Archiv der Kategorie: Privatbereich

Tod des Erblassers begründet keinen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben

Tod des Erblassers begründet keinen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben

Kernaussage

Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen als Ganzes auf die Erben über; so ordnet es das Gesetz an. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich aktuell mit der Frage, ob dazu auch ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs zählt, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod nicht genommen werden konnte.

Sachverhalt

Die Klägerin und ihr Sohn sind gemeinschaftliche Erben des 2009 verstorbenen Ehemannes der Klägerin. Der Erblasser war seit 2001 als Kraftfahrer bei dem beklagten Unternehmen angestellt. Seit Mitte 2008 bis zu seinem Tode war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Urlaub konnte ihm 2008 und 2009 nicht gewährt werden. Das Arbeitsverhältnis des Erblassers endete mit seinem Tode; die Klägerin verlangte die Abgeltung des nicht gewährten Urlaubs. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; das Bundesarbeitsgericht bestätigte schließlich diese Entscheidung.

Entscheidung

Die Richter urteilten, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit seinem Tode erlischt; er wandelt sich nicht in einen Abgeltungsanspruch um. Die Klägerin konnte daher im Wege der Gesamtrechtsnachfolge keinen Urlaubsabgeltungsanspruch erwerben.

Konsequenz

Zwar ist der Urlaub nach den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann. Da der Urlaubsanspruch selbst aber mit dem Tode des Berechtigten zum Erlöschen gelangt, sind auch entsprechende Urlaubsabgeltungsansprüche nicht vererblich.

Arbeitnehmer darf nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte haben

Arbeitnehmer darf nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte haben

Kernproblem

Ob ein Arbeitnehmer eine oder mehrere regelmäßige Arbeitsstätten hat, kann Anknüpfungspunkt für viele steuerliche Fragestellungen sein. Dies gilt z. B. für die Bemessung von steuerlichen Sachbezügen bei der Überlassung von Firmen-Pkw, wenn der Wagen auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden kann. Dass es hier auch auf die Häufigkeit der Fahrten zur Arbeitsstätte ankommt und bei Unregelmäßigkeit eine Minderung der Sachbezüge in Betracht kommt, hatte der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst schon festgestellt. Andere Fragestellungen ergeben sich aus dem Reisekostenrecht. Werden Fahrten des Arbeitnehmers zwischen mehreren regelmäßigen Arbeitsstätten durchgeführt, ist eine steuerfreie Arbeitgebererstattung von Fahrtkosten oder Verpflegungsmehraufwand als Reisekosten ebenso wenig möglich, wie ein alternativer Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers. Unliebsame Überraschungen gab es dann in der Vergangenheit bei Lohnsteuer-Außenprüfungen, wenn der Prüfer mehrere Arbeitsstätten identifizieren konnte.

Bisherige Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des BFH konnte ein Arbeitnehmer mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander haben (so z. B. rechtskräftig entschieden für mehrere im Wechsel aufgesuchte Busdepots eines Linienbusfahrers oder Rettungsstationen eines Rettungsassistenten). Gleiches galt, wenn die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer durchschnittlich im Kalenderjahr an einem Arbeitstag je Arbeitswoche aufgesucht wurde.

Änderung der Rechtsprechung

Ein Arbeitnehmer kann nach neuer Auffassung des BFH nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben, auch wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. In einem solchen Fall sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Ferner sei insbesondere zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden sei, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnehme und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukomme. Diese Leitsätze können nach Zurückverweisung an das Finanzgericht einem Geschäftsführer zugute kommen, der in einem bei seiner Wohnung belegenen angemieteten Kellerraum des Arbeitgebers (mit separatem Zugang) Wartungs- und Optimierungsarbeiten an der betrieblichen EDV-Anlage durchführte. Gleiches gilt für einen Außendienstmitarbeiter, der den Betriebssitz des Arbeitgebers regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsuchte. Auch eine für 15 Filialen einer Supermarktkette zuständige Managerin übe eine wechselnde Auswärtstätigkeit ohne regelmäßige Arbeitsstätte aus, wenn keine der Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale Bedeutung habe.

Konsequenz

Nach diesen Entscheidungen kommt auch (wie im 1. Fall geschildert) der Vermietung des Arbeitsraums an den Arbeitgeber (hier über die Lebensgefährtin gestaltet) besondere Bedeutung zu, soweit eine Trennung zur häuslichen Sphäre möglich ist.

Deutschland und Schweiz unterzeichnen Steuerabkommen

Deutschland und Schweiz unterzeichnen Steuerabkommen

Kernaussage

Die Finanzminister der Länder Deutschland und Schweiz haben am 21.9.2011 ein Abkommen zur Regelung der offenen Fragen zur Besteuerung von Kapitalerträgen deutscher Anleger in der Schweiz unterzeichnet. Für die Zukunft wird mittels einer Abgeltungssteuer eine Gleichbehandlung für die steuerliche Erfassung von Kapitalerträgen sichergestellt, unabhängig davon, ob diese in der Schweiz oder in Deutschland erzielt wurden. Flankierend dazu kommt ein erweiterter Auskunftsaustausch, der ein erhebliches Entdeckungsrisiko für potentielles neues Schwarzgeld in der Schweiz schafft.

Eckpunkte des Steuerabkommens

– Bei Schweizer Banken angelegtes unversteuertes Altvermögen deutscher Anleger soll mit einer Einmalabgabe von 19-34 % des Vermögensbestandes abgegolten werden (anonyme Regulierung der Vergangenheit, sogenannte Standardvariante). Wer dies nicht möchte, muss seine Konten bzw. Depots in der Schweiz zwingend schließen. – Für die Zukunft sollen Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne mit einer jährlichen Abgeltungsteuer von 26,375 % belegt werden. D. h. Zinsen, Dividenden, sonstige Einkünfte und Veräußerungsgewinne werden pauschal und anonym besteuert und abgeführt. Die Höhe der Abgabe richtet sich nach der Dauer der Kundenbeziehung sowie dem Anfangs- und Endbetrag des Kapitalbestandes. Die Zahlung soll auch in Deutschland in strafrechtlicher Hinsicht abgeltende Wirkung haben. Dies gilt nicht, wenn vor der Unterzeichnung des Abkommens Anhaltspunkte zur Einleitung eines Strafverfahrens vorlagen oder die Vermögenswerte aus Verbrechen herrühren. – Bis zur Umsetzung des Abkommens soll für deutsche Steuerpflichtige mit unversteuertem Vermögen in der Schweiz weiterhin eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich sein. – Deutschland kann bei plausiblem Anlass zahlenmäßig beschränkte Auskunftsgesuche (750-999 in den ersten 2 Jahren) stellen. Sog. fishing expeditions bleiben indes ausgeschlossen. – Der gegenseitige Marktzutritt für Finanzinstitute soll erleichtert werden.

Konsequenz

Mit dem Steuerabkommen wird ein jahrelanger Streit zwischen Deutschland und der Schweiz beigelegt. Bei dem „steuerpolitischen Meilenstein“ handelt es sich um eine Kompromisslösung, mit der beide Länder leben können. Ermöglicht wird dadurch die Besteuerung der in der Schweiz angelegten Vermögenswerte von deutschen Steuerpflichtigen. Gleichzeitig wird weiterhin die Privatsphäre der Anleger gewahrt. Das Abkommen muss noch von beiden Staatsparlamenten genehmigt werden und soll Anfang 2013 in Kraft treten.

Aufwendungen für krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen abziehbar?

Aufwendungen für krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen abziehbar?

Kernproblem

Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt eines Angehörigen, können diese unter gewissen Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein. Hierbei sind 2 Abzugsmöglichkeiten denkbar: Bei typischen Unterhaltsleistungen kommt ein Abzug mit einem Höchstbetrag von bis zu 8.004 EUR in Betracht. Erzielt der Unterstützte jedoch Einkünfte und Bezüge von über 624 EUR, verringert sich der Höchstbetrag um den übersteigenden Betrag (ggf. bis auf Null). Werden dagegen z. B. die Krankheitskosten eines Angehörigen übernommen, könnte auch der allgemeine Abzug von außergewöhnlichen Belastungen (nicht typisiert als „Unterhalt“) zum Zuge kommen. Hierbei ist dann das eigene Einkommen für die Prüfung der sogenannten zumutbaren Eigenbelastung relevant; ansonsten ist der Abzug uneingeschränkt möglich. Für die Einordnung von krankheitsbedingten Pflegekosten hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt ein Urteil gefällt.

Sachverhalt

Eine Tochter hatte für die Unterbringung ihres nach einem Schlaganfall pflegebedürftigen Vaters in einem Altenpflegeheim 1.316 EUR an das Sozialamt gezahlt. Die Heimkosten waren überwiegend von der Pflegeversicherung und dem Sozialamt getragen worden. Die vom Vater erzielte Rente von 24.000 EUR konnte wegen eigener Unterhaltszahlungen an die schwer gehbehinderte Ehefrau kaum zur Deckung der Heimkosten beitragen. Der von der Tochter beantragte steuerliche Abzug als typisierte Unterhaltsleistungen lief wegen der Rentenhöhe ins Leere. Hiergegen klagte die Tochter erfolglos mit der Begründung, dass dem Vater die Rente tatsächlich nicht zur Verfügung stehe, so dass die Anrechnung zu unterbleiben habe.

Entscheidung

Der BFH hat die Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Altenpflegeheim als nicht typisierte allgemeine außergewöhnliche Belastungen eingestuft, deren Abzug durch die zumutbare Eigenbelastung eingeschränkt wird. Abziehbar seien insoweit nicht nur die Pflegekosten, sondern auch die Kosten, die auf die Unterbringung und Verpflegung entfielen, soweit es sich hierbei um Mehrkosten gegenüber der normalen Lebensführung handele. Im Streitfall scheide ein Abzug der Aufwendungen jedoch wegen des Überschreitens der zumutbaren Belastung aus. Dagegen komme ein Abzug als typisierte außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Hiernach seien nur typische Unterhaltsaufwendungen begünstigt, insbesondere Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat sowie notwendige Versicherungen.

Konsequenz

Aufwendungen für die altersbedingte Heimunterbringung von Angehörigen sind typisiert als außergewöhnliche Belastung unter Berücksichtigung der Einkünfte der unterstützten Person abzugsfähig, während die krankheitsbedingte Unterbringung wie oben dargestellt zu berücksichtigen ist. Ein Wahlrecht besteht nicht.

Doppelte Mietzahlungen beruflich veranlasst und ungekürzt abzugsfähig?

Doppelte Mietzahlungen beruflich veranlasst und ungekürzt abzugsfähig?

Kernproblem

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Mietzahlungen aus Anlass einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung nur begrenzt abziehbar. Als notwendige Mehraufwendungen sind nur ortsübliche Mietkosten für eine 60 qm große Wohnung in durchschnittlicher Lage und Ausstattung anzusehen. Ist der doppelte Haushalt teurer, droht eine anteilige Kürzung der Werbungskosten. Der BFH hat jetzt doppelte Mietzahlungen unter dem Aspekt beruflich veranlasster Umzugskosten geprüft und ist zu einem differenzierteren Ergebnis gelangt.

Sachverhalt

Im Streitfall mieteten Ehegatten wegen eines Arbeitsplatzwechsels des Ehemanns eine 165 qm große Familienwohnung an, die der Ehemann zunächst allein bezog, um seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Ehefrau und Kind zogen etwa 3 Monate später planmäßig hinterher. Die Miete für den neu gegründeten doppelten Haushalt machte der Ehemann in voller Höhe als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt wollte diese nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung nur anteilig im Verhältnis einer 60 qm großen Wohnung anerkennen. Auch das Finanzgericht sah durch den im Vorhinein geplanten Familiennachzug keinen Grund für eine Abzugserweiterung.

Entscheidung

Der BFH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mietkosten der Höhe nach unbegrenzt, aber zeitlich auf die Umzugsphase beschränkt, Werbungskosten sein können. Damit subsumiert der BFH die Kosten unter den allgemeinen Werbungskostenbegriff (hier als Umzugskosten), die nicht der gesetzlichen Einschränkung des doppelten Haushalts unterliegen. Auch doppelte Mietaufwendungen könnten zeitanteilig durch den Umzug bedingt sein, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag (der Familie) und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag (der Familie), längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses.

Konsequenz

Der Abzug von Umzugskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass private Gründe eine untergeordnete Rolle spielen. Arbeitsplatzwechsel oder eine erhebliche Zeitersparnis für die Fahrten zur Arbeit (lt. BFH etwa 1 Stunde täglich) sind typische Anzeichen für eine berufliche Veranlassung. Nach der Verwaltungsauffassung richtet sich der steuerliche Abzug für Umzugskosten nach dem Bundesumzugskostengesetz, das für Erstattungen an Beamte gilt. Dass hiernach die Miete der neuen Wohnung grundsätzlich nicht begünstigt ist (Ausnahme: Leerstand), hält der BFH für nicht entscheidungserheblich.

Tatsächliche Durchführung eines Treuhandvertrags unter Ehegatten

Tatsächliche Durchführung eines Treuhandvertrags unter Ehegatten

Kernaussage

Ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis zwischen nahen Angehörigen muss nach den getroffenen Absprachen und nach deren tatsächlichem Vollzug zweifelsfrei erkennen lassen, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt. Es muss ferner dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.

Sachverhalt

Der Kläger (Ehemann) ist zur Hälfte an einer GmbH beteiligt. Die Klägerin (Ehefrau) erwarb im April 2005 ein Geschäftshaus und vermietete es an die GmbH. Zugleich schlossen die Kläger einen Treuhandvertrag ab, wonach sich der Kläger als Treuhänder verpflichtete, die Finanzierungsdarlehen und alle damit im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte nach außen hin im eigenen Namen aber für Rechnung der Klägerin als Treugeberin aufzunehmen. Im Innenverhältnis hatte der Kläger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz. Sodann nahm der Kläger 2 Darlehen auf, deren Tilgung durch die ebenfalls abgeschlossenen Bausparverträge erfolgen sollte. Die Klägerin führte die vereinnahmte Miete abzüglich der umlagefähigen Kosten an den Kläger ab. Die Mieten reichten jedoch nicht aus, um die monatlichen Kreditzinsen für die Darlehen und die Einzahlung in den Bausparvertrag zu decken. Die überschießenden Bausparbeiträge in Höhe von monatlich 2.090 EUR zahlte der Kläger daher auf eigene Rechnung. Die Klägerin machte Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten als Werbungskosten geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte den Abzug wegen Drittaufwands ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der Bundesfinanzhof wies sie ab. Eine Zuordnung aufgrund des Treuhandvertrages scheiterte daran, dass der Vertrag aufgrund mangelnder tatsächlicher Durchführung steuerrechtlich nicht anerkannt werden konnte. Ein tatsächlicher Vollzug muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt. Vorliegend hat die Klägerin jedoch nicht ihre aus dem Treuhandvertrag entspringenden Hauptpflichten wie vereinbart erfüllt, denn der Kläger trug einen nicht unerheblichen Teil der Aufwendungen auf eigene Rechnung (2.090 EUR). Damit wurde der gesamte Vertrag der Besteuerung nicht zugrunde gelegt.

Konsequenz

Vor Abschluss von Verträgen mit Angehörigen ist zu prüfen, ob der vorgesehene Leistungsaustausch auch mit Dritten wirtschaftlich vernünftig wäre und wie die markt- und verkehrsüblichen Rahmenbedingungen beschaffen sind. Alle Vereinbarungen sind schriftlich zu treffen. Die geschuldeten Leistungen müssen fristgerecht und voll erbracht werden. Von einem Leistungsaustausch über gemeinsame Familienkonten sollte abgesehen werden.

Fristlose Kündigung bei erheblichem Überziehen der Pausenzeiten

Fristlose Kündigung bei erheblichem Überziehen der Pausenzeiten

Rechtslage

Die Rechtsprechung zu außerordentlichen Kündigungen aufgrund von bewusst wahrheitswidrig erfasster Arbeitszeit erscheint vor dem Hintergrund jüngerer Entscheidungen, in denen (geringfügige) Straftaten nicht mehr zur fristlosen Kündigung berechtigten, „auf dem Prüfstand“ zu stehen. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte nunmehr in einem solchen Fall – allerdings in einem sicherheitsrelevanten, sensiblen Berufszweig – hierzu zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 2001 als Fluglotse beschäftigt. Während der Nachtschichten ist nach den geltenden Flugsicherungs-Vorschriften eine Besetzung des Towers mit 2 Fluglotsen vorgeschrieben. Die Pausen von je 2 Stunden müssen die Fluglotsen untereinander absprechen. Sie müssen zudem auch in der Pause erreichbar sein. Aus Videoaufzeichnungen ergab sich, dass der Kläger entgegen seinen Eintragungen im Arbeitsplatznachweis an 4 Nächten im August 2009 und in einer Nacht im September 2009 zwischen 20 und 45 Minuten länger Pause gemacht hatte. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.

Entscheidung

Anders als noch die erste Instanz hielt das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung für wirksam. Dem Kläger sei bekannt gewesen, welche Risiken entstehen können, wenn nicht genügend Fluglotsen am Platz seien. Er wusste zudem, dass es gerade deshalb 6 Wochen zuvor nachts zu einer gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge gekommen war. Zu Lasten des Klägers kam hinzu, dass er Arbeitsnachweise falsch ausgefüllt hatte, um so vorschriftsmäßige Pausen vorzuspiegeln. Angesichts der Schwere und möglichen Sicherheitsgefährdung sei dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen. Der Arbeitsplatz eines Fluglotsen erfordere unverzichtbar Zuverlässigkeit; der Kläger habe damit rechnen müssen, dass sein Verhalten nicht hingenommen werden würde.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Mit ihr wird zudem deutlich, dass es Arbeitsplätze in sensiblen Bereichen gibt, in denen Abmahnungen in der Regel nicht ausreichend wären. Ungeachtet dessen bleibt eine Einzelfallabwägung erforderlich; eine andere Entscheidung wäre beispielsweise bei nur einem oder 2 Verstößen denkbar.

HIV Infektion ist (für sich genommen) keine Behinderung

HIV Infektion ist (für sich genommen) keine Behinderung

Rechtslage

Auch wenn es im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausdrücklich anders geregelt ist, ist inzwischen mit der Rechtsprechung unstreitig, dass die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes aufgrund europäischer Vorschriften auch auf Kündigungen anwendbar sind. Danach sind unter anderem diskriminierende Kündigungen wegen einer Behinderung untersagt. Das Arbeitsgericht Berlin hat jetzt darüber entschieden, ob eine HIV Infektion eine Behinderung darstellt oder nicht.

Sachverhalt

Der HIV-infizierte Kläger war vom Arbeitgeber, einem Pharmaunternehmen, in der Probezeit wegen seiner HIV-Infektion gekündigt worden. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit dem Argument, die HIV-Infektion stelle eine Behinderung dar, aufgrund derer er diskriminiert worden sei und verlangte die Zahlung einer Entschädigung. Daraufhin führte der Arbeitgeber arbeitssicherheitstechnische Gründe für die Kündigung ins Feld. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab.

Entscheidung

Ungeachtet der Tatsache, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fand, weil der Kläger noch keine 6 Monate beschäftigt gewesen war, urteilte das Gericht im Hinblick auf die Entschädigung, dass die bloße Infektion mit dem HIV-Virus (noch) keine Behinderung darstelle. Insbesondere sei der Kläger zwar infiziert, aber (noch) nicht in seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt gewesen.

Konsequenz

Die Entscheidung kann noch mit Berufung angegriffen werden; der weitere Verfahrensverlauf wird mit Spannung abzuwarten sein. Jedenfalls dann, wenn die Grenze der bloßen Infizierung überschritten wird und die Krankheit ausbricht, dürfte eine andere Haltung der Arbeitsgerichte zu erwarten sein. Dann wird sich zeigen, ob in diesem Fall die Arbeitssicherheit Rechtfertigung für ein gegebenenfalls diskriminierendes Verhalten sein kann.

Keine Arbeitnehmer-Haftung bei Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

Keine Arbeitnehmer-Haftung bei Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

Kernfrage/Rechtslage

Sogenanntes „Whistleblowing“, das öffentliche Bekanntmachen von Missständen beim Arbeitgeber, ist von dem Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst, so dass eine darauf gestützte fristlose Kündigung unbegründet sein kann. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst Arbeitnehmer geschützt, die ihren Arbeitgeber berechtigterweise „an den Pranger“ gestellt haben und dafür gekündigt wurden. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber ungerechtfertigter Weise wegen Missständen beschuldigt, für diejenigen Schäden aufkommen muss, die sein Arbeitgeber dadurch erlitten hat.

Sachverhalt

Nach einer Kündigung gegenüber einer Ärztin gingen gegen die Klinik und den Klinikleiter, gestützt auf interne Fakten, anonyme Anzeigen wegen fahrlässiger Tötung bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Presse ein. Die Vorwürfe waren haltlos; Straftaten nicht zu beweisen. Der Klinik entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Lebensgefährte der gekündigten Ärztin die anonymen Anzeigen verfasst hatte. Mit ihrer Klage machte die Klinik einen Teil des Schadens gegen die Ärztin und ihren Lebensgefährten geltend und verlor.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht sah keine Haftungsgrundlage für die Arbeitnehmerin und den Lebensgefährten, ließ allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Zur Begründung führte es aus, dass es an einer ausreichenden Kausalität fehle. Arbeitnehmerin und Lebensgefährte hätten nicht damit rechnen müssen, dass der Fall in dieser konkreten Weise in die Öffentlichkeit getragen würde. Im Übrigen sei die Erstattung einer Strafanzeige ein rechtlich geschütztes Verhalten, das nur bei Mutwilligkeit oder völliger Haltlosigkeit ein kausales pflichtwidriges Verhalten darstellen und zum Schadensersatz führen könne.

Konsequenz

Sollte der Fall in die Revision gehen, wird sein dortiger Ausgang mit Spannung abzuwarten sein. Einstweilen kann sich der Strafanzeige erstattende Arbeitnehmer (wirtschaftlich) sicher fühlen. Im Zusammenspiel mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verwundert die Entscheidung allerdings, weil sich die Rechtslage – verkürzt dargestellt – so verhält, dass der berechtigt Strafanzeige stellende Arbeitnehmer vor Kündigung geschützt ist und der unberechtigt Strafanzeige stellende Arbeitnehmer keine wirtschaftlichen Folgen zu fürchten braucht.

Beamte dürfen streiken

Beamte dürfen streiken

Kernaussage

Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung war Beamten das Streikrecht verwehrt. In Abkehr davon entschied das Verwaltungsgericht Kassel aktuell, dass auch Beamte grundsätzlich streiken dürfen, sofern sie nicht im Bereich der Eingriffsverwaltung, der Polizei und der Landesverteidigung tätig sind. Lehrern jedenfalls soll das Recht zum Streik zustehen.

Sachverhalt

Die Kläger, 2 Lehrer an Kasseler Schulen, hatten sich im November 2009 an einem von der GEW organisierten Streik beteiligt und blieben für 3 Stunden dem Dienst fern. Die GEW hatte zum Streik aufgerufen, um u. a. gleiche Arbeitszeiten für Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst zu erreichen. Wegen ihrer Teilnahme am Streik wurden die Kläger vom zuständigen Schulleiter mit einer schriftlichen Missbilligung belegt. Dagegen setzten sie sich zur Wehr und vertraten die Auffassung, eine Dienstpflichtverletzung liege nicht vor. Das Staatliche Schulamt war hingegen der Ansicht, das Streikverbot für Beamte gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums.

Entscheidung

Das Gericht folgte der Ansicht der klagenden Lehrer. Entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde entschieden, das Streikrecht könne auch Beamten zustehen, soweit sie nicht hoheitlich, d. h. im Bereich der Eingriffsverwaltung, der Polizei und der Landesverteidigung tätig seien. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bereits 2008 und 2009 in 2 Entscheidungen zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit festgestellt hatte, dass das Streikrecht für öffentliche Bedienstete zwar eingeschränkt werden könne, jedoch nur unter engen Voraussetzungen; denn es dürfe nur bestimmte Gruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes betreffen, nicht aber den öffentlichen Dienst insgesamt. Das Grundgesetz müsse insofern unter Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgelegt werden. Davon ausgehend seien die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums dahingehend fortentwickelt worden, dass das ursprünglich für alle Beamten geltende Streikverbot allenfalls noch für bestimmte, abgrenzbare Gruppen von Beamtinnen und Beamten gelte, nämlich nur für Mitglieder der Streitkräfte, Polizei oder Staatsverwaltung.

Konsequenz

Lehrer gehören nicht zu den in der EMRK abschließend aufgeführten öffentlichen Bediensteten; ihnen kann daher kein Streikverbot auferlegt werden. Allerdings hat das Gericht die Berufung zum Verwaltungsberichtshof zugelassen, so dass die endgültige Entscheidung abzuwarten bleibt.