicht, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt, das keiner eigenen Kostenentscheidung bedarf. Diese erfolgt mit der Hauptsache.

Konsequenz
Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat sich die Rechtsprechung geändert. Bislang wurde der Zwischenstreit nach § 86 Abs. 3 FGO als selbstständiges Nebenverfahren qualifiziert, so dass der Beschluss eine Kostenentscheidung enthalten musste. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall.

Nachabfindungsansprüche: Grunderwerbsteuerpflichtig?

Nachabfindungsansprüche: Grunderwerbsteuerpflichtig?

Kernaussage
Der Erhalt eines Grundstücks durch einen weichenden Erben vom Hoferben für einen Verzicht auf Nachabfindungsansprüche nach § 13 HöfeO ist nicht grunderwerbsteuerfrei.

Sachverhalt
Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertrugen Eltern ihren landwirtschaftlichen Betrieb, einen Hof im Sinne der Höfeordnung (HöfeO), mit notariell beurkundetem Vertrag aus dem Jahr 1998 (Hofübergabevertrag) auf ihren Sohn S. Ihr zweites Kind, Tochter T, sollte eine Abfindung in Höhe von 16.000 DM erhalten. Mit dem Erhalt des Betrages von 16.000 DM vom Höfevermögen gemäß § 12 HöfeO erklärte sich T für abgefunden und verzichtete auf weitergehende Ansprüche. Außerdem verzichtete sie auf Ansprüche gemäß § 13 HöfeO für den Fall, dass S bei Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke mit dem Erlös landwirtschaftliche Ersatzflächen erwerben sollte. Vor dem Hintergrund, dass S als Hoferbe plante, einen Teil des zum Hof gehörenden Landes zu Bebauungszwecken zu veräußern bzw. Erbbaurechte daran zu bestellen, vereinbarten S und T eine weitere Regelung hinsichtlich des Nachabfindungsanspruchs aus § 13 HöfeO mit Vertrag vom 26.3.2004 (Nachabfindungsvertrag). Nach diesem Vertrag stand T in dem Fall, dass die Grundstücke oder Teile davon Baulandqualität erhalten sollten, ein Anspruch auf Übertragung eines Baugrundstücks zur Größe von 1.000 qm nach eigener Wahl zu. Außerdem war in dem Vertrag geregelt, dass T mit Erhalt des Baugrundstücks auf sämtliche weiteren Ansprüche gemäß § 13 HöfeO gegenüber dem Hoferben verzichtet. Ein weiterer Vertrag wurde zwischen den Geschwistern am 29.6.2006 geschlossen. Darin war geregelt, dass S eine noch abzuvermessende Teilfläche in der Größe von 1.000 qm lastenfrei an T übertragen sollte. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 4.8.2006 gegenüber T Grunderwerbsteuer fest. Der Bescheid wies als zu besteuernden Rechtsvorgang den Übertragungsvertrag vom 29.6.2006 aus. Der Einspruch der T gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung blieb erfolglos. Daraufhin erhob sie Klage beim Finanzgericht Münster.

Entscheidung
Die Richter wiesen die Klage der T ab. Nach Ansicht der Richter war der Grunderwerbsteuerbescheid rechtmäßig. Der Übertragungsvertrag vom 29.6.2006 unterliege der Grunderwerbsteuer. Erst durch diesen Vertrag sei ein Anspruch der T auf Übereignung eines hinreichend konkretisierten Grundstücks begründet worden, da die Parteien die Grenzen des künftigen Grundstücks erst in diesem Vertrag in einer – der notariellen Urkunde beigefügten – Skizze eindeutig bezeichnet hatten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Erwerbsvorgang nicht von der Grunderwerbsteuer befreit. Es lagen weder die Voraussetzungen für eine Befreiung aufgrund eines Grundstückserwerb von Todes wegen noch aufgrund einer Grundstücksschenkung unter Lebenden vor. Der in dem Nachabfindungsvertrag erklärte Verzicht auf den Nachabfindungsanspruch aus § 13 HöfeO könne nicht als Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch angesehen werden. Denn T standen die Abfindungsansprüche nach §§ 12, 13 HöfeO als weichende Miterbin zu und nicht als Pflichtteilsberechtigte. Der Verzicht auf den Nachabfindungsanspruch aus § 13 HöfeO sei nicht als Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses anzusehen. Der im Erbschaftsteuergesetz verwendete Begriff des Vermächtnisses erfasse nur Zuwendungen durch Verfügung von Todes wegen, also rechtsgeschäftliche Vermächtnisse. Der Anspruch aus § 13 HöfeO ist aber gesetzlicher Natur. An dieser Natur ändere sich auch nichts dadurch, dass der Hof rechtsgeschäftlich, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, übertragen worden ist. Eine Grundstücksschenkung unter Lebenden liege ebenfalls nicht vor. In dem von T erklärten Verzicht auf den Nachabfindungsanspruch nach § 13 HöfeO liege eine die Freigebigkeit ausschließende Gegenleistung vor. Mangels Vertrag mit dem Erblasser, liege in dem Verzicht kein Erbverzicht vor. Es liege auch kein Verzicht auf Zuwendungen nach § 2352 BGB vor, da diese Vorschrift nur Zuwendungen erfasst, die ihre Grundlage in einer Verfügung von Todes wegen haben, was hier jedoch nicht der Fall war. Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer wegen Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses lagen nicht vor. Gegen die Entscheidung wurde Revision beim Bundesfinanzhof (BFH)eingelegt.

Konsequenz
Im Hinblick auf die ausstehende Entscheidung des BFH sollten Betroffene ihre Bescheide offen halten.

Beweisverwertungsverbote im Besteuerungsverfahren

Beweisverwertungsverbote im Besteuerungsverfahren

Kernaussage
Ein Verwertungsverbot folgt nicht aus einer möglichen Verwirklichung der Geheimnishehlerei durch die Steuerbehörden. Beweismittel, die durch andere, auf rechtswidrige Weise verschaffte Beweismittel mittelbar erlangt wurden, dürfen nur im Fall von qualifizierten grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen oder bei in strafbarer Weise erlangten Erkenntnismitteln nicht verwertet werden.

Sachverhalt
Der Kläger hatte 1998 den überwiegenden Teil seines Forstes verkauft. Der Gesamtkaufpreis wurde mit 4 Mio. DM angegeben. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger neben dem beurkundeten Kaufpreis noch 800.000 DM in bar erhalten hatte. So beinhaltete ein Vermerk einer Bank anlässlich der Gründung einer Stiftung, die Aussage, dass der Verkauf des Forstbetriebes 4,8 Mio. DM erlöst hat. Zudem bestätigte der Käufer gegenüber der Steuerfahndung eine Kaufpreiszahlung in dieser Höhe. Das Finanzamt erließ einen geänderten Feststellungsbescheid für 1998 und erhöhte die dem Käufer gegenüber festgesetzte Grunderwerbsteuer. Der Kläger macht ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot geltend und klagte gegen den Steuerbescheid vor dem Finanzgericht (FG).

Entscheidung
Das FG wies die Klage ab. Ein unmittelbares oder mittelbares Verwertungsverbot folgt insbesondere nicht aus einer möglichen Verwirklichung der Geheimnishehlerei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führt nicht jeglicher Verstoß gegen Form- und Ordnungsvorschriften zwangsläufig zu einem Verwertungsverbot. Tatsachen sind lediglich dann schlechthin und ohne jede Ausnahme unverwertbar, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt oder wenn die Tatsachen in strafbarer Weise von der Finanzbehörde erlangt worden sind. Nach diesen Grundsätzen erzeugen Beweisverwertungsverbote grundsätzlich auch keine Fernwirkung. Mangels qualifizierten grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen unterlagen weder der Vermerk der Bank noch die Aussage des Käufers einem Verwertungsverbot. Weil der Ankauf von Daten nicht strafbar wäre, ergab sich auch kein Verwertungsverbot aus einer möglichen behördlichen Straftat.

Konsequenz
Anders als in den USA ist es in Deutschland schwierig, aus Verfahrensfehlern Verwertungsverbote abzuleiten, da in Deutschland Verfahrensfehler nicht das gesamte Verfahren „infizieren“. Hier schied ein Verwertungsverbot aus, da allenfalls marginale Verfahrensfehler vorlagen.

Zur Bestimmbarkeit eines Personenkreises

Zur Bestimmbarkeit eines Personenkreises

Rechtslage
Setzt ein Erblasser einen Erben ein, den er zugleich verpflichtet mit dem geerbten Vermögen einen bestimmten Personenkreis zu fördern, stellt sich erbschaftsteuerlich die Frage, wer zur Erbschaftsteuer herangezogen wird. Ist der Personenkreis dergestalt unbestimmt, dass kein konkreter Begünstigter zu ermitteln ist, dann handelt es sich erbschaftsteuerlich um eine sogenannte Zweckzuwendung, die beim unmittelbaren Erben der Erbschaftsteuer unterworfen wird. Ist der Kreis der Begünstigten bestimmbar, werden diese zur Erbschaftsteuer herangezogen. Das Finanzgericht Münster hat zu den Voraussetzungen der Annahme einer Zweckzuwendung entschieden, aber die Revision zum Bundesfinanzhof ausdrücklich zugelassen.

Sachverhalt
Die Erblasserin hatte ihren ehemaligen Arbeitgeber zum Erben eingesetzt, diesem aber zur Auflage gemacht, dass er mit dem geerbten Vermögen Arbeitnehmer unterstützen müsse, die in Not geraten seien und die diese Not nicht durch andere Mittel, gleich von welcher Seite, lindern könnten. Das Finanzamt sah hierin eine Zweckzuwendung an einen unbestimmten Personenkreis und zog den Arbeitgeber zur Erbschaftsteuer heran. Dieser trug vor, die Auflage als Nachlassverbindlichkeit abziehen zu können.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Auffassung des Finanzamtes Recht. Eine Zweckzuwendung sei anzunehmen, wenn eine Zuwendung zweckgebunden erfolge und sich an einen unbestimmten Personenkreis richte. Dabei sei der Personenkreis dann unbestimmt, wenn die begünstigten Personen nur vage beschrieben und persönlich nicht ermittelbar seien. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Insoweit sei es nicht ausreichend, dass der Personenkreis auf die Arbeitnehmer des Erben beschränkt sei. Denn aus dieser Beschränkung könnten noch keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, wer letztendlich aus dem Personenkreis heraus begünstigt sein könnte.

Konsequenz
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Allerdings wird man nach ihr (einstweilen) annehmen müssen, dass es zur Vermeidung einer Zweckzuwendung nicht ausreichend ist, einen begünstigten Personenkreis zu beschreiben. Zusätzlich muss es auch dazu kommen, dass die letztendlich begünstigten Personen über die Begünstigungsvoraussetzungen bestimmt werden können.

„Cum-ex-Geschäfte“: Wird Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer?

„Cum-ex-Geschäfte“: Wird Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer?

Kernaussage
Mangels wirtschaftlichen Eigentums kann in bestimmten Konstellationen des sogenannten „Dividendenstrippings“ keine doppelte Anrechnung von Kapitalertragsteuer erfolgen.

Sachverhalt
Aktien eines börsennotierten Unternehmens wurden mit („Cum“) Dividendenanspruch von einem ausländischen Broker im außerbörslichen Handel erworben. Die Lieferung der Aktien erfolgte nach dem Dividendenstichtag („ex“). Diese Gestaltung wurde gewählt, da die Gesellschaft zwischenzeitlich eine Ausschüttung beschlossen hatte, die Auszahlung jedoch noch dem Alteigentümer zustand. Infolgedessen erhielt der Erwerber (eine GmbH) eine Art Dividendenausgleichszahlung. Anschließend wurden die Aktien zurückverkauft. Die das Depot verwaltende Bank bescheinigte dem Rechtsinhaber (Dividendenempfänger) sowie auch dem Erwerber den Einbehalt von Kapitalertragsteuer. Im entschiedenen Fall versagte das Finanzamt dem Erwerber die Anrechnung der Kapitalertragsteuer mit der Begründung, er sei nie wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien geworden. Hiergegen klagte der Erwerber. Das Finanzgericht (FG) Hamburg wies die Klage ab. Daraufhin legte der Erwerber Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Entscheidung
Der BFH hat aufgrund der Umstände der Geschäftsabwicklung wirtschaftliches Eigentum und damit die Anrechnungsmöglichkeit beim Erwerber verneint. Zum einen habe das Kreditinstitut den Erwerb fremdfinanziert. Zum anderen habe der Erwerber die Wertpapiere lediglich im Rahmen einer Wertpapierleihe gehalten. Des Weiteren habe der Erwerber das vollständige Marktpreisrisiko im Rahmen eines Total Return Swaps auf das Kreditinstitut übertragen. In solchen Fällen sei er nicht in der Lage, den Eigentümer aus seiner rechtlichen Stellung zu verdrängen. Mangels Kapitaleinkünften könne somit keine Anrechnung erfolgen. Auf dieser Basis hat der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen, weil noch Ungewissheiten über die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer bestanden.

Konsequenz
Die Gestaltungen des Dividendenstrippings sowie der Wertpapierleihe beschäftigen gleichermaßen Gerichte und Finanzverwaltung. Mehrfach wurde vorher entschieden, dass das Dividendenstripping rechtmäßig ist. Nun schoben die Gerichte der Gestaltung zumindest für den Fall des fehlenden wirtschaftlichen Eigentums einen Riegel vor.

Wird Schlusserbe Ersatzerbe?

Wird Schlusserbe Ersatzerbe?

Kernfrage
Testamentarische Gestaltungen müssen umfassend ausgestaltet sein und alle denkbaren Alternativen berücksichtigen. Enthalten Testamente Lücken, werden diese durch Auslegung geschlossen. Regelmäßig ist die Auslegung ihrerseits aber nur aus dem Testament heraus möglich; das Ergebnis der Auslegung muss im Testament zumindest angedeutet sein. Das Oberlandesgericht Hamm hatte jetzt in einem Erbscheinverfahren darüber zu entscheiden, ob eine fehlende Ersatzerbeinsetzung durch eine Schlusserbeinsetzung „ersetzt“ werden kann.

Sachverhalt
Der Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet und hatte mit seiner zweiten Frau ein Ehegattentestament errichtet. Für den ersten Erbfall hatten sich die Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Zu gemeinsamen Schlusserben hatten sie die Tochter des Erblassers aus erster Ehe sowie den Neffen der Frau eingesetzt. Eine Ersatzerbeinsetzung fehlte in dem Testament ebenso wie weitere Anhaltspunkte für eine etwaige Testamentsauslegung. Nach dem Tod des Erblassers schlug die Frau das Erbe aus. Daraufhin beantragte die Tochter des Erblassers einen Alleinerbschein. Hiergegen wandte sich der Neffe der Frau mit der Begründung, er sei wegen der Schlusserbeinsetzung, die als Ersatzerbeinsetzung angesehen werden müsse, hälftiger Miterbe.

Entscheidung
Das Gericht wies den Antrag des Neffen ab. Die Schlusserbeinsetzung könne nicht in eine Ersatzerbeinsetzung umgedeutet werden. Durch die Ausschlagung der Ehefrau stehe dieser kein gesetzliches Erbrecht zu. Die testamentarisch geregelte Konstellation der Schlusserbeinsetzung liege nach dem Erblasser nicht vor, weil er zuerst verstorben sei. Der Schlusserbeinsetzung liege regelmäßig die Annahme zugrunde, dass der überlebende Ehegatte die Erbschaft auch annehme. Schlägt der überlebende Ehegatte aber aus, dann erhält er die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück. Für diesen Fall könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser an seiner Schlusserbeneinsetzung im Sinne einer wegen der Ausschlagung erforderlichen Ersatzerbeinsetzung festhalten wolle. Denn die Tochter des Erblassers verliert durch die Ausschlagung die Aussicht Erbin der überlebenden Ehefrau zu werden.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die erforderliche Regelungsdichte einer testamentarischen Regelung; auch im Hinblick auf unerwartete Handlungen des Erben. Ohne ausdrückliche Ersatzerbeinsetzung ist diese regelmäßig wohl nicht durch Auslegung zu ersetzen.

GrEStG: Kann Erbengemeinschaft selbstständiger Rechtsträger sein?

GrEStG: Kann Erbengemeinschaft selbstständiger Rechtsträger sein?

Kernfrage
Eine Erbengemeinschaft ist zivilrechtlich nicht rechtsfähig. Sie stellt keine eigenständige Rechtspersönlichkeit dar und ist somit auch nicht parteifähig, sondern handelt im Rechtssinn durch ihre einzelnen Mitglieder entsprechend deren Erbanteile. Der Bundesfinanzhof hat diesen zivilrechtlichen Grundsatz für Zwecke der Grunderwerbsteuer durchbrochen und die Erbengemeinschaft wie eine Gesellschaft behandelt.

Sachverhalt
Eine Erbengemeinschaft bestehend aus 2 jeweils hälftig beteiligten Erben war Inhaberin einer 85 %igen Beteiligung an einer GmbH. Die GmbH wiederum hielt Grundbesitz. Durch verschiedene gesellschaftsrechtliche Transaktionen – unter anderem eine Kapitalerhöhung, deren Konsequenzen streitig geblieben sind – war die Erbengemeinschaft zuletzt Alleingesellschafter der grundbesitzhaltenden GmbH geworden. Daraufhin setzte das Finanzamt gegen die Erbengemeinschaft Grunderwerbsteuer fest. Hiergegen wandten sich die Erben mit der Begründung, die Erbengemeinschaft sei nicht rechtsfähig, es sei darauf abzustellen, dass die GmbH Beteiligung den Erben zuzurechnen sei.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof urteilte, dass die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes sein könne. Das Erreichen der Alleingesellschafterstellung bei der GmbH wiederum stelle in seiner wirtschaftlichen Bedeutung den Erwerb von Grundbesitz dar. Erlangt eine Erbengemeinschaft mehr als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie grunderwerbsteuerrechtlich ebenso behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Auf die Erbteile der Miterben sei nicht abzustellen, weil die Erbengemeinschaft als einheitlicher Rechtsträger anzusehen sei. Wegen der auch in der Revision noch streitigen Fragen um die Kapitalerhöhung wurde die Sache im Übrigen zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück verwiesen.

Konsequenz
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs durchbricht das zivilrechtliche Verständnis der Erbengemeinschaft und ihrer Rechts- beziehungsweise Parteifähigkeit für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Hier muss die Erbengemeinschaft jetzt als einheitlicher Rechtsträger gesehen werden; ein Abstellen auf einzelne Erbteile ist nicht (mehr) möglich.

Kindergeld und Zweitwohnsitz

Kindergeld und Zweitwohnsitz

Kernproblem
Innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) kann es vorkommen, dass in mehreren Ländern zugleich ein gesetzlicher Anspruch auf Kindergeld entsteht. Für diese Anwendungsfälle existiert die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Hier gibt es Zuständigkeitsregelungen, die eine Sicherung der Ansprüche gewähren oder Doppelberücksichtigung verhindern sollen. Wurde Kindergeld in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig gewährt, führte das zum Wegfall der Begünstigung im Inland. Hier hat sich jedoch die Rechtsprechung weiterentwickelt.

Sachverhalt
Ein deutscher Staatsangehöriger und Vater von 2 Töchtern bewohnte bereits seit 1977 eine Einliegerwohnung seiner Eltern in Rheinland-Pfalz. Nachdem er im Jahr 2005 arbeitslos geworden war, trat er im Jahr 2006 eine Beschäftigung in Prag an. Ehefrau und Kinder zogen mit um. Die bisherige Wohnung wurde beibehalten und mit der Familie während des Urlaub und der Schulferien umfangreich (und nicht mit einer Ferienwohnung vergleichbar) genutzt. Einige Jahre später verlangte die Familienkasse das nach dem Umzug gezahlte Kindergeld zurück, weil kein Wohnsitz in Deutschland vorläge. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zurück. Nach dessen Ansicht hatte zwar ein Zweitwohnsitz in Deutschland vorgelegen; der Anspruch auf Kindergeld sei aber ausgeschlossen, weil nach der VO Nr. 1408/71 das Recht des Beschäftigungsstaates Tschechien gelte, obwohl der Vater dort nach eigener Aussage kein Kindergeld erhalten habe. Der Vater zog vor den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Der BFH bestätigte zunächst die Wohnsitzentscheidung des FG, weil ein Wohnsitz weder den überwiegenden Aufenthalt im Inland (z. B. nach der 183-Tage-Regelung) noch den Lebensmittelpunkt voraussetze. Ob die VO Nr. 1408/71 überhaupt zur Anwendung kam, vermochte der Senat mangels Feststellung des Versicherungsstatus des Vaters nicht zu entscheiden. Er stellte jedoch klar, dass selbst für den Fall der Anwendbarkeit keine Sperrwirkung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats eintrete, folglich Ansprüche allein nach dem deutschen EStG zu beurteilen sind. An der gegenteiligen Auffassung werde nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr festgehalten.

Konsequenz
Im Ausland gewährte Ansprüche führen nach Auffassung des Senats nicht zu einer vollständigen Versagung des deutschen Kindergelds, sind aber gegenzurechnen, so dass ein Differenz-Kindergeld zur Auszahlung gelangt.

Schwerbehindertenausweis: Fortgeltung bei gerichtlicher Überprüfung?

Schwerbehindertenausweis: Fortgeltung bei gerichtlicher Überprüfung?

Kernaussage
Die Herabsetzung des Grades der Behinderung von 80 oder mehr auf weniger als 50 ist einkommensteuerrechtlich ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt zu berücksichtigen, so dass Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sowie Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung ab diesem Zeitpunkt nur noch mit der Entfernungspauschale und nicht mehr mit den tatsächlich entstandenen Kosten zu berücksichtigen sind.

Sachverhalt
Der Kläger wurde mit Bescheid von Mai 1994 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80 anerkannt. Dieser Bescheid wurde durch den Bescheid aus Dezember 1999 aufgehoben, in dem ein Grad der Behinderung von 20 festgestellt wurde. Den sozialgerichtlichen Rechtsweg hat der Kläger erfolglos ausgeschöpft. In den Streitjahren bis zum Jahr 2007 war der Kläger weiterhin Inhaber eines Schwerbehindertenausweises, in dem ein Grad der Behinderung von 80 ausgewiesen wurde. Im Jahr 2005 erließ das beklagte Finanzamt (FA) geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur noch im Rahmen der Entfernungspauschale und nicht wie zuvor mit den tatsächlichen Kosten berücksichtigte. Im Rahmen der Klage ist der Kläger der Ansicht, dass die Herabsetzung des Grades der Behinderung erst mit Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundessozialgericht im Jahr 2007 bestandskräftig geworden ist.

Entscheidung
Die Klage sowie die Nichtzulassungsbeschwerde haben keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits hinreichend geklärt, dass trotz Fortgeltung des Schwerbehindertenausweises bis zur Bestandskraft des Neufeststellungsbescheids einkommensteuerrechtlich der herabgesetzte Grad der Behinderung ab der Neufeststellung zu berücksichtigen ist. Dem Feststellungsbescheid wird somit Vorrang gewährt. Er bindet die Finanzbehörde. Der Vorrang der Neufeststellung beruht auf einer steuerspezifischen Betrachtungsweise, die den Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zugrunde legt. Behinderungsbedingt erhöhte Wegekosten sind damit ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Neufeststellung nicht mehr zu erwarten.

Konsequenz
Die über den Neufeststellungszeitpunkt hinausgehende Inanspruchnahme der tatsächlichen Fahrtkosten ist nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Denn der Grund für die steuerliche Begünstigung bei einem erheblichen Grad der Behinderung, nämlich die fehlende Möglichkeit zur Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel, ist im Neufeststellungszeitpunkt tatsächlich entfallen.