Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Versetzung: Dienstreise statt Entfernungspauschale

Versetzung führt nicht automatisch dazu, dass die neue Dienststelle als regelmäßige Arbeitsstelle anzusehen ist (stl. Auswirkung: Dienstreise statt Entfernungspauschale)

Mit Urteil vom 29. März 2012 zur Einkommensteuer 2009 (Az.: 5 K 2160/11) hat sich das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz mit der Frage befasst, ob eine Versetzung eines Soldaten an eine andere Stammdienststelle ohne Weiteres die Annahme rechtfertigt, dass diese Stammdienststelle als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, mit der steuerlichen Folge, dass dann Fahraufwendungen – als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – nur mit der Entfernungspauschale (0,30 € pro Entfernungskilometer) und nicht nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 € pro gefahrenem km) berücksichtigt werden können.

 

Im Streitfall war der Kläger als Soldat im Dezember 2008 zunächst an die Stammdienststelle der Bundeswehr in K kommandiert. Mit Verfügungen vom Oktober/November 2008 wurde er für die Zeit ab 1. Januar 2009 dorthin versetzt. In der Verfügung wird  u.a. ausgeführt, voraussichtliche Verwendungsdauer: 31.12.2010. Eine Umzugskostenvergütung wurde nicht zugesagt, weil ein Umzug an den neuen Dienstort aufgrund besonderer Gründe nicht durchgeführt werden solle.

 

In seiner Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger für seine Fahrten zur Stammdienststelle bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit einen Betrag von  6.793,50 € (= 22.645 km tatsächliche Fahrtstrecke x 0,30 €, also nach Dienstreisegrundsätzen) geltend. Dagegen war das Finanzamt (FA) der Ansicht, die Dienststelle, an die der Kläger versetzt worden sei, stelle seine regelmäßige Arbeitsstätte dar, weswegen nur die Entfernungspauschale mit einem Betrag von 3.438,00 €  (191 Tage x 60 km x 0,30 €) anzusetzen sei.

 

Die vom Kläger erhobene Klage war erfolgreich. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, aufgrund der Besonderheiten des Falles seien die Fahrten des Klägers von seinem Wohnort zur Stammdienststelle in K nach Dienstreisegrundsätzen zu berücksichtigen, denn der Kläger habe im Streitjahr 2009 bei der Stammdienstelle der Bundeswehr in K keine regelmäßige Arbeitsstätte gehabt. Der gesetzlich nicht definierte Begriff „regelmäßige Arbeitsstätte“ sei dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf immer gleiche Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. sogar durch entsprechende Wohnsitznahme hinwirken könne. Liege keine solche Arbeitsstätte vor, sei eine Einschränkung der Abziehbarkeit  beruflich veranlasster Mobilitätskosten sachlich nicht gerechtfertigt. Eine Versetzung begründe aber nicht zwangsläufig am neuen Dienstort eine regelmäßige Arbeitsstätte. Maßgeblich sei vielmehr, ob sich der Kläger zu Beginn seiner Tätigkeit – aus damaliger Sicht – hätte darauf einrichten können, in K dauerhaft tätig zu sein. Dies sei nicht der Fall gewesen. Nach der Versetzungsverfügung sei nur eine Tätigkeitsdauer von 2 Jahren zu erwarten gewesen. Eine Tätigkeit von 2 Jahren sei zwar längerfristig, aber nur vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt. Außerdem habe der Kläger wegen weiterer Hinweise in den Versetzungsverfügungen damit rechnen müssen, jederzeit – also ggf. auch vor Ablauf der in der Versetzungsverfügung bezeichneten (voraussichtlichen) Verwendungsdauer – erneut versetzt zu werden. Soweit das FA dagegen argumentiere, Soldaten müssten stets mit ihrer Versetzung rechnen, sei nicht auf die abstrakten Merkmale eines bestimmten Berufsbildes abzustellen. Es komme vielmehr darauf an, ob der Arbeitnehmer des konkret zu beurteilenden Dienstverhältnisses aller Voraussicht nach damit rechnen müsse, dass er seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsstätten zu erbringen habe. Aufgrund der vorliegenden Umstände, sei davon auszugehen, dass die Stammdienststelle in K keine regelmäßige Arbeitsstätte gewesen sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Datum:30.04.2012, Herausgeber: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Bundessteuerberaterkammer: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer Richtlinie 2011 (ErbStR 2011)

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts 2011 (ErbStR 2011)

Sehr geehrter Herr ,
für die Möglichkeit zum nun vorliegenden Entwurf der ErbStR 2011 Stellung zu nehmen, bedanken wir uns.
Unsere Ausführungen zu dem Entwurf haben wir in zwei Teile gegliedert. In einem ersten allgemeinen Teil weisen wir auf teilweise rechtsübergreifende Problembereiche und nach wie vor offene Fragen hin. Im zweiten Teil gehen wir auf Änderungsbedarf bei einzelnen geänderten Richtlinien ein.

Vorab erlauben Sie uns jedoch folgende Anmerkungen:
Ihrem Schreiben haben wir entnommen, dass eine mündliche Verbandsanhörung nicht vorgesehen ist. Vor dem Hintergrund, dass die vorherigen ErbStR aus dem Jahre 2003 stammen und dass zu den koordinierten Ländererlassen aus dem Jahre 2009 die Verbände weder schriftlich noch mündlich angehört wurden, halten wir es für wichtig und notwendig, zu den neuen ErbStR 2011 eine Verbandsanhörung durchzuführen. Zumal durch die zum 1. Januar 2009 umgesetzte Erbschaftsteuerreform grundlegende Neuerungen erfolgt sind, die erstmals in die Richtlinien eingebunden und an einigen Stellen im Vergleich zu den koordinierten Ländererlassen angepasst wurden (§13a und §13b ErbStG).
Wir regen daher an, zu den wichtigen Aspekten eine mündliche Anhörung durchzuführen. Die sehr guten Erfahrungen bei der E-Bilanz haben gezeigt, wie wertvoll eine mündliche Erörterung mit den Kammern und den Verbänden sein kann.
Im Hinblick auf den Nachweis des gemeinen Werts bei der Bewertung des Betriebsvermögens (R B 109.1 i. V. m. R B 11.2 Abs. 2 ErbStR-E) möchten wir Folgendes anmerken:

In den Fällen, wo sich der gemeine Wert nicht aus den Verkäufen unter fremden Dritten ableiten lässt, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nach einer anderen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr anerkannten Methode zu ermitteln. Steuerberater sind durch ihre fachliche Kompetenz und die Kenntnis der von ihnen betreuten Unternehmen hier in besonderem Maße geeignet, die Unternehmensbewertung durchzuführen. Eine diesbezügliche Klarstellung in R B 11.2 Abs. 2 ErbStR, die der Finanzverwaltung aufzeigt, dass u. a. Steuerberater zur Anfertigung eines solchen Gutachtens geeignet sind, wäre an dieser Stelle sehr hilfreich.

Zum Schluss möchten wir betonen, dass wir es sehr begrüßen, dass die von einigen Ländern vorgeschlagene Umstellung von Richtlinie auf Anwendungserlass bei der Erbschaft­steuer nicht vollzogen wurde. Denn durch Beibehaltung der ErbStR können Auswirkungen auf die Praxis besser mit den Kammern und Verbänden abgestimmt und praxisferne Regelungen vermieden werden.
Unsere Ausführungen im Einzelnen finden Sie anliegend.

Mit freundlichen Grüßen
i. V.
Jörg Schwenker
Geschäftsführer

Anlage
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts 2011 (ErbStR 2011)

I. Übergreifende Problembereiche und offene Fragen
Bevor wir auf einzelne Textziffern eingehen, möchten wir zwei grundsätzliche, teilweise rechtsübergreifende Fragen ansprechen, deren Klärung für die Praxis von erheblicher Bedeutung wäre.

a) Rechtsübergreifende Problembereiche
Poolvereinbarung – Verhältnis zu § 8c KStG
Es sollte klargestellt werden, dass ein erbschaftsteuerlicher Poolvertrag nicht die Rechtsfolgen von § 8c KStG (Verlustabzugsbeschränkung) auslöst.
Hintergrund ist, das zu § 8c KStG ergangene BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008 (BStBl. I 2008, S. 736). Darin heißt es in Tz. 7, dass Stimmrechtsvereinbarungen bzw. Stimmrechtsbindungen „ vergleichbare Sachverhalte“ i. S. d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG darstellen „können“. Vor diesem Hintergrund wird von der Praxis befürchtet, dass die Finanzverwaltung die getroffene Stimmrechtsvereinbarung des erbschaftsteuerlichen Poolvertrages als „vergleichbaren“ Sachverhalt beurteilen könnte.

Durch den Poolvertrag werden keine Stimmrechte übertragen. Er begründet lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung der Poolmitglieder, ihr Stimmrecht wie im Vertrag vereinbart auszuüben. Es liegt auch kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Darüber hinaus wäre es für den Steuerpflichtigen kaum nachvollziehbar, dass er erbschaftsteuerlich über den Poolvertrag begünstigt, unternehmensteuerrechtlich im Einzelfall aber benachteiligt wird.
Die Anwendung des § 8c KStG auf den Abschluss erbschaftsteuerlicher Poolverträge steht im Widerspruch zu den gesetzgeberischen Zielen im Rahmen der Erbschaftsteuerreform, Familiengesellschaften zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Dieser Zweck würde bei der Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung auf den Abschluss einer Poolvereinbarung i. S. d § 13b ErbStG gewissermaßen unternehmensteuerrechtlich konterkariert.
Aus diesem Grund ist eine Klarstellung in einem ergänzenden BMF-Schreiben zu § 8c KStG geboten.
Leistungen von Gesellschaftern und Dritten an Kapitalgesellschaften

Der Entwurf der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 ist in Bezug auf § 7 ErbStG hinsichtlich der Leistungen von Gesellschaftern und Dritten an Kapitalgesellschaften unbesetzt geblieben (R E 7.5 ErbStR-E).
Das impliziert, dass der koordinierte Ländererlass vom 20. Oktober 2010 (BStBl. I 2010, S. 1207) weiterhin anzuwenden ist und H 18 für alle offenen Fälle anwendbar bleibt. Leider wurde weder der BStBK noch den anderen Verbänden die Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zu diesem Thema abzugeben.
Aus diesem Grund weisen wir an dieser Stelle darauf hin, dass in dieser Angelegenheit über die Umsetzung des Beitreibungsrichtlinienumsetzungsgesetz (BeitrRLUmsG)hinaus dringender Handlungsbedarf gegeben ist.
Von großer praktischer Relevanz ist, dass im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) Vorteilsgewährungen an Gesellschafter oder diesen nahestehenden Personen grundsätzlich für schenkungsteuerpflichtig erklärt werden. Dadurch werden über konkrete Missbrauchsfälle hinaus auch Vorgänge erfasst, bei denen eine Zuwendung nicht nur nicht geplant ist, sondern – mangels Zuwendungswillens – zivilrechtlich auch nicht gegeben ist.

So ist es nach dieser Regelung möglich, dass eine vGA bei einer gewöhnlichen GmbH zur Entstehung von Körperschaftsteuer bei der Gesellschaft führt, zum anderen der Gesellschafter die vGA der Einkommensteuer/Abgeltungssteuer zu unterwerfen hat und derselbe Sachverhalt nach Auffassung des Erlassgebers nun auch noch zur Schenkungsteuerpflicht beim Gesellschafter führt, da eine Schenkung der GmbH an den Gesellschafter vorliegt. Dies spitzt sich in den Fällen zu, wo die Finanzverwaltung eine vGA erst Jahre später erkennt.
Diese Mehrfachbesteuerung lässt sich u. E. nicht aus dem Gesetz und auch nicht aus der neueren BFH-Rechtsprechung entnehmen. Eine Kapitalgesellschaft kann bei einer vGA nicht Zuwendender i. S. des § 7 ErbStG sein. Es fehlt ihr an einem eigenständigen Willen zur Unentgeltlichkeit.

Dieser Auffassung muss dringend entgegengewirkt werden, da das Risiko gerade bei den kleineren Kapitalgesellschaften kaum zu überschauen ist. Auch das BeitrRLUmsG wirft zahlreiche Zweifelsfragen bei den Steuerberatern und ihren Mandanten auf und verstößt u. E. gegen die allgemeinen Grundsätze, die für verdeckte Einlagen oder verdeckte Gewinnausschüttungen gelten.
Bisher war man einheitlich davon ausgegangen, dass die ertragsteuerliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise der verdeckten Einlage und der verdeckten Gewinnausschüttung im ErbStG keinen Niederschlag finden.

b) Offene Fragen
Lohnsummen aus Drittstaatenbetriebsstätten bzw. ausländischen Personengesellschaften, die zu einem inländischen Gewerbebetrieb gehören
Keine Aufnahme in den Entwurf der ErbStR 2011 hat bisher der Erlass des FM Bayern vom 12. Juli 2010 (S 3812a-018-28 364/10, DStR 2010, S. 1626) gefunden, der sich mit der Ermittlung der Lohnsumme aus Auslandsbetriebsstätten beschäftigt.

Eine Klarstellung, wie die Lohnsumme in diesen Fällen zu ermitteln ist, wäre wünschenswert, da Lohnsummen aus Drittstaatenbeteiligungen gem. § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG bspw. nicht zu berücksichtigen sind, obwohl diese begünstigtes Vermögen sein können (siehe RE 13b.5 Abs. 4 ErbStR-E).
Berechnung der 25 %-Grenze für die Einbeziehung der Lohnsummen (R E 13a.4 Abs. 7 Satz 1, 3 ErbStR-E)
Sowohl der neue Richtlinienentwurf als auch die zurzeit geltenden Erlasse äußern sich nicht eindeutig, wie die für die Einbeziehung der Lohnsummen maßgebliche Beteiligungshöhe der Gesellschaften von 25 % zu berechnen ist.
In den ErbStR-E heißt es hierzu:

Bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme sind die Lohnsummen der zum Betrieb gehörenden mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die im Besteuerungszeitpunkt mehr als 25 Prozent betragen, anteilig einzubeziehen. […] Dabei ist für die Prüfung, ob die Grenze von 25 Prozent überschritten ist, stets auf die zum Betrieb gehörenden mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen und nicht auf den übertragenen Anteil abzustellen.
In der Literatur werden verschiedene Sichtweisen vertreten, die am folgenden Beispiel erläutert werden sollen:
Ist zum Beispiel die Muttergesellschaft zu 70 % an einer Tochtergesellschaft und die Tochtergesellschaft ihrerseits zu 50 % an einer Enkelgesellschaft 1 und zu 20 % an einer Enkelgesellschaft 2 beteiligt, kann die Prüfung der Beteiligungshöhe entweder nach der durchgerechneten Quote oder es kann eine Prüfung auf jeder Stufe vorgenommen werden.
• Variante a – durchgerechnete Quote
Die Beteiligungshöhe an der Enkelgesellschaft 1 beträgt durchgerechnet 35 % (70 % x 50 %). Die Beteiligungshöhe an der Enkelgesellschaft 2 beträgt durchgerechnet 14 % (70 % x 20 %).
• Variante b – Prüfung auf jeder Stufe
Die andere Methode stellt nicht auf die durchgerechnete Quote ab, sondern prüft die Beteiligungshöhe von 25 % auf jeder Stufe. Am vorherigen Beispiel wird die Lohnsumme der Enkelgesellschaft 1 ebenso wie die Lohnsumme der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft einbezogen, da jeweils die 25 % Grenze auf jeder Stufe überschritten wird. Die Lohnsumme der Enkelgesellschaft 2 kann nicht einbezogen werden, da hier die Beteiligung weniger als 25 % beträgt.
Es sollte daher in den ErbStR 2011 eindeutig geäußert werden, welche Methode zur Prüfung der Beteiligungshöhe der Gesellschaften (für die Entscheidung, ob die Einbeziehung der Lohnsummenbestandteile dieser Untergesellschaft erfolgen soll) angewandt werden soll, da diese sich im Ergebnis durchaus unterscheiden können.
In den neuen Richtlinien wird auch nicht geklärt, wie das Halten einer nachgeordneten Gesellschaft über mehrere Beteiligungsstränge zu beurteilen ist. Dies soll kurz anhand des folgenden Beispiels erläutert werden.
In der Literatur existieren hierzu zwei Meinungen. Zum einen wird vertreten, dass jeder Beteiligungsstrang für sich gesondert zu prüfen ist. Sofern ein Beteiligungsstrang für sich genommen nicht die 25 %-Grenze übersteigt, bleibt die von diesem Beteiligungsstrang betroffene Lohnsumme bei der Lohnsummenprüfung außer Betracht.
Am obigen Beispiel wäre der Beteiligungsstrang über T 1 mit einzubeziehen, da er bei Berechnung nach Variante a und b die Beteiligungsgrenze von 25 % überschreitet. Im Gegensatz erfüllt die über T 2 gehaltene Beteiligung das 25 %-Kriterium nicht. Da der zweite Beteiligungsstrang gesondert zu betrachten ist, ist er bei der Lohnsummenermittlung der X-Holding nicht zu berücksichtigen.

Aus dem Wortlaut des Gesetzes könnte man auch entnehmen, dass eine konsolidierte Betrachtung aller Beteilungsstränge vorzunehmen ist. Dabei sind die Beteiligungsstränge miteinander zu addieren. Am obigen Beispiel würde es dazu führen, dass sowohl der Beteiligungsstrang über T 1 als auch der Beteiligungsstrang über T 2 bei der Lohnsummenermittlung der X-Holding zu berücksichtigen sind, da insgesamt 25 % für beide Stränge überschritten sind.
Da keine eindeutige Regelung getroffen wurde, regen wir an, im Rahmen der ErbStR 2011 Klarheit zu schaffen. Dabei sollte abgewogen werden, dass diese Regelung für alle Beteiligten mit möglichst wenig Aufwand umsetzbar sein soll. Der neue Grundsatz sollte folgerichtig auf alle relevanten Fälle im ErbStR mit ausgeweitet werden (z. B. R E 13b.15 Abs. 2 und R E 13a.4 Abs. 7 S. 4 ErbStR-E).

II. Anmerkungen zu einzelnen Änderungen der Richtlinien Zu R E 13a.4 – Lohnsummenregelung
R E 13a.4 Abs. 2 Satz 9: Prüfung Mindestarbeitnehmerzahl
In § 13a Abs.1 Satz 4 ErbStG heißt es sinngemäß, dass die Lohnsummenregelung keine Anwendung findet, wenn der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat. Mit Betrieb ist die oberste betriebliche Einheit gemeint, die übertragen wird, und nicht der gesamte Konzern. Dass diese Definition des Betriebs zutreffend ist, wird auch deutlich, wenn man den Wortlaut von § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG betrachtet. An dieser Stelle wird zwischen Betrieb und zum Betriebsvermögen gehörenden Beteiligungen des Betriebs differenziert.
Nach dem Gesetzeswortlaut müsste man im Falle einer Übertragung einer Holdinggesellschaft mit mehreren nachgeordneten Gesellschaften für die Anwendung der Lohnsummenregelung nur auf die Arbeitnehmer der Holdinggesellschaft (Betrieb) abstellen.

Auch wenn dieses Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, ist es unzutreffend, diese Gesetzeslücke im Wege einer steuerverschärfenden Analogie schließen zu wollen, denn sowohl im geltenden Erlass als auch in den ErbStR-E heißt es:
Bei der Prüfung, ob die Mindestarbeitnehmerzahl erreicht wird, sind auch die Arbeitnehmer nachgeordneter Gesellschaften einzubeziehen; die Grundsätze des § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG gelten sinngemäß.
Hier sollte ggf. noch einmal überprüft werden, ob diese Auslegung mit dem Gesetz vereinbar ist.
R E 13a.4 Abs. 6 Satz 1: Lohnsummenprüfung bei Beteiligungen an Personengesellschaften
Gemäß § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG sind Lohnsummen von Beteiligungen, die zum Betriebsvermögen eines Betriebs gehören, mit einzubeziehen. Der Gesetzeswortlaut lautet wie folgt:
„ Gehören zum Betriebsvermögen des Betriebs […] der jeweiligen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften , die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des EWR haben, oder Anteile an Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des EWR haben, wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt, sind die Lohnsummen dieser Gesellschaften einzubeziehen zu dem Anteil, zu dem die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung besteht.“
Der Richtliniengeber ändert hier die bisher in A 8 Abs. 6 Satz 1 AEErbSt vertretene Auffassung und macht nunmehr in R E 13a.4 Abs. 6 einen Unterschied dergestalt, dass Beteiligungen an Personengesellschaften stets, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nur bei einer Beteiligung von mehr als 25 % bei der Lohnsummenermittlung zu berücksichtigen sind.

Das Attribut in § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG „wenn die unmittelbare und mittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt“ kann sich grammatikalisch sowohl auf die Bestimmung der Anteile an Kapitalgesellschaften als auch auf Anteile an Personengesellschaften beziehen.

Die in R E 13a.4 Abs. 6 vertretene Verwaltungsauffassung folgt dem Hintergrund, dass Anteile an Personengesellschaften immer unabhängig von der Beteiligungshöhe begünstigt sind. Daraus folgert der Richtliniengeber, dass auch die Lohnsummen dieser Beteiligungen in die Mindestlohnsummen einzubeziehen sind. Dieses Argument ist u. E. sehr schwach, denn für die gegenteilige Lesart sprechen wichtigere Argumente.
Es wäre daher sachgerechter, wenn sich die 25 %ige Beteiligungsquote in diesem Kontext auch auf Anteile an Personengesellschaften beziehen würde.

Für diese Auffassung spricht, dass der Aufwand einer Lohnsummenermittlung bei Beteiligungsgesellschaften erst ab einer qualifizierten Beteiligungshöhe durchgeführt werden muss.
Ansonsten stünde der Aufwand der Lohnsummenermittlung vielfach nicht im Verhältnis zum steuerlichen Mehrergebnis, wenn beispielsweise bei einer Beteiligung an einer Personengesellschaft von 1 % bereits eine Lohnsummenabfrage bei der betreffenden Tochtergesellschaft (ggf. auch im Ausland) erfolgen muss, wo bereits unklar ist, ob die Auskunftsrechte eines Personengesellschafters so weit gehen.
Nur soweit dem Gesellschafter ein gewisser unternehmerischer Einfluss zusteht, der vom Gesetzgeber ab einer Beteiligungsquote von über 25 % vermutet wird, macht eine Berücksichtigung der Lohnsumme überhaupt Sinn.
Vor dem Hintergrund der vorherigen Abwägungen regen wir an, die in der Richtlinie vertretene Ansicht noch einmal zu überdenken und dem Vereinfachungsgedanken – auch vor dem Hintergrund der Komplexität der Lohnsummenregelung – Rechnung zu tragen.

R E 13a.4 Abs. 3 ErbStR-E: Lohnsumme bei Übertragung von mehreren wirtschaftlichen Einheiten
Werden mehrere betriebliche Einheiten zeitgleich vererbt oder verschenkt, werden entsprechend des geltenden AEErbSt und der ErbStR-E die Lohnsummen zunächst separat ermittelt und im Anschluss alle ererbten oder geschenkten wirtschaftlichen Einheiten zusammengerechnet. Es wird somit eine Gesamtlohnsumme ermittelt, welche eingehalten werden muss.

Es ist möglich, dass ein Lohnsummenverstoß in nur einer Einheit andere Einheiten infizieren kann und damit alle wirtschaftlichen Einheiten der Nachversteuerung unterliegen. Umgekehrt ist es auch möglich, dass der Arbeitsplatzabbau in der einen Einheit durch den Arbeitsplatzaufbau der anderen Einheit kompensiert werden kann.
Aus diesem Grund kann sich diese Regelung sowohl positiv als auch negativ für den Steuerpflichtigen auswirken.
Diese Sichtweise lässt sich mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht begründen.
Paragraf 13a Abs. 1 ErbStG spricht von der Lohnsumme des Betriebs und von Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und den dem Betrieb der jeweiligen Gesellschaft zuzuordnenden Lohnsummen.

Es lässt sich u. E. aus dem Gesetz nicht herleiten, dass mehrere betriebliche Einheiten – die gesondert bewertet werden – für Fragen der Lohnsumme zusammen betrachtet werden müssen.
Wir empfehlen aus diesem Grund, die Auffassung im Entwurf noch einmal zu überdenken.

R E 13a.4 Abs. 5 Satz 6: Änderungen der Rechtsform
Bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme ist sowohl in A 8 Abs. 5 Satz 6 AEErbSt als auch in R E 13a.4 Abs. 5 Satz 6 ErbStR-E die folgende Formulierung enthalten:
Änderungen der Rechtsform oder Umsetzungen des Personals innerhalb des Ermittlungszeitraums in einem Unternehmensverbund, deren Gliederungen zum Nachlassvermögen gehören, sind zur Ermittlung der Ausgangslohnsumme in die Einheiten einzubeziehen, die an die Stelle der früheren Einheiten getreten sind. Die Regelung ist sehr unverständlich und kann daher kaum angewendet werden. Es sollte klargestellt werden, was mit dieser Formulierung eigentlich gemeint ist. Nach unserem Verständnis ist das Personal bei Umstrukturierungen und Versetzungen innerhalb der übertragenen Unternehmensgruppe in der Gesellschaft zu berücksichtigen, bei der es zum Besteuerungszeitpunkt beschäftigt ist bzw. war.
Zu R E 13a.10 Abs. 2 – Poolvereinbarung im Zusammenhang mit Wegfall der Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbindung

Nach § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG fallen die erbschaftsteuerlichen und schenkungsteuerlichen Begünstigungen weg, soweit die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb der Kapitalgesellschaftsanteile aufgehoben wird.

In R E 13a.10 Abs. 2 ErbStR-E wurde sich nun erstmals dazu geäußert, dass der Wegfall der Begünstigung für alle Gesellschafter u. a. dann eintritt, wenn innerhalb der Behaltensfrist:
• die Beteiligung der Poolgesellschafter auf 25 Prozent oder weniger sinkt, z. B. weil ein oder mehrere Poolgesellschafter ausscheiden (1) oder infolge einer Kapitalerhöhung (2).
Zu (1)

Diese Auffassung entspricht nicht der Auslegung des Gesetzes. Der Wortlaut des Gesetzes fordert nicht ausdrücklich die Einhaltung einer Mindestbeteiligungsquote während der Behaltensfrist.
Sinn und Zweck dieser Vorschrift (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG) ist, den bestimmenden Einfluss der Familie in der Familienkapitalgesellschaft beizubehalten und zu verhindern, dass die Anteile wahllos veräußert werden können. Dieser Gedanke wird bereits dadurch verwirklicht, dass es zum Wegfall der Begünstigung führt, wenn sich die Gesellschafter zunächst poolen, um die Begünstigung zu erhalten, um dann wieder auseinander zu gehen. Gleiches gilt, wenn die Poolvereinbarung einvernehmlich aufgehoben wird.

Insoweit liegt hier auch kein Missbrauchsrisiko vor.

Dass beim Absinken der Quote der poolgebundenen Anteile auf 25 % oder weniger durch Ausscheiden eines Poolmitglieds nicht nur der ausscheidende Gesellschafter seine Begünstigung verlieren kann, sondern auch die im Pool verbleibenden Gesellschafter, ist nicht sachgerecht. Gesellschafter werden für fremdes Verhalten bestraft.
Zudem unterliegen sie der Willkür des ausscheidenden Gesellschafters – was auch missbräuchlich gegen die verbleibenden Gesellschafter verwendet werden kann.

Zu (2)
Außerdem droht ein nachträglicher Wegfall der Begünstigung auch dann, wenn vor Ablauf derBehaltensfrist die Quote der poolgebundenen Anteile aufgrund einer Kapitalerhöhung auf 25 % oder weniger sinkt.
Diese Auffassung ist im Hinblick auf den Wortlaut und den Sinn und Zweck des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG erst recht nicht nachvollziehbar.Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung verlangt eine Aufhebung der Poolvereinbarung, also eine aktive Handlung mindestens eines der Poolmitglieder. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung – auch im systematischen Zusammenhang mit den anderen Tatbeständen des § 13a Abs. 5 ErbStG (insbesondere der Überentnahmenregelung) – soll diese verhindern, dass der Umfang des begünstigten Vermögens nachträglich eingeschränkt wird. Beides ist im Falle einer Kapitalerhöhung nicht gegeben. Dabei vermehrt sich das Vermögen der Kapitalgesellschaft durch Hinzutritt neuer Gesellschafter bzw. durch Begründung neuer Anteile durch bisherige Gesellschafter.

Die Absenkung der – prozentualen – Quote der poolgebundenen Anteile ist damit lediglich eine Folgewirkung aus der Erweiterung des Gesellschaftsvermögens, wobei der – absolute – Umfang der poolgebundenen Anteile und damit des begünstigten Vermögens sich nicht verändert.
Diese Fälle sollten von den Nachversteuerungsregelungen nicht getroffen werden, zumal kein Missbrauch ersichtlich ist.
Vor diesem Hintergrund regen wir an, die Ausführungen noch einmal zu überdenken. Das Ausscheiden eines oder mehrerer Poolmitglieder sollte nur bei diesem, nicht aber beiden verbleibenden Gesellschaftern, zur Nachversteuerung führen können. Außerdem sollte die Kapitalerhöhung aus der Liste der schädlichen Verfügungen gestrichen werden.

Zu R E 13a.13 – Optionsverschonung
Positiv voranzustellen ist, dass nach dem ErbStR-E der Erwerber den Optionsantrag grundsätzlich bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Erbschaftsteuerfestsetzung stellen kann. Damit kann der Steuerpflichtige auch bei einer Steuerfestsetzung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, den Antrag auf Optionsverschonung stellen – was vorher nicht möglich war.

Nach R E 13a.13 Abs. 1 Satz 1 ErbStR-E kann der Erwerber den Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG) im Erbfall insgesamt nur einheitlich für alle Arten des erworbenen begünstigten Vermögens (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften) stellen.
Die Aussage in der Richtlinie entbehrt einer gesetzlichen Grundlage in § 13a Abs. 8 ErbStG.
Außerdem widerspricht diese Verwaltungsmeinung der grundsätzlichen Ausgestaltung des Erbschaftsteuerrechts, wo wirtschaftliche Einheiten im Wege der Schenkung oder Erbschaft jeweils als separate Einheiten übergehen.
Stattdessen wird hier eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angelegt, die eine fiktive Einheit schafft, welche aus der Summe der zivilrechtlich vorhandenen und real existierenden Einheiten besteht – die obendrein nur schwer zu überschauen ist.

Dieser Punkt sollte angepasst werden, so dass die Option für jede wirtschaftliche Einheit getrennt ausgeübt werden kann.

Zu R E 13b.6 – Begünstigungsfähige Anteile an Kapitalgesellschaften
Zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG gehören Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne dieser Vorschrift. Voraussetzung für eine begünstigte Erbschaft/ Schenkung ist u. a. eine unmittelbare Beteiligung des Zuwendenden in Höhe von mehr als 25 % am Nennkapital der Gesellschaft (Mindestbeteiligung) zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung. Allein die rechnerisch ermittelte Kapitalquote des Zuwenders ist entscheidend. Wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Einfluss ist ohne Bedeutung. Auch die Übertragung von stimmrechtslosen Anteilen ist begünstigungsfähig.

Die Mindestbeteiligungsquote von mehr als 25 % ist in Familiengesellschaften als ein viel zu hohes Hindernis für die Begünstigungen angesehen worden. Durch das ErbStRG 2009 ist aus diesem Grund Satz 2 in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG aufgenommen worden. Der Zuwendende kann in diesem Fall eine erbschaftsteuerliche Poolvereinbarung mit weiteren Gesellschaftern der Gesellschaft abschließen, durch die die Anteile in Höhe der Mindestbeteiligung gepoolt werden. Voraussetzungen für diese Poolvereinbarung sind, dass:
• die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigener zu übertragen und
• das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben.
Im Schrifttum wird vielfach vertreten, dass auch stimmrechtslose Anteile Gegenstand einer wirksamen erbschaftsteuerlichen Poolvereinbarung sein können, da diese beide Voraussetzungen erfüllen. Zum einen können stimmrechtslose Anteile von einer poolvertraglichen Verfügungsbeschränkung umfasst sein, wenn z. B. im Vertrag festgehalten ist, dass eine Veräußerung der Anteile nur an andere Poolteilnehmer zulässig ist.
Zum Zweiten sind stimmrechtslose Anteile ein Mittel, die einheitliche Stimmrechtsausübung zu erreichen, denn der Inhaber von stimmrechtslosen Anteilen erfüllt seine Verpflichtung gegenüber den weiteren Poolteilnehmern – quasi unweigerlich – dadurch, dass er nicht in der Lage ist, ein Stimmrecht auszuüben. Im Fall von § 140 Abs. 2 AktG (Stimmrecht in Folge einer nicht gezahlten Vorzugsdividende) muss der Poolteilnehmer die vertragliche Verpflichtung zur einheitlichen Ausübung seines Stimmrechts aktiv erfüllen, indem er z. B. den Poolsprecher zur Abgabe seiner Stimme bevollmächtigt.
In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Erbschaftsteuerreformgesetz (BT-Drs. 16/7918, S. 35) heißt es:
„Eine einheitliche Stimmrechtsausübung bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Dies ist in unterschiedlicher Weise geregelt. Neben der Möglichkeit zur gemeinsamen Bestimmung eines Sprechers oder eines Aufsichts- oder Leitungsgremiums kann die einheitliche Stimmrechtsausübung auch dadurch erreicht werden, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht verzichten oder die Anteile von vornherein stimmrechtslos sind.“

Im vorliegenden Entwurf der ErbStR 2011 ist eine gegenteilige Verwaltungsauffassung enthalten. Hier heißt es in R E 13b.6 Abs. 5 ErbStR-E:
„Eine einheitliche Stimmrechtsausübung im Sinne des Absatzes 3 Satz 3 Nr. 2 über die im Pool vorhandenen Stimmrechte bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss; daraus folgt, dass stimmrechtslose Anteile nicht in eine Poolvereinbarung einbezogen werden können. “

Im geltenden Anwendungserlass vom 25. Juni 2009 (BStBl. I 2010, S. 713) findet man im Abschnitt 21 Abs.5 keine ausdrückliche Regelung. Die Regelung zu den stimmrechtslosen Anteilen wurde neu aufgenommen.
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen gehen wir davon aus, dass eine Ausgrenzung der stimmrechtslosen Anteile aus der Poolvereinbarung vom Gesetzgeber so nicht gewollt war. Da durch die Richtlinien laut BMF keine begünstigende oder belastende Wirkung entstehen soll, halten wir es für sinnvoll, die im Entwurf vertretene Auffassung noch einmal zu überdenken.

Zu R E 13b.13 – Grundstücksüberlassung im Rahmen eines Wohnungsunternehmens
Es ist positiv zu bewerten, dass nunmehr im ErbStR-E erläutert wurde, was unter einer Grundstücksüberlassung im Rahmen eines Wohnungsunternehmens zu verstehen ist. Wie bereits in der Vergangenheit zählen Grundstücke nicht zum (schädlichen) Verwaltungsvermögen, wenn
• der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von eigenen Wohnungen i. S. d. § 181 Abs. 9 BewG besteht und
• dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert.
Neu ist an dieser Stelle die Aufzählung verschiedener Indizien, die für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sprechen sollen. Ebenfalls neu aufgenommen wurde die Regelung, dass das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs regelmäßig anzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält.

Die neue Richtlinie ist grundsätzlich zu begrüßen, denn sie stellt klar, dass keine zusätzlichen Leistungen neben der originären Vermietungstätigkeit erbracht werden müssen, um unter die begünstigte Regelung zu fallen. Durch das Abstellen auf die 300er-Grenze, ist das Verfahren zur Überprüfung in einigen Fällen stark vereinfacht worden – was positiv ist.

Leider fehlt hier noch eine Klarstellung hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Indizien untereinander. Es ist auch nicht klar, ob alle Indizien erfüllt werden müssen oder z. B. nur vier oder fünf Indizien ausreichen.
Abschließend geklärt ist auch nicht, wie es zu werten ist, wenn mehrere Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gegeben sind, aber die Wohnungsgrenze von 300 Wohnungen nicht überschritten wird. Es sollte aus diesem Grund klargestellt werden, dass auch bei Vorliegen von weniger als 300 Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegen kann.

Zu R E 13b.19 – Junges Verwaltungsvermögen
Begünstigtes Vermögen liegt in Verbindung mit dem sog. schädlichen Verwaltungsvermögen nur vor, wenn
• der Anteil des Verwaltungsvermögen 10 % (bei 100 % Verschonung) bzw. 50 % (bei 85 % Verschonung) des gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt
• und kein junges Verwaltungsvermögen vorliegt.
Nach der Richtlinie liegt junges Verwaltungsvermögen nur vor, wenn
es dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. Hierzu gehört nicht nur innerhalb des Zweijahreszeitraums eingelegtes Verwaltungsvermögen, sondern in der Regel auch Verwaltungsvermögen, das innerhalb dieses Zeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt worden ist.
Mit den neuen Richtlinien wird die umstrittene Auffassung zur Erfassung der Fälle eines Aktivtausches bestätigt, und es wird dabei auf den Zusatz „in der Regel“ verzichtet, der in der Vorgängerregelung (A 23 Abs. 1 Satz 2 AEErbSt) noch enthalten war.

Diese Missbrauchsvorschrift sollte eigentlich davor schützen, die kurzfristige Zuführung von schädlichem Verwaltungsvermögen (< 10 bzw. 50 %) in Betriebsvermögen als Umgehung zu nutzen, um eine erbschaftsteuerliche Begünstigung zu erhalten. Da die Regelung Gestaltungsmissbräuche verhindern will, muss es sich eigentlich nur um solche Wirtschaftsgüter handeln, die außerhalb eines Austauschgeschäftes aus dem Gesellschaftervermögen in das Gesellschaftsvermögen aus gesellschaftsrechtlichen Gründen übertragen bzw. eingelegt werden. Diese Vorschrift ist für diese Fälle durchaus sehr sinnvoll.

Gemäß Verwaltungsauffassung werden jedoch auch die Fälle erfasst, wo Vermögens­gegenstände des Verwaltungsvermögens (z. B. Wertpapiere) aus betrieblichen Mitteln angeschafft werden. Dieses Verwaltungsvermögen wird als junges Verwaltungsvermögen eingestuft, sofern es innerhalb von zwei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt angeschafft wurde (R E 13b.19 Abs. 1 Satz 2 ErbStR-E).

Diese Regelung ist mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinen, da es sich nicht um eine Zuführung von Vermögen von außen handelt, sondern nur um Umschichtung vorhandenen Vermögens. Bei bilanzieller Betrachtung handelt es sich um einen Fall des Aktivtausches „gutes (begünstigungsfähiges) Betriebsvermögen (z. B. Kasse oder Bank) gegen Verwaltungsvermögen“ .
Sind im Betriebsvermögen bereits Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens enthalten, die dem Betrieb länger als zwei Jahre zuzurechnen sind, ist dieses grundsätzlich wieder begünstigt, soweit es die prozentualen Grenzen nicht überschreitet.

Wird dieses „alte“ Verwaltungsvermögen innerhalb des 2-jährigen Zeitraums vor Entstehung der Steuer durch anderes Verwaltungsvermögen ersetzt, liegt bei bilanzieller Betrachtung lediglich ein Aktivtausch „ Verwaltungsvermögen gegen Verwaltungsvermögen“ vor. Entsprechend der Verwaltungsauffassung ist jedoch auch der Aktivtausch „Verwaltungsvermögen gegen Verwaltungsvermögen“ als schädliche Zuführung jungen Verwaltungsvermögens zu betrachten.

Aus Sicht der Praxis wäre nach dem Grundsatz der Missbrauchsverhinderungsvorschriften und dem ursprünglichen Ziel einer Entlastung der Unternehmensnachfolge, die Beschränkung der speziellen Missbrauchsverhinderungsregelung bzgl. jungen Verwaltungsvermögens auf Fälle einer Einlage geboten.
Der Aktivtausch „begünstigtes Betriebsvermögen gegen Verwaltungsvermögen“ sowie der Aktivtausch „ Verwaltungsvermögen gegen Verwaltungsvermögen“ (z. B. bei Umschichtungen von Wertpapieren) wird bereits durch die allgemeine Missbrauchsverhinderungsregelung innerhalb der Grenzen von 10 % bzw. 50 % angemessen erfasst.

Zu R B 159 – Abgrenzung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen.
Der Zweck der Vorschrift § 159 BewG ist darin zu sehen, dass gegenüber der Regelung des § 158 BewG (Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens) eine Ausnahmeregel bestehen soll, die die künftige Nutzung der noch land- und forstwirtschaftlichen genutzten Flächen mehr in den Vordergrund hebt.
Unbebaute Grundstücke, die am Bewertungsstichtag noch im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt werden, sollen in den Fällen von § 159 BewG dem Grundvermögen zugerechnet werden.
Daraus resultiert in der Regel im Vergleich zum Ertragswertansatz bei der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens eine zumeist höhere Bewertung in Vergleich mit dem Ansatz eines gemeinen Wertes bei der Bewertung des Grundvermögens.

In § 159 Abs. 3 Satz 2 BewG ist eine Ausnahme hinsichtlich der Zuordnung von Flächen zum Grundvermögen vorgesehen, wenn sie Hofstellen und andere Flächen betreffen, für die ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang (1 Hektar) zur Hofstelle besteht. Diese Ausnahme wird ausdrücklich in R B 159 Abs. 2 Nr. 4 ErbStR-E erläutert.
Nach der amtlichen Gesetzesbegründung zu § 159 BewG sollen keine Unterschiede zwischen Anwendung der inhaltsgleichen Vorschrift § 69 BewG und § 159 BewG bestehen.

Die Vorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG ist nach geltender Verwaltungsmeinung (einvernehmlicher Ländererlass des Niedersächsischen Finanzministers vom 10. Februar 1976) als allgemeine Begünstigungsvorschrift auch bei der Anwendung des § 69 Abs. 1 und 2 BewG zu berücksichtigen. Paragraf 69 Abs. 3 Satz 2 BewG enthält mithin eine besondere Schutzvorschrift für die Hofstellen und andere in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der Hofstelle stehenden Flächen.

Flächen dieser Art sollen, auch wenn sie eigentlich nach § 69 Abs. 1 und Abs. 2 dem Grundvermögen zuzurechnen sind, dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen werden (vgl. Bruschke in Gürsching/Stenger Bewertungsrecht § 159 Anm. 5 i. V. m. Esskandari in Gürsching/Stenger Bewertungsrecht § 69 Anm. 47).
Vor dem Hintergrund, dass zwischen § 69 BewG und § 159 BewG keine Unterschiede bestehen sollen und laut Aussage des BMF durch die Richtlinien auch keine begünstigende oder belastende Wirkung entstehen soll, halten wir es für sinnvoll, wenn in dieser Richtlinie folgende Klarstellung erfolgt: Paragraf 159 Abs. 3 Satz 2 BewG stellt eine allgemeine Begünstigungsvorschrift dar. Sie findet nicht nur im Rahmen des § 159 Abs. 3 BewG, sondern auch in den Fällen des § 159 Abs. 1 und Abs. 2 BewG Anwendung.

Zu R B 183 Abs. 4 ErbStR-E – Vergleichswertverfahren
Ein bebautes Grundstück, welches aufgrund seiner Grundstücksart im Vergleichswertverfahren zu bewerten ist, ist dann im Sachwertverfahren zu bewerten, wenn kein Vergleichswert vorliegt (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG). In Abschnitt 12 Abs. 4 Satz 2 AEBewGrV war hierzu folgende Vereinfachungsregelung enthalten, die nunmehr gestrichen wurde.
Weichen die wertbeeinflussenden Merkmale der Vergleichsgrundstücke bzw. der Grundstücke, für die Vergleichsfaktoren bebauter Grundstücke abgeleitet worden sind, vom Zustand des zu bewertenden Grundstücks ab, so sind diese Abweichungen durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des örtlichen Gutachterausschusses für Grundstückswerte zu berücksichtigen. 2 Stehen vom örtlichen Gutachterausschuss zur Berücksichtigung dieser Abweichungen keine Anpassungsfaktoren (z. B. Indexreihen oder Umrechnungskoeffizienten) zur Verfügung, kann eine hinreichende Übereinstimmung noch unterstellt werden, wenn die wertbeeinflussenden Merkmale des zu bewertenden Grundstücks, wie z. B. die Wohn-/Nutzfläche des Gebäudes, die Grundstücksgröße oder das Alter des Gebäudes, um höchstens jeweils 20 Prozent vom Vergleichsgrundstück abweichen.

In R B 183 Abs. 4 ErbStR-E heißt es nur noch:
Weichen die Grundstücksmerkmale der Vergleichsgrundstücke bzw. der den Vergleichsfaktoren zugrunde liegenden Grundstücke von den Grundstücksmerkmalen des zu bewertenden Grundstücks ab, so sind diese Abweichungen durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des örtlichen Gutachterausschusses für Grundstückswerte zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund, dass es für den Steuerpflichtigen von wesentlicher Bedeutung ist, ob das Vergleichswertverfahren oder das Sachwertverfahren zur Anwendung kommt und beide Verfahren lediglich Schätzverfahren sind, sehen wir keinen Anlass, die ursprüngliche Vereinfachungsregelung zu streichen.
Durch Streichung dieser Vereinfachungsregelung wird der Anwendungsbereich des Vergleichswertverfahrens viel zu stark eingeschränkt.

Dass es in Einzelfällen zu verschiedenen Auslegungsfragen in Bezug auf diese Vereinfachungsregelung gekommen ist, sollte nicht dazu führen, diese Regelung gänzlich zu streichen.

Es sollte vielmehr geprüft werden, ob hier eventuell einige Formulierungsanpassungen vorgenommen werden können, um den Steuerpflichtigen bei marginalen Abweichungen der wertbeeinflussenden Merkmale dennoch die Möglichkeit zu geben, das Vergleichswertverfahren anzuwenden.

Krankheitskosten nicht abzugsfähig wenn nicht bei der Krankenversicherung geltend gemacht worden sind.

Krankheitskosten bei der Einkommensteuer nicht abzugsfähig, wenn sie zur Wahrung eines Beitragsrückerstattungsanspruchs nicht bei der Krankenversicherung geltend gemacht worden sind.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, ob Krankheitskosten bei der Einkommensteuer (ESt) -Veranlagung steuermindernd berücksichtigt werden können, wenn die betreffenden Aufwendungen bei der zuständigen Krankenversicherung wegen eines Anspruchs auf Beitragsrückerstattung nicht geltend gemacht werden (Beschluss vom 31. Januar 2012 Az.: 2 V 1883/11 rkr.). 

Im Streitfall hatten die Antragsteller (Ast) in ihrer ESt – Erklärung 2009 Krankheitskosten in Höhe von fast 5.000.-€ bei den außergewöhnlichen Belastungen (agB) geltend gemacht. Die Frage nach zu erwartenden Versicherungsleistungen beantworteten sie mit „0“. Nachdem das Finanzamt (FA) mit dem Einkommensteuerbescheid 2009 die begehrte steuerliche Berücksichtigung versagt hatte, trugen die Ast im Einspruchsverfahren u.a. vor, eine Gegenüberstellung der Erstattungsleistungen im Falle der Einreichung mit denen im Falle der Nichteinreichung ergebe, dass es sowohl für den Fiskus als auch für sie vorteilhafter wäre, die Arztrechnungen nicht einzureichen. Nachdem das FA auch nicht bereit war, die Vollziehung des ESt-Bescheides 2009 auszusetzen, beantragten die Ast die Aussetzung der Vollziehung bei Gericht.

 

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz hatte weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ESt-Bescheides 2009 noch konnte es eine unbillige Härte erkennen. Es führte u.a. aus, Aufwendungen könnten nur dann agB darstellen, wenn und soweit der Steuerpflichtige hierdurch tatsächlich endgültig wirtschaftlich belastet sei. Eine solche endgültige Belastung trete jedoch dann nicht ein, wenn dem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang Erstattungszahlungen zufließen würden. Wären erstattete Aufwendungen auch noch als agB abzugsfähig, träte eine nicht gerechtfertigte doppelte Entlastung ein. Flössen dem Steuerpflichtigen zwar keine Erstattungsleistungen zu, hätte er aber einen Anspruch hierauf gehabt und verzichte er auf eine Erstattung um – wie hier – eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nehme dies den Aufwendungen grundsätzlich den Charakter der – für eine agB notwendigen – Zwangsläufigkeit. Könnten sich Steuerpflichtige durch Rückgriff auf ihre Versicherung ganz oder teilweise schadlos halten, sei eine Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt.

Der Sonderfall, dass der Verzicht auf den Erstattungsanspruch selbst zwangsläufig oder die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar sei, liege hier nicht vor. Wolle man aus jedem finanziellen Vorteil, der sich aus einem Verzicht der Geltendmachung eines Ersatzanspruches ergebe, die Unzumutbarkeit der Geltendmachung selbst ableiten, so würde dies zu einer vom Wortlaut der Ausnahmevorschrift der agB nicht gedeckten und unzulässigen Ausdehnung des Regelungszwecks der Vorschrift führen.

Dem stehe nicht entgegen, dass nach herrschender Meinung Krankheitskosten dann als agB anerkannt würden, wenn gar kein Versicherungsschutz bestanden hätte; dieser Fall liege hier nicht vor.

 

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

 

Datum: 06.02.2012
Herausgeber: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Zumutbare Eigenbelastung wegen Krankheitskosten nicht verfassungswidrig

Ansatz der zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen der Berechnung der außergewöhnlichen Belastungen (agB) wegen Krankheitskosten nicht verfassungswidrig.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat sich mit Urteil vom 6. September 2012 zur Einkommensteuer 2008 (Az.: 4 K 1970/10) zu der Frage geäußert, ob der im Einkommensteuergesetz vorgesehene Ansatz einer zumutbaren Belastung im Rahmen der Berechnung der außergewöhnlichen Belastungen bei Krankheitskosten verfassungswidrig ist.

Unter Hinweis auf dieses bei dem FG Rheinland-Pfalz anhängige Verfahren4 K 1970/10 war schon im Vorfeld von mehreren Zeitschriften den Steuerpflichtigen empfohlen worden, alle Krankheitskosten zur Berücksichtigung bei den agB zu beantragen, und zwar unabhängig davon, ob sie offensichtlich unter dem Betrag der zumutbaren Belastung lägen oder nicht und die Entscheidung in diesem Verfahren abzuwarten.

Im Streitfall hatten die Kläger für den Veranlagungszeitraum 2008 rd. 1.250,- € (u.a. Aufwendungen für Chefarztbehandlung und Zweibettzimmerzuschlag) an Krankheitskosten als agB geltend gemacht. Das Finanzamt (FA) sah die Krankheitskosten ohne weitere Prüfung dem Grunde nach als abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung in Höhe von rd. 39.000 € (= 6 v.H. des Gesamtbetrages der Einkünfte), ergab sich jedoch kein Abzug als agB.

Mit der dagegen gerichteten Klage trugen die Kläger u.a. vor, bei Krankheitskosten sei stets zu unterstellen, dass die Kosten zwangsläufig entstanden seien. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung (13. Februar 2008 2 BvL 1/06) für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung dem subjektiven Nettoprinzip über den Gleichheitssatz unmittelbaren Verfassungsrang eingeräumt, der es erfordere, dass der hierfür – also für die Versicherungsbeiträge – aufgebrachte Teil des Einkommens von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen sei. Ebenso fordere das BVerfG eine realitätsgerechte, den entsprechenden Bedarf abdeckende Steuerfreiheit des Existenzminimums. Der Gleichheitssatz gebiete, dass ein sozialhilfegleiches Versorgungsniveau in voller Höhe aus steuerfreiem Einkommen bestritten werden könne.

Die Klage hatte allerdings keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, es sei nicht zu der Überzeugung gelangt, dass im vorliegenden Verfahren die Kürzung der Aufwendungen um die zumutbare Belastung verfassungswidrig sei. Das BVerfG habe in seiner angesprochenen Entscheidung vom Februar 2008 hinsichtlich der gebotenen steuermindernden Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen darauf abgestellt, dass die konkreten Versicherungsbeiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erforderlich sein müssten. Für die gebotene Berücksichtigung von Krankheitsaufwendungen bedeute dies konkret, dass Krankheitskosten als Kosten der Existenzsicherung nicht generell ohne Einberechnung einer zumutbaren Belastung abgezogen werden müssten. Anderes könne allenfalls nur für die medizinischen Leistungen gelten, die ein Sozialleistungsempfänger – kostenfrei – erhalten würde. Eine existenzielle Betroffenheit sei bei den danach noch verbleibenden marginalen Aufwendungen angesichts der Höhe der Einkünfte der Kläger nicht zu erkennen; bei den gesamten Krankheitskosten handele es sich um rd. 0,18 v.H. des Gesamtbetrages der Einkünfte. Den Klägern verbleibe ein Einkommen, das deutlich weit über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege. Im Übrigen sei auch noch zu beachten, dass das BVerfG den Gesetzgeber in der angesprochenen Entscheidung (vom Februar 2008) erst ab dem Veranlagungszeitraum 2010 zu einer Neuregelung der Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen aufgefordert habe, während hier das Jahr 2008 im Streit sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.

Datum: 14.09.2012 Finanzgericht Rheinland-Pfalz
-> siehe zumutbare Eigenbelastung

Klageerhebung bei FG per Email – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Klageerhebung bei FG per Email ohne qual. elektronische Signatur zwar nicht formgerecht, aber grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich

Mit Urteil zur Einkommensteuer 2008 vom 7. Dezember 2012 (Az.: 6 K 1736/10) hat sich das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz mit der Frage beschäftigen müssen, ob, bzw. wie der Mangel einer per Email  – jedoch ohne die erforderliche elektronische Signatur – erhobenen Klage beseitigt werden kann.Im Streitfall begehrten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 2008 u.a. die steuerliche Berücksichtigung verschiedener Aufwendungen. Nachdem das Finanzamt (FA) diesem Begehren im Einkommensteuerbescheid 2008 nicht nachgekommen war, erhoben die Kläger bei dem FA Einspruch, der mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 6. Mai 2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Rechtsbehelfsbelehrung der EE beinhaltet u.a. den Hinweis, dass die Klage bei dem FG schriftlich einzureichen ist. Am 4. Juni 2010 ging die Klage per Email bei dem FG ohne elektronische Signatur ein, worauf die Berichterstatterin den Klägern mit Verfügung vom 11. Juni 2010 mitteilte, dass die Klage nicht ordnungsgemäß erhoben worden sei. Darauf hin wurde die Klage am 14. Juni 2010  nochmals per Telefax – mit den Unterschriften der Kläger – erhoben.

Das FG Rheinland-Pfalz ging von der Zulässigkeit der Klage aus und begründete das u.a. damit, dass die am 4. Juni 2010 per Email erhobene Klage nicht formgerecht war, weil sie nicht mit der erforderlichen elektronischen Signatur versehen gewesen sei. Die am 14. Juni  per Telefax erhobene Klage sei mit den Unterschriften der Kläger zwar formwirksam, aber wegen Überschreitens der Klagefrist von einem Monat verspätet bei Gericht eingegangen. Jedoch sei die Klage gleichwohl zulässig, weil hinsichtlich der verspätet eingegangenen Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Das ergebe sich daraus, dass die Kläger auf den Hinweis der Berichterstatterin vom 11. Juni 2010 innerhalb von nur drei Tagen mit Erhebung einer formwirksamen Klage reagiert hätten, die Frist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von zwei Wochen sei also gewahrt. Die Kläger hätten als steuerliche Laien aus der Rechtsbehelfsbelehrung der EE nicht erkennen können, dass die per Email erhobene Klage unzulässig war, denn für einen Laien sei nicht ohne Weiteres erkennbar, dass „Schriftform“ bedeute, dass ein Schriftstück mit einer Unterschrift versehen sein müsse. Einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass eine nicht mit einer elektronischen Signatur versehene Email nicht dem Schriftformerfordernis genüge, enthalte die Rechtsbehelfsbelehrung nämlich nicht. Hinzu komme, dass die Finanzverwaltung Rheinland-Pfalz bei ähnlicher Abfassung der Rechtsbehelfsbelehrung in den Steuerbescheiden die Einlegung von Einsprüchen per Email genügen lasse, so dass ein steuerlicher Laie nicht ohne weiteres auf den Gedanken kommen müsse, dass dies nicht für eine Klage gilt.

Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

Datum: 19.12.2012
Herausgeber: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Tante haftet für Steuerrückstände ihres Neffen und dessen Ehefrau

Mit Urteil vom 22. November 2012 (Az.: 5 K 1186/12) hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden, dass eine Tante unter bestimmten Umständen Steuerrückstände ihres Neffen und dessen Ehefrau begleichen muss.In dem entschiedenen Fall wehrte sich die Klägerin gegen sog. Duldungsbescheide des Finanzamtes, mit denen sie für Steuerrückstände ihres Neffen und dessen Ehefrau in Anspruch genommen wurde. Die Klägerin hatte sich über viele Jahre bemüht, ihrem Neffen und dessen Ehefrau, die beide als selbständige Handelsvertreter tätig waren, im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanziell zu helfen. Dennoch gerieten die finanziellen Verhältnisse des Neffen und seiner Ehefrau immer mehr in Schieflage. Dem Finanzamt schuldeten sie zuletzt fast 300.000 € und sie konnten wegen negativer Schufa-Einträge kein eigenes Konto mehr eröffnen. Daraufhin eröffnete die Klägerin bei der A-Bank ein Konto auf ihren Namen und erteilte ihrem Neffen unbeschränkte Verfügungsvollmacht. Der Neffe und seine Ehefrau wiesen ihre Auftraggeber an, Provisionen und Honorare auf dieses Konto zu überweisen. Da Vollstreckungsversuche des Finanzamtes erfolglos blieben, teilte das Finanzamt der Klägerin mit, dass es sich bei den Anweisungen ihres Neffen und dessen Ehefrau an die Schuldner, auf das Konto der Klägerin zu zahlen, um anfechtbare Rechtshandlungen handle und dass das Finanzamt beabsichtige, diese Rechtshandlungen anzufechten. Da nämlich die Forderungen des Neffen und seiner Ehefrau gegen ihre Auftraggeber mit der Zahlung der Auftraggeber auf das Konto der Klägerin erloschen waren, konnte das Finanzamt diese Forderungen nicht mehr pfänden. Die Klägerin eröffnete sodann bei einer anderen Bank (B-Bank) erneut ein Konto auf ihren Namen mit Verfügungsvollmacht für ihren Neffen.  Das Konto bei der A-Bank löste sie wenig später auf. Dem Konto der Klägerin bei der B-Bank wurden erneut Zahlungen für ihren Neffen bzw. dessen Ehefrau (Provisionen und Lebensversicherungen) gutgeschrieben, die der Neffe und seine Ehefrau für ihre Lebensführung verwendeten.

Das Finanzamt nahm die Klägerin – wie angekündigt – in Anspruch (mit sog. Anfechtungs- und Duldungsbescheiden) und verlangte von ihr Wertersatz. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Klägerin habe Kenntnis davon gehabt, dass ihr Neffe bzw. dessen Ehefrau in der Absicht gehandelt hätten, die Gläubiger zu benachteiligen.

Einspruch und Klage der Klägerin blieben erfolglos. Auch das FG vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Anweisungen des Neffen und seiner Ehefrau an ihre Gläubiger, Zahlungen auf das Konto der Klägerin zu leisten, um anfechtbare Rechtshandlungen gehandelt hat. Das FG war auch davon überzeugt, dass die Klägerin ihrem Neffen und dessen Ehefrau wissentlich geholfen hat, Vermögen vor Gläubigern – insbesondere dem Finanzamt – zu schützen.

Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

24.01.2013 Finanzgericht Rheinland-Pfalz

„Dogsitter“ nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen absetzbar

Wann sind Kosten für den „Dogsitter“ absetzbar?
Quelle: Hermann Meinold@Pixelio

Der 14. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem heute veröffentlichten Urteil (14 K 2289/11 E vom 25. Mai 2012) entschieden, dass die Kosten für einen „Dogsitter“ jedenfalls dann nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen absetzbar sind, wenn die Hunde außerhalb der Wohnung und des Gartens des Steuerpflichtigen betreut werden.

Der Kläger hat zwei Hunde, für die er regelmäßig einen Betreuungsservice in Anspruch nimmt. Die Hunde wurden vom „Hundesitter“ abgeholt und auch wieder zum Kläger zurück gebracht. Eine Betreuung der Tiere in der Wohnung des Klägers oder in dessen Garten fand nicht statt. Die hierfür angefallenen Aufwendungen in Höhe von 2.750 EUR (2008) und 4.702 EUR (2009) machte der Kläger als haushaltsnahe Dienstleistungen geltend. Das Finanzamt lehnte die Anerkennung ab.

Zu Recht, wie der 14. Senat jetzt entschieden hat. Zwar handele es sich bei der Tätigkeit des „Dogsitters“ grundsätzlich um eine haushaltsnahe Dienstleistung im Sinne des § 35a Abs. 2 EStG. Das Gesetz erfasse hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die üblicherweise zur Versorgung der Familie in einem Privathaushalt erbracht würden. Dazu gehörten u.a. Kochen, Wäschepflege, Einkauf von Verbrauchsgütern, Reinigung und Pflege der Räume sowie des Gartens, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen. Auch Leistungen, die für die Versorgung und Betreuung eines in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Hundes erbracht würden, seien demnach grundsätzlich haushaltsnah, denn Tätigkeiten wie Füttern, Fellpflege und das Ausführen des Hundes würden regelmäßig vom Steuerpflichtigen oder sonstigen Haushaltsangehörigen erledigt. Die Gewährung der Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 EStG scheitere im Streitfall jedoch daran, dass die konkreten Dienstleistungen nicht – wie das Gesetz verlange – „im“ Haushalt des Klägers erbracht worden seien.

Zwar hatte der 14. Senat nicht darüber zu entscheiden, ob Aufwendungen für einen „Dogsitter“, der Tiere eines Steuerpflichtigen in dessen Haus und Garten versorgt, pflegt und betreut, anzuerkennen sind – und über diese Frage hat der Senat auch nicht entschieden. Allerdings lassen die Urteilsgründe erahnen, dass ein entsprechendes Verfahren wohl zugunsten des Steuerpflichtigen ausgegangen wäre…

Verrechnungsmöglichkeit von Verlusten aus sog. Termingeschäften

Hessisches Finanzgericht zur Verrechnungsmöglichkeit von Verlusten aus sog. Termingeschäften

Kassel, den 18.01.2013

Hessisches Finanzgericht entscheidet zur Verrechnungsmöglichkeit von Verlusten aus sog. Termingeschäften.

Alt-Verluste aus Termingeschäften, die im zeitlichen Anwendungsbereich des mittlerweile ausgelaufenen Gesetzes über die Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) entstanden sind, können nicht ohne weiteres mit Erträgen verrechnet werden, die im zeitlichen Anwendungsbereich des nunmehr gültigen Investmentsteuergesetzes (InvStG) erzielt wurden. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 4 K 1902/08).

Im entschiedenen Streitfall waren bei dem klagenden Sondervermögen zum Ende des Geschäftsjahres 2004/2005 Verlustvorträge in Höhe von ca. 1 Million Euro vorhanden, welche als sog. steuerlicher Merkposten intern weitergeführt worden waren. Der Verlustvortrag resultierte aus Verlusten aus Termingeschäften gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes. Diese Verluste waren im zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes über die Kapitalanlagegesellschaften erzielt worden. In dem Geschäftsjahr 2004/2005 erwirtschaftete der Kläger Zinserträge in Höhe von ca. 4 Millionen Euro und beantragte die Verrechnung der oben genannten Verluste aus Termingeschäften mit Zinsen, inländischen Mieterträgen und sonstigen Erträgen gemäß § 3 Abs. 1 des Investmentsteuergesetzes.

Das Hessische Finanzgericht lehnte – wie bereits zuvor das Finanzamt – die beantragte Verlustverrechnung ab. Eine solche Verlustverrechnung komme nur auf der Grundlage des § 3 Abs. 4 Satz 1 des Investmentsteuergesetzes, der eine abschließende Regelung hinsichtlich der Verlustverrechnung auf der Ebene des Fonds darstelle, in Betracht. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 Satz 1 des Investmentsteuergesetzes seien vorliegend jedoch nicht erfüllt, weil die sich insoweit gegenüberstehenden Verluste und Erträge nach den konkreten Verhältnissen keine negativen bzw. positiven Erträge „gleicher Art“ im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 des Investmentsteuergesetzes seien. Zudem enthalte das Investmentsteuergesetzes keine weitere oder darüber hinaus gehende Regelung zur Verlustverrechnung. Damit habe der Gesetzgeber die Praxis der Fondgesellschaften aufgegriffen, Einnahmen und Ausgaben bereits auf der Ebene des Sondervermögens unmittelbar miteinander zu verrechnen und insoweit auf den komplizierten Transfer der Verluste auf die Ebene des Anlegers zu verzichten.

Der Gesetzgeber habe auch nicht eine besondere Übergangsregelung hinsichtlich der Berücksichtigung von Alt-Verlusten aus Termingeschäften geschaffen, die unter dem Geltungsbereich des ausgelaufenen Gesetzes über die Kapitalanlagegesellschaften entstanden sind. Schließlich verstoße der Umstand, dass § 3 Abs. 4 des Investmentsteuergesetzes eine Verrechnung mit Alt-Verlusten aus Termingeschäften mit positiven Erträgen aus Zinsen, inländischen Mieterträgen oder sonstigen Erträgen im Sinne des Investmentsteuergesetzes nicht zulasse, auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Gegen das Urteil vom 14.11.2012 wurde Revision eingelegt (Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs: IX R 49/12).

Steuerliche Gestaltung mit Goldhandel

Hessisches Finanzgericht entscheidet zu einer steuerlichen Gestaltung mit Goldhandel (sog. Goldfingerfall)

Kassel, den 05.02.2013

Der steuerlichen Berücksichtigung von Verlusten aus einer Beteiligung an einem vom Steuerpflichtigen selbst gegründeten britischen Unternehmen scheidet nur dann nach § 15 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus, wenn auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, gezielt zeitweilig Verluste zu nutzen. Das hat das Hessische Finanzgericht klargestellt (Az. 11 K 3175/09).

Der Kläger hatte in Großbritannien ein Unternehmen gegründet, das sich nach seiner Satzung mit dem Handel von Edelmetallen, Rohstoffen und Wertpapieren beschäftigte. Das Unternehmen erwarb im ersten Jahr seiner Tätigkeit in erheblichem Umfang Goldbarren. In der Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger erfolglos die Berücksichtigung eines Verlustanteils aus der Unternehmensbeteiligung im Wege des sog. negativen Progressionsvorbehalts nach § 32 b EStG. Der Verlust ergab sich dabei insbesondere aus dem vom Kläger angesetzten sofortigen Betriebsausgabenabzug der Anschaffungskosten der erworbenen Goldbarren als Umlaufvermögen nach § 4 Abs. 3 EStG.

Das Hessische Finanzgericht entschied, dass das Besteuerungsrecht der Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an dem britischen Unternehmen bei der Bundesrepublik Deutschland liege. Denn nach den konkreten Verhältnissen liege im Streitjahr lediglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit vor. Aufgrund der gewerblichen Prägung des ausländischen Unternehmens erziele der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb und sei dabei auch nicht an der Ausübung eines Wahlrechts zur Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gehindert. Denn die Pflicht zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich habe nur nach britischem Recht, nicht aber nach deutschem Recht bestanden.

Der zutreffenden Verlustermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG stehe auch das Abzugsverbot für sog. Steuerstundungsmodelle nach § 15 b EStG nicht entgegen. Vorliegend handele es sich nämlich nicht um eine modellhafte Gestaltung aufgrund eines vorgefertigten Vertragskonzepts. Vielmehr habe die Gründung des britischen Unternehmens auf einer hinreichend individuellen Gestaltung des Klägers beruht. Zwar habe sich der Kläger jeweils im Vorfeld durch Rechtsanwälte, Steuerberater und Banken beraten lassen. Jedoch liege in einer beratungsbegleiteten, eigenen Umsetzung einer die steuerliche Belastung minimierenden Idee noch keine Nutzung eines in den wesentlichen Strukturen vorhandenen Konzeptes eines Dritten.

Gegen das Urteil vom 15.11.2012 wurde Revision eingelegt (Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs: I R 3/13).

Beginn der Dreimonatsfrist für pauschale Verpflegungsmehraufwendungen in den sog. Wegverlegungsfällen

Beginn der Dreimonatsfrist für pauschale Verpflegungsmehraufwendungen in den sog. Wegverlegungsfällen. Die Beteiligten stritten über die Frage, ob im Fall der Wegverlegung des Lebensmittelpunkts vom Beschäftigungsort unter Beibehaltung der Wohnung am Beschäftigungsort für die ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung pauschale Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemacht werden können. Dies hat das Finanzgericht Düsseldorf – entgegen den Lohnsteuerrichtlinien der Finanzverwaltung – bejaht. Die Dreimonatsfrist für längerfristige vorübergehende Tätigkeiten an derselben Tätigkeitsstätte habe erst mit der Umwidmung der Wohnung am Beschäftigungsort in eine Zweitwohnung zu laufen begonnen, so dass sie der Inanspruchnahme von Verpflegungsmehraufwendungen nicht entgegenstehe. Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof ebenfalls zugelassen.

 

Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 318/12 E

Datum:
09.01.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 318/12 E
Tenor:

Der Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 22.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 wird dergestalt geändert, dass weitere Werbungskosten in Höhe von EUR 1.272 berücksichtigt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger während der ersten drei Monate einer unstreitig vorliegenden doppelten Haushaltsführung Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand zustehen.

3Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

4Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter Z-Stadt. Er hatte bereits vor dem Streitjahr mehrere Jahre am Beschäftigungsort Z-Stadt in der Z-Straße gewohnt. Nach ihrer Eheschließung am 08.05.2008 begründeten die Kläger ihren Familienwohnsitz in der Y-Straße in Y-Stadt. Die Wohnung am Beschäftigungsort behielt der Kläger als Zweitwohnung bei.

5In der Einkommensteuererklärung 2008 machte er für den Zeitraum vom 09.06. (Tag der polizeilichen Meldung in Y-Stadt) bis zum 31.12.2008 Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Er begehrte insbesondere den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer Abwesenheit von 24 Stunden für 53 Tage i.H.v. EUR 1.272.

6Der Beklagte verweigerte insoweit den Werbungskostenabzug unter Hinweis auf die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Sätze 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes -EStG- (Einkommensteuerbescheid vom 27.01.2010). Mehraufwendungen für Verpflegung dürften zwar grundsätzlich für die ersten drei Monate nach Begründung einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden. Da der Kläger aber bereits vorher länger als drei Monate am Beschäftigungsort gewohnt habe, sei die Dreimonatsfrist zum Zeitpunkt der Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits abgelaufen gewesen.

7Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Sie vertraten die Auffassung, die Regelung in R 9.11 Abs. 7 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien -LStR- widerspreche den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH- zu den sog. Wegverlegungsfällen. Danach liege eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch dann vor, wenn ein Arbeitnehmer nach der Eheschließung seinen Haupthausstand vom Beschäftigungsort wegverlege und seine Wohnung am Beschäftigungsort als Zweitwohnung beibehalte. Auch in diesen Fällen zähle der BFH den Verpflegungsmehraufwand zu den typischen Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung.

8Nachdem der Beklagte am 02.03.2010, 05.08.2011 und 22.12.2011 andere Streitpunkte betreffende Änderungsbescheide erlassen hatte, wies er den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 als unbegründet zurück. Entstehe die doppelte Haushaltsführung durch die Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort unter Beibehaltung der Wohnung am Beschäftigungsort, könnten auch während der ersten drei Monate nach Begründung der doppelten Haushaltsführung keine Verpflegungsmehraufwendungen anerkannt werden. Denn der Zweck des Werbungskostenabzugs würde dadurch verfehlt. Durch die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Steuerpflichtige mit dem Einzug in eine neue Wohnung auf eine geänderte Verpflegungssituation einstellen müsse und ihm erfahrungsgemäß deshalb vorübergehend zusätzliche Kosten entstünden. Dies treffe jedoch nicht auf Steuerpflichtige zu, die bereits vor Begründung der doppelten Haushaltsführung am Beschäftigungsort gewohnt hätten. Die Dreimonatsfrist beginne nicht mit der Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort, sondern mit dem Einzug in die Wohnung am Beschäftigungsort.

9Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und wiederholen ihre im Verwaltungsverfahren vertretene Rechtsauffassung. Ergänzend verweisen sie auf die Entscheidung des BFH vom 08.07.2010 VI R 15/09, -Bundessteuerblatt- BStBl II 2011, 47, gemäß der es für die Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen nicht darauf ankomme, ob dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt gewesen sei.

10Die Kläger beantragen,

11den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 22.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 zu ändern und dem Beklagten aufzugeben, die Einkommensteuer um EUR 602 herabzusetzen sowie die Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer entsprechend anzupassen,

12hilfsweise, die Revision zuzulassen.

13Der Beklagte beantragt,

14die Klage abzuweisen,

15hilfsweise, die Revision zuzulassen.

16Er verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung.

17Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist begründet.

20Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), denn der Beklagte hat zu Unrecht die von den Klägern geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung innerhalb der ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung i.H.v. EUR 1.272 nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

21Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG i. d. F. des Streitjahres 2008 grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig (sog. Dienstreise), so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen. Nach Satz 5 beschränkt sich bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der pauschale Abzug auf die ersten drei Monate (sog. Dreimonatsfrist). Gemäß Satz 6 gelten die Abzugsbeschränkungen nach Satz 1, die Pauschbeträge nach Satz 2 sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 5 auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Nach § 9 Abs. 5 EStG sind die aufgeführten Regelungen bei der Ermittlung der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit sinngemäß anzuwenden.

22§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 1. Hs. EStG legt der Höhe nach für die Abzugsfähigkeit der Mehraufwendungen für Verpflegung Pauschbeträge fest;wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt

23a) 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 24,

24b) weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 12,

25c) weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 6

26abzuziehen.

27Dem Kläger standen danach für die ersten drei Monate seiner doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach Mehraufwendungen für Verpflegung zu,und zwar in Höhe der geltend gemachten Pauschbeträge von EUR 1.272.

28Dass der Kläger im Streitjahr 2008 in Z-Stadt eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung hatte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

29Die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG hat mit der Umwidmung der bisherigen Wohnung des Klägers in Z-Stadt in eine – neben der Ehewohnung in Y-Stadt bestehende – Zweitwohnung am 09.06.2008 zu laufen begonnen. Dem Kläger stehen daher für 53 Tage mit Abwesenheitszeiten von seiner Wohnung in Y-Stadt von 24 Stunden die geltend gemachten Pauschbeträge i.H.v. jeweils EUR 24 zu.

30Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unmittelbar vor dem 09.06.2008 bereits mehrere Jahre in der Zweitwohnung in Z-Stadt gewohnt hatte. Denn die Dauer eines unmittelbar der Begründung des Zweithaushaltes am Beschäftigungsort vorausgegangenen Aufenthalts am Ort des Zweithaushalts ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die Dreimonatsfrist anzurechnen.

31Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG. Die Regelung beschränkt den pauschalen Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte auf die ersten drei Monate der aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Begründet wird eine doppelte Haushaltsführung in der Regel mit Bezug der Zweitwohnung am Beschäftigungsort. Dies gilt jedoch nicht für die sog. Wegverlegungsfälle, in denen die doppelte Haushaltsführung dadurch entsteht, dass ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand vom Beschäftigungsort wegverlegt und darauf – durch Umwidmung seiner bisherigen Hauptwohnung – einen Zweithaushalt am Beschäftigungsort errichtet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können. In diesen Fällen wird die doppelte Haushaltsführung mit der Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung des Steuerpflichtigen in eine Zweitwohnung begründet (vgl. BFH-Urteil vom 05.03.2009 VI R 58/06, BStBl II 2009, 1012). Mit dem Zeitpunkt der Umwidmung beginnt die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zu laufen.

32Die Ansicht des Beklagten, die Dreimonatsfrist beginne in Wegverlegungsfällen mit dem – zum Teil weit vor der Begründung der doppelten Haushaltsführung liegenden – Bezug der Zweitwohnung am Beschäftigungsort, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes, denn die ersten drei Monate nach Bezug der Zweitwohnung sind gerade nicht mit den ersten drei Monaten der doppelten Haushaltsführung identisch. Der Inhalt der Richtlinie 9.11 Abs. 7 Satz 5 LStR, gemäß dem in Wegverlegungsfällen notwendige Verpflegungsmehraufwendungen nur vorliegen, wenn und soweit der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort vor Begründung des Zweithaushaltes nicht bereits drei Monate gewohnt habe und die Dauer eines unmittelbar der Begründung des Zweithaushaltes vorausgegangenen Aufenthalts an diesem Ort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen sei, hat keinen Eingang ins Gesetz gefunden.

33Die Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nach dem Gesetzeszweck, wie er in den Gesetzesmaterialien niedergelegt ist, bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung.

34Die Vorschrift ist durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I Seite 1250) umfassend neu gestaltet worden. Dabei verfolgte der Gesetzgeber erklärtermaßen das Ziel, allen Steuerpflichtigen mit Auswärtstätigkeiten die gleichen Pauschalen zuzumessen und dadurch zur steuerlichen Gleichbehandlung und zur Vereinfachung des Steuerrechts beizutragen. Zuvor bestehende Abgrenzungsprobleme zwischen Dienstreise, Einsatzwechseltätigkeit, Fahrtätigkeit und doppelter Haushaltsführung sollten beseitigt und allgemein die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen nach Ablauf eines Dreimonatszeitraums ausgeschlossen werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs in den Bundestagsdrucksachen -BT-Drucks.- 13/901, S. 129, und 13/1558, S. 143). Die Regelung der Dreimonatsfrist beruht auf der allgemeinen Unterstellung des Gesetzgebers, dass die Steuerpflichtigen nach der typisierten Übergangszeit regelmäßig eine Verpflegungssituation vorfinden, die keine beruflich veranlassten Mehraufwendungen mehr verursacht (BT-Drucks. 13/901, S. 129).

35Nach diesen Gesetzesmaterialien geht das Argument des Beklagten, die Berücksichtigung pauschalen Verpflegungsmehraufwands sei zu versagen, weil sich der Kläger nicht auf eine geänderte Verpflegungssituation habe einstellen und keine zusätzlichen Kosten habe tragen müssen, fehl. Denn der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung in § 4 Abs. 5 Nr. Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG nicht nur – in verfassungsgemäßer Weise(BFH-Urteil vom 08.07.2010 VI R 10/08, BStBl II 2011, 32) – eine Typisierung dahin gehend vorgenommen, dassnach Ablauf der Dreimonatsfrist ein weiterer Abzug von Verpflegungsmehraufwand ausscheiden soll, da nach dieser Frist dem Steuerpflichtigen typischerweise kein Mehraufwand dieser Art mehr entstehe, weil er die Verpflegungssituation kenne, die Höhe der Kosten beeinflussen und damit einen „Mehr“-Aufwand minimieren oder sogar vermeiden könne. Er hat vielmehr zugleich zum Ausdruck gebracht, dass generell bei Begründung einer jeden Auswärtstätigkeit – also auch bei Begründung einer doppelten Haushaltsführung durch Wegverlegung des Haupthausstandes vom Beschäftigungsort und Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung in einen Zweithaushalt – typisierend die Pauschbeträge je nach konkreter Abwesenheitszeitzu gewähren sind, ohne dass insoweit auf die jeweilige konkrete Verpflegungssituation des einzelnen Steuerpflichtigen abzustellen wäre. Eine Prüfung, ob im Einzelfall tatsächlich Verpflegungsmehraufwendungen entstanden sind, soll gerade nicht stattfinden. Dass von dem Abzug der Pauschbeträge damit ausnahmsweise auch Steuerpflichtige profitieren, denen die Verpflegungssituation am Zweitwohnort bei Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits bekannt war, hat der Gesetzgeber zugunsten der steuerlichen Gleichbehandlung aller Auswärtstätigkeiten und der Vereinfachung des Steuerrechts in Kauf genommen. Denn eine den Abzug von Verpflegungsmehraufwand ausnahmsweise einschränkende Regelung wie in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 6 EStG a. E., gemäß der die Dauer einer Dienstreise an den Beschäftigungsort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen ist, wenn die Dienstreise der doppelten Haushaltsführung unmittelbar vorausgegangen ist, hat er für die Wegverlegungsfälle nicht getroffen.

36Von den vorgenannten Erwägungen hat sich auch der BFH in einem Fall leiten lassen, in dem ein Steuerpflichtiger, der nach Beendigung einer doppelten Haushaltsführung erneut eine doppelte Haushaltsführung am früheren Beschäftigungsort in der früheren Zweitwohnung begründet hatte, Verpflegungsmehraufwendungen geltend machte. Der BFH ließ den wiederholten Abzug der Pauschbeträge mit der Begründung zu, dass es für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht darauf ankomme, ob dem Kläger die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt gewesen sei; der Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung während der Dreimonatsfrist sei generell von der konkreten Verpflegungssituation unabhängig (BFH-Urteil vom 08.07.2010 VI R 15/09, BStBl II 2011, 47 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 12/04, BStBl II 2006, 267; so auch Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 9 Rn. 1100). Diese Überlegungen, denen sich der Senat anschließt, sind auf Wegverlegungsfälle uneingeschränkt übertragbar. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung des Beklagten steht dem nicht entgegen, dass in dem vom BFH (Urteil vom 08.07.2010 VI R 15/09, a. a. O.) entschiedenen Fall der Beendigung und Neubegründung einer doppelten Haushaltsführung die Zweitwohnung einige Monate (zehn) ungenutzt geblieben war. Denn dies ändert nichts an der mit den Wegverlegungssachverhalten vergleichbaren Situation, dass dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation am Zweitwohnort bei der erneuten Begründung der doppelten Haushaltsführung bestens bekannt war.

37Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§151 Abs.3, 155 FGO i.V.m. §§708 Nr.10, 711 der Zivilprozessordnung.

39Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.