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Energiesteuer | Im Ausland tanken kann steuerliche Folgen haben (FG)

Im Ausland tanken kann steuerliche Folgen haben!

08. April 2013
Fuhrunternehmer lassen häufig in ihre Fahrzeuge durch Karosseriebauer Kraftstoffbehälter einbauen, die ein größeres Fassungsvermögen als die vom Hersteller des Lkw eingebauten Kraftstoffbehälter haben. Anlass hierfür ist regelmäßig, dass Lkws durch Karosseriebauer entsprechend der individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Fuhrunternehmers z.B. zum Transport von Containern, Pkws o.ä. ausgestattet werden. Zu Problemen kann es aber führen, wenn das Unternehmen auch im europäischen Ausland tanken lässt und mit dem getankten Kraftstoff nach Deutschland fährt.Der Zollsenat des Finanzgerichts Düsseldorf hat einen derartigen Fall nunmehr dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. In dem Verfahren (Az.: 4 K 3691/12 VE) geht es um einen Lkw, in dem nach Auslieferung durch den Hersteller durch einen Karosseriebauer der ursprüngliche Tank versetzt und zugleich ein weiterer Tank mit einem Fassungsvermögen von 780 Litern eingebaut wurde. Der Umbau war notwendig, um den Lkw mit Containern beladen zu können. Eine entsprechende Umrüstung durch den Hersteller wäre nicht üblich gewesen. Die Spedition, die das Fahrzeug nutzte, betankte es in den Niederlanden. Nach den Betankungen überquerte der Fahrer des  Fahrzeugs unmittelbar die Grenze nach Deutschland, um Fahrten im Inland durchzuführen. Die Zollverwaltung setzte gegenüber der Spedition Energiesteuer für den in den beiden Tanks eingeführten Diesel fest. Es greife keine Steuerbefreiung ein, da beide Tanks nicht serienmäßig eingebaut worden seien. Dagegen klagte die Spedition.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union den Fall zur Entscheidung vorgelegt. Zwar sei Energiesteuer festzusetzen, wenn Dieselkraftstoff in das Inland verbracht werde. Allerdings sei der Kraftstoff von der Steuer befreit, wenn und soweit er in einem regulären, vom Hersteller eingebauten Tank befördert werde. Nachträglich eingebaute, vergrößerte oder weitere Tankbehälter fielen nicht unter die Steuerbefreiung. Es sei aber europarechtlich zweifelhaft, ob nur vom Hersteller des Fahrzeugs eingebaute Tanks von der Steuerbefreiung erfasst würden. Denn an der Herstellung eines Lkw seien  häufig mehrere Unternehmen beteiligt, um das Fahrzeug entsprechend den Anforderungen des Fuhrunternehmens herzurichten. Es spreche daher vieles dafür, die Steuerbefreiung auch auf von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaute Behälter zu erstrecken. Zudem handele es sich beim Tanken im Ausland in diesen Fällen nicht um einen typischen Fall eines steuerlichen Missbrauchs, sondern um die Nutzung der Preisunterschiede in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten.

„In der Vergangenheit wurden in Deutschland eine Vielzahl derartiger Fälle von den Hauptzollämtern aufgegriffen“, führt Dr. Heide Bauersfeld, zuständige Richterin und Mitglied im Zollsenat des Finanzgerichts Düsseldorf, aus. „Die Zollverwaltung setzte in diesen Fällen Energiesteuer für den Kraftstoff fest, der in den nicht serienmäßigen Tanks eingeführt wurde. Die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegte Frage hat deswegen für eine Vielzahl von Unternehmen Bedeutung.“

„Ganz anders können die Fälle zu beurteilen sein, in denen sich Privatpersonen vergrößerte oder zusätzliche Tanks in ihren Pkw einbauen lassen und dann im grenznahen Ausland tanken“, warnt Dr. Nils Trossen, Pressesprecher des Finanzgerichts „Wird in diesen Fällen gezielt ausländischer Kraftstoff für Fahrten im Inland genutzt, haben die Fahrer mit der Festsetzung von Energiesteuer zu rechnen. In größeren oder wiederholten Fällen kann sogar mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zu rechnen sein.“

Quelle: FG Düsseldorf, Pressemitteilung v. 8.4.2013

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 3691/12 VE

Datum: 18.03.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 4 K 3691/12 VE
Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:

  • 1 Ist der Begriff des Herstellers im Sinne des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, dahingehend auszulegen, dass hiervon auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst werden, wenn diese den Kraftstoffbehälter im Rahmen eines Herstellungsprozesses des Fahrzeugs eingebaut haben und der Herstellungsprozess aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen im Wege der Arbeitsteilung durch mehrere selbständige Unternehmen erfolgt ist.
  • 2 Sollte die erste Frage zu bejahen sein: Wie ist in diesen Fällen das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, auszulegen, wonach es sich um Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ handeln muss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

1Gründe:

2I.

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  • 41 Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen. Die A stellte das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ………. her. Bei der Herstellung baute die A in dieses Fahrzeug einen Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von 780 Liter ein. Einen weiteren Kraftstoffbehälter bestellte die Klägerin zunächst nicht bei der A, da sie einen Umbau des Fahrzeugs beabsichtigte. Das Fahrzeug wurde deshalb mit nur einem Kraftstoffbehälter an die Klägerin ausgeliefert.

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  • 62 Um mit diesem Fahrzeug standardisierte und mit Gestellen versehene Container transportieren zu können, war ein Einbau von Wechselbrückenträgern erforderlich. Dieser Einbau wurde von der B durchgeführt. Dabei musste der schon vorhandene Kraftstoffbehälter (im Folgenden: Tank 1) versetzt werden, um den genormten Wechselbrückenträger am Fahrzeug anbringen zu können. Außerdem wurde ein zweiter Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von ebenfalls 780 Liter (im Folgenden: Tank 2) eingebaut, der zuvor von der C GmbH & Co. KG bezogen worden war. Den zweiten Kraftstoffbehälter hätte die Klägerin zwar auch direkt von der A einbauen lassen können, dies wäre für sie aber wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen. Denn auch der zweite Kraftstoffbehälter hätte im Rahmen des Umbaus versetzt werden müssen. Beide Kraftstoffbehälter wurden vom Technischen Überwachungsverein (TÜV) auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften über die Straßenverkehrszulassung von Kraftfahrzeugen geprüft und nicht beanstandet.

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  • 83 Die Klägerin betankte ihre Fahrzeuge regelmäßig in den Niederlanden, um die dort günstigen Kraftstoffpreise zu nutzen. Auch das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ……….. wurde in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betankt, und zwar am 2. Dezember 2009 mit 495,03 Liter in den Tank 2 sowie am 14. Februar 2011 mit 618,92 Liter in den Tank 1 und 570,50 Liter in den Tank 2. Nach beiden Betankungen überquerte der Fahrer des Fahrzeugs unmittelbar die deutsch-niederländische Grenze und fuhr in Deutschland weiter. Der getankte Kraftstoff wurde ausschließlich zum eigenen Antrieb des Fahrzeugs verwendet.

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  • 104 Am 28. Juni 2012 gab die Klägerin bei dem Beklagten für den in Tank 2 gefüllten Dieselkraftstoff von 495,03 Liter und 570,50 Liter jeweils vorsorglich eine Steueranmeldung ab.

11

  • 125 Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 3. Juli 2012 einen Bescheid über insgesamt 501,22 € Energiesteuer für den Kraftstoff in Tank 2. Auf den Vorgang vom 2. Dezember 2009 entfielen 232,86 € Energiesteuer und auf den Vorgang vom 14. Februar 2011 entfielen 268,36 € Energiesteuer. Durch das Verbringen des Dieselkraftstoffs nach Deutschland sei die Energiesteuer entstanden. Der in Tank 2 befindliche Dieselkraftstoff sei nicht von der Energiesteuer befreit.

13

  • 146 Außerdem erließ der Beklagte unter dem 19. September 2012 einen Bescheid über 291,14 € Energiesteuer für den Kraftstoff in Tank 1. Eine Energiesteuerbefreiung sei auch für den in Tank 1 befindlichen Kraftstoff nicht gegeben.

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  • 167 Die Klägerin legte gegen die Bescheide Einsprüche ein, die jeweils zurückgewiesen wurden.

17

  • 188 Mit ihren Klagen begehrt die Klägerin die Aufhebung der Bescheide. Sie trägt vor: Für den Kraftstoff in beiden Tanks müsse die Energiesteuerbefreiung gelten. Die durch den Beklagten vorgenommene Auslegung des nationalen Rechts verstoße gegen die europäischen Ziele der Vermeidung der Doppelbesteuerung, des freien Waren- und Personenverkehrs sowie die Schaffung und das Funktionieren eines reibungslosen Binnenmarktes. In der Praxis führe die Auslegung des Beklagten dazu, dass in keinem Fall eine Befreiung in Betracht komme. Denn ein – vom Beklagten für die Befreiung geforderter – serienmäßiger Einbau der Tankbehälter werde nicht mehr angeboten. Vielmehr würden die Tanks individuell nach der beabsichtigten späteren Verwendung eingebaut. Außerdem sei eine arbeitsteilige Herstellung der Fahrzeuge zwischen den Herstellern der Rahmen, wie vorliegend der A, und den Karosseriebauern üblich. Würde der Hersteller des Rahmens das Fahrzeug nur mit einem Rangiertank mit einem Fassungsvermögen von 20 Liter ausstatten und der Karosseriebauer die nötigen Umbauarbeiten vornehmen, käme keine Energiesteuerbefreiung mehr in Betracht. Hinsichtlich des Tanks 1 würde die Auslegung des Beklagten selbst bei einem serienmäßig eingebauten Tank dazu führen, dass jeder Austausch zu Reparaturzwecken den Befreiungstatbestand für die Zukunft entfallen lassen würde.

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  • 209 Der Beklagte ist den Klagen mit der Begründung entgegen getreten, der Kraftstoff in beiden Tanks sei nicht von der Energiesteuer befreit, da die Tanks nicht serienmäßig eingebaut worden seien. Dies sei auch mit den Vorgaben des Unionsrechts zu vereinbaren.

21

  • 2210 Neben dem vorliegenden Verfahren wurden in Deutschland eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle von den Behörden aufgegriffen und sind bei den Gerichten anhängig. Gegen den Geschäftsführer der Klägerin wird derzeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem zuvor geschilderten Sachverhalt und weiterer gleich gelagerter Fälle geführt.

23II.

24

  • 2511 Für die Entscheidung über die Vorlagefragen sind folgende Vorschriften des nationalen Rechts von Bedeutung:

26Energiesteuergesetz (EnergieStG) vom 15. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1534), in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1979):

27§ 1 Steuergebiet …

28(1) Energieerzeugnisse unterliegen im Steuergebiet der Energiesteuer. Steuergebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland. …

29§ 4 Anwendungsbereich

30Die folgenden Energieerzeugnisse unterliegen dem Steueraussetzungsverfahren (§ 5): …

313. Waren der Unterpositionen 2710 11 bis 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur; …

32§ 15 Verbringen zu gewerblichen Zwecken

33(1) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuer dadurch, dass der Bezieher

34

  • 351 die Energieerzeugnisse im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
  • 362 die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Energieerzeugnisse in das Steuergebiet verbringt oder verbringen lässt. …

37(2) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Steuerschuldner ist, wer sie in Besitz hält oder verwendet. …

38(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht

391. für Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen, Spezialcontainern, Arbeitsmaschinen und -geräten sowie Kühl- und Klimaanlagen,

402. für Kraftstoffe, die in Reservebehältern eines Fahrzeugs bis zu einer Gesamtmenge von 20 Litern mitgeführt werden,

413.   für Heizstoffe im Vorratsbehälter der Standheizung eines Fahrzeugs. …

42§ 15 Absatz 2 EnergieStG ist durch Art. 6 Nr. 15 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1870), mit Wirkung vom 1. April 2010 wie folgt geändert worden:

43Werden Energieerzeugnisse im Sinn des § 4 aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Dies gilt nicht, wenn die in Besitz gehaltenen Energieerzeugnisse für einen anderen Mitgliedstaat bestimmt sind und unter zulässiger Verwendung eines Begleitdokuments nach Artikel 34 der Systemrichtlinie durch das Steuergebiet befördert werden. Steuerschuldner ist, wer die Energieerzeugnisse versendet, in Besitz hält oder verwendet. …

44Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes

45(Energiesteuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV) vom 31. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1753), in der Fassung des Artikels 6 der Verordnung vom 5. Oktober 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 3262):

46§ 41 Hauptbehälter

47Hauptbehälter im Sinne des § 15 Absatz 4 Nummer 1, § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, § 21 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 und § 46 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes sind:

481. die vom Hersteller für alle Fahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen,

492. die vom Hersteller in alle Container desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstiger Anlagen von Spezialcontainern während der Beförderung ermöglichen.

50Besteht ein Hauptbehälter aus mehr als einem Kraftstoffbehälter, ist ein Absperrventil in der Leitung zwischen zwei Kraftstoffbehältern unschädlich.

51III.

52

  • 5312 Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung dieser Fragen ab.

54

  • 5513 Die Klagen dürften unter Berücksichtigung der bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abzuweisen sein.

56

  • 5714 Die Energiesteuer dürfte in der festgesetzten Höhe entstanden sein. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG entsteht die Steuer, wenn Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 EnergieStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht werden und sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Vorliegend könnte die Energiesteuer dadurch entstanden sein, dass das im Rahmen des steuerrechtlich freien Verkehrs in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betankte Fahrzeug der Klägerin nach Deutschland gefahren wurde und der Kraftstoff in dem Fahrzeug von der Klägerin für ihr Speditionsunternehmen in Besitz gehalten und verwendet wurde.

58

  • 5915 Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Energiesteuer dürften nach der bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung nicht gegeben sein. Nach § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG gilt § 15 Abs. 2 EnergieStG unter anderem nicht, wenn es sich um Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen handelt. Der Begriff des Hauptbehälters wird in § 41 Satz 1 Nr. 1 EnergieStV und dem zugrunde liegenden Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, definiert als vom Hersteller für alle Fahrzeuge/Kraftfahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs/Treibstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge/Kraftfahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen. Nach der hierzu bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung erfasst der Begriff des Hauptbehälters keine Kraftstoffbehälter, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden sind. Das soll auch in den Fällen der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Karosseriebauer gelten (Bundesfinanzhof – BFH -, Beschlüsse vom 26. Juli 2010 VII B 276/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2010, 2074; vom 24. November 2010 VII B 168/10, BFH/NV 2011, 601; vom 5. Oktober 2011 VII B 12/11, BFH/NV 2012, 238). Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL sei den zollrechtlichen Vorschriften, insbesondere Art. 112 Abs. 1 und 2 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (VO Nr. 918/83) des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, ABl. EG Nr. L 105/1, nachgebildet. Deshalb könne die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 3. Dezember 1998, C-247/97, Slg. 1998, I-8095) zum zollrechtlichen Begriff des Hauptbehälters zur Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL herangezogen werden, wonach der eng auszulegende Befreiungstatbestand des Art. 112 Abs. 1 VO Nr. 918/83 keine Anwendung auf Behälter finden könne, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden seien (BFH, Beschluss vom 15. Oktober 2008 VII B 21/08, BFH/NV 2009, 219). Etwas anderes lasse sich auch nicht dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 13. April 2011, KOM (2011) 169/3 zur Änderung der EnergieStRL entnehmen (BFH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 VII B 12/11, BFH/NV 2012, 238). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wäre Tank 2 vorliegend nicht als Hauptbehälter einzustufen, da er von der B und nicht von der A eingebaut worden ist. Auch bei Tank 1 würde es sich nicht um einen Hauptbehälter handeln, wenn man, wie der Beklagte, darauf abstellen würde, dass der Tank zwar ursprünglich von der A eingebaut worden war, im Rahmen des Umbaus aber versetzt und damit von der B erneut fest eingebaut werden musste.

60

  • 6116 Der Senat hat Zweifel, ob die dargestellte enge Auslegung des Herstellerbegriffs in Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL zutreffend ist oder ob vielmehr eine weite Auslegung geboten ist, bei der vom Begriff des Herstellers auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein könnten.

62

  • 6317 Bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL könnte insbesondere der Sinn und Zweck der Vorschrift eine weite Auslegung gebieten. Der Sinn und Zweck der Energiesteuerbefreiung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL kann dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/74/EG (RL 94/74/EG) des Rates vom 22. Dezember 1994 unter anderem zur Änderung der Richtlinie 92/81/EWG (RL 92/81/EWG) zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle entnommen werden, da dieser sich auf Art. 8a RL 92/81/EWG als Vorgängervorschrift des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL bezieht. In dem 19. Erwägungsgrund zur RL 94/74/EG ist ausgeführt, dass eine Verbrauchsteuerbefreiung durch die Mitgliedstaaten zu regeln ist, um den freien Verkehr von Personen und Waren nicht zu beeinträchtigen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Im Hinblick darauf hat der Gerichtshof eine weite Auslegung des Art. 8a RL 92/81/EWG vorgenommen (EuGH, Urteil vom 9. September 2004, C-292/02, Slg. I-7923 Randnr. 41), was vorliegend für eine ebenfalls weite Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL sprechen könnte.

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  • 6518 Die von der nationalen Rechtsprechung bisher vorgenommene enge Auslegung stützt sich dagegen auf ein Urteil des Gerichtshofs zur Verordnung Nr. 918/83 (EuGH, in Slg. 1998, I-8095). Mit dieser Verordnung wurde aber ein anderer Zweck verfolgt als mit den auch vorliegend zu prüfenden Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts (EuGH, in Slg. 2004, I-7923 Randnr. 39, 40). Im 2. Erwägungsgrund zur Verordnung Nr. 918/83 wird ausgeführt, dass eine Abgabenerhebung unter bestimmten Umständen nicht gerechtfertigt ist, wenn zum Beispiel die besonderen Bedingungen der Einfuhr keine Anwendung der üblichen Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft erfordern.

66

  • 6719 Der Schutz der Wirtschaft der Europäischen Union im Verhältnis zu Drittländern als Grundgedanke der Vorschriften des europäischen Zollrechts könnte insoweit gerade eine enge Auslegung gebieten, während der freie Verkehr von Personen und Waren sowie die Vermeidung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union eine weitere Auslegung im vorliegenden Fall erfordern könnten.

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  • 6920 Gegen diese Unterscheidung und für eine in beiden Fällen enge Auslegung scheinen insbesondere auch nicht die Erfordernisse der Rechtssicherheit und die Schwierigkeiten zu sprechen, denen die einzelstaatlichen Zollverwaltungen gegenüberstehen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde vom Gerichtshof, soweit für den vorliegenden Fall ersichtlich, lediglich bei der Frage der engen Auslegung von zollrechtlichen Vorschriften berücksichtigt (EuGH, Urteil vom 18. März 1986, 58/85, Slg. 1986, 1141 Randnr. 12; in Slg. 1998, I-8095 Randnr. 23). Bei der dargestellten Entscheidung zum Verbrauchsteuerrecht (EuGH, in Slg. 2004 I-7923) scheint dieser Gesichtspunkt aber hinter dem Prinzip des Binnenmarktes zurückzutreten.

70

  • 7121 Die Systematik der EngergieStRL würde einer weiten Auslegung nicht zwingend entgegenstehen, da der Wille des Richtliniengebers auch in dem dargestellten 19. Erwägungsgrund zur Richtlinie 94/74/EG zum Ausdruck kommt und dieser für eine weite Auslegung spricht. Auch in den vorbereitenden Rechtsakten waren diese Erwägungen schon inhaltsgleich enthalten, so im 18. Erwägungsgrund zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung u.a. der Richtlinie RL 92/81/EWG vom 30. Juni 1994, KOM (94) 179 endg., ABl. EG Nr. C 215/19.

72

  • 7322 Eine weite Auslegung würde über den Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL nicht hinausgehen. Denn von dem Begriff des „Herstellers“ kann unter Berücksichtigung der derzeitigen tatsächlichen Verhältnisse der Produktion von Lastkraftwagen auch ein Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein. An der Herstellung eines Lastkraftwagens sind regelmäßig mehrere Unternehmen beteiligt, um das Fahrzeug entsprechend der individuellen technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen ausrüsten zu können.

74

  • 7523 Schließlich handelt es sich vorliegend nicht um die typischen Fälle eines Missbrauchs, sondern um die Nutzung der Preisunterschiede in den Mitgliedstaaten, welche in dem noch nicht vollständig harmonisierten Energiesteuersystem ihren Ursprung haben. Ein Steuerwettbewerb in diesem Umfang wird in den Erwägungsgründen zur EnergieStRL gerade hingenommen.

76

  • 7724 Kommt man zu dem Ergebnis einer weiten Auslegung des Herstellerbegriffs, stellt sich die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich EnergieStRL auszulegen ist, wonach Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ gegeben sein müssen. Denn ein mehrstufiger Herstellungsprozess, der den technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen des Einzelfalles gerecht wird, schließt denknotwendig das Herstellen von bestimmten Fahrzeugtypen im Sinne einer Serienproduktion aus.

 

Steuererklärungsfristen 2012

Abgabefrist für Steuererklärungen

Für das Kalenderjahr 2012 sind folgende Erklärungen bis zum 31.5.2013 bei den Finanzämtern abzugeben: die Erklärungen zur Einkommensteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten sowie zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Ferner die Erklärungen zur Körperschaftsteuer, einschließlich der Erklärungen zu gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die in Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen sind, sowie für die Zerlegung der Körperschaftsteuer. Ebenfalls bis zu diesem Datum abzugeben sind die Erklärungen zur Gewerbesteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und zur gesonderten Feststellung des Zuwendungsvortrags sowie für die Zerlegung des Steuermessbetrags. Schließlich auch die Erklärungen zur Umsatzsteuer sowie zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes.

Sonderfrist

Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist nicht vor Ablauf des fünften Monats, der auf den Schluss des Wirtschaftsjahres 2012/2013 folgt.

Fristverlängerung

Sofern die vorbezeichneten Steuererklärungen durch Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG angefertigt werden, wird die Frist allgemein bis zum 31.12.2013 verlängert. Bei Steuererklärungen für Steuerpflichtige, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, tritt an die Stelle des 31.12.2013 der 31.5.2014. Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspätet oder nicht abgegeben wurden. Ferner dann, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum kurz vor Abgabe der Erklärung bzw. vor dem Ende der Karenzzeit nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden oder sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat. Des Weiteren soll von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, wenn hohe Abschlusszahlungen erwartet werden oder für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind oder die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Erklärungen laufend fertig gestellt und unverzüglich eingereicht werden. Aufgrund begründeter Einzelanträge kann die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen bis zum 28.2.2014 bzw. in den Fällen, in denen die vorbezeichnete Sonderfrist gilt, bis zum 31.7.2014 verlängert werden. Eine weitergehende Fristverlängerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die allgemeine Fristverlängerung gilt nicht für Anträge auf Steuervergütungen. Sie gilt auch nicht für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit mit Ablauf des 31.12.2012 endete. Hat die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor dem 31.12.2012 geendet, ist die Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr einen Monat nach Beendigung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit abzugeben.

 

Umsatzsteuerbefreiung ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 UStG

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nummer 26 Buchstabe b Umsatzsteuergesetz (UStG);
Angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis

Nach § 4 Nummer 26 UStG ist die ehrenamtliche Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird (§ 4 Nummer 26 Buchstabe a UStG) oder wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht (§ 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG).

Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) alle Tätigkeiten, die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden, die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicher Weise als ehren-amtlich bezeichnet oder die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden; dieser setzt das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus (BFH-Urteil vom 14. Mai 2008, XI R 70/07, BStBl II S. 912, zuletzt BFH-Urteil vom 20. August 2009, V R 32/08, BStBl 2010 II S. 88).

Liegt ein eigennütziges Erwerbsstreben oder eine Hauptberuflichkeit vor bzw. wird der Ein-satz nicht für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung erbracht, kann unabhängig von der Höhe der Entschädigung nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet.

Mit BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012 – IV D 3 – S 7185/09/10001 (2011/1016375), BStBl I S. 59, wurden im Interesse einer Erleichterung für die Praxis durch die Einführung von Betragsgrenzen Anhaltspunkte vorgegeben, bis zu welcher Höhe nach Ansicht der Finanzverwaltung im Sinne des § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG von einem noch angemessenen Entgelt bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden kann, bei dem im Ergebnis die Steuerbefreiung zur Anwendung kommt. Damit ist für die Betroffenen insoweit Rechtssicherheit gegeben. Da es sich bei den genannten Grenzen um so genannte Nichtbeanstandungsgrenzen handelt, bis zu deren Höhe seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich auf eine Angemessenheitsprüfung der Entschädigungen verzichtet wird, ist die Möglichkeit der Einzelfallüberprüfung für Beträge, die über diese Grenzen hinaus gehen, nach wie vor gegeben. Die Frage nach der Angemessenheit der Entschädigung für Zeitversäumnis ist hierbei an dem vom BFH ausgelegten Begriff des „Ehrenamt“ in § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG auszurichten und nicht nach dem Marktwert der jeweiligen Leistung. Der ehrenamtlich Tätige hat keinen Anspruch auf eine Bezahlung, sondern allenfalls auf eine Entschädigung besonderer Art, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den öffentlichen und den beruflich-privaten Interessen schaffen soll.
Nach dem Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird daher Abschnitt 4.26.1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 26. März 2013 – IV D 2 – S 7127/07/10002:010 (2013/0286981), BStBl I S. XXX, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. In Absatz 1 werden nach Satz 5 die folgenden neuen Sätze 6 bis 8 angefügt:
„6Liegt ein eigennütziges Erwerbsstreben oder eine Hauptberuflichkeit vor bzw. wird der Einsatz nicht für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung erbracht, kann unabhängig von der Höhe der Entschädigung nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden. 7Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet. 8Ein Entgelt, das nicht lediglich im Sinne einer Entschädigung für Zeitversäumnis oder eines Verdienstausfalls gezahlt wird, sondern sich an der Qualifikation des Tätigen und seiner Leistung orientiert, steht dem Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit entgegen.“

2. In Absatz 4 werden die bisherigen Sätze 2 bis 4 durch die folgenden Sätze 2 bis 5 ersetzt:
„2Was als angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis anzusehen ist, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden; dabei ist eine Entschädigung in Höhe bis zu 50 € je Tätigkeitsstunde regelmäßig als angemessen anzusehen, sofern die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sinne des § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG den Betrag von 17 500 €im Jahr nicht übersteigt. 3Zur Ermittlung der Grenze von 17 500 € ist auf die tatsächliche Höhe der Aufwandsentschädigung im Vorjahr sowie die voraussichtliche Höhe der Aufwandsentschädigung im laufenden Jahr abzustellen. 4Ein (echter) Auslagenersatz, der für die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Aufwendungen der ehrenamtlichen Tätigkeit vergütet wird, bleibt bei der Berechnung der Betragsgrenzen unberücksichtigt. 5Als Auslagenersatz im Sinne des Satzes 4 werden beispielsweise auch ein Fahrtkostenersatz nach den pauschalen Kilometersätzen oder auch Verpflegungsmehraufwendungen anerkannt, sofern sie lohnsteuerlich ihrer Höhe nach als Reisekosten angesetzt werden könnten (vgl. R 9.4 Absatz 1 LStR 2011).“

3. Nach Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 5 angefügt:
„(5) 1Eine vom tatsächlichen Zeitaufwand unabhängige z. B. laufend gezahlte pauschale bzw. monatli-che oder jährlich laufend gezahlte pauschale Vergütung sowie ein gesondert gezahltes Urlaubs-, Weihnachts- bzw. Krankheitsgeld stehen dem Charakter einer Entschädigung für Zeitversäumnis entgegen und führen zur Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift mit der Folge, dass sämtliche für diese Tätigkeit gezahlten Vergütungen – auch soweit sie daneben in Auslagenersatz oder einer Entschädigung für Zeitaufwand bestehen – der Umsatzsteuer unterliegen. 2Dies gilt für eine pauschal gezahlte Aufwandsentschädigung nicht, wenn der Vertrag, die Satzung oder der Beschluss eines laut Satzung hierzu befugten Gremiums zwar eine Pauschale vorsieht, aber zugleich festgehalten ist, dass der ehren-amtlich Tätige durchschnittlich eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Woche/Monat/Jahr für die fremdnützig bestimmte Einrichtung tätig ist und die in Absatz 4 genannten Betragsgrenzen nicht überschritten werden. 3Der tatsächliche Zeitaufwand ist glaubhaft zu machen. 4Aus Vereinfachungsgründen kann die Steuerbefreiung auch ohne weitere Prüfung gewährt werden, wenn der Jahresge-samtbetrag der Entschädigungen den Freibetrag nach § 3 Nummer 26 EStG nicht übersteigt. 5In die-sen Fällen bedarf es lediglich der Angabe der Tätigkeiten und zur Höhe der dabei enthaltenen Entschädigungen.

Beispiel 1:
1Ein ehrenamtlich Tätiger, der für seine Ehrenamtstätigkeit (1 Stunde / Woche) eine pauschale Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 120 € monatlich und zusätzlich für eine weitere ehren-amtliche Tätigkeit (ca. 20 Stunden / Jahr) eine jährliche Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 500 € erhält, kann die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nummer 26 Buchstabe b UStG – auch ohne zusätzliche Nachweise – in Anspruch nehmen, da der Jahresgesamtbetrag seiner Entschädigungen (1 940 €) den Freibetrag nach § 3 Nummer 26 EStG nicht übersteigt. 2Ein daneben gezahlter Auslagenersatz für tatsächlich entstandene Aufwendungen bleibt bei der Berechnung der Betragsgrenzen unberücksichtigt.

Beispiel 2:
1Ein ehrenamtlich Tätiger, der für seine ehrenamtliche Tätigkeit (7 Stunden / Woche) eine pauschale monatliche Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 1 200 € erhält und in acht Wochen im Jahr seine Tätigkeit auf Grund Urlaub / Krankheit nicht ausübt, hat einen durchschnittlichen Stundensatz in Höhe von rund 46 € (44Wochen je 7 Stunden, Gesamtvergütung 14 400 €). 2Eine weitere ehrenamtliche Tätigkeit wird durch ihn nicht ausgeübt. 3Die Steuerbefreiung kann gewährt werden, da die Vergütung nicht mehr als 50 € je Tätigkeitsstunde beträgt und die Grenze von 17 500 € nicht übersteigt.“
Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2012 ausgeführt werden. Für die Anwendung von Abschnitt 4.26.1 Absatz 5 Satz 2 UStAE ist es ausreichend, wenn der Vertrag, die Satzung oder der Beschluss bis zum 31. März 2014 entsprechend angepasst wird.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten – Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum Herunterladen bereit.

Arbeitszimmer bei mehreren Tätigkeiten


Die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG greift bei einem Steuerpflichtigen, der mehrere Tätigkeiten ausübt, nur ein, wenn der inhaltliche/qualitative Schwerpunkt der Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit, nicht nur lediglich einer der Tätigkeiten, in dem häuslichen Arbeitszimmer liegt.

Wer nachweisen kann, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstellt, kann die Kosten als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben absetzen.  Wie kann man aber die Kosten absetzen, wenn man mehreren Tätigkeiten nachgeht. Dann ist der volle Kostenabzug nach Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz nur zu gewähren, wenn das häusliche Arbeitszimmer für jede der Tätigkeiten den Tätigkeitsmittelpunkt bildet. |

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom: 17.01.2012
Aktenzeichen: 2 K 1726/10
Rechtsgebiet: EStG
Vorschriften: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Eingestellt am: 14.03.2013

Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 17.01.2012

2 K 1726 / 10

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für einen im selbstgenutzten Einfamilienhaus gelegenen Raum unbegrenzt oder nach den Regelungen für die Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmerkosten und in diesem Rahmen nur begrenzt als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Die Klägerin war im Streitjahr als Musikpädagogin und Konzertpianistin freiberuflich tätig. Ihre hieraus erzielten Gewinne ermittelte sie im Wege der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Daneben ist sie ehrenamtliche Organistin des protestantischen Dekanats.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 hatte sie angegeben, Honorare für „pianistische Tätigkeiten” bzw. für Konzerte in Höhe von 5.952,00 € sowie für Unterricht an der Kreismusikschule in Höhe von 7.155,80 € und für die Unterrichtung von Privatschülern in Höhe von 15.570,78 € erzielt zu haben.

Als Betriebsausgaben machte sie u.a. Raumkosten für ein Arbeitszimmer in dem von ihr bewohnten Einfamilienhaus in Höhe von 2.492,29 € sowie Kosten für verschiedene Geschäftsreisen (Konzertreisen nach K vom 13. Juni bis 15. Juni 2008, nach C vom 25. Mai bis 26. Mai 2008 und nach Dänemark vom 11. März bis 14. März 2008 sowie eine Reise nach M vom 8. März bis 9. März 2008) und für im Mai, Juli, September und Dezember 2008 stattgefundene, jeweils mehrtägige Fortbildungsreisen, u.a. nach England , geltend.

Auf die im Zuge des Veranlagungsverfahrens vom Finanzamt geäußerte Auffassung, die Raumkosten könnten nicht berücksichtigt werden, da der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers liege, ließ die Klägerin wissen, in Vorbereitung ihrer Konzerte übe sie ca. 3 Stunden am Tag ausschließlich in ihrem Arbeitszimmer. 99 % der Arbeit an einem Konzert sei die Vorbereitung. Das tägliche Üben sei auch notwendig, damit sie ihr hohes Niveau als Instrumentallehrerin für hochbegabte Schüler halten könne. Im Arbeitszimmer bereite sie auch ihren Unterricht vor, dort ständen ihre Instrumente und Noten und dort fänden – ebenfalls zur Konzertvorbereitung – auch Proben mit anderen Musikern statt. Das Zimmer werde nicht privat genutzt. Sie unterrichte lediglich eine kleine Anzahl von Schülern außer Haus. Den absolut überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit verbringe sie in dem Arbeitszimmer. Ihr Fall sei mit dem von Lehrern vergleichbar, für die das Arbeitszimmer ebenso notwendig sei, die jedoch garantiert einen größeren Zeitanteil außerhalb des Arbeitszimmers verbrächten.

Hierzu legte die Klägerin eine Aufstellung über die „typische Nutzung des Arbeitszimmers” vor, wonach sie sich von Montag bis Sonntag jeweils 3 bis 6 Stunden zur Unterrichts- und Konzertvorbereitung und von Dienstag bis Freitag für 1,5 Stunden (Dienstag) bzw. je 4,25 Stunden (Mittwoch und Donnerstag) bzw. 0,25 Stunden (Freitag) für Unterrichtszwecke in diesem Raum aufgehalten haben will. Darüber hinaus habe sie montags nachmittags 4 ½ Stunden und dienstags nachmittags 3 Stunden Unterricht außer Haus gegeben.

(Wegen des Wortlautes der Zusammenstellung wird auf Bl. 9 ESt-Akten 2008 Bezug genommen.)

Mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Dezember 2009 versagte das Finanzamt die Berücksichtigung der Raumkosten zur Gänze, da sich dort nicht der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit befinde.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, mit dem sie einwendete, das Finanzamt ignoriere, dass die Unterrichtstätigkeit, mit der die Klägerin den größten Teil ihres Einkommens erziele, zum überwiegenden Teil im Arbeitszimmer stattfinde. Was das Unterrichten und seine Vorbereitung betreffe, bilde das Zimmer den Mittelpunkt der Tätigkeit.

Später ließ sie vortragen, im Streitfall handele es sich nicht um ein Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG, sondern um eine häusliche Betriebsstätte. Aber auch dann, wenn der streitbefangene Raum ein Arbeitszimmer darstellen sollte, seien die angefallenen Kosten uneingeschränkt anzuerkennen.

Im Januar 2010 nahm der Ermittlungsbeamte den streitbefangenen Raum in Augenschein. Er stellte fest, dass von Außen nicht erkennbar sei, dass dort Musikunterricht stattfinde. In dem Raum befänden sich ein Klavier und ein Klavierflügel. Auf ersterem werde unterrichtet.

Wegen der vom Ermittlungsbeamten angefertigten Fotografien wird auf Bl. 24 bis 31 und wegen des Plans des Wohnhauses der Klägerin auf Bl. 42 und 43 Rb-Akten verwiesen.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt – noch auf der Grundlage des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 – aus, ein Kostenabzug für ein Arbeitszimmer sei nur noch dann möglich, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde. Dies sei hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die heimischen Aktivitäten zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeiten vorbereitend erforderlich seien, genüge hierfür nicht. Bei einer freiberuflichen Konzertpianistin und Klavierpädagogin mit Unterrichtstätigkeiten außerhalb des häuslichen Musikzimmers liege der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit außer Hause. Die Tätigkeit als Konzertpianistin werde durch die künstlerische Darbietung auf der Bühne geprägt. Der Mittelpunkt der außerhäuslichen Lehrtätigkeit befinde sich am Unterrichtsort, auch wenn hierfür vorbereitende Arbeiten im Arbeitszimmer nötig seien. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehe, dass der außerhäusliche Unterricht nur untergeordneten Charakter gehabt habe, könne dennoch nicht festgestellt werden, dass der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit der Klägerin im häuslichen Arbeitszimmer gelegen habe.

Mit der vorliegenden, sich hiergegen richtenden Klage trägt die Klägerin vor, bei dem streitbefangenen Raum handele es sich um einen innerhalb des Hauses abgeteilten Schulungsbereich für Musik bzw. um ein Musikstudio. Er verfüge über alle Einrichtungserfordernisse einer Musikschule, d.h. einen vom Wohnhaus getrennten Eingangsbereich mit Vorraum als Garderobe, ein Umkleidebad mit Dusche und Toilette und den über 35 qm großen Übungsraum. Bereits Anfang 2007 habe die Anzahl ihrer Privatschüler schnell zugenommen. Parallel hierzu sei die Klägerin auf Grund eines Honorarvertrages mit der Kreismusikschule mit der Gruppenunterrichtung von Kindern und Jugendlichen betraut gewesen. Das Unterrichtskonzept und dessen Durchführung lägen in ihrer selbständigen Verantwortung. Hierfür stelle die Musikschule zwar grundsätzlich einen Raum mit einem Klavier zur Verfügung, der Unterricht finde jedoch insbesondere bei Schwerpunktthemen und Wettbewerbsvorbereitungen im Schulungsraum der Klägerin statt. Daneben gebe sie gelegentlich als Solistin Konzerte am Klavier. Dies tue sie nur fallweise und auf Einladung hin und nur, soweit es ihr Unterrichtsbetrieb zulasse. Diese Auftritte dienten der Festigung ihres Renommees, was als Werbung für die Musikschule von Bedeutung sei, sowie der Festigung und Weiterentwicklung ihres Selbstverständnisses. Demgegenüber träten wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Hintergrund. So stammten denn auch nur 20 % der in 2008 erzielten Honorare aus ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin. Deren wirtschaftliche Bedeutung liege noch darunter, weil damit hohe Aufwendungen verbunden seien.

Der Beklagte habe, ohne konkrete Feststellungen hierzu zu treffen, einen Teil der Unterrichtstätigkeit als außerhäusige Tätigkeit angesehen. Der weitaus größte Teil der Schüler werde jedoch in den Räumlichkeiten der Klägerin unterrichtet. Dabei handele es sich nicht selten auch um Schüler der Kreismusikschule. Wettbewerbsvorbereitungen mit einem Hochleistungsinstrument, wie es der Klägerin zur Verfügung stehe, könne die Musikschule anderenorts gar nicht durchführen lassen.

Im Übrigen seien die Arbeitszimmer-Grundsätze hier gar nicht einschlägig. Die Klägerin habe kein Arbeitszimmer, sondern sie habe Räume ihres Wohnhauses von vornherein zu einer musikalischen Unterrichtszwecken dienenden Gesamteinheit ausgestaltet und nutze diese auch nur so. Die Räume seien von Anfang an keine Wohnräume gewesen, sondern insoweit zu vergleichen mit denen einer Anwalts- oder Steuerberatungskanzlei etc. im eigenen Hause. In den Räumlichkeiten finde ein normaler Schulungsbetrieb statt. Der vorliegende Fall sei damit nicht dem „Konzertpianisten-Urteil” des Finanzgerichtes Schleswig-Holstein vergleichbar, sondern vielmehr dem, der dem Urteil des BFH vom 13. Oktober 2003, VI R 27/02, zu Grunde gelegen habe und zu dem der BFH festgestellt habe, dass das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgehe, auch dann den Betätigungsmittelpunkt bilden könne, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht darin liege.

Unter dem 2. März 2011 änderte der Beklagte unter Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG durch das rückwirkend auch für das Streitjahr geltende Jahressteuergesetz 2010 die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung dergestalt, dass er Raumaufwendungen der Klägerin im Umfang von 1.250,00 € zum Abzug brachte.

Die Klägerin beantragt daher noch,

den Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 2. März 2011 dahin zu ändern, dass weitere Raumaufwendungen in Höhe von 1.242,29 € (= 2.492,29 € geltend gemachte Kosten abzgl. 1.250,00 € bereits anerkannte Aufwendungen) als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit Berücksichtigung finden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und das BMF-Schreiben vom 3. April 2007, BStBl 2007 I S. 442 und bemerkt ergänzend, vor Ort sei keine nach außen erkennbare Widmung der streitbefangenen Räumlichkeit für den Publikumsverkehr ersichtlich. Die Klägerin habe nicht überzeugend dargelegt, dass der Raum mit einer Arztpraxis, einer Anwaltskanzlei etc. vergleichbar sei. Es handele sich vielmehr um ein häusliches Musikzimmer einer freiberuflich tätigen Konzertpianistin, in dem diese auch Musikunterricht erteile. Im Streitfall seien mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt worden, nämlich die Erteilung von Klavierunterricht zu Hause, die Erteilung von Klavierunterricht außer Haus, die Erteilung von Unterricht an der Kreismusikschule und die Tätigkeit als Konzertpianistin und Kammermusikerin. Nach den Gesamtumständen habe nicht festgestellt werden können, dass der qualitative Schwerpunkt sämtlicher Tätigkeiten in dem als Musikzimmer genutzten Raum bzw. den Räumen im Hause der Klägerin gelegen habe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

 

Gründe

Die Klage, über die der Senat nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Abzug weiterer Raumaufwendungen zu Recht versagt.

Kosten, die in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 EStG stehen, sind nach § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich steuerlich abzugsfähig. Dies gilt gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 1 EStG jedoch nicht betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und dessen Ausstattung. Solche Aufwendungen sind nur dann, und zwar grundsätzlich mit höchstens 1.250,00 €, zu berücksichtigen, wenn für die betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 2 EStG in der nach Art. 1 des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08. Dezember 2010 ( BGBl 2010 I S. 1768) ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwendenden Fassung. Ein darüber hinaus gehender unbeschränkter Abzug kommt nur dann in Frage, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Gesamtbetätigung des Steuerpflichtigen bildet, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 3 i.d. o.g. Fassung.

Unter einem Arbeitszimmer i.S.d. o.g. Vorschrift ist nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. bereits des Urteil des BFH vom 20. November 2003, IV R 3/02, BStBl 2005 II S. 203 m.w.N.) ein Raum zu verstehen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der Raum zugleich als eine bzw. als die Betriebsstätte eines Unternehmens i.S.d. § 12 AO anzusehen ist.

Nicht unter die Abzugsbeschränkung fallen solche Räumlichkeiten, die für andere als die o.g. Zwecke, z.B. als Werkstatt, Lagerraum oder Tonstudio etc., genutzt werden. Voraussetzung ist dann allerdings, dass die Widmung für diese andersartigen Zwecke nach außen erkennbar und die entsprechende Nutzung intensiv und dauerhaft ist (BFH, Beschluss vom 28. Juni 2006, IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243) und die entsprechenden technischen und ähnlichen Einrichtungen dem Raum das Gepräge geben.

Der typische Fall eines häuslichen Arbeitszimmers ist das häusliche Büro. Die büromäßige Ausstattung bzw. die Nutzung als Büro ist jedoch nicht als Ausschließlichkeitskriterium zu verstehen, denn ansonsten hätte sich die Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG eben ausdrücklich auf häusliche Büros beschränkt. Dies tut sie aber gerade nicht. Der Gesetzgeber verwendet vielmehr den Typusbegriff des Arbeitszimmers.

Zum Verständnis des Begriffes des Arbeitszimmers als eines Typusbegriffes ist auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zurückzugreifen und sodann wertend abzuwägen, ob der konkret zu beurteilende Raum hierunter zu fassen ist. Durch die Abzugsbeschränkung wird in typisierender und generalisierender Art und Weise der Abzug von Aufwendungen für Räume zum Ausnahmefall erklärt, um den sich aus der Verflechtung mit der steuerlich unbeachtlichen privaten Lebenssphäre ergebenden Nachweisproblemen und Missbrauchsgefahren zu begegnen. Ein Abzug wird deshalb nur dann (begrenzt oder – unter weiteren Voraussetzungen – unbegrenzt) gewährt, wenn die Nähe zum Privatbereich vernachlässigt werden kann. Entscheidend ist das sich aus einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände ergebende Bild.

Voraussetzung für einen, wenn auch eventuell lediglich beschränkten Abzug von Raumaufwendungen ist zudem stets, dass es sich um ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend tatsächlich betrieblich bzw. beruflich genutzte Räume handelt, bei denen eine private Mitbenutzung nahezu ausgeschlossen ist. Andernfalls liegen sog. Mischkosten vor, die mangels eines sinnvollen Aufteilungsmaßstabes gem. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und daher steuerlich irrelevant sind.

Für die Umstände, die dazu führen, dass ein Raum nicht unter die Abzugsbeschränkung fällt, trägt der sich hierauf zu seinen Gunsten berufende Steuerpflichtige die Feststellungslast.

Der vorliegend zu beurteilende Raum stellt sich danach als Arbeitszimmer und nicht als ein anderer, nicht unter die Begrenzungsvorschrift fallender Raum dar. Er ist räumlich nicht von der privaten Sphäre der Klägerin zu trennen. Nach den vorliegenden Plänen (Bl. 42 und 43 Rechtsbehelfsakten) lässt er sich nur über den (einzigen) Hauseingang und den gemeinsamen Eingangsbereich/die Eingangsdiele des Einfamilienhauses der Klägerin betreten.

Die Nutzung des Zimmers durch die Klägerin kommt nach deren eigener Beschreibung in allen wesentlichen Punkten der Nutzung eines häuslichen Büros durch einen Steuerpflichtigen, der eine Bürotätigkeit ausübt, gleich.

Es ist zweifelhaft, ob die hier auszulegende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auf die vom BFH gefundene Definition des Arbeitszimmers, die sich auf gedankliche/schriftliche Arbeiten konzentriert, beschränkt werden kann. Es wird auch die nach Dafürhalten des Senates zutreffende Auffassung vertreten, dass alle Räume, in denen der Steuerpflichtige mit Hilfe seines berufstypischen „Handwerkszeugs” zur Einkunftserzielung tätig ist, unter den Begriff des Arbeitszimmers fallen (vgl. z.B. Wendt, BFH-PR 2004, 44).

Aber auch dann, wenn man weiterhin die o.g. Definition zugrunde legt, ist vorliegend von einem häuslichen Arbeitszimmer der Klägerin auszugehen. Das Einstudieren und Einüben von Musikstücken lässt sich nicht lediglich als mehr oder weniger mechanische technische oder handwerkliche Tätigkeit begreifen. Das Produkt des Einstudierens und des Einübens ist Kunst. Diese erfordert eine gedankliche Beschäftigung mit dem Musikstück, mit seinem musikhistorischen Hintergrund, dem Komponisten etc. sowie die gedankliche Ausarbeitung der eigenen, individuellen Interpretation durch den Musizierenden. Dementsprechend ist der Raum – wie die von dem Ermittlungsbeamten des Beklagten gefertigten Fotografien zeigen – auch mit Schränken und Kommoden ausgestattet, in denen Bücher, Noten und andere schriftliche Unterlagen (wohl fachspezifischer Natur) aufbewahrt werden. Auch dies zeigt, dass sich die Tätigkeit der Klägerin eben nicht auf Aktivitäten beschränkt, die das Musikzimmer quasi als Werkraum erscheinen lassen könnten.

Schallschutzmaßnahmen wurden nicht getroffen. Sonstige technische Einrichtungen, die in Richtung eines Tonstudios weisen könnten, sind nicht vorhanden.

Die gedankliche Beschäftigung mit den Musikstücken dient sowohl der Vorbereitung von Konzerten als auch der Vorbereitung des von der Klägerin außer Haus in der Schule und auch des im Haus abgehaltenen Musikunterrichtes. Hinsichtlich der Lehrtätigkeit der Klägerin besteht kein wesensmäßiger Unterschied zu anderen Pädagogen. Hier wie dort hat sich der Lehrer, da ihm in der Schule in der Regel ein hierfür geeigneter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht, zu Hause auf den Unterricht vorzubereiten.

Die Klägerin scheitert auch mit ihrem Versuch, die häusliche Unterrichtstätigkeit als Schulbetrieb im herkömmlichen Sinne mit einem entsprechenden Umfang und einer entsprechenden Frequenzierung und mit der Folge darzustellen, dass der Raum als Unterrichtsraum statt als Arbeitszimmer anzusehen wäre. Wie sie selbst in ihrer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens eingereichten Aufstellung der „typischen Nutzung des Arbeitszimmers” einräumt, findet dort lediglich dienstags bis donnerstags (freitags nur in gänzlich zu vernachlässigendem Umfang) Unterricht von wöchentlich insgesamt 10 Stunden statt. Für etwaigen Gruppenunterricht ist nichts dargetan oder sonst ersichtlich, so dass davon auszugehen ist, dass sie, wie dies üblich ist, Einzelunterricht erteilt.

Die Klägerin hat zwar nichts beigebracht, was ihre o.g. Angaben belegen könnte oder nachprüfbar machte, etwa Quittungen über Barzahlungen von Schülern oder entsprechende Rechnungen, aus denen sich der Umfang der Nutzung des Raumes für Unterrichtszwecke ersehen ließe. Selbst wenn man jedoch ihre Angaben als wahr unterstellt, vermag dies dem streitbefangenen Raum nicht das Gepräge eines Schulungsraumes zu geben, der nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG fiele.

Räume stellen – wie oben ausgeführt – dann begrifflich keine häuslichen Arbeitszimmer dar, wenn sie nach außen erkennbar für den Publikumsverkehr gewidmet und für das Publikum (hier: die Schüler sowie die Musiker, mit denen die Klägerin probt) leicht zugänglich sind. Daran fehlt es laut Rechtsprechung des BFH (vgl. den Beschluss vom 15. Juni 2007, XI B 93/06, BFH/NV 2007, 1650, m.w.N.) dann, wenn diese Personen erst einen den Privatbereich betreffenden Teil der Wohnung durchqueren müssen. Auch bei nicht unwesentlichem Publikumsverkehr handelt es sich in einem solchen Fall um ein der Abzugsbeschränkung unterliegendes Zimmer. Mit anderen Worten: Publikums- bzw. Kunden- bzw. Schülerverkehr schließt die Einordnung eines Raumes als Arbeitszimmer nur dann aus, wenn er sich als intensiv und dauerhaft darstellt, so dass dieser Aspekt der Nutzung gegenüber den dort verrichteten gedanklichen Arbeiten in den Vordergrund tritt und prägend ist (BFH, Beschluss vom 28. Juni 2006, IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243).

Nach ihrer eigenen Einlassung nutzte die Klägerin den Raum zeitlich überwiegend zur Vorbereitung auf Konzerte und zum Halten des Niveaus ihres Spiels als Grundlage ihrer Lehrertätigkeit sowie zur Unterrichtsvorbereitung. Dabei sind die Konzerte und damit auch die Vorbereitung darauf nach dem eigenen Selbstverständnis der Klägerin als Künstlerin und ausgehend von der von ihr hierfür aufgewendeten Zeit und den Kosten (Reisen, Flüge) von besonderem Gewicht – nicht zuletzt auch, weil dies für ihren Ruf als Pianistin und damit in der Folge auch für ihre Lehrertätigkeit von herausragender Bedeutung ist.

Demgegenüber findet der häusliche Unterricht lediglich mit einzelnen Schülern und nach Vereinbarung statt. Von einem regen Publikumsverkehr, bei dem das Haus der Klägerin quasi für jedermann offen steht, kann daher keine Rede sein. Im Übrigen müssen die Schüler nach den o.g. Plänen den privaten Eingangsbereich durchqueren, um zu dem „Schulungsraum” zu gelangen. Dies und der Umstand, dass Unterricht nur nach Vereinbarung stattfindet, führt dazu, dass der Publikumsverkehr durch Schüler den Anforderungen, die nach der BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, an eine leichte Zugänglichkeit und damit an ein Herausfallen des Raumes aus dem Typusbegriff des Arbeitszimmers gestellt werden, nicht gerecht wird.

Aus Sicht eines außen stehenden Dritten wird – auch ausgehend von den Angaben der Klägerin zur zeitlichen Nutzung – der Charakter des Raumes, wenn nicht überwiegend, so doch mindestens in gleicher Weise durch die Konzert- und Unterrichtsvorbereitung, mithin durch die gedanklichen Tätigkeiten bestimmt wie von dem häuslichen Unterricht.

In die Betrachtung hat zudem einzufließen, dass – wie bereits gesagt – die Angaben der Klägerin zum zeitlichen Umfang der Nutzung durch nichts belegt sind und die tatsächliche Nutzung des Zimmers sich einer Nachprüfung durch außen stehende Dritte entzieht. So ist es nach Dafürhalten des Senates nicht glaubhaft, dass die Klägerin, eine leidenschaftliche Musikerin, ihren Flügel und damit das Musikzimmer nicht auch privat zum Musizieren oder auch zur Vorbereitung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Organistin nutzt.

Damit stellt sich der vorliegende Fall aber gerade als Paradebeispiel für die Situation dar, für die die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG geschaffen wurde: Ein Teil der Privatwohnung wird betrieblich/beruflich genutzt, ohne dass sich hinreichend sicher überprüfen ließe, in welchem Umfang und mit welcher Intensität dies geschieht.

Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wie sich der Streitfall von dem des Regelfalles des häuslichen Arbeitszimmers, nämlich dem des häuslichen Büros, unterscheiden sollte und die Klägerin gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die in einem häuslichen Arbeitszimmer ein Teil ihrer Bürotätigkeit verrichten, bevorzugt werden könnte.

Die Klägerin kann den unbeschränkten Raumkostenabzug auch nicht über die Mittelpunkt- (Ausnahme-) Regelung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 3, 2. Halbsatz EStG erreichen.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bildet, kommt es auf den inhaltlichen, d.h. qualitativen Schwerpunkt an, der im Wege der Wertung der Gesamttätigkeit festzustellen ist.

Ein häusliches Arbeitszimmer kann danach nur dann Mittelpunkt sein, wenn dort diejenigen Handlungen vorgenommen bzw. Leistungen erbracht werden, die für den konkret ausgeübten Beruf bzw. das konkret ausgeübte Gewerbe wesentlich und prägend sind (BFH, Urteil vom 06. Juli 2005, XI R 87/03, BStBl. II BStBl 2003 II S. 2006, BStBl 2003 II S. 18). Das gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der streitbefangenen Vorschrift auch dann, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt. Zeitliche oder sonstige quantitative, sich z.B. am Umsatz oder den Einnahmen orientierende Aspekte sind danach zur Begründung des Tätigkeitsmittelpunktes untauglich. Ihnen kommt lediglich indizielle Bedeutung zu (BFH, Urteil vom 23. März 2005, III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537).

Geht der Steuerpflichtige – wie hier – mehreren Tätigkeiten nach, ist der Mittelpunkt anhand einer Gesamtbetrachtung aller von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. In diesem Rahmen verbietet sich eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigungen, denn es geht gerade darum, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln ( Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 31. März 2005 , 12 K 1745/03, abgedruckt in juris). Nach BFH (vgl. das Urteil vom 13. Oktober 2003, VI R 27/02, BStBl. II 2004, 771) ist dabei wie folgt zu unterscheiden:

Bilden bei allen Erwerbstätigkeiten die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Gesamtmittelpunkt. Bilden dagegen die außerhäuslichen Tätigkeiten den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich die Einzeltätigkeiten keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.

Stellt das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt einer oder mehrerer der Einzeltätigkeiten, nicht jedoch aller Einzeltätigkeiten dar, so ist anhand einer Gesamtschau der Einzelfallumstände wertend zu entscheiden, ob dennoch von einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt auszugehen ist und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Dabei ist auf die Verkehrsanschauung und nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen abzustellen. Lässt sich bei mehreren Einzeltätigkeiten eine Haupttätigkeit feststellen, so initiiert deren Mittelpunkt den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit. Ist der Steuerpflichtige – wie hier die Klägerin – nicht in Vollzeit nichtselbständig beschäftigt, so müssen zur Bestimmung der Haupttätigkeit die jeweils erzielten Einnahmen, der auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallende Zeitaufwand und das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht in Betracht gezogen werden.

Im Streitfall vermag der Senat keinen Tätigkeitsmittelpunkt, auch nicht anhand des Mittelpunktes einer Haupttätigkeit, festzustellen. Dies gereicht der insoweit feststellungsbelasteten Klägerin zum Nachteil.

Die Tätigkeit der Klägerin als Konzertpianistin wird von ihren Auftritten geprägt, auch wenn der zeitliche Aufwand hierfür gegenüber der Vorbereitung in dem Musikzimmer zurücktritt. Ein Konzertpianist erweist sich nur im Konzert selbst als solcher.

Die Tätigkeit als Lehrerin hat ihren qualitativen Schwerpunkt dort, wo die Schüler unterrichtet werden, mithin außer Haus in der Musikschule oder im häuslichen Musikzimmer.

Dabei wird nicht verkannt, dass die jeweils im streitbefangenen Raum stattfindenden Vorbereitungen, Übungen, etc. notwendig sind. Auch notwendige Vor- und Nachleistungen bleiben inhaltlich im Verhältnis zur Haupttätigkeit vor Ort lediglich flankierende, nicht wesensbestimmende Maßnahmen.

Indes kann im Streitfall nicht festgestellt werden, welche der o.g. Tätigkeiten den Schwerpunkt, die Haupttätigkeit der Klägerin, bildet. Die Verkehrsanschauung hilft hier nicht weiter. Es existiert kein nach der Verkehrsauffassung der einzelnen Tätigkeit zukommendes Gewicht, mit dem sie gegenüber der anderen Tätigkeit abgegrenzt werden könnte.

Auch geben weder der zeitliche Aufwand noch die damit jeweils zusammenhängenden Einnahmen hinreichend sicher Aufschluss über eine Haupttätigkeit. Zur Anzahl der Auftritte als Konzertpianistin und die hierfür aufgewendete Zeit macht die Klägerin keine Angaben. Aus ihrer Gewinnermittlung geht lediglich hervor, dass sie im Streitjahr drei Klavierabende für ein Honorar von rund 3.200,00 € bestritten und darüber hinaus Honorare i.H.v. rund 2.800,00 € (insgesamt rund 20 % ihrer Einnahmen) für weitere Auftritte eingenommen hatte. Der außerhäusliche Musikunterricht nimmt laut nicht näher belegter und daher nicht überprüfbarer Darlegung der Klägerin „typischerweise” 7,5 Stunden pro Woche ein. Die – ebenfalls nicht nachgewiesenen – Einnahmen hieraus betrugen laut Klägerin rund 25 % der Gesamteinnahmen.

Für den häuslichen Musikunterricht will die Klägerin – wiederum weder belegt noch sonst nachprüfbar – „typischerweise” wöchentlich etwa 10 Stunden bei einem Einnahmeanteil von rund 54 % an den Gesamteinnahmen aufgewendet haben.

In die Betrachtung der für außerhäusliche Tätigkeiten aufgewendeten Zeit sind im Übrigen die von der Klägerin aus betrieblichen, jedoch nicht näher bezeichneten Gründen im Streitjahr durchgeführten Fahrten mit dem privaten Pkw von rund 9.800 km sowie die – jeweils nur ganz knapp erläuterten – Geschäftsreisen nach K, C, Dänemark und M, die sich über insgesamt 11 Tage erstreckten und bei denen zum Teil unklar ist, welcher von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit sie zuzuordnen sind.

Damit bleibt der zeitliche Umfang der jeweiligen außerhäuslichen und häuslichen Betätigung im Ergebnis ebenso unklar wie mangels Vorliegens entsprechender Abrechnungen/Quittungen etc. die Verteilung der Einnahmen auf die Tätigkeiten als Pianistin, als Lehrerin an der Musikschule und als Lehrerin, die zuhause Musikunterricht erteilt.

Aber auch wenn man den obigen Ausführungen zum jeweiligen Mittelpunkt jeder Einzeltätigkeit der Klägerin nicht folgen wollte und selbst wenn man die vagen Angaben der Klägerin zum jeweiligen zeitlichen Aufwand und die Angaben zu den Einnahmen als wahr unterstellen wollte, ließe sich kein Mittelpunkt in dem Musikzimmer feststellen. Die außerhäuslichen Betätigungen können wegen ihrer Bedeutung für sämtliche Einnahmen (über die Konzerte und den außerhäuslichen Unterricht in der Schule werden nicht nur unmittelbar Einnahmen generiert, sondern werden auch Schüler für den häuslichen Unterricht geworben und gewonnen) weder als untergeordnete Nebenleistung bewertet noch auf eine unmaßgebliche, nicht ins Gewicht fallende Begleitmaßnahme reduziert werden.

Ist jedoch ein Tätigkeitsmittelpunkt nicht eindeutig erkennbar, so hat es bei dem beschränkten Kostenabzug, wie er vom Finanzamt vorgenommen wurde, zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Steuererklärung: Aufwendungen vergessen?

Das Nachholen von Aufwendungen in der Steuererklärung ist nur selten möglich. Wer vergessen hat, z.B. die Unterhaltsaufwendungen für die geschiedenen Ehegatten in seiner Steuererklärung anzugeben, kann die Angaben bei einem bestandskräftigen Steuerbescheid nur dann nachholen, wenn es sich bei dem Fehler um eine offenbare Unrichtigkeit handelt.

Finanzgericht Münster, 12 K 1948/11 E

Datum: 05.09.2012
Gericht: Finanzgericht Münster
Spruchkörper: 12. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 12 K 1948/11 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:2Der Kläger (Kl) und seine Ehefrau leben seit März 2002 dauernd getrennt. Der Kl leistet an seine Ehefrau seitdem Barunterhalt und machte die Zahlungen als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)) geltend. Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte die Zahlungen in den Vorjahren als Sonderausgaben.

3Die Ehefrau hatte dem Realsplittung zugestimmt, zuletzt mit einer am 30. Dezember 2009 unterzeichneten Anlage U. Die Zustimmungserklärung war durch die Ehefrau nicht widerrufen worden.

4Der steuerlich beratene Kl reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 im März 2010 elektronisch (ELSTER-Verfahren) ein. Dabei wurden mit den elektronisch übermittelten Daten keine Unterhaltszahlungen geltend gemacht. Die dem Bekl postalisch übersandten Unterlagen enthielten keine Anlage U.

5Der Bekl setzte die Einkommensteuer 2007 mit formell bestandskräftigem Bescheid vom 20. April 2010 auf X EUR ohne Ansatz der Unterhaltszahlungen fest. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigtem gegenüber bekannt gegeben.

6Ende August 2010 machte der Kl die Unterhaltszahlungen gegenüber dem Bekl geltend und begehrte die Änderung der Festsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) oder § 129 AO.

7Der Bekl lehnte eine Änderung ab. Der dagegen gerichtete Einspruch war erfolglos.

8Mit seiner Klage begehrte der Kl weiterhin die Änderung des Einkommensteuerbescheids. Die Einkommensteuererklärung sei mit dem Einkommensteuerprogramm für 2007 der DATEV (Version 11.3) erstellt und elektronisch übermittelt worden. In der Bildschirmansicht der bei der Datenübernahme aus 2006 in 2007 erstellten Daten sei der Unterhaltsbetrag von X EUR in der Anlage U im Feld „Barleistungen“ angezeigt worden. Die fertig gestellte Erklärung habe weder im Zeitpunkt der Erstellung noch bei Übermittlung an die Finanzverwaltung Anlass zu einer Überprüfung gegeben, ob die übermittelten Daten von den angezeigten Daten abwichen.

9Eine Änderung sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Der Antrag sei nicht fristgebunden. Er könne auch nach Bestandskraft gestellt werden. Durch den Antrag und die Zustimmung ändere sich der Rechtscharakter der Zahlungen. Aus der Rechtsprechung des BFH folge nicht, dass der Antrag nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstelle, wenn auch die Zustimmung erst nachträglich, nach Bestandskraft, erteilt werde.

10Eine Änderung sei auch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Ein grobes Verschulden liege nicht vor. Ein Abgleich der durch die Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Daten mit den bei elektronischer Abgabe der Steuererklärung übermittelten Daten habe keinerlei Abweichungen erkennen lassen. Eine abschließende Kontrolle erfolge heutzutage elektronisch durch Bildschirmansicht. Ein ausgedrucktes Exemplar der Steuererklärung existiere in vielen Fällen nicht mehr. Erst auf Nachfrage bei der DATEV bei Erstellung der Erklärung für 2008 sei das DATEV-Dokument 1015067 bekannt geworden, in dem auf den Fehler hingewiesen worden sei. Die Datenbank enthalte mehrere tausend Dokumente. Keinem Berater sei die Kenntnis einer derartigen Datenbank zuzumuten.

11Der Kl beantragt,

12unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 2. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2011 den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20. April 2010 abzuändern und Sonderausgaben i. H. v. X EUR zu berücksichtigen,

13hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

14die Revision zuzulassen.

15Der Bekl beantragt,

16die Klage abzuweisen,

17hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

18die Revision zuzulassen.

19Der Bekl macht geltend, die Zustimmung der Ehefrau habe seit 2004 vorgelegen. Eine Änderung nach § 175 AO scheide aus. Der Antrag entfalte keine Rückwirkung. Eine Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolge in Fällen der nachträglich erstrittenen Zustimmung. Ein solcher Fall sei nicht gegeben.

20Einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO stehe ein grobes Verschulden entgegen. Unterhaltszahlungen seien bereits seit 2004 geltend gemacht worden. Insoweit hätte bei routinemäßiger Überprüfung des Steuerbescheids auffallen können und müssen, dass anstelle eines Unterhaltsbetrags von X EUR nur der Sonderausgaben-Pauschbetrag i. H. v. 36 EUR angesetzt worden sei. Zudem obliege es dem steuerlichen Berater, die verwendete Software regelmäßig auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit zu prüfen. Auch hätte dem Kl selbst beim Unterschreiben der Steuererklärung auffallen können, dass eine Eintragung zu den Unterhaltsleistungen nicht erfolgt sei. Unterschreibe ein Steuerpflichtiger die von seinem Steuerberater erstellte Steuererklärung ohne angemessene Prüfung der gemachten Angaben, handele er grob schuldhaft.

21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

22Der Senat hat in der Sache am 5. September 2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

23Entscheidungsgründe:

24Die Klage ist unbegründet. Der Kl hatte keinen Anspruch auf Änderung der bestandskräftigen Festsetzung der ESt 2007 unter Ansatz von Unterhaltszahlungen als Sonder-ausgaben.

251. Änderung nach § 129 AO

26Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 129 AO kommt nicht in Betracht.

27Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.

28Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Das Tatbestandsmerkmal „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ setzt voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen „mechanischen“ Fehler handelt, der ebenso „mechanisch“, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann (BFH-Urteile vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1, und vom 29. März 1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711, m.w.N.).

29Nach der Rechtsprechung des BFH, liegt grundsätzlich keine offenbare Unrichtigkeit vor, wenn sie für den zuständigen Sachbearbeiter des FA nur erkennbar gewesen wäre, wenn er die Steuererklärung eines Vorjahres bei der Veranlagung der Streitjahre zugezogen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033). Soweit die Finanzbehörde auf Akten des Vorjahres zurückgreifen muss, liegt eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist. In solchen Fällen hat das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen (BFH-Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550); sie schließt vielmehr in der Regel eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH-Urteil in BFHE 146, 350, 355, BStBl II 1986, 541, 544).

30Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann in dem Nichtansatz von Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben keine offenbare Unrichtigkeit gesehen werden. Die Unrichtigkeit wurde durch einen Übermittlungsfehler verursacht, welcher dazu führte, dass weder der von dem Bekl verarbeitete Datensatz Unterhaltszahlungen enthielt noch der ausgedruckten und übersandten Steuererklärung eine Anlage U mit entsprechenden Angaben beigefügt war. Der Fehler ist – gleich ob er bei der Erfassung oder Übermittlung der Daten erfolgt ist – dem Verantwortungsbereich des Kl oder des von ihm beauftragten Steuerberaters zuzurechnen und nicht der Sphäre des Bekl. Ob der Umstand, dass der Kl in den Vorjahren ebenfalls Barunterhalt i. H. v. X EUR als Sonderausgaben geltend gemacht hat, eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Bekl zu begründen vermag, kann dahin gestellt bleiben, da sich die Unrichtigkeit nicht aus den elektronisch übermittelten Daten oder der im Nachgang übersandten unterschriebenen Steuererklärung ergab. Eine Anlage U, welche eine Unstimmigkeit zwischen den elektronisch übermittelten Daten und den angefallenen und zum Abzug geltend zu machenden Aufwendungen offenbar hätte werden lassen können, ist dem Bekl unstreitig nicht zugegangen. Die Unrichtigkeit hätte erst unter Einbeziehung der Steuerakten der Vorjahre offenbar werden können, was für eine Anwendung des § 129 AO nicht ausreicht (vgl. BFH-Urteile vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946; vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550M; Seer, in Tipke/Kruse, § 129 AO Rnm. 14 m. w. N.)

312. Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

32Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

33Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich nach Ergehen eines Steuerbescheids der rechtserhebliche Sachverhalt in der Weise ändert, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b der Gründe). Ob ein Ereignis ausnahmsweise in die Vergangenheit zurückwirkt, richtet sich nach den Normen des materiellen Steuerrechts (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.c der Gründe; BFH-Urteile vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957; vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690).

34Nach dem BFH-Urteil vom 12. Juli 1989 (X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957) ist ein Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wenn erst nach Eintritt der Bestandskraft sowohl die Zustimmung zur Anwendung des Realsplitting erteilt als auch der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gestellt wird. Der X. Senat des BFH führte zur Begründung aus, der Antrag i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sei nicht nur Verfahrenshandlung, sondern –in sachlich untrennbarem Zusammenhang mit der Zustimmung des Unterhaltsempfängers– selbst Merkmal des gesetzlichen Tatbestands. Er wirke rechtsgestaltend auf die Steuerschuld ein, weil er die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Unterhaltsleistungen verändere; Unterhaltsleistungen, die nach § 12 Nr. 2 EStG –vom Ausnahmefall der §§ 33a, 33 EStG abgesehen– unbeachtlich seien, würden bis zu der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstgrenze zu abziehbaren Sonderausgaben. Der Antrag wirke nachträglich auf die Steuerschuld ein, weil er der objektiven Tatbestandsverwirklichung –der Leistungsbewirkung an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten– zeitlich notwendigerweise nachfolge. Die Rückwirkung des rechtsgestaltenden Antrags nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in die Vergangenheit ergebe sich aus der Erwägung, dass die in dieser Vorschrift geforderte Zustimmung des Leistungsempfängers in typischen Fällen erst nachträglich erteilt werde. Das Gesetz sehe für den Antrag keine Frist vor und eine solche ergebe sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen. Da sich die Erlangung der für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Zustimmung schwierig gestalten könne, würde es eine unzumutbare Schwächung der Position der Unterhaltsleistenden bedeuten, wenn man ihn zur Wahrung der Abzugsmöglichkeit darauf verweisen wollte, einen nicht zurücknehmbaren Antrag (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) beim FA zu stellen, ohne dass die Zustimmung des Empfängers vorliege. Es reiche nicht aus, den Steuerpflichtigen zur Wahrung seiner Rechte darauf zu verweisen, eine teilweise vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) zu beantragen.

35Der XI. Senat des BFH urteilte am 28. Juni 2006 (XI R 32/05, BFHE 214, 314, BStBl II 2007, 5), dass nach Bestandskraft auch ein erweiterter Antrag möglich sei, welcher in Verbindung mit einer erweiterten Zustimmungserklärung der Ehefrau ein rückwirkendes Ereignis darstelle. Dabei berief sich der XI. Senat auch für den Fall der nachträglichen (betragsmäßigen) Erweiterung auf die Erwägungen des X. Senats, da sich die rechtsgestaltende Wirkung des Antrag und der Zustimmung zuvor nur auf einen Teilbetrag erstreckt hätten. Nach Ansicht des XI. Senats sei die Rechtsprechung des X. Senat auch nicht durch die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 (Wohnungsbauförderungsgesetz) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) überholt. Danach bleibt die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltsleistungen –mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1  der Zivilprozessordnung als erteilt geltenden– bis auf Widerruf wirksam; der Widerruf muss nach Satz 4 vor Beginn des Kalenderjahrs gegenüber dem FA erklärt werden. Zwar habe der Gesetzgeber dadurch die Position des Unterhaltsleistenden verbessert, der sich bei Vorliegen einer Zustimmungserklärung nicht jedes Jahr erneut um die Zustimmung bemühen müsse. Jedoch bleibe die Lage eines Unterhaltsleistenden ohne Zustimmungserklärung davon unberührt.

36In der Literatur wird unter Berufung auf die vorgenannten Entscheidungen teilweise vertreten, dass ein nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei (Hutter, in Blümich, § 10 EStG Rn. 76; Söhn, in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 10 Anm. C 62 m. w. N.). Dies gelte auch in dem hier vorliegenden Fall, dass die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers bereits vorlag und nicht nachträglich erwirkt werden musste (Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 10 Anm. C 62 m. w. N.; ebenso FG Köln Urteil vom 27. April 1995 2 K 3854/94, EFG 1995, 893 für die Frage der Änderbarkeit der bestandskräftigen Festsetzung beim Unterhaltsempfänger nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).

37Dagegen wird eingewandt, dass das entscheidende Element der nachträglichen Umgestaltung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht der Antrag als Verfahrenshandlung, sondern die Zustimmungserklärung des unterhaltsberechtigten Ehegatten sei, welche in den vom BFH entschiedenen Fällen erst nachträglich erteilt worden sei (von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 Anm. 65 a. E.).

38Der Senat sieht in Fällen einer in der Vergangenheit erteilten und für den Veranlagungszeitraum fortgeltenden Zustimmungserklärung kein Bedürfnis für eine Rückwirkung des erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellten Antrags.

39Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antrag ebenso wie die Zustimmung zum Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nur, den Antrag wie die Zustimmung als Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu qualifizieren, ohne die Frage zu beantworten, in welchen Fällen der Antrag als Verfahrenshandlung (Wahlrechtsausübung) steuerliche Rückwirkung entfalten kann und in welchen nicht.

40Der BFH hat in seinen beiden Entscheidungen das aus dem materiellen Recht abzuleitende Bedürfnis für eine Rückwirkung im Wesentlichen aus der Situation eines Unterhaltsverpflichteten bei noch fehlender Zustimmungserklärung abgeleitet, da dieser einen Antrag ohne Anerkennung der Rückwirkung vor Erteilung der Zustimmung des Empfängers hätte stellen müssen. Dies sah der BFH aufgrund der Bindungswirkung zu Recht als nicht zumutbar an und verwarf auch die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen auf einen Antrag auf teilweise vorläufige Festsetzung zu verweisen.

41Bei Vorliegen einer wirksamen Zustimmungserklärung kann das Bedürfnis für eine Rückwirkung des Antrags nach der Gesetzesänderung seit dem Jahr 1990 jedoch nicht mit der zutreffenden Argumentation des BFH in Fällen der fehlenden Zustimmungserklärung begründet werden. Vielmehr hat es der Steuerpflichtige bei erteilter Zustimmung selbst in der Hand, die Antragstellung vor Eintritt der Bestandskraft zu bewirken, sei es, dass er den Antrag mit der Steuererklärung stellt oder –sollte dies aus welchen Gründen auch immer nicht geschehen sein– dass er diesen Antrag entweder im Rahmen eines Einspruchsverfahrens oder durch schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst a AO nachholt. Die Notwendigkeit einer Antragstellung vor Bestandskraft der Festsetzung der Einkommensteuer des betreffenden Jahres stellt insbesondere keine unzumutbare Belastung des Unterhaltsverpflichteten dar.

42Wird der Antrag nicht vor Bestandskraft gestellt, besteht nach materiellem Recht kein Bedürfnis für eine Rückwirkung. Der Umstand, dass Unterhaltszahlungen geleistet wurden, welche bei Antragstellung auch als Sonderausgaben hätten abgesetzt werden müssen, rechtfertig bei wertender Betrachtung keine Rückwirkung des Antrags zur Durchbrechung der Bestandskraft. Bei der wertenden Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Stellung des Unterhaltsleistenden durch die Fortwirkung der einmal erteilten Zustimmung für die Folgejahre entscheidend verbessert hat, so dass es nur noch auf dessen Antrag ankommt. Versäumt er dies, rechtfertigt dies keine heilende Rückwirkung der zuvor versäumten Antragstellung.

433. Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

44Zuletzt kommt eine Änderung auch nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

45Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

46Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheitert bereits daran, dass es sich bei dem Antrag als Tatbestandselement des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache handelt, sondern um eine nachträglich entstandene Tatsache.

47Im Übrigen ist dem Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der geleisteten Unterhaltszahlungen als nachträglich bekannt gewordene Tatsache entgegen zu halten.

48Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Ein grobes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt (BFH-Urteile in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2, und vom 29. Juni 1984 VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693). Das Verschulden eines steuerlichen Beraters ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 641; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 10. Auflage 2009, § 173 AO Rn. 125).

49Bei der Prüfung der Frage, ob den Steuerpflichtigen oder seinen Berater ein grobes Verschulden daran trifft, dass dem FA Tatsachen i.S. des § 173 Abs.1 Nr. 2 AO erst nachträglich bekanntgeworden sind, ist auch der Zeitraum mit einzubeziehen, in dem ein Einkommensteuerbescheid oder ein den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebender Steuerbescheid noch anfechtbar, die Bestandskraft bzw. Rechtskraft des Bescheides also noch nicht eingetreten ist.

50Insoweit kann dahin stehen, ob der Umstand, dass –bei unterstellter korrekter Bedienung der DATEV-Software bei der Datenübernahme aus 2006– die Unterhaltsaufwendungen durch die Software nicht korrekt erfasst oder übermittelt wurden und ob darin nur ein leichtes Verschulden des Steuerberaters gesehen werden kann. Jedenfalls hätte sich bei der von einem Steuerberater zu erwartenden sorgfältigen Prüfung des Steuerbescheids aufdrängen müssen, dass die –bereits in den Vorjahren geltend gemachten– Unterhaltsaufwendungen nicht berücksichtigt wurden.

51Nicht gefolgt werden kann dem Prozessbevollmächtigten, dass eine Prüfung der elek-tronisch bereit gestellten Daten ausreicht, so dass eine unterbliebene Prüfung des Steuerbescheids selbst kein grobes Verschulden begründet. Solange die Festsetzung durch einen Steuerbescheid in Papierform erfolgt und nicht durch einen elektronischen Steuerbescheid, ist auch der Steuerbescheid in Papierform und die darin angesetzten Besteuerungsgrundlagen auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Vorliegend hätte ohne Detailprüfung auffallen können und müssen, dass anstelle der bereits in den Vorjahren geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Maximalbetrags nur der Sonderausgaben-Pausbetrag angesetzt worden war.

52

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

53

  1. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage einer Rückwirkung eines nach Bestandskraft gestellten Antrags auf Realsplittung bei zuvor bereits vorliegender Zustimmungserklärung des Ehegatten zuzulassen.

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Steuertermine April 2013

Steuerterminkalender April 2013
Steuerart Termin Bemerkungen
Umsatzsteuer:
(Mehrwertsteuer)
10.04.2013 Voranmeldung und Vorauszahlung für Umsätze im Monat März 2013, wenn die Um­satzsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7.500,– € be­tragen hat (Monatszahler).Voranmeldung und Vorauszahlung für Umsätze im 1. Kalendervierteljahr 2013, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 7.500,– € betragen hat (Vierteljahreszahler). Der Unternehmer kann anstelle des Kalender­vierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen, wenn sich für das vorangegangene Kalenderjahr ein Überschuß zu seinen Gunsten von mehr als 7.500,– € ergibt. In diesem Fall hat der Unternehmer bis zum 10. Februar des laufenden Kalenderjahres eine Voranmeldung für den ersten Ka­lendermonat abzugeben. Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer für dieses Kalenderjahr. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1000,– €, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Ver­pflichtung zur Abgabe der Voranmeldun­gen und Entrichtung der Voraus­zahlungen entbinden.

 

 

Lohnsteuer, Kirchen­lohnsteuer und Solidari­tätszuschlag: 10.04.2013 Abführung der im Monat März 2013 einbehaltenen Lohnsteuer, Kirchenlohn­steuer und des Solidaritätszuschlags, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorange­gangene Kalenderjahr mehr als 3.000,– € betragen hat, bzw. der im 1. Kalendervierteljahr 2013 einbehaltenen Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und des Solidaritätszuschlags, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 800,– € aber nicht mehr als 3.000,– € betragen hat.Zum gleichen Termin ist die Lohnsteueranmeldung abzugeben, in der auch die ein­behaltene Kirchenlohnsteuer, der einzubehaltene Solidaritätszuschlag sowie das ausgezahlte und zu verrechnende Kindergeld gesondert aufzuführen sind.
Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag: 10.04.2013 Anmeldung und Entrichtung der im Monat März 2013 entstandenen Steuer.
Lotteriesteuer: Die Lotteriesteuer ist vor Beginn des Losabsatzes zu entrichten.
Kraftfahrzeugsteuer: Die Kraftfahrzeugsteuer ist an dem im Steuerbescheid festgesetzten Fälligkeits­ter­min zu entrichten.
Versicherungsteuer: 15.04.2013 Anmeldung und Entrichtung der im Monat März 2013 entstandenen Steuer, wenn die Versicherungsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 3.000,– € betragen hat (Monatszahler).Anmeldung und Entrichtung der im 1. Kalendervierteljahr 2013 entstandenen Steuer, wenn die Versicherungsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 3.000,– € betragen hat (Vierteljahreszahler).

Hinweis:

Die Fälligkeit der Steuerzahlungen ist durch Gesetz bestimmt. Falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fällig­keitstages entrichtet wird, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 % des rückständigen Betrages zu entrichten. Ein Säumniszuschlag wird jedoch nicht erhoben, wenn die zu ent­rich­tende Steuer innerhalb der sog. Zahlungsschonfrist von 3 Tagen beim Finanzamt eingeht. Die Zahlungs­schonfrist gilt nicht bei Zahlung durch Übersendung eines Schecks.

Durch eine Änderung im Jahressteuergesetz 2007 gelten Schecks ab dem 1. Januar 2007 erst drei Tage nach deren Eingang bei der zuständigen Finanzkasse als entrichtet. Scheckzahler müssen ihre Schecks künftig früher einreichen. Liegt der fiktive Zahlungszeitpunkt nach dem Fälligkeitstag, so fallen sofort Säumnis­zuschläge an.

Bei Überweisung oder Einzahlung auf ein Konto des Finanzamts (Finanzkasse) gilt die Zahlung an dem Tag als wirksam geleistet, an dem der Betrag dem Konto des Finanzamts (Finanzkasse) gutgeschrieben wird.

Bei erteilter Einzugsermächtigung an das Finanzamt ist die Zahlungsschonfrist ohne Bedeutung, da bei Vorlage einer Einzugsermächtigung die Steuerschuld als am Fälligkeitstag entrichtet gilt. Die Teilnahme an diesem Verfahren wird empfohlen.

Arbeitgeber und Unternehmer sind dazu verpflichtet, Lohnsteuer-Anmeldungen bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldungen nur auf elektronischem Weg über das Internet an das Finanzamt zu senden.

 

Vermietung, Selbstnutzung und Veräußerung von in Spanien gelegenen Grundstücken

OFD Rheinland: Verfügung betr. Vermietung, Selbstnutzung und Veräußerung von in Spanien gelegenen Grundstücken

Verwaltungsanweisung vom 25.01.2013 – S 1301 – 2009/0016 – St 123

Für die steuerliche Erfassung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften aus spanischem Grundbesitz bei in Deutschland ansässigen Personen gelten folgende Besonderheiten.


Vermietung

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in Spanien sind nach deutschem Recht zu ermitteln. Nach der Änderung des § 7 Abs. 5 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften kann nunmehr auch für Gebäude, die in EU-/EWR-Staaten belegen sind, die degressive Abschreibung gewählt werden. Diese Änderung gilt für alle Zeiträume, für die die Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind.

Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in Spanien steht (unabhängig von einer etwaigen deutschen Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Tätigkeit oder Vermietung und Verpachtung) dem Belegenheitsstaat Spanien zu (Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien). Die Doppelbesteuerung wird abweichend von der Mehrzahl der anderen deutschen DBA im Ansässigkeitsstaat Deutschland durch Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuer vermieden (bis einschließlich VZ 2012: Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien, ab VZ 2013: Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Nr. vii DBA-Spanien). Das gilt auch für Einkünfte aus einem in Spanien belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (vgl. BMF, Schreiben v. 23.3.1982, BStBl 1982 I S. 372).

Lediglich bei tatsächlicher Zugehörigkeit des unbeweglichen Vermögens zu einer in Spanien gelegenen Betriebsstätte i. S. v. Art. 5 DBA-Spanien wird die Doppelbesteuerung durch Freistellung von der deutschen Steuer (bis einschließlich VZ 2012: Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee i.V.m. Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien, ab VZ 2013: Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Nr. vii) i.V.m. Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien) grundsätzlich unter Beachtung des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG vermieden. Ab dem VZ 2008 ist die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei Einkünften aus einer passiven spanischen Betriebsstätte nach § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2a Abs. 2 EStG ausgeschlossen. In einschlägigen Fällen ist die Frage der Gewerblichkeit der Vermietung von Ferienwohnungen zu untersuchen (Hinzutreten erheblicher Zusatzleistungen zur Wohnungsüberlassung, vgl. auch H 15.7 (2) „Ferienwohnung“ EStH).

Wohneigentumsförderung

Die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) ist vom Gesetzgeber auf im Inland belegene Wohnungen beschränkt worden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG). Mit Urteil vom 17.1.2008 (Rs. C-152/05) hat der EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland entschieden, dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn Deutschland die Förderungen nur für im Inland belegene Wohnungen und Häuser gewähre. Das Urteil ist unmittelbar anzuwenden. Anspruchsvoraussetzung ist jedoch eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 und 3 EStG oder i. S. d. Art. 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaft. Weitere Erläuterungen hierzu enthalten das BMF-Schreiben vom 13.3.2008 (BStBl 2008 I S. 539) sowie die Verfügung der OFD Rheinland vom 7.4.2009.

Aus der Rechtsprechung des EuGH kann nicht abgeleitet werden, dass einem nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Wohnsitz im Inland Eigenheimzulage für ein im Ausland gelegenes Zweitobjekt zu gewähren ist (vgl. BFH, Urteile v. 20.10.2010, IX R 20/09, BStBl 2011 II S. 342  und IX R 55/09). Die gegen das o.g. BFH-Urteil mit Az. IX R 20/09 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit Beschluss vom 9.1.2012 (1 BvR 1891/11) nicht zur Entscheidung angenommen.

Veräußerung

Die Veräußerung eines in Spanien belegenen Grundstücks kann sowohl im Ansässigkeitsstaat Deutschland (z.B. im Rahmen des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) als auch im Belegenheitsstaat Spanien zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Das Besteuerungsrecht steht nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien dem Belegenheitsstaat zu.

Vermeidung der Doppelbesteuerung bis einschließlich VZ 2012

Entgegen der zunächst vertretenen Verwaltungsauffassung haben sowohl das FG Münster (Urteil v. 16.2.2009  und v. 23.6.2010) als auch der BFH (Beschluss v. 19.5.2010, I B 191/09, BStBl 2011 II S. 156, RdNr. 28) entschieden, dass die Doppelbesteuerung nicht durch Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuer vermieden werden kann, da Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien keinen Bezug auf Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien nimmt. Damit sind die Veräußerungsgewinne aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer herauszunehmen. Die Verwaltung hat sich der neueren Rechtsprechung angeschlossen; in allen offenen Fällen mit Veräußerungsgewinnen aus spanischen Immobilien ist die Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungsmethode nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien unter Beachtung des Progressionsvorbehalts zu vermeiden.

Vermeidung der Doppelbesteuerung ab VZ 2013

Ab dem VZ 2013 gilt das neue DBA-Spanien 2011.

Aus Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Nr. vii DBA-Spanien 2011 ergibt sich nun eindeutig, dass die Anrechnungsmethode für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen einschließlich der Einkünfte aus der Veräußerung dieses Vermögens gilt.

Amts- und Rechtshilfe

Sofern die Sachverhaltsaufklärung durch den inländischen Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO), sollte der Sachverhalt durch ein Auskunftsersuchen an die spanischen Finanzbehörden nach Maßgabe des EG-Amtshilfe-Gesetzes (künftig: ggf. EU-Amtshilfegesetz) aufgeklärt werden.

OFD Rheinland, Verfügung v. 25.1.2013, S 1301 – 2009/0016 – St 123

Steuertipps zur Besteuerung privater Photovoltaikanlagen

„Immer mehr Bürgerinnen und Bürger installieren auf dem Dach ihres Hauses eine Photovoltaikanlage. Für den so gewonnenen Strom wird eine sogenannte Einspeisevergütungen gezahlt. Dabei gilt es einige steuerliche Regelungen zu beachten. Baden-Württemberg hat sich bei der Ausgestaltung erfolgreich für eine bürgerfreundliche Lösung eingesetzt“. Dies sagte Finanzminister Willi Stächele am Freitag (10. September 2010) in Stuttgart anlässlich der Veröffentlichung des „Aktuellen Tipps“ zur Besteuerung beim Betrieb von Photovoltaikanlagen.

 Die Informationsschrift enthalte vor allem Hinweise zu den Bereichen Umsatz- und Einkommensteuer. Sie behandele unter anderem die Kleinunternehmerregelung, die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung und den Vorsteuerabzug. Beispielsfälle veranschaulichten die Thematik. Auch die neu geregelte Frage der steuerlichen Behandlung von dachintegrierten Photovoltaikanlagen werde in dem „Aktuellen Tipp“ dargestellt. Diese dachintegrierten Anlagen könnten wie die herkömmlichen Aufdachanlagen innerhalb von 20 Jahren abgeschrieben werden, so Stächele.

„Baden-Württemberg nimmt bei der Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen bundesweit einen vorderen Platz ein. Die zunehmende Beliebtheit belegt das gestiegene Interesse an einer nachhaltigen und umweltgerechten Versorgung. Die Landesregierung unterstützt diesen Trend. Beispielsweise sind heute schon Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von 35.000 m² auf den landeseigenen Dächern installiert. Auch in Zukunft werden wir den Anteil der regenerativen Energien weiter erhöhen. Der vorliegende Aktuelle Tipp soll dabei helfen die steuerrechtlichen Klippen zu umschiffen,“ erklärte der Finanzminister abschließend.

Der Aktuelle Tipp „Steuerrecht für Photovoltaikanlagen“ ist bei allen Finanzämtern des Landes kostenlos erhältlich. Er kann außerdem bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Moltkestraße 50, 76133 Karlsruhe, und dem Finanzministerium Baden-Württemberg, Pressestelle, Neues Schloss, 70173 Stuttgart, gegen Einsendung eines adressierten und frankierten Rückumschlags (Format DIN C5, Porto 0,85 Euro) bezogen werden. Der Ratgeber Besteuerung beim Betrieb von Photovoltaikanlagen kann auch im Internet unter abgerufen werden.

Es gibt Neuerungen bei der Besteuerung von Photovoltaikanlagen auf Privatgebäuden: Es ist dafür keine Gewerbeanzeige beim Gewerbeamt mehr nötig. Denn die Bürger verwalten hier allein eigenes Vermögen. Nur das Finanzamt muss über die Installation der neuen Anlage unterrichtet werden.

Quelle: Finanzministerium Baden-Württemberg

Ab Mitte März 2013 werden Einkommensteuerbescheide für 2012 versandt

Die Finanzämter im Freistaat Thüringen werden die ersten Einkommensteuerbescheide für 2012 voraussichtlich ab Mitte März 2013 versenden. Die Finanzverwaltung bittet deshalb, derzeit von Rückfragen bei den Finanzämtern abzusehen

Hintergrund ist, dass den Finanzämtern gegenwärtig noch keine vollständigen Arbeitnehmerdaten vorliegen. Diese sind von den Arbeitgebern, den Renten- und Krankenversicherungen und anderen Institutionen bis zum 28. Februar elektronisch an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Hierbei handelt es sich unter anderem um Daten zur Lohnsteuer, zum Rentenbezug sowie Beitragsdaten zur Altersvorsorge und zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die bundesweit an eine zentrale Stelle übermittelten Daten werden aufbereitet und anschließend den Finanzämtern in den einzelnen Bundesländern zugeordnet.

Durch die elektronische Übermittlung und den Abgleich der Arbeitnehmerdaten wird das Veranlagungsverfahren insgesamt beschleunigt. Fehlerhafte Eintragungen in der Einkommensteuererklärung können schneller gefunden und korrigiert werden. So minimiert sich für Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitgeber die Anzahl der Rückfragen durch die Finanzämter.

Die Einkommensteuererklärung kann jedoch bereits im Finanzamt abgegeben werden. Die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung erfolgt grundsätzlich nach der Reihenfolge des Eingangs. Für Diejenigen, die zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sind, ist auch in diesem Jahr grundsätzlich der 31.05. der letzte Termin für die Abgabe der Einkommensteuererklärung. Die Einkommensteuererklärung kann auch auf elektronischem Weg (ELSTER) eingereicht werden. Aktuelle ELSTER-CD’s sind bei allen Finanzämter erhältlich.

Quelle: FinMin Thüringen, Medieninformation v. 8.2.2013

Stellplatz- und Garagenkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung

Aufwendungen für einen separat angemieteten Pkw-Stellplatz im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein.


Zum Sachverhalt

Nach § 9 I 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 I 3 Nr. 5 S. 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

Im Streitfall machte der Kläger, ein Arbeitnehmer, vergeblich in seiner Einkommensteuererklärung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung Kosten für eine Unterkunft sowie für einen gesondert angemieteten Pkw-Stellplatz am Arbeitsort geltend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Auf die Revision des Klägers hat der BFH nun die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FGzurückverwiesen. Denn im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung seien nicht nur Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten, (zeitlich befristete) Verpflegungsmehraufwendungen und (begrenzt auf die durchschnittliche Miete einer 60-m2-Wohnung) die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort, sondern auch sonstige notwendige Mehraufwendungen zu berücksichtigen. Hierzu könnten auch Kosten für einen Stellplatz oder eine Garage zählen, wenn die Anmietung, beispielsweise zum Schutz des Fahrzeugs oder auf Grund der angespannten Parkplatzsituation am Beschäftigungsort, notwendig ist. Das hat das FG nun im zweiten Rechtsgang zu prüfen.

BFH, Urt. v. 13. 11. 2012 – VI R 50/11

Pressemitteilung des BFH Nr. 9 v. 13. 2. 2013

Stellplatz- und Garagenkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung

Leitsatz

1. Aufwendungen für einen separat angemieteten PKW-Stellplatz können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen sein.

2. Die Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG und der (allgemeinen) in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale stehen dem Werbungskostenabzug insoweit nicht entgegen.

Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Nr. 5
EStG § 12 Nr. 1
Instanzenzug

Hessisches FG vom 6. Juni 2011 1 K 2222/10 (EFG 2012, 243 )BFH VI R 50/11

Gründe

1  I. Streitig ist, ob Kosten für einen separat angemieteten Stellplatz im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2  Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2008 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung machte er im Rahmen der doppelten Haushaltsführung Kosten für seine Unterkunft sowie für einen PKW-Stellplatz am Arbeitsort geltend. Für die Wohnung und den PKW-Stellplatz lagen zwei Mietverträge vor. In § 2 Abs. 5 des Mietvertrages über den Garagenstellplatz hieß es: „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass weder ein wirtschaftlicher noch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen diesem Stellplatzmietvertrag und einem Wohnraummietverhältnis besteht.” Weiterhin machte der Kläger in seiner Steuererklärung Fahrtkosten für Heimfahrten geltend. Er gab an, die Heimfahrten teilweise mit dem eigenen PKW und teilweise mit der Bahn durchgeführt zu haben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte zwar die Miet- und Mietnebenkosten für die gemietete Wohnung sowie die Fahrtkosten für Familienheimfahrten, nicht jedoch die Kosten für den PKW-Stellplatz in Höhe von 720 € (12 x 60 €).

3  Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 243 veröffentlichten Gründen abgewiesen. Die Aufwendungen für den Stellplatz stellten keine notwendigen Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltführung dar. Sie seien insbesondere nicht zu den Wohnkosten zu zählen, sondern vielmehr —wie alle Unterhaltskosten für den PKW— mit der Entfernungspauschale für Familienheimfahrten abgegolten.

4  Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5  Er beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen FG vom 6. Juni 2011 1 K 2222/10 und die Einspruchsentscheidung vom 13. August 2010 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 13. August 2010 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 720 € berücksichtigt werden.

6  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7  II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO —). Im Streitfall tragen die vom FG bisher getroffenen Feststellungen dessen Entscheidung nicht, dass die vom Kläger im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend gemachten Aufwendungen für einen Stellplatz vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind.

8  1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Senatsurteil vom 26. Juli 2012 VI R 10/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2013, 112 ).

9  a) Zu den notwendigen Mehraufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, zählen insbesondere Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten, (zeitlich befristete) Verpflegungsmehraufwendungen und (begrenzt auf den durchschnittlichen Mietzins einer 60-qm-Wohnung) die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Aber auch sonstige notwendige Mehraufwendungen, beispielsweise die —soweit nicht überhöht— Anschaffungskosten für die erforderliche Wohnungseinrichtung sind als Werbungskosten abziehbar (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 491, m.w.N.; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 413, m.w.N.; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Dezember 1982 VI R 228/80 , BFHE 137, 564 , BStBl II 1983, 467; FG München, Urteil vom 29. Dezember 2003 8 K 4428/00 , EFG 2005, 1677 ; Sächsisches FG, Urteil vom 18. September 2008 2 K 863/08 , EFG 2010, 131 ; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2011 9 K 9079/08 , EFG 2012, 35 ).

10  b) Liegt wie im Streitfall nach den bindenden Feststellungen des FG eine doppelte Haushaltsführung vor, können auch Kosten für einen Stellplatz oder eine Garage zu den notwendigen Mehraufwendungen im Sinne der Vorschrift zählen.

11  2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Notwendigkeit der Anmietung eines Stellplatzes durch den Kläger zu treffen haben.

12  Dabei hat es zu berücksichtigen, dass sich die Notwendigkeit von Stellplatzkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nicht danach bestimmt, ob das Vorhalten eines Kraftfahrzeugs am Beschäftigungsort beruflich erforderlich ist. Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG lässt Mehraufwendungen für einen aus beruflichen Gründen geführten zweiten Haushalt und damit ggf. allgemeine Lebenshaltungskosten, die üblicherweise nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht abzugsfähig sind, zum Werbungskostenabzug zu. Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für seinen Zweithaushalt tätigt, sind nur und insoweit abzugsfähig, als dieser beruflich veranlasst ist und die Aufwendungen hierfür notwendig sind. Dies gilt auch, soweit Aufwendungen für einen (separat angemieteten) PKW-Stellplatz beispielsweise zum Schutz des Fahrzeugs oder aufgrund der angespannten Parkplatzsituation am Beschäftigungsort in Rede stehen. Aus welchen Gründen der Steuerpflichtige dort einen PKW vorhält, ist ohne Bedeutung. Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG erfasst gerade auch solche Kosten, die —ohne den aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushalt— den Lebensführungskosten zuzurechnen wären.

13  Sollte das FG im zweiten Rechtsgang die Erkenntnis gewinnen, dass die Kosten des Stellplatzes notwendig waren, werden diese Aufwendungen von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG oder der (allgemeinen) in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale nicht erfasst. Denn es handelt sich insoweit nicht um beschränkt abzugsfähige berufliche Mobilitätskosten, sondern um sonstige Kosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.