Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Länder billigen Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer

Der Bundesrat hat am 8. Mai 2015 das 2. Verkehrssteueränderungsgesetz gebilligt. Es wird nun dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zugeleitet und kann wie vorgesehen in Kraft treten.

Entlastung für Inländer
Das Gesetz gewährt Haltern inländischer Fahrzeuge, die in den Anwendungsbereich der Pkw-Maut (BR-Drucksache 154/15 (Beschluss)) fallen, eine Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer. Dies soll eine Doppelbelastung verhindern.

Die Vorschriften zur Entlastung bei der Kfz-Steuer sollen am 31. Dezember 2015 in Kraft treten.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Bundesrats.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 08.05.2015

 

Ein guter Tag für die Steuerzahler – Schluss mit der kalten Progression

„Unser jahrelanger Kampf für die Steuerzahler hat sich gelohnt! Es ist richtig, dass die Politik die kalte Progression endlich abbauen wird“, betont der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. Schließlich ist die Steuer- und Abgabenbelastung für die deutschen Steuerzahler im internationalen Vergleich sehr hoch. „Mit dem Abbau der ungerechten kalten Progression werden heimliche Steuererhöhungen künftig vermieden“, kommentiert Holznagel die Ankündigung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Abbau der kalten Progression.

„Das kann aber nur ein Anfang sein. Wer die Steuerzahler wirklich entlasten will, muss den Soli früher und schneller abbauen und auch den Einkommensteuertarif in seiner Struktur verändern. Hier muss der Knick‘ im Einkommensteuertarif beseitigt werden, damit vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden“, fordert Holznagel.

Bund, Länder und Kommunen können bis zum Jahr 2019 mit Mehreinnahmen von knapp 40 Milliarden Euro rechnen. Das hat die aktuelle Steuerschätzung ergeben. Grund für die hohen Steuereinnahmen sind vor allem die ordentliche Konjunktur und der robuste Arbeitsmarkt. In diesem Jahr wird der Fiskus voraussichtlich rund 667 Milliarden Euro Einnahmen für sich verbuchen. Das sind gut sechs Milliarden Euro mehr als im vergangenen November prognostiziert. Im Jahr 2019 wird der Fiskus mit Einnahmen von insgesamt 769 Milliarden Euro rechnen können. Gegenüber der aktuellen Finanzplanung des Bundes ergibt sich damit ein Plus von rund 19 Milliarden Euro in den Jahren 2016 bis 2019. Dieses Geld ist noch nicht verplant und sollte den Bürgern zugutekommen.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 07.05.2015

 

Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c EStG) – Umsetzung des EuGH-Urteils vom 28.02.2013 in der Rechtssache C-168/11

Vorläufige Steuerfestsetzung und Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Anwendung des § 34c EStG

Das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2417, BStBl I 2015 S. 58) hat § 34c Abs. 1 EStG geändert und damit dem EuGH-Urteil vom 28. Februar 2013 – C-168/11 – Rechnung getragen. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:

1. Das BMF-Schreiben vom 30. September 2013 (BStBl I S. 1612) wird aufgehoben.

2. In der Anlage zum BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464), die zuletzt durch BMF-Schreiben vom 20. Februar 2015 (BStBl I S. 174) neu gefasst worden ist, wird der Satz „Zur vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Berechnung des Höchstbetrags für die Anrechnung ausländischer Steuer auf die deutsche Einkommensteuer nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG in Fällen eines Anrechnungsüberhangs wird auf das BMF-Schreiben vom 30. September 2013 (BStBl I S. 1612) verwiesen“ gestrichen.

3. Steuerfestsetzungen, die hinsichtlich der Anwendung des § 34c EStG vorläufig durchgeführt wurden, sind gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO von Amts wegen zu ändern und insoweit für endgültig zu erklären, falls die Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG in der durch § 52 Abs. 34a EStG bestimmten Fassung zu einer Verminderung der bisher festgesetzten Einkommensteuer führt. In den übrigen Fällen ist eine hinsichtlich der Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG vorläufig durchgeführte Steuerfestsetzung insoweit nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig zu erklären (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO). Die ggf. zu beachtende zweijährige Frist gemäß § 171 Abs. 8 Satz 2 AO wurde am 1. Januar 2015 (Tag des Inkrafttretens des § 52 Abs. 34a EStG) in Lauf gesetzt.

4. Ebenfalls von Amts wegen zu ändern sind mit einem zulässigen Einspruch oder einer zulässigen Klage angefochtene Einkommensteuerfestsetzungen, soweit die Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG in der durch § 52 Abs. 34a EStG bestimmten Fassung zu einer Verminderung der bisher festgesetzten Einkommensteuer führt.

5. Aussetzungen der Vollziehung, die nach Maßgabe der Nummer 2 des BMF-Schreibens vom 30. September 2013 gewährt wurden, sind zu widerrufen. Ein Widerruf ist entbehrlich, soweit die Aussetzung der Vollziehung bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 34c Absatz 1 EStG befristet war oder sich durch Änderung des in der Vollziehung ausgesetzten Einkommensteuerbescheids erledigt hat (Nummer 8.2.2 erster Absatz des AEAO zu § 361).

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV B 3 – S-2293 / 09 / 10005-04 // IV A 3 – S-1900 / 07 / 10107-45 vom 04.05.2015

 

Bundesrat will Alleinerziehende stärker entlasten

Die Länder haben in ihrer Sitzung am 8. Mai 2015 die Pläne der Bundesregierung zur Erhöhung des Kindergeldes und weiterer familienpolitischer Fördermaßnahmen beraten. In ihrer Stellungnahme fordern sie eine stärkere Entlastung von Alleinerziehenden. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, den Freibetrag um 600 auf 1908 Euro anzuheben, ihn nach der Kinderzahl zu staffeln und für jedes weitere Kind um jeweils 240 Euro zu erhöhen. Die Länder vertreten zudem die Auffassung, dass die vorgesehene Erhöhung des Kinderzuschlags zeitgleich mit der zu erwartenden Erhöhung der Hartz IV Regelsätze zum 1. Januar 2016 erfolgen sollte.

Umsetzung der Vorgaben des Existenzminimum-Berichts
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung das Kindergeld im laufenden Jahr um vier Euro monatlich erhöhen. Für das kommende Jahr ist eine Erhöhung um zwei Euro pro Monat vorgesehen. Der steuerliche Kinderfreibetrag soll 2015 um 144 Euro und 2016 um 96 Euro angehoben werden. Der Entwurf setzt damit die Vorgaben des 10. Existenzminimum-Berichts um.

Den Gesetzentwurf finden Sie auf der Homepage des Bundesrats.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 08.05.2015

 

Bundesrat billigt Pkw-Maut

Die Länder haben in ihrer Sitzung am 8. Mai 2015 die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland gebilligt. Das Gesetz wird nun Bundespräsident Gauck zur Unterschrift vorgelegt. Es soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Den Beginn der Maut-Erhebung legt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung fest.

Gestaffelte Kosten
Das Gesetz führt die Pkw-Maut für Autobahnen und Bundesfernstraßen ein. Die Abgabe soll für in- und ausländische Pkw gelten, wobei Halter nicht in Deutschland zugelassener Wagen zunächst nur auf Autobahnen abgabepflichtig sind.

Inländische Fahrzeughalter sollen die Maut grundsätzlich für ein Jahr entrichten (Höchstsatz 130 Euro). Die Kosten bestimmen sich nach dem Hubraum und den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge. Ausländische Halter sollen auch zwei verschiedene Kurzzeitvignetten erwerben können, deren Kosten sich nach der Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge staffeln. Die Zehn-Tages-Vignette soll dann 5, 10 oder 15 Euro kosten. Für eine Zwei-Monats-Vignette werden 16, 22 oder 30 Euro fällig. Für Halter inländischer Fahrzeuge ist in einem zweiten Gesetz (BR-Drucksache 155/15 (Beschluss)) eine finanzielle Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer vorgesehen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Bundesrats.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 08.05.2015

 

Erleichterte Kindergeldzahlung an nicht-begleitete oder elternlose Flüchtlingskinder

Die Zahlung von Kindergeld an Kinder, die ohne Eltern schon lange in Deutschland leben, weil sie nicht abgeschoben werden können und deshalb über einen entsprechenden Aufenthaltstitel verfügen, kann nicht von einer Erwerbstätigkeit abhängig gemacht werden.

Die klagende Stadt Bonn kam jahrelang als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe für die stationäre Heimunterbringung des 1992 in Kinshasa/Kongo geborenen Milambo B. auf. Dieser reiste im Alter von zwei Jahren (1994) mit seiner 1998 verstorbenen Mutter nach Deutschland ein und lebt seither hier. Sein Asylantrag wurde rechtskräftig abgelehnt, sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aber seither geduldet. Der Aufenthalt des Vaters ist unbekannt. 2005 erhielt Milambo B. eine Aufenthaltserlaubnis ohne die Gestattung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz). Die Stadt Bonn beantragte bei der Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse – Milambo B. Kindergeld zu bewilligen, um damit einen Teil der Kosten für die Heimunterbringung abzudecken. Die Familienkasse lehnte ab, wurde aber auf Klage der Stadt Bonn verurteilt, dem beigeladenen Milambo B. Kindergeld zu bewilligen (von März 2005 bis November 2009). Das Landessozialgericht in Essen hat das erstinstanzliche Urteil dagegen aufgehoben und die Klage auf Kindergeld abgewiesen. Milambo B. erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Das Bundeskindergeldgesetz verlange auch in solchen Fällen einen Aufenthaltstitel mit einer Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie eine tatsächliche Erwerbstätigkeit beziehungsweise den Bezug von Arbeitslosengeld.

Das Bundessozialgericht hat der klagenden Stadt Bonn jetzt Recht gegeben und das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.

Milambo B. hatte im streitigen Zeitraum Anspruch auf Kindergeld. Normalerweise wird das Kindergeld an Eltern für deren Kinder gezahlt. Dies war im Fall des Beigeladenen aber nicht möglich, weil seine Mutter verstorben und der Aufenthalt seines Vaters unbekannt war. In solchen Fällen lässt das Gesetz bei Deutschen und EU-Angehörigen die Gewährung von Kindergeld an das Kind selbst zu, wenn es seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

Für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, also insbesondere Ausländer aus Nicht-EU-Staaten wie Milambo B., knüpft das Gesetz den Kindergeldanspruch auch für sich selbst aber an zusätzliche Voraussetzungen. Hat ein solcher Ausländer nur einen Aufenthaltstitel wegen eines dauernden Abschiebungshindernisses, verlangt das Gesetz für einen Kindergeldanspruch dreierlei: Der Ausländer muss sich 1. seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten, 2. sein Aufenthaltstitel muss zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen und er muss 3. im Bundesgebiet tatsächlich erwerbstätig sein, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen (nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz).

Milambo B. konnte diese Voraussetzungen im streitigen Zeitraum schon deshalb nicht vollständig erfüllen, weil er als Kind zunächst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen durfte und später als Jugendlicher seinen Schulbesuch in Deutschland fortgesetzt hat.

Das Bundessozialgericht hat sich dafür entschieden, das Bundeskindergeldgesetz in Bezug auf das Erfordernis einer Erwerbstätigkeit verfassungskonform einzuschränken. Denn ein Gesetz darf nichts verlangen, was rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Kinderarbeit ist in Deutschland im Grundsatz gesetzlich verboten. Elternlosen beziehungsweise unbegleiteten ausländischen Kindern darf deshalb Kindergeld für sich selbst nicht allein mit der Begründung versagt werden, sie seien im Anspruchszeitraum nicht erwerbstätig (gewesen). Ein solches Kind kann vielmehr Kindergeld für sich selbst verlangen, wenn es die geforderten drei Jahre Voraufenthalt in Deutschland sowie eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz aufweisen kann, solange es aufgrund seines geringen Alters ohnehin nicht erwerbstätig sein dürfte oder ihn danach sein Schulbesuch an einer Erwerbstätigkeit hindert.

Der Senat ist überzeugt, dass der Gesetzgeber diese besondere Konstellation elternloser beziehungsweise unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher, die für lange Zeit nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, übersehen und deshalb versehentlich nicht geregelt hat. Die Prognose eines voraussichtlichen Daueraufenthaltes in Deutschland kann jedenfalls bei ihnen nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie als Kinder einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch erziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Die Verwendung eines offensichtlich ungeeigneten und daher gleichheitswidrigen Ausschlusskriteriums für den Kindergeldanspruch kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

§ 1 Abs. 2 Satz 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) lautet:
Kindergeld für sich selbst erhält, wer
1. in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
2. Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
3. nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.

§ 1 Abs. 3 BKGG lautet:
Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer erhält Kindergeld nur, wenn er
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a) nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,
c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt oder
3. eine in Nr. 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und
a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und
b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Quelle: BSG, Pressemitteilung vom 05.05.2015 zum Urteil B 10 KG 1/14 R vom 05.05.2015

 

Die Vergütung von Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst ist mit dem Mindestlohngesetz vereinbar

Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 21.04.2015, Az. 1 Ca 448/15h, entschieden, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung für Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes hat. Die tarifvertraglichen Bestimmungen im Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD zu Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in den Leitstellen sind auch nach dem Mindestlohngesetz gesetzeskonform.

Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt regelmäßig 39 Wochenstunden. Für Tätigkeiten im Rettungsdienst gilt die Besonderheit, dass Bereitschaftszeiten anfallen können, die nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit angerechnet werden. Dabei darf die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten insgesamt durchschnittlich 48 Wochenstunden nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind tarifvertraglich definiert als Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufnehmen zu können und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.

Dem zu entscheidenden Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die beklagte Arbeitgeberin betreibt den Rettungsdienst in einem Landkreis. Der klagende Arbeitnehmer ist seit 2001 in diesem Unternehmen beschäftigt, auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, TVöD-V, Anwendung. Der Arbeitnehmer erhält eine tarifliche Monatsgrundvergütung in Höhe von 2.680,31 Euro nebst Zulagen.

Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, dass die tariflichen Regelungen des TVöD zur Vergütung von Bereitschaftszeiten nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes unzulässig geworden seien und ihm für jede Stunde Bereitschaftszeit eine zusätzliche Vergütung von 8,50 Euro zu zahlen sei. Demgegenüber sei nach Meinung der Arbeitgeberin durch die tarifliche Monatsgrundvergütung auch die Bereitschaftszeit abgegolten.

Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts entschied, dass kein Verstoß der tarifvertraglichen Vergütungsregelung gegen das Mindestlohngesetz vorliegt. Selbst wenn entsprechend der Ansicht des Arbeitnehmers Bereitschaftszeiten wie Vollarbeitszeit zu vergüten wäre, wäre er nach der tarifvertraglichen Regelung maximal verpflichtet, 48 Stunden pro Woche und damit 208,7 Stunden pro Monat zu leisten. Die hierfür nach dem Mindestlohngesetz in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde zu zahlende Vergütung würde 1.773,95 Euro (208,7 Stunden x 8,50 Euro) betragen. Diese wird bei einer Monatsgrundvergütung von 2.680,31 Euro gezahlt und überschreitet damit die Vergütung nach dem gesetzlichen Mindestlohn.

Quelle: ArbG Aachen, Pressemitteilung vom 04.05.2015 zum Urteil 1 Ca 448/15h vom 21.04.2015

 

Zeitpunkt der verpflichtenden Anwendung der ISA in Deutschland

Fragen an die WPK zeigen Unsicherheit im Berufsstand hinsichtlich der verpflichtenden Anwendung der ISA in Deutschland. Nachfolgend gibt die WPK einen Überblick zur aktuellen und zukünftigen Rechtslage nach heutigem Kenntnisstand.

Die geänderte Abschlussprüferrichtlinie und die neue Abschlussprüferverordnung sehen vor, dass Abschlussprüfungen zukünftig unter Beachtung der von der EU-Kommission angenommenen internationalen Prüfungsstandards durchzuführen sind. Die Richtlinie muss bis zum 17. Juni 2016 in nationales Recht transformiert werden, die Verordnung wird dann unmittelbar gelten.

Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie und unmittelbarer Geltung der Verordnung am 17. Juni 2016 ergibt sich jedoch keine gesetzliche Pflicht zur unmittelbaren Anwendung bei der Abschlussprüfung in Deutschland, sofern nicht die internationalen Prüfungsstandards zuvor durch die EU-Kommission im Wege delegierter Rechtsakte angenommen worden sind.

Aktuelle Rechtslage

Die aktuell noch geltende Abschlussprüferrichtlinie (2006/43/EG einschließlich der Änderungen aus der Richtlinie 2008/30/EG) regelt in Artikel 26 Abs. 1 unter anderem, dass die Mitgliedstaaten die Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften verpflichten, Abschlussprüfungen unter Beachtung von der Kommission angenommener internationaler Prüfungsstandards durchzuführen.

In Deutschland wurde dies in § 317 Abs. 5 HGB geregelt, wonach „bei der Durchführung einer Prüfung […] der Abschlussprüfer die internationalen Prüfungsstandards anzuwenden [hat], die von der Europäischen Kommission […] angenommen worden sind.“

Demnach sind internationale Prüfungsstandards verpflichtend anzuwenden, wenn diese von der EU-Kommission im Wege delegierter Rechtsakte angenommen worden sind.

Gemäß der bisherigen Abschlussprüferrichtlinie (Artikel 2 Nr. 11) sind „Internationale Prüfungsstandards„ definiert als International Standards on Auditing (ISA) und damit zusammenhängende Stellungnahmen und Standards, soweit sie für die Abschlussprüfung relevant sind.

Da die EU-Kommission die ISA bislang noch nicht angenommen hat, sind sie gegenwärtig noch nicht gesetzlich verpflichtend bei der Prüfung von Jahresabschlüssen in Deutschland anzuwenden. Die freiwillige Anwendung ist jedoch zulässig.

Zukünftige Rechtslage

Richtlinie und Verordnung enthalten Regelungen zur Anwendung von internationalen Prüfungsstandards, die sich jedoch nicht materiell voneinander unterscheiden.

* Abschlussprüferrichtlinie (2014/56/EU zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG)

Die Richtlinie sieht vor (Artikel 26 Abs. 1), dass „die Mitgliedstaaten […] die Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften [verpflichten], Abschlussprüfungen unter Beachtung der von der Kommission nach Absatz 3 angenommenen internationalen Prüfungsstandards durchzuführen“.

Die „internationalen Prüfungsstandards“ werden definiert als

  • International Standards on Auditing (ISA),
  • International Standard on Quality Control 1 (ISQC 1) und
  • andere damit zusammenhängende Standards, die vom Internationalen Wirtschaftsprüferverband (IFAC) über das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) herausgegeben wurden, soweit sie für die Abschlussprüfung relevant sind“ (Artikel 26 Abs. 2).

Die EU-Kommission erhält die Befugnis (Artikel 26 Abs. 3), mittels delegierter Rechtsakte (vgl. Artikel 48a) die internationalen Prüfungsstandards in den Bereichen Prüfungsverfahren, Unabhängigkeit und interne Qualitätssicherung zur Anwendung innerhalb der Union anzunehmen.

Allerdings müssen die internationalen Prüfungsstandards eine Reihe von Anforderungen erfüllen, damit sie für eine Annahme durch die EU-Kommission zulässig sind. So müssen die Standards

  • in einem einwandfreien Verfahren mit angemessener öffentlicher Aufsicht und Transparenz erstellt worden und international allgemein anerkannt sein
  • beim Abschluss zu einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit und Qualität beitragen
  • dem Gemeinwohl in der Union dienen und
  • mit geringfügigen Ausnahmen keine Änderungen oder Ergänzungen der Anforderungen der Richtlinie enthalten.

* Abschlussprüferverordnung (Verordnung (EU) Nr. 537/2014)

Die Abschlussprüferverordnung, die nur für Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities – PIE) gilt, sieht keine direkte Verpflichtung für PIE-Prüfer zur Durchführung von Abschlussprüfungen unter Beachtung internationaler Prüfungsstandards vor.

Artikel 9 der Verordnung überträgt lediglich der EU-Kommission die Befugnis, die internationalen Prüfungsstandards gemäß Artikel 26 der Richtlinie im Wege delegierter Rechtsakte in den Bereichen Prüfungsverfahren, Unabhängigkeit und interne Qualitätssicherungssysteme von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften zur Anwendung innerhalb der Union anzunehmen. Dabei wird auch auf die Anforderungen an die Prüfungsstandards nach Art. 26 Abs. 3 der Richtlinie verwiesen.

Gemäß Abschlussprüferverordnung haben allerdings EU-Parlament und Rat lediglich eine Frist von zwei statt vier Monaten (jeweils mit Verlängerungsoption um zwei weitere Monate), um Einwände gegen einen durch die EU-Kommission erlassenen Rechtsakt zu erheben.

* Referentenentwurf des BMJV: Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG)

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Regelungen zur Abschlussprüfung in Deutschland hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 27. März 2015 den Entwurf eines AReG veröffentlicht.

Danach soll § 317 Abs. 5 HGB materiell nicht geändert werden. Es bleibt also dabei, dass die gesetzliche Pflicht zur unmittelbaren Anwendung internationaler Prüfungsstandards erst dann besteht, wenn diese von der EU-Kommission angenommen worden sind.

Dies wird auch im neuen § 322 Abs. 1a HGB-E bestätigt, wonach „bei der Erstellung des Bestätigungsvermerks […] der Abschlussprüfer die internationalen Prüfungsstandards anzuwenden [hat], die von der Europäischen Kommission in dem Verfahren nach Artikel 26 Absatz 3 der Richtlinie 2006/43/EG angenommen worden sind.“

Aktuell ist noch nicht absehbar, wann die Annahme erfolgt.

Zusammenfassung und Hinweis für die Berufspraxis

Ohne vorherige Annahme der internationalen Prüfungsstandards durch die EU-Kommission im Wege delegierter Rechtsakte ergibt sich mit dem Inkrafttreten der Richtlinie und der Wirksamkeit der Verordnung am 17. Juni 2016 keine gesetzliche Pflicht zur Anwendung der ISA bei der Abschlussprüfung in Deutschland.

Gleiches wird im Ergebnis auch für künftige neue Prüfungsstandards des IAASB gelten.

Mit Annahme der ISA durch die Kommission und mit der damit verbundenen Pflicht zur unmittelbaren Anwendung der ISA sollten sich in Deutschland allerdings bei der Durchführung von Abschlussprüfungen keine großen Änderungen ergeben, da die vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) herausgegebenen Prüfungsstandards zur Abschlussprüfung den ISA weitestgehend entsprechen.

Abweichungen oder Ergänzungen betreffen im Wesentlichen die derzeitige deutsche Rechtssituation (zum Beispiel Lagebericht, Prüfungsbericht). Diese sind allerdings auch zukünftig zugelassen, da gemäß Artikel 26 Abs. 4 der Abschlussprüferrichtlinie Mitgliedstaaten „neben den von der Kommission angenommenen internationalen Prüfungsstandards zusätzliche Prüfverfahren oder Prüfungsanforderungen [vorschreiben dürfen], wenn diese Prüfverfahren und Prüfungsanforderungen erforderlich sind, um den nationalen rechtlichen Anforderungen in Bezug auf den Umfang der Abschlussprüfungen Wirkung zu verleihen“.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 07.05.2015

 

Bundeskabinett beschließt Zollreform

Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Zollverwaltung beschlossen. Damit soll eine Generalzolldirektion geschaffen werden, in der die Aufgaben der bisherigen Mittelbehörden der Zollverwaltung sowie ein Teil der Aufgaben der Zollabteilung des Bundesministeriums der Finanzen zusammengeführt werden. Die Generalzolldirektion wird als neue Bundesoberbehörde ihren Sitz in Bonn haben.

Dazu erklärt der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble: „Wir bringen heute eine wichtige Strukturreform des Zolls auf den Weg. In der künftigen Generalzolldirektion werden viele Aufgaben an einer Stelle gebündelt. Kurze Entscheidungswege sorgen für höhere Effizienz. Das gewährleistet die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern, stärkt die Einnahmen des Bundes und fördert den Wirtschaftsstandort Deutschland.“

Der Zoll ist durch die seit dem Jahr 2000 durchgeführten Strukturanpassungen gut aufgestellt. Damit die Zollverwaltung ihrem immer größer werdenden Aufgabenspektrum auch künftig gerecht werden kann, wird dieser Reformprozess nun konsequent fortgesetzt. Zu den neuen Aufgaben des Zolls zählen zum Beispiel die Übernahme der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer von den Ländern im vergangenen Jahr und die Überprüfung des gesetzlichen Mindestlohns.

Das Gesetz hat keine strukturellen Auswirkungen auf die Ortsebene der Zollverwaltung mit ihren 43 Hauptzollämtern und acht Zollfahndungsämtern. Die regionale Präsenz des Zolls bleibt uneingeschränkt erhalten.

Im Einzelnen sieht die Neuorganisation der Zollverwaltung Folgendes vor:

  • Die Aufgaben der fünf Bundesfinanzdirektionen und des Zollkriminalamtes und Teile der Aufgaben der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung des Bundesministeriums der Finanzen werden in einer Generalzolldirektion zusammengeführt.
  • Die Generalzolldirektion verantwortet künftig die operative Steuerung der Ortsebene der Zollverwaltung mit ihren rund 32.000 Beschäftigten.
  • Das Zollkriminalamt bleibt innerhalb der Generalzolldirektion als funktionale Einheit mit seiner gesetzlich normierten Stellung im Verbund der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden erhalten.
  • Das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung wird unter Berücksichtigung seiner besonderen Rolle als Fachbereich Finanzen der Hochschule des Bundes ebenfalls in die Generalzolldirektion eingegliedert.
  • Die Generalzolldirektion soll aus neun Direktionen (einschließlich Zollkriminalamt und Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung) bestehen.
  • Sie hat ihren Hauptsitz in Bonn und weitere Standorte im Bundesgebiet.
  • Der Generalzolldirektion werden an allen Standorten rund 7.000 Beschäftigte angehören.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 06.05.2015

 

Riester-Förderung für ausgeschiedene Widerrufsbeamte bei Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung

Beamte haben nach inzwischen gefestigter finanzgerichtlicher Rechtsprechung jedenfalls für Beitragsjahre ab 2005 nur dann Anspruch auf Altersvorsorgezulage (sog. Riester-Förderung), wenn sie fristgemäß, nämlich innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Beitragsjahrs, in die elektronische Übermittlung von Besoldungsdaten an die Deutsche Rentenversicherung Bund gegenüber ihrer Besoldungsstelle einwilligen. Dies gilt – wie das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 4. Dezember 2014 (Az. 10 K 10242/13) entschieden hat – allerdings nicht für ehemalige Beamte auf Widerruf, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden. Sie stehen den in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten gleich und haben daher für den Zeitraum der Nachversicherung auch ohne Vorliegen einer Einwilligungserklärung Anspruch auf Altersvorsorgezulage.
Im Streitfall war die Klägerin im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für das Lehramt in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden. Das Beamtenverhältnis endete mit Bestehen der Prüfung im Dezember 2008. Die Klägerin hatte sich für das gesamte Jahr 2008 bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger nachversichern lassen. Gleichwohl wurde ihr die Riester-Förderung unter Hinweis auf das Fehlen der für Beamte notwendigen Einwilligungserklärung versagt.

Zu Unrecht, wie die Richter des Finanzgerichts befanden, denn auch das gleichzeitige Bestehen eines Beamtenverhältnisses hindere es nicht, der Klägerin aufgrund ihres durch die Nachversicherung erreichten Status als gesetzlich Pflichtversicherte die Altersvorsorgezulage zu gewähren.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; die beklagte Behörde hat Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt (Az. X R 3/15).

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 06.05.2015 zum Urteil 10 K 10242/13 vom 04.12.2014 (nrkr – BFH-Az.: X R 3/15)