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Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung

Die Rechtsbehelfsbelehrung in einem Steuerbescheid muss keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann. Es reicht vielmehr aus, wenn sie hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wiedergibt (hier: „schriftlich“). Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. November 2013 (X R 2/12) entschieden und damit zwei frühere Entscheidungen vom 12. Oktober 2012 III B 66/12 (BFH/NV 2013, 177) und vom 12. Dezember 2012 I B 127/12 (BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272) bestätigt.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuerbescheide mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, die hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung wiederholten. Der Kläger legte erst einige Monate nach Bekanntgabe der Bescheide Einsprüche ein, die das FA wegen der Verletzung der Einspruchsfrist von einem Monat als unzulässig verwarf. Der Kläger machte demgegenüber geltend, die Rechtsbehelfsbelehrungen seien unvollständig gewesen, so dass die Jahresfrist gemäß § 356 Abs. 2 AO zum Tragen kommen müsse. Das Finanzgericht gab ihm Recht. Den Rechtsbehelfsbelehrungen hätte der Hinweis auf die Möglichkeit zur Einlegung eines Einspruchs per E-Mail gefehlt.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er sieht die Rechtsbehelfsbelehrungen als vollständig an. Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung eines Einspruchs zwar nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst sei hiernach nicht (zwingend) zu belehren. Allerdings müsse eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben seien, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen. Das sei jedoch der Fall, wenn der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Vorschrift, nämlich § 357 Abs. 1 AO, wiedergegeben werde.

BFH, Pressemitteilung Nr. 2/14 vom 08.01.2014 zum Urteil X R 2/12 vom 20.11.2013

 DruckversionBUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.11.2013, X R 2/12

Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung – Auslegung außerprozessualer Verfahrenserklärungen – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Leitsätze

Es reicht aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt.

Tatbestand

1
I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) schätzte den gesondert festzustellenden Gewinn des Gewerbetriebs „P“ des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für die Streitjahre 2006 und 2007. Diese Schätzungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nachdem der Kläger im Dezember 2010 seine Gewinnermittlungen für alle Streitjahre eingereicht hatte, hob das FA mit Bescheiden vom 30. März 2011 die Vorbehalte der Nachprüfung für die Streitjahre 2006 und 2007 auf. Am gleichen Tag erließ das FA einen Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2008. Alle drei Bescheide waren mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, die hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wiederholten. Daneben enthielten diese Bescheide die E-Mail-Adresse des FA. Infolge der bereits am 14. Januar 2011 ergangenen Aufforderung, Nachweise hinsichtlich der Gewinnermittlungen zu übersenden, bat der Kläger am 20. Mai 2011, die Schätzungen zurückzunehmen. Er habe krankheitsbedingt erst verspätet antworten können. Auf einen Hinweis des FA auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand reagierte der Kläger nicht. Das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2011 wertete das FA als Einspruch gegen die Bescheide vom 30. März 2011, die es durch Entscheidung vom 26. Juli 2011 als unzulässig verwarf.
2
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hob mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 292 veröffentlichten Urteil die Einspruchsentscheidung auf. Der Einspruch sei fristgerecht eingegangen, da aufgrund des fehlenden Hinweises in den Rechtsbehelfsbelehrungen auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail die Jahresfrist aus § 356 Abs. 2 AO zum Tragen komme.
3
Das FA begründet seine Revision damit, dass die Einlegung eines Einspruchs per E-Mail ein Unterfall der schriftlichen Einspruchseinlegung sei und eine Erweiterung der Rechtsbehelfsbelehrung zur Unübersichtlichkeit führe. Die Nichterwähnung der E-Mail führe nicht zu einer Erschwerung oder gar Gefährdung der Rechtsverfolgung und Fristwahrung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise.
4
Das FA beantragt sinngemäß,das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
7
Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide vom 30. März 2011 unvollständig seien, da ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail fehle. Das zutreffend als Einspruch zu wertende Schreiben des Klägers (unten 1.) hat die einmonatige Einspruchsfrist nicht gewahrt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren (unten 2.). Die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO ist nicht anwendbar, da die Rechtsbehelfsbelehrungen richtig und vollständig sind (unten 3.).
8
1. Zutreffend haben FA und FG das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2011 als Einspruch gewertet. Auch außerprozessuale Verfahrenserklärungen –wie dieses Schreiben– sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359). Im vorliegenden Fall liegt in der Bitte des Klägers, die Schätzungen zurückzunehmen, ein Begehren i.S. des § 350 AO, das als Einspruch anzusehen ist.
9
Der Einspruch ist schriftlich und damit jedenfalls formgerecht i.S. des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt worden.
10
2. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Einspruch nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt wurde. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO war –auch von Amts wegen– nicht zu gewähren, da der Kläger Tatsachen zur Begründung eines solchen Antrags trotz eines Hinweises des FA nicht dargelegt hat. Die bloße Erwähnung einer Krankheit im Einspruchsschreiben zwingt das FA nicht zu einer Prüfung der Wiedereinsetzung von Amts wegen. Da Krankheit nur ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen kann (vgl. statt vieler: Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 AO Rz 147; Klein/ Rätke, AO, 11. Aufl., § 110 Rz 9, jeweils m.w.N.), hätte der Kläger weitere Tatsachen darlegen und –spätestens im Klageverfahren (vgl. Klein/Rätke, a.a.O., § 110 Rz 46; Pahlke/ Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 110 Rz 89, jeweils m.w.N.)– gemäß § 110 Abs. 2 Satz 2 AO auch glaubhaft machen müssen. Für Amtsermittlungen ist in einem solchen Verfahren grundsätzlich kein Raum (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2008 I B 101/07, BFH/NV 2008, 1290).
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Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO wäre auch dann nicht zu gewähren, wenn man den Vortrag der Klägerseite so verstünde, dass dem Kläger die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail nicht bekannt gewesen sei und er sich deshalb im Rechtsirrtum befunden habe. Es fehlt insoweit bereits an der Darlegung entsprechender Tatsachen innerhalb der in § 110 Abs. 2 Satz 1 AO festgesetzten Monatsfrist. Ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf dieser Antragsfrist ist unzulässig (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2004 VI B 101/01, nicht veröffentlicht).
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3. Die Einspruchsfrist ist nicht gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf ein Jahr seit Bekanntgabe der Bescheide verlängert worden, da die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide vom 30. März 2011 vollständig und richtig erteilt worden sind. Hinsichtlich der Anforderungen an die Form der Einspruchseinlegung reicht es insoweit aus, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergeben.
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a) Die Rechtsbehelfsbelehrung muss dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes –GG–; Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung tragen, soll aber auch so einfach und klar wie möglich sein (Senatsurteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455).
14
Unrichtig ist eine Belehrung daher erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch –bei objektiver Betrachtung– die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (Senatsurteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; auch BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448, jeweils m.w.N.).
15
b) Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch dann noch vollständig und richtig ist, wenn sie hinsichtlich der Form der Einlegung des Rechtsbehelfs nur den Wortlaut des Gesetzes –im Fall der Einlegung des Einspruchs also den des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO– wiederholt, und zwar auch in Bezug auf die Einlegung des Rechtsbehelfs per E-Mail. So stellte der III. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2010 III B 20/09 (BFH/NV 2010, 830) klar, dass die Rechtsbehelfsbelehrung richtig und vollständig sei, wenn sie den Wortlaut des § 357 Abs. 1 AO wiedergebe. Auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form brauche die Behörde auch dann nicht hinzuweisen, wenn in der Erwähnung der Internetseite in der Fußzeile des Bescheides die konkludente Eröffnung eines „Zugangs“ i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO zu sehen sein sollte. Diese Rechtsprechung hat der III. Senat in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2012 III B 66/12 (BFH/NV 2013, 177) bestätigt.
16
In seinem Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 127/12 (BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272) hat sich der I. Senat des BFH dieser Rechtsprechung angeschlossen. Nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont sei bei Wiederholung des Wortlautes des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO kein unrichtiger bzw. missverständlicher Hinweis zu den Formerfordernissen erteilt worden. Das FA sei weder gehalten, einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten Schriftform) zu geben, ebenso wie es umgekehrt nicht gehalten sei, angesichts der ergänzenden Regelung des § 87a AO einen Hinweis, der sich auf § 357 Abs. 1 Satz 1 AO beschränke, zu unterlassen. Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO sei nicht geeignet, bei einem „objektiven“ Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht. Der Hinweis auf die „Schriftlichkeit“ entsprechend § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wirke weder irreführend noch rechtsschutzbeeinträchtigend. Der Betroffene werde in die Lage versetzt, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das herkömmliche Verständnis dessen, was unter „schriftlich“ aufzufassen sei, angesichts der technischen Weiterentwicklungen zu modifizieren sei.
17
c) Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des I. und III. Senats an und knüpft hierbei an seine Entscheidung in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 an, die es ausreichen lässt, dass die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Berechnung der Einspruchsfrist den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen wiedergibt.
18
aa) Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst ist hiernach nicht (zwingend) zu belehren.
19
Allerdings muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064, unter II.2.a, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Maßstäben, die der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 aufgestellt hat (s.o. unter 3.a).
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bb) Der Senat hat gerade mit Rücksicht auf die im Interesse des Steuerpflichtigen liegende Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung in dieser Entscheidung zu einem Fall, in dem die Frage des Fristbeginns in Rede stand, ausgeführt (unter II.2.c d), es sei ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergebe und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichte. Letzteres setze nach allgemeiner Meinung nicht voraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen wäre. Vielmehr genüge eine abstrakte Belehrung anhand des Gesetzestextes über die vorgeschriebene Anfechtungsfrist. Die konkrete Berechnung sei den Beteiligten überlassen. Auf sämtliche Modalitäten könne kaum hingewiesen werden.
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cc) Es besteht keine Veranlassung, bei Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO sind, höhere Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung sind.
22
Die Frist ist eine solche Pflichtangabe. Wenn es aber selbst zu der –im Einzelfall sehr komplizierten– Berechnung der Frist ausreicht, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, so muss dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung sind.
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Das bedeutet für die Form der Einspruchseinlegung, dass es genügt, den Wortlaut der insoweit maßgeblichen Vorschrift, nämlich des § 357 Abs. 1 AO, wiederzugeben. Dies ist in den Bescheiden vom 30. März 2011 unstreitig geschehen.

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.10.2012, III B 66/12

Rechtsbehelfsbelehrung muss nicht auf Möglichkeit der Einspruchseinlegung durch E-Mail hinweisen – Keine Besorgnis der Befangenheit wegen salopper Formulierungen des Richters – Darlegung einer Divergenz

Tatbestand

1
I. Die damals verheiratete Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt aufgrund eines Festsetzungsbescheids vom 16. April 2004 für ihre im März 1981 geborene Tochter und ihren Sohn ab Oktober 2002 laufend Kindergeld ausgezahlt. Nachdem die damals zuständige Familienkasse X mehrfach erfolglos versucht hatte, der Klägerin unter der von ihr benannten Anschrift (A-Straße, B-Stadt) Schreiben zuzusenden, und auch Anfragen beim Einwohnermeldeamt keine andere Adresse ergaben, hob sie mit Bescheid vom 15. April 2008 die Kindergeldfestsetzung ab November 2003 auf und forderte das für den Zeitraum November 2003 bis Oktober 2007 bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 7.392 EUR von der Klägerin zurück. Der Bescheid enthielt keine E-Mail-Adresse der Familienkasse, war mit der üblichen Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde öffentlich zugestellt.
2
Am 2. Oktober 2008 ging bei der Familienkasse X eine Mitteilung der Klägerin ein, wonach sich ihre Anschrift geändert habe (C-Straße, D-Stadt) und sie nunmehr getrennt lebe. Zudem legte die Klägerin eine Studienbescheinigung der Tochter vor, aus der sich ergab, dass die Tochter vom Wintersemester 2005/2006 bis zum Wintersemester 2008/2009 durchgehend immatrikuliert war. Am 15. April 2009 ging bei der inzwischen zuständig gewordenen Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) ein Kindergeldantrag der Klägerin für beide Kinder und eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen der Tochter in den Jahren 2007 und 2008 ein.
3
Mit Bescheid vom 7. Mai 2009 lehnte die Familienkasse den Antrag u.a. wegen der Bestandskraft des –in Kopie beigefügten– Bescheids vom 15. April 2008 ab. Der Bescheid enthielt im Briefkopf die Angabe der E-Mail-Adresse der Familienkasse und war mit der üblichen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Den gegen beide Bescheide gerichteten Einspruch vom 17. September 2009 verwarf die Familienkasse mit Einspruchsentscheidungen vom 23. November 2009 wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig.
4
In dem gegen beide Bescheide gerichteten Klageverfahren führte der zuständige Berichterstatter einen Erörterungstermin durch. Den auf Äußerungen in diesem Termin gestützten Befangenheitsantrag wies das Finanzgericht (FG) ohne Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters mit Beschluss vom 24. Januar 2012 als unbegründet zurück. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen.
5
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe

6
II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
7
1. Die Revision ist nicht wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
8
a) Ein solcher Verfahrensmangel ergibt sich nicht aus der Rüge, das FG habe unter Verstoß gegen § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 47 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter Teilnahme eines Richters, der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sei, mündlich verhandelt und entschieden.
9
Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen –d.h. auch die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs– können gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Sie unterliegen deshalb gemäß § 124 Abs. 2 FGO nicht der Prüfung im Revisionsverfahren; anderes gilt nur dann, wenn die unberechtigte Ablehnung eines Befangenheitsantrages die Vorenthaltung des gesetzlichen Richters zur Folge hat, was nur bei einer greifbar gesetzwidrigen, d.h. willkürlichen Zurückweisung eines Befangenheitsantrages der Fall ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. Januar 2010 I B 83/09, BFH/NV 2010, 913, m.w.N; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 6, m.w.N.).
10
b) Im Streitfall sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin aus willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen wurde.
11
aa) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund besteht, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus –jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung– davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen, sondern unsachlich oder willkürlich entscheiden. Freimütige oder saloppe Formulierungen geben grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2001 IV B 118/00, BFH/NV 2001, 1431, m.w.N.). Evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters können aber die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie den nötigen Abstand zwischen Person und Sache vermissen lassen.
12
bb) Das FG hat bei seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Klägerin sowohl die Darstellung der Prozessbevollmächtigten zu den zur Ablehnung führenden Äußerungen des Berichterstatters im Erörterungstermin als auch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters hierzu in Betracht gezogen. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung ergibt sich hieraus nicht.
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Die Befangenheit des abgelehnten Richters beruht nach Auffassung der Klägerin darauf, dass der Richter im Erörterungstermin auf das Angebot, das Vorbringen der Klägerin eidesstattlich zu versichern, erklärt habe: „Ich muss ja nicht alles glauben.“ Zudem habe er vor dem Hintergrund, dass die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nach einem erneuten Umzug ihre neue Anschrift nicht mitgeteilt habe, geäußert, dass sie es mit solchen Dingen und insbesondere mit Fristen nicht sehr genau nehme.
14
Das von der Klägerin daraufhin gestellte Ablehnungsgesuch wurde ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen. Der Berichterstatter hatte in seiner dienstlichen Äußerung hierzu im Wesentlichen erklärt, er habe mit seinen Bemerkungen darauf aufmerksam machen wollen, dass es zum einen auf den genauen Inhalt einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung ankäme und zum anderen keine ausnahmslose Bindung des Gerichts an diese bestehe. Ferner sei das Verhalten der Klägerin im Prozess im Hinblick auf die strittigen Punkte der Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung und der behaupteten rechtzeitigen Einspruchseinlegung zur Sprache gekommen.
15
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Prozessförderungspflicht des Berichterstatters im vorbereitenden Verfahren (§ 76 Abs. 2 FGO) erscheint das vom FG gefundene Ergebnis, dass die Äußerungen des Berichterstatters die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung nicht überschritten haben und insbesondere keinen evident unsachlichen Inhalt hatten, jedenfalls nicht willkürlich.
16
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, da die Beschwerde insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt.
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a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH „erfordert“. Die Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung bildet neben dem Erfordernis der Sicherung der Rechtseinheit eine eigenständige Voraussetzung für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (Senatsbeschluss vom 29. März 2012 III B 94/10, BFH/NV 2012, 1147, m.w.N). Denn das Allgemeininteresse an einer Entscheidung des BFH wird bei vorliegender Divergenz nicht kraft Gesetzes vermutet, sondern ist bei der Entscheidung über die Zulassung gesondert zu prüfen (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 65). Macht der Beschwerdeführer geltend, dass die angegriffene FG-Entscheidung von der Entscheidung eines anderen FG abweicht, ist daher im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen eine Entscheidung des BFH erforderlich ist (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 198).
18
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie legt zwar dar, dass das FG in der angefochtenen Entscheidung einen von der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 24. November 2011  10 K 275/11 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 292) abweichenden Rechtssatz formuliert habe. Sie setzt sich jedoch nicht mit der Frage auseinander, ob und inwieweit die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des BFH in Einklang steht. Da die angefochtene Entscheidung von den durch die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 2. Februar 2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830) aufgestellten Rechtsgrundsätzen ausgeht, wonach eine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung des § 357 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) wiedergibt und verständlich über allgemeine Merkmale des Fristbeginns sowie der Fristdauer informiert, ausreichend ist, und die Divergenzentscheidung bereits dem BFH in einem anderen Verfahren (Az. des anhängigen Verfahrens: X R 2/12) zur Prüfung vorliegt, hätte die Klägerin im Einzelnen darlegen müssen, weshalb gleichwohl eine Entscheidung des BFH zur Sicherung der Rechtseinheit erforderlich ist.
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Nicht ausreichend ist insoweit der Vortrag, der BFH habe in der Entscheidung in BFH/NV 2010, 830 nur über die Frage zu entscheiden gehabt, ob die Angabe einer Internetadresse eine geänderte Rechtsbehelfsbelehrung notwendig mache, während im vorliegenden Fall im Bescheid eine E-Mail-Adresse genannt worden sei. Denn aus den Gründen des Senatsbeschlusses in BFH/NV 2010, 830 ergibt sich, dass der Senat die Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit der Rechtsbehelfsbelehrung vor dem Hintergrund der –unterstellten– Eröffnung des elektronischen Zugangs beurteilt hat. Entscheidungserheblicher Sachverhalt war daher nur der Umstand, dass ein elektronischer Zugang –möglicherweise– eröffnet wurde, nicht dagegen wie dies gegebenenfalls geschehen ist.
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3. Die Revision ist schließlich auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.
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Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine Familienkasse, die in einem Bescheid auf ihre E-Mail-Adresse hinweist, in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids darauf hinweisen muss, dass auch per E-Mail Einspruch eingelegt werden kann.
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Entsprechend den Ausführungen des Senats im Beschluss in BFH/NV 2010, 830 ist diese Frage jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung aus dem Gesetz ergibt. Nach § 157 Abs. 1 Satz 3 AO hat eine Belehrung darüber zu erfolgen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die –wie im Streitfall– den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung des § 357 Abs. 1 AO wiedergibt und verständlich über allgemeine Merkmale des Fristbeginns sowie der Fristdauer informiert, ist ausreichend (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455, m.w.N.). Auf die Möglichkeit einer Einspruchseinlegung in elektronischer Form brauchte die Familienkasse somit auch dann nicht hinzuweisen, wenn sie durch Angabe einer E-Mail-Adresse konkludent einen „Zugang“ i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO eröffnet hat.

Ein Pferd, die Umsatzsteuer und das Unionsrecht

In seinem Urteil vom 24. Oktober 2013 (V R 17/13) hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Unternehmer das Recht zugesprochen, sich im Rahmen des Vorsteuerabzugs auch dann auf das Unionsrecht zu berufen, wenn die für einen Umsatz geschuldete Steuer höher ist als nach nationalem Recht.

Die Entscheidung betrifft die Abgrenzung zwischen Spring- und Schlachtpferden. Nach nationalem Recht unterlag die Lieferung aller Pferde dem ermäßigten Steuersatz. Unionsrechtlich ist dies nur für die Lieferung der zum Verzehr bestimmten Schlachtpferde, nicht aber auch für Springpferde zulässig.

Im Streitfall hatte der Kläger ein Springpferd erworben, das er als Unternehmer für sein Gestüt verwendete. Der Verkäufer hatte hierfür Umsatzsteuer nach dem Regelsteuersatz berechnet. Das Finanzamt beanstandete den Vorsteuerabzug beim Kläger, da nur die gesetzlich geschuldete Steuer zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die gesetzlich geschuldete Steuer bestimme sich nach nationalem Recht. Danach unterliege die Lieferung aller Pferde dem ermäßigten Steuersatz. Eine Berufung auf das Unionsrecht komme nicht in Betracht, da dieses für die Lieferung des Pferdes zu einer höheren Steuer führe und daher nicht günstiger sei. Dieser Auffassung war auch das Finanzgericht.

Dem trat der BFH entgegen. Nach dem sog. Anwendungsvorrang ist Unionsrechts anzuwenden, wenn es für den jeweiligen Unternehmer vorteilhafter ist. So wie im Streitfall: Für den Kläger als Abnehmer des Springpferdes ist es günstiger, den Vorsteuerabzug nach dem höheren Regelsteuersatz in Anspruch zu nehmen, statt zum Vorsteuerabzug nur im Umfang des ermäßigten Steuersatzes berechtigt zu sein und den steuerlichen Differenzbetrag vom Verkäufer zurückfordern zu müssen. Daher kann der Kläger geltend machen, dass sich die gesetzlich geschuldete Steuer nach dem Unionsrecht bestimmt. Es kommt demgegenüber nicht darauf an, ob das nationale Recht auch für den Verkäufer vorteilhafter ist als das Unionsrecht.

BFH, Pressemitteilung Nr. 3/14 vom 08.01.2014 zum Urteil V R 17/13 vom 24.10.2013

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 24.10.2013, V R 17/13

Verhältnis nationales Recht und Unionsrecht – Anwendungsvorrang

Leitsätze

1. Ob eine gesetzlich geschuldete Steuer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegt, bestimmt sich unter Berücksichtigung des Unionsrechts.

 

2. Sieht das nationale Recht für eine Leistung den ermäßigten Steuersatz vor, während sie nach dem Unionsrecht dem Regelsteuersatz unterliegt, kann sich der zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts berufen und –bei Vorliegen der weiteren z.B. rechnungsmäßigen Voraussetzungen– den Vorsteuerabzug nach dem für ihn günstigeren Regelsteuersatz in Anspruch nehmen.

Tatbestand

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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit Übernahmebestätigung vom 6. Juli 2011 und aufgrund eines im Juli 2011 abgeschlossenen Kaufvertrages ein Springpferd. Es handelte sich um einen Mietkaufvertrag mit einer Mietzeit von 48 Monaten, beginnend ab 1. August 2011. Die Gesamtmietforderung belief sich auf 77.645,52 EUR zzgl. einer nach dem Regelsteuersatz berechneten Umsatzsteuer von 14.752,65 EUR. Der Kläger machte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Pferdes geltend.
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Demgegenüber erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–), im Dezember 2011 einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung III/2011, nach dem der Vorsteuerabzug nur auf der Grundlage des ermäßigten Steuersatzes in Höhe von 5.435,19 EUR anerkannt wurde.
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Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem im Mehrwertsteuerrecht 2013, 562 veröffentlichten Urteil des FG ist der Kläger nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) und unter Berücksichtigung von Art. 98 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Lieferung des Pferdes unterliege nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a dem ermäßigten Steuersatz, so dass die Steuer nur nach Maßgabe des ermäßigten Steuersatzes gesetzlich geschuldet werde und nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtige. Dass die Geltung des ermäßigten Steuersatzes für die Lieferung im Streitfall unionsrechtswidrig sei, sei ohne Bedeutung. Die Regelungen der MwStSystRL über die Anwendung ermäßigter Steuersätze beträfen nur das Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Lieferer und dessen Finanzamt, an dem der Leistungsempfänger nicht beteiligt sei. Der Kläger könne sich daher nicht auf das Unionsrecht berufen. Er könne auch nicht geltend machen, dass sich der Lieferer auf das Unionsrecht berufen habe, da das nationale Recht für den Lieferer günstiger sei als das Unionsrecht.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, für die er Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die Lieferung des Pferdes unterliege nach dem Unionsrecht dem Regelsteuersatz. Er könne sich hierauf gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen. Hierfür spreche auch das Ziel einer einheitlichen Anwendung des Mehrwertsteuerrechts. Durch den ermäßigten Steuersatz solle der Leistungsempfänger begünstigt werden.
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Während des Revisionsverfahrens gab der Kläger eine Umsatzsteuerjahreserklärung 2011 ab, in der aufgrund eines „Versehens“ der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Springpferds nur nach Maßgabe des ermäßigten Steuersatzes geltend gemacht wurde. Die Jahreserklärung führte im Hinblick auf andere Sachverhalte zu einer Steuervergütung. Das FA stimmte der Jahreserklärung nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung durch Bescheid vom 14. Juni 2013 zu. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 wurde gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 121 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 vom 14. Juni 2013 dahingehend zu ändern, dass der volle Vorsteuerabzug für den Mietkauf des Pferdes in Höhe von 14.752,65 EUR gewährt wird.

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Das FA beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

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Das nationale Recht habe die Bestimmungen des Unionsrechts zum Vorsteuerabzug zutreffend umgesetzt. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass der Lieferer die Steuer nach § 14c UStG schulde. Die Regelungen zum ermäßigten Steuersatz beträfen nur das Steuerschuldverhältnis zwischen Fiskus und Lieferer, nicht aber auch das zum Leistungsempfänger. Der Besteuerung sei geltendes, nicht aber fiktives Recht zugrunde zu legen. Eine Berufung auf das Unionsrecht zu eigenen Ungunsten sei nicht möglich. Der Kläger könne nicht zu Lasten seines Lieferers einen Anwendungsvorrang geltend machen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
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1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 FGO).
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Das FG hat über den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid III/2011 vom 1. Dezember 2011 entschieden. An dessen Stelle ist während des Revisionsverfahrens der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 vom 14. Juni 2013 getreten, der nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist (zur Anwendung von § 68 FGO im Verhältnis von Vorauszahlungs- zu Jahresbescheid vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 19. Juli 2011 XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434, unter II.1.a). Dass der Kläger „versehentlich“ eine nach seinem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt unzutreffende Jahreserklärung abgegeben hat, ist dabei unbeachtlich, da er letztlich nur die ansonsten durch das FA vorzunehmende Änderung vorweggenommen hat. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos geworden und aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, BFHE 220, 269, BStBl II 2011, 21; vom 10. November 2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, unter II.1.).
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2. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der die Leistung empfangende Unternehmer –unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift– zum Vorsteuerabzug aus der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer berechtigt, wenn diese gesetzlich geschuldet wird. Ob eine in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer in diesem Sinne gesetzlich geschuldet wird, ist entgegen dem Urteil des FG unter Berücksichtigung des Unionsrechts zu entscheiden.
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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die nationalen Gerichte bei einem Widerspruch zwischen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und den Bestimmungen des Unionsrechts gehalten, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede –auch spätere– entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne dass die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragt oder abgewartet werden müsste. Es ist alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften „auszuschalten“, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden (EuGH-Urteil vom 26. Februar 2013 C-617/10, Fransson, Neue Juristische Wochenschrift 2013, 1415, Rdnr. 45 f). In Übereinstimmung hiermit kann sich der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats insbesondere auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber richtlinienwidrigen Regelungen des nationalen Rechts berufen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2012 V R 9/10, BFHE 238, 570, BFH/NV 2013, 170).
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b) Im Streitfall kann der Kläger entgegen dem Urteil des FG einen Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber der richtlinienwidrigen Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a geltend machen. Besteuert das nationale Recht eine Leistung ermäßigt, während sie nach dem Unionsrecht dem Regelsteuersatz unterliegt, kann sich der zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts berufen und –bei Vorliegen der weiteren z.B. rechnungsmäßigen Voraussetzungen– den Vorsteuerabzug nach dem für ihn günstigeren Regelsteuersatz in Anspruch nehmen.
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aa) In Bezug auf die Lieferung von Springpferden entsprach das nationale Recht nicht dem Unionsrecht.
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(1) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a in seiner im Streitjahr geltenden Fassung galt der ermäßigte Steuersatz für „Pferde, einschließlich reinrassiger Zuchttiere, ausgenommen Wildpferde“. Danach war der ermäßigte Steuersatz auch auf die Lieferung von Springpferden anzuwenden.
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(2) Demgegenüber unterliegt die Lieferung von Springpferden nach dem Unionsrecht nicht dem ermäßigten Steuersatz, sondern dem Regelsteuersatz. Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, auf die Lieferung von Pferden nach Art. 98 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 1 zu dieser Richtlinie einen ermäßigten Steuersatz für die Lieferung lebender Tiere einzuführen. Dies gilt nach dem EuGH-Urteil vom 12. Mai 2011 C-453/09, Kommission/ Deutschland (Slg. 2011, I-74 Rdnr. 45) aber nur für die „Tiere …, die gewöhnlich und allgemein dafür bestimmt sind, in die menschliche oder tierische Nahrungskette zu gelangen“ und somit nicht für Springpferde.
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bb) Dass der Kläger nicht Steuerschuldner, sondern Abnehmer der Lieferung war, ohne die Steuer hierfür als Leistungsempfänger nach § 13b UStG zu schulden, ist für die Geltendmachung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unbeachtlich. In Bezug auf den Anwendungsvorrang ist die Minderung der den Unternehmer treffenden Steuerschuld maßgeblich. Diese verringert sich nicht nur für den Leistenden aufgrund der Anwendung eines unionsrechtlich vorgegebenen ermäßigten Steuersatzes anstelle des vom nationalen Recht vorgesehenen Regelsteuersatzes, sondern im Umkehrfall auch für den Leistungsempfänger, wenn das Unionsrecht wie im Streitfall die Anwendung des Regelsteuersatzes vorsieht, während der Umsatz nach nationalem Recht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Denn im zuletzt genannten Fall mindert sich für den zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger seine Steuerschuld, wenn der Vorsteuerabzug nach Maßgabe des Regelsteuersatzes anstelle des ermäßigten Steuersatzes vorgenommen wird, sofern z.B. auch eine dementsprechende Rechnung vorliegt.
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cc) Demgegenüber lässt sich die Annahme des FG, es komme auf den mit der jeweiligen Vorschrift verfolgten Zweck an, so dass danach zu differenzieren sei, ob eine Regelung dem Schutz der Interessen einzelner oder dem öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung zu dienen bestimmt sei, nicht mit dem sich aus der EuGH-Rechtsprechung ergebenden Erfordernis vereinbaren, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen und dabei jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts außer Betracht zu lassen. Es ist daher unerheblich, welchen rechtlichen Interessen die Bestimmung des Unionsrechts dient, deren Anwendungsvorrang der Steuerpflichtige geltend macht, wenn die Berufung auf das Unionsrecht zu einer niedrigeren Steuerschuld des Steuerpflichtigen führt.
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Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom FG für seine Beurteilung in Bezug genommene BFH-Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung von Konkurrenten in der Rechtsform der juristischen Person des öffentlichen Rechts (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl II 2007, 243). Diese allein Auskunftsansprüche betreffende Rechtsprechung schränkt die Geltendmachung des Anwendungsvorrangs in Bezug auf die eigene Besteuerung des Steuerpflichtigen nicht ein.
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Aufgrund des Erfordernisses, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, kann dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, dass für seinen Lieferer die nach nationalem Recht bestehende Rechtslage günstiger als das Unionsrecht ist. Die Rechtsfolgen des vom Kläger geltend gemachten Anwendungsvorrangs beschränken sich vielmehr auf seine eigene Person und wirken sich entgegen der Auffassung des FA daher erst dann auf die Besteuerung seines Lieferers aus, wenn dieser gleichfalls einen Anwendungsvorrang geltend machen könnte, der aber für den Lieferer nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu einer niedrigeren Steuer führen kann.
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c) Da das Urteil des FG diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Der Kläger kann aus der auf der Grundlage des Regelsteuersatzes erstellten Rechnung zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sein, da der Regelsteuersatz auf die von ihm bezogene Lieferung dem Unionsrecht entspricht.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG getroffen. Insoweit sind im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu einer aufgrund des „Mietkaufs“ bereits im Streitjahr mit der Übergabe an die Klägerin ausgeführten Lieferung zu treffen.
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Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Lieferungen nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen sind, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 14 MwStSystRL. Der unionsrechtliche Begriff der Lieferung bezieht sich nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Das setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus, die ohne zivilrechtlichen Eigentumsübergang z.B. dann vorliegen kann, wenn der dem zivilrechtlichen Eigentümer zustehende Herausgabeanspruch wertlos ist oder der Eigentümer den wirtschaftlichen Gehalt des Gegenstands dem Abnehmer auf sonstige Weise zuwendet, wobei dem Herausgabeanspruch des Eigentümers z.B. dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zukommt, wenn der Nutzungsberechtigte nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird (BFH-Urteil vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a). Dem entspricht es, dass der EuGH davon ausgeht, dass die Übergabe eines Gegenstandes aufgrund eines Leasingvertrages dem Erwerb eines Investitionsguts und damit einer Lieferung gleichzusetzen ist, wenn der Leasingnehmer z.B. über die wesentlichen Elemente des Eigentums an dem Gegenstand verfügt (EuGH-Urteil vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 230, mit Anm. Wäger, Rdnr. 40). Diese Grundsätze sind auch für das Vorliegen einer Lieferung im Rahmen eines Mietkaufs zu beachten.

Übermittlung von Nachweisen für die Steuer-befreiungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a und §§ 6 und 7 UStG sowie Bescheinigungsverfahren bei der Steuerbefreiung grenzüberschreiten-der Güterbeförderungen

Durch Artikel 5 Nr. 1 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BGBl. I, S. 2131) wurden in § 14 Abs. 1 und 3 UStG vereinfachende Regelungen zur elektronischen Übermittlung von Rechnungen geschaffen. Darüber hinaus wurde durch § 17a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStDV in der seit dem 1. Oktober 2013 geltenden Fassung und durch Abschnitt 6a.4 und 5 UStAE bereits die Übermittlung von Nachweisen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) auf elektronischem Weg in bestimmten Fällen ermöglicht. Es ist deshalb sachgerecht, wenn der Unternehmer die für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a, §§ 6 und 7 UStG sowie nach § 4 Nr. 3 UStG erforderlichen belegmäßigen Nachweise in wesentlichen Anwendungsbereichen auch in elektronischer Form erbringen kann.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010 (BStBl I, S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 2. Januar 2014 – IV D 2 – S-7300 / 12 / 10002 :001 (2013/1156482), BStBl I, S. …, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1.Abschnitt 4.3.3 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 4 Nr. 2 werden am Ende des Satzes 3 das Semikolon durch einen Punkt ersetzt und folgende neue Sätze 4 und 5 angefügt:
4Die Belege können auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung eines Belegs ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers begonnen hat. 5Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist ent-sprechend anzuwenden;“.

b) In Absatz 6 werden folgende neue Sätze 4 und 5 angefügt:
4Die Bescheinigung kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Bescheinigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers begonnen hat. 5Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

2. Abschnitt 4.3.4 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 4 werden folgende neue Sätze 7 und 8 angefügt:
7Die Belege können auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Belege ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers des Belegs begonnen hat. 8Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

b) In Absatz 6 werden folgende neue Sätze 3 und 4 angefügt:
3Die Bescheinigung kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Bescheinigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers des Belegs begonnen hat. 4Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

c) Absatz 7 wird wie folgt gefasst:
„(7) 1Bei einer Güterbeförderung, die einer grenzüberschreitenden Güterbeförderung vorangeht, kann die Ausfuhr oder die Wiederausfuhr aus Vereinfachungsgründen durch folgende Bescheinigung des auftraggebenden Spediteurs/Hauptfrachtführers oder des auftraggebenden Lieferers auf dem schriftlichen Transportauftrag nachgewiesen werden:

„Bescheinigung für Umsatzsteuerzwecke

Ich versichere, dass ich die im Auftrag genannten Gegenstände nach … (Ort im Drittlandsgebiet) versenden werde. Die Angaben habe ich nach bestem Wissen und Gewissen auf Grund meiner Geschäftsunterlagen gemacht, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind.

_________________________
(Ort und Datum) (Unterschrift)“

2Rechnen der Spediteur/Hauptfrachtführer bzw. der auftraggebende Lieferer und der Unterfrachtführer durch Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) ab, kann die Bescheinigung nach Satz 1 auch auf der Gutschrift erfolgen. 3Auf die eigenhändige Unterschrift des auftraggebenden Spediteurs/Frachtführers bzw. des auftraggebenden Lieferers kann verzichtet werden, wenn die für den Spediteur/Hauptfrachtführer bzw. den auftraggebenden Lieferer zuständige Oberfinanzdirektion bzw. oberste Landesfinanzbehörde dies genehmigt hat und in dem Transportauftrag oder der Gutschrift auf die Genehmigungsverfügung bzw. den Genehmigungserlass unter Angabe von Datum und Aktenzeichen hingewiesen wird. 4Die Belege können auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Bescheinigung nach Satz 1 ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Spediteurs/Hauptfrachtführers bzw. des auftraggebenden Lieferers begonnen hat. 5Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

d) Absatz 8 wird wie folgt geändert:

aa) Nach Satz 3 werden folgende neue Sätze 4 und 5 eingefügt:
4Der Beleg kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung des Belegs ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers begonnen hat. 5Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

bb) Der bisherige Satz 4 wird neuer Satz 6.

3. Abschnitt 6.6 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:
„2. 1eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten mit Datum, Unterschrift, Firmenstempel und Bezeichnung des Empfangsorts. 2Die Empfangsbestätigung kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Empfangsbestätigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Abnehmers begonnen hat. 3Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden;“.

4. Abschnitt 6.7 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1a werden folgende neue Sätze 10 und 11 angefügt:
10Der Versendungsbeleg kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung des Versendungsbelegs ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Übermittlers begonnen hat. 11Abschnitt 6a.4 Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) Nach Satz 2 werden folgende neue Sätze 3 und 4 eingefügt:
3Die Bescheinigung kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Bescheinigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Spediteurs begonnen hat. 4Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

bb) Der bisherige Satz 3 wird neuer Satz 5.

5. In Abschnitt 6.8 wird nach Absatz 2 folgender neuer Absatz 3 angefügt:
„(3) 1Der Beleg nach Absatz 1 bzw. die Bescheinigung nach Absatz 1 oder Absatz 2 können auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung des Belegs bzw. der Bescheinigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers begonnen hat. 2Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

6. In Abschnitt 6.9 Abs. 9 werden folgende neue Sätze 3 und 4 angefügt:
3Die Ausfuhrbestätigung des versendenden Vertreters kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Ausfuhrbestätigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers begonnen hat.4Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

7. In Abschnitt 7.2 Abs. 1 werden folgende neue Sätze 4 und 5 angefügt:
4Die Versandbestätigung des versendenden Vertreters kann auch auf elektronischem Weg übermittelt werden; bei einer elektronischen Übermittlung der Versandbestätigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Ausstellers begonnen hat.5Abschnitt 6a.4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.“

Die Regelungen dieses Schreibens sind auf nach dem 31. Dezember 2013 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Hat der Unternehmer für nach dem 30. Juni 2011 und vor dem 1. Januar 2014 ausgeführte Umsätze die Nachweisführung entsprechend den vorgenannten Grundsätzen vorgenommen, wird dies nicht beanstandet.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 3 – S-7156 / 13 / 10001 vom 06.01.2014

Neue Leitlinien des OLG Schleswig-Holstein zum Unterhaltsrecht

Die Richter der sechs Familiensenate des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts haben sich auf neue Leitlinien zum Unterhaltsrecht geeinigt. Die ab 1. Januar 2014 geltenden neuen Leitlinien sollen einer einheitlichen Rechtsprechung der Familiengerichte in Schleswig-Holstein dienen und Rechtssicherheit für gleich liegende typische Fälle schaffen, in denen Unterhalt zu zahlen ist.

Die Leitlinien des Oberlandesgerichts enthalten zum 1. Januar 2014 insbesondere folgende Änderungen:

1. Beim Unterhalt für minderjährige Kinder stellen die Kosten für die Betreuung eines Kindes im Kindergarten oder in vergleichbaren Einrichtungen „Mehrbedarf“ des Kindes dar (Ziffer 10.3 der Leitlinien). Dies bedeutet, dass die Kosten nicht automatisch von dem Elternteil zu tragen sind, bei dem das Kind lebt und der während der Kindergartenbetreuung einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Vielmehr haben beide Elternteile – sowohl der betreuende Elternteil als auch der Elternteil, mit dem das Kind nicht zusammenlebt – anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Kindergartenbeiträge zu zahlen. Die Kosten für die Kinderbetreuung sind nicht in den allgemeinen Tabellensätzen für den Kindesunterhalt enthalten.

2. Die Selbstbehaltssätze, das heißt die Beträge, die dem Unterhaltsverpflichteten nach Zahlung von Unterhalt mindestens zu verbleiben haben, sind grundsätzlich gleich geblieben.(*) Neu ist in den Leitlinien die Pauschalierung der sog. Haushaltsersparnis auf 10 % des Selbstbehalts (Ziffer 21.5 der Leitlinien). Um diesen Betrag ermäßigt sich der Selbstbehaltssatz, wenn der Unterhaltsverpflichtete mit einem/einer leistungsfähigen Partner/Partnerin zusammenlebt, der/die sich an den Kosten des gemeinsamen Haushalts beteiligt. In diesem Fall beträgt beispielsweise der Selbstbehaltssatz beim Unterhalt für minderjährige Kinder für den unterhaltspflichtigen berufstätigen Elternteil im Regelfall nur noch 900 Euro (1.000 Euro abzgl. 10 %).

Die Beträge für den Unterhalt von Kindern nach der Düsseldorfer Tabelle sind zum 01.01.2014 nicht erhöht worden. Allerdings rechnen die Schleswiger Richter mit einer Erhöhung im Laufe des Jahres 2014. Denn der 9. Existenzminimumbericht der Bundesregierung hat ein höheres Existenzminimum für Kinder für die Zeit ab 01.01.2014 ermittelt. Die Erhöhung des Mindestkindesunterhalts ist jedoch vom Gesetzgeber bisher nicht umgesetzt worden (diese knüpft an die Erhöhung des steuerrechtlichen Kinderfreibetrags an).

Die ab 01.01.2014 geltenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien finden sich im Internet unter Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts.

Die sechs Familiensenate beim Oberlandesgericht sind zuständig für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der schleswig-holsteinischen Amtsgerichte in Familiensachen. Für die Familienrichter bei den Amtsgerichten und in der Beratungspraxis der Anwälte haben sich die unterhaltsrechtlichen Leitlinien bewährt. Bei den Leitlinien handelt es sich nicht um verbindliche Rechtssätze, sondern um ein Hilfsmittel, das der Richter verwendet, um die Höhe des angemessenen Unterhalts im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen.

(*) Die Selbstbehaltssätze beim Unterhalt für minderjährige Kinder betragen für den unterhaltspflichtigen berufstätigen Elternteil 1.000 Euro und bei einem nicht Berufstätigen 800 Euro. Gegenüber Ansprüchen von getrennt lebenden beziehungsweise geschiedenen Ehegatten beträgt der Selbstbehaltssatz des Unterhaltsverpflichteten 1.100 Euro. Dieser Betrag gilt auch, wenn bei nicht verheirateten Elternteilen der eine Elternteil vom anderen Elternteil Unterhalt wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes fordert.

Quelle: OLG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 07.01.2014

Hinzurechnungsbetrag nach dem Außensteuergesetz als Teil des Gewerbeertrags

Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 2513/12 G

Datum:
28.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 2513/12 G
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für das Jahr 2009 mit Bescheid vom 19.12.2011 (Schätzung), geändert am 12.3.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.6.2012.

3Streitig ist, ob der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) den gewerblichen Einkünften zuzurechnen ist.

4Die Klägerin wurde mit Vertrag vom 4.8.2006 gegründet. Sie ist seitdem Alleingesellschafterin der „A“ in „B“-Land. Letztere erzielte in 2009 Einkünfte aus sog. passiver Tätigkeit (Zinsen und Währungsdifferenzen) i.S.d. AStG in Höhe von 110.567 Euro. Dieser Betrag wurde erklärungsgemäß dem körperschaftssteuerlichen Einkommen zugerechnet. In der Gewerbesteuererklärung machte die Klägerin diesen Betrag als Kürzung des positiven Teils des Gewerbeertrages, der auf Betriebsstätten im Ausland entfällt, nach § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geltend. Dem folgte der Beklagte, anders als in den Vorjahren, nicht.

5Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass es sich bei der ausländischen Zwischengesellschaft zwar nicht um eine Betriebsstätte handele, jedoch die Hinzurechnungsbesteuerung die Abschirmwirkung der ausländischen Kapitalgesellschaft in unzulässiger Weise durchbreche. Außerdem habe die Gewerbesteuer Inlandscharakter, da nur der stehende Gewerbebetrieb im Inland besteuert werde. Dem widerspreche die Einbeziehung der ausländischen Einkünfte. Aus dem Wegfall der §§ 11 Abs. 2 und 13 Abs. 1 Nr. 2 AStG a.F. (UntStFGesetz vom 20.12.2001 BGBl I S. 3858) sei zudem zu schließen, dass auch nach der gesetzgeberischen Absicht die betreffenden ausländischen Einkünfte nicht mehr dem inländischen Betrieb der Klägerin zuzurechnen sein sollen. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG  sei hingegen nicht zu schließen, dass die Einbeziehung der Einkünfte einer ausländischen Tochtergesellschaft mit Betriebsstätteneinkünften gerechtfertigt sei, da die Hinzurechnungsbeträge auf das ausländische Betriebsvermögen entfielen. Sodann sei es erforderlich, egal, ob die ausländischen Einkünfte durch eine ausländische Tochtergesellschaft oder durch eine ausländische Betriebsstätte erwirtschaftet würden, diese gleich zu behandeln.

6Der Beklagte hielt dem entgegen, die hier in Rede stehenden ausländischen Einkünfte erfüllten die Voraussetzungen der §§ 7 ff. AStG. Die Einkünfte seien gem. § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtig und gem. § 10 Abs. 1 AStG als sog. Hinzurechnungsbetrag anzusetzen. Der Hinzurechnungsbetrag gehöre nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG zu den Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und sei bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, wie hier, Teil der gewerblichen Einkünfte (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AStG). Wegen der Verknüpfung des Gewerbeertrages mit dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 Abs. 1 GewStG) wirke sich dies auch auf den Gewerbesteuermessbetrag aus. Daran ändere auch die Vorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG nichts, denn es handele sich bei der Beteiligung an der „A“ nicht um eine Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift. Eine Kürzung würde zudem die Sinnhaftigkeit des § 10 Abs. 2 AStG (Fassung Art. 5 Gesetz vom 20.12.2001 BGBl I Seite 3858, § 21 Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 AStG) in Frage stellen. Die teilweise in der Fachliteratur geäußerten Zweifel rechtfertigten keine analoge Anwendung des § 9 Nr. 3 GewStG.

7Am 6.7.2012 hat die Klägerin die zulässige Klage erhoben.

8Im Klageverfahren ergänzte die Klägerin ihr Vorbringen. Der Telos des § 9 Nr. 3 GewStG gebiete, ausgehend von dem Grundsatz der Besteuerung des im Inland betriebenen stehenden Gewerbebetriebes, die Gleichbehandlung der fraglichen Einkünfte der Klägerin mit Betriebsstätteneinkünften. Systematisch könne es keinen Unterschied machen, ob eine ausländische Tochtergesellschaft oder ein ausländischen Betriebsstätte betroffen sei. Letztlich komme es bei der Vorgehensweise des Beklagten zu einer unzulässigen Auswechslung des Steuersubjekts.

9Die Belastung mit Gewerbesteuer widerspreche zudem dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Zwecksetzung der Hinzurechnungsbesteuerung als Mittel der Missbrauchsabwehr.

10Schließlich sei beachtlich, dass auch die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 8 GewStG einschlägig sei. Der Hinzurechnungsbetrag sei im vorliegenden Sachverhalt als Gewinn aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft zu verstehen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG gehöre der Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das AStG qualifiziere also den Hinzurechnungsbetrag als einen unter diese Vorschrift fallenden Gewinnanteil, so dass der Anwendungsbereich des § 9 Nr. 8 GewStG eröffnet sei. Zwischen Deutschland und „B“- Land bestehe auch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

11Die Klägerin beantragt,

12die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für 2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.3.2012 sowie der Einspruchsentscheidung vom 5.6.2012 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro festgesetzt wird;

13hilfsweise, die Revision zuzulassen.

14Der Beklagte beantragt,

15die Klage abzuweisen;

16hilfsweise, die Revision zuzulassen.

17Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest. Ergänzend weist er darauf hin, dass gemäß § 20 AStG die Vorschriften der §§ 7 bis 18 AStG durch DBA nicht berührt würden und bereits daher § 9 Nr. 8 GewStG nicht zur Anwendung komme.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat den Gewerbesteuermessetrag zutreffend ermittelt und dabei zu Recht den maßgeblichen Gewinn nicht um den Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 1 AStG gekürzt.

201. Der für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages maßgebliche Gewerbeertrag (§ 6 GewStG) ist der nach den Vorschriften des EStG und des Körperschaftssteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge (vgl. § 7 Satz 1 GewStG).  Der für die Klägerin nach den Vorschriften des KStG ermittelte Gewinn ist um den sog. Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 AStG) zu erhöhen (§ 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AStG). Voraussetzung für den Ansatz eines Hinzurechnungsbetrages ist die Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger in einem bestimmten Umfang an ausländischen Gesellschaften, die Einkünfte aus passivem Erwerb (vgl. § 8 Abs. 1 AStG: Zwischengesellschaft) erzielen, welche im Ausland einer niedrigeren Besteuerung (vgl. § 8 Abs. 3 AStG) unterliegen. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, bezüglich ihrer Beteiligung an der „A“ erfüllt. Der Betrag ist, auch hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus, der Höhe nach zutreffend ermittelt.

212. Als Teil der gewerblichen Einkünfte der Klägerin ist der Hinzurechnungsbetrag auch Teil des Gewerbeertrages für Zwecke der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21.12.2005 I R 4/05, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2006, 555; Abschnitt 38 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 der Gewerbesteuerrichtlinien –GewStR- 1998 und Hinweis 7.1 (1) zu den GewStR 2009; Bundestagsdrucksache -BT-Drs.- 14/6882, Seite 43; Rödder, Zeitschrift für internationales Steuerrecht –IStR- 2009, 873 m.w.N.).

22Das Gericht kann sich nicht der Meinung der Klägerin anschließen, dass sich aus dem Gesetz dergleichen nicht ergebe. In § 21 Abs. 7 AStG geht der Gesetzgeber offenbar von gewerbesteuerlichen Konsequenzen als selbstverständlich aus. Die Einbeziehung des Hinzurechnungsbetrages in die Gewerbesteuerpflicht ergibt sich zudem aus der Gesetzessystematik, wonach der Gewerbeertrag mit dem Gewinn aus Gewerbebetrieb verknüpft ist.

23Der Umstand des Wegfalls der Vorschriften der §§ 11 Abs. 2 und 13 Abs. 1 Nr. 2 AStG sollte an der Relevanz der Zurechnungsbeträge für die Gewerbesteuer nichts ändern. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 AStG a.F. sollten bestimmte Gewinnanteile (Schachteldividenden) für die Gewerbesteuer von dem Hinzurechnungsbetrag (§ 10 AStG) auszunehmen sein. Nach § 11 Abs. 2 AStG sollten bei Überschreiten des Hinzurechnungsbetrages durch ausgeschüttete Gewinnanteile u.a. Gewerbesteuern zu erstatten sein. Das gewünschte steuerliche Ergebnis im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Hinzurechnungsbetrag und Ausschüttungen wurde nunmehr durch § 3 Nr. 41 EStG und § 8 b KStG sichergestellt, so dass es des § 11 Abs. 2 AStG nicht mehr bedurfte (vgl. Vogt in Blümich, Kommentar zum AStG, Stand Mai 2011, § 11 Rz. 17).

24Auch aus der in § 12 Abs. 1 AStG angeordneten Begrenzung der Anrechnung der Steuern der ausländischen Zwischengesellschaft auf die Körperschaftssteuer der beteiligten Kapitalgesellschaft und eben nicht auf die Gewerbesteuer lässt sich nicht herleiten, dass der Hinzurechnungsbetrag nur der Körperschaftssteuer unterliegen soll (ebenso Rödder IStR 2009, 873, 876).

25Die gewerbesteuerliche Erfassung auch des Hinzurechnungsbetrages widerspricht, anders als die Klägerin meint, weder dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer noch der prinzipiellen Beschränkung auf inländische Gewinne (so wohl auch Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG § 9 Nr. 3 Rz. 12). Denn aus diesem Charakter lässt sich kein Grundsatz ableiten, der es gebieten würde, ausländische Teile des Gewerbebetriebes nicht zum inländischen Steuerobjekt zu zählen und im Ausland erwirtschaftete Erträge, die nicht einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, aus der Besteuerung des im Inland befindlichen Gewerbebetriebes auszunehmen. Vielmehr unterfällt der Unternehmer im vollen Umfang der Gewerbesteuer auch dann, wenn er im Ausland tätig ist und nur eine inländische Betriebsstätte unterhält. Erträge des inländischen Unternehmers aus Auslandsbeziehungen sind also nicht generell von der Gewerbesteuer frei, sondern nur die in einer ausländischen Betriebsstätte erzielten Erträge (vgl. Gosch in Blümich § 9 GewStG Rz. 216, 217). Ob die Einbeziehung der Hinzurechnungsbeträge angesichts der eingangs erwähnten Prinzipien sachlich zwingend geboten war, kann dahinstehen. Letztlich handelt es sich bei den passiven Einkünften typischerweise um ausgelagerte Einkünfte, die ohne eine eigene (ausländische) Betriebsstätte im Ausland verbucht werden und deshalb sozusagen aus gewerbesteuerlicher Sicht „in der Luft hängen“.

26Rechtsfolge der sog. Hinzurechnungsbesteuerung ist die Durchbrechung der für Kapitalgesellschaften kennzeichnenden Abschirmwirkung und eine Besteuerung auch nicht ausgeschütteter Einkünfte beim inländischen Gesellschafter. Zweck der Regelung ist die Beseitigung von Steuervorteilen aufgrund einer aus Sicht des Inlandes unerwünschten Einkünfteverlagerung in das niedrig besteuernde Ausland (vgl. Rödder aaO.). Die dadurch tangierte Freiheit des Kapitalverkehrs, welche durch EU-Recht auch im Verhältnis zu Drittstaaten gewährleistet wird, steht dem nicht entgegen. Bei den §§ 7 ff. AStG handelt es sich um Vorschriften, welche am 31.12.1993 in dem hier maßgeblichen Umfang bereits bestanden und deren Anwendung deshalb nicht durch die Kapitalverkehrsfreiheit eingeschränkt wird (vgl. BFH- Urteil vom 21.12.2005 I R 4/05, BStBl II 2006, 555). Der prinzipielle Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts tritt schon aus diesem Grund zurück.

27Die an der gesetzlichen Regelung geübte Kritik mag gerechtfertigt sein (vgl. insb. Gosch in Blümich, Kommentar zum GewStG § 9 Rz. 221a). So dürfte der Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer eine überschießende Tendenz innewohnen (vgl. hierzu insbesondere Rödder aaO. und Beispiel bei Schnitger, IStR 2011, 328). Deshalb wird dafür plädiert, zumindest eine Anrechnung ausländischer Ertragsteuern auf die Gewerbesteuer zu ermöglichen (vgl. Rödder aaO. Seite 875). Allerdings sind die gesetzlichen Regelungen noch von dem dem Gesetzgeber zustehenden weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der Besteuerung umfasst und ist es nicht Aufgabe des Rechtsanwenders, hierbei Korrekturen vorzunehmen. Im Einzelfall mag eine Lösung im Erlasswege gefunden werden. Die Regelungen sind auch nicht einer anderweitigen Auslegung zugänglich noch enthalten sie Gesetzeslücken, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen wären.

283. Eine Kürzung nach § 9 Satz 1 Nr. 3 GewStG ist nicht vorzunehmen. Die Vorschrift setzt eine „nicht im Inland belegene Betriebsstätte“ voraus. Es gilt der Betriebsstättenbegriff des § 12 der Abgabenordnung –AO- (vgl. Gosch in Blümich § 9 GewStG Rz. 218). Demgegenüber unterhielt die Klägerin in Singapur keine Betriebsstätte.

29Eine Kürzung des Gewinnes und der Hinzurechnungen lässt sich deshalb im Falle der Klägerin mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren. Der anders lautenden Auffassung, wie sie in der Literatur von Gosch (in Blümich § 9 GewStG Rz. 221a) und von Rödder (IStR 2009, 873; Unternehmensbesteuerung –Ubg- 2013, 23) vertreten wird (dagegen Schnitger, IStR 2011, 328 330), kann sich das Gericht nicht anschließen. Es erscheint, jedenfalls im Falle der Klägerin, zu weitgehend, eine Betrachtung dahingehend zu erweitern, dass diese Beträge, also die Hinzurechnungsbeträge, „letztlich auf ausländische Betriebsstätten entfallen“ und „in solchen ihren Ursprung“ haben. Ob sich hieraus möglicherweise ein Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ergeben könnte, eine entsprechende Erweiterung vorzunehmen, ist nicht Gegenstand im Klageverfahren zu entscheiden.

304. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG kommt nicht in Betracht, denn die ausländische Gesellschaft („B“- Land) fällt nicht unter die Mutter-Tochter Richtlinie (§ 9 Nr. 7 Satz 1 2. Halbsatz) und erwirtschaftet ihre Einkünfte auch nicht aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG unterfallenden Tätigkeiten (§ 9 Nr. 7 Satz 1 1. Halbsatz) (dazu Schnitger aaO. Seite 330; Rödder aaO. Seite 876).

315. Ebensowenig sind die Voraussetzungen für eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 8 GewStG gegeben. Danach ist der Gewinn um Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter der Maßgabe einer Mindestbeteiligung von der Gewerbesteuer befreit sind, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu kürzen. Zu den Gewinnen aus Anteilen rechnen alle wirtschaftlichen Vorteile, die aus dem Besitz der Anteile gezogen werden und die beim Anteilseigner zu steuerbaren Bezügen führen (vgl. BFH-Urteil vom 25.1.2006 I R 104/04, BStBl II 2006, 844). Darunter fällt der Hinzurechnungsbetrag nach dem AStG nicht.

32Eine weitergehende Befreiung nach dem DBA-„B“-Land kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschriften von DBA gem. § 20 Abs. 1 AStG die Anwendung des AStG nicht berühren.

336. Die Revision wird zugelassen. Die Sache hat angesichts der in der Fachliteratur geäußerten Kritik an der gesetzlichen Regelung und dem dort erwogenen Verständnis insbesondere des § 9 Nr. 3 GewStG grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).

347. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Keine Änderung wegen widerstreitender Steuerfestsetzung bei unterschiedlichen Lebenssachverhalten

Finanzgericht Düsseldorf, 14 K 1400/11 E

Datum:
25.10.2012
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 1400/11 E
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 11.02.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2011 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

1Tatbestand

2Streitig ist die verfahrensrechtliche Befugnis des Beklagten zum Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides 2001 vom 11.02.2011.

3Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

4Der Kläger erzielt als selbständiger Einzelunternehmer mit einem Maler- und Lackierbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund einer Vereinbarung aus dem Jahre 1993 überließ der Schwiegervater dem Kläger eine auf dem Grundstück „A“ in „B“ befindliche Scheune für die Dauer von 20 Jahren unentgeltlich zur betrieblichen Nutzung. Eine Verpflichtung des Schwiegervaters zur Vornahme von Reparaturmaßnahmen bestand nicht. Nach dem Inhalt der Vereinbarung war der Kläger berechtigt, die auf dem Gelände befindliche Scheune auf eigene Gefahr und auf eigenes Risiko von innen ausbauen und für die Zwecke seines Betriebes herzurichten. Für den Fall der Beendigung der Nutzungsüberlassung stand dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des Wertes der von ihm geschaffenen Baumaßnahmen zu.

5Im Jahr 2000 nahm der Kläger eine umfangreiche Sanierung des Scheunendaches vor und machte hierfür Betriebsausgaben i. H. von netto 149.483,00 DM in 2000 und 4.298 DM in 2001 sowie zusätzlich in 2001 Aufwendungen von 57.341 DM für die Errichtung von 12 Stellplätzen geltend. Mit Vertrag vom 18.06.2001 übertrug der Schwiegervater das Grundstück unentgeltlich auf seine Tochter, die Klägerin. Der Übertragungsvertrag enthielt u.a. die Zusicherung des Vaters gegenüber der Klägerin, dass keine Miet- und Pachtverhältnisse mit Dritten bestünden. Mit Vertrag vom 28.06.2001 nahm die Klägerin an den Kläger eine entgeltliche Vermietung der Scheune mit einer monatlichen Kaltmiete von 3.736 DM vor. Einen Ersatzanspruch für die in den Jahren 2000 und 2001 getätigten Aufwendungen machte der Kläger gegenüber seinem Schwiegervater nicht geltend.

6Nach Eingang der Einkommensteuererklärung 2001 im Jahr 2002 erließ der Beklagte zunächst einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12.11.2002. Im Jahr 2004 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (Groß-BP) eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 durch. Im Betriebsprüfungsbericht vom 19.06.2006 vertrat die Groß-BP die Auffassung, dass die in 2000 und 2001 getätigten Aufwendungen für die Dachsanierung und die Errichtung der Stellplätze im Jahr ihrer Entstehung nicht abzugsfähige Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellten und nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen seien. Diese Beurteilung beruhe auf der Tatsache, dass der Kläger den ihm gegen seinen Schwiegervater zustehenden Ersatzanspruch nicht geltend gemacht habe. Da die Aufwendungen für die Dachsanierung bereits aus dem genannten Grund nicht abzugsfähig seien, könne dahingestellt bleiben, ob die Aufwendungen tatsächlich ausschließlich dem betrieblich genutzten Gebäude zuzurechnen seien. Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen ergingen unter dem 18.10.2006 geänderte Bescheide zur Einkommensteuer 2000 und 2001, in denen zugleich der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde.

7Im nachfolgenden Einspruchsverfahren ging der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2008 bei der Einkommensteuer 2000 davon aus, dass die vom Kläger vorgenommen Dachsanierungsarbeiten dem Grunde nach als Betriebsausgaben zu behandeln seien. Da der Kläger jedoch keinen Nachweis darüber erbracht habe, dass sämtliche Aufwendungen auf das von ihm betrieblich genutzte Gebäude entfielen, berücksichtigte er im Schätzungswege lediglich 50 % der Aufwendungen (netto 74.742,00 DM) als Betriebsausgaben. Zugleich erließ der Beklagte für 2001 eine verbösernde Einspruchsentscheidung. In dieser ging er davon aus, dass wegen der Beendigung des unentgeltlichen Überlassungsverhältnisses des Betriebsgrundstücks im Sommer 2001 die Entnahme eines Aufwendungsersatzanspruchs resultierend aus den Dachsanierungsaufwendungen stattgefunden habe und erhöhte den Gewinn um netto 74.742,00 DM.

8Gegen die Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger Klage. In dem vor dem 16. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf geführten Verfahren (16 K 4705/08 E) beschränkten die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2010 den geltend gemachten Aufwand für die Dachsanierung auf 138.621,00 DM. Nach einer Beweisaufnahme vertrat der 16. Senat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung, dass der betriebliche Charakter der Aufwendungen für die Dachsanierung in Höhe des gesamten geltend gemachten Betrages feststehe und die Aufwendungen im Jahr 2000 in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Aufgrund dessen sagte der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Erlass eines entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheides 2000 zu. Die Beteiligten erklärten daraufhin das Verfahren wegen Einkommensteuer 2000 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.

9Zur Einkommensteuer 2001 wies der 16. Senat die Klage im Urteil vom 04.11.2010, zugestellt am 07.12.2010, ab. Nach den Urteilsgründen ging der Senat davon aus, dass ungeachtet der geltend gemachten AfA für die Stellplätze eine höhere als die festgesetzte Einkommensteuer allein auf Grund der gewinnwirksamen Aktivierung des Wertersatzanspruchs aus der Dachsanierung im Jahr 2001 in Höhe von 138.621 DM statt wie bisher 74.742 DM festzusetzen gewesen wäre. Auf die Gründe des Urteils wird Bezug genommen.

10Nach dem Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheides 2000 vom 06.01.2011 erließ der Beklagte den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001 vom 11.02.2011. Der Beklagte stützte die Änderung auf § 174 der Abgabenordnung (AO) und legte der Festsetzung einen in Zusammenhang mit der Aktivierung des Aufwendungsersatzanspruches um 63.879,00 DM erhöhten Gewinn zu Grunde.

11Mit Schreiben 09.03.2011 legten die Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 Einspruch ein, den der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2011 als unbegründet zurückwies.

12Gegen die Einspruchsentscheidung haben die Kläger am 29.04.2011 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie unter Einbeziehung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren vor: Der Änderungsbescheid hätte nicht ergehen dürfen, da die Festsetzungsfrist abgelaufen und die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 174 AO oder einer anderen Änderungsvorschrift nicht erfüllt seien.

13Die Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) habe durch die Abgabe der Steuererklärung im Jahr 2002 mit Ablauf des Jahres 2002 zu laufen begonnen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Infolge der Einspruchseinlegung sei es zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO gekommen. Danach laufe die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf, hier die Klage, unanfechtbar entschieden sei. Im Hinblick auf die Urteilszustellung am 07.12.2010 sei die Rechtsmittelfrist gemäß § 54 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung (FGO), § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 07.01.2011 abgelaufen. Aufgrund dessen sei der angefochtene Änderungsbescheid vom 11.02.2011 außerhalb der Festsetzungsfrist ergangen.

14Auch aus einer Änderungsvorschrift ergebe sich keine Möglichkeit trotz Ablaufs der Festsetzungsfrist einen geänderten Bescheid zu erlassen. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO seien nicht erfüllt. Zwar sei nach der übereinstimmenden Erledigungserklärungen in dem Verfahren zur Einkommensteuer 2000 der Einkommensteuerbescheid 2000 zu ihren Gunsten geändert worden und die Änderungen somit auf ihren Antrag zurückzuführen. Allerdings setze § 174 Abs. 4 AO voraus, dass aufgrund der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werde und aus diesem bestimmten Sachverhalt die richtigen steuerlichen Folgen gezogen würden. § 174 Abs. 4 AO ermögliche damit die Korrektur einer irrigen Beurteilung, also eines Irrtums, der auch der Beurteilung in einem anderen Bescheid zugrunde liege. Im Rahmen des Änderungsbescheides zur Einkommensteuer 2000 vom 17.11.2008 habe der Beklagte insofern jedoch zwei Irrtümern unterlegen, indem er zum einen davon ausging, dass die Hälfte der Dachsanierungsaufwendungen auf das von dem Schwiegervater des Klägers genutzte Gebäude entfalle, mithin nicht betrieblich veranlasst sei und zum anderen eine Gewinnwirksamkeit der Entnahme in eben dieser Höhe annahm. Demgegenüber sei der Einkommensteuerbescheid 2001 nicht nur allein aufgrund der irrigen Beurteilung der betrieblichen Veranlassung des Aufwands geändert worden, sondern zudem aufgrund der irrigen rechtlichen Beurteilung zur Steuerauswirkung der Entnahme. Die vom Beklagten beabsichtigte Korrektur in 2001 diene damit der Korrektur eines zweifachen Irrtums und nicht bloß der Folge-Korrektur der irrtümlichen Beurteilung des Sachverhalts in 2000.

15Es fehle auch an einem „bestimmten Sachverhalt“, der beiden Steuerbescheiden zugrunde liege. Entscheidend sei insoweit, dass der Sachverhalt oder Sachverhaltskomplex, der dem geänderten Bescheid zugrunde liege, nicht verändert und durch weitere Tatsachen ergänzt werde. Dies sei jedoch gerade vorliegend der Fall, weil der Sachverhaltskomplex „Dachsanierung“, der dem Steuerbescheid 2000 zugrunde liege, erst durch das Hinzutreten der weiteren Tatsache „Beendigung des Leihverhältnisses“ zu einer gewinnwirksamen Berücksichtigung führe. Die gewinnwirksame Aktivierung des Ersatzanspruchs sei nicht zwangsläufige Folge der Dachsanierung und ihrer betrieblichen Veranlassung gewesen. Vielmehr sei das Hinzutreten weiterer Handlungen erforderlich, hier die Übertragung des Grundstücks bzw. der Neuabschluss des Mietvertrages mit der Klägerin. Es hätte beispielsweise auch zu einer Änderung des Vertrages kommen können, bevor der Ersatzanspruch entstanden wäre. In diesem Falle wäre eine gewinnwirksame Aktivierung vollständig ausgeblieben.

16Auch die Änderungsvorschriften des § 174 Abs. 1 bis 3 AO setzten das Vorliegen eines Sachverhalts, der in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden sei, voraus. Deshalb scheide bereits aus diesem Grunde eine Änderung nach den genannten Vorschriften aus.

17Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei bereits im Hinblick auf § 173 Abs. 2 ausgeschlossen, da die nun geänderten Bescheide infolge einer Außenprüfung ergangen seien. Zudem sei dem Beklagten der gesamte Sachverhalt bekannt gewesen, er habe lediglich eine unrichtige rechtliche Würdigung vorgenommen.

18Die Kläger beantragen,

19den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 11.02.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2011 aufzuheben;

20              hilfsweise, die Revision zuzulassen;

21              die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig

22              zu erklären.

23Der Beklagte beantragt,

24              die Klage abzuweisen,

25hilfsweise, die Revision zuzulassen.

26Er trägt unter Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vor: Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 174 Abs. 4 AO seien erfüllt. Es handele sich entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht um zwei Sachverhalte sondern um einen Sachverhaltskomplex. Unter dem Begriff des „bestimmten Sachverhalts“ sei ein einheitlicher Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerrechtliche Folgen knüpfe. Erfasst werde ein Lebensvorgang oder Sachverhaltskomplex, der aufgrund des inneren Zusammenhangs der Ereignisse als zusammengehörig anzusehen sei, weil die einzelnen Ereignisse nur Teile eines einheitlichen Ganzen bildeten. Der Begriff des bestimmten Sachverhalts sei dabei nicht auf einzelne steuererhebliche Tatsachen oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasse nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.08.2007 I R 74/06 den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Entscheidend sei, dass aus demselben – unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten – Sachverhalt andere steuerrechtliche Folgerungen noch in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen seien. Im Streitfall sei „bestimmter Sachverhalt“ die Tatsache, dass die Dachsanierungsaufwendungen durch den Kläger getragen worden seien und dass diese Aufwendungen zu einem Aufwendungsersatzanspruch des Klägers nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch führten. Dabei sei unerheblich, ob der Fehler im tatsächlichen oder rechtlichen Bereich anzusiedeln sei.

27Da die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 zu ihren Gunsten selbst herbeigeführt hätten, seien sie bei der Frage der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 2001 nicht besonders schutzwürdig und müssten die Folgen der für sie nachteiligen Änderung tragen.

28Einer Änderung stehe auch nicht der Ablauf der Festsetzungsfrist des Einkommensteuerbescheides 2001 am 07.01.2011 entgegen, da die steuerlichen Folgerungen nach § 174 Abs. 4 AO innerhalb eines Jahres nach Änderung des fehlerhaften Einkommensteuerbescheides 2000 gezogen worden seien.

29Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Steuerakten und die finanzgerichtliche Akte zum Verfahren 16 K 4705/08 E verwiesen.

30Entscheidungsgründe

31Die Klage ist begründet.

32Die Kläger sind durch den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2001 vom 11.02.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2011 in ihren Rechten verletzt, da keine verfahrensrechtliche Befugnis, insbesondere nicht nach § 174 Abs. 4 AO, für die vorgenommene Änderung bestand. Der Bescheid war auf Grund dessen aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz FGO).

331. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können aus einem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Die Vorschrift zieht die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid eine „widerstreitende Steuerfestsetzung“ enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (BFH-Beschluss vom 10.11.1997 GrS 1/96, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1998, 83, BFH-Urteile vom 24.08.2008 IV R 50/00, BStBl II 2009, 35, und vom 14.03.2012 XI R 2/10, Sammlung aller Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2012, 1506). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO).

34a) „Irrige Beurteilung“ eines Sachverhalts bedeutet, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts, den die Finanzbehörde sowohl der Besteuerung in dem zugunsten des Steuerpflichtigen geänderten als auch in einem anderen Steuerbescheid zu Grunde gelegt hat, nachträglich als unrichtig erweist. Unerheblich ist, ob der Irrtum die tatsächlichen Voraussetzungen des Vorliegens eines bestimmten Sachverhalts betrifft – z. B. die Frage, ob und in welchem Besteuerungsabschnitt ein bestimmter Sachverhalt eingetreten ist – oder die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts (BFH-Urteil vom 18.02.1997 VIII R 54/95, BStBl II 1997, 647 m. w. N.).

35b) Bei dem Tatbestandsmerkmal des „bestimmten Sachverhalts“ handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach dem Zweck der Vorschrift zu konkretisieren ist (von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO/FGO, Kommentar, § 174 AO Rz. 14; Frotscher in Schwarz, AO, Kommentar, § 174 Rz. 24). Der Begriff ist nach der Rechtsprechung des BFH in allen Alternativen des § 174 AO einheitlich auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 14.01.2010 IV R 33/07, BStBl II 2010, 586). Danach ist unter einem bestimmten Sachverhalt der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Hierunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern jeder einheitliche Lebensvorgang und Sachverhaltskomplex, an den das Gesetz eine steuerliche Folge knüpft (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 18.02.1997 VIII R 54/95, BStBl II 1997, 647; vom 26.02.2002 X R 59/98, BStBl II 2002, 450; BFH, BFH/NV 2012, 1506; BFH; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 174 AO Tz 5; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 56, 171, jeweils m.w.N.). Der ursprünglich beurteilte und der tatsächlich verwirklichte Lebens- und Besteuerungssachverhalt müssen nicht vollständig übereinstimmen

36(BFH-Urteil vom 02.05.2001 VIII R 44/00; BFH-Beschluss vom 25.02.2009 X B 121/08, BFH/NV 2009, 890; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O. § 174 Tz 5). Entscheidend ist jedoch, dass aus demselben – unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten – Sachverhalt andere steuerliche Folgen noch in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sind (BFH, BStBl II 1997, 647 unter B. 1. b)). Mit einem „bestimmten Sachverhalt“ ist daher „derselbe Sachverhalt“ gemeint. Anders wäre der Begriff „Widerstreit“ in der Überschrift der gesetzlichen Regelung nicht zu verstehen, denn „Widerstreit“ hinsichtlich eines Sachverhalts setzt denselben Sachverhalt in den – mehreren – widerstreitenden Situationen voraus (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz. 18).

372. a) Der Senat kann die Frage, ob tatsächlich die Voraussetzungen für eine „irrige Beurteilung“ in den Veranlagungszeiträumen 2000 und 2001 gegeben sind und die daran anknüpfende Frage einer eigenen Prüfungskompetenz der gesamten Steuerfestsetzung dahingestellt lassen. Insoweit gilt, dass einerseits grundsätzlich keine Bindung an die im vorausgegangenen Änderungsbescheid – vorliegend dem Einkommensteuerbescheid 2000 – vertretene Rechtsauffassung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 02.05.2001 VIII R 44/00, BStBl II 2001, 562). Andererseits könnte aus dem Urteil des 16. Senats vom 04.11.2010 im Verfahren 16 K 4705/08 E zur Einkommensteuer 2001 eine materielle Rechtskraftwirkung nach § 110 Abs. 1 FGO folgen, die einer Prüfungskompetenz des Senats bezüglich der Frage einer zutreffenden gewinnerhöhenden Berücksichtigung eines Aufwendungsersatzanpruchs des Klägers im Jahr 2001 entgegenstünde.

38b) Eine Anwendung des § 174 Abs. 4 AO kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei den für die Besteuerung maßgeblichen Geschehen in den Jahren 2000 und 2001 nicht um einen einheitlichen Lebensvorgang bzw. Sachverhaltskomplex handelt.

39Den Sachverhalt, den der Beklagte bei der Einkommensteuerveranlagung 2000 ursprünglich abweichend und in dem Abhilfebescheid zur Einkommensteuer 2000 vom 06.01.2011 entsprechend dem Begehren der Kläger beurteilt hat, hatte die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des nach der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2008 streitig verbliebenen Teils der Dachsanierungsaufwendungen zum Gegenstand.

40Im Verhältnis hierzu stellen die weiteren Vorgänge im Veranlagungszeitraum 2001, nämlich die Beendigung der Nutzungsüberlassung durch den Schwiegervater des Klägers und die Neuvermietung durch die Klägerin, die nach der Beurteilung des 16. Senats zum Entstehen eines gewinnerhöhend zu berücksichtigenden Aufwendungsersatzanspruches geführt haben, einen neuen Lebensvorgang bzw. Sachverhaltskomplex dar. Zwischen dem Anfall der Betriebsausgaben im Jahr 2000 und den genannten Vorgängen, die Grundlage für die Annahme eines Aufwendungsersatzanspruches sind, besteht keine innere Verbundenheit wie sie als Grundlage für eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO erforderlich wäre. Bei dieser Würdigung geht auch der Senat davon aus, dass die rechtliche Beurteilung der Dachsanierungsaufwendungen als Betriebsausgaben einen Bezug zum Bestehen eines möglichen Aufwendungsersatzanspruches hat. Das zwingt jedoch nicht dazu, einen einheitlichen Lebensvorgang annehmen zu müssen. Anders als vom Beklagten angenommen gibt es keinen einheitlichen im Jahr 2000 beginnenden und im Folgejahr 2001 weitergeführten Sachverhalt, dessen einzelne Tatsachen sich bei natürlicher Betrachtung als Teile eines gemeinsamen Ganzen darstellen. Vielmehr folgt der Dachsanierung im Jahr 2000 ein hiervon unabhängiger neuer Lebenssachverhalt im Streitjahr 2001, dessen Beurteilung lediglich durch die rechtliche Beurteilung im Jahr 2000 angelegt war. Die „Klammer“ bestand, wie der Beklagte selbst ausführt, zwischen den Vorgängen im Jahr 2000 und 2001 nur in der rechtlichen Beurteilung, dass an dem Betriebsausgabenabzug ein Aufwendungsersatzanspruch entstanden sei. Von dem grundsätzlichen Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruches sind jedoch die Tatsachen, die zu einer Verwirklichung dieses Anspruchs durch die weiteren Vorgänge im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinen Schwiegervater geführt haben, zu trennen. Das tatsächliche Entstehen eines Aufwendungsersatzanpruches war ein weiterer in zeitlicher Hinsicht und seiner Art nach unbestimmter Vorgang, der erst durch die neu hinzugetretenen Tatsachen im Jahr 2001 verwirklicht worden ist.

412. Eine Änderung nach § 174 Abs. 1 bis 3 AO kommt ebenfalls nicht Betracht. Die genannten Absätze des § 174 AO haben widerstreitende Steuerfestsetzungen zum Gegenstand bei denen ein wechselseitiges Ausschließlichkeitsverhältnis besteht, das eine nochmalige Berücksichtigung desselben Sachverhalts denkgesetzlich ausschließt (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.1994 X R 57/89, BStBl II 1994, 597; Klein/Rüsken, AO, Kommentar, 11. Aufl., § 174 Rz. 10.). Ein solcher Fall ist, wovon auch die Beteiligten ausgehen, vorliegend nicht gegeben. Zudem wäre auch für eine Änderung nach den genannten Regelungen das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts erforderlich.

423. Eine Änderung des ursprünglich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheides 2001 nach § 164 Abs. 2 AO ist unabhängig von der Frage eines Fortbestandes des Vorläufigkeitsvermerks nach § 164 Abs.2 AO schon wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht möglich (§ 164 Abs. 3 Satz 1). Die durch das Verfahren vor dem 16. Senat ausgelöste Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO hat spätestens mit der Rechtskraft des Urteils des 16. Senats am 07.01.2011 ihre Beendigung gefunden.

434. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO scheidet bereits auf Grund der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO aus. Zudem fehlt es am nachträglichen Bekanntwerden einer Tatsache oder eines Beweismittels.

44Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

45Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

46Die Revision war nicht zuzulassen. Der Entscheidung im Streitfall liegt eine anhand der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze zu§ 174 Abs. 4 AO vorgenommene Sachverhaltswürdigung zu Grunde. Die Entscheidung hat deshalb weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung eine einheitlichen Rechtssprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Zeitpunkt der Bildung einer Rückstellung für Mehrsteuern aufgrund Betriebsprüfung

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 4451/11 E,G

Datum:
29.08.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 4451/11 E,G
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d :

2Der Kläger ist Ingenieur. Er betrieb seit 1970 in der Rechtsform eines gewerblichen Einzelunternehmens ein „Ingenieurbüro“. Gegenstand des Unternehmens war zunächst die Herstellung und der Vertrieb von „T“. Später kam als weiteres Geschäftsfeld die Herstellung von „S“ hinzu. In diesem Zusammenhang gründete der Kläger im Jahr 1979 die „L“ GmbH (künftig GmbH) als Vertriebsgesellschaft. Ab Gründung der GmbH führte der Kläger als Alleingesellschafter die vormals im Rahmen des Ingenieurbüros getätigten Geschäfte über die GmbH fort. Die zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Betriebsmittel (Maschinen, Patente und sonstige Rechte) behielt der Kläger in seinem Eigentum. Die betreffenden Wirtschaftsgüter überließ er im Rahmen von Pachtverträgen der GmbH zur Nutzung. In einem Vertrag vom 20.6.1988 heißt es z.B. auszugsweise:

3Der Verpächter verpachtet sein in „F-Stadt“ betriebenes Handelsgeschäft (Ing. Büro) mit dem Anlagevermögen, wie es sich aus der als Anlage diesem Vertrag beigefügten Aufstellung per 30.6.1988 ergibt, an die Pächterin. Solange das Anlagevermögen an die Pächterin verpachtet ist, überlässt der Verpächter ohne jede Gewährleistungen seinen gesamten Betrieb, wie er steht und liegt, mit allen dazugehörigen Verträgen, Konzessionen, Erfahrungen, Unterlagen usw. der GmbH als Pächterin.

4Im Betriebsvermögen des Ingenieurbüros befand sich darüber hinaus auch das im Alleineigentum des Klägers stehende Gewerbegrundstück „A-Straße 1“ in „F-Stadt“, das er ebenfalls der GmbH zur Nutzung überließ. Seine Anteile an der GmbH bilanzierte der Kläger dagegen nicht als Betriebsvermögen des Ingenieurbüros.

5Mit Kaufvertrag vom 13.7.2006, auf den wegen der einzelnen Regelungen Bezug genommen wird, veräußerten sowohl die GmbH als auch der Kläger mit Wirkung zum 1.8.2006 bestimmte Wirtschaftsgüter zu einem Kaufpreis von 1.200.000 € an die „J-GmbH i.G.“ In der Präambel des Kaufvertrags heißt es auszugsweise:

6(3) Der Verkäufer 1. (Anmerkung: Die GmbH) beabsichtigt, das Unternehmen durch Übertragung des gesamten Betriebsvermögens und der Vertragsverhältnisse zu verkaufen und zu übertragen. Die Käuferin beabsichtigt, das Unternehmen auf diesem Wege zu übernehmen.

7(4) Der Verkäufer 2. (Anmerkung: Der Kläger) beabsichtigt, das Ingenieurbüro aufzugeben, indem er sämtliche in diesem Vertrag näher bezeichnete Vermögensgegenstände verkauft (…).

8(5) Der Verkäufer 2. wird im Rahmen der Beendigung seines Betriebes die von dem Betrieb genutzte Gewerbeimmobilie in sein Privatvermögen überführen.

9Von dem insgesamt gezahlten Kaufpreis entfielen 662.000 € auf das vom Kläger übertragene Anlagevermögen laut Anlage 2 zum Kaufvertrag und 350.000 € auf die gewerblichen Schutzrechte bzw. das Know-how laut Anlage 4 zum Kaufvertrag.

10In einer wenige Tage später geschlossen Zusatzvereinbarung vom 26.7.2006 legten die Vertragsparteien des Weiteren fest, dass über die in der Anlage 4 zum Kaufvertrag vom 13.7.2006 genannten gewerblichen Schutzrechte hinaus auch diejenigen immateriellen Rechte auf die Käuferin übergehen sollten, die Gegenstand des Know-how-Vertrages vom 27.9.2000 zwischen der „C-lnc.“ (künftig „C-lnc.“) und der GmbH (bzw. dem Kläger – nach Überleitung auf diesen durch Vertrag vom 13.12.2000) waren. In diesem Vertrag, auf den wegen der einzelnen Regelungen Bezug genommen wird, hatte der Kläger das Know-how sowie die Lizenz für die Produktion der von der GmbH entwickelten „S“-stechnologie für den Bereich Nord- und Südamerika sowie bestimmte asiatische Länder an die „C-lnc.“ gegen eine Einmalzahlung sowie umsatzabhängige Lizenzgebühren übertragen. Nach einer in der Zusatzvereinbarung vom 26.7.2006 getroffenen Regelung sollte das Entgelt für die dem Know-how-Vertrag unterliegenden Schutzrechte grundsätzlich mit dem Kaufpreis gemäß dem Kaufvertrag vom 13.7.2006 abgegolten sein. Die in dem Know-how-Vertrag ausgewiesenen Entgelte sollten jedoch bis zum 31.12.2010 weiterhin dem Kläger zustehen. In der Zusatzvereinbarung heißt es auszugsweise:

11Verkäufer und Käufer schließen heute klarstellend und ergänzend zu obigem Kaufvertrag die Vereinbarung, dass zusätzlich zu den gemäß Anlage 4 zum benannten Kaufvertrag aufgeführten gewerblichen Schutzrechten, Patenten, immateriellen Rechten, etc. auch die gewerblichen Schutzrechte, Patente, immateriellen Rechte, etc., soweit sie Gegenstand des Know-How-Contracts vom 27. September 2000 zwischen „C-lnc.“ und der „L“ GmbH bzw. Herrn „L“ sind, auch auf die „J-GmbH i.G.“ (…) übergehen werden, allerdings aufschiebend bedingt ab dem 1. Januar 2011 und zwar nur nach Ausübung des allein Herrn „J“ (…) zustehendem, jederzeit und ohne weitere Bedingungen auf erstes Anfordern, einseitigen Optionsrechts. (…) Das Entgelt hierfür ist mit dem Kaufpreis gemäß Kaufvertrag vom 13. Juli 2006 abgegolten. Die im als Anlage A beigefügten Know-how-Contract (…) ausgewiesenen Entgelte (Payments, Royalties, etc.) stehen bis zum Ende der gem. Art. 7 desselben Vertrags vereinbarten Grundlaufzeit (bis zum 31. Dezember 2010 inklusive) Herrn „L“ zu.

12Für die Jahre 2006 bis 2009 erhielt der Kläger nach seinen Angaben folgende Lizenzzahlungen von „C-lnc.“: 2006 = 45.500 €, 2007 = 50.562 €, 2008 = 20.000 €, 2009 = 85.261 €.

13Nicht mit veräußert wurde das bis dahin von der GmbH betrieblich genutzte Grundstück „A-Straße 1“. Dieses überführte der Kläger in sein Privatvermögen und vermietete es fortan zum größten Teil an die „J-GmbH i.G.“.

14Ebenfalls nicht mit veräußert wurde ein Patent für ein „R“. Dieses überließ der Kläger der GmbH gegen ein jährliches Entgelt von 600 € auch weiterhin zur Nutzung. Die von der GmbH im Streitjahr 2006 mit dem Verkauf von „R“ erzielten Bruttoumsätze beliefen sich auf ca. 90.583 €. Dem standen Gesamtumsätze der GmbH von ca. 2.226.446 gegenüber, so dass sich im Streitjahr der mit den „R“ erzielte Umsatzanteil auf ca. 4,07 % belief. Die GmbH führte auch nach der Veräußerung ihres Anlagevermögens ihre Tätigkeit in Bezug auf den Vertrieb von „R“ fort.

15Das Gewerbe des Ingenieurbüros meldete der Kläger am 15.8.2006 bei der Stadt „F-Stadt“ ab.

16In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung der Kläger für das Streitjahr erklärte der Kläger einen Gewinn aus der Aufgabe des Ingenieurbüros zum 31.8.2006 in Höhe von 1.160.599,08 €, den er wie folgt ermittelte:

17

Erlös Verkauf Sachanlagen abzgl. Buchwert 661.989,49
Erlös Verkauf Rechte 350.000,00
Entnahme Grundbesitz 385.000,00
Buchwert Grundbesitz -274.918,41
Auflösung Rücklage § 7g des Einkommensteuergesetzes –EStG– 34.400,00
Zuschlag § 7g Abs. 5 EStG 4.128,00
Summe 1.160.599,08

18Diesen Gewinn sah der Kläger als nach §§ 16, 34 Abs. 3 EStG begünstigten Aufgabegewinn an. Daneben erklärte er laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Ingenieurbüro in Höhe von 11.141,38 €. Des Weiteren erklärte der Kläger bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gem. § 18 EStG Lizenzeinnahmen aus den an die „C-lnc.“ überlassenen Rechten in Höhe von 45.500 € sowie Lizenzeinnahmen aus dem „R“-Patent in Höhe von 600 €. Im Zusammenhang mit den letztgenannten Einnahmen machte der Kläger Betriebsausgaben in Höhe von 290 € geltend, so dass sich die erklärten Lizenzeinkünfte insgesamt auf 45.810 € beliefen.

19Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) veranlagte die Kläger zunächst antragsgemäß und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 31.8.2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf 415.237 € fest.

20In den Jahren 2007 und 2008 fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung (BP) statt, die unter anderem auch die Einkommensteuer für das Streitjahr 2006 umfasste. Die BP gelangte zu der Auffassung, dass die Veräußerung durch Kaufvertrag vom 13.7.2006 nicht als begünstigte Betriebsaufgabe behandelt werden könne, da nicht alle stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst worden seien. Weder das Besitz- noch das Betriebsunternehmen seien endgültig aufgegeben worden, denn der Vertrieb der „R“ sei nicht eingeschränkt, sondern vielmehr erweitert worden. Darüber hinaus vertrat die „C-lnc.“ die Auffassung, dass für das betrieblich genutzte Grundstück „A-Straße 1“ ein zu geringer Entnahmewert angesetzt worden sei. Statt der vom Kläger erklärten 385.000 € sei von einem Entnahmewert von 440.000 € auszugehen.

21Mit Einkommensteueränderungsbescheid für 2006 vom 8.12.2008 setzte das FA die Einkommensteuer aufgrund der Feststellungen der BP auf 574.771 € herauf. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf. Mit Bescheid vom 26.1.2009 setzte das FA zudem (erstmalig) gegenüber dem Kläger einen Gewerbesteuermessbetrag für 2006 in Höhe von 50.955 € fest.

22Dagegen legten die Kläger (Einkommensteuer) am 8.1.2009 bzw. der Kläger (Gewerbesteuermessbetrag) am 11.2.2009 Einspruch ein.

23Am 4.11.2009 und am 22.12.2009 ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide. Mit dem letztgenannten Bescheid setzte das FA die Einkommensteuer auf 481.445 € fest. Die Reduzierung der Einkommensteuer gegenüber dem vorherigen Bescheid resultierte aus der Berücksichtigung einer Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte gemäß § 35 EStG in Höhe von 91.719 €.

24Ein weiterer Änderungsbescheid, mit dem die Einkommensteuer geringfügig auf 481.358 € herabgesetzt wurde, datierte vom 29.9.2010.

25Schließlich setzte das FA die Einkommensteuer mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011 auf 477.507 € herab. Die Reduzierung gegenüber dem Vorbescheid resultierte aus der Berücksichtigung weiterer Aufwendungen bei den Werbungskosten aus Kapitalvermögen in Höhe von 9.247 €. Im Übrigen erachtete das FA den Einspruch als unbegründet. Für die Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

26Den Einspruch des Klägers gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2006 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom gleichen Tag ebenfalls als unbegründet zurück.

27Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage.

28Im Rahmen des Klageverfahrens hat das FA am 10.1.2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 erlassen, in dem es die Einkommensteuer auf 498.741 € heraufgesetzt hat. Die Erhöhung der Einkommensteuer resultiert daraus, dass das FA erstmals im Streitjahr Lizenzeinnahmen von „C-lnc.“ für 2007 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigt hat. Ein weiterer Änderungsbescheid, beruhend auf geänderten Beteiligungseinkünften, datiert vom 27.2.2012.

29Zu den einzelnen Streitpunkten führen die Kläger Folgendes aus:

301. Betriebsaufgabe

31Aufgrund der personellen und sachlichen Verflechtung zwischen beiden Unternehmen habe jedenfalls bis einschließlich Juli 2006 eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers als Besitzunternehmen und der GmbH als Betriebsunternehmen bestanden. Der Kläger sei aufgrund seiner 100%-igen Anteilsmehrheit in der GmbH in der Lage gewesen, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung). Die sachliche Verflechtung habe daraus resultiert, dass der Kläger der GmbH mit dem Betriebsgrundstück mindestens eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage überlassen habe. Durch die Veräußerung bzw. Entnahme aller wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang sei die sachliche Verflechtung entfallen. Dies führe zu einer Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens mit der Folge, dass die im Betriebsvermögen des früheren Besitzunternehmens enthaltenen stillen Reserven aufzulösen seien. Die Betriebsaufgabe sei zwingende Folge des Wegfalls der sachlichen Verflechtung. Auf eine ausdrückliche Aufgabeerklärung komme es entgegen der in der Einspruchsentscheidung zum Ausdruck kommenden Auffassung des FA nicht an. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vom FA zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 2.2.2006 XI B 91/05 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2006, 1266), vom 4.7.2007 X R 49/06 (Bundessteuerblatt –BStBl– II 2007, 772) und vom 24.9.2008 X B 192/07 (BFH/NV 2009, 43). In all diesen Fällen habe die Besonderheit bestanden, dass das jeweilige Besitzunternehmen noch mit wesentlichen Betriebsgrundlagen fortgeführt worden sei. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Wie sich aus dem Kaufvertrag vom 13.7.2006 in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung vom 26.7.2006 ergeben habe, habe der Kläger mit Ausnahme des in sein Privatvermögen überführten Betriebsgrundstücks alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Käufer veräußert. Damit lägen die Voraussetzungen für eine nach §§ 16, 34 Abs. 3 EStG begünstige Betriebsaufgabe vor. Das vom Kläger nicht mit veräußerte „„R“-patent“ sei nicht als funktional wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen. Zum einen liege der hiermit erzielte Umsatzanteil von 4,07% unter dem vom BFH als Wesentlichkeitsschwelle erachteten Umsatzanteil von mindestens 25%. Zum anderen könne das „R“-patent keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, da der Kläger zwar formeller Inhaber des Patentes sei, dieses jedoch nichtig sei.

322. Überführung Betriebsgrundstück in das Privatvermögen

33Als gemeiner Wert im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG sei der in der mündlichen Verhandlung im Wege der tatsächlichen Verständigung mit dem FA vereinbarte Wert von 350.000 € anzusetzen. Hieraus ergebe sich eine Gewinnminderung von 90.000 €.

343. Lizenzzahlungen „C-lnc.“ 2007 bis 2009

35Die von dem Kläger in den Jahren 2007 bis 2009 vereinnahmten Entgelte aus dem Know-how-Vertrag mit „C-lnc.“ seien als Teil des Veräußerungsentgelts aus dem Verkauf des Geschäftsbetriebs zu qualifizieren und würden damit ebenfalls zum nach §§ 16, 34 Abs. 3 EStG begünstigten Aufgabegewinn des Jahres 2006 gehören. Die den Zahlungen zugrunde liegenden Patente seien gemäß der Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag vom 26.7.2006 in wirtschaftlichem und rechtlichem Zusammenhang mit dem nur wenige Tage zuvor geschlossenen Kaufvertrag an den Käufer veräußert worden. Laut der Vereinbarung hätten die Vertragsparteien zwar auf eine gesonderte Vergütung für die Übertragung der in der Zusatzvereinbarung genannten Patente verzichtet. Jedoch sollten die in dem Know-how-Vertrag ausgewiesenen Entgelte noch weitere drei Jahre (bis zum 31.12.2010) dem Kläger zustehen.

36Da der Kläger seit dem 1.8.2006 nicht mehr der Inhaber der dem Know-how-Vertrag zugrunde liegenden Patente gewesen sei, würden sich die in den Folgejahren auf der Grundlage dieses Vertrages noch erzielten Entgelte nicht als Leistung der „C-lnc.“, sondern als solche des Käufers der Patente an den Kläger darstellen. Bei verständiger Würdigung handele es sich bei der Abrede über die weitere Vereinnahmung der Lizenzentgelte durch den Kläger um nichts anderes als eine Modalität für die Kaufpreiszahlung und bei den in den Jahren 2007 bis 2009 von „C-lnc.“ erhaltenen Zahlungen folgerichtig um weitere Kaufpreisraten. Demzufolge sei der begünstigte Betriebsaufgabegewinn des Jahres 2006 um die Summe der in den Jahren 2007 bis 2009 erhaltenen Zahlungen von insgesamt 155.823 € (50.562 € + 20.000 € + 85.261 €) zu erhöhen. Gegenläufig sei der laufende Gewinn des Jahres 2006 um das vom FA fälschlich als Einkünfte aus selbständiger Arbeit qualifizierte Lizenzentgelt des Jahres 2007 von 50.562 € zu mindern.

374. Anteile an der GmbH

38Die Anteile an der Betriebs-GmbH würden im Rahmen der Betriebsaufspaltung notwendiges Betriebsvermögen darstellen. Dies gelte unabhängig davon, ob sie in der Vergangenheit tatsächlich als Betriebsvermögen ausgewiesen worden seien oder nicht. Sei ein Betriebsvermögensausweis in der Vergangenheit unterblieben, seien die GmbH-Anteile im ersten offenen Jahr mit dem Wert, mit dem sie bei von Anfang an zutreffender Bilanzierung zu Buche stünden (also mit den Anschaffungskosten oder dem Einlagewert), in die Eröffnungsbilanz dieses Jahres einzubuchen. Zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung seien die Anteile an der Betriebs-GmbH zwingend mit dem Teilwert in das Privatvermögen zu entnehmen. In Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert und dem Einbuchungswert ergebe sich ein Entnahmegewinn, der nach §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG a.F. dem Halbeinkünfteverfahren unterliege. Eine weitere Vergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG erfolge in diesem Fall nicht (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

39Die ursprünglichen Anschaffungskosten der GmbH-Anteile hätten 100.000 DM betragen (= 51.000 €). Der Teilwert der Anteile habe im Aufgabezeitpunkt ausweislich der dem FA mit Schreiben des Steuerberaters „E“ vom 5.3.2008 übermitteltem Berechnungen 541.000 € betragen. Hieraus ergebe sich ein Entnahmegewinn in Höhe von 490.000 € der gemäß § 3 Nr. 40 EStG a. F. mit 50 %, also 245.000 €, der (regulären) Besteuerung zu unterwerfen sei.

405. Gewerbesteuer

41Der im sachlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe entstandene Gewinn unterliege nicht der Gewerbesteuer. Der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2006 sei daher entsprechend den beantragten Änderungen zur Einkommensteuer herabzusetzen. Ein darüber hinausgehender Ermäßigungsbetrag nach § 35 EStG, den das FA zugunsten der Kläger berücksichtigt habe, sei mangels einer anrechenbaren Gewerbesteuerschuld wieder hinzuzurechnen.

426. Hilfsantrag

43Sofern das FG der Auffassung der Kläger nicht folge, dass eine begünstigte Betriebsaufgabe vorliege, seien die nachträglichen Lizenzeinnahmen der Jahre 2007 bis 2009 erst mit ihrem Zufluss zu erfassen. Der Gewinn des Jahres 2006 wäre somit um die vom FA hier bislang erfassten 50.562 € zu kürzen. Auch in diesem Fall wäre zudem als Entnahmewert für das Betriebsgrundstück statt der vom FA in Ansatz gebrachten 440.000 € der niedrigere Wert von 350.000 € zugrunde zu legen.

44Für die weiteren Ausführungen der Kläger wird auf die Schriftsätze (nebst Anlagen) vom 6.2.2012 und vom 4.9.2013 Bezug genommen.

45Die Kläger beantragen bzw. der Kläger beantragt,

46              1. die Einkommensteuer 2006 unter Abänderung des Bescheids für 2006 vom 27.02.2012 dergestalt festzusetzen,

47              a) dass die Aufgabe des Besitzunternehmens durch den Kläger im Jahr 2006 als begünstigte Betriebsaufgabe im Sinne von § 16 Abs. 3 EStG zu qualifizieren ist;

48              b) dass der gemeine Wert des Grundstücks „A-Straße 1“ in „F-Stadt“ mit 350.000 Euro angesetzt wird;

49              c) dass die seitens des Klägers in den Jahren 2007 bis 2009 vereinnahmten Lizenzentgelte von „C-lnc.“ in den Aufgabegewinn 2006 einzubeziehen sind;

50              d) dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Jahres 2006 um 50.562 Euro zu reduzieren sind;

51              e) dass der gemeine Wert (vor Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens) der GmbH-Anteile des Klägers an der „L“ GmbH mit 490.000 Euro anzusetzen ist;

52              f) dass die Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG entsprechend zu mindern ist;

53              2. den Gewerbesteuermessbetrag 2006 unter Abänderung des Bescheids für 2006 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 26.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011 entsprechend dem Antrag zur Einkommensteuer festzusetzen;

54              3. hilfsweise,

55              a) unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2006 vom 27.02.2012 die Einkommensteuer 2006 in der Weise festzusetzen, dass der Wert des Grundstücks „A-Straße 1“ in „F-Stadt“ mit 350.000 Euro angesetzt, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 50.562 Euro gemindert und die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG entsprechend gemindert werden;

56              b) den Gewerbesteuermessbetrag 2006 unter Abänderung des Bescheids für 2006 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 26.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011 entsprechend dem Hilfsantrag für die Einkommensteuer 2006 festzusetzen.

57Das FA beantragt,

58              die Klage abzuweisen.

59Es hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.

60E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

61Die zulässige Klage ist unbegründet.

62Der Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 27.2.2012 und der Gewerbesteuermessbescheid für 2006 vom 26.1.2009, letzterer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011, sind rechtmäßig und verletzten die Kläger (Einkommensteuer) bzw. den Kläger (Gewerbesteuermessbetrag) nicht in ihren bzw. seinen Rechten. Die Klage hat weder hinsichtlich des Hauptantrags noch hinsichtlich des Hilfsantrags Erfolg.

63I. Der Senat legt den Antrag der Kläger bzw. des Klägers dahingehend aus, dass die Teiländerungen gemäß Nr. 1 Buchstaben b) bis f) nur für den Fall beantragt werden, dass eine begünstigte Betriebsaufgabe – wie unter Nr. 1 Buchstabe a) beantragt – vorliegt. Hierfür spricht, dass dem Hilfsantrag andernfalls keine eigenständige Bedeutung zukäme, da dieser die beantragten Teiländerungen gemäß Buchstaben b), d) und f) umfasst und sich vom Hauptantrag lediglich in den Änderungen unterscheidet, die eine Betriebsaufgabe voraussetzen (Buchstaben a), c) und e)).

64II. Die Klage ist hinsichtlich des in der Hauptsache gestellten Antrags unbegründet. Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen einer privilegierten Betriebsaufgabe im Sinne von §§ 16, 34 Abs. 3 EStG nicht vor.

651. Zwischen dem Ingenieurbüro, also dem vor Gründung der GmbH bestehenden Betrieb zur Produktion und zum Vertrieb von „T“ und „S“, und der GmbH bestand ursprünglich, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, eine Betriebsaufspaltung. Eine Betriebsaufspaltung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24.02.2000 IV R 62/98, BFHE 191, 295, BStBl II 2000, 417) vor, wenn wesentliche, zur Erreichung des Betriebszwecks erforderliche Wirtschaftsgüter an einen Gewerbebetrieb vermietet werden (sog. sachliche Verflechtung) und wenn die hinter dem Vermieter (= Besitzunternehmen) und dem Mieter (= Betriebsunternehmen) stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (sog. personelle Verflechtung).

66Eine solche sachliche und personelle Verflechtung zwischen dem Kläger und der GmbH lag zunächst vor. Die personelle Verflechtung bestand, weil der Kläger Alleingesellschafter der GmbH war. Die sachliche Verflechtung lag ebenfalls vor, da mit dem Betriebsgrundstück – wovon auch beide Beteiligte ausgehen – unstreitig eine wesentliche Betriebsgrundlage vom Kläger an die GmbH vermietet wurde (vgl. BFH-Urteile vom 24.8.1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014; vom 11.10.2007 X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220).

67Die Überlassung einer weiteren wesentlichen Betriebsgrundlage lag zudem darin, dass der Kläger der GmbH die zur Produktion erforderlichen Maschinen vermietete (vgl. Gluth, in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 15 EStG Anm. 814, Stichwort „Maschinen“ m.w.N.).

68Ob zum Zeitpunkt der Veräußerung im Streitjahr 2006 auch in der Überlassung der Patente und sonstigen Rechte eine wesentliche Betriebsgrundlage zu sehen war, was nach der BFH-Rechtsprechung grds. möglich ist (vgl. grundlegend BFH-Urteil vom 1.6.1978 IV R 152/73, BFHE 125, 280, BStBl II 1978, 545; vgl. zum erforderlichen Umsatzanteil etwa BFH-Urteile vom 11.7.1989 VIII R 151/85, BFH/NV 1990, 99; vom 26.8.1993 I R 86/92, BFHE 172, 341, BStBl II 1994, 168), erscheint im Streitfall nicht zweifelsfrei, da aus Sicht des Senats nach Einblick in das Patentregister Zweifel bestehen, ob alle oder die Mehrzahl der in der Anlage 4 zum Kaufvertrag vom 13.7.2006 aufgeführten Patente noch wirksam waren. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt nämlich keine wesentliche Betriebsgrundlage vor, wenn Lizenzen über nicht patentierfähige Verfahren überlassen werden, die auch von anderen Unternehmen ohne besondere Erlaubnis angewendet werden können (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1988 VIII R 339/82, BFH/NV 2006, 1453). Letztlich bedurfte diese Frage jedoch keiner Entscheidung, da die Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage in Gestalt von immateriellen Rechten wegen der Überlassung des Grundstücks und der Maschinen für das Bestehen einer Betriebsaufspaltung jedenfalls nicht erforderlich war.

692. Die ursprünglich bestehende Betriebsaufspaltung entfiel mit der Veräußerung und Übereignung der Maschinen an die „J-GmbH i.G.“ durch Kaufvertrag vom 13.7.2006 mit Wirkung zum 1.8.2006 sowie der zeitgleich erfolgten Entnahme des Betriebsgrundstücks, da hierdurch die sachliche Verflechtung gelöst wurde.

703. Entgegen der Auffassung der Kläger kam es hierdurch jedoch nicht zu einer Aufgabe des im Rahmen des Ingenieurbüros ausgeübten Betriebs.

71a) Zwar führt der Wegfall der (personellen oder/und sachlichen) Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe im Sinne von § 16 Abs. 3 EStG beim Besitzunternehmen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25.8.1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23 m.w.N.; vom 6.3.1997 XI R 2/96, BFHE 183, 85, BStBl II 1997, 460; vom 23.4.1996 VIII R 13/95, BFHE 181, 1, BStBl II 1998, 325; vom 17.4. 2002 X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527). Eine Ausnahme hiervon und der dadurch ausgelösten Zwangsprivatisierung des bisherigen Betriebsvermögens des Besitzunternehmens hat der BFH jedoch z.B. für den Fall anerkannt, dass im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2007 X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220). Gleiches gilt nach zutreffender Auffassung etwa auch dann, wenn der Betrieb des Besitzunternehmens lediglich unterbrochen ist oder das Besitzunternehmen bereits vorher mit einer gewerblichen Tätigkeit begonnen hat oder seine ohnehin originär gewerbliche Tätigkeit fortsetzt (vgl. zu den einzelnen Konstellationen etwa Gluth in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 15 EStG Anm. 838 f.; Wacker in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 15 Rn. 865).

72b) Die letztgenannte Ausnahme liegt auch im Streitfall vor. Denn mit der Überlassung von Know-how an „C-lnc.“ hat der Kläger eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die einen Teil der gewerblichen Gesamttätigkeit des Ingenieurbüros bildete.

73aa) Bei dem Vertrag mit „C-lnc.“ handelt es sich steuerlich – wie sich auch aus der von den Parteien gewählten Bezeichnung als „Know-How Contract“ ergibt – um einen sog. Know-how-Vertrag (vgl. hierzu etwa BFH-Urteile vom 4.3.1970 I R 86/69, BFHE 99, 116, BStBl II 1970, 567 und I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428). Gegenstand des Vertrags war keine reine Lizenzierung von Patenten. Vielmehr war der Kläger zu einem weitreichenden Wissenstransfer verpflichtet, der etwa die gewonnenen Erfahrungen aus der Produktion, dem Vertrieb und der Weiterentwicklung umfasste (vgl. Art. 2 des Vertrags vom 27.9.2000). Darüber hinaus war der Kläger beispielsweise auch zur technischen Unterstützung sowie zur Ausbildung des Personals von „C-lnc.“ verpflichtet (vgl. Art. 4 des Vertrags vom 27.9.2000).

74bb) Die Besonderheiten des Know-how-Vertrages führen im Streitfall dazu, dass die Zahlungen von „C-lnc.“ als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind.

75Die Übermittlung von Know-how kann steuerlich zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit oder zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Freiberufliche Einkünfte liegen i.d.R. dann vor, wenn ein Freiberufler die überlassenen Erfahrungen im Rahmen einer selbständigen und außergewerblichen Tätigkeit gewonnen hat (vgl. etwa BFH-Urteil vom 4.3.1970 I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 429). Andernfalls handelt es sich regelmäßig um gewerbliche Einkünfte (vgl. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 18 EStG Anm. 600 Stichwort „Know-how“). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere dann, wenn die Anregung zu einer technischen Neuerung und deren weitere Entwicklung mit dem Betrieb eines gewerblichen Unternehmens zusammenhängt (vgl. BFH-Urteil vom 11.2.1988 IV R 223/85, BFH/NV 1988, 737) oder ein gewerblicher Unternehmer die in seinem Betrieb gesammelten Erfahrungen im Rahmen seines Gewerbebetriebs anderen Personen überlässt (vgl. etwa BFH-Urteile vom 4.3.1970 I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 429 und I R 86/69, BFHE 99, 116, BStBl II 1970, 567).

76cc) Im Streitfall stammen die überlassenen Erfahrungen nicht aus einer freiberuflichen Tätigkeit in Form eines eigenständigen „Erfinderbetriebs“ des Klägers. Sie sind vielmehr Ausfluss der über die GmbH ausgeübten gewerblichen Tätigkeit. Der Kläger erzielte nach Gründung der GmbH Einkünfte aus Gewerbebetrieb, indem er seine inländischen Patente und sein Know-how über die GmbH am Markt verwertete. Die aus deren Produktionstätigkeit und dem Vertrieb gewonnenen Erfahrungen musste der Kläger, der zum 1.1.2001 als Partei in den zuvor zwischen „C-lnc.“ und der GmbH abgeschlossenen Know-how-Vertrag vom 27.9.2000 eingetreten war, „C-lnc.“ im Rahmen der vereinbarten Know-how-Überlassung zur Verfügung stellen. Es handelt sich daher bei den hier überlassenen Erfahrungen um solche, die schon ihrer Art nach nur in einem gewerblichen Betrieb gewonnen werden und daher keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit bilden können.

77dd) Die originär gewerbliche Tätigkeit „Know-how-Überlassung“ vollzog sich des Weiteren in einem einheitlichen Betrieb mit der als gewerblich zu qualifizierenden Vermögensverwaltung.

78Übt eine natürliche Person verschiedene gewerbliche Tätigkeiten aus, liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, wenn die Tätigkeiten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen (vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 15 Rn. 97 m.w.N.). Im Streitfall besteht ein solcher unlösbarer Zusammenhang beider Tätigkeitsbereiche, da der Kläger als Besitzunternehmer die zur Produktion erforderlichen Maschinen, Erfahrungen und (inländischen) Patente an die GmbH überließ und hieraus die Erfahrungen gewann, die er sodann an „C-lnc.“ weiter zu geben hatte. Die Überlassung der Maschinen und der immateriellen Rechte an die GmbH und die dort vorgenommene Verwertung bildet daher die Vorbedingung für die Überlassung des Know-hows an „C-lnc.“, da letzteres ohne ersteres nicht möglich gewesen wäre.

79Nach Auffassung des Senats ist der im Streitfall gegebene Sachverhalt insoweit mit dem Ausgangsfall, über den der BFH in seinem Urteil vom 11.2.1988 IV R 223/85 (BFH/NV 1988, 737) zu befinden hatte, vergleichbar. Etwaige Besonderheiten, die im Streitfall daraus resultieren, dass der Kläger seinen Produktionsbetrieb in ein Besitz- und ein Betriebsunternehmen aufgespalten hat, rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. In seinem Urteil kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Erfindertätigkeit und die hieraus erzielten Lizenzeinnahmen mit den gewerblichen Einkünften aus dem Fertigungsbetrieb eine Einheit bilden. Eine gewerbliche Erfindertätigkeit sei vor allem dann anzunehmen, wenn die Anregung zu einer technischen Neuerung und deren weitere Entwicklung mit dem Betrieb eines gewerblichen Unternehmens zusammenhänge und die entwickelte Erfindung zumindest auch dem gewerblichen Betrieb des Erfinders dienen solle. Diese Grundsätze treffen auch auf den Streitfall zu. Der Kläger hat seit Begründung der Betriebsaufspaltung mehrere weitere Erfindungen als Patent angemeldet, die in ihrer Mehrzahl Vorrichtungen zur „N“ betreffen (etwa die Patente „001“, „002“, „003“, „004“). Dies entspricht dem Geschäftsbereich, in dem, wie aus der Präambel des Kaufvertrags vom 13.7.2006 hervorgeht, auch die GmbH selbst gewerblich tätig war. Der Zusammenhang mit der Tätigkeit der GmbH wird insoweit auch daraus ersichtlich, dass der Kläger selbst – wie aus der Auflistung in der Anlage 4 zum Kaufvertrag vom 13.7.2006 hervorgeht – sämtliche nach Begründung der Betriebsaufspaltung getätigten Erfindungen und Patente dem Betriebsvermögen des Ingenieurbüros zugeordnet hat. Diese Erfindungen bildeten offenbar zugleich auch die Grundlage für die amerikanischen Patente, die Gegenstand des Know-how-Überlassungsvertrags mit „C-lnc.“ waren. Wie dem betreffenden Vertrag zu entnehmen ist, bestand ein wesentlicher Teil der vertraglichen Vereinbarung (lediglich) darin, eine Abgrenzung der internationalen Märkte für die Produktion und den Vertrieb der Anlagen herbeizuführen.

80ee) Der vom Senat vertretenen Auffassung steht nicht entgegen, dass der Kläger die Lizenzzahlungen von „C-lnc.“ jedenfalls in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen seit 2002 als (eigeständige) Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt hat. Eine in vorangegangenen Zeiträumen unzutreffend vorgenommene Einkünftequalifizierung entfaltet für die Folgezeiträume keine Bindung.

81Im Übrigen wird die Sichtweise des Senats auch dadurch bestätigt, dass im hier zu entscheidenden Rechtsstreit der Kläger die Überlassung des Know-hows an „C-lnc.“ selbst ebenfalls als Teil der Tätigkeit des Ingenieurbüros qualifiziert. Im Schriftsatz vom 6.2.2013 vertritt der Kläger explizit die Auffassung, dass die in den Jahren 2007 bis 2009 von „C-lnc.“ gezahlten Lizenzentgelte als Teil des Veräußerungspreises aus dem „Verkauf des Geschäftsbetriebs“ – gemeint ist offenkundig der Geschäftsbetrieb des Ingenieurbüros – anzusehen seien.

82c) Entgegen der Auffassung der Kläger wurde die originär gewerbliche Tätigkeit „Know-how-Überlassung an „C-lnc.““ auch nach der Veräußerung des Anlagevermögens bzw. der Entnahme des Betriebsgrundstücks fortgesetzt. Denn die an „C-lnc.“ überlassenen Patente und sonstigen Rechte standen dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin zu, da sie ausdrücklich nicht mit übertragen worden waren. In Bezug auf die betreffenden Rechte hatten der Kläger und die „J-GmbH“ bzw. Herr „J“ in der Zusatzvereinbarung vom 26.7.2006 zum Kaufvertrag vom 13.7.2006 vereinbart, dass diese lediglich aufschiebend bedingt ab dem 1.1.2011 und unter der Bedingung, dass Herr „J“ oder die „J-GmbH“ von einem ihnen zustehenden (einseitigen) Optionsrechts Gebrauch machen würden, übergehen sollten. Von dieser Option wurde nach der eigenen Einlassung des Klägers im (nachgereichten) Schriftsatz vom 4.9.2013 erst am 19.10.2012 Gebrauch gemacht. Bei den Lizenzzahlungen für die Jahre 2007 bis 2009 kann es sich daher auch nicht um eine Kaufpreiszahlung seitens der Erwerberin handeln. Vielmehr sind die betreffenden Zahlungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb des fortgeführten Teilsegments „Überlassung Know-how an „C-lnc.““ zu qualifizieren.

83Der vom Kläger im – nach Schluss der mündlichen Verhandlung – erstellten Schriftsatz vom 4.9.2013 vertretenen Auffassung, dass diese Tätigkeit jedenfalls nicht im Rahmen eines eigenständigen Gewerbebetriebs sei, sondern dass es sich um eine zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG handle, folgt der Senat vor diesem Hintergrund nicht.

84d) Da es bereits aus den vorgenannten Gründen an einer Betriebsaufgabe fehlt, bedurfte die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage, ob auch die (fortgesetzte) Überlassung des „R“-patentes an die GmbH einer Betriebsaufgabe entgegensteht, keiner Entscheidung.

85e) Die Voraussetzungen einer Teilbetriebsaufgabe liegen ebenfalls nicht vor.

86Eine Teilbetriebsaufgabe ist im § 16 Abs. 3 EStG nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, die Möglichkeit hierzu wird aber von der wohl herrschenden Auffassung bejaht (vgl. etwa Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 16 EStG Anm. 508).

87Im Streitfall kann dahinstehen, ob es sich bei dem als gewerblich zu qualifizierenden („vermögensverwaltenden“) Tätigkeitssegment des Ingenieurbüros um einen Teilbetrieb gehandelt hat. Die Voraussetzungen einer begünstigten Teilbetriebsaufgabe liegen schon aus folgendem Grund nicht vor: Der BFH hat in seinen Urteilen vom 4.7.2007 X R 49/06 (BFHE 218, 316, BStBl II 2007, 772) und X R 44/03 (BFH/NV 2007, 2093) entschieden, dass die Anteile an einer Betriebskapitalgesellschaft wesentliche Betriebsgrundlage im Sinne des § 16 EStG des Besitzeinzelunternehmens seien und dass eine privilegierte Teilbetriebsveräußerung ausscheide, wenn diese Anteile nicht mit veräußert würden.

88Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auch bei einer Teilbetriebsaufgabe anzuwenden. Eine begünstigte Teilbetriebsaufgabe muss daher im Streitall ausscheiden, weil der Kläger die Anteile an der GmbH, die eine wesentliche Betriebsgrundlage des Ingenieurbüros bildeten, nicht in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder entnommen hat. Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Anteile an der GmbH auch nicht durch eine „Zwangsentnahme“ in das Privatvermögen überführt worden. Eine solche wäre nur dann gegeben, wenn es vorliegend durch die Veräußerung der Anlagegüter zu einer „Zwangsbetriebsaufgabe“ aufgrund eines Wegfalls der sachlichen Verflechtung gekommen wäre (vgl. hierzu etwa BFH-Urteil vom 6.3.1997 XI R 2/96, BFHE 183, 85, BStBl II 1997, 460; Urteil des FG Düsseldorf vom 9.3.2006 16 K 3078/00 E, abrufbar in juris). Zu einer solchen kam es jedoch vorliegend gerade nicht, da der Kläger die originär gewerbliche Tätigkeit „Know-how-Überlassung“ fortgesetzt hat. Dies hat zur Folge, dass die GmbH-Anteile weiterhin Betriebsvermögen des Ingenieurbüros bildeten.

89f) Mangels (Teil-)Betriebsaufgabe handelt es sich bei den hier streitigen Einkünften um laufende Einkünfte, für die die Vergünstigung der §§ 16, 34 Abs. 3 EStG – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht gewährt werden kann. Eine Einbeziehung der Lizenzzahlungen für 2007 bis 2009 in den Aufgabegewinn scheidet – unabhängig davon, ob dies rechtlich überhaupt möglich gewesen wäre – ebenfalls aus. In Ermangelung einer zwangsweisen Betriebsaufgabe ist schließlich auch kein Gewinn aus der Überführung der GmbH-Anteile in das Privatvermögen zu erfassen.

90III. Auch der Hilfsantrag ist im Ergebnis unbegründet.

911. Dem Grunde nach wäre die Klage allerdings insoweit teilweise begründet.

92Die Kläger machen zu Recht geltend, dass die vom FA angesetzten Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 50.562 € zu reduzieren sind. Hierbei handelt es sich um die Lizenzeinkünfte für das auf das Streitjahr folgende Jahr 2007. Dass bereits im Streitjahr eine gewinnerhöhende Einbuchung einer entsprechenden Forderung zu erfolgen hätte, ist für den Senat nicht ersichtlich.

93Darüber hinaus wäre auch der Entnahmewert, zu dem das Grundstück „A-Straße 1“ in das Privatvermögen überführt wurde, entsprechend der in der mündlichen Verhandlung geschlossenen tatsächlichen Verständigung zu vermindern, wodurch sich die aufzudeckenden stillen Reserven reduzieren, zugleich aber in geringem Maße auch die im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzende AfA verringern würde. Die Bewertung richtet sich – mangels Vorliegens einer Betriebsaufgabe – insoweit nicht nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG, sondern hat gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG zum Teilwert zu erfolgen. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 6 Rn. 232 m.w.N.). Im Streitfall ist eine Schätzung des Teilwerts auf den Zeitpunkt der Entnahme vorzunehmen. Die Beteiligten haben sich insoweit darauf verständigt, dass das Grundstück zum Zeitpunkt der Überführung in das Privatvermögen einen vorläufigen Verkehrswert von 400.000 € hatte und dass sich die ggf. noch zu berücksichtigenden Freiräumungskosten auf 50.000 € belaufen hätten. Abweichend von der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung geht der Senat davon aus, dass in der vorliegenden Konstellation ein Abzug der Freiräumungskosten ausscheidet, da nach der Definition des Teilwertes gerade von einer Fortführung des Betriebs durch den Erwerber auszugehen ist.

942. Im Ergebnis bedarf diese Frage jedoch keiner Entscheidung. Denn im Wege der Saldierung ist zu berücksichtigen, dass dem FA ein Rechtsfehler zu Gunsten der Kläger unterlaufen ist. Das FA hat nach Auffassung des Senats zu Unrecht bereits im Streitjahr 2006 eine Gewerbesteuerrückstellung und eine Rückstellung für Zinsen gem. § 233a AO für die Mehrsteuern aufgrund der BP gebildet und insoweit zu hohe Aufwendungen in Höhe von insgesamt 204.933 € berücksichtigt, die mit den unter III.1 dargestellten Punkten, deren Änderung der Kläger beanspruchen könnte, zu saldieren sind.

95Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine betrieblich veranlasste, aber ungewisse Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entstehen und zu einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen führen wird, und die ihre wirtschaftliche Verursachung im Zeitraum vor dem Bilanzstichtag findet (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 23/10, BFHE 239, 173, BStBl II 2013, 76 m.w.N.). Rückstellungen wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen dürfen erst gebildet werden, wenn derjenige, der Inhaber des gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Anspruchs ist, von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder eine solche Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht, so dass eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 23/10, BFHE 239, 173, BStBl II 2013, 76 m.w.N.).

96Nach einer in der Literatur und von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung sind die Aufwendungen für die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung für Mehrsteuern aufgrund einer BP grds. im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung – hier also dem Streitjahr – zu berücksichtigen (Vgl. z.B. Dötsch, jurisPR 36/2012, Anm. 2; Verfügung des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 13.09.2011 VI 304-S 2141-007, abrufbar in juris).

97Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist – soweit für den Senat ersichtlich – keine einheitliche Handhabung zu entnehmen (so wohl auch der X. Senat, der Zweifel daran äußert, ob überhaupt eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung in dieser Frage existiert, vgl. BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76). Nach der Rechtsprechung des I. BFH-Senats ist jedenfalls eine zwingende Bilanzierung von Mehrsteuern in dem Jahr der Entstehung nur dann geboten, wenn der Steuerpflichtige bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muss (vgl. etwa BFH-Urteile vom 18.7.1973 I R 11/73, BFHE 110, 226, BStBl II 1973, 860; vom 3.2.2010 I R 21/06, BFHE 228, 259, BStBl II 2010, 692; ferner BFH-Beschlüsse vom 16.12.2009 I R 43/08, BFHE 227, 469, BStBl II 2012, 688 und vom 17.7.2012 I B 56, 57/12, BFH/NV 2012, 1955). So hat der I. Senat es etwa in seinem Beschluss vom 16.12.2009 I R 43/08 (BFHE 227, 469, BStBl II 2012, 688) nicht beanstandet, dass der Steuerpflichtige Rückstellungen für Mehrsteuer erst im Jahr des Aufgriffs eines bestimmten steuerlichen Sachverhalts, nämlich der Behandlung von Tantiemenzahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen, durch die BP bilden wollte. Die Entscheidung erging allerdings für einen Zeitraum, für den die Verwaltung dem Steuerpflichtigen noch ein Wahlrecht eingeräumt hat, bei der Änderung von Veranlagungen die abziehbaren Mehrsteuern entweder zu Lasten der Wirtschaftsjahre zu buchen, zu denen sie wirtschaftlich gehören, oder aber zu Lasten des Wirtschaftsjahres, in dem der Steuerpflichtige mit der Nachforderung rechnen kann (R 20 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1998). Dieses Wahlrecht bestand im hier maßgeblichen Streitjahr nicht mehr.

98Nach Auffassung des Senats sind Mehrsteuern aufgrund einer Außenprüfung erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung des zur Mehrsteuer führenden Sachverhalts rechnen muss. Maßgebliches Tatbestandsmerkmal, unter dem die vorliegende Problematik zu verorten ist, ist die „Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme“. Aus Sicht des Senats ist insoweit im Regelfall keine unterschiedliche Behandlung von Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung und von hinterzogenen Mehrsteuern gerechtfertigt. Für den letztgenannten Fall wird aber sowohl von der Rechtsprechung als auch der herrschenden Literaturauffassung die Meinung vertreten, dass eine Rückstellung für etwaige Mehrsteuern erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden kann, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen muss (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 23/10, BFHE 239, 173, BStBl II 2013, 76). Beide Konstellationen sind aber aus Sicht des Senats gleichermaßen dadurch gekennzeichnet, dass es entscheidend darauf ankommt, ob das FA durch eine aufdeckungsorientierte Maßnahme von dem die Steuer begründenden Lebenssachverhalt überhaupt Kenntnis erlangen wird. Häufig handelt es sich dann nur um einen graduellen Unterschied, der Ausschlag darüber gibt, ob es sich um eine „einfache“ oder um eine „hinterzogene“ Mehrsteuer handelt. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung es bei hinterzogenen Steuern gerade nicht ausreichen lässt, dass der Steuerpflichtige selbst Kenntnis von der Steuerhinterziehung hatte (vgl. BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76). Die vom I. Senat hinsichtlich der Passivierung von Mehrsteuern aufgrund einer BP vorgenommene Differenzierung danach, ob der Steuerpflichtige bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muss, erscheint vor diesem Hintergrund fraglich.

99Selbst wenn man aber im Streitfall diese Differenzierung des I. Senats zugrunde legen würde, wäre keine Rückstellung im Streitjahr zu bilden gewesen. Wie aus den vom FA vorgelegten Akten zu entnehmen ist, hat dieses in mehreren vorangegangenen Betriebsprüfungen (vgl. etwa die BP-Berichte vom 13.8.1986 und vom 19.6.1991) nicht beanstandet, dass der Kläger seine Einkünfte aus den Lizenzzahlungen von „C-lnc.“ als solche aus selbständiger Arbeit behandelt hat. Dies spricht dafür, dass der Kläger bei Aufstellung der Bilanz des Streitjahres nicht davon ausgehen musste, dass aufgrund einer einheitlichen Tätigkeit keine Betriebsaufgabe vorliegen konnte.

100IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

101V. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO. Die Entscheidung der Frage, ob eine Gewerbesteuerrückstellung für Mehrsteuern aufgrund einer BP im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder im Jahr der „Aufdeckung“ zu bilden ist, liegt im allgemeinen Interesse und ist – jedenfalls aus Sicht des Senats – bislang nicht eindeutig geklärt.

Keine erweiterte Grundbesitzkürzung bei Mitüberlassung von Einrichtungsgegenständen

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 859/10 G,F

Datum:
22.10.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 859/10 G,F
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1T a t b e s t a n d

2Die Klägerin ist eine GmbH, die durch Vertrag vom 13.3.2001 gegründet und am „…“.4.2001 in das Handelsregister (Amtsgericht „C-Stadt“, HRB „001“) eingetragen wurde. Sie ist eine Holding, deren Tätigkeit sich auf das Erwerben, Halten und Veräußern von Beteiligungen beschränkt, die den Besitz und den Betrieb von Hotels und ähnlichen Betrieben zum Gegenstand haben. Die Entstehung der Klägerin ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2001 über das Vermögen der Firmengruppe „D“ in „F-Stadt“ das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die „D“-Gruppe hatte u.a. auch mehrere Hotels betrieben. Aus der Insolvenzmasse erwarb der Konzern „X“, zu dem die Klägerin gehört, umfangreiche Unternehmensteile. Hierzu gehörten auch mehrere Hotelgrundstücke nebst Inventar sowie die Anteile an einer Auffanggesellschaft für die „D-Immobilien-GmbH“, deren Geschäftstätigkeit in dem Anpachten und Betreiben von Hotels bestanden hatte.

3Am 31.5.2001 bzw. am 8.6.2001 gründete die Klägerin 4 Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die jeweils Hotelgrundstücke (bzw. im Falle des Hotels „A-Str.“ in „C-Stadt“ Miteigentumsanteile von 33,9% des Hotelgebäudes) aus der Insolvenzmasse der „D“-Gruppe erwarben und an denen die Klägerin 100%-ige Beteiligungen hielt. Es handelte sich um folgende Gesellschaften:

41)              Hotel „W-Straße“ GmbH (W)

52)              Hotel „O-Straße“ GmbH (O)

63)              Hotel „V-Straße“ GmbH (V)

74)              Hotel „A-Straße” GmbH (A)

8Der Erwerb des Hotels „V-Straße“ durch die V wurde aufgrund der Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts zum 31.12.2002 rückabgewickelt.

9Mit allen der vorgenannten Gesellschaften stand die Klägerin im Streitjahr 2001 in einem gewerbesteuerlichen Organschaftsverhältnis. Im Streitjahr 2003 bestand keine gewerbesteuerliche Organschaft. Im Streitjahr 2004 bestand ein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und den Gesellschaften W und A.

10Betrieben wurden die im Eigentum der „Besitzgesellschaften“ stehenden Hotels in den Streitjahren von einer anderen 100%-igen Tochter der Klägerin, der „T-Hotel“ GmbH (vormals Auffanggesellschaft der „D-Immobilien-GmbH“, künftig „T“), die die Hotels von den o.g. Gesellschaften anpachtete. Die „T“ hatte, um die Fortführung des Hotelbetriebs zu gewährleisten, auch das gesamte Management und Personal von den vormaligen Gesellschaften der „D2“, die die Hotelbetriebe geführt hatten, übernommen.

11In den Pachtverträgen mit der O und der W war geregelt, dass das Grundstück nebst dem aufstehenden Gebäude sowie sämtlichem im Zeitpunkt der Unterzeichnung vorhandenen Groß- und Kleininventar verpachtet wurde. Die Pacht bestand aus einer Basispacht und einem variablen Mietanteil in Höhe von 85% des Nettobetriebsergebnisses des Hotels. In Bezug auf das von der A gehaltene Hotelgrundstück trat die „T“ in den Mietvertrag mit der „D2“ GmbH ein. Gegenstand der Verpachtung war hier ein schlüsselfertiges, betriebsbereites und in allen seinen Teilen benutzungsfähiges und konzessionsfähiges Hotel einschließlich der kompletten Möblierung. Auch in diesem Vertrag war eine Basispacht und eine Ergebnisbeteiligung vereinbart. Letztere belief sich auf 65% des Jahresnettoergebnisses.

12Die o.g. Verträge beinhalteten Regelungen bzgl. der Wartung, Reparatur und Ersatzbeschaffung von Klein- und Großinventar und bzgl. der Durchführung von Schönheitsreparaturen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen.

13In ihrer Gewerbesteuererklärung für 2001 erklärte die Klägerin, dass sie Organträgerin bzgl. der in der Ergänzungsliste aufgeführten Organgesellschaften O, A, W und V sowie der „T“ sei. Sie erklärte insoweit einen ihr zuzurechnenden Gewerbeertrag der Organgesellschaften in Höhe von insgesamt 56.241 €. Dieser setzte sich laut der Ergänzungsliste wie folgt zusammen:

14

Gesellschaft Summe Gewinn und Hinzurechnungen Nach Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3
Hotel „O-Straße“ GmbH 64.295 0
Hotel „A-Straße” GmbH 112.236 0
Hotel „V-Straße“ GmbH -4.085 -4.085
Hotel „W-Straße“GmbH -104.814 -104.814
„T-Hotel“ GmbH 165.140 165.140
56.241

15Das für die Veranlagung der Klägerin zunächst zuständige Finanzamt (FA) „C-Stadt“ veranlagte die Klägerin mit Gewerbesteuermessbescheid für 2001 vom 2.4.2003, ergangen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 der Abgabenordnung (AO), antragsgemäß. Der festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag belief sich auf 1.101,83 €.

16Für 2003 setzte das FA „C-Stadt“ den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom 2.11.2004, ergangen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, antragsgemäß auf 0 € fest. Mit Feststellungsbescheid vom gleichen Tag stellte es des Weiteren einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2003 von 23.309 € fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

17In ihrer Gewerbesteuererklärung für 2004 erklärte die Klägerin, dass sie Organträgerin der in der Ergänzungsliste aufgeführten Organgesellschaften A und W sei. Sie erklärte einen ihr zuzurechnenden Gewerbeertrag ihrer Organgesellschaften in Höhe von insgesamt -218.019 €. Dieser setzte sich wie folgt zusammen:

18

Summe Gewinn und Hinzurechnungen Nach Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3
Hotel „A-Straße” GmbH 273.019 0
Hotel „W-Straße“ GmbH -218.019 -218.019
-218.019

19Den Gewerbesteuermessbetrag für 2004 setzte das FA „C-Stadt“ mit Bescheid vom 16.5.2006 auf 0 € fest. Mit Feststellungsbescheid vom gleichen Tag stellte es des Weiteren einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2004 von 209.133 € fest. Auch diese beiden Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

20In der Zeit vom 15.6.2007 bis zum 10.7.2008 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung „C-Stadt“ eine Betriebsprüfung (künftig BP) bei der Klägerin durch. Laut dem BP-Bericht vom 14.7.2008 kam die BP u.a. zu dem Ergebnis, dass den Organtöchtern A, W und O die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht zustehe. Für die Begründung wird auf die Ausführungen im BP-Bericht und der bzgl. dieser Problematik erstellten Anlage Bezug genommen.

21Im Jahr 2007 verlegte die Klägerin ihren Sitz nach „F-Stadt“, so dass der Beklagte (künftig: das FA) zuständig wurde.

22Das FA schloss sich der Auffassung der BP an und erließ am 15.12.2008 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2001, in dem es den Gewerbesteuermessbetrag auf 12.685,15 € festsetzte. Die Hinzurechnungen aus den Gewerbeerträgen der Organgesellschaften beliefen sich nunmehr auf 611.288 DM und setzten sich wie folgt zusammen:

23

vor BP nach BP
Hotel „O-Straße“ GmbH 0 357.101
Hotel „A-Straße” GmbH 0 188.664
Hotel „V-Straße“ GmbH -4.085 -4.085
Hotel „W-Straße“ GmbH -104.814 -95.532
„T-Hotel“ GmbH 165.140 165.140
56.241 611.288

24Darüber hinaus erließ das FA am gleichen Tag geänderte Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge für 2003 (0 €) und 2004 (4.605 €) sowie die gesonderte Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 und den 31.12.2004, in denen es einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von 13.951 € (31.12.2003) bzw. von 0 € (31.12.2004) feststellte. Die Vorbehalte der Nachprüfung hob das FA jeweils auf. In Bezug auf 2004 legte das FA – in Übereinstimmung mit dem BP-Bericht –Gewerbeerträge der Organgesellschaften von 90.994 € (bislang -218.019 €) zugrunde, die sich wie folgt zusammen setzten:

25

vor BP nach BP
Hotel „A-Straße” GmbH 0 255.045
Hotel „W-Straße“ GmbH -218.019 -164.051
-218.018 90.994

26Für 2004 berücksichtigte das FA bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaften A und W die Kürzung von 1,2% des Einheitswerts gem. § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG.

27Gegen die Änderungsbescheide nach BP legte die Klägerin fristgemäß Einsprüche ein. Zur Begründung führte sie aus, dass erhebliche Einwendungen gegen die Versagung der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung gem. § 9 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG sowie den sich hieraus bei der Gesellschaft ergebenden steuerlichen Folgewirkungen bestünden. In der Stellungnahme des Prüfers sei an keiner Stelle substantiiert dargelegt, weshalb diese zu versagen sei. Insgesamt würden die Ausführungen im BP-Bericht sowohl in Bezug auf den Tatsachenvortrag als auch hinsichtlich der rechtlichen Schlussfolgerungen bestritten. In rechtlicher Hinsicht sei auf Folgendes hinzuweisen:

28-          Die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG sei vorliegend nicht dadurch ausgeschlossen, dass – wie vom FA behauptet – die Organgesellschaften gewerbliche Einkünfte erzielen würden. Letzteres treffe nicht zu. Im Streitfall gehe die Grundstücksverwaltung nicht über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus. Zwischen den Organgesellschaften und der „T“ bestehe insbesondere keine gewerbliche Mitunternehmerschaft, sondern lediglich ein Pachtvertrag mit Umsatzbeteiligung. Ein Mitunternehmerrisiko der Organgesellschaften liege nicht vor. Es treffe zwar zu, dass es zu einer „Absaugung“ des Gewinns der „T“ komme, da diese einen variablen Mietanteil von 85% des Nettobetriebsergebnisses des jeweiligen Hotels abführen müsse. Dies allein führe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber nicht dazu, dass sich das Risiko des Vertragspartners zu einem Mitunternehmerrisiko verdichte. Eine Beteiligung an einem etwaigen Verlust der „T“ bestehe ebenso wenig wie eine Beteiligung an den stillen Reserven. Eine Mitunternehmerinitiative liege ebenfalls nicht vor. Die vom FA herangezogene „Barhocker-Entscheidung“ (Hinweis auf BFH-Urteil vom 18.4.2000 VIII R 68/98, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 192, 100, Bundessteuerblatt –BStBl– 2001, 359) sei mit der im Streitfall gegebenen Konstellation nicht vergleichbar, da zwar ein Automatenaufsteller-Vertrag, wie er der BFH-Entscheidung zugrunde gelegen habe, gesellschaftsähnliche Merkmale aufweise, nicht aber der im Streitfall geschlossene Pachtvertrag.

29-          Entgegen der Auffassung der BP handle es sich auch nicht um eine Betriebsverpachtung im Ganzen. So würden zum Beispiel die Lizenzverträge zum Betreiben des Hotels als „J“ nicht durch die Organgesellschaften überlassen. Hinzu komme, dass als wesentliche Betriebsgrundlage das Gebäude anzusehen sei. Es könne nicht richtig sein, dass die Vermietung des Gebäudes als gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei, denn dann wäre jede reine Gebäudevermietung bereits als gewerblich zu qualifizieren. Die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen, hier in Gestalt des Einrichtungsinventars, verleihe der Vermietung des Grundbesitzes noch keinen gewerblichen Charakter. Hinzu komme, dass die Organgesellschaften gar keine betrieblichen Vorrichtungen vermieten würden. Vielmehr handle es sich fast ausschließlich um Gegenstände des täglichen privaten Gebrauchs wie:

30o              Küchenausstattungen

31o              Elektroanlagen

32o              Elektrogeräte

33o              Zimmereinrichtungen

34o              diverses Kleinmaterial.

35-          Das Merkmal der Ausschließlichkeit sei erfüllt. Der Wortlaut der Kürzungsvorschrift sei insoweit nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu reduzieren. Unschädlich sei eine Vermietung von Inventar, wenn diese einen wirtschaftlich zu vernachlässigenden Umfang habe. Im vorliegenden Fall sei die Vermietung des Inventars als bloßes Nebengeschäft zum Hauptgeschäft, nämlich der Überlassung der Gebäude, anzusehen.

36-          In qualitativer Hinsicht werde die vom BFH aufgestellte Voraussetzung, dass die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung angesehen werden müsse, erfüllt. Die vorliegende Konstellation entspreche derjenigen im Getreidesilofall (Hinweis auf BFH-Urteil vom 4.10.2006 VIII R 48/05, abrufbar in juris).

37-          In quantitativer Hinsicht komme es auf die absolute und relative Höhe der Anschaffungskosten (AK) der Betriebsvorrichtungen im Verhältnis zu den Gesamt-AK an. Nach der Rechtsprechung des BFH sei von einer Geringfügigkeitsgrenze von 10% auszugehen. Im Streitfall würden die AK der Betriebsvorrichtungen nicht 10% der Gesamt-AK übersteigen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Außenanlagen, Telefonanlagen und Elektroanlagen bewertungsrechtlich zu den Gebäuden und nicht zu den Betriebsvorrichtungen zählen würden.

38Für die weiteren Einzelheiten der Einspruchsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin im Einspruchsverfahren (insbesondere die vom 20.5.2009 und vom 20.11.2009) Bezug genommen.

39Das FA wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 26.2.2010, auf die wegen ihres Inhalts Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sich das FA im Wesentlichen darauf, dass das Ausschließlichkeitskriterium nicht gewahrt sei und dass es sich darüber hinaus auch um den Fall einer Betriebsverpachtung im Ganzen handle.

40Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage, zu deren Begründung ergänzend Folgendes vorgetragen wird: Das FA habe die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf die Erträge der Grundstücks(organ)gesellschaften zu Unrecht versagt. Die Organgesellschaften seien als Grundstücksunternehmen im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren. Der im BP-Bericht dargestellte Sachverhalt sei unzutreffend und werde bestritten. Tatsächlich hätten die Organgesellschaften der Klägerin der „T“ zu keinem Zeitpunkt Inventar im Rahmen einer Verpachtung zur Verfügung gestellt. Es sei ausschließlich der Grundbesitz überlassen worden. Die zwischen den Organgesellschaften und der „T“ geschlossenen Pachtverträge würden nicht die tatsächliche Vertragsdurchführung widerspiegeln. Daraus erkläre sich z.B. auch der Umstand, dass das in § 1 des Pachtvertrags vom 30.4.2001 zwischen der W und der „T“ in Bezug genommene Inventarverzeichnis gar nicht existiere.

41In rechtlicher Hinsicht werde auf die Begründung im Einspruchsverfahren Bezug genommen. Selbst wenn man den vom FA behaupteten Sachverhalt als wahr unterstelle, greife dennoch die Rechtsfolge der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Die Mitverpachtung des Inventars dürfe bei einer an Sinn und Zweck gerichteten Auslegung der Vorschrift nicht zu einem Ausschluss der Kürzung führen. Mit der Verpachtung des Inventars werde nämlich noch nicht die Grenze zur Vermögensverwaltung überschritten. Die hier vertretene Rechtsauffassung stehe auch im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift. Zwar sehe diese eine Kürzung nur für Unternehmen vor, die eigenen Grundbesitz verwalten würden. Das Ausschließlichkeitsgebot gelte nach der Rechtsprechung des BFH aber auch dann noch als gewahrt, wenn der Steuerpflichtige neben Grundbesitz andere Wirtschaftsgüter in nur geringem Umfang mitvermiete. Die von der Rechtsprechung aufgestellte Geringfügigkeitsgrenze würden die Organgesellschaften der Klägerin keinesfalls überschreiten, selbst wenn man die vom FA behauptete Mitverpachtung des Inventars als wahr unterstelle.

42Soweit das Finanzgericht (FG) auf das BFH-Urteil vom 18.5.2011 X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl II 2011, 887) hingewiesen habe, wonach die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen zu versagen sei, wenn es sich bei dem Grundstücksunternehmen um eine Organgesellschaft handelt, die alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermiete, sei dieses auf die hier gegebene Konstellation nicht anwendbar. Im Streitjahr 2001 habe in Bezug auf die „T“ keine Organschaft vorgelegen. Die „T“ sei zwar wirtschaftlich und finanziell in die Klägerin eingegliedert gewesen. Es fehle jedoch an der organisatorischen Eingliederung. Ausweislich des Handelsregisters sei Frau „M“ alleinige Geschäftsführerin der „T“ gewesen. Diese sei aber nicht auch zur Führung der Geschäfte der Klägerin befugt gewesen. Gleiches gelte im Ergebnis auch für den Veranlagungszeitraum 2004, da mit der „T“ kein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen worden sei.

43Die Klägerin beantragt,

44den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 jeweils vom 15.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.02.2010 dahingehend zu ändern, dass eine erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG berücksichtigt wird.

45Das FA beantragt,

46              die Klage abzuweisen.

47Das FA hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Es trägt ergänzend vor, dass der Klagevortrag zum Teil in sich widersprüchlich sei, da die Klägerin im Einspruchsverfahren selbst vorgetragen habe, dass die Organgesellschaften Gegenstände des täglichen Gebrauchs mitvermietet hätten.

48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

49Die zulässige Klage ist unbegründet.

50Der Gewerbesteuermessbescheid für 2001 vom 15.12.2008 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 und den 31.12.2004 vom 15.12.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.2.2010, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Mit Recht hat das FA der Klägerin die begehrte erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG versagt.

51I. Die Klägerin kann die erweiterte Grundbesitzkürzung in den Streitjahren 2001 und 2004 nicht in Anspruch nehmen, da sie nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet bzw. genutzt hat.

521. Gem. § 9 Nr. 1 Satz 1 1. Halbs. GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 vom Hundert des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt. An die Stelle der Kürzung nach Satz  1 tritt gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen im Sinne des Ersten Teils des Wohnungseigentumsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes vom 14.12.1984 (Bundesgesetzblatt I 1984, 1493), errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

53Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist das Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit“ eng auszulegen und beinhaltet prinzipiell keine Auslegungsspielräume (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2000 I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497). Ausnahmen wegen Geringfügigkeit seien deshalb auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2000 I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497). Vor diesem Hintergrund hat der BFH im Regelfall auch die Mietvermietung von Betriebsvorrichtungen als begünstigungsschädlich angesehen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738). Betriebsvorrichtungen fallen nicht unter den „Grundbesitz“ im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Welche Wirtschaftsgüter dem Begriff des „Grundbesitzes“ unterfallen, ist § 68 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu entnehmen, der den deckungsgleichen Begriff des „Grundvermögens“ definiert (vgl. BFH-Urteile vom 22.6.1977 I R 50/75, BFHE 122, 534, BStBl II 1977, 778; vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738). Danach gehören zum Grundvermögen u.a. der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind dagegen u.a. die Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Ihre Überlassung stellt daher keine Verwaltung oder Nutzung von Grundbesitz, sondern eine eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit dar (vgl. etwa BFH-Urteil vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738).

54Allerdings hat der BFH unter engen Voraussetzungen Ausnahmen davon zugelassen, dass die Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen zu einem Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung führt (eingehend zu den Prüfungskriterien und der Prüfungsabfolge Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 128 ff.). Eine solche Mitüberlassung soll (in sog. qualitativer Hinsicht) noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gezogenen Rahmens liegen, wenn sie der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dient und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung angesehen werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738; vom 26.8.1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338; vom 18.4.2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; vom 17.5.2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659; vom 4.10.2006 VIII R 48/05, abrufbar in juris; vom 5.3.2006 I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359). Maßgeblich ist insoweit, ob die Mitvermietung der Betriebsvorrichtungen für die „Nutzung“ des Grundstücks wirtschaftlich zwingend notwendig, d.h. unentbehrlich ist, nicht aber, ob eine vom Gebäude getrennte Nutzung der Betriebsvorrichtungen in sinnvoller Weise nicht in Betracht komme (vgl. BFH-Beschluss vom 7.4.2011 IV B 157/09, BFH/NV 2011, 1392). Als unschädlich anerkannt hat der BFH insbesondere den Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und von notwendigen Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem (vgl. BFH-Urteile vom 14.6.2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778; vom 5.3.2006 I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359).

552. Übertragen auf den Streitfall folgt hieraus, dass der Klägerin die erweiterte Grundbesitzkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zusteht, da die Inanspruchnahme durch eine (schädliche) Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen ausgeschlossen wird.

56a) Im Streitfall steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Organtöchter der Klägerin, die die erweiterte Grundbesitzkürzung beantragt haben, auch ihr Inventar an die „T“ als Betriebsgesellschaft überlassen haben.

57aa) Das Klagebegehren, die erweiterte Grundbesitzkürzung zu gewähren, ist zunächst sinngemäß dahingehend auszulegen, dass es sich nur auf die Tochtergesellschaften bezieht, die eine entsprechende Kürzung beantragt haben. Bei der erweiterten Grundbesitzkürzung handelt es sich um ein antragsgebundenes Wahlrecht. Im Rahmen eines Organkreises sind die Verhältnisse einer jeden Gesellschaft unabhängig von den Verhältnissen der anderen zu beurteilen. Das Wahlrecht, die erweiterte Grundbesitzkürzung in Anspruch zu nehmen, steht jeder Gesellschaft unabhängig von der Ausübung durch die anderen zu; eine einheitliche Ausübung des Wahlrechts ist nicht erforderlich. Im Streitfall haben die Grundstücksunternehmen das Wahlrecht nach Aktenlage (und abweichend von der Darstellung im BP-Bericht vom 21.7.2008, Tz. 29) offenbar abweichend voneinander ausgeübt, und zwar dergestalt, dass nur die Grundstücksunternehmen mit positiven Ergebnisbeiträgen die erweiterte Grundbesitzkürzung beantragt haben. Wie sich aus den Mitteilungen der Finanzämter der Organgesellschaften vor BP ergibt, wurde die erweiterte Grundbesitzkürzung im Streitjahr 2001 von den Gesellschaften A und O und im Streitjahr 2004 von der Gesellschaft A in Anspruch genommen. Dass die W in den Streitjahren die erweiterte Grundbesitzkürzung beantragt hätte, ist für den Senat aus den Akten nicht ersichtlich und vor dem Hintergrund, dass wohl negative Ergebnisbeiträge aus der Vermietung des Grundstücks nebst Inventar erzielt wurden, auch nicht nachvollziehbar. Letztlich käme man im Streitfall aber zu keinem anderen Ergebnis, wenn – wie in Rz. 29 des BP-Berichts dargestellt – auch diese Organtochter die erweiterte Grundbesitzkürzung beanspruchen würde, da sie ebenfalls, wie nachfolgend ausgeführt, Betriebsvorrichtungen überlassen hat. Für die V wurde die erweiterte Grundbesitzkürzung weder im Veranlagungsverfahren noch im Einspruchs- oder Klageverfahren beantragt.

58bb) Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Grundstücksgesellschaften A, O und W in 2001 und A und W in 2004 im Rahmen der Pachtverträge mit der „T“ das in ihrem Eigentum stehende Hotelinventar überlassen haben.

59Aus den von der Klägerin im Rahmen der BP vorgelegten Pachtverträgen ist zu entnehmen ist, dass Pachtgegenstand jeweils das Grundstück nebst Gebäude und sämtlichem vorhandenen Groß- und Kleininventar war. Dies ergibt sich für die W aus § 1 des Pachtvertrages vom 30.4.2001 und für die A aus § 1 des Mietvertrages zwischen der „D2“ GmbH und der „D-Immobilien-GmbH“ vom 30.12.1993, in den die „T“ am 23.4.2001 als Mieterin und die A als Vermieterin eingetreten sind. In Bezug auf die O wurde am 30.4.2001 ein Pachtvertrag geschlossen, der sich zwar nicht in den den Streitfall betreffenden Akten befindet, nach den – unwidersprochenen – Feststellungen der BP aber im Wesentlichen dem Vertrag zwischen der W und der „T“ gleichen Datums entsprach.

60Darüber hinaus lässt sich den von der Klägerin vorgelegten Anlageverzeichnissen der Grundstücksgesellschaften O, A und W entnehmen, dass das Inventar, also etwa die Hoteleinrichtung und die Zimmereinrichtungen, bei diesen bilanziert wurde.

61Soweit die Klägerin im Klageverfahren mit Schriftsätzen vom 15.10.2010 und vom 4.1.2011 bestritten hat, dass die Grundstücksgesellschaften Inventar an die „T“ überlassen hätten, sieht der Senat dieses Bestreiten als unsubstantiiert an. Der seinerzeit für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin tätige Steuerberater, der die betreffenden Schriftsätze gefertigt hat, hat lediglich behauptet, dass die geschlossenen Pachtverträge nicht die tatsächliche Vertragsdurchführung widerspiegeln würden. Ein Beweisantritt ist insoweit nicht erfolgt. Der inzwischen für die Prozessbevollmächtigte mit der Mandatswahrnehmung betraute Steuerberater hat im Erörterungstermin vom 16.7.2013 auf Befragen des Berichterstatters angegeben, dass auch aus seiner Sicht keine Zweifel daran bestünden, dass das Inventar durch die Grundstücksgesellschaften überlassen worden sei.

62cc) Jedenfalls bei Teilen des überlassenen Inventars handelte es sich um Betriebsvorrichtungen. Insoweit bedurfte es keiner Abgrenzung im Einzelnen, da dies jedenfalls uneingeschränkt für die Hoteleinrichtung und die Zimmereinrichtungen gilt.

63Bei den betreffenden Wirtschaftsgütern handelt es sich zwar dem Grunde nach um „Grundvermögen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG, da sie zivilrechtlich als Grundstückszubehör im Sinne des § 97 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu qualifizieren sind. Es greift jedoch vorliegend die Ausnahmeregelung des § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG, wonach Betriebsvorrichtungen nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraus, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird (vgl. etwa BFH-Urteile vom 5.9.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877 und vom 28.2.2013 III R 35/12, BFHE 240, 453, BStBl II 2013, 606). Dagegen genügt es nicht, wenn eine Anlage für den Betrieb lediglich nützlich, notwendig oder gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist (vgl. BFH-Urteil vom 5.9.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877). Entscheidend ist, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden, wobei es genügt, wenn die Anlage dem Betrieb des Gewerbes als Hauptzweck dient (vgl. BFH-Urteile vom 5.9.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877; vom 28.2.2013 III R 35/12, BFHE 240, 453, BStBl II 2013, 606).

64Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die Hoteleinrichtung und die Zimmereinrichtungen vor. Ein Hotel dient in erster Linie der Beherbergung von Menschen in separaten Räumlichkeiten, die für den vorübergehenden Aufenthalt sowie die Übernachtung hergerichtet sein müssen. Hierzu sind u.a. bestimmte Einrichtungsgegenstände wie etwa Bett, Schrank, Tisch und Stuhl erforderlich. Da darüber hinaus in einem Hotel in der Regel auch Verpflegungsleistungen angeboten werden, bedarf es hierfür weiterer Aufenthaltsräume und entsprechender Hoteleinrichtungsgegenstände. Sowohl die Zimmereinrichtung als auch die Hoteleinrichtung dienen unmittelbar der Ausübung des Hotelgewerbes und nicht (allein) dazu, das Gebäude besser nutzen zu können (vgl. zur in diesem Fall fehlenden unmittelbaren gewerblichen Nutzung BFH-Urteil vom 7.9.2000 III R 48/97, BFHE 194, 289, BStBl II 2001, 253).

65b) Die Überlassung der Betriebsvorrichtungen kann im Streitfall auch nicht als ausnahmsweise begünstigungsunschädlich angesehen werden. Die vom BFH (auf der „qualitativen“ Prüfungsstufe, vgl. Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 129) als Ausnahme von der Schädlichkeit anerkannte Voraussetzung, dass die Überlassung der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen muss und sie daher als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung angesehen werden kann, liegt im Streitfall nicht vor. Der von den Grundstücksgesellschaften an die „T“ überlassene Grundbesitz ist auch ohne die hier maßgeblichen Betriebsvorrichtungen sinnvoll nutzbar. Auch wenn in der Praxis häufig bereits vollständig ausgestattete Hotelimmobilien inklusive Hotel- und Zimmereinrichtung verpachtet werden (vgl. etwa die Publikation „Beherbergungsgewerbe in Deutschland, Leitfaden für Immobiliengutachter, 2. Aufl., abrufbar unter http://www.voeb.de, Seiten 80 ff.), führt dies nicht dazu, dass die Mitüberlassung als „zwingend“ im Sinne der BFH-Rechtsprechung anzusehen ist. Der Umstand, dass auch Verträge über Hotelimmobilien ohne Inventur abgeschlossen werden, zeigt, dass potentielle Betreiber einer Hotelimmobilie ein solches Objekt, würde es ohne eine entsprechende Innenausstattung angeboten, auch in diesem Zustand mieten und selbst ausstatten würden.

66Darüber hinaus ist nach Auffassung des Senats der Anwendungsbereich der vom BFH anerkannten Ausnahme von der „Ausschließlichkeit“ im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG restriktiv auszulegen. Potentielle Ausnahmefälle müssen daher von ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung den vom BFH anerkannten Fällen wie etwa der Unterhaltung von notwendigen Sondereinrichtungen für die Mieter oder von zentralen Heizungsanlagen gleichkommen. Dies setzt nach Auffassung des Senats voraus, dass es sich zumindest um fest mit dem Grundstück verbundene Wirtschaftsgüter handelt (so wohl auch der BFH in seinem Urteil vom 14.6.2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778), während der Mitvermietung von Wirtschaftsgütern, die – wie hier – bereits nach zivilrechtlichen Maßstäben als bewegliche Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sind, keine gleich hohe Bedeutsamkeit zuzumessen ist. Die hier vorliegende Mitüberlassung von Einrichtungsgegenständen ist daher nach Auffassung des Senats stets als begünstigungsschädlich zu qualifizieren.

67Schließlich handelt es sich vorliegend auch nicht deshalb um eine ausnahmsweise unschädliche Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen, weil diese nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch den Mieter die Rechtsnatur von Betriebsvorrichtungen hätten (so der BFH in seiner „Schwimmbad“-Entscheidung, vgl. BFH-Urteil vom 22.6.1977 I R 50/75, BFHE 12, 534, BStBl II 1977, 778). Ob eine solche Ausnahme nach der neueren (restriktiveren) Rechtsprechung überhaupt noch zum Tragen käme, kann hier dahingestellt bleiben. Bei einem Hotel sind die Einrichtungen speziell auf die Erfordernisse des Hotelbetriebs zugeschnitten. Die entsprechenden Wirtschaftsgüter waren daher vorliegend von Anfang an zu einer Nutzung für gewerbliche Zwecke bestimmt und wurden nicht erst aufgrund der Eigenart ihrer Nutzung durch die „T“ zu Betriebsvorrichtungen.

68II. In Bezug auf das Streitjahr 2001 ergibt sich der Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung darüber hinaus auch daraus, dass es sich um eine Vermietung innerhalb des Organkreises handelte.

69Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BFH an, der mit Urteil vom 18.5.2011 X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl II 2011, 887) entschieden hat, dass die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu versagen ist, wenn es sich bei dem Grundstücksunternehmen um eine Organgesellschaft handelt, die alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermietet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Im Streitjahr 2001 haben die Grundstücksgesellschaften W, O und A die in ihrem Betriebsvermögen befindlichen Hotelobjekte an die „T“ vermietet. Diese Vermietung fand innerhalb eines Organkreises statt, da die Klägerin sowohl in einem Organschaftsverhältnis mit den Grundstücksgesellschaften als auch mit der „T“ stand.

70Letzteres sieht der Senat als erwiesen an. Nach der für das Streitjahr 2001 geltenden Rechtslage gilt gemäß § 2 Abs. 2 GewStG eine Kapitalgesellschaft dann als Betriebsstätte eines anderen Unternehmens, wenn sie in jenes inländische gewerbliche Unternehmen in der Weise eingegliedert ist, dass die Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 und 2 KStG a.F. erfüllt sind. Dies setzt das Bestehen einer finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung voraus. Die ersten beiden Eingliederungsmerkmale sind im Streitfall unstreitig erfüllt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist darüber hinaus aber auch die organisatorische Eingliederung gegeben. Eine solche setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt deshalb darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht (vgl. BFH-Urteile vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 und vom 9.10.2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375), wobei zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt sein muss, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (vgl. etwa BFH-Urteil vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451). Die organisatorische Eingliederung kann sich aus einer personellen Verflechtung ergeben, wozu in aller Regel die personelle Verflechtung beider Geschäftsführungen erforderlich ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 20.8.2009 V R 30/06, BFH/NV 2009, 2080). Allerdings ist eine vollständige Identität der Geschäftsführer von Organträgerin und Organgesellschaft nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451). Der Organträger kann auch durch ausschließlich organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass sein Wille in der Organgesellschaft tatsächlich ausgeführt wird. Die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Möglichkeit der Weisung durch Gesellschafterbeschluss führt noch nicht zur organisatorischen Eingliederung. Erforderlich sind vielmehr institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung (vgl. etwa BFH-Urteil vom 3.4.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905).

71Vorliegend hat die Klägerin in einem Beiblatt zu ihrer Gewerbesteuererklärung für 2001 angegeben, dass mit der „T“ eine gewerbesteuerliche Organgesellschaft bestehe. Das FA hat die Klägerin insoweit antragsgemäß veranlagt. Auch nach Durchführung der BP war das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses nicht streitig. Erstmals im Klageverfahren hat die Klägerin – nach dem Hinweis des Berichterstatters auf das BFH-Urteil vom 18.5.2011 X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl II 2011, 887) – vorgetragen, dass mangels Geschäftsführeridentität keine organisatorische Eingliederung bestanden habe. Im Erörterungstermin vom 16.7.2013 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag nicht ausreichend sei. Es bedürfe weiterer Angaben dazu, ob die Beherrschung der Geschäftsführerin der „T“ nicht ggf. durch institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung sichergestellt worden sei. Ein weiterer Vortrag zu diesem Punkt ist nicht erfolgt. Vielmehr hat der Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass er zu diesem Punkt – trotz der Aufforderung zur Aufklärung durch das FG – keine weiteren Ausführungen machen könne.

72Die fehlende Mitwirkung an der Aufklärung dieses Umstandes wirkt sich vorliegend zu Lasten der Klägerin aus. Aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigem einerseits und Finanzbehörde sowie FG andererseits für die vollständige Sachaufklärung im Geltungsbereich des Abgabenrechts folgt u.a., dass sich dann, wenn ein Steuerpflichtiger ihm auferlegte allgemeine oder besondere Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde (§ 88 Abs.1 AO 1977) oder des FG (§ 76 Abs.1 Sätze 2 bis 4 und § 96 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) entsprechend mindert (vgl. BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Kriterien und Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflicht und Beweismaß lassen sich nicht generell festlegen, sondern nur von Fall zu Fall bestimmen (vgl. zu den einzelnen Kriterien BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462).

73Die Klägerin hat ihre Mitwirkungspflicht verletzt, indem sie keine Angaben dazu gemacht hat, ob institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten bestanden haben. Der Senat stuft diese Verletzung der Mitwirkungspflicht als schwerwiegend ein. Dies folgt zum einen daraus, dass es sich um Tatsachen handelt, die in der alleinigen Beweissphäre der Klägerin liegen. Die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Aufklärung des Sachverhalts ist aber umso größer (und die von Finanzbehörden und FG entsprechend geringer), je mehr Tatsachen oder Beweismittel der vom Steuerpflichtigen beherrschten Informations- und/oder Tätigkeitssphäre angehören (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Zum anderen sieht der Senat vorliegend eine gesteigerte Mitverantwortung der Klägerin deshalb als gegeben an, weil der Vortrag, es liege kein Organschaftsverhältnis zur „T“ vor, – trotz gegenteiliger Angaben in der Gewerbesteuererklärung – erstmals auf einen Hinweis des Gerichts hin erfolgte. Vor diesem Hintergrund ist der Senat auf der Grundlage des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 96 Abs.1 Satz 1 FGO befugt, aus dem Verhalten der Klägerin im Rahmen der Beweiswürdigung nachteilige Schlüsse zu ziehen bzw. belastende Unterstellungen vorzunehmen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Der Senat geht daher im Rahmen seiner Beweiswürdigung aufgrund einer entsprechenden belastenden Unterstellung davon aus, dass die Angaben in der Gewerbesteuererklärung, dass ein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der „T“ vorlag, zutreffend waren, weil trotz fehlender Geschäftsführeridentität eine institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit im Sinne der dargestellten BFH-Rechtsprechung bestand.

74III. Das FA hat anstelle der begehrten erweiterten Grundbesitzkürzung – soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen – die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG berücksichtigt, und zwar für das Streitjahr 2004 sowohl bei A als auch bei W. Ob der Ansatz entsprechender Kürzungsbeträge rechtlich zulässig war (zustimmend Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 98; ablehnend Gosch in Blümich, EStG, KStG und GewStG, § 9 GewStG Rn. 50), kann hier dahingestellt bleiben, da das FG zu einer Verschlechterung der Rechtsposition der Klägerin über den Zustand vor Klageerhebung hinaus nicht befugt ist (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, § 96 Rn. 7 m.w.N.).

75IV. Die Klage ist schließlich auch in Bezug auf das Streitjahr 2003 unbegründet. Da in 2003 kein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und den Grundstücksunternehmen bestand, stellt sich die Problematik der erweiterten Grundbesitzkürzung in diesem Streitjahr nicht. Aus diesem Grund hat die Klägerin – auf den Hinweis des Gerichts hin – für dieses Streitjahr auch keinen Klageantrag mehr gestellt.

76V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Kürzung der abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge um Beitragsrückerstattungen

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 3456/12 E

Datum:
19.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3456/12 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d

2Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und war gesetzlich krankenversichert. Der Kläger war sowohl im Streitjahr 2010 als auch im vorangegangenen Jahr 2009 privat krankenversichert. Die gemeinsame Tochter der Kläger war im Streitjahr ebenfalls privat krankenversichert.

3Im Jahr 2010 erstattete die private Krankenversicherung dem Kläger für 2009 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 608,98 €. Darüber hinaus schrieb sie dem Kläger einen „Gesundheitsbonus“ für 2009 in Höhe von 550 € gut. Die Höhe des Bonus richtete sich nach der Anzahl der leistungsfreien Jahre. Des Weiteren erhielt der Kläger eine Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 75 €. Von den zurück gezahlten Beträgen entfielen – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – 1.119,64 € auf unbegrenzt abziehbare Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b des Einkommensteuergesetzes (EStG).

4In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger folgende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei den Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG geltend (in €):

5

Beiträge zur privaten Krankenversicherung (Basisversicherung) des Klägers 2.789
Beiträge zur privaten Krankenversicherung (ohne Basisabsicherung) des Klägers 716
Beiträge zur privaten Pflegeversicherung des Klägers 273
Arbeitnehmerbeiträge zur Krankenversicherung der Klägerin 838
Arbeitnehmerbeiträge zur Pflegeversicherung der Klägerin 104
Beiträge zur Krankenversicherung des Kindes (Basisabsicherung) 1.179
Beiträge zur Krankenversicherung des Kindes (ohne Basisabsicherung) 302
6.201

6Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 die Aufwendungen für die gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin, die private (Basis-)Krankenversicherung des Klägers sowie des Kindes (insgesamt 4.806 €) und die Beiträge der Klägerin und des Klägers zur Pflegeversicherung (insgesamt 377 €) als dem Grunde nach abziehbare Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen). Von der Summe beider Beträge zog es jedoch die auf den Basisschutz entfallende Beitragsrückerstattung für Krankenversicherungsbeiträge aus dem Jahr 2009 in Höhe von 1.119 € ab, so dass lediglich (uneingeschränkt) zu berücksichtigende Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.064 € verblieben. Die insgesamt zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen ermittelte das FA wie folgt (in €):

7

Summe Altersvorsorgeaufwendungen 15.562
Davon 70% 10.894
Abzgl. Arbeitgeberanteil -1.054
Verbleiben 9.840 9.840
Beiträge zur Krankenversicherung 4.806
Beiträge zur Pflegeversicherung 377
Abzgl. Beitragsrückerstattung -1.119
Verbleiben 4.064
Weitere sonstige Vorsorgeaufwendungen 1.899
Summe 5.963
Davon abzugsfähig 4.700 4.700
Summe der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen 14.540

8Dagegen legten die Kläger fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass ihres Erachtens eine Kürzung der Vorsorgeaufwendungen um die Erstattung für 2009 nicht gerechtfertigt sei. Die Aufwendungen hätten im Veranlagungszeitraum 2009 keine steuerliche Auswirkung gehabt. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Änderungen im Bereich der Abzugsfähigkeit von Krankenversicherungsbeiträgen erst mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 umgesetzt. Die Beitragsrückerstattung für 2009 beziehe sich auf Beiträge vor der Gesetzesänderung und könne daher nicht für eine Kürzung der Beiträge für 2010 herangezogen werden.

9Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass als Sonderausgaben nur solche Aufwendungen Berücksichtigung finden könnten, mit denen der Steuerpflichtige endgültig wirtschaftlich belastet sei. Dies sei nicht der Fall, soweit ihm ein Teil der gezahlten Beiträge zurückgezahlt werde.

10Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Die Kläger halten an ihrer bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und tragen ergänzend vor: Da sich die für die Beitragsrückerstattung ursächlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Veranlagungszeitraum 2009 nicht ausgewirkt hätten, dürften diese nicht zur Kürzung der Vorsorgeaufwendungen der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für 2010 herangezogen werden. Es fehle an der Gleichartigkeit der Aufwendungen, wie sie der Bundesfinanzhof (BFH) im Falle einer Verrechnung verlange (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 226, 67, Bundessteuerblatt –BStBl– 2010, 38).

11Aus dem Einkommensteuerbescheid für 2009 lasse sich entnehmen, dass sich die Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 8.748 €, in denen auch die Beiträge zur Krankenversicherung enthalten gewesen seien, lediglich in Höhe von 3.900 € steuermindernd ausgewirkt hätten. Dies entspreche einer Quote von 44,5%. Sie wären daher damit einverstanden, dass die Beitragsrückerstattung von 1.119,64 € quotal in Höhe von 499,15 € (44,5% von 1.119,64 €) zur Kürzung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen werde. Die Kürzung würde dann dem Verhältnis der steuerlich abzugsfähigen Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 4 EStG zu den übrigen Sonderausgaben entsprechen. Insoweit sei anzumerken, dass in 2009 selbst ohne die Krankenversicherungsbeiträge der Abzug der übrigen Sonderausgaben in Höhe von 3.900 € möglich gewesen wäre. Ein nahezu vollständiger Abzug der Beitragsrückerstattung im Jahr 2010 mit den voll abzugsfähigen Krankenversicherungsbeiträgen sei dagegen aufgrund des Systemwechsels bei der Abzugsfähigkeit der Krankenversicherungsbeiträge rechtlich nicht zulässig.

12Die Kläger beantragen sinngemäß,

13den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 dahingehend abzuändern, dass bei der Berechnung der als Sonderausgaben abzugsfähigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die Erstattung von Beiträgen aus 2009 in Höhe von 1.119 € unberücksichtigt bleibt, hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

14Das FA beantragt,

15              die Klage abzuweisen.

16Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG seien nach der ständigen Rechtsprechung des BFH lediglich dann im Rahmen des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. An einer solchen Belastung fehle es, soweit Sonderausgaben erstattet würden. Dies treffe auch auf den Streitfall zu. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13.9.2010 (BStBl I 2010, 681 Rz. 56) sehe für den Fall der Beitragsrückerstattung von Basisleistungen vor, dass diese im Jahr des Zuflusses die abziehbaren Beiträge mindern würden. Allgemein gelte für Beitragsrückerstattungen das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. Würden Versicherungsbeiträge im Folgejahr erstattet, komme es daher zu einer Minderung der Sonderausgaben des Erstattungsjahres um die Beitragsrückerstattung.

17Die im Jahr 2010 gezahlte Beitragsrückerstattung sei in Basis- und Wahlleistungen aufzuteilen. Systemgerecht würden aber lediglich die Basisleistungen von der Versicherung übermittelt, so dass der gemeldete Betrag in voller Höhe zur Minderung der Basisbeiträge des laufenden Jahres heranzuziehen sei. Es seien daher – entgegen der Auffassung der Kläger – auch gleichartige Sonderausgaben miteinander verrechnet worden.

18Sowohl die Kläger als auch das FA haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

20I. Der Senat durfte gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

21II. Die Klage ist unbegründet.

22Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

23Entgegen der Auffassung der Kläger durfte das FA die Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b i.V.m. Satz 2 EStG um die angesetzte Beitragsrückerstattung für 2009 kürzen. Das FA geht zutreffend davon aus, dass die Kläger in Höhe des erstatteten Betrags von 1.119 € nicht wirtschaftlich belastet sind.

241. Vorsorgeaufwendungen, zu denen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gehören, sind grds. in dem Veranlagungszeitraum abzugsfähig, in dem sie gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG abgeflossen sind (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 10 Rn. 3 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können aber nur solche Aufwendungen als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. etwa BFH-Urteile vom 27.2.1970 VI R 314/67, BFHE 98, 412, BStBl II 1970, 422; vom 26.6.1996 X R 73/94, BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646; vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38). An einer solchen endgültigen Belastung kann es u.a. im Fall einer Erstattung von Aufwendungen fehlen. In den Fällen einer Erstattung von Kirchensteuer oder von Beiträgen zu einer Krankentagegeldversicherung hat sich der BFH daher für eine Verrechnung erstatteter Sonderausgaben mit den im Erstattungsjahr gezahlten gleichartigen Sonderausgaben ausgesprochen (vgl. BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 24/08, BFH/NV 2009, 568 zur Kirchensteuer und BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38 zur Krankentagegeldversicherung). Für die Bestimmung der Gleichartigkeit hat der BFH auf die Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit des Sinn und Zwecks sowie der wirtschaftlichen Bedeutung und Auswirkung der Sonderausgabe für den Steuerpflichtigen abgestellt (eingehend BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38). Eine Erstattung ist danach nicht mit beliebigen Aufwendungen zu verrechnen, die im Rahmen der Abzugstatbestände des § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 EStG normiert sind. Bei verschiedenen Versicherungsbeiträgen ist vielmehr danach zu unterscheiden, welche Funktion die jeweilige Versicherung für den Steuerpflichtigen hat und welches Risiko sie absichert (BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38; vgl. ferner Urteil des FG Baden-Württemberg vom 16.8.2012 3 K 1651/10, abrufbar in juris).

252. Im Streitfall sieht der Senat eine „Gleichartigkeit“ zwischen der Rückerstattung  von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen des Klägers für 2009 und den Beiträgen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherungen bzw. den Beiträgen zur Pflegeversicherung für 2010 als gegeben an.

26a) Die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung in 2009 und 2010 sind als gleichartig zu qualifizieren. Es handelt sich um gleichartige Aufwendungen zur Absicherung derselben Risiken, die lediglich unterschiedliche Versicherungszeiträume betreffen. Erstattungen von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen daher im Jahr des Zuflusses die abziehbaren Beiträge mindern (so auch die Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. BMF-Schreiben vom 19.8.2013 IV C 3-S 2221/12/10010:004, IV C 5-S 2345/08/0001, BStBl I 2013, 1087 Rz. 56).

27b) Die „Gleichartigkeit“ ist vorliegend auch nicht dadurch entfallen, dass der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung zum Abzug von Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 umgestaltet hat.

28aa) Nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2009 geltenden Rechtslage waren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstab. a EStG zusammen mit anderen Vorsorgeaufwendungen (mit Ausnahme der Vorsorgeaufwendungen für die Basisaltersversorgung der sog. 1. Schicht) wie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung oder auch Lebensversicherung im Rahmen der Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 4 EStG abziehbar. Der abzugsfähige Höchstbetrag belief sich im Veranlagungszeitraum 2009 grds. auf 2.400 €, ermäßigte sich jedoch auf 1.500 €, wenn der Steuerpflichtige einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten hatte oder für die Krankenversicherung des Steuerpflichtigen bestimmte Zuschüsse geleistet wurden.

29Entsprechend dieser Regelung wurde im Einkommensteuerbescheid der Kläger für 2009 vom 15.8.2011 ein Abzugsbetrag von 3.900 € in Abzug gebracht, der sich aus einem Höchstbetrag für den Kläger in Höhe von 2.400 € und einem Höchstbetrag der Klägerin in Höhe von 1.500 € zusammen setzte. Die alternativ durchzuführende „Günstigerprüfung“ gem. § 10 Abs. 4a EStG a. F., wonach anstelle der Höchstbeträge des § 10 Abs. 4 EStG der Betrag für den Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge anzusetzen ist, der sich nach der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung des § 10 Abs. 3 EStG ergibt, hat im Streitfall nicht zu einem höheren Abzug von Vorsorgeaufwendungen geführt.

30bb) Mit Beschluss vom 13.2.2008 2 BvL 1/06 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts –BVerfGE– 120, 125) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3a i.V.m. § 10 Abs. 4 EStG a. F. (ab dem Veranlagungszeitraum 1997) mit Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 1, Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sind, soweit der Sonderausgabenabzug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) und einer privaten Pflegepflichtversicherung nicht ausreichend erfasst, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schütze nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall könnten Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein. Das BVerfG hat die betreffenden Normen allerdings nicht für nichtig, sondern gem. §§ 31 Abs. 2, 79 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes für mit dem GG unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen.

31cc) Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.7.2009, BGBl. I 2009, 1959) mit Wirkung zum 1.1.2010 nachgekommen. Die Neuregelung der Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen führt dazu, dass die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geleisteten Beiträge für eine Absicherung auf sozialhilfegleichem Versorgungsniveau (Basisabsicherung) zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in vollem Umfang steuerlich berücksichtigt werden. Innerhalb der sonstigen Vorsorgeaufwendungen ist daher nunmehr zu differenzieren zwischen den Beiträgen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherung und den Beiträgen zur (sozialen und privaten) Pflege(pflicht)versicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b EStG auf der einen Seite sowie den weiteren sonstigen Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Absatz 1 Nummer 3a EStG auf der anderen Seite (etwa Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherung etc.). Zu den letztgenannten Aufwendungen gehören auch Beiträge zu einer Krankenversicherung, die auf Leistungen der Versicherung entfallen, die über die Basisabsicherung hinaus gehen (z.B. Wahlleistungen wie Chefarztbehandlung).

32Zwar gilt für beide Arten von Vorsorgeaufwendungen zunächst ein gemeinsamer Höchstbetrag, denn gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG können die Vorsorgeaufwendungen im Sinne der Nummern 3 und 3a des § 10 Abs. 1 EStG je Kalenderjahr bis zu einem Höchstbetrag von 2.800 € als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Dieser Höchstbetrag vermindert sich bei Steuerpflichtigen, die ganz oder zum Teil ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben, auf einen Betrag von 1.900 € (§ 10 Abs. 4 Satz 2 EStG). Die Aufwendungen für die Basisabsicherung in der Krankenversicherung und Beiträge zur Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b EStG sind aber dann, wenn sie den entsprechenden Höchstbetrag übersteigen, gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG stets in vollem Umfang abzugsfähig.

33Eine weitere Neuerung besteht zudem darin, dass der Steuerpflichtige neben eigenen Beiträgen auch die Beiträge absetzen kann, die er im Rahmen seiner Unterhaltspflicht für ein Kind, für das Anspruch auf ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld besteht, getragen hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).

34dd) Die gesetzliche Neuregelung hat im Ergebnis zu einer Verbesserung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage geführt. Eine grundlegende Änderung in der Systematik des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen, die zu einer Neubewertung des Kriteriums der „Gleichartigkeit“ führen könnte, liegt hierin jedoch nicht. Der bloße Umstand, dass sich die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in dem dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2009 nur anteilig steuerlich ausgewirkt haben, während die Erstattung aufgrund der verbesserten Abzugsmöglichkeit nunmehr eine vollständige steuerliche Auswirkung der in 2010 gezahlten Beiträge verhindert, führt nach Ansicht des Senats nicht dazu, dass die „Gleichartigkeit“ der Aufwendungen entfällt. Maßgeblich für die Beurteilung der Gleichartigkeit bleibt in erster Linie das versicherte Risiko, das sich in der hier zu entscheidenden Konstellation nicht geändert hat, während es auf die Art und den Umfang der steuerlichen Abziehbarkeit in den einzelnen Veranlagungszeiträumen für die Bestimmung der Gleichartigkeit nicht ankommt.

35Aus diesem Grund sieht der Senat auch keinen Anlass, die Erstattung – wie von den Klägern alternativ geltend gemacht – nur zu dem Prozentsatz (hier 44,5%) zu berücksichtigen, wie sich die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Teil der gesamten in 2009 geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2009 (in Summe 8.748 €) steuerlich ausgewirkt haben, nämlich lediglich in Höhe des Höchstbetrags von 3.900 €.

36c) Das FA hat daher für das Streitjahr 2010 zutreffend einen Abzugsbetrag für die Vorsorgeaufwendungen im Sinne der Nummern 3 und 3a des § 10 Abs. 1 EStG in Höhe von 4.700 € ermittelt. Dies entspricht der Summe aus dem dem Kläger gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG zustehenden Höchstbetrag von 2.800 € und dem der Klägerin zustehenden Höchstbetrag von 1.900 €. Den gemeinsamen Höchstbetrag übersteigende Aufwendungen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die, wenn sie diese Höchstbeträge übersteigen würden, gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG in voller Höhe abziehbar wären, liegen nicht vor. Die insoweit berücksichtigungsfähigen Aufwendungen in diesem Sinne summieren sich auf einen Betrag von (lediglich) 4.064 €. Wie das FA im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 zutreffend dargestellt hat, belaufen sich die in 2010 gezahlten Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a EStG), die vom Kläger für sich und die Tochter geleisteten Beiträge zur privaten Basisabsicherung in der Krankenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a Satz 3 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG) sowie die insgesamt geleisteten Beiträge zur Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. b EStG) in Summe auf 5.183 € (4.806 € + 377 €). Dieser Betrag ist sodann um die Erstattung der Beiträge für 2009 von 1.119 € zu mindern. Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der anteiligen Erstattung von 1.119 €, die das FA in Abzug gebracht hat, in vollem Umfang um Beiträge handelt, die die Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG betreffen, also um erstattete Beiträge für die Basisabsicherung in der Krankenversicherung und um erstatte Beiträge zur Pflegeversicherung. Hierfür spricht auch, dass gem. § 10 Abs. 2a Satz 4 Nr. 2 EStG nur solche Erstattungsbeträge elektronisch an das FA zu übermitteln sind.

37III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

38IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Streitfrage hat grundsätzliche Bedeutung.

Einkünfte des Erben aus künstlerischer Tätigkeit des Erblassers

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 472/12 E

Datum:
26.09.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 472/12 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1(Auszugsweise Wiedergabe)

2Tatbestand:

3Die Klägerin beantragt,

4den Einkommensteuerbescheid 2008 vom    in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom    dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit gem. §§ 18, 24 Nr. 2 EStG auf     € gemindert werden, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

5Der Beklagte beantragt,

6              die Klage abzuweisen.

7Er führt aus, nachträgliche Betriebseinnahmen zu den Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit lägen dann vor, wenn die Zahlung durch die künstlerische Tätigkeit des Erblassers veranlasst sei. Die streitige Ablösezahlung stelle in vollem Umfang eine zusätzliche Vergütung für die frühere künstlerische Tätigkeit des Erblassers und somit eine Betriebseinnahme dar. Die Zahlung für die Einräumung der urheberrechtlichen Rechte an ….. sei unmittelbar durch die Schaffung dieser Kunstwerke veranlasst.

8Entscheidungsgründe:

9Die Klage ist unbegründet.

10Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom     in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom      ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

11Der Beklagte hat zu Recht die Betriebseinnahmen der Einkünfte gem. §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 24 Nr. 2 EStG um die Zahlung        erhöht.

121. Die Klägerin erzielt aus dem Nachlass Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG.

13Nach § 18 Abs. 1 Nr.1 EStG i. V. m. § 24 Nr. 2 gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch solche aus einer ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Einkünfte aus einer ehemaligen künstlerischen Tätigkeit gehören danach beim Erben des Künstlers auch dann zu den Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit, wenn der Erbe nicht selbst Künstler ist (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29.04.1993 IV R 16/92, Bundesteuerblatt –BStBl– II 1993, 716, unter 2.a).

142. Bei der Zahlung     über      € handelt es sich um Betriebseinnahmen aus der ehemaligen künstlerischen Tätigkeit des Erblassers.

15a) Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen dann vor, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen beruflichen Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit von dem Freiberufler erbrachten Leistungen darstellen (BFH-Beschluss vom 27.11.1992, IV B 109/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 1993, 293; BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 16/92, BStBl II 1993, 716, unter 2.a). Dementsprechend liegen Betriebseinnahmen einer künstlerischen Tätigkeit vor, wenn der Erbe die von dem Erblasser geschaffenen Kunstwerke veräußert (BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 16/92, BStBl II 1993, 716, unter 2.a). Auch Zahlungen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) für die Überlassung von Urheberrechten durch den Erblasser gehören zu den Betriebseinnahmen des Erben (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.1995 IV R 62/93, BStBl II 1995, 413, unter 1.). Zahlungen stellen auch dann ein (zusätzliches) Entgelt für die frühere Tätigkeit des Erblassers dar, wenn sie von der Handlung eines Dritten abhängig sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.1992, IV B 109/91, BFH/NV 1993, 293) oder überhaupt kein Anspruch auf die Zahlungen bestand, sofern sie nur durch die Berufstätigkeit des Erblassers veranlasst sind (BFH-Beschluss vom 27.11.1992, IV B 109/91, BFH/NV 1993, 293; BFH-Urteil vom 14.04.1966 IV 335/65, BStBl III 1966, 458, unter 1.). Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 24 Nr. 2 EStG, die Erträge einer steuerpflichtigen Betätigung, z. B. einer freiberuflichen Tätigkeit, einkommensteuerrechtlich voll zu erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.1976 IV R 174/73, BStBl II 1976, 487, unter 2.), sind Betriebseinnahmen einer ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stehen und durch diese veranlasst sind (BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 16/92, BStBl II 1993, 716, unter 2.a). Durch die Tätigkeit des Erblassers veranlasst ist eine Zuwendung von Vermögensgegenständen dann, wenn ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem ehemaligen Betrieb besteht. Der Begriff „betriebliche Veranlassung“ wird von der Rechtsprechung des BFH im gleichen Sinne verstanden, wie bei den Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG, BFH-Urteil vom 15.02.1990 IV R 13/89, BStBl II 1990, 621, unter 1.). Den Gegensatz zu Betriebseinnahmen bilden Einnahmen, für deren Zufluss nicht der Betrieb, sondern private Umstände die Veranlassung gegeben haben (BFH-Urteil vom 09.05.1985 IV R 184/82, BStBl II 1985, 427, unter 1.). Betriebseinnahmen liegen beispielsweise nicht vor, wenn der Erbe die von dem Erblasser geschaffenen Wirtschaftsgüter vor der Übertragung aus dem Betriebsvermögen – mit der Folge der Versteuerung der darin enthaltenen stillen Reserven – entnommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.1965 IV 346/61 U, BStBl III 1965, 666).

16b) Durch die Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist geklärt, dass Urheberrechte zum Betriebsvermögen eines Freiberuflers gehören (BFH-Urteil vom 28.02.1973 I R 145/70, BStBl II 1973, 660 betr. GEMA-Einnahmen eines Textdichters; zu Patenten und Erfindungen vgl. BFH-Urteil vom 02.06.1976 I R 20/74, BStBl II 1976, 666, unter 2.a; BFH-Urteil vom 18.10.1989 I R 126/88, BStBl II 1990, 377, unter II.1.a). Das Urheberrecht kann nicht in der Weise aufgespalten werden, dass die Verwertungsrechte (§ 15 ff. UrhG) zum Betriebsvermögen, die Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12 bis 14 UrhG) jedoch zum Privatvermögen zu rechnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.1992 IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471, unter 4.). Die Verwertung von Persönlichkeitsrechten kann zu gewerblichen oder ggf. freiberuflichen Einkünften führen (vgl. BFH-Urteil vom 03.11.1982 I R 39/80, BStBl II 1983, 182; BFH-Urteil vom 11.07.1991 IV R 33/90, BStBl II 1992, 353, unter I.2.b cc). Deshalb hat der BFH Schadensersatzleistungen für die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts eines inzwischen verstorbenen Architekten als Betriebseinnahmen eingestuft (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.1992 IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471, unter 4.).

17c) Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die der Klägerin zugeflossenen Einnahmen von          € Betriebseinnahmen. Sie sind vollumfänglich, d. h. sowohl im Hinblick auf die Übertragung der Verwertungsrechte i. S. der. §§ 15 ff. UrhG und der Abtretung der Zahlungsansprüche gegenüber der    Bild-Kunst (§ 4 Buchst. a des Ablösevertrags) als auch im Hinblick auf den Verzicht auf die Ausübung der Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG (§ 4 Buchst. b des Ablösevertrags), durch die ehemalige künstlerische Tätigkeit des Erblassers veranlasst. Es besteht – auch soweit die Klägerin die Zahlung des       für den Verzicht auf die Ausübung der Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG erhalten hat – ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen künstlerischen Tätigkeit des Erblassers. Die Urheberrechte an den    Kunstwerken gehörten in vollem Umfang – und nicht nur, wie die Klägerin geltend macht, hinsichtlich der Verwertungsrechte i. S. der §§ 15 ff. UrhG – zum Betriebsvermögen des Erblassers, weil dieser die Kunstwerke im Rahmen seines Betriebs geschaffen hat. Die Urheberrechte an den         Kunstwerken sind auch bei der Klägerin Betriebsvermögen geblieben. Mit dem Tod des Erblassers wurde der Betrieb nicht zwangsläufig aufgegeben und das Betriebsvermögen wurde nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 15.11.2006 XI R 6/06, BFH/NV 2007, 436, unter II.1.; BFH-Urteil vom 12.03.1992 IV R 29/91, BStBl II 1993, 36, unter II.1.). Soweit die Klägerin die Zahlung des      für den Verzicht auf die Ausübung der Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG erhalten hat, hängt deren Einordnung als Betriebseinnahmen – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht davon ab, dass die Klägerin oder der Erblasser das Urheberpersönlichkeitsrecht an den Kunstwerken wie eine „Ware“ vermarktet haben. Zwar hat der BFH mit Urteilen vom 11.07.1991 (IV R 33/90, BStBl II 1992, 353) und vom 03.11.1982 (I R 39/80, BStBl II 1983, 182) entschieden, dass in der Öffentlichkeit bekannte Steuerpflichtige (in den Streitfällen ein früherer Berufssportler und ein Show- und Quizmaster) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, wenn sie durch die Mitwirkung bei industriellen Werbeveranstaltungen und in Werbefilmen ihre Persönlichkeitsrechte verwerten. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass bei einem Künstler Betriebseinnahmen nur dann vorliegen, wenn dieser seine Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG an dem Kunstwerk kommerziell vermarktet. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Prominenten besteht bei den Urheberpersönlichkeitsrechten eines Künstlers der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Betrieb bereits darin, dass der Künstler das Kunstwerk im Rahmen dieses Betriebs geschaffen hat. Deshalb ist eine Aufspaltung des Urheberrechts eines Künstlers in der Weise, dass die Verwertungsrechte (§ 15 ff. UrhG) zum Betriebsvermögen, die Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12 bis 14 UrhG) jedoch zum Privatvermögen zu rechnen sind, nicht möglich (vgl. zu dem Urheberpersönlichkeitsrecht eines Architekten BFH-Beschluss vom 27.11.1992 IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471, unter 4.).

183. Der Beklagte hat zutreffend die der Klägerin durch den Vertragsschluss mit dem    entstandenen Rechtsanwaltskosten von     € als Betriebsausgaben anerkannt.

194. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

205. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 FGO).