Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

BFH konkretisiert Grundsätze zur Vermietung von Ferienwohnungen

BFH, Urteil vom 12. August 2025 – IX R 23/24
Pressemitteilung Nr. 65/25 vom 16. Oktober 2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung der Vermietung von Ferienwohnungen weiter präzisiert. Das Urteil stärkt die Position von Eigentümer:innen, die ihre Ferienimmobilien ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieten und dabei Verluste erzielen.


1. Hintergrund des Falls

Die Klägerin besaß eine Ferienwohnung in einem bekannten Tourismusort und vermietete diese ab dem Jahr 2016 an Feriengäste. Trotz dauerhafter Vermietungsbereitschaft erzielte sie über mehrere Jahre Verluste.

Das Finanzamt (FA) erkannte die Verluste nur teilweise an. Es vertrat die Auffassung, dass die Klägerin die ortsübliche Vermietungszeit in einigen Jahren zu stark unterschritten habe, sodass keine Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen habe.

Das Finanzgericht (FG) bestätigte diese Sichtweise teilweise – der BFH hob das Urteil nun auf.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Grundsätze zur Anerkennung von Vermietungsverlusten bei Ferienwohnungen erneut bestätigt und zugleich konkretisiert:

Wird eine Ferienwohnung ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten, so sind Verluste grundsätzlich steuerlich anzuerkennen, ohne dass eine zusätzliche Überschussprognose erforderlich ist.

Voraussetzung bleibt jedoch, dass die ortsübliche Vermietungszeit nicht erheblich unterschritten wird – konkret:

  • Eine Abweichung um mehr als 25 % gilt als „erheblich“.
  • Maßgeblich ist dabei nicht das einzelne Jahr, sondern ein Zeitraum von drei bis fünf zusammenhängenden Jahren.

Damit hat der BFH klargestellt, dass kurzfristige Schwankungen in der Vermietung – etwa durch Renovierungen, Pandemien oder Marktschwächen – nicht automatisch zu einem steuerlichen Verlust der Anerkennung führen.


3. Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für Eigentümer:innen von Ferienwohnungen:

  • Eine jährliche Einzelbetrachtung der Vermietungsdauer ist nicht zulässig.
  • Entscheidend ist der mehrjährige Durchschnitt (3–5 Jahre).
  • Verluste aus der Vermietung sind steuerlich abzugsfähig, solange die ortsübliche Auslastung langfristig nur geringfügig unterschritten wird.
  • Nur bei einer dauerhaften Unterauslastung oder bei gemischter Nutzung (z. B. Eigennutzung) kann das Finanzamt eine private Veranlassung unterstellen.

Für die Finanzverwaltung bedeutet das Urteil zugleich eine Einschränkung der bisherigen Prüfungsweise, da sie Verluste nicht mehr auf Basis einzelner Jahre verwerfen darf.


4. Beispielhafte Anwendung

Vermietet ein Eigentümer seine Ferienwohnung in einer Region, in der die ortsübliche Vermietungszeit 120 Tage pro Jahr beträgt, so gilt:

  • Eine Vermietung von mindestens 90 Tagen (75 %) im Durchschnitt von drei bis fünf Jahren ist unschädlich.
  • Erst wenn die Vermietung dauerhaft unter 75 % der ortsüblichen Auslastung liegt, prüft das Finanzamt eine fehlende Einkünfteerzielungsabsicht.

5. Fazit

Mit dem Urteil IX R 23/24 hat der BFH erneut zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden und Rechtssicherheit für Ferienwohnungsbesitzer:innen geschaffen.
Die steuerliche Anerkennung von Verlusten bleibt möglich, wenn die Wohnung ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit zur Vermietung bereitgehalten wird.

Wesentlich ist die mehrjährige Betrachtung der Vermietungszeit – nicht die isolierte Jahresauswertung.

Damit stärkt der BFH die steuerliche Planbarkeit und Transparenz für Eigentümer:innen von Ferienimmobilien.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 12.08.2025 – IX R 23/24
Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 65/25 vom 16.10.2025

BFH zur Umsatzsteuerbefreiung für Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer

BFH, Urteil vom 15. Mai 2025 – V R 23/24

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 15. Mai 2025 die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung von Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG konkretisiert.
Demnach sind Unterrichtsleistungen steuerfrei, wenn sie persönlich und unmittelbar gegenüber Schülern einer allgemein- oder berufsbildenden Einrichtung erbracht werden und ein vertragliches Verhältnis zum Einrichtungsträger besteht.


1. Hintergrund des Falls

Im Streitfall unterrichtete ein selbstständiger Dozent an einer berufsbildenden Einrichtung.
Er war nicht selbst Träger der Bildungseinrichtung, sondern wurde von dieser beauftragt, Unterrichtsstunden im Rahmen des Lehrplans durchzuführen.

Das Finanzamt unterwarf seine Umsätze der Umsatzsteuer mit der Begründung, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG greife nur, wenn der Lehrer selbst Träger einer anerkannten Bildungseinrichtung sei.

Der BFH folgte dieser engen Auslegung nicht.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Ein selbstständiger Lehrer erbringt eine steuerfreie Unterrichtsleistung, wenn er im Auftrag einer berufsbildenden Einrichtung tätig ist, persönlich die Schüler unterrichtet und ein Rechtsverhältnis zum Einrichtungsträger besteht.

Damit erweitert der BFH den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung zugunsten freier Lehrkräfte, die im Auftrag von Schulen, Akademien oder Fortbildungsinstituten tätig sind.


3. Rechtliche Grundlage

Die Entscheidung beruht auf der Auslegung von

  • § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sowie
  • Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie).

Nach diesen Vorschriften sind steuerfrei:

„Unterrichtsleistungen, die von Privatlehrern erteilt werden, sofern sie dem Schul- oder Bildungszweck unmittelbar dienen.“

Der BFH betont, dass die Steuerbefreiung nicht vom Status des Lehrers als Einrichtungsträger abhängt, sondern von der inhaltlichen Ausrichtung und der unmittelbaren Bildungswirkung der Tätigkeit.

Damit folgt das Gericht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der wiederholt auf die Zweckbezogenheit der Bildungsleistung abgestellt hat.


4. Abgrenzung: Wann keine Steuerbefreiung gilt

Die Umsatzsteuerbefreiung greift nicht, wenn

  • der Lehrer keine unmittelbare Unterrichtstätigkeit ausübt (z. B. nur Konzeptarbeit oder Organisation),
  • kein Vertragsverhältnis zum Einrichtungsträger besteht (z. B. Unterbeauftragung durch Dritte), oder
  • der Unterricht nicht unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dient (z. B. Freizeit- oder Hobbykurse).

In diesen Fällen liegt eine steuerpflichtige sonstige Leistung vor.


5. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil schafft Rechtssicherheit für freiberufliche Dozentinnen und Dozenten, insbesondere in der Erwachsenenbildung und der beruflichen Weiterbildung:

  • Steuerfreie Unterrichtsleistungen sind möglich, wenn die Tätigkeit inhaltlich dem Bildungszweck dient und vertraglich direkt mit dem Bildungsträger verbunden ist.
  • Eine eigene Anerkennung als Bildungseinrichtung ist nicht erforderlich.
  • Lehrkräfte sollten ihre Vertragsverhältnisse, Unterrichtsinhalte und Zielgruppen dokumentieren, um die Voraussetzungen der Befreiung im Prüfungsfall nachweisen zu können.

Damit erweitert der BFH den Handlungsspielraum vieler freier Lehrkräfte und Bildungsträger erheblich.


6. Fazit

Der BFH stärkt die steuerliche Stellung selbstständiger Lehrkräfte:

Unterrichtsleistungen an allgemein- oder berufsbildenden Einrichtungen sind umsatzsteuerfrei, wenn sie persönlich erbracht und vertraglich dem Bildungsträger zugeordnet sind.

Das Urteil sorgt für mehr Klarheit bei der Abgrenzung zwischen steuerfreien Bildungsleistungen und steuerpflichtigen Dienstleistungen – und bestätigt eine praxisnahe, europarechtskonforme Auslegung des Umsatzsteuerrechts.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 15.05.2025 – V R 23/24
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Keine Gewerbesteuerfreiheit für selbstständig, an einer Einrichtung unterrichtende Lehrer

BFH, Urteil vom 15. Mai 2025 – V R 33/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine GmbH, die über ihren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer Unterrichtstätigkeiten an einer fremden Bildungseinrichtung erbringt, nicht als berufsbildende Einrichtung im Sinne von § 3 Nr. 13 GewStG gilt.
Damit sind die erzielten Umsätze gewerbesteuerpflichtig – auch wenn der Unterricht selbst berufsbildenden Zwecken dient.


1. Hintergrund des Falls

Im Streitfall unterrichtete der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als freier Dozent an einem Fortbildungsinstitut.
Die GmbH fakturierte die Unterrichtsleistungen an die Bildungseinrichtung.
Das Unternehmen beantragte eine Befreiung von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 13 GewStG, da die Leistungen der Berufsbildung dienten.

Das Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung ab – zu Recht, wie der BFH nun bestätigte.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Eine GmbH, die Unterrichtsleistungen im Auftrag einer anderen Bildungseinrichtung erbringt, ist selbst keine berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 3 Nr. 13 GewStG.

Die Befreiungsvorschrift des Gewerbesteuergesetzes gilt nur für Einrichtungen, die

  • eigene Unterrichts- oder Ausbildungsgänge anbieten,
  • eigene organisatorische und inhaltliche Verantwortung für die Durchführung des Unterrichts tragen,
  • und eigene Teilnehmerverträge mit den Lernenden schließen.

Erbringt eine GmbH die Unterrichtsleistungen lediglich im Auftrag einer anderen Institution (z. B. eines Fortbildungsinstituts oder einer Berufsschule), fehlt es an dieser institutionellen Eigenverantwortung.

Der Unterrichtsinhalt oder die Qualifikation der Lehrkraft sind für die Gewerbesteuerbefreiung daher nicht entscheidend.


3. Abgrenzung zu natürlichen Personen

Während natürliche Personen, die selbstständig unterrichten, unter Umständen als freiberuflich tätige Lehrer (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gelten und keine Gewerbesteuer zahlen, gilt dies nicht für Kapitalgesellschaften.

Eine GmbH ist gewerblich geprägt (§ 2 Abs. 2 GewStG) – unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit.
Die persönliche Lehrtätigkeit ihres Geschäftsführers ändert daran nichts.

Damit unterliegen auch pädagogisch oder wissenschaftlich ausgerichtete GmbHs der Gewerbesteuer, wenn sie keine eigene Bildungseinrichtung im organisatorischen Sinn betreiben.


4. Praktische Konsequenzen

Das Urteil betrifft viele Bildungsdienstleister, Coaching-GmbHs und Schulungsgesellschaften, die Unterrichtsleistungen für Dritte erbringen.

Folgen in der Praxis:

  • Auch unterrichtende GmbHs müssen Gewerbesteuer zahlen, wenn sie nur als Auftragnehmer tätig sind.
  • Eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG setzt voraus, dass die Gesellschaft selbst Trägerin einer Bildungseinrichtung ist.
  • Für die steuerliche Entlastung kann ggf. eine Umstrukturierung oder Kooperation mit anerkannten Bildungsträgern sinnvoll sein.

5. Fazit

Der BFH zieht eine klare Linie:

Unterricht allein genügt nicht – entscheidend ist die Trägerschaft.

Nur Einrichtungen, die eigenständig und verantwortlich Unterricht anbieten, gelten als berufsbildende Einrichtungen im Sinne von § 3 Nr. 13 GewStG.
Eine GmbH, die ihre Dozenten lediglich an andere Bildungsträger vermittelt oder entsendet, bleibt gewerbesteuerpflichtig.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 15.05.2025 – V R 33/23
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Keine Gewerbesteuerfreiheit für Gewinne aus der Veräußerung von Lehrinstituten

BFH, Urteil vom 22. Mai 2025 – V R 32/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Veräußerung eines Lehrinstituts nicht als unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistung im Sinne von § 3 Nr. 13 GewStG gilt.
Damit unterliegen Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Lehrbetrieben der Gewerbesteuerpflicht.


1. Hintergrund des Falls

Die Klägerin betrieb mehrere Lehr- und Fortbildungsinstitute im Bereich der Erwachsenenbildung. Nach dem Verkauf ihrer Lehrbetriebe erklärte sie den daraus erzielten Gewinn als steuerfrei nach § 3 Nr. 13 GewStG.

Zur Begründung führte sie an, die Tätigkeit und auch die Veräußerung stünden unmittelbar im Zusammenhang mit dem Bildungszweck und seien daher von der Gewerbesteuer befreit.

Das Finanzamt folgte dieser Auffassung nicht und setzte Gewerbesteuer fest. Das Finanzgericht bestätigte diese Entscheidung – und der BFH wies die Revision der Klägerin zurück.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Die Veräußerung eines Lehrinstituts ist keine dem Schul- oder Bildungszweck dienende Leistung im Sinne des § 3 Nr. 13 GewStG.

Die Vorschrift befreit nur solche Tätigkeiten von der Gewerbesteuer, die unmittelbar der Erziehung, dem Unterricht oder der Aus- und Fortbildung dienen.
Dazu zählen etwa:

  • der laufende Unterrichtsbetrieb,
  • Prüfungsleistungen oder
  • Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit dem Lehrbetrieb.

Der Verkauf des gesamten Unternehmens ist jedoch ein Vermögensumschichtungsakt – und damit nicht Teil der begünstigten Bildungsleistung.

Entscheidend ist also, dass die Veräußerung nicht mehr dem Bildungszweck selbst dient, sondern lediglich den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens realisiert.


3. Steuerliche Konsequenzen

Die Entscheidung des BFH hat weitreichende Folgen für Träger privater Bildungseinrichtungen und gemeinnützige Gesellschaften, die wirtschaftlich tätig sind:

  • Gewinne aus der Veräußerung von Lehrinstituten unterliegen der Gewerbesteuerpflicht,
  • eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG kommt nicht in Betracht,
  • selbst dann nicht, wenn der laufende Lehrbetrieb steuerbegünstigt war oder die Mittel später wieder Bildungszwecken zufließen.

Damit bestätigt der BFH seine enge Auslegung der gewerbesteuerlichen Befreiungsvorschrift:
Nur die unmittelbare Bildungsleistung, nicht aber der wirtschaftliche Vorgang ihrer Veräußerung, ist begünstigt.


4. Bedeutung für die Praxis

Für Betreiber:innen von Lehrinstituten, Sprachschulen und anderen Bildungsträgern bedeutet das Urteil:

  • Bei einem Verkauf oder einer Umstrukturierung sind die erzielten Gewinne gewerbesteuerpflichtig.
  • Eine Befreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG ist nur für die laufende Lehrtätigkeit möglich.
  • Vor geplanten Veräußerungen sollte die steuerliche Struktur sorgfältig geprüft und ggf. eine Gestaltungsberatung (z. B. über gemeinnützige Trägerstrukturen oder Holdinglösungen) in Betracht gezogen werden.

5. Fazit

Der BFH stellt klar:
Die Bildungstätigkeit ist steuerbegünstigt – nicht aber deren Veräußerung.

Wer ein Lehrinstitut verkauft, erzielt steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte, selbst wenn die Einrichtung zuvor gemeinnützig oder bildungsorientiert tätig war.
Das Urteil schafft damit Rechtssicherheit, schränkt aber den Anwendungsbereich der Gewerbesteuerbefreiung deutlich ein.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 22.05.2025 – V R 32/23
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Sicherheitsleistung in Steuerhöhe nicht konstitutiv für die Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens

BFH, Urteil vom 24. Juni 2025 – VII R 33/22
Pressemitteilung Nr. 66/25 vom 16. Oktober 2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Sicherheitsleistung in voller Steuerhöhe nicht zwingend erforderlich ist, um ein Steueraussetzungsverfahren wirksam zu eröffnen. Damit stellt der BFH klar, dass die bloße Unterschreitung der Sicherheitshöhe nicht zur Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Steueraussetzungsverfahrens führt.


1. Hintergrund: Steueraussetzung bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren

Im entschiedenen Fall beförderte eine Klägerin Schaumwein aus ihrem Steuerlager in Deutschland in ein anderes Steuerlager innerhalb der EU.
Für diese grenzüberschreitende Beförderung unterlag sie dem Verfahren der Steueraussetzung – ein Verfahren, bei dem verbrauchsteuerpflichtige Waren steuerfrei bewegt werden dürfen, solange sie sich unter amtlicher Aufsicht befinden.

Zur Absicherung möglicher Risiken hatte das Hauptzollamt (HZA) eine Sicherheitsleistung verlangt. Diese leistete die Klägerin in Form einer fortgesetzten Barsicherheit, die jedoch nicht die volle Höhe der potenziell entstehenden Schaumweinsteuer abdeckte.

Das HZA vertrat die Auffassung, die Sicherheit müsse die gesamte Steuerhöhe absichern, um ein Steueraussetzungsverfahren überhaupt wirksam eröffnen zu können. Da dies nicht der Fall gewesen sei, setzte es Schaumweinsteuer in Höhe der Differenz fest.

Das Finanzgericht gab der Klage statt – und der BFH bestätigte diese Entscheidung.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

„Die Leistung einer Sicherheit in voller Steuerhöhe ist nicht konstitutiv für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens.“

Damit wies der BFH die Revision des Hauptzollamts zurück.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Steueraussetzungsverfahren nicht davon abhängt, ob die Sicherheitsleistung exakt die mögliche Steuerlast abdeckt.
Entscheidend ist allein, dass die Verfahrenseröffnung ordnungsgemäß angezeigt und bewilligt wurde und eine Sicherheit tatsächlich geleistet wurde.

Die Regelungen zur Sicherheitsleistung (§ 24 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Alkoholsteuerverordnung i. V. m. Art. 18 EMCS-Durchführungsverordnung) stellen demnach keine Gültigkeitsvoraussetzung, sondern eine Verfahrensvorschrift dar.


3. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für Unternehmen, die mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren – etwa Alkohol, Tabak oder Energieerzeugnissen – handeln oder diese grenzüberschreitend befördern.

Wesentliche Konsequenzen:

  • Eine unvollständige Sicherheitsleistung führt nicht automatisch zur Steuerentstehung.
  • Solange das Verfahren ordnungsgemäß eröffnet und überwacht wird, bleibt der Steueraussetzungsstatus erhalten.
  • Die Finanzverwaltung darf keine Steuerfestsetzung allein wegen einer vermeintlich zu niedrigen Sicherheitsleistung vornehmen.

Damit stärkt der BFH die Rechtssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte und grenzt die Anforderungen an Sicherheitsleistungen klar von den materiellen Voraussetzungen der Steuerentstehung ab.


4. Fazit

Der BFH schafft Klarheit im Bereich der Verbrauchsteuerverfahren:
Eine Sicherheitsleistung in voller Steuerhöhe ist nicht Voraussetzung für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens.

Entscheidend bleibt die ordnungsgemäße Anzeige und Durchführung des Verfahrens, nicht die exakte Höhe der gestellten Sicherheit.
Das Urteil stärkt damit die unternehmerische Praxis und verhindert eine überschießende Verwaltungspraxis bei der Steueraufsicht.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 24.06.2025 – VII R 33/22
Pressemitteilung Nr. 66/25 vom 16.10.2025
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Abzug ersparter Mietaufwendungen als außergewöhnliche Belastung

BFH, Urteil vom 17. Juni 2025 – VI R 15/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass ersparte Mietaufwendungen, die beim Gesellschafter zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führen, als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) berücksichtigt werden können – soweit sie behinderungsbedingten Mehraufwand darstellen.

Damit präzisiert der BFH die Abgrenzung zwischen steuerlich relevanter privater Lebensführung und zwangsläufig entstehenden Mehrkosten bei behinderten Steuerpflichtigen.


1. Der Hintergrund des Falls

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nutzte ein von der Gesellschaft errichtetes, behindertengerecht ausgestattetes Wohnhaus.
Das Finanzamt bewertete die private Nutzung als verdeckte Gewinnausschüttung, da der Gesellschafter die ersparten Mietaufwendungen nicht privat getragen hatte.

Der Steuerpflichtige machte den Betrag der ersparten Miete jedoch zugleich als außergewöhnliche Belastung geltend, da die Wohnung behindertengerecht ausgestattet war und entsprechende Mehrkosten durch seine Behinderung entstanden waren.

Das Finanzamt lehnte dies ab – der BFH entschied anders.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Ersparte Mietaufwendungen, die als verdeckte Gewinnausschüttung zu versteuern sind, können insoweit als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, als sie unmittelbar behinderungsbedingten Mehraufwand betreffen.

Damit erkennt der BFH an, dass der steuerpflichtige Zufluss aus einer vGA durch die zwangsläufigen behinderungsbedingten Kosten kompensiert werden kann.

Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige die Mehraufwendungen objektiv zwangsläufig trägt – etwa für barrierefreie Zugänge, Aufzüge, behindertengerechte Bäder oder Türen.

Nicht abziehbar sind dagegen allgemeine Wohnkosten oder Luxusausstattungen, die unabhängig von der Behinderung entstanden wären.


3. Steuerliche Einordnung

Die Entscheidung berührt gleich zwei Steuerbereiche:

  1. Körperschaftsteuer – durch die verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter;
  2. Einkommensteuer – durch den möglichen Abzug als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG).

Der BFH stellt klar, dass der Zufluss aus der vGA nicht doppelt belastet werden darf, wenn er zugleich zwangsläufig behinderungsbedingten Aufwand ersetzt.

Damit eröffnet das Urteil neue Gestaltungsspielräume für Fälle, in denen behindertengerechte Wohn- oder Nutzungsräume im Rahmen einer Gesellschaftsbeteiligung bereitgestellt werden.


4. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist insbesondere für Gesellschafter-Geschäftsführer mit Behinderung relevant, die gesellschaftseigene Immobilien nutzen.

Praktische Konsequenzen:

  • Ersparnisse aus einer vGA können teilweise steuerlich kompensiert werden.
  • Voraussetzung ist der nachweisbare behinderungsbedingte Mehraufwand (ärztliche Bescheinigung, Bau- oder Umbaukosten).
  • Der private Nutzungsvorteil bleibt steuerpflichtig, der behindertenspezifische Anteil jedoch abzugsfähig.

5. Fazit

Der BFH erweitert den Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen:
Auch fiktive Aufwendungen – hier in Form ersparter Miete – können berücksichtigt werden, wenn sie durch eine Behinderung veranlasst sind.

Damit stärkt das Urteil die steuerliche Gleichbehandlung von behinderten Steuerpflichtigen, unabhängig davon, ob der Aufwand real gezahlt oder in Form eines Nutzungsvorteils zugeflossen ist.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 17.06.2025 – VI R 15/23
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Keine neue Zinsfestsetzung nach Übergang von der Zusammen- zur Einzelveranlagung

BFH, Urteil vom 30. Juli 2025 – X R 11/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass beim Wechsel von der Zusammenveranlagung zur Einzelveranlagung von Ehegatten keine neue Zinsfestsetzung zu erfolgen hat. Auch wenn die ursprüngliche Nachzahlungszinsfestsetzung auf dem aufgehobenen Zusammenveranlagungsbescheid beruhte, bleibt sie gegenüber beiden Ehegatten bestehen.


1. Der Fall

Eheleute wurden zunächst zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Später beantragten sie den Wechsel zur Einzelveranlagung nach § 26 Abs. 2 EStG, da sämtliche Einkünfte nur einem Ehegatten zuzurechnen waren.
Das Finanzamt hob daraufhin den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid auf und erließ für jeden Ehegatten getrennte Bescheide. Die ursprünglich festgesetzten Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) wurden jedoch nicht neu berechnet oder geändert.

Die Steuerpflichtigen beantragten daraufhin, auch die Zinsfestsetzung anzupassen – ohne Erfolg. Das Finanzgericht wies die Klage ab, der BFH bestätigte diese Entscheidung.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

„Der Antrag auf Änderung der Veranlagungsform von Ehegatten ist ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO.“

Für die Zinsfestsetzung gelten daher die besonderen Regelungen des § 233a Abs. 2a und 7 AO.

Das bedeutet:

  • Die ursprüngliche Zinsfestsetzung bleibt bestehen, auch wenn die Zusammenveranlagung aufgehoben wird.
  • Eine neue oder geänderte Zinsfestsetzung ist nicht erforderlich, selbst wenn sämtliche Einkünfte nur einem Ehegatten zuzurechnen sind.

3. Schutz der Interessen des anderen Ehegatten

Nach Auffassung des BFH werden die Interessen des nicht betroffenen Ehegatten hinreichend durch die Aufteilung der Gesamtschuld (§§ 268 ff. AO) geschützt.

Denn:

  • Die Aufteilung der Einkommensteuerschuld erfasst gemäß § 270 i.V.m. § 276 Abs. 4 AO auch die Zinsen.
  • Der Ehegatte kann also eine individuelle Entlastung beantragen, soweit ihn die Zahlung betrifft.

Damit besteht kein Anlass, eine neue Zinsfestsetzung zu verlangen oder vorzunehmen.


4. Praktische Bedeutung

Die Entscheidung stärkt die Bestandskraft der Zinsfestsetzung bei nachträglicher Änderung der Veranlagungsform.
Für die Praxis bedeutet das:

  • Der Wechsel von der Zusammen- zur Einzelveranlagung wirkt sich nicht auf bereits festgesetzte Zinsen aus.
  • Änderungen bei der Steuerfestsetzung führen nicht automatisch zu einer Anpassung der Zinsbescheide.
  • Betroffene Ehegatten müssen zur Entlastung auf das Aufteilungsverfahren nach der AO zurückgreifen.

5. Fazit

Der BFH bestätigt die Systematik der Zinsregelungen in der Abgabenordnung:
Eine Änderung der Veranlagungsform ist zwar rückwirkend, führt aber nicht zu einer neuen Zinsfestsetzung.
Die Aufteilung der Gesamtschuld bietet ausreichenden Rechtsschutz für beide Ehegatten.

Damit schafft das Urteil Rechtssicherheit für Finanzämter und Steuerpflichtige gleichermaßen.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 30.07.2025 – X R 11/23
Quelle: Bundesfinanzhof

Gesellschaftsrecht: BRAK begrüßt moderate Ausweitung elektronischer Beurkundungen

BRAK-Mitteilung vom 15. Oktober 2025

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) plant eine Ausweitung der notariellen Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht. Künftig sollen mehr Erklärungen im Rahmen der Gründung und Anmeldung von Gesellschaften elektronisch beurkundet oder beglaubigt werden können. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) begrüßt die Pläne grundsätzlich – mahnt jedoch zu einem maßvollen Vorgehen.


1. Hintergrund: Digitalisierung der notariellen Verfahren

Seit 2022 ist es möglich, bestimmte Beurkundungen und Beglaubigungen im Gesellschaftsrecht per Videokommunikation durchzuführen. Dazu zählen unter anderem:

  • Registeranmeldungen (z. B. zum Handels-, Gesellschafts- oder Partnerschaftsregister),
  • sowie einige Gründungsvorgänge bei GmbHs, bei denen bestimmte Beschlüsse und Willenserklärungen bereits online beurkundet werden können.

Nach einer Evaluation der bisherigen Praxis möchte das BMJ die Online-Beurkundung nun auf weitere Vorgänge ausweiten.


2. Geplante Neuerungen laut Referentenentwurf

Der im September 2025 veröffentlichte Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht u. a. folgende Erweiterungen vor:

  • Anmeldungen zum Stiftungsregister sollen künftig elektronisch möglich sein,
  • weitere Handelsregisteranmeldungen über die bisherigen GmbH-Gründungserklärungen hinaus,
  • elektronische Gründung von Aktiengesellschaften (AG) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA).

Damit würde ein weiterer Schritt zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts vollzogen – mit dem Ziel, Gründungen und Registervorgänge effizienter und zeitgemäßer zu gestalten.


3. BRAK-Position: „Erst etablieren, dann ausweiten“

Die BRAK äußert sich in ihrer Stellungnahme Nr. 48/2025 grundsätzlich positiv, aber mit klaren Vorbehalten.
Sie befürwortet zwar eine maßvolle Ausweitung, warnt jedoch davor, das System zu schnell zu erweitern, bevor es sich in der Praxis bewährt hat:

„Notarielle Online-Verfahren sollten sich zunächst in der Tiefe und Breite etablieren, bevor über eine Ausweitung nachgedacht wird.“

Diese Einschätzung stützt sich auf eine interne Konsultation der BRAK mit ihren Fachgremien und den regionalen Rechtsanwaltskammern aus dem Jahr 2024.


4. Praktische Hürden und Akzeptanzprobleme

Die BRAK verweist auf zahlreiche praktische Herausforderungen, die derzeit einer breiten Nutzung entgegenstehen:

  • Geringe Bekanntheit notarieller Online-Verfahren in der Bevölkerung,
  • technische Hürden: Viele Beteiligte besitzen keinen aktivierten elektronischen Personalausweis oder keinen PIN-Brief,
  • fehlende Nutzerfreundlichkeit: Das Verfahren gilt als technisch anspruchsvoll,
  • Vertrauensfaktor: In der Praxis greifen viele Mandanten lieber auf bekannte Notarinnen und Notare und die klassische Beurkundung zurück.

Erst wenn diese Hindernisse überwunden sind, könne das elektronische Verfahren als Standard etabliert werden.


5. Bewertung und Ausblick

Die BRAK sieht im Online-Beurkundungsverfahren einen wichtigen Schritt zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts, betont aber die Notwendigkeit eines praxisgerechten Ausbaus.
Eine zu schnelle Ausweitung könne das Vertrauen in die digitale Beurkundung schwächen, wenn technische Probleme oder Unsicherheiten überwiegen.

Fazit: Die Digitalisierung des Notariats ist auf dem richtigen Weg – doch die Qualität und Akzeptanz müssen Vorrang vor Geschwindigkeit haben.


Quellen:

  • BRAK, Nachrichten aus Berlin 21/2025
  • Stellungnahme Nr. 48/2025
  • Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz, September 2025

Digitale Nachlassermittlung: BRAK fordert strengere Datenschutzregeln

BRAK-Mitteilung vom 15. Oktober 2025

Ein neuer Gesetzentwurf zur digitalen Nachlassermittlung soll Erben künftig helfen, verstecktes Vermögen Verstorbener schneller aufzuspüren. Der Vorschlag stößt grundsätzlich auf Zustimmung – doch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) warnt vor erheblichen Datenschutzrisiken und fordert Nachbesserungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).


1. Hintergrund: Ein digitaler Zugang zum Nachlass

Mit dem geplanten § 1959a BGB will der Gesetzgeber eine bislang bestehende digitale Lücke im Erbrecht schließen.
Erben sollen künftig über ein zentrales bundesweites Register Informationen zu Bankkonten und Depots Verstorbener abrufen können.

Das Vorhaben geht auf eine Initiative des Landes Niedersachsen zurück und wird durch den Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 21/1396) unterstützt. Ziel ist es, die Auffindung von Nachlassvermögen zu erleichtern – insbesondere in Fällen, in denen keine engen Angehörigen existieren oder Vermögenswerte ausschließlich digital verwaltet werden (z. B. Online-Banking, Kryptowährungen, Depots).

Die BRAK begrüßt dieses Vorhaben grundsätzlich. Es leiste einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzung des Eigentumsrechts nach Art. 14 GG und stärke die Rechtssicherheit für Erben und Nachlassgerichte.


2. Datenschutzbedenken: „Sensible Daten ohne Schutzmechanismen“

Kritisch bewertet die BRAK jedoch die Ausgestaltung des Registerzugangs.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Datenabruf über Kirchensteuermerkmale erfolgt – ein technisch praktikabler, aber datenschutzrechtlich hochsensibler Ansatz.

Nach Auffassung der BRAK bestehen erhebliche Risiken:

  • Es fehlen wirksame Schutzmechanismen gegen unbefugte Zugriffe,
  • sensible Daten wie Wohnadressen, Bankverbindungen und Vermögensstände könnten ohne ausreichende Kontrolle eingesehen werden,
  • der Entwurf enthalte keine hinreichende Hemmschwelle für den Datenabruf.

Damit drohe ein massiver Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sowohl Verstorbener als auch ihrer Angehörigen.


3. Forderungen der BRAK: Strikte Legitimation und restriktiver Zugriff

Die BRAK fordert daher eine deutlich strengere Ausgestaltung der Zugangsrechte.
Konkret soll:

  • das Interesse der Antragsteller:innen nicht nur glaubhaft gemacht, sondern nachgewiesen werden müssen,
  • eine Filterung nach Sterbe- und Geburtsdaten verpflichtend sein, um Fehlabfragen zu vermeiden,
  • der Kreis der Zugangsberechtigten klar begrenzt werden – etwa auf:
    • Amtsgerichte,
    • Erb:innen,
    • Nachlassverwalter:innen,
    • sowie bestimmte Amtsträger:innen.

Andere Personen, wie Gläubiger:innen oder Vermächtnisnehmer:innen, sollen keinen Zugriff auf die Registerdaten erhalten.


4. Kritik an Regierungsplänen zu „nachrichtenlosen Konten“

Besonders scharf kritisiert die BRAK Überlegungen der Bundesregierung, nicht beanspruchte Vermögen aus dem Nachlassregister künftig zur Förderung sozialer Innovationen zu verwenden.
Ein solcher Ansatz würde nach Ansicht der BRAK einen klaren Verstoß gegen Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) darstellen:

„Der Staat darf Erben nicht enteignen, sondern muss aktiv zur Auffindung des ihnen zustehenden Vermögens beitragen.“

Damit stellt sich die BRAK entschieden gegen jede Form staatlicher Vermögensabschöpfung ohne vorherige Sicherstellung der Erbansprüche.


5. Fazit: Balance zwischen Erbenrecht und Datenschutz gefordert

Das geplante Register nach § 1959a BGB kann die Nachlassabwicklung digitaler Vermögenswerte erheblich vereinfachen – vorausgesetzt, Datenschutz und Rechtssicherheit werden gleichermaßen gewahrt.

Die BRAK fordert daher, den Entwurf nachzubessern, um Missbrauchsrisiken zu verhindern und gleichzeitig den Zugang für berechtigte Erben effizient zu gestalten. Nur eine rechtlich saubere, datenschutzkonforme Lösung wird langfristig Vertrauen schaffen.


Quellen:

  • BRAK, Nachrichten aus Berlin 21/2025
  • Stellungnahme Nr. 47/2025
  • Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 21/1396)
  • Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen (BR-Drs. 379/20)

Testamentsgestaltung: Unternehmertestament

Ein Unternehmertestament zählt zu den anspruchsvollsten und zugleich sensibelsten Bereichen der Nachfolgegestaltung. Es verbindet zivilrechtliche, gesellschaftsrechtliche und steuerliche Fragen zu einem komplexen Gesamtgefüge, das weitreichende Folgen für Unternehmen, Familie und Vermögen hat.

Nur wer die rechtlichen und steuerlichen Wechselwirkungen genau kennt, kann eine Gestaltung entwickeln, die sowohl rechtssicher als auch steuerlich optimiert ist.


1. Warum das Unternehmertestament besondere Aufmerksamkeit erfordert

Im Gegensatz zum klassischen Testament geht es beim Unternehmertestament nicht nur um die gerechte Verteilung von Vermögen, sondern um die Fortführung eines Unternehmens.
Fehler in der Gestaltung können hier nicht nur steuerliche Nachteile, sondern auch den Fortbestand des Betriebs gefährden.

Der steuerliche Berater ist oft der zentrale Ansprechpartner für die Unternehmerfamilie – und damit in einer Schlüsselrolle zwischen Erblasser, Erben, Gesellschaft und Finanzverwaltung.


2. Die Instrumente des Erbrechts

Ein fundiertes Unternehmertestament nutzt die gesamten Instrumente des Erbrechts gezielt und kombiniert sie mit gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Dazu gehören:

  • Erbeinsetzung und Vermächtnis,
  • Vor- und Nacherbschaft,
  • Gestaltung der Erbengemeinschaft,
  • sowie die Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen – insbesondere im Lichte der Änderungen durch das MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts).

Diese Grundlagen bestimmen, wer rechtlich Erbe wird und wie Gesellschaftsrechte übergehen oder fortgesetzt werden können.


3. Die Ermittlung der Erben und das Gebot der Höchstpersönlichkeit

Beim Unternehmertestament ist die Erbeinsetzung höchstpersönlich (§ 2065 BGB) – sie darf nicht auf Dritte delegiert werden.
Die Ermittlung geeigneter Nachfolger, insbesondere bei jungen Unternehmern, ist deshalb ein sensibler Prozess, bei dem auch Vermächtnisse nach §§ 2051 ff. BGB strategisch eingesetzt werden können, um die Unternehmensnachfolge zu sichern.


4. Sicherung und Verwaltung – die Rolle der Testamentsvollstreckung

Gerade bei komplexen Unternehmensstrukturen empfiehlt sich eine Testamentsvollstreckung zur geordneten Abwicklung und Verwaltung des Nachlasses.
Der Testamentsvollstrecker kann den Fortbestand des Unternehmens sichern, laufende Geschäfte abwickeln und Konflikte zwischen Erben vermeiden.

Zudem sichern transmortale Vollmachten die Handlungsfähigkeit unmittelbar nach dem Todesfall – ein oft unterschätztes Instrument in der Unternehmensnachfolge.


5. Vererbung von Unternehmensanteilen

a) Personengesellschaften

Bei der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften (z. B. GbR, OHG, KG) spielen die im Gesellschaftsvertrag verankerten Nachfolgeklauseln eine entscheidende Rolle.
Je nach Gestaltung – Fortsetzungs-, Nachfolge-, qualifizierte Nachfolge- oder Eintrittsklausel – können die Anteile automatisch auf die Erben übergehen oder nur auf bestimmte Personen übertragbar sein.
Auch Sonderbetriebsvermögen birgt erhebliche steuerliche und rechtliche Risiken.

b) Kapitalgesellschaften

Bei GmbH-Beteiligungen stehen insbesondere Einziehungsklauseln, Zwangsabtretungen und die Berichtigung der Gesellschafterliste im Fokus.
Hier kann eine Testamentsvollstreckung ebenfalls sinnvoll sein, um den Übergang der Beteiligung zu sichern und Überfremdungsschutz zu gewährleisten.


6. Steuerliche Herausforderungen und Fallstricke

Das Unternehmertestament muss stets auch steuerlich durchdacht werden.
Typische Problemfelder sind:

  • die Folgen des JStG 2020,
  • Einkommensteuerliche Behandlung von Betriebsvermögen,
  • Erbschaftsteuerliche Optimierung, insbesondere bei Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG),
  • sowie die Gestaltung bei Betriebsaufspaltung oder Erbengemeinschaften.

Ohne integrierte steuerliche Planung drohen Doppelbesteuerungen, Liquiditätsengpässe und Bewertungsprobleme.


7. Pflichtteilsreduzierende Gestaltungen

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Pflichtteilsansprüche.
Durch gezielte gesellschaftsrechtliche und familienrechtliche Gestaltungen, etwa:

  • lebzeitige Zuwendungen,
  • Pflichtteilsanrechnungen (§ 2315 BGB) oder
  • die „Flucht in die Pflichtteilsergänzung“ (§ 2325 BGB),

lassen sich ungewollte Ansprüche vermeiden oder reduzieren – immer unter Beachtung der steuerlichen Folgen und familiären Interessen.


Fazit

Das Unternehmertestament ist die Königsdisziplin der Nachfolgeplanung.
Es verlangt ein tiefes Verständnis für die Verzahnung von Erb-, Gesellschafts- und Steuerrecht sowie ein hohes Maß an Sensibilität für familiäre und wirtschaftliche Zusammenhänge.

Wer frühzeitig gestaltet, typische Fallen kennt und steuerliche wie rechtliche Aspekte in Einklang bringt, schafft die Grundlage für eine erfolgreiche und nachhaltige Unternehmensnachfolge.


Praxistipp:
Steuerberaterinnen und Steuerberater sollten bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten stets interdisziplinär mit Fachanwälten für Erbrecht und Gesellschaftsrecht zusammenarbeiten. Nur so lassen sich Haftungsrisiken vermeiden und steuerliche Vorteile voll ausschöpfen.