Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

BFH: Keine Pflicht zur Anforderung einer Lesebestätigung bei Einspruch per E-Mail

BFH, Urteil vom 29.04.2025 – VI R 2/23
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnis – Anforderungen an die Sorgfaltspflicht beim E-Mail-Versand eines Einspruchs


Leitsatz

Wird ein Einspruch per E-Mail eingelegt, so ist das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung ohne Einfluss auf das Verschulden der Fristversäumnis im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags.


Hintergrund

Die Einlegung von Rechtsbehelfen per E-Mail gehört mittlerweile zum steuerlichen Alltag. Dennoch bestehen immer wieder Unsicherheiten darüber, welche Sorgfaltspflichten ein Steuerpflichtiger oder sein Vertreter bei der elektronischen Übermittlung eines Einspruchs erfüllen muss, um die Einspruchsfrist nach § 355 AO zu wahren.

Im vorliegenden Fall hatte der Steuerpflichtige seinen Einspruch fristgerecht per E-Mail an das Finanzamt übermittelt. Diese E-Mail war im Postausgang dokumentiert, jedoch beim Finanzamt nicht auffindbar. Der Steuerpflichtige beantragte daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) und trug vor, er habe alles Zumutbare getan, um die fristgerechte Übermittlung sicherzustellen.

Das Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Einspruchsführer habe keine Lesebestätigung angefordert und damit seine Sorgfaltspflicht verletzt.


Die Entscheidung des BFH

Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung bei einer E-Mail-Übermittlung kein schuldhaftes Verhalten darstellt.

BFH-Leitsatz:
Wird ein Einspruch per E-Mail eingelegt, so ist das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung ohne Einfluss auf das Verschulden der Fristversäumnis im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags.
(BFH, Urteil vom 29.04.2025 – VI R 2/23, LEXinform 0954638)

Der BFH betont, dass der Absender grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine ordnungsgemäß abgesendete E-Mail den Empfänger erreicht, sofern keine Hinweise auf Übermittlungsprobleme vorliegen.
Eine zusätzliche Kontrolle durch Anforderung einer Empfangsbestätigung oder Lesebestätigung ist nicht erforderlich, um die Sorgfaltspflichten zu erfüllen.


Begründung des Gerichts

Der BFH führt aus:

  • Eine E-Mail gilt als versendet, wenn sie den Herrschaftsbereich des Absenders verlassen hat.
  • Der Absender darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der elektronische Kommunikationsweg – wie andere Übermittlungsformen (Post, Fax) – ordnungsgemäß funktioniert, solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen.
  • Eine Pflicht zur Einholung einer Empfangs- oder Lesebestätigung würde die Anforderungen an den E-Mail-Verkehr übermäßig verschärfen und wäre mit dem Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht vereinbar.

Damit grenzt sich der BFH klar von überzogenen Anforderungen an die elektronische Kommunikation ab.


Praktische Bedeutung

Das Urteil schafft Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und Berater, die Einsprüche oder andere fristgebundene Schriftsätze elektronisch übermitteln.

Wesentliche Konsequenzen:

  • Die Anforderung einer Lesebestätigung ist nicht erforderlich.
  • Eine Wiedereinsetzung bleibt möglich, wenn der Absender nachweisen kann, dass die E-Mail rechtzeitig abgesendet wurde (z. B. Versandprotokoll, Screenshot, Ausgangsordner).
  • Es gilt derselbe Maßstab wie bei Briefpost oder Fax: Der Absender muss eine ordnungsgemäße Absendung, nicht aber den tatsächlichen Empfang beweisen.

Praxishinweis

  • Nachweis sichern:
    Bewahren Sie Sendeprotokolle oder Versandnachweise sorgfältig auf, um im Zweifelsfall belegen zu können, dass die E-Mail fristgerecht abgesendet wurde.
  • Automatische Eingangsbestätigungen nutzen:
    Zwar nicht rechtlich erforderlich, aber in der Praxis sinnvoll – viele Finanzämter senden automatische Eingangsbestätigungen. Diese können im Streitfall hilfreich sein.
  • Alternative Übermittlungswege:
    Für besonders fristkritische Vorgänge empfiehlt sich zusätzlich die Nutzung des ELSTER-Portals oder die qualifizierte elektronische Signatur (qeS), um Zustellungszweifel zu vermeiden.

Fazit

Mit dem Urteil VI R 2/23 stellt der BFH klar: Die Einlegung eines Einspruchs per E-Mail bleibt ein rechtssicherer Übermittlungsweg, sofern die E-Mail ordnungsgemäß versandt wurde. Eine Lesebestätigung ist nicht erforderlich und ihr Fehlen begründet kein Verschulden bei Fristversäumnis.

Damit stärkt der BFH den digitalen Rechtsverkehr zwischen Bürgern, Steuerberatern und Finanzverwaltung – und setzt ein deutliches Signal für mehr Praxistauglichkeit im Steuerverfahrensrecht.


Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.04.2025 – VI R 2/23

BFH zur Unkenntnis der Finanzbehörde bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO)

BFH, Urteil vom 14.05.2025 – VI R 14/22
Zur Abgrenzung zwischen Kenntnis und bloßer Abrufbarkeit elektronischer Daten bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen


Leitsätze des Urteils

  1. Für die Beurteilung, ob die Finanzbehörde Kenntnis von den für die Steuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umständen hat, ist auf diejenigen Personen abzustellen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde organisatorisch für den Steuerfall zuständig sind – also insbesondere auf die Sachbearbeiter, die den (zu ändernden) Steuerbescheid erlassen haben.
  2. Elektronisch gespeicherte Daten, die zwar mit der Steuernummer des Steuerpflichtigen verknüpft, aber nicht automatisch in die Papierakte oder elektronische Steuerakte aufgenommen werden, gelten nicht allein deshalb als „bekannt“ im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, nur weil sie technisch abrufbar wären.

Hintergrund der Entscheidung

Im Streitfall hatte die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen vorgeworfen, durch Unterlassen einer Anzeige steuerlich relevanter Tatsachen eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begangen zu haben.

Der Steuerpflichtige verteidigte sich mit dem Argument, dass der Finanzverwaltung die maßgeblichen Umstände bereits bekannt gewesen seien, da entsprechende Informationen elektronisch gespeichert und mit seiner Steuernummer verknüpft waren.

Der BFH musste klären, ob das bloße Vorhandensein elektronischer Daten in den Systemen der Finanzverwaltung bereits ausreicht, um von einer „Kenntnis“ der Finanzbehörde auszugehen – und damit eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen ausschließt.


Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar, dass eine Kenntnis der Finanzbehörde im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht bereits dann vorliegt, wenn die entsprechenden Daten theoretisch abrufbar oder elektronisch gespeichert sind.

Maßgeblich ist vielmehr,

  • ob die zuständige Organisationseinheit oder Sachbearbeitung tatsächlich Einblick in die Daten hatte oder
  • diese im normalen Arbeitsablauf automatisch in die Steuerakte aufgenommen wurden.

Bloße technische Verfügbarkeit von Daten – etwa in zentralen Datenbanken oder IT-Systemen der Verwaltung – genügt nicht, um eine tatsächliche Kenntnis anzunehmen.

Damit grenzt der BFH die Kenntnis der Behörde ausdrücklich von der Kenntnis einzelner IT-Systeme oder Datenbanken ab.


Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für Steuerstrafverfahren und die Verjährungsprüfung bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen:

  • Für die Strafbarkeit:
    Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen setzt voraus, dass die Finanzbehörde keine Kenntnis von den steuerlich relevanten Tatsachen hatte. Das Urteil präzisiert, dass diese Kenntnis organisatorisch-personenbezogen zu prüfen ist, nicht systembezogen.
  • Für die Verjährung:
    Die Frage, wann die Finanzbehörde Kenntnis erlangt hat, ist auch für den Beginn der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) relevant. Das Urteil stellt klar: Die bloße elektronische Speicherung von Daten löst die Kenntnis und damit den Verjährungsbeginn nicht automatisch aus.
  • Für die Verwaltungsorganisation:
    Finanzbehörden müssen sicherstellen, dass relevante Informationen tatsächlich aktenkundig werden, wenn sie für die Steuerfestsetzung bedeutsam sind. Eine bloße Datenhaltung genügt nicht.

Fazit

Mit dem Urteil VI R 14/22 konkretisiert der BFH die Anforderungen an die „Kenntnis“ der Finanzbehörde bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen.

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit, indem sie eine klare Abgrenzung zwischen theoretischer Datenverfügbarkeit und tatsächlicher Kenntnis zieht.
Für Steuerpflichtige bedeutet dies: Eine unterlassene Mitwirkung kann weiterhin strafbar sein, selbst wenn die Finanzverwaltung die relevanten Informationen irgendwo im System gespeichert, aber nicht aktiv zur Kenntnis genommen hat.


Quelle:
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2025 – VI R 14/22

Rechengrößen in der Sozialversicherung 2026: Beitragsbemessungsgrenzen steigen deutlich

Bundesregierung, Mitteilung vom 08.10.2025
Neue Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2026 beschlossen – höhere Grenzwerte ab 1. Januar 2026


Hintergrund: Warum die Anpassung notwendig ist

Die Bundesregierung hat die Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2026 beschlossen. Damit steigen zum 1. Januar 2026 die maßgeblichen Grenzwerte in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.
Grund für die Anpassung ist die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung des Vorjahres.

Für den Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt die Beitragsbelastung unverändert – betroffen sind vor allem Besserverdienende, deren Einkommen oberhalb der bisherigen Bemessungsgrenzen liegt.


Neue Grenzwerte in der gesetzlichen Krankenversicherung

Rechengröße20262025
Beitragsbemessungsgrenze (KV/PV)69.750 € / Jahr (5.812,50 € / Monat)66.150 € / Jahr (5.512,50 € / Monat)
Versicherungspflichtgrenze (KV)77.400 € / Jahr (6.450 € / Monat)73.800 € / Jahr (6.150 € / Monat)

Erläuterung:

  • Die Beitragsbemessungsgrenze legt fest, bis zu welchem Bruttoeinkommen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden. Einkommensteile oberhalb dieser Grenze sind beitragsfrei.
  • Die Versicherungspflichtgrenze entscheidet darüber, ob ein Arbeitnehmer gesetzlich oder privat krankenversichert sein muss. Wer über dieser Grenze liegt, kann in die private Krankenversicherung (PKV) wechseln.

Neue Grenzwerte in der Rentenversicherung

Rechengröße20262025
Beitragsbemessungsgrenze (allgemeine RV)8.450 € / Monat (101.400 € / Jahr)8.050 € / Monat (96.600 € / Jahr)
Beitragsbemessungsgrenze (knappschaftliche RV)10.400 € / Monat (124.800 € / Jahr)9.900 € / Monat (118.800 € / Jahr)
Vorläufiges Durchschnittsentgelt (RV)51.944 € / Jahr50.493 € / Jahr

Das Durchschnittsentgelt dient der Berechnung der Entgeltpunkte in der Rentenversicherung und spiegelt die allgemeine Lohnentwicklung wider.
Mit der Anpassung wird gewährleistet, dass die Rentenleistungen an das aktuelle Einkommensniveau gekoppelt bleiben.


Soziale Bedeutung der Anpassung

Ohne die jährliche Fortschreibung würden Spitzenverdiener im Verhältnis geringere Beiträge leisten, was langfristig die Finanzierungsbasis der Sozialversicherungssysteme schwächen würde.

Zudem würden sich die Rentenansprüche für Gutverdienende schleichend verringern, da auf Einkommen oberhalb der alten Bemessungsgrenzen keine Beiträge (und somit keine Entgeltpunkte) mehr anfallen.
Die jährliche Anpassung stellt also sicher, dass sowohl Finanzierung als auch Leistungsansprüche stabil bleiben.


Praxishinweis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

  • Arbeitgeber sollten ab Januar 2026 die neuen Grenzwerte in der Lohnabrechnung berücksichtigen.
  • Arbeitnehmer mit hohem Einkommen müssen ab 2026 mit leicht höheren Beiträgen zur Renten- und Krankenversicherung rechnen.
  • Für die private Krankenversicherung ist die neue Versicherungspflichtgrenze entscheidend: Wer 2026 in die PKV wechseln möchte, muss dauerhaft über der Grenze von 6.450 € monatlich liegen.
  • Selbstständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind, sollten ihre Beitragsbasis ebenfalls prüfen und anpassen lassen.

Rechengrößen ab 1. Januar 2026 im Überblick

RechengrößeWert 2026
Beitragsbemessungsgrenze (allgemeine Rentenversicherung)8.450 € / Monat – 101.400 € / Jahr
Beitragsbemessungsgrenze (knappschaftliche Rentenversicherung)10.400 € / Monat – 124.800 € / Jahr
Versicherungspflichtgrenze (gesetzliche Krankenversicherung)77.400 € / Jahr – 6.450 € / Monat
Beitragsbemessungsgrenze (gesetzliche Krankenversicherung)69.750 € / Jahr – 5.812,50 € / Monat
Vorläufiges Durchschnittsentgelt (Rentenversicherung)51.944 € / Jahr

Quelle:
Bundesregierung, Mitteilung vom 08.10.2025 – Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2026

Verfassungsrechtliche Konsequenzen aus der Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze und die Behandlung von Rechtsverfolgungskosten nach § 17 EStG

FG Niedersachsen, Urteil vom 26.08.2025 – 12 K 250/11 (Mitteilung vom 08.10.2025)
Revision zugelassen – Grundsatzentscheidung zur zeitlichen Anwendung und zu den Veräußerungskosten nach § 17 EStG erwartet.


Hintergrund: Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze

Mit dem Steuersenkungsgesetz vom 26. Oktober 2000 wurde die sogenannte Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG – also die Beteiligungsschwelle, ab der Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerpflichtig sind – von 10 % auf 1 % gesenkt.
Die Neuregelung gilt seit dem 1. Januar 2002.

Diese Absenkung hatte erhebliche verfassungsrechtliche und praktische Folgen: Sie führte dazu, dass bereits geringe Beteiligungen steuerlich erfasst werden konnten – auch dann, wenn der Wertzuwachs der Anteile bereits vor der Gesetzesverkündung entstanden war.


Der Streitfall

Im nun entschiedenen Fall hatte der Rechtsvorgänger der Kläger im Jahr 2002 Anteile von über 1 % an einer GmbH gewinnbringend veräußert. Das Finanzamt behandelte den Gewinn als steuerpflichtig nach § 17 EStG.

Zur Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns stellte es – in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05) – auf den gemeinen Wert der Anteile zum 26.10.2000 (Tag der Gesetzesverkündung) ab. Damit sollten Wertzuwächse, die vor diesem Stichtag entstanden waren, von der Besteuerung ausgenommen werden.

Die Kläger argumentierten dagegen, der maßgebliche Zeitpunkt müsse der 1. Januar 2002 – also der Inkrafttretenszeitpunkt der Neuregelung – sein.


Die Entscheidung des FG Niedersachsen (12. Senat)

Der 12. Senat bestätigte die Sichtweise des Finanzamts:
👉 Maßgeblich sei der gemeine Wert zum 26. Oktober 2000, dem Tag der Verkündung des Steuersenkungsgesetzes.

Zur Begründung verwies das Gericht auf die ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, nach der der Gesetzgeber mit der Verkündung den Vertrauenstatbestand beendet. Damit ist ein Schutz von Wertzuwächsen, die nach der Verkündung eintreten, verfassungsrechtlich nicht mehr geboten.

Interessant ist, dass der Senat Zweifel daran äußerte, ob überhaupt eine Freistellung der vor der Verkündung entstandenen Wertzuwächse verfassungsrechtlich zwingend erforderlich sei.
Da eine Verböserung (also eine für die Kläger nachteiligere Entscheidung) gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO unzulässig war, blieb diese Frage jedoch nicht entscheidungserheblich.


Rechtsverfolgungskosten – keine Veräußerungskosten i.S.d. § 17 EStG

Ebenfalls von großer praktischer Bedeutung ist die zweite Aussage des Urteils:
Steuerberatungskosten, die im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelfsverfahren über die Steuerpflicht eines Veräußerungsgewinns entstehen, stellen keine Veräußerungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG dar.

Begründung: Diese Kosten werden nicht durch den Veräußerungsvorgang selbst, sondern durch den nachgelagerten Streit über dessen steuerliche Behandlung veranlasst. Sie sind daher nicht einkünftemindernd im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.


Revision zugelassen – Grundsatzfragen offen

Das FG Niedersachsen hat die Revision zum BFH zugelassen.
Es ist daher zu erwarten, dass der Bundesfinanzhof die verfassungsrechtliche Relevanz des Stichtags 26.10.2000 sowie die Abgrenzung von Rechtsverfolgungskosten und Veräußerungskosten in einem Grundsatzurteil klären wird.


Praxishinweis

  • Bei der Veräußerung von GmbH-Anteilen sollte sorgfältig geprüft werden, welche Wertzuwächse steuerpflichtig sind und welche aufgrund verfassungsrechtlicher Schutzwirkungen außer Ansatz bleiben.
  • Steuerberatungskosten im Rahmen von Einsprüchen oder Klagen gegen die Steuerfestsetzung sind nicht als Veräußerungskosten abziehbar, können aber ggf. als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung geprüft werden.
  • Bis zur Entscheidung des BFH empfiehlt sich, entsprechende Fälle offen zu halten (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

Quelle:
Niedersächsisches Finanzgericht, Mitteilung vom 08.10.2025 zum Urteil vom 26.08.2025 – 12 K 250/11, Newsletter 11/2025

Kassengesetz: DIHK fordert grundlegende Reform – Bürokratie statt Betrugsprävention?

DIHK-Mitteilung vom 7. Oktober 2025

Das Kassengesetz und die damit verbundenen Pflichten wie Technische Sicherheitseinrichtung (TSE), Belegausgabepflicht und Kassenregistrierung sollten laut Koalitionsvertrag auf den Prüfstand.
Eine aktuelle bundesweite IHK-Befragung bestätigt nun den dringenden Handlungsbedarf: Die Umsetzung des Kassengesetzes verursacht hohe Kosten, bringt erhebliche Bürokratielasten – und zeigt in der Praxis zweifelhafte Wirksamkeit bei der Betrugsbekämpfung.


📊 Bürokratische Belastung überwiegt den Nutzen

Ziel der DIHK-Befragung war es, die praktischen Auswirkungen der Kassenpflichten zu untersuchen. Das Ergebnis fällt deutlich aus:

  • Über 50 % der Unternehmen konnten ihre alten Kassensysteme nicht nachrüsten und mussten komplett neue Geräte anschaffen.
    ➜ Durchschnittliche Kosten: bis zu 1.000 Euro pro System (statt der vom Gesetzgeber erwarteten 39 Euro).
  • Rund 300 Euro jährlich entstehen zusätzlich durch die Belegausgabepflicht – obwohl nur ein Drittel der Kunden den Bon tatsächlich mitnimmt.
    ➜ Über 80 % der Belege landen sofort im Müll.
  • 20 % der Unternehmen berichten von technischen Problemen bei der seit 1. Januar 2025 verpflichtenden elektronischen Kassenanmeldung.
  • Unangekündigte Kassen-Nachschauen führten in über einem Drittel der Fälle zu Betriebsstörungen.

Der DIHK resümiert:

„Die Maßnahmen des Kassengesetzes haben zu einer flächendeckenden Belastung geführt, ohne dass nachweislich Steuerbetrug reduziert wurde.“


⚠️ Neuausrichtung dringend erforderlich

Die Wirtschaft fordert eine zielgerichtete Betrugsbekämpfung statt flächendeckender Kontrollen und Pflichten.
Die DIHK schlägt mehrere Reformansätze vor:

1️⃣ TSE-Pflicht differenzieren

Die TSE sollte nicht pauschal für alle Betriebe gelten, sondern risikoorientiert – etwa bei Bargeschäften mit hohem Umsatzvolumen oder Manipulationsrisiko.

2️⃣ Belegausgabepflicht flexibilisieren

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Abschaffung der Belegpflicht sollte rasch umgesetzt werden.
Künftig sollen Belege nur auf Kundenwunsch ausgegeben werden. Stichproben und Testkäufe bleiben als Kontrollinstrument ausreichend.

3️⃣ Elektronisches Meldeverfahren vereinfachen

Das neue elektronische Verfahren zur Kassenanmeldung ist in der Praxis fehleranfällig.
Hier fordert die Wirtschaft klare Rechtsgrundlagen und technisch stabile Prozesse.

4️⃣ Offene Ladenkasse erhalten

Kleinbetriebe und Selbstständige mit geringen Umsätzen sollten weiterhin manuelle Kassen ohne TSE führen dürfen.
Eine Pflicht zur Digitalisierung sei unverhältnismäßig und nicht durch Betrugsrisiken gerechtfertigt.

5️⃣ Prüfungsmethoden modernisieren

Statt aufwendiger Einzelfallprüfungen sollte die Finanzverwaltung systemorientiert prüfen – also die internen Prozesse und Compliance-Strukturen eines Unternehmens.
Ziel: Ressourcen schonen und zeitnahe Prüfungen zur schnellen Rechtssicherheit ermöglichen.


💬 Kommentar aus Beratungssicht

Das Kassengesetz hat sich zu einem Paradebeispiel für gut gemeinte, aber praxisferne Regulierung entwickelt.
Für viele kleine und mittlere Unternehmen steht der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Die vorgeschlagene Differenzierung nach Risiko und Betriebsgröße wäre ein sinnvoller Schritt, um die Digitalisierung im Bereich der Kassenführung zielgerichtet und verhältnismäßig fortzuführen.

Steuerberater sollten Mandanten weiterhin auf die aktuellen Pflichten nach KassenSichV und § 146a AO hinweisen, zugleich aber die politische Entwicklung im Blick behalten – insbesondere mit Blick auf mögliche Erleichterungen bei der Belegpflicht und TSE-Nutzung.


📌 Fazit

Die DIHK-Befragung zeigt deutlich:

Bürokratieabbau ist beim Kassengesetz überfällig.

Eine Reform sollte das Ziel haben,

  • ehrliche Unternehmen zu entlasten,
  • digitale Lösungen praktikabel zu gestalten und
  • die Finanzverwaltung auf risikoorientierte Prüfungen auszurichten.

Damit ließe sich Steuerbetrug effektiver bekämpfen – ohne die Wirtschaft übermäßig zu belasten.


📚 Quelle:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Mitteilung vom 7. Oktober 2025

Regierung legt Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2025 vor

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 6. Oktober 2025 (hib-Nr. 469/2025)

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2025 (BT-Drucksache 21/1974) vorgelegt. Der Gesetzentwurf sieht eine Reihe von fachlich notwendigen Anpassungen im Steuerrecht, steuerlichen Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie gezielte Unterstützungsmaßnahmen für bestimmte Branchen und gesellschaftliche Gruppen vor.


🔍 Ziele des Gesetzes

Nach Angaben der Bundesregierung ergibt sich in mehreren Bereichen des Steuerrechts ein „fachlich gebotener Gesetzgebungsbedarf“.
Das Gesetz verfolgt im Kern drei Ziele:

  1. Stärkung des Ehrenamts durch Ausweitung der Haftungsprivilegien.
  2. Entlastung der Bürgerinnen und Bürger insbesondere im Bereich der Mobilität und Pendlerkosten.
  3. Dauerhafte steuerliche Förderung der Gastronomiebranche durch Senkung der Umsatzsteuer.

⚖️ Wesentliche Inhalte des Steueränderungsgesetzes 2025

1️⃣ Haftungsprivilegien für ehrenamtlich Tätige

Das Vereinsrecht soll erweitert werden, um Ehrenamtliche besser vor persönlicher Haftung zu schützen.
Ziel ist es, das gesellschaftliche Engagement zu fördern und mehr Menschen für die Mitarbeit in Vereinen zu gewinnen.

👉 Dies betrifft insbesondere Vorstandsmitglieder und aktive Helfer gemeinnütziger Organisationen, die künftig eine klarere Haftungsbegrenzung genießen sollen.


2️⃣ Umsatzsteuer in der Gastronomie dauerhaft auf 7 %

Die reduzierte Umsatzsteuer auf Speisen in Restaurants und Gaststätten soll ab 1. Januar 2026 dauerhaft gelten.
Bislang war die Regelung mehrfach befristet und galt als Corona- und Inflationsmaßnahme.

Ziel:

  • Wirtschaftliche Stärkung der Gastronomiebranche,
  • Förderung von Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit,
  • Option zur Preisentlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die Bundesregierung betont, dass die Weitergabe der Steuersenkung an Gäste freiwillig und von den Marktbedingungen abhängig bleibt.


3️⃣ Erhöhung der Entfernungspauschale auf 38 Cent ab dem 1. Kilometer

Die Entfernungspauschale (Pendlerpauschale) soll ab 2026 einheitlich 38 Cent pro Kilometer betragen – vom ersten Kilometer an.

➡️ Damit wird die bisherige Staffelung (ab dem 21. Kilometer höhere Pauschale) aufgehoben.

Begünstigt werden:

  • Fernpendlerinnen und Fernpendler, die lange Arbeitswege zurücklegen,
  • Arbeitnehmer:innen mit doppelter Haushaltsführung,
  • sowie Selbstständige mit betrieblich veranlassten Fahrten.

4️⃣ Mobilitätsprämie wird dauerhaft verlängert

Die bisher bis Ende 2026 befristete Mobilitätsprämie soll dauerhaft gewährt werden.
Damit profitieren auch Steuerpflichtige mit geringem Einkommen, die von der Entfernungspauschale steuerlich sonst keinen Vorteil hätten.

👉 Die Prämie beträgt weiterhin 14 % der Entfernungspauschale und wird analog zur Steuererklärung beantragt.


🧾 Zusammenfassung der steuerlichen Entlastungen

Zusammenfassung der steuerlichen Entlastungen

MaßnahmeRegelung ab 2026Begünstigte
Umsatzsteuer Gastronomie7 % dauerhaftRestaurant- und Gaststättenbetriebe
Entfernungspauschale38 Cent ab dem 1. KilometerArbeitnehmer:innen & Selbstständige
Doppelte Haushaltsführung38 Cent je EntfernungskilometerBerufspendler:innen mit Zweitwohnung
MobilitätsprämieUnbefristete FortführungGeringverdiener:innen
EhrenamtshaftungErweiterte Haftungsprivilegien für ehrenamtlich TätigeVereinsvorstände, ehrenamtliche Funktionsträger:innen

Geplante Änderung der Kassensicherungsverordnung: Vereinfachungen für Taxiunternehmen und Klarstellungen zu Wegstreckenzählern

Berlin, Oktober 2025 – Bundestagsdrucksache 21/1925

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat eine zweite Änderungsverordnung zur Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) vorgelegt. Ziel ist es, bürokratische Hürden abzubauen und die Anwendung der Vorschriften – insbesondere für Taxiunternehmen – zu vereinfachen und rechtssicherer zu gestalten.


🔍 Hintergrund

Die Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) regelt, dass elektronische Aufzeichnungssysteme – etwa elektronische Kassen, Taxameter oder Wegstreckenzähler – mit einer zertifizierten Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) gegen Manipulation geschützt sein müssen.

Bereits 2021 wurde die Verordnung erstmals angepasst. Im Nachgang zeigte sich jedoch, dass insbesondere im Taxigewerbe und bei der Anwendung auf digitale Wegstreckenzähler Klarstellungsbedarf besteht.


⚙️ Wesentliche Änderungen im Überblick

1️⃣ Erleichterung für Taxiunternehmen

Nach der bisherigen Regelung (§ 9 Abs. 2 KassenSichV) mussten Taxiunternehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2021 die sogenannte INSIKA-Technik („Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme“) eingesetzt hatten,
bei einem Fahrzeugwechsel das Finanzamt informieren.

➡️ Neu:
Diese Mitteilungspflicht entfällt künftig vollständig.
Stattdessen kann der Taxiunternehmer beim Fahrzeugwechsel den gesamten Übergangszeitraum nach § 9 KassenSichV für die Umrüstung auf die TSE-Technik nutzen.

👉 Praxisvorteil:
Weniger Bürokratie für Unternehmer und Verwaltung – insbesondere bei größeren Fuhrparks oder häufigen Fahrzeugwechseln.


2️⃣ Klarstellung zur Anwendung bei Wegstreckenzählern

Die Anwendung der KassenSichV auf Wegstreckenzähler (Taxameter-ähnliche Systeme mit digitaler Schnittstelle) war bislang nur über ein BMF-Schreiben nach § 10 KassenSichV definiert.

➡️ Neu:
Die bisherige Regelung aus dem BMF-Schreiben wird direkt in die Verordnung integriert.
Dadurch entfällt die bisher notwendige „Gesamtschau“ von Verordnung und BMF-Schreiben, die für Unternehmer schwer nachvollziehbar war.

Darüber hinaus werden redaktionelle Anpassungen vorgenommen, um die Anwendung der Verordnung für Steuerpflichtige klarer zu gestalten.


3️⃣ Erweiterung des Anwendungsbereichs ab 2027

Auch Wegstreckenzähler, die bereits vor dem 1. Juli 2024 in Verkehr gebracht wurden, sollen künftig in den Anwendungsbereich der KassenSichV einbezogen werden – und zwar ab dem Jahr 2027.

Dies betrifft insbesondere ältere, aber technisch aufrüstbare Geräte mit digitaler Schnittstelle, die künftig eine TSE-Anbindung ermöglichen sollen.


🧾 Ziel der Änderung

Das BMF begründet die Neufassung mit der Notwendigkeit,

„die Rechtsbefolgung zu erleichtern und die Systematik der Kassensicherungsverordnung zu vereinheitlichen“.

Vor allem für das Taxigewerbe soll die Praxis künftig deutlich einfacher und rechtssicherer werden.


🧰 Praxisbox

Was Sie jetzt wissen sollten:

  • Taxiunternehmen profitieren unmittelbar von der Abschaffung der Mitteilungspflicht beim Fahrzeugwechsel.
  • Übergangsfristen bleiben bestehen, können aber flexibler genutzt werden.
  • Wegstreckenzähler mit digitaler Schnittstelle müssen ab 2027 TSE-fähig sein – auch bei älteren Geräten.
  • BMF-Schreiben zur Anwendung wird künftig in die Verordnung integriert – mehr Rechtssicherheit.

Empfehlung:
Berater:innen sollten betroffene Mandanten im Taxi- und Mietwagengewerbe frühzeitig informieren, um

  • die TSE-Umrüstung rechtzeitig zu planen,
  • die neuen Pflichten ab 2027 zu berücksichtigen und
  • unnötige Meldungen an das Finanzamt zu vermeiden.

💬 Fazit

Die zweite Änderung der Kassensicherungsverordnung bringt praktische Vereinfachungen und Klarheit:

  • weniger Bürokratie für Taxiunternehmen,
  • transparente Regelungen für Wegstreckenzähler,
  • rechtssichere Zusammenführung von BMF-Schreiben und Verordnung.

Damit setzt das BMF ein wichtiges Signal für praxisgerechtere Digitalisierungsvorgaben im Bereich der Kassenführung.


📚 Quelle:
Deutscher Bundestag, Drucksache 21/1925 vom 6. Oktober 2025
(Bundesministerium der Finanzen – Zweite Verordnung zur Änderung der Kassensicherungsverordnung)

Ermittlung des Teilwerts einer Pensionsrückstellung bei dynamischer Anpassung – Verstoß gegen § 30c Abs. 1 i. V. m. § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.02.2025 – 1 K 41/23 (nicht rechtskräftig, BFH-Az.: IX R 8/25)
Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 06.10.2025


🔍 Kernaussagen des Urteils

  • Eine dynamische Anpassungsverpflichtung von Betriebsrenten um jährlich 1 % darf nicht steuermindernd berücksichtigt werden, wenn sie gegen die Übergangsvorschrift des § 30c Abs. 1 BetrAVG verstößt.
  • Die Pensionsrückstellung darf insoweit nicht um den Anpassungsfaktor erhöht werden, wenn die Anpassungsverpflichtung arbeitsrechtlich unwirksam ist.
  • Der Maßstab für die steuerliche Anerkennung einer Pensionsverpflichtung richtet sich nach den arbeitsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Zusage.

⚖️ Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, war Teil eines Konzerns, dessen Muttergesellschaft eine konzernweite Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung eingeführt hatte.

  • Ursprünglich galt: Anpassung der laufenden Betriebsrenten nach der gesetzlichen Prüfungspflicht des § 16 BetrAVG.
  • Später wurde ein neuer Rentenplan eingeführt, der eine jährliche Erhöhung um 1 % der laufenden Versorgungsleistungen vorsah.
  • Diese dynamische Anpassung wurde auch auf Altzusagen angewendet – also auf Arbeitnehmer, deren Versorgungsansprüche vor dem 1. Januar 1999 begründet worden waren.

Das Unternehmen bildete daraufhin höhere Pensionsrückstellungen, da es die 1 %-Dynamik in die versicherungsmathematische Bewertung einbezog.

Das Finanzamt kürzte diese Rückstellungen im Rahmen einer Außenprüfung mit der Begründung, dass die dynamische Anpassungsverpflichtung für Altzusagen arbeitsrechtlich nichtig sei (§ 30c Abs. 1 BetrAVG) und somit kein durchsetzbarer Anspruch bestehe.

Die Klägerin hielt dem entgegen, die Verpflichtung sei vertraglich wirksam vereinbart und müsse daher bei der steuerlichen Bewertung berücksichtigt werden.


🧾 Entscheidung des Finanzgerichts

Der 1. Senat des FG Schleswig-Holstein wies die Klage ab:

  • Die dynamische 1 %-Anpassung der Rentenansprüche sei für Altzusagen unwirksam, da sie gegen § 30c Abs. 1 i. V. m. § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG verstoße.
  • Diese Regelung schließt eine rückwirkende Anwendung der neuen, ab 1999 eingeführten Anpassungsmechanismen ausdrücklich aus.
  • Es fehle zudem an einer vertraglichen Anrechnungsregelung oder Fortgeltungsklausel, wonach die neue Dynamik die alte gesetzliche Anpassungsprüfung ergänzen sollte.

Daher seien die betroffenen Altzusagen nicht dynamisch anpassbar, und die steuerliche Bewertung der Pensionsrückstellung habe ohne 1 %-Steigerung zu erfolgen.


🧩 Begründung im Detail

  • Nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG dürfen nur solche Verpflichtungen passiviert werden, die rechtlich entstanden und durchsetzbar sind.
  • Ist die zugrundeliegende Anpassungsverpflichtung arbeitsrechtlich nichtig, besteht kein einklagbarer Anspruch – die Rückstellung darf nicht erhöht werden.
  • Der steuerliche Teilwert einer Pensionsverpflichtung muss daher an die arbeitsrechtlich wirksame Rechtslage angepasst werden.

Das Gericht stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des BFH und des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach bei Verstößen gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG eine Erweiterung der Anpassungspflicht auf Altzusagen nichtig ist.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (BFH-Az. IX R 8/25).


🧩 Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die steuerbilanzielle Bewertung von Pensionsrückstellungen:

  • Bei Altzusagen vor 1999 darf eine nachträgliche Dynamisierung nur dann steuermindernd berücksichtigt werden, wenn sie arbeitsrechtlich zulässig und einklagbar ist.
  • Eine pauschale Anwendung von 1 %-Steigerungen auf alle Versorgungsfälle kann zu überhöhten Rückstellungen führen.
  • Für die steuerliche Anerkennung ist maßgeblich, ob tatsächlich eine rechtsverbindliche Verpflichtung zur Anpassung besteht.

🧰 Praxisbox

1️⃣ Prüfungsschritte für steuerliche Pensionsrückstellungen:

  • Prüfen Sie, wann die Versorgungszusage ursprünglich erteilt wurde (vor oder nach dem 01.01.1999).
  • Analysieren Sie, ob die Anpassungsverpflichtung vertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt wurde.
  • Prüfen Sie, ob eine Fortgeltungs- oder Anrechnungsregel zur gesetzlichen Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG) enthalten ist.
  • Bei fehlender Rechtswirksamkeit der Dynamisierung: Korrektur der Rückstellung auf Basis des statischen Leistungsniveaus.

2️⃣ Gestaltungshinweise:

  • Dynamische Rentenanpassungen sollten künftig klar getrennt zwischen Alt- und Neuzusagen vereinbart werden.
  • Eine arbeitsrechtlich wirksame Regelung kann z. B. durch Klarstellung in einer Ergänzungsvereinbarung erfolgen, die ausdrücklich auf § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG Bezug nimmt.
  • Steuerlich empfiehlt sich eine differenzierte Bewertung der Rückstellungen nach Versorgungsgruppen.

3️⃣ Kommunikationstipp:

„Nicht jede dynamische Rentensteigerung darf steuerlich berücksichtigt werden. Entscheidend ist, ob die arbeitsrechtliche Verpflichtung wirksam vereinbart wurde – insbesondere bei Altzusagen vor 1999.“


📘 Infobox: Hintergrund zu § 16 und § 30c BetrAVG

RegelungInhaltBedeutung für die Praxis
§ 16 BetrAVG (Anpassungsprüfungspflicht)Arbeitgeber müssen alle drei Jahre prüfen, ob laufende Betriebsrenten angepasst werden.Gilt nur für Zusagen, die nach 01.01.1999 erteilt oder geändert wurden.
§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVGZulässige Alternative: vertragliche jährliche Rentenerhöhung um 1 %.Ersetzt die Anpassungsprüfungspflicht, darf aber nicht rückwirkend auf Altfälle angewandt werden.
§ 30c Abs. 1 BetrAVG (Übergangsvorschrift)Neue Vorschriften des § 16 gelten nicht für Zusagen, die vor 01.01.1999 erteilt wurden.Dynamisierungen von Altzusagen sind arbeitsrechtlich nichtig.

💬 Fazit

Das FG Schleswig-Holstein stellt klar:

Eine dynamische 1 %-Anpassungsverpflichtung bei Altzusagen verstößt gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG und darf nicht steuermindernd berücksichtigt werden.

Für die Praxis gilt:

Die steuerliche Bewertung von Pensionsrückstellungen muss sich an der arbeitsrechtlich wirksamen Verpflichtung orientieren – nicht an internen Konzernrichtlinien oder Rentenplänen.


📚 Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 05.02.2025 – 1 K 41/23 (nicht rechtskräftig)
Mitteilung vom 06.10.2025, Newsletter II/2025
Revision anhängig: BFH IX R 8/25

Nießbrauchsverzicht an land- und forstwirtschaftlichen Flächen: Keine Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.03.2025 – 3 K 28/24 (rechtskräftig)
Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 06.10.2025


🔍 Kernaussagen des Urteils

  1. Der vorzeitige Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht an land- und forstwirtschaftlichen Flächen führt nicht zur Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG (a. F.), wenn die Kontinuitätsanforderungen an das Betriebsvermögen nicht erfüllt sind.
  2. Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten – eine Abzinsung für die Zeit zwischen Vertragsabschluss und Bedingungseintritt ist nicht zulässig, sofern § 12 Abs. 3 BewG keine Anwendung findet.

⚖️ Sachverhalt

Der Kläger hatte im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erhalten.
Der Vater (Schenker) behielt sich dabei ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an den übertragenen Flächen vor und bewirtschaftete diese weiter selbst.

Einige Jahre später übertrug der Vater weitere Grundstücke auf den Sohn und erklärte zugleich den teilweisen Verzicht auf das vorbehaltene Nießbrauchsrecht.
Im Gegenzug verpflichtete sich der Sohn im Rahmen des Schenkungsvertrages, ein eigenes Grundstück zu übertragen, sobald der Vater und dessen Ehefrau dort ihren Wohnsitz nehmen wollten – eine aufschiebend bedingte Gegenleistung, die später tatsächlich eintrat.

Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest.

  • Es erkannte keine Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG für den Nießbrauchsverzicht an.
  • Zudem diskontierte es den Wert des später übertragenen Grundstücks auf den Vertragszeitpunkt ab.

Der Kläger wandte sich gegen beides:
Er verlangte die Steuerbegünstigung für den Nießbrauchsverzicht und wandte sich gegen die Abzinsung der Gegenleistung.


🧾 Entscheidung des Finanzgerichts

Der 3. Senat des FG Schleswig-Holstein entschied zweigeteilt:

✅ 1. Keine Abzinsung der bedingten Last

Das Gericht gab dem Kläger teilweise Recht:
Eine aufschiebend bedingte Last darf nicht auf den Vertragszeitpunkt abgezinst werden.
Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts, an dem die Verpflichtung tatsächlich wirtschaftlich wirksam wird.
Das FG folgt damit der BFH-Rechtsprechung und lehnt eine erweiternde Anwendung des § 12 Abs. 3 BewG ab.
Einen entsprechenden Nichtanwendungserlass des BMF hielt das Gericht für rechtswidrig.

❌ 2. Keine Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG (a. F.)

Für den Nießbrauchsverzicht versagte das Gericht hingegen die Steuerbegünstigung:

  • Der Nießbraucher hatte die Flächen selbst bewirtschaftet – es handelte sich damit um eigenes Betriebsvermögen.
  • Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht führte zwar zu einer Übertragung von Nutzungsrechten, nicht aber zur Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Ganzen.
  • Eine „Gesamtbetrachtung“ von Schenker und Erwerber, wie vom Kläger begehrt, scheidet aus.
  • Das Kontinuitätsgebot der §§ 13a, 13b ErbStG (a. F.) – also die ununterbrochene Fortführung desselben Betriebsvermögens – wurde nicht erfüllt.

Damit ist ein Nießbrauchsverzicht, der aus einer ursprünglichen Hofübertragung stammt, nicht begünstigt, wenn sich die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Betriebsvermögens zwischen Schenker und Erwerber unterscheiden.

Das Urteil ist rechtskräftig.


🧩 Bedeutung für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht zwei zentrale Punkte der Schenkungsteuer bei land- und forstwirtschaftlichen Übertragungen:

  1. Steuerbegünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG greifen nur bei kontinuierlichem Betriebsvermögen – das gilt auch bei mehrfach gestuften oder zeitlich versetzten Übertragungen.
    → Wird der Betrieb durch einen Nießbrauchsvorbehalt zivilrechtlich geteilt oder verändert, geht der Zusammenhang verloren.
  2. Bewertung aufschiebend bedingter Lasten erfolgt erst bei Eintritt der Bedingungkeine Abzinsung bei schwebenden Verpflichtungen, sofern § 12 Abs. 3 BewG nicht einschlägig ist.

🧰 Praxisbox

1️⃣ Gestaltungshinweise:

  • Bei der vorweggenommenen Hofübertragung sollte geprüft werden, ob ein Nießbrauchsvorbehalt später steuerlich hinderlich ist.
  • Wird ein Nießbrauch vorzeitig aufgehoben, ist die Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG in der Regel nicht mehr anwendbar.
  • Eine steuerneutrale Gestaltung ist nur möglich, wenn der Nießbrauchsverzicht Bestandteil einer einheitlichen, zusammenhängenden Betriebsübertragung ist.

2️⃣ Bewertungshinweise:

  • Aufschiebend bedingte Verpflichtungen (z. B. Rückübertragungen, Wohnrechts- oder Grundstücksübertragungen) sind erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten.
  • Eine Abzinsung darf nur erfolgen, wenn der Tatbestand des § 12 Abs. 3 BewG erfüllt ist (z. B. bei Renten oder wiederkehrenden Leistungen).

3️⃣ Beratungsempfehlung:

„Wer Nießbrauchsrechte im Rahmen von Hof- oder Grundstücksübertragungen einräumt, sollte frühzeitig prüfen, ob ein späterer Verzicht steuerlich als schenkungsteuerpflichtiger Vorgang gilt. Eine Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG ist dann nur noch eingeschränkt möglich.“


📘 Infobox: §§ 13a und 13b ErbStG – alte und neue Rechtslage

AspektAlte Fassung (bis 2018, hier relevant)Aktuelle Fassung (ab 2023/2024)
Begünstigtes VermögenBetriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Anteile an KapitalgesellschaftenUnverändert, jedoch differenziertere Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und begünstigtem Vermögen
KontinuitätserfordernisUnunterbrochene Fortführung desselben Betriebsvermögens erforderlichFortführung des Betriebs über 5 Jahre (§ 13a Abs. 6 ErbStG n. F.); Nießbrauchsverzicht isoliert weiterhin nicht begünstigt
Bewertung85 %- oder 100 %-Verschonung je nach BetriebsgrößeZusätzliche Grenzen (§ 13a Abs. 10 ErbStG n. F.), Verwaltungsvermögensprüfung nach § 13b ErbStG
Nießbrauch / TeilübertragungenKeine Begünstigung bei bloßer Nutzungsüberlassung oder NießbrauchsverzichtFortführung als Einheit erforderlich; isolierte Rechte oder spätere Verzichtserklärungen bleiben unbegünstigt
Bedeutung für die PraxisHäufiger Streitpunkt bei Hof- und Grundstücksübertragungen mit VorbehaltsnießbrauchAuch unter neuem Recht bleibt die Gesamtschau des Betriebsvermögens entscheidend; Gestaltungsberatung notwendig

💬 Fazit

Das FG Schleswig-Holstein stellt klar:

Ein vorzeitiger Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht an land- und forstwirtschaftlichen Flächen führt nicht zu einer Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG, wenn die betriebliche Kontinuität nicht gewahrt bleibt.

Für die Bewertung aufschiebend bedingter Verpflichtungen gilt:

Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts, nicht der Vertragsabschluss – eine Abzinsung ist unzulässig.


📚 Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 31.03.2025 – 3 K 28/24 (rechtskräftig)
Mitteilung vom 06.10.2025, Newsletter II/2025

Übertragung einer § 6b-Rücklage in Ergänzungsbilanzen: Mitunternehmer können unterschiedlich entscheiden

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.07.2024 – 2 K 14/23 (rechtskräftig)
Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 06.10.2025


🔍 Kernpunkt der Entscheidung

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass die Mitunternehmer einer Personengesellschaft ihr Wahlrecht zur Übertragung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG unterschiedlich ausüben können. Zugleich stellte das Gericht klar, dass die Höhe der gebildeten Rücklage maßgeblich von der Beteiligung im Zeitpunkt der Veräußerung abhängt – nicht von früheren Beteiligungsverhältnissen.


⚖️ Der Sachverhalt

Eine Kommanditgesellschaft (KG) hatte im Jahr 2006 ein Grundstück erworben und dabei eine nach § 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage aus dem Verkauf eines anderen Grundstücks auf dieses Reinvestitionsobjekt übertragen.

Zum Zeitpunkt der Übertragung war ein Kommanditist zu 95 % an der KG beteiligt.
In den folgenden Jahren verringerte sich seine Beteiligung durch die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters auf 36 %.

Im Jahr 2013 veräußerte die KG das Grundstück erneut.
In der Gesamthandsbilanz wurde der Veräußerungsgewinn nach § 6b Abs. 3 EStG neutralisiert, und für den Kommanditisten wurde in seiner Ergänzungsbilanz eine neue Rücklage in Höhe von 47,5 % des Gewinns gebildet.

Das Finanzamt beanstandete dies:
Die Rücklage hätte sich nur auf den aktuellen Beteiligungsanteil von 36 % beziehen dürfen. Den zu hohen Rücklagenbetrag korrigierte das Finanzamt nach dem formellen Bilanzzusammenhang im ersten noch offenen Wirtschaftsjahr (2015).


🧾 Entscheidung des Finanzgerichts

Das FG Schleswig-Holstein bestätigte die Auffassung des Finanzamts:

  • Die Bildung der Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG war dem Grunde nach zulässig.
  • Die Höhe der Rücklage richtet sich jedoch nach dem Beteiligungsverhältnis im Zeitpunkt der Veräußerung.
  • Für eine höhere Rücklage fehlten Korrekturwerte in einer Ergänzungsbilanz.
  • Das frühere Wahlrecht zur Übertragung der Rücklage war nur in der Gesamthandsbilanz ausgeübt worden.
  • Eine gesellschafterbezogene Ausübung des Wahlrechts setzt zwingend voraus, dass eine eigene Ergänzungsbilanz mit entsprechenden Werten geführt wird.
  • Abweichende Unterlagen (z. B. G+V-Rechnung) genügen nicht.

Da somit kein individueller Ergänzungsbilanzansatz bestand, durfte das Finanzamt die zu hohe Rücklage in der ersten noch offenen Bilanz nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG korrigieren.

Das Urteil ist rechtskräftig.


🧩 Praktische Bedeutung

Das Urteil schafft wichtige Klarheit für die steuerliche Praxis von Personengesellschaften:

  • Das Wahlrecht nach § 6b Abs. 3 EStG kann nicht nur einheitlich in der Gesamthandsbilanz, sondern auch individuell in Ergänzungsbilanzen ausgeübt werden.
  • Entscheidet sich ein Mitunternehmer, das Wahlrecht abweichend von anderen Gesellschaftern auszuüben, muss dies bilanztechnisch eindeutig dokumentiert werden.
  • Ohne Ergänzungsbilanz mit gesellschafterbezogenen Korrekturwerten kann eine höhere Rücklage nicht steuerlich anerkannt werden.
  • Fehlerhafte Rücklagenübertragungen sind im Rahmen des formellen Bilanzzusammenhangs zu korrigieren – auch rückwirkend, solange die Bilanz verfahrensrechtlich offen ist.

🧰 Checkbox

1️⃣ Gestaltungshinweis:

  • Bei der Übertragung von Rücklagen nach § 6b EStG in Personengesellschaften sollte immer geprüft werden, ob eine gesellschafterbezogene Ergänzungsbilanz erforderlich ist.
  • Wird das Wahlrecht nur in der Gesamthandsbilanz ausgeübt, bindet dies alle Gesellschafter einheitlich.

2️⃣ Prüfpunkte in der Praxis:

  • Beteiligungsverhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung und Reinvestition genau dokumentieren.
  • Ergänzungsbilanzen für einzelne Mitunternehmer zeitnah anpassen, wenn sich Beteiligungsquoten ändern.
  • Prüfen, ob die Ausübung des Wahlrechts gesellschafterindividuell gewollt war – andernfalls drohen spätere Korrekturen durch das Finanzamt.

3️⃣ Tipp zur Bilanzkontinuität:

  • Nach § 6b Abs. 3 Satz 4 EStG sind aufgelöste Rücklagen im Zeitpunkt der Reinvestition dem jeweiligen Gesellschafter anteilig entsprechend seiner Beteiligung zuzurechnen.
  • Änderungen der Beteiligungsverhältnisse zwischen Bildung und Auflösung wirken sich unmittelbar auf die steuerliche Höhe der Rücklage aus.

💬 Fazit

Das FG Schleswig-Holstein hat mit seiner Entscheidung (2 K 14/23) klargestellt: Die Bildung und Übertragung von Rücklagen nach § 6b EStG erfordert eine exakte bilanzielle Zuordnung zu den beteiligten Mitunternehmern. Ein gesonderter Ergänzungsbilanzansatz ist zwingende Voraussetzung für eine abweichende Rücklagenbildung. Fehlt diese Dokumentation, darf das Finanzamt nachträgliche Korrekturen vornehmen – selbst Jahre später im Rahmen des formellen Bilanzzusammenhangs.


📚 Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 10.07.2024 – 2 K 14/23 (rechtskräftig)
Mitteilung vom 06.10.2025, Newsletter II/2025