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„Bettensteuer“ muss gezahlt werden

„Bettensteuer“ muss gezahlt werden

04.04.2013

Finanzgericht Hamburg weist in einer ersten Entscheidung zu Hamburgs Kultur- und Tourismustaxe den Antrag eines Hotelbetreibers auf einstweilige Anordnung zurück.

Hamburg hat – dem Vorbild anderer Städte folgend – zum 1.1.2013 eine Kultur- und Tourismustaxe (auch Bettensteuer genannt) eingeführt. Für jede private Hotelübernachtung entsteht eine Steuer von 50 Cent aufwärts. Bei einem Zimmerpreis von 200 € beträgt sie 4 € und steigt um einem Euro für jede weiteren 50 €. Geschäftsreisende sind – höchstrichterlicher Rechtsprechung folgend – von der Steuer ausgenommen, sofern der Hotelbetreiber, der die Steuer vierteljährlich anzumelden und abzuführen hat, die berufliche Veranlassung der Übernachtung nachweist.

Die Antragstellerin betreibt in Hamburg mehrere Hotels im Niedrigpreis-Segment. Schon vor dem ersten Anmelde-Stichtag am 15.4.2013 hat sie beim Finanzgericht Hamburg Klage er-hoben und zusätzlich vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Das Finanzgericht möge fest-stellen, dass sie bis zur Entscheidung über ihre Klage nicht zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer verpflichtet sei. Sie meint, die Steuer sei zu kompliziert und verletze sie in ihren Grundrechten. Da ihr Geschäftsmodell auf sehr niedrigen Preisen basiere, sei sie gezwungen, die Steuer den privat Reisenden in Rechnung zu stellen und für die Geschäfts-reisenden die Steuerfreiheit in Anspruch zu nehmen. Es sei ihr nicht zumutbar, bis zu 1000 Gäste täglich zu befragen und Nachweise zu erstellen. Auch sei nicht sichergestellt, dass die Steuer tatsächlich überall gleichmäßig erhoben werde.

Der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkten Überprüfung hat der 2. Senat keine Verfassungsverstöße festgestellt. Die Steuer könne von den Hotelbetreibern anhand des Gesetzes unproblematisch berechnet werden. Für den Nachweis der Steuerfreiheit für Geschäftsreisende gebe es einfach auszufüllende Formulare. Es sei nicht zu beanstanden, wenn Hotelgäste beim Einchecken befragt werden müssen, ob sie geschäftlich unterwegs seien. Außerdem habe der Hotelbetreiber die Möglichkeit, seinen Aufwand dadurch gering zu halten, dass er die nicht besonders hohen Steuerbeträge generell in seine Übernachtungspreise einkalkuliere und so auf alle Kunden abwälze. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit sei nicht zu erkennen. Der 2. Senat sieht die gleichmäßige Erhebung der Steuer nicht in Frage gestellt.

Der 2. Senat hat in seinem Beschluss (Az.: 2 V 26/13) die Beschwerde nicht zugelassen.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 V 26/13
Beschluss des Senats vom 03.04.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: KTTG § 1, KTTG § 3, KTTG § 4, KTTG § 5, KTTG § 6, KTTG § 7, KTTG § 8, KTTG § 9, GG Art. 2 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 12 Abs. 1, GG Art. 14 Abs. 1, GG Art. 19 Abs. 3, GG Art. 20 Abs. 3
Leitsatz: 1. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch dazu statthaft, um vorläufig zu verhindern, die Berechnungs-, Anmelde- und Abführungspflichten einer neu eingeführten Steuer erfüllen zu müssen.
2. Die Verpflichtungen zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Hamburgischen Kultur- und Tourismustaxe sind nach dem im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzuwendenden Maßstab verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Überschrift: Kommunale Aufwandsteuern: Hamburgische Kultur- und Tourismustaxe
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Verpflichtung der Antragstellerin, die Hamburgische Kultur-und Tourismustaxe zu berechnen, anzumelden und abzuführen.
Die Antragstellerin betreibt in Hamburg an … Standorten Beherbergungsbetriebe im niedrigpreisigen Bereich in Form von Hotels/Hostels. Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg beschloss am 4. Dezember 2012 das Hamburgische Kultur-und Tourismustaxengesetz (im Folgenden: KTTG). Das Gesetz wurde im Hamburgischen Gesetz-und Verordnungsblatt vom 18. Dezember 2012 verkündet (HmbGVOBl 2012, 503) und trat zum 1. Januar 2013 in Kraft (§ 12 Abs. 1 KTTG).
Das Gesetz enthält – soweit vorliegend erheblich – im Wesentlichen folgende Regelungen:
„§ 1
Steuergegenstand
(1) Der Steuer unterliegt der Aufwand für die entgeltliche Übernachtung einer Person in der Freien und Hansestadt Hamburg in einem Beherbergungsbetrieb. Als Übernachtung gilt bereits die entgeltliche Erlangung der Beherbergungsmöglichkeit unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme. Der Übernachtung steht die Nutzung der Beherbergungsmöglichkeit, ohne dass eine Übernachtung erfolgt, gleich, sofern hierfür ein gesonderter Aufwand betrieben wird. Ausgenommen von der Steuer sind Übernachtungen, die für eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit des Übernachtungsgastes zwingend erforderlich sind. Der Betreiber des Beherbergungsbetriebes hat die zwingende Erforderlichkeit einer Übernachtung für eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit des Übernachtungsgastes durch geeignete Belege nachzuweisen.
(2) Als Beherbergungsbetrieb gilt jeder Betrieb, bei dem Tätigkeiten zur Bereitstellung von kurzzeitigen Beherbergungsmöglichkeiten ausgeübt werden. Nicht als Übernachtung im Sinne des Gesetzes gilt das Unterkommen in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, Alten-und Pflegeheimen, Hospizen und vergleichbaren Einrichtungen, die dem Unterkommen von Personen in besonderen sozialen Situationen dienen.
§ 2
Bemessungsgrundlage
(1) Die Steuer bemisst sich nach dem für die Übernachtung geschuldeten Entgelt ohne Umsatzsteuer (Nettoentgelt). Unerheblich ist, ob das Nettoentgelt vom Gast oder von einem Dritten für den Gast geschuldet wird. Im Falle der Belegung eines Zimmers durch mehrere Personen gilt vorbehaltlich einer anderweitigen Abrechnung das nach Köpfen verteilte Gesamtentgelt des Zimmers als geschuldetes Entgelt des Übernachtungsgastes.
(2) …
§ 3
Steuerpauschalsätze
Die Steuer beträgt je Gast und Übernachtung bei einem Nettoentgelt von bis zu
10 Euro 0 Euro,
25 Euro 0,50 Euro,
50 Euro 1 Euro,
100 Euro 2 Euro,
150 Euro 3 Euro,
200 Euro 4 Euro.
Je weitere angefangene 50 € Nettoentgelt erhöht sich die Steuer um jeweils einen Euro.
§ 4
Steuerschuldner, Haftungsschuldner
(1) Steuerschuldner ist der Betreiber oder die Betreiberin des Beherbergungsbetriebes.
(2) Hat der Gast hinsichtlich der zwingenden beruflichen oder betrieblichen Veranlassung seiner Übernachtung falsche Belege vorgelegt oder falsche Angaben gemacht, haftet er für die entgangene Steuer. § 219 der Abgabenordnung gilt diesen Fällen nicht.
§ 5
Entstehung und Fälligkeit der Steuer
(3) Die Steuer entsteht mit der Beendigung der Beherbergungsleistung.
(4) Die Steuer ist am 15. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraumes fällig und an das Finanzamt abzuführen.
§ 6
Anzeigepflicht, Steueranmeldung
(1) …
(2) Der Anmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr.
(3) Der Betreiber oder die Betreiberin des Beherbergungsbetriebes hat bis zum 15. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums eine Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck unter Angabe der Gesamtzahl der Übernachtungen, der Anzahl der steuerpflichtigen Übernachtungen sowie der
Anzahl der Übernachtungen mit zwingender beruflicher oder betrieblicher Veranlassung bei der zuständigen Behörde abzugeben, in der die abzuführende Steuer selbst zu berechnen ist. Die Anmeldung im Sinne dieser Vorschrift ist eine Steueranmeldung gemäß § 150 der Abgabenordnung.
(4) Gibt der Betreiber oder die Betreiberin des Beherbergungsbetriebes eine Anmeldung nicht ab, obwohl er hierzu verpflichtet ist, oder hat er die Steuer fehlerhaft berechnet, so kann das Finanzamt die Steuer durch Bescheid festsetzten. Steuermehrbeträge aufgrund von Festsetzungen nach Satz 1 sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu entrichten.
§ 7
Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten
Der Betreiber oder die Betreiberin des Beherbergungsbetriebes hat die Namen und die Dauer des Aufenthalts aller Übernachtungsgäste in geeigneter Form aufzuzeichnen. Minderjährige Kinder in Begleitung eines Elternteils oder beider Elternteile sind nur der Zahl nach anzugeben. Diese Aufzeichnungen und die Belege zum Nachweis der zwingenden Erforderlichkeit einer Übernachtung für eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit des Übernachtungsgastes gemäß § 1 Absatz 1 Satz 4 sind für einen Zeitraum von vier Jahren beginnend mit dem Ablauf des Jahres der Steuerentstehung aufzubewahren.“
Die Freie und Hansestadt Hamburg stellt Formulare bereit für die Anmeldung der Kultur- und Tourismustaxe beim Antragsgegner (§ 6 Abs. 3 Satz 1 KTTG) und für den Nachweis, dass die Übernachtung für eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit des Übernachtungsgast zwingend erforderlich ist (§ 1 Abs. 1 Satz 4 und 5 KTTG: Arbeitgeberbestätigung, Bestätigung für eigenberufliche Tätigkeiten).
Die Antragstellerin hat am 25. Januar 2013 Feststellungsklage erhoben (2 K 25/13) und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ihren Antrag begründet sie wie folgt:
Der Antrag sei gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft. Dies folge daraus, dass auch die Klage in der Hauptsache als Feststellungsklage nach § 41 FGO zulässig sei. Damit werde keine verdeckte Normenkontrollklage erhoben, sondern die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt. Ihr, der Antragstellerin, gehe es darum, feststellen zu lassen, dass sie nicht verpflichtet sei, in ihren Beherbergungsbetrieben die Kultur-und Tourismustaxe zu erheben und sie gemäß § 6 KTTG beim Antragsgegner anzumelden und abzuführen. Sie könne auch nicht darauf verwiesen werden, zunächst eine Steueranmeldung abzugeben und gegen diesen Verwaltungsakt mit einem Einspruch und einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vorzugehen. Ihr Rechtsschutzbegehren bestehe darin, bereits jetzt von der Erhebungs- und Anmeldepflicht bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache befreit zu sein. Ihr Ziel sei es, einen erheblichen, nicht rückgängig zu machenden und nicht Erfolg versprechenden Aufwand zur Erhebung der Taxe bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig nicht betreiben zu müssen. Eine einstweilige Anordnung sei deshalb zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes der zutreffende Rechtsbehelf.
Wegen der komplizierten Staffelung der Beträge und des Fehlens einer Übergangsfrist sei es ihr, der Antragstellerin, nicht möglich, einen reibungslosen, einigermaßen ökonomisch sinnvollen und zielführenden Erhebungsvorgang zu organisieren. Bei Online-Buchungen seien die gestaffelten Beträge der Taxe
datenverarbeitungstechnisch nicht darstellbar. Sowohl bei solchen Buchungen als auch bei Buchungen im Reisebüro müsse deshalb die Auskunft unterbleiben, ob der Aufenthalt beruflich oder privat veranlasst sei. Die Veranlassung der Reise könne erst beim Check-In an der Rezeption vor Ort ermittelt werden. Bei einer Check-In Software könnten die zu erhebenden Beträge nicht abgebildet werden. Daher müsse die Erhebung und Berechnung im Einzelfall vor Ort durch das Personal manuell erfolgen. Dies sei ihr, der Antragstellerin, – zumindest ohne Übergangsfrist – nicht möglich, obwohl sie bereits erheblichen Aufwand betrieben habe.
Sie, die Antragstellerin, habe in ihren … Häusern in Hamburg im Jahr 2012 bei 222.694 Anreisen 463.224 Übernachtungen durchgeführt. Dies bedeute, dass an den Rezeptionen täglich bis zu 1.000 Anmeldungen erfolgten. Wegen dieser hohen Zahl müssten die Vorgänge ökonomisch gestaltet werden. Im Jahr 2012 habe ein Check-In etwa 2:10 Minuten gedauert. Nunmehr nehme allein die Datenerhebung für die Taxe 3 Minuten in Anspruch. Der zeitliche Aufwand habe deshalb um rund 150 % zugenommen. Es seien 1.108 Arbeitsstunden zusätzlich zu leisten. Ihr, der Antragstellerin, stünden dafür weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung. Sie müsse äußerst kurzfristig eine Vielzahl neuer Mitarbeiter einstellen, was tatsächlich nicht möglich sei, weil typischerweise Teilzeitkräfte bei ihr beschäftigt seien. Erweise sich das Gesetz später als rechtswidrig, müsse sie, die Antragstellerin, den neuen Mitarbeitern wieder kündigen. Dies sei arbeitsrechtlich schwierig und ihr nicht zumutbar. Ihr Personal sei zudem bei der Berechnung der Taxe überfordert.
Wegen ihres Low-Budget-Geschäftsmodells und der damit verbundenen geringen Gewinnspanne von nur 4-5 % pro Übernachtung stehe ihr, der Antragstellerin, nicht die Möglichkeit offen, auf die Abwälzung der Abgabe zu verzichten und sie zunächst aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen aus eigener Tasche zu bezahlen.
Die schon gegenwärtig rechtswidrig erhobenen Beträge könnten bei Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht unmittelbar vom Antragsgegner an die Übernachtungsgäste zurückerstattet werden. Es sei nur eine Erstattung an den Betreiber möglich, welcher die Beträge dann wiederum an die Gäste weiterleiten müsse. Beides ziehe einen erheblichen Aufwand nach sich. Angesichts ihrer Übernachtungszahlen sei ein solches Rückerstattungsverfahren nicht nur ökonomisch nicht sinnvoll, sondern unzumutbar und rein faktisch in vielen Fällen nicht möglich.
Der Antrag sei begründet. Es bestehe ein Anordnungsanspruch auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO. Sie, die Antragstellerin, habe aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) einen Anspruch, nicht mit verfassungswidrigen Steuern belegt zu werden und die für die Erhebung des angefochtenen Gesetzes erforderlichen Vorkehrungen treffen zu müssen.
§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 KTTG sei verfassungswidrig, weil diese Vorschrift gegen den Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast für den Steuerpflichtigen verstoße. Der eine Abgabenpflicht begründende Tatbestand müsse so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Belastung vorausberechnen könne. Dies sei nicht der Fall, weil sie, die Antragstellerin, als Steuerschuldnerin keine Kenntnis vom maßgeblichen Unterscheidungskriterium einer privaten oder einer beruflichen Übernachtung habe. Eine solche Kenntnis besitze nur der Übernachtungsgast. Dessen Kenntnis sei dem Betreiber des
Beherbergungsbetriebes auch nicht sicher zugänglich. Er könne dessen Angaben zudem nicht überprüfen.
§ 1 Abs. 1 Satz 5 KTTG verletze den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Der Steuergläubiger trage die Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, die den Steueranspruch begründeten. Die von § 1 Abs. 1 Satz 1 und 4 KTTG vorausgesetzte Privatheit einer Übernachtung sei ein steuerbegründendes Tatbestandsmerkmal. Durch die Überbürdung des Nachweises der beruflichen Veranlassung einer Übernachtung (§ 1 Abs. 1 S. 5 KTTG) auf den Betreiber des Beherbergungsbetriebes werde eine Vermutung dafür begründet, dass die Übernachtung privat sei. Für eine Umkehr der Feststellungslast fehle es an einem hinreichend Grund.
Es liege ferner eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Dieser verlange, dass eine gleichmäßige Erhebung der Steuer sichergestellt sei. Hierfür sei ein Mindestmaß an verfahrensrechtlicher Gewährleistung durch Kontrollmöglichkeiten zu fordern. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Es fehle an einem Mindestmaß an Kontrollmöglichkeiten und der Überprüfbarkeit der Angaben des Übernachtungsgastes. Die für den Nachweis des beruflichen Anlasses der Übernachtung vorgesehenen Formulare seien mangels Abfrage substantiierter Angaben nicht von den Mitarbeitern des Antragsgegners überprüfbar.
Es liege zudem eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG vor. Ihr, der Antragstellerin, werde durch das Gesetz eine spezifische Preisgestaltung für die Beherbergung vorgegeben. Sie sei letztlich gezwungen, die Taxe auf ihre Gäste abzuwälzen und damit ihre Preisgestaltung zu ändern. Dieser Eingriff sei für sie wegen ihrer geringen Gewinnspanne pro Übernachtung existenzbedrohend, wenn es ihr nicht gelinge, die Taxe auf die Gäste umzulegen. Derzeit stelle sie die Abwälzung vor technisch unlösbare Probleme. Es liege deshalb nicht ein Eingriff auf der Ebene der Ausübungsfreiheit, sondern der Berufswahlfreiheit vor. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt, weil es schon an einer erforderlichen Übergangsregelung fehle. Zudem werde sie mit einem unverhältnismäßigen Erhebungsaufwand belegt; insbesondere werde ihr der Nachweis des Befreiungstatbestandes abverlangt. Hinzu komme, dass sie kurz vor der Einführung eines so genannten Kiosk-Systems (Check-In-Terminal) gestanden habe, um die Mitarbeiter an den Rezeptionen zu entlasten. Diese Systeme könnten keine Prüfung vornehmen, ob eine Abgabepflicht bestehe. Die Terminals könnten deshalb nicht bestellt werden.
Ferner werde in den durch Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in verfassungswidriger Weise eingegriffen. Sie, die Antragstellerin, habe bislang erhebliche und vergebliche Aufwendungen getätigt, um die von ihr verlangten Verpflichtungen umzusetzen. Sofern sie die Taxe nicht auf ihre Gäste abwälzen könne, sei ihr Betrieb gefährdet, weil sie nur eine geringe Gewinnspanne habe. Eine nur kalkulatorische Abwälzung auf die Gäste sei nicht zumutbar. Ferner sei eine derartige Preissteigerung im Low-Budget-Bereich nicht durchsetzbar.
Die in § 7 Satz 3 KTTG normierte vierjährige Aufbewahrungspflicht für die Meldescheine verstoße zudem gegen § 27 Abs. 3 Satz 1 MeldeG. Auch die Höhe der jeweils zu erhebenden Taxe sei bei Mehrfachbelegungen eines Zimmers in sich nicht stimmig und zwinge sie zu einer unsachgemäßen Erhebung.
Es liege ein Anordnungsgrund vor. Sie, die Antragstellerin, habe bereits erhebliche Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes unternommen, dennoch sei es ihr aus den angeführten Gründen nicht möglich, einen reibungslosen, einigermaßen ökonomisch sinnvollen und zielführenden Erhebungsvorgang zu organisieren. Ferner bestünden unlösbare Schwierigkeiten beim Vollzug des Gesetzes darin, dass es nicht möglich sei, die nach der Preisangabenverordnung (PAngV) erforderliche Angabe von Endpreisen vorzunehmen. Die Vermittlungsportale akzeptierten keine flexible Preisberechnung. Ohne Kenntnis des Reisegrundes sei eine solche Berechnung auch nicht möglich. Gegenwärtig werde die Taxe noch ganz aus den Preisangaben herausgehalten und vor Ort erhoben. Dies erzeuge Unmut bei den Gästen. Wenn diese Praxis zu Beschwerden oder Abmahnungen führe, würden die Vermittlungsportale die Taxe pauschal ohne deren Ausweisung aufschlagen. Dies zwinge sie, die Antragstellerin, zu unökonomischen und unzumutbaren Erstattungen von Kleinstbeträgen im Einzelfall vor Ort.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass sie vorläufig, d. h. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsklage (2 K 25/13), nicht verpflichtet ist, von ihren Gästen die Kultur-und Tourismustaxe gemäß dem KTTG zu erheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig. Die Antragstellerin begehre im Wege vorläufigen Rechtsschutzes tatsächlich die Feststellung, dass es sich bei dem KTTG um ein verfassungswidriges Gesetz handele. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sei die Hauptfrage des Antrags. Eine Feststellungsklage mit dem Ziel der Überprüfung der Gültigkeit von Steuergesetzen sei aber grundsätzlich unzulässig. Dem folgend sei auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig. Die Kultur-und Tourismustaxe sei gemäß § 5 KTTG einer Anmeldesteuer. Die Steueranmeldung stehe gemäß § 168 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Gegen diese Steueranmeldung sei der Rechtsbehelf des Einspruchs gegeben und vorläufiger Rechtsschutz könne mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) geltend gemacht werden. Der Antrag auf AdV sei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setze einen Anordnungsgrund voraus. Daran sei ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Durch die Pflichten des KTTG müsse die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin unmittelbar bedroht sein. Diese Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nicht erfüllt. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Nachteile seien insgesamt nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Gesetzes überwiegen würden. Die von der Antragstellerin für möglich gehaltene Erstattung der Taxe an die Gäste könne zumutbar dadurch vermieden werden, dass die Antragstellerin die Abgabe nur kalkulatorisch, aber nicht unmittelbar an ihre Gäste weitergebe. Durch einen Verzicht auf die Weitergabe oder eine bloß kalkulatorische Abwälzung werde der Nachteil eines aufwändigen Erstattungsverfahrens vollständig vermieden. Es sei technisch möglich, im Buchungsportal der Antragstellerin und bei anderen Portalen
auf die Taxe hinzuweisen und den Anlass der Reise abzufragen. Die Berechnung der Taxe sei sowohl EDV-technisch als auch manuell leicht umzusetzen.
Der Antrag sei zudem unbegründet. § 1 Abs. 1 KTTG genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz. Dieser verlange vom Normgeber, Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Diesen Anforderungen werde § 1 Abs. 1 KTTG gerecht. Danach gelte die grundsätzliche Regelung, dass eine entgeltliche Übernachtung der Besteuerung unterliege. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe dann, wenn vom Gast Erklärungen und Nachweise für eine zwingende berufliche oder betriebliche Veranlassung der Übernachtung vorgelegt würden. Solche Nachweise werde der Gast spätestens bei der Rechnungserteilung aus eigenem finanziellem Interesse vorlegen, weil die Taxe von den Hotels auf die Übernachtungsgäste abgewälzt werde. Die Steuer sei für den Betreiber des Beherbergungsbetriebes somit vorhersehbar. Er könne als Betroffener die Rechtslage erkennen und wisse, was er bei seinen Gästen abfragen müsse.
Sofern sich hinterher herausstelle, dass ein Gast falsche Angaben gemacht oder Belege vorgelegt habe, solle nach dem in der Gesetzesbegründung bekundeten Willen des Gesetzgebers nicht der Betreiber des Beherbergungsbetriebes, sondern der Gast im Wege der Haftung in Anspruch genommen werden. Diese Möglichkeit eröffne § 4 Abs. 2 KTTG. Eine Inanspruchnahme des Beherbergungsbetriebes als Steuerschuldner in einer solchen Konstellation sei zudem sachlich unbillig und könne über die Regelung des § 163 AO vermieden werden.
Es liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung vor. Der Gesetzgeber könne die Frage regeln, wer die Feststellungslast für steuerbegründende oder steuerausschließende Tatsachen trage. Hierbei würden Erwägungen angestellt, wie ein Gesetz verwaltungsökonomisch sinnvoll umgesetzt werden könne. Bei der Kultur-und Tourismustaxe handele es sich um eine kommunale Aufwandsteuer, bei der der Dritte und nicht der Steuerschuldner im Wege der Abwälzung mit der Zahlung der Steuer belastet werde. Hier befinde sich der Steuerschuldner und nicht der Steuergläubiger zum eigentlich finanziell belasteten Dritten in einem Näheverhältnis. Es sei deshalb zulässig, den Steuerschuldner auch mit dem Sammeln der Kriterien von dem steuerbelasteten Gast zu beauftragen, die die Steuerbarkeit entfallen ließen.
Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Das KTTG sehe genügend Kontrollmöglichkeiten vor, um die Angaben der Gäste durch die Steuerverwaltung überprüfen zu lassen. Das durch § 8, § 9 Abs. 2 KTTG und § 93 AO i. V. m. §§ 328 ff. AO zur Verfügung gestellte Instrumentarium sei ausreichend, um die gleichmäßige und vollständige Erhebung der Steuer zu gewährleisten.
Die Antragstellerin betreibe in ihren Beherbergungsbetrieben ein offenes Preissystem. Bei einer solchen Gestaltung sei es zur vorläufigen Vermeidung aller angeblichen organisatorischen Probleme leicht möglich, die Kulturtaxe einzupreisen und damit kalkulatorisch auf die Gäste abzuwälzen. Bei den günstigen Übernachtungspreisen der Antragstellerin gebe es sowieso nur die Alternativen keine Kulturtaxe, 0,50 € oder 1 € pro Person und Übernachtung. Im Übrigen erfolge diese einfachste Weitergabe der Kulturtaxe schon bei diversen Buchungsportalen, wenn über diese Übernachtungen in Betrieben der Antragstellerin gebucht würden. In Wirklichkeit träfen die von der Antragstellerin geschilderten Probleme nicht zu. Es sei
den Betreibern von Beherbergungsbetrieben in Hamburg im Übrigen seit mehr als einem Jahr bekannt, dass an der Einführung der Tourismustaxe gearbeitet werde. Es sei ihnen damit ermöglicht worden, sich organisatorisch auf die Einführung einzustellen.
Nach der Preisangabenverordnung sei es zulässig, bei einer kalkulatorischen Ermittlung des Übernachtungspreises eine Kulturtaxe nicht ausdrücklich auszuweisen. Nur bei direkter Steuerabwälzung sei es wichtig, dass in Internetangeboten auf die Abgabe hingewiesen werde. Die Umstellung auf Check-In-Terminals werde nicht durch das KTTG, sondern das Melderecht verhindert.
II.
Der Antrag ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
1)
a) Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist eröffnet. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung i. V. m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ist der Finanzrechtsweg auch gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben – wie das KTTG – der Landesgesetzgebung unterliegen und von Landesfinanzbehörden – dem Antragsgegner – verwaltet werden.
b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
c) Vorliegend ist der Antrag der Antragstellerin als Regelungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO) statthaft. Sie möchte damit der Sache nach bewirken, vorläufig bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache (2 K 25/13) von den Verpflichtungen nach § 6 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KTTG entbunden zu werden, die Kultur-und Tourismustaxe selbst zu berechnen, beim Antragsgegner – beginnend mit dem ersten Quartal 2013 – vierteljährlich anzumelden und abzuführen. Damit möchte die Antragstellerin eine vorläufige Regelung in Bezug auf ihre Pflichten nach dem KTTG gegenüber dem Antragsgegner erreichen. Diese Pflichten begründen ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, weil durch § 6 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KTTG bestimmte, aus einem konkreten Sachverhalt – den Beherbergungsleistungen der Antragstellerin – resultierende rechtliche Pflichten der Antragstellerin (Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer) gegenüber dem Antragsgegner begründet werden (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 19. August 2008, V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501; von Groll in Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 41 FGO Rn. 12 m. w. N.). Eine Sicherungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) kommt nicht in Betracht, weil die genannten Pflichten des KTTG schon bestehen und insoweit
keine Veränderung des bestehenden Zustandes zu befürchten ist, durch die eine Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Der Senat legt den gestellten Antrag in Verbindung mit der Antragsbegründung in diesem Sinne aus. Er lautet seinem Wortlaut nach zwar dahingehend, festzustellen, dass die Antragstellerin vorläufig nicht verpflichtet ist „von ihren Gästen“ die Kultur- und Tourismustaxe nach dem KTTG zu „erheben“. Eine solche Erhebungspflicht schreibt das Gesetz nicht vor. Die Kultur- und Tourismustaxe ist als kommunale Aufwandsteuer zwar auf eine Abwälzung auf den Gast angelegt. Das KTTG verpflichtet aber nicht zu einer solchen Abwälzung. Die Steuer wird auch nicht bei den Übernachtungsgästen, sondern bei den Betreibern der Beherbergungsbetriebe als Steuerschuldnern (§ 4 Abs. 1 KTTG) im Wege der Selbstveranlagung durch Anmeldung und Abführung erhoben. Dies wird – ausweislich der Begründung – auch von der Antragstellerin nicht verkannt. Ihr geht es darum, vorläufig von den eigenen durch § 6 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KTTG begründeten Pflichten zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer befreit zu werden.
Das Gericht legt den Antrag ferner so aus, dass die Antragstellerin nicht zusätzlich vorläufig von der Pflicht zur Aufbewahrung der nach § 7 Satz 1 KTTG aufzuzeichnenden Daten über einen Zeitraum von vier Jahren (§ 7 Satz 3 KTTG) befreit werden möchte. Die Antragstellerin macht mit ihrer Antragsbegründung zwar auch geltend, dass § 7 Satz 3 KTTG gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie gegen § 27 Abs. 3 Satz 1 MeldeG verstoße. Diese Aufbewahrungspflicht nach § 7 Satz 3 KTTG und die Länge der Aufbewahrungsfrist hat mit der vom Antrag umfassten „Erhebung“ der Kultur- und Tourismustaxe aber nur mittelbar zu tun. Aus der Antragsbegründung geht zudem nicht hervor, dass die Antragstellerin vorläufig davon verschont werden will, die von § 7 Satz 1 KTTG geforderten Daten länger als melderechtlich zulässig (1 Jahr: § 27 Abs. 3 HmbMG) aufbewahren zu müssen; insoweit wird insbesondere kein besonderer Nachteil dargelegt, der eine Eilentscheidung rechtfertigen soll.
d) Der Antrag ist nicht gegenüber einem Antrag auf AdV subsidiär. Nach § 114 Abs. 5 FGO gelten die Vorschriften über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zwar nicht für die Fälle des § 69 FGO. Die einstweilige Anordnung ist also gegenüber der Aussetzung der Vollziehung und der Aufhebung der Vollziehung subsidiär. Das bedeutet, dass kein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht, wenn eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO in Betracht kommt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Januar 1984 II B 35/83, BStBl II 1984, 210; vom 19. April 1988 VII B 167/87, BFH/NV 1989, 36; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 114 FGO Rn. 20 m. w. N.). Dies gilt jedoch nur, soweit ein AdV-Antrag bereits vorliegt oder zumutbar zeitnah gestellt werden kann, um den begehrten einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen.
Derzeit liegt weder ein AdV-Antrag der Antragstellerin vor noch könnte er gestellt werden. Erst mit der ersten Steueranmeldung, die nach Ablauf des ersten Quartals 2013 gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 KTTG bis zum 15. April 2013 vorzunehmen ist, liegt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KTTG i. V. m § 150, § 168 Satz 1 AO eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vor. Dagegen könnte die Antragstellerin Einspruch (§ 347 AO) einlegen und einen Antrag auf AdV oder Aufhebung der
Vollziehung beim Antragsgegner stellen (§ 361 AO). Unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO kann ein AdV-Antrag bei Gericht gestellt werden.
Der Antragstellerin ist es aber unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht zuzumuten, den einstweiligen Rechtsschutz über einen AdV-Antrag zu suchen. Ein solcher würde nur vorläufigen Rechtsschutz gegen die einzelne Steueranmeldung vermitteln und müsste gegebenenfalls nach jeder Steueranmeldung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache wiederholt werden. Das Rechtschutzziel ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geht darüber hinaus. Damit soll bereits vor der ersten Steueranmeldung und vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache (2 K 25/13) erreicht werden, dass die Antragstellerin die Anmelde- und Abführungspflicht nicht zu erfüllen hat. Eilverfahren – und damit auch das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – sind unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtschutzes gerade dazu da, soweit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. August 2002 1 BvR 1790/00, NJW 2002, 3691; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 114 FGO Rn. 64).
e) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil in der Hauptsache (2 K 25/13) eine unzulässige Feststellungsklage in Form einer verdeckten Normenkontrollklage erhoben worden ist. Dies ist nicht der Fall. Die Antragstellerin begehrt mit der Klage in der Hauptsache die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Dort hat sie die Feststellung beantragt, gegenüber dem Antragsgegner/Beklagten nicht verpflichtet zu sein, die Pflichten aus einem Steuerschuldverhältnis gemäß § 4 Abs. 1 KTTG zu erfüllen. Diese Pflichten, namentlich die durch § 6 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KTTG begründeten Pflichten zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer, begründen – wie oben dargelegt – ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des Bundesverwaltungsgerichts, dass im Interesse der Gewährung eines weitgehenden Rechtsschutzes bei geltend gemachtem normativem Unrecht an die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage mit normenkontrollrechtlichem Hintergrund keine zu strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BFH-Urteil vom 22.04.1986 VII R 184/85, BFHE 146, 302 m. w. N.).
2) Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Antragstellerin vorläufig bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache (2 K 25/13) von den Verpflichtungen zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer nach § 6 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KTTG freizustellen, liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch (a) noch einen Anordnungsgrund (b) glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung – ZPO-).
a) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, von der Verpflichtung zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KTTG vorläufig befreit zu werden. Die von der Antragstellerin gerügten Verfassungsverstöße liegen nicht vor bzw. können vom Gericht im vorliegenden summarischen Verfahren mangels Glaubhaftmachung der geltend
gemachten Tatsachengrundlage nicht festgestellt werden. Der Antragstellerin steht deshalb kein grundrechtlicher Abwehranspruch aus Art. 2 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG zu, nicht mit einer verfassungswidrigen Steuer belegt zu werden und nicht an ihrer Erhebung mitwirken zu müssen.
aa) Aus dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips folgt im Bereich des Abgabenrechts, dass steuerbegründende Umstände so bestimmt sein müssen, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast in gewissem Umfang vorausberechnen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 1965 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253; Beschluss vom 17. Juli 2003 2 BvL 1/99 u. a., BVerfGE 108, 186).
Diese Voraussetzungen erfüllt das KTTG. Darin werden der Steuergegenstand (§ 1 KTTG), die Bemessungsgrundlage (§ 2 KTTG), der Steuersatz (§ 3 KTTG), der Steuerschuldner (§ 4 Abs. 1 KTTG), die Entstehung und Fälligkeit der Steuer (§ 5) sowie die Erhebung (§ 6 KTTG) so geregelt, dass die Grundlagen und die Berechnung der Steuer – jedenfalls im Wege der Auslegung – vom Steuerschuldner hinreichend deutlich erkannt werden können. Es ist nicht erforderlich, dass die Steuer exakt vorausberechnet werden kann. Wann eine „zwingende“ Erforderlichkeit für die berufliche oder betriebliche Tätigkeit des Übernachtungsgastes im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 4 KTTG gegeben ist, kann insbesondere anhand der vom Bundesverwaltungsgericht in den Urteilen vom 11. Juli 2012 (9 CN 1/11, 9 CN 2/11, NVwZ 2012, 1407, juris) zu den Satzungen über die Erhebung von Kulturförderabgaben in Trier und Bingen dargelegten Kriterien ermittelt werden (vgl. auch Bürgerschafts-Drs. 20/5840, S. 9). Danach ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass ohne die entgeltliche Übernachtung die Berufsausübung, gewerbliche Tätigkeit oder freiberufliche Tätigkeit nicht ausgeübt und deshalb Einkommen nicht erwirtschaftet werde könnte.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ändert der Umstand, dass nicht sie, sondern nur der Gast Kenntnis über die das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal für die Steuerbarkeit einer Übernachtung begründenden Umstände hat, nichts an der hinreichenden Bestimmtheit des Besteuerungstatbestandes nach § 1 Abs. 1 KTTG (private oder zwingend berufliche bzw. betrieblich erforderliche Übernachtung). Der Beherbergungsunternehmer hat die Möglichkeit, die Gäste zum Anlass ihrer Übernachtung zu befragen und auf dieser Grundlage die Steuer zu berechnen. Im Regelfall wird ein Gast eine entsprechende Erklärung abgeben, jedenfalls wenn er damit die Abwälzung der Steuer durch einen höheren Übernachtungspreis verhindern kann. Wenn er keine oder unzutreffende Angaben macht, berührt dies nicht die Bestimmtheit des Steuertatbestandes, sondern die Frage der Tatbestandserfüllung und wer bei Nichtaufklärbarkeit der Umstände die Feststellungslast trägt.
bb) Dies ist nach § 1 Abs. 1 Satz 5 KTTG der Betreiber des Beherbergungsbetriebes. Er hat danach die zwingende Erforderlichkeit einer Übernachtung für eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit des Übernachtungsgastes durch geeignete Belege nachzuweisen. Ihm wird damit verdeutlicht, dass er – jedenfalls zunächst – die Steuer zu tragen hat, wenn er den geforderten Nachweis über den Übernachtungsanlass nicht erbringen kann. Da die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO), kann der Betreiber bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist eine Änderungsmeldung abgeben, wenn er später
nachweisen kann, dass eine Übernachtung nicht steuerpflichtig war (§ 168 Satz 1, § 164 Abs. 2 AO).
Nach den Gesetzesmaterialien soll mit § 1 Abs. 1 Satz 5 KTTG ein effektives Verfahren ermöglicht werden. Deshalb regele das Gesetz, dass die Übernachtung der Besteuerung unterfalle, wenn das zwingende berufliche oder betriebliche Erfordernis einer Übernachtung nicht nachgewiesen werde (vgl. Bürgerschafts-Drs. 20/5840, S. 9). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wird durch § 1 Abs. 1 Satz 5 KTTG keine gesetzliche Vermutung für die Privatheit einer Übernachtung aufgestellt, sondern (lediglich) die Feststellungslast verteilt. Diese Verteilung ist nicht zu beanstanden. Zwar dürfen mit einer örtlichen Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG nur private Übernachtungen belegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 9 CN 1/11, NVwZ 2012, 1407) und ist die Privatheit der Übernachtung deshalb nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 4 KTTG ein steuerbegründendes Merkmal, für das grundsätzlich der Steuergläubiger die Feststellungslast trägt (vgl. etwa BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BStBl II 1976, 562).
Der Gesetzgeber ist im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit für die Festlegung des Steuertatbestandes und des dabei anzuwendenden Verfahrens aber befugt, die Feststellungslast aus sachlichen Gründen anderweitig zu verteilen, wenn der Steuerpflichtige damit nicht unverhältnismäßig belastet wird. Hier ist es sachgerecht, dem Betreiber des Beherbergungsbetriebes als Steuerschuldner (§ 4 Abs. 1 KTTG) die Feststellungslast für das Vorliegen einer zwingenden beruflichen oder betrieblichen Veranlassung der Übernachtung zuzuweisen. Dies liegt aus Gründen der Effektivität der Steuerhebung nahe, weil der Betreiber des Beherbergungsbetriebes eine größere Beweisnähe aufweist, als der Antragsgegner. Letzterer hat bei der Erfüllung des Besteuerungstatbestandes (der Übernachtung) keinen Kontakt zum Übernachtungsgast. Der Betreiber des Beherbergungsbetriebes hat hingegen die Möglichkeit, den Gast bei der Buchung oder beim Check-In über den Anlass der Übernachtung zu befragen. Er muss melderechtlich (§§ 26, 27 HmbMG) und zur Erhebung der Steuer (§ 7 Satz 1 KTTG) bereits den Namen und die Dauer der Übernachtung durch Ausfüllung eines Meldescheines ermitteln und festhalten. In diesem Zusammenhang besteht auch die Möglichkeit, den Anlass der Übernachtung zu erfragen. Dies ist grundsätzlich kein unverhältnismäßiger Aufwand, zumal der Antragsgegner dafür einfach auszufüllende Formulare bereithält.
Es belastet den Betreiber des Beherbergungsbetriebes auch nicht unzumutbar, wenn er mangels Nachweises der zwingenden beruflichen oder betrieblichen Veranlassung der Übernachtung die Abgabe (jedenfalls zunächst) in Einzelfällen entrichten muss, obwohl der Steuertatbestand tatsächlich nicht vorgelegen hat. Zum einen ist die im Einzelfall anfallende Steuer im Regelfall nicht besonders hoch (nach § 3 KTTG 0,50 € ab einem Übernachtungspreis von 25 € pro Person bis 4 € bei einem Übernachtungspreis von 200 € pro Person). Zum anderen ist die Steuer als Aufwandsteuer auf Abwälzung auf den Gast angelegt. Dies kann auch so erfolgen, dass lediglich eine kalkulatorische Abwälzung im Wege einer generellen Einbeziehung in die Übernachtungspreise vorgenommen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. Februar 2009 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, zur Spielgerätesteuer). Dann trägt der Gast – und nicht der Betreiber des Beherbergungsbetriebes – die Steuer wirtschaftlich endgültig und unabhängig von ihrem tatsächlichen Entstehen.
cc) Es liegt durch die rechtliche Ausgestaltung des KTTG auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil durch ein strukturelles Defizit die gleichmäßige Erhebung der Steuer nicht sichergestellt ist (vgl. BVerfG Urteil vom 09. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94). Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, dass durch die Möglichkeit der Steuernachschau (§ 8 KTTG), durch die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§ 9 KTTG), insbesondere die Auskunftspflicht des Gastes zum zwingenden beruflichen oder betrieblichen Hintergrund der Übernachtung (§ 9 Abs. 2 KTTG), die Möglichkeit der Auskunftseinholung von Dritten nach § 93 AO – insbesondere von Arbeitgebern – in Verbindung mit den Vollstreckungsmöglichkeiten nach § 328 ff. AO ein hinreichendes Instrumentarium an Kontrollmitteln zur Verfügung steht. Damit kann die Richtigkeit der Steueranmeldungen und können insbesondere die Übernachtungsanlässe mit hinreichender Effektivität überprüft werden. Selbst wenn die vom Antragsgegner bereitgestellten Formulare „Arbeitgeberbestätigung“ und „Bestätigung für eigenberufliche Tätigkeiten“ keinen Raum für nähere Erläuterungen des beruflichen oder betrieblichen Hintergrundes der Übernachtung lassen und daraus allein möglicherweise keine Anhaltspunkte für Nachfragen hervorgehen, können sich solche aus anderen Umständen ergeben (etwa auffällige Häufungen) oder Kontrollen stichpunktartig vorgenommen werden, um den gleichmäßigen Gesetzesvollzug sicherzustellen.
dd) Die Antragstellerin wird durch die Verpflichtung zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer auch im Übrigen nicht in ihren Grundrechten verletzt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Pflichten nach dem KTTG ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin vorliegt.
Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit grundsätzlich nicht vor Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Entscheidungen. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder künftige Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.04.2004 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274). Deshalb führt der Umstand, dass sich die Antragstellerin möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen gehalten sieht, die Steuer auf ihre Übernachtungsgäste abzuwälzen, nicht zu einem Eingriff in die Berufsfreiheit. Eine Verpflichtung zur Abwälzung und damit zu einer bestimmten Preisgestaltung, die die Berufstätigkeit unmittelbar regeln würde, sieht das KTTG nicht vor.
Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch dann berührt, wenn Normen, die zwar die Berufstätigkeit selbst unberührt lassen, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267; Beschluss vom 14. Juli 1998 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218).
Die Verpflichtungen zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer verändern zwar die Rahmenbedingungen der Berufsausübung. Es ist aber fraglich, ob ihnen eine objektiv berufsregelnde Tendenz zukommt. Dafür spricht, dass es zur richtigen Berechnung der Steuer angezeigt ist und vom Gesetzgeber nach den obigen Darlegungen auch angenommen wird, dass es der Betreiber des Beherbergungsbetriebes im Rahmen seiner üblichen Berufstätigkeit übernimmt, seine Übernachtungsgäste zum Anlass der Übernachtung zu befragen. Es wird damit
vorausgesetzt, dass er den Ablauf seiner Berufstätigkeit auf diese neuen Anforderungen einstellt.
Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, weil subsidiär jedenfalls ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG vorliegt, beide Grundrecht durch ein Gesetz eingeschränkt werden können und insoweit gleiche Anforderungen in Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu stellen sind, weil allenfalls die Berufsausübungsfreiheit und nicht die Berufswahlfreiheit berührt ist. Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit müssen vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 1 BvR 2306 u. a., BVerfGE 98, 341). Aus Art. 2 Abs. 1 GG folgen keine höheren Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze.
Die Einführung des KTTG bezweckt die Erzielung von Steuern, um Mittel für die Unterstützung der Kultur und des Tourismus in Hamburg zu gewinnen (vgl. Bürgerschafts-Drs. 20/4386, S. 1). Das Gesetz dient damit einem vernünftigen, gemeinwohlbezogenen Zweck. Vorliegend hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, durch die sie treffende Verpflichtung zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer in unverhältnismäßiger Weise belastet zu werden.
Sie wendet sich im Kern gegen die Verpflichtung zur Berechnung der Steuer und sieht sich nicht dazu in der Lage, dies zu gewährleisten. Bei der Buchung über Online-Portale und in Reisebüros werde mangels rechtlicher Verpflichtung nicht nach dem Anlass der Reise gefragt, auch sei ein Online-Buchungsvorgang einschließlich der Steuer wegen der kompliziert gestaffelten Beträge datenverarbeitungstechnisch nicht möglich. Ferner sei es nicht möglich, die gestaffelten Beträge in ihrer Check-In-Software zu berücksichtigen. Die Programmierfirma habe bis jetzt kein entsprechendes Programm entwickeln können. Deshalb müsse die Steuer an ihren Rezeptionen beim Check-In von ihren Mitarbeitern per Hand errechnet werden.
Wie oben dargelegt, ist die neben der Ausfüllung des Meldescheins erforderliche Befragung des Übernachtungsgastes über den Anlass der Übernachtung nebst gegebenenfalls erforderlicher Überreichung von Belegen oder der Formulare zum Ausfüllen grundsätzlich kein unverhältnismäßiger Mehraufwand des Betreibers eines Beherbergungsbetriebes. Auch die Berechnung der Steuer ist nicht besonders kompliziert und mit vertretbarem Aufwand (jedenfalls mit einem Taschenrechner) zu leisten. Es müssen nur die (nach Abzug des gegebenenfalls mit berechneten Preises für das Frühstück oder sonstige Mahlzeiten) Nettoentgelte je Gast und Übernachtung ermittelt und auf diese die Pauschsätze des § 3 KTTG angewandt werden. Eine Berechnung der Steuer beim Check-In an der Rezeption müsste zudem nur dann erfolgen, wenn sie dort individuell auf den Übernachtungspreis des Gastes aufgeschlagen werden soll. Dazu sind die Betreiber durch das KTTG indes nicht verpflichtet. Sie haben – wie oben dargelegt – auch die Möglichkeit, die Steuer nicht gesondert auszuweisen, sondern kalkulatorisch in ihrer Preisberechnung zu berücksichtigen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es bei Online-Buchungen oder bei Buchungen im Reisebüro tatsächlich nicht möglich ist, die für die Berechnung der Steuer nötigen
Daten zu erheben; insbesondere einen Hinweis zu der Frage zu erhalten, ob die Übernachtung beruflich oder privat veranlasst ist. Ferner kann offen bleiben, ob die Check-In-Software auf die Staffelung der Steuer eingestellt werden kann.
Jedenfalls hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die manuelle Erhebung der Steuer für sie einen unverhältnismäßigen Mehraufwand bedeutet. Sie hat zwar die erforderlichen Arbeitsschritte beim Check-In dargelegt und aus einem zeitlichen Mehraufwand von 3 Minuten eine um 150% längere Check-In-Zeit berechnet. Dazu benötige sie eine Vielzahl neuer Mitarbeiter, die am Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Unabhängig von der Frage, ob der behauptete zusätzliche zeitliche Aufwand für die Ermittlung der Tatsachengrundlagen für die KTTG und deren Berechnung in der geltend gemachten Höhe tatsächlich besteht , ist aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht nachvollziehbar zu entnehmen, ob sie dafür tatsächlich zusätzliches Personal benötigt. Dafür wären insbesondere substantiierte Angaben über ihren Personalbestand, zu den für den Check-In insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitszeiten und der Auslastung der Check-In-Mitarbeiter erforderlich und glaubhaft zu machen.
Angesichts der regelmäßig nicht besonders schwierigen Berechnung der Steuer nach den in § 3 KTTG anzuwendenden Pauschalen ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass das Personal der Antragstellerin dazu angeblich nicht in der Lage sein soll, zumal es zum Teil aus Studenten bestehen soll und die Berechnung der Steuer nicht zwingend beim Check-In vorzunehmen ist. Dies kann – wie oben dargelegt – bei einer nur kalkulatorischen Abwälzung der Steuer auch später im Rahmen der üblichen Buchhaltungstätigkeiten erfolgen.
Die Antragstellerin hat auch nicht plausibel dargelegt, dass es ihr nicht möglich ist, die Steuer nur kalkulatorisch – und damit verdeckt – auf die Übernachtungspreise umzulegen. Dazu wären zumindest substantiierte und glaubhaft gemachte Angaben zur erforderlichen Höhe der Preisanhebung, zur sonstigen Kalkulation und zur wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin und zur Wettbewerbssituation in Hamburg erforderlich. Daran fehlt es. Im Übrigen spricht gegen die Behauptung der Antragstellerin, dass sie Hotels/Hostels im Niedrigpreissegment betreibt. Derzeit wirbt sie auf ihrer Internetseite für den Standort Hamburg mit Übernachtungspreisen ab 8 € (www…). Da bei der Antragstellerin häufig nur Übernachtungspreise bis zu 25 € pro Gast, maximal bis zu 50 € pro Gast anfallen dürften, wären voraussichtlich auch nur Steuern zwischen 0,50 € und 1 € pro Übernachtung abzuwälzen, so dass nur eine moderate Preiserhöhung zu erwarten wäre. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass die Mitbewerber der Antragstellerin in Hamburg vor der gleichen Fragestellung stehen.
Die behauptete Vereitelung der geplanten Einführung eines Kiosk-Systems beim Check-In durch den Erwerb entsprechender Automaten stellt schon deshalb keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechtspositionen der Antragstellerin dar, weil die Übernachtungsgäste gemäß § 26 HmbMG am Tag der Ankunft einen Meldeschein handschriftlich auszufüllen haben, so dass der Check-In vor Ort ohnehin nicht vollkommen computergestützt durchgeführt werden kann.
Das Gericht kann auch nicht die von der Antragstellerin behaupteten Schwierigkeiten mit der Preisangabenverordnung nachvollziehen. Endpreise sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV die Preise, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile unabhängig von einer Rabattgewährung zu zahlen sind. Darin
kann die Steuer jedenfalls als fester kalkulatorischer Posten ohne Schwierigkeiten beim Ausweis mit einberechnet werden.
Trotz der kurzen Zeitspanne zwischen Verkündung des KTTG (18. Dezember 2012) und In-Kraft-Treten des Gesetzes am 1. Januar 2013 war es nicht erforderlich, dass der Gesetzgeber den Betreibern von Beherbergungsbetrieben eine Übergangsfrist zur Umsetzung des Gesetzes gewährt, bzw. das Gesetz später in Kraft treten lässt.
Zum einen ist das Gesetz schon am 4. Dezember 2012 von der Hamburgischen Bürgerschaft verabschiedet worden, worüber nach dem Kenntnisstand des Gerichts auch in der Presse berichtet wurde. Ab diesem Zeitpunkt stand der Inhalt des Gesetzes fest und konnten sich die Betreiber von Beherbergungsunternehmen auf die neue Rechtslage vorbereiten. Ein Zeitraum von knapp vier Wochen ist zwar nicht besonders lang, aber ausreichend, um sich auf die neue Situation einzustellen, zumal – wie oben dargelegt – von den Betreibern keine unverhältnismäßigen Anstrengungen verlangt werden und die erste Steueranmeldung erst nach dem ersten Quartal 2013 erfolgen muss.
§ 6 Abs. 3 i. V. m. § 6 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 KTTG verstoßen auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG.
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt. Eine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Diese Norm erfasst nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, 252 m. w. N.). Die Eigentumsgarantie schützt nicht vor Preiserhöhungen infolge von neuen oder erhöhten Steuern. Die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in der Zukunft rentabel betrieben werden kann, fällt nicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvR 306/86, BVerfGE 81, 208; Beschluss vom 26. Juni 2002 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, 252 m. w. N.105).Ob der sogen. eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst wird, hat das Bundesverfassungsgericht bislang offen gelassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, 252 m. w. N.). Auch vorliegend braucht dies Frage nicht entschieden zu werden, weil aus den oben dargelegten Gründen nicht erkennbar ist, dass der Fortbestand des Betriebes der Antragstellerin durch die ihr vom KTTG auferlegten Pflichten gefährdet ist.
b) Die Antragstellerin hat auch das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Dazu müsste der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheinen (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Dies ist dann der Fall, wenn das (private) Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die vorläufige Maßnahme unumgänglich ist, um wesentliche Beeinträchtigungen der Position des Antragstellers zu verhindern. Bei der somit gebotenen Interessenabwägung sind anhand der im Einzelfall gegebenen Umstände die voraussehbaren Folgen gegenüberzustellen, die sich beim Erlass der Regelungsanordnung im Fall des Unterliegens des Antragstellers in der Hauptsache ergeben würden, und zum anderen diejenigen Folgen, die eintreten würden, wenn
eine einstweilige Anordnung unterbliebe, das Begehren in der Hauptsache aber Erfolg hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 26. April 1994 VII B 47/93, BFH/NV 1995, 6, Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 114 FGO Rn. 78; Koch in Gräber, 7. Aufl. 2010, § 114 Rn. 48 f.).
Anhand dieser Interessenabwägung ist nicht feststellbar, dass die privaten Interessen der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der Umsetzung des KTTG überwiegen. Wie oben dargelegt, werden der Antragstellerin durch die (vorläufige) Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer keine unverhältnismäßig belastenden Maßnahmen abverlangt. Im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache wäre der getätigte Aufwand zwar vergeblich gewesen, die Antragstellerin würde aber die gezahlte Steuer zurückerstattet bekommen. Die von ihr vorgetragenen Schwierigkeiten bei der Erstattung der Steuer an die Gäste können zumutbar dadurch umgangen werden, dass die Steuer entweder nur kalkulatorisch auf den Übernachtungspreis aufgeschlagen wird oder bei offenem Aufschlag der Steuer vertraglich kein Rückzahlungsanspruch für den Fall eingeräumt wird, dass die Steuer zu Unrecht erhoben worden sein sollte.
Der möglicherweise vergebliche Aufwand für die Berechnung, Anmeldung und Abführung der Steuer wiegt deutlich weniger, als das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung des Gesetzes. Im Falle des Ergehens einer einstweiligen Anordnung und eines Unterliegens der Antragstellerin in der Hauptsache wären zum einen Staatseinnahmen zunächst entgangen und müssten die Steuern nacherhoben werden. Dies ist – abgesehen davon, dass der Staat damit das Insolvenzrisiko der Antragstellerin tragen würde – mit erheblichem Mehraufwand für den Antragsgegner verbunden. Er müsste die Steuern durch Bescheid nacherheben (§ 6 Abs. 4 KTTG). Mangels der erforderlichen Aufzeichnungen wäre dazu aller Voraussicht nach eine Schätzung (§ 162 AO) erforderlich, für die vom Antragsgegner zunächst die tatsächlichen Grundlagen anhand der Gästelisten der Antragstellerin ermittelt werden müssten. Zudem liegt jeder Schätzung das Risiko zu Grunde, von der tatsächlich entstandenen Steuer abzuweichen. Im Übrigen müsste die Antragstellerin auf Grund ihrer Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren (§ 90 AO) den Antragsgegner bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unterstützen, was auch auf ihrer Seite einen erheblichen nachträglichen zusätzlichen Aufwand bedeuten würde. Deshalb liegt es in gewissem Umfang auch im Eigeninteresse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache den für die Umsetzung des Gesetzes erforderlichen Aufwand zu betreiben, um nicht später mit einem Schlage mit dem nachträglichen, kumulierten Mitwirkungsaufwand belastet zu werden und zudem das Risiko tragen zu müssen, auf Grund der Schätzung möglicherweise tatsächlich nicht entstandene Steuern zahlen zu müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO
Die Beschwerde ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht gegeben sind (§ 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO).

Rechnungen auf fremden Namen ausgestellt obwohl keine Leistungen erbracht wurde

FG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2013, 9 K 1138/11

Tenor

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob mit Einverständnis der Klägerin Rechnungen auf ihren Namen ausgestellt wurden, obwohl sie keine Leistungen erbracht hat.
2
Der Zeuge X (Bruder der Zeugin) erbrachte in den streitigen Jahren 1998 und 1999 umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen an die Firma A, Q-Straße 1, B.
3
Diese Leistungen wurden gegenüber der Firma A auf den Namen der Klägerin in insgesamt 13 Rechnungen wie folgt abgerechnet (Bl. 23 ff Steufa Akte):
4
Rechnung vom
Brutto
Bemessungsgrundlage
Umsatzsteuer 16 %
1.
25.02.1998
5.250,00 DEM
4.565,22 DEM
684,78 DEM
2.
27.03.1998
5.060,00 DEM
4.400,00 DEM
660,00 DEM
3.
27.04.1998
3.132,00 DEM
2.700,00 DEM
432,00 DEM
4.
11.05.1998
5.046,00 DEM
4.350,00 DEM
696,00 DEM
5.
23.06.1998
2.030,00 DEM
1.750,00 DEM
280,00 DEM
6.
17.07.1998
4.060,00 DEM
3.500,00 DEM
560,00 DEM
7.
12.08.1998
5.800,00 DEM
5.000,00 DEM
800,00 DEM
8.
02.09.1998
8.120,00 DEM
7.000,00 DEM
1.120,00 DEM
9.
02.10.1998
7.076,00 DEM
6.100,00 DEM
976,00 DEM
10.
02.11.1998
6.032,00 DEM
5.200,00 DEM
6.032,00 DEM
11.
01.12.1998
10.150,00 DEM
8.750,00 DEM
1.400,00 DEM
12.
15.01.1999
7.076,00 DEM
6.100,00 DEM
976,00 DEM
13.
08.02.1999
6.032,00 DEM
5.200,00 DEM
832,00 DEM
5
Die Rechnungsanschrift lautete:
6
E. G-F (in einem Fall nur G)
W-Straße 5
….. H
…../……
7
Die Rechnungen waren nicht unterschrieben.
8
Die Klägerin trat gegenüber der Firma A nie persönlich auf. Vielmehr zahlte die Firma in Absprache mit dem Zeugen X die Leistungen in 9 Fällen (1 bis 7 und 12 und 13) per Verrechnungsscheck auf den Namen G (- Bl. 61 Steuerstrafakte -). In den anderen Fällen ist der Zahlungsweg nicht bekannt. Die Klägerin löste die Schecks, mit einer Ausnahme (Rechnung vom 17. Juli 1998, 4.060 DEM), auf ihrem Konto ein (Bl. 100, 124 Steuerstrafakte).
9
Weder der Zeuge X noch die Klägerin reichten für die Streitzeiträume Umsatzsteuerjahreserklärungen beim zuständigen Finanzamt ein. Der Beklagte erfuhr erst mit Kontrollmitteilung vom 24. Juli 2003 von den o.g. Rechnungen (Bl. 11 Steuerstrafakte). Am 21. Dezember 2004 leitete das Finanzamt Y daher ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin u.a. wegen Umsatzsteuerhinterziehung 1999 ein und erweiterte am 02. März 2005 dieses Strafverfahren auf den Besteuerungszeitraum 1998.
10
Im Strafverfahren ließ sich die Klägerin widersprüchlich ein. Mit Schreiben vom 10. November 2003 (Bl. 10 Steuerstrafakte) gab sie zunächst an, es sei unwahrscheinlich, dass sie Umsätze nicht gemeldet habe. Auf konkreten Vorhalt der Straf- und Bußgeldsachenstelle teilte sie am 08. März 2005 (Bl. 47 Steuerstrafakte) mit, sie habe von dem gesamten Vorgang keinerlei Kenntnis gehabt. Alles sei ohne ihr Wissen und Zutun geschehen. Verrechnungsschecks der Firma A habe sie nie gesehen. Die Klägerin mutmaßte damals, ihr Exmann, der Zeuge M, und ihr Bruder, der Zeuge X, hätten unter Benutzung ihres Namens Telefonmarketing betrieben. Mit Schreiben vom 14. April 2008 behauptete sie gegenüber der Straf- und Bußgeldsachenstelle weiter, sie könne sich nicht erklären, wie die Schecks bei der N-Bank Z auf ihrem Konto eingereicht werden konnten. Im laufenden Verfahren räumte sie jedoch ein, sie habe die Schecks für den Zeugen X eingelöst, um gemeinsam mit ihrem Bruder Unterhaltsansprüche von dessen geschiedenen Ehefrau zu vereiteln.
11
Der Beklagte setzte, nach Abschluss des Strafverfahrens, mit Umsatzsteuerbescheiden vom 26. Februar 2010 die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 aus den o.g. Rechnungen (1 bis 7 und 12 und 13) wie folgt fest:
12
Bescheid vom
Umsatzsteuer
Zinsen
1998
26. Februar 2010
2.102,43 Euro
1.249,00 Euro
1999
26. Februar 2010
924,42 Euro
481 Euro
13
Den hiergegen am 04. März 2010 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 als unbegründet zurück.
14
Die Klägerin hat am 25. März 2011 Klage erhoben.
15
Sie behauptet, der Zeuge X habe ohne ihr Wissen auf ihren Namen Rechnungen ausgestellt. Sie habe von den Rechnungen erst im Strafverfahren erfahren. Dies ergebe sich aus verschiedenen Indizien. Der Zeuge X habe in der ersten Rechnung den alten Mädchennamen der Klägerin „G“ verwendet, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits G – M geheißen habe. Keine der Rechnungen sei handschriftlich unterzeichnet. Bei der Firma A sei sie selbst nicht in Erscheinung getreten. Sie habe den Bruttobetrag jeweils unverzüglich nach der Einlösung der Verrechnungsschecks an den Zeugen in bar übergeben, und zwar ausschließlich, um die Unterhaltspflichten der geschiedenen Frau des Zeugen X zu vereiteln. Die Zeugen X, P. X und M hätten im Strafverfahren nur deshalb übereinstimmend vorgetragen, die Klägerin habe sich verpflichtet, die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, um sie zu belasten. Es gebe persönliche Unstimmigkeiten zwischen ihr und den Zeugen. Zudem gebe es Widersprüche in der Aussage der Zeugin P. X. Sie könne bei der (angeblichen) ersten Besprechung nicht dabei gewesen sein. Die erste Rechnung laute auf den 25. Februar 1998. Herr und Frau X hätten sich jedoch erst Mitte 1998 kennen gelernt. Aus dem Umstand, dass mehrfach der Name „G“ auf den Verrechnungsschecks als Empfängerin vermerkt sei, habe sie nicht schließen können, dass auch Rechnungen auf ihren Namen ausgestellt worden seien (Vorhalt der Berichterstatterin im Erörterungstermin vom 08. Juni 2011, Bl. 75 Gerichtsakte). Vielmehr könnte dies auch ein Hinweis auf eine unselbstständige Tätigkeit gewesen sein (Vortrag Klägervertreter Bl. 90 Gerichtsakte).
16
Der Klägervertreter ist der Auffassung, § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 sei nicht anwendbar. Die Rechnungen seien formell nicht ordnungsgemäß, da die Steuernummer, die Umsatzsteueridentifikationsnummer und der Leistungszeitpunkt fehlen würden. Es bestehe daher nicht die Gefahr des unberechtigten Abzugs von Vorsteuer. Zudem sei die Klägerin jedenfalls Kleinunternehmerin nach § 19 UStG.
17
Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 vom 26. Februar 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 aufzuheben.
18
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
19
Die Klägerin habe gewusst, dass der Zeuge X auf ihren Namen Rechnungen ausstelle, obwohl sie selbst keine Leistungen erbracht habe. Die Schecks seien auf ihren Namen ausgestellt worden. Die Zeugen hätten sie im Strafverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt übereinstimmend belastet. Sie schulde daher die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999.
20
Das Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung 1998 hat die Straf- und Bußgeldsachenstelle am 04. Februar 2010 wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt. Das Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung 1999 wurde mit Beschluss des Amtsgericht Y vom 06. September 2010 nach § 206a Strafprozessordnung wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt.
21
Am 08. Juni 2011 hat in der Sache ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Bl. 74 Gerichtsakte).
22
Mit Beschluss vom 23. August 2012 hat der Senat beschlossen, Beweis über die Behauptung des Beklagten zu erheben, die Klägerin habe gewusst, dass der Zeuge X in den Besteuerungszeiträumen 1998 und 1999 auf ihren Namen Rechnungen an die Firma A ausgestellt habe, durch Vernehmung der Zeugen X, P. X und M (auf den Beweisbeschluss Blatt 96 Gerichtsakte wird Bezug genommen).
23
Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahren ausgetauschten Schriftsätzen, den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vom 07. Dezember 2011 und den vorgelegten Akten des Beklagten (§ 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
24
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet – der Klägervertreter am 11. Januar 2013 und der Beklagte am 22. Januar 2013.
25
Der Klägervertreter hat nach der Sitzung des Senats am 25. Januar 2013 mit Schriftsatz vom 01. Februar 2013 nochmals vorgetragen. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26
Der Senat entscheidet nach der mündlichen Verhandlung vom 07. Dezember 2012 mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
27
Die Klage ist unbegründet.
28
Die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 vom 26. Februar 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2011 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
29
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin und  der Zeuge X aufgrund eines gemeinsamen Plans die streitigen Rechnungen auf den Namen der Klägerin an die Firma A ausgestellt haben.
30
Der Senat kann – wie von der Klägerin vorgetragen – als wahr unterstellen, dass die Klägerin nicht als „Strohfrau“ und damit als Unternehmerin nach § 2 UStG gehandelt hat. Die Klägerin schuldet die Umsatzsteuer aus den Rechnungen jedenfalls nach § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999.
31
1. Nach § 14 Abs. 3 S. 1 UStG 1998/1999 schuldet den ausgewiesenen Betrag, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist. Nach § 14 Abs. 3 S. 2 UStG 1998/1999 gilt das gleiche, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt.
32
a) Die Auffassung des Klägervertreters, den Steuerbetrag nach § 14 Abs. 3 UStG 1998 /1999 würde die Klägerin nur dann schulden, wenn die Rechnungsvoraussetzungen nach § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 insgesamt vorliegen, teilt der Senat nicht.
33
aa) Nach der früheren und nunmehr wieder aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verweist § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 zur Konkretisierung des Merkmals „Rechnung“ auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG 1998/1999, nicht dagegen auf § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Urteile vom 16. März 1988 X R 7/80, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1989, 197; in Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 153, 65, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 1988, 688; in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342; in BFH/NV 1996, 190; in BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370, m.w.N.). § 14 Abs. 4 UStG 1998/1999 definierte die Rechnung -wie § 14 Abs. 1 UStG- als jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Diese Anknüpfung entspricht dem Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1973, Missbräuche durch das Ausstellen von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in Bezug auf den Vorsteuerabzug zu verhindern (vgl. den Bericht des Finanzausschusses über den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes -Nettoumsatzsteuer-, BTDrucks 5/1581, S.15; vgl. BFH-Urteile vom 9. September 1993 V R 45/91, BFHE 172, 237, BStBl II 1994, 131, und vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250). Entgegen der Auffassung des Klägervertreters reicht es daher, wenn die Rechnung dem Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug eröffnen kann (BFH-Urteile vom 16. März 1988 X R 7/80, BFH/NV 1989, 197).
34
bb) Mit Urteil des BFH vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 hat der Bundesfinanzhof seine zwischenzeitlich vertretene Auffassung – die formellen Rechnungsvoraussetzungen nach § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 müssten auch hinsichtlich einer Rechnung im Sinne von § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 insgesamt vorliegen –  aufgegeben (vgl. BFH-Urteile vom 30. Januar 2003 V R 98/01, BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498; vom 18. Januar 2001 V R 83/97, BFHE 194, 483; Änderung der Rechtsprechung) und knüpft wieder an den Zweck der Vorschrift  – nämlich die Missbrauchsbekämpfung – an.
35
cc) Dementsprechend kann die neue Rechtsprechung zu § 14c UStG hier herangezogen werden, da § 14c UStG ebenso wie § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 den Zweck verfolgt, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (BRDrucks 630/03 vom 5. September 2003, zu Art. 4 zu Nr. 17 -§ 14c neu-, vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734). Eine Gefährdung tritt danach nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999 (bzw. § 14 Abs. 4 UStG n.F.) erfüllende Rechnung vorliegt. § 14c UStG bzw. § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 könnten den mit der  jeweiligen Norm verfolgten Zweck, Missbräuche zu vereiteln und das Steueraufkommen zu sichern, nicht erfüllen, wenn sich Rechnungsaussteller durch Weglassen auch nur eines Merkmals des § 14 Abs. 4 UStG (bzw. § 14 Abs. 1 UStG 1998/1999) ihrer Inanspruchnahme entziehen könnten (zutreffend Frye, UR 2011, 1, 7). Für die Anwendung des  § 14 c UStG (bzw. 14 Abs. 3 UStG 1998/1999) reicht es daher aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist.
36
dd) Die streitigen Rechnungen erfüllen diese Voraussetzungen. Der Name der Klägerin als (angebliche) Unternehmerin, die Firma A als Leistungsempfängerin, eine Leistungsbeschreibung (bspw. Telefonmarketing-Aktion, Telefonmarketing-Schulung, Vertriebsschulung usw.) sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer sind jeweils enthalten.
37
b) Die in einer Urkunde als Aussteller bezeichnete Person – also vorliegend die Klägerin – kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 525; in BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531) oder wenn ihr die Ausstellung zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 4. März 1982 V R 59/81, BFHE 135, 130, BStBl II 1982, 315). Für Rechnungen sind die für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen entsprechend anwendbar (BFH-Urteil in BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498, unter II.3.). Aussteller einer Rechnung ist daher nicht nur, wer die betreffende Rechnung eigenhändig erstellt hat. Vielmehr sind insoweit die zum Recht der Stellvertretung entwickelten Grundsätze zu beachten. Es kommt also nicht darauf an, ob die Klägerin die Rechnungen selbst erstellt und ausgedruckt oder ob dies der Zeuge X übernommen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 2003 V B 140/02, BFH/NV 2004, 382; vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1993 V R 75/88, BFHE 171, 94, BStBl II 1993, 357, unter II.1.c; in BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531; in BFH/NV 1999, 525, BFH-Urteil vom 07. April 2011 V R 44/09, BFHE 234,430, BStBl II 2011, 954; vgl. Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c UStG, Rz. 118).
38
Der Senat ist aufgrund der  eingeschränkten Glaubwürdigkeit der Klägerin, den Aussagen der Zeugen und der weiteren Indizienlage davon überzeugt, dass die Klägerin ihrem Bruder – dem Zeugen X – erlaubt hat, auf ihren Namen gegenüber der Firma A aufzutreten und abzurechnen und die Aussagen der Klägerin eine Schutzbehauptung darstellen.
39
aa) Die Glaubwürdigkeit der Klägerin ist aufgrund ihres Verhaltens und ihres kundgetanen Verhältnisses zur Wahrheit erheblich eingeschränkt.
40
Im Strafverfahren ließ sie sich widersprüchlich und nach einer Scheibchentaktik jeweils nur auf den konkreten Vorhalt der Straf- und Bußgeldsachenstelle ein. Zunächst gab die Klägerin an, sie habe von dem gesamten Vorgang keinerlei Kenntnis gehabt. Auch Verrechnungsschecks der Firma A habe sie nie gesehen. Sie könne sich auch nicht erklären, wie die Schecks bei der N-Bank Z eingelöst worden seien. Erst als ihr im Strafverfahren die kopierten Schecks vorgelegt wurden, hat die Klägerin eingeräumt, sie habe die Schecks eingelöst.
41
Die Glaubwürdigkeit der Klägerin ist auch durch ihr übriges Verhältnis zur Ehrlichkeit getrübt. Die Klägerin räumt unumwunden strafrechtlich bewehrtes Verhalten ein. Sie habe die Schecks für ihren Bruder bei der N-Bank eingelöst, um den Unterhaltsanspruch von dessen geschiedener Frau zu vereiteln. Damit habe sie ihrem Bruder helfen wollen. Andererseits würde sie gegenüber Behörden keinesfalls falsche Auskünfte erteilen oder das Ausstellen unrichtiger Rechnungen fördern.
42
bb) Die Aussage der Klägerin – sie habe von den Rechnungen nichts gewusst – ist zudem durch die Zeugenaussagen widerlegt.
43
Die Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin von den Rechnungen an die Firma A gewusst hat. Es hätte eine gemeinsame Absprache gegeben.
44
Soweit der Klägervertreter meint, aufgrund der Gleichförmigkeit der Aussage und der fehlenden Detailliertheit der Zeugenaussagen, sei erkennbar, dass die Zeugen sich abgesprochen hätten, um die Klägerin zu belasten, folgt der Senat dieser Meinung nicht. Vielmehr ist es normal, dass die Zeugen sich nach fast 14 Jahren nicht mehr an Einzelheiten erinnern und teilweise nur noch schematisch antworten konnten. Zudem haben alle Zeugen diese Erinnerungslücken zugegeben (Wahrheitszeichen).
45
Auch die angebliche Widersprüchlichkeit – die Zeugin P. X könne bei einer ersten Absprache vor Rechnungserstellung im Februar 1998 nicht dabei gewesen sein – sieht der Senat nicht. Vielmehr ist es dem Zeitablauf geschuldet, dass die Zeugen sich nicht an die genaue zeitliche Reihenfolge erinnern konnten. Es ist durchaus wahrscheinlich – wie von der Zeugin P. X angegeben – , dass zwischen den Beteiligten mehrfach über die Vorgehensweise gesprochen und sie daher erst später eingeweiht wurde.
46
Der Klägervertreter meint, „wohlgesonnene“ Angehörige  hätten sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Er schließt daher auf eine Belastungstendenz der Zeugen. Dem folgt der Senat nicht. Die Zeugen hatten die Klägerin bereits im Strafverfahren belastet, so dass es auf eine weitere Aussage nicht mehr ankam. Zudem haben die Zeugen keinerlei Anzeichen von Aggressionen gezeigt. Es gab keinerlei Tendenzen, der Klägerin eine Alleinschuld zuzuweisen. Vielmehr habe man gemeinsam den Plan für diese Vorgehensweise gefasst. Der Zeuge X hat sich zudem erheblich selbst belastet, indem er zugegeben hat, die Verfahren genutzt zu haben, um seiner geschiedenen Frau zu schaden (Wahrheitszeichen).
47
cc) Auch die weiteren Indizien sprechen gegen die Klägerin.
48
Auf den Schecks, die die Klägerin persönlich bei der N-Bank Z eingelöst hat, ist jeweils eine Rechnungsnummer und zum Teil auch ein Rechnungsdatum aufgetragen. Auf einem Scheck wird die Klägerin sogar als „FA E. G“ – also Firma G bezeichnet.
49
Die Klägerin ist gelernte Buchhalterin. Sie hat diesen Beruf jahrelang ausgeübt  und daher Kenntnis über das Einkommensteuer- und Umsatzsteuerrecht. Zur Überzeugung des Senats wusste sie demnach, dass die gegenüber der geschiedenen Ehefrau des Zeugen X verschleierten Einnahmen keinesfalls in den Steuererklärungen des Zeugen X auftauchen durften. Die Behauptung, sie habe sich darüber keine Gedanken gemacht, ist aufgrund ihrer Berufserfahrung nicht glaubhaft. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass die Absprache zwischen der Klägerin und dem Zeugen X konsequenterweise auch die Abrechnung gegenüber der Firma A umfasste.
50
c) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie – wenn sie als Unternehmerin gelten würde – jedenfalls als Kleinunternehmerin keine Umsatzsteuer schulde. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG und der Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer, der gefährdet wäre, wenn die Klägerin durch den Ausweis der Umsatzsteuer dem Rechnungsempfänger den Abzug von Vorsteuer ermöglichen könnte, obwohl sie als Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer abzuführen hat. Die gleichwohl ausgewiesene Umsatzsteuer würde die Klägerin daher auch als Kleinunternehmerin schulden (BFH-Beschluss vom 09. März 2009, IX B 87/08 www.juris.de).
51
2. Die Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 war zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheid am 26. Februar 2010 noch nicht eingetreten.
52
Die Klägerin hat die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt (§ 370 Abs. 2 Nr. 1 AO). Zur Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes der Steuerhinterziehung müssen im Hinblick auf die Ausführungen zu § 14 Abs. 3 UStG 1998/1999 keine weiteren Ausführungen gemacht werden (Blankettnorm). Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin als Finanzbuchhalterin wusste, dass sie aufgrund der auf ihren Namen ausgestellten Rechnungen Umsatzsteuer schuldete. Die Festsetzungsfrist betrug daher 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Sie beginnt, wenn – wie bei der Umsatzsteuer – eine Steueranmeldung einzureichen ist (§ 18 UStG), mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, indem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Für den Besteuerungszeitraum 1998 begann die Festsetzungsfrist daher mit Ablauf des Kalenderjahres 2001 und für 1999 mit Ablauf des Kalenderjahres 2002. Sie endete für 1998 mit Ablauf des 31. Dezember 2011 und für 1999 mit Ablauf des 31. Dezember 2012.
53
3. Der Senat sah sich aufgrund des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 01. Februar 2013 nicht veranlasst, die mündliche Verhandlung fortzusetzen, da es sich um Wiederholungen aus den bereits zuvor vorgelegten Schriftsätzen und dem Klägervortrag aus der mündlichen Verhandlung vom 07. Dezember 2012 handelte, den der Senat in der Sitzung vom 25. Januar 2012 bereits berücksichtigt hatte (§ 90 Abs. 1 S. 1 FGO).
54
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
55
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Revisionsgründe vorlag.

Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer

FG Baden-Württemberg Urteil vom 21.1.2013, 9 K 2096/12

Tenor

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob der Kläger den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer hat und daher die Erhaltungsaufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend machen kann. Zudem ist streitig, ob die Erhaltungsaufwendungen für eine Toilette beruflich veranlasst sind.
2
Der ledige Kläger erzielt als Betriebsprüfer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 Einkommensteuergesetz – EStG -). Sein Dienstsitz ist das Finanzamt X, in dem er im Streitzeitraum einen festen Arbeitsplatz hatte. Bis November 2008 verrichtete der Kläger seine Dienstgeschäfte zeitweise im Finanzamt und zeitweise im Außendienst.
3
Der Kläger ist Fachprüfer für geschlossene Immobilienfonds und Sanierungsobjekte.
4
Seit Dezember 2008 hat ihm sein Dienstherr erlaubt, zusätzlich ein häusliches Arbeitszimmer, aufgrund der vom Finanzministerium Baden-Württemberg erlassenen „Rahmenbedingen für die zeitweilige Dienstverrichtung zu Hause für Beschäftigte der Prüfungsdienste“, zu nutzen. Danach gilt Folgendes:
5
„(1) Den Beschäftigten der Prüfungsdienste wird die Möglichkeit der zeitweiligen Dienstverrichtung zu Hause eröffnet. Damit kann – ergänzend zu der Dienstverrichtung im Unternehmen und an der Dienststelle – künftig auch im häuslichen Bereich ein Teil der Arbeitsleistung erbracht werden.
[…]
(3) Die zeitweilige Dienstverrichtung zu Hause erfolgt unter Berücksichtigung der dienstlichen Belange. Zu Hause ist nur die Verrichtung solcher Tätigkeiten zulässig, die nicht die Anwesenheit der Beschäftigten der Prüfungsdienste im zu prüfenden Unternehmen oder an der Dienststelle erfordern.
(4) Die genaue Ausgestaltung der zeitweiligen Dienstverrichtung zu Hause wird zwischen den Beschäftigten der Prüfungsdienste und der Dienststelle unter Beachtung der dienstlichen Erfordernisse festgelegt.“
6
Im Streitjahr 2008 renovierte der Kläger seine Wohnung (4 Zimmer, Küche, Bad, extra  Gäste – WC; Grundriss Bl. 20 Rechtsbehelfsakte – RBA -) und richtete sich gleichzeitig ein häusliches Arbeitszimmer ein. Der renovierte Teil der Wohnung ist insgesamt 70,1 m² groß. Hiervon entfallen 16,97 m² (24,2 %) auf das Arbeitszimmer und 4,17 m² (5,95 %) auf eine separate Toilette. Das Gäste – WC liegt unmittelbar neben dem Schlafzimmer.
7
Für die Renovierung entstanden im Streitjahr 2008 die folgenden Aufwendungen (Bl. 18 EStA):
8
Anteil Arbeitszimmer lt. Kläger (grds. 24,2 %, teilweise Einzelzuweisung der Kosten)
Anteil separate Toilette lt. Kläger (grds. 5,95% teilweise Einzelzuweisung der Kosten)
Summe
x.xxx,xx Euro
x.xxx,xx Euro
9
In seiner Einkommensteuererklärung 2008 (Eingang Beklagter: 26. Januar 2011) beantragte der Kläger, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer zunächst in Höhe von x.xxx,xx Euro als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 04. Februar 2011 Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 Euro an. Im hiergegen eingelegten Einspruch vom 09. Februar 2011 (Zugang Beklagter: 16. Februar 2011) machte der Kläger den vollen Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer, für die separate Toilette und weitere nicht streitgegenständliche Aufwendungen als Werbungskosten geltend.
10
Mit Schreiben vom 07. März 2012 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er eine verbösernde Entscheidung durch Rücknahme des Einspruchs vermeiden könne (auf das Schreiben wird Bezug genommen). Er beabsichtige, die bisherige Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 1.250 Euro für das Arbeitszimmer nicht mehr anzuerkennen. Der Kläger hielt seinen Einspruch aufrecht.
11
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 setzte der Beklagte daraufhin unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom 04. Februar 2011 die Einkommensteuer zu Lasten des Klägers neu fest (auf die Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen). Er berücksichtigte weder die Aufwendungen für das Arbeitszimmer noch die Aufwendungen für die separate Toilette.
12
Der Kläger hat am 22. Juni 2012 Klage erhoben.
13
Er ist der Ansicht, der Mittelpunkt seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit liege im Arbeitszimmer. Er behauptet, die geschlossenen Immobilienfonds würde er fast ausschließlich und die Sanierungsobjekte ausschließlich in seinem Arbeitszimmer prüfen. Die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse stelle seine prägende Tätigkeit dar. Im Arbeitszimmer prüfe er die zusammengetragenen Unterlagen und Daten auf ihre steuerliche Würdigung, schreibe Anfragen an die Berater und Verwalter. Zuletzt schreibe er den Prüfungsbericht.
14
Im Außendienst spreche er mit den Steuerpflichtigen, Verwaltern der Immobilienfonds und Beratern. Er erhalte teilweise die notwendigen Prüfungsunterlagen und führe in seltenen Fällen Schlussbesprechungen durch. Oftmals würden die Berater auf die Schlussbesprechungen verzichten und nähmen nur schriftlich zum Außenprüfungsbericht Stellung. In 2009 habe er insgesamt vier allgemeine Besprechungen, drei Schlussbesprechungen und eine Betriebsbesichtigung durchgeführt.
15
Seitdem er im häuslichen Arbeitszimmer tätig sei,  hole er sich im Finanzamt (nur noch) die Prüfungsakten, helfe den dortigen Sachbearbeitern bei der Fallauswahl (Prüfungswürdigkeit, Prüfungszeitraum) und informiere diese über prüfungswürdige Sachverhalte. Gespräche mit dem Sachgebietsleiter über den Prüfungsplan, die Prüfungen oder über den (vorläufigen) Prüfungsbericht fänden kaum statt.
16
Zunächst behauptete er, er habe in 2008 an 49,5 Tagen, in 2009 an 41 Tagen und in 2010 an 44 Tagen im Außendienst gearbeitet. In seinem Klageschriftsatz vom 22. Juni 2012 trug er dann vor, er habe im Kalenderjahr 2009 von insgesamt 219,5 Arbeitstagen an 29 Tagen im Außendienst, an 51,5 Tagen im Amt und an 139 Tagen in seinem häuslichen Arbeitszimmer gearbeitet. Mit Schriftsatz vom 20. November 2012 trug er zuletzt nochmals andere Zahlen vor.
17
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Prüfung der Besteuerungsgrundlagen seine prägende Tätigkeit darstelle. Daher dürften nur insoweit die Arbeitszeitanteile verglichen werden. Er habe von insgesamt 116,25 Tagen in 2009 an 28 Tagen im Außendienst, an 21,5 im Amt und an 66,75 Tagen am Heimarbeitsplatz Besteuerungsgrundlagen geprüft. Die übrigen 102,25 Tage habe er nicht prägende Tätigkeiten, wie Akten abholen, Updates für die Software installieren, Teilnahme an Fortbildungen, Erstellen von Prüfungsberichten, Besprechungen von Feststellungen und Prüfungsschwerpunkten mit dem Innendienst, Besprechungsvorbereitungen usw.  erbracht. Diese müssten unberücksichtigt bleiben.
18
Der Verweis auf § 200 Abgabenordnung – AO -, wonach die Außenprüfung grundsätzlich in den Räumen des Steuerpflichtigen stattfinde, sei in seinem Fall nicht sachgerecht. Die geprüften Immobilienfonds hätten selten eigene Verwaltungsräume. Die Prüfung könne daher nicht in den Geschäftsräumen der Firmen stattfinden.
19
Nach Auffassung des Klägers würde die bisherige Rechtsprechung seinen Fall nicht abbilden.
20
Seine Tätigkeit sei nicht mit der eines Richters vergleichbar. Nach einem vom Bundesfinanzhof – BFH – entschiedenen Fall würde ein Richter sein hoheitliches Tun nach der Verkehrsanschauung im Gericht und nicht im Arbeitszimmer ausüben. Dies würde für einen Betriebsprüfer nicht zutreffen. Zudem habe der Richter im entschiedenen Fall an 180 Tagen im Gericht gearbeitet, was auch einen qualitativen Unterschied darstelle (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2011 VI R 13/11, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE  – 236, 92, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2012, 236; Vortrag Bl. 15 Gerichtsakte).
21
In einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts – FG – vom 1. Oktober 2009, 1 K 11149/05, www.juris.de habe der Großbetriebsprüfer ausschließlich Vor- und Nacharbeiten in seinem Arbeitszimmer geleistet. Er verrichte dort seine gesamte Prüfungstätigkeit.
22
Er beruft sich auf ein Urteil des  FG Nürnberg vom 26. Oktober 2006, IV 83/2006, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst –  DStRE – 2007, 595 – 597. Im entschiedenen Fall sei das Gericht davon ausgegangen, dass ein Gerichtsvollzieher den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit im Arbeitszimmer habe, wenn er die Mehrzahl der Fälle im Arbeitszimmer vom Schreibtisch aus erledige.
23
Die Aufwendungen für die Toilette seien ebenfalls abzugsfähig, soweit eine berufliche Nutzung vorliege.
24
Aufgrund eines Umkehrschlusses kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Aufwendungen für eine während der Dienstzeit genutzte Toilette um Werbungskosten handeln müsse. Schließlich würde für die Nutzung einer im Betriebsvermögen befindlichen Toilette kein „Eigenverbrauch angesetzt“. Auch bei „Hotelübernachtungen und bei der doppelten Haushaltsführung würde kein Anteil der Kosten für eine private Toilettennutzung angesetzt. Er gehe davon aus, dass die Toilettennutzung im Zusammenhang mit Einnahmen stehe und diese Kosten Werbungskosten seien “.
25
Es gebe zwei mögliche objektive Aufteilungsmaßstäbe: entweder seine Dienstzeit könne anhand des Prüfertagebuchs oder anhand des von ihm angefertigten exemplarischen Toilettentagebuches über die tatsächliche Nutzung nachvollzogen werden (Toilettentagebuch, Schriftsatz vom 20. November 2012). Zeitlich betrachtet sei er zu ca. 33,33% privat und zu ca. 66,67% aus dienstlichen Gründen in seiner Wohnung. Die Toilette nutze er ca. 9 – 10 mal am Tag, davon ca. 8 – 9 mal beruflich. Es ergebe sich also eine berufliche Toilettennutzung von 73,58 %.
26
Auch Berufskraftfahrer könnten Ihre Aufwendungen für sanitäre Einrichtungen absetzen. Hieraus sei ersichtlich, dass diese Aufwendungen auch in seinem Fall beruflich veranlasst seien, solange er seiner beruflichen Tätigkeit nachgehe (BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926).
27
Zudem beruft er sich auf eine Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1 BStBl II 2010, 672 und eine sich daran anschließende Entscheidung des FG Köln vom 19. Mai 2011 10 K 4126/09, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2011, 1360-1363. Danach seien Aufwendungen für ein Arbeitszimmer auch dann abzugsfähig, wenn sie nur zum Teil beruflich veranlasst seien. Dies müsse auch in Bezug auf die Aufwendungen für die beruflich genutzte Toilette gelten. Diese Auffassung habe auch das FG Köln in seinem Urteil vom 19. Mai 2011, 10 K 4126/09 Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 1410 – 1412 vertreten.
28
Der Kläger begehrt außerdem, die Aufwendungen nach § 82b EStDV auf zwei Jahre aufzuteilen.
29
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 04. Februar 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 dahingehend abzuändern, dass die Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit um x.xxx,xx Euro (Arbeitszimmer: x.xxx,xx Euro x 50% = x.xxx,xx Euro , Toilette: x.xxx,xx Euro x 66% x 50% = x.xxx,xx Euro) erhöht werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
30
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
31
Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit liege jedenfalls nicht im Arbeitszimmer des Klägers.
32
Entscheidungserheblich sei, ob – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung – das qualitativ für eine bestimmte Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt werde. Auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bewirke keine Verlagerung des Mittelpunktes (BFH – Urteil vom 20. April 2010 VI B 150/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2010, 1434 – 1435; BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, BStBl II 2012, 234 – Lehrer -; BFH-Urteil vom 08. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236 – Richter -). Der zeitlichen Nutzung komme jedenfalls nur eine Indizwirkung zu.
33
Nach dem typischen Berufsbild unterscheide sich die Tätigkeit eines Außenprüfers von der Tätigkeit des Innendienstsachbearbeiters dadurch, dass er sich durch Betriebsbesichtigungen ein Bild der Verhältnisse der jeweiligen Unternehmen mache und anhand dessen prüfe, ob die in den Steuererklärungen geltend gemachten Ausgaben realitätsgerecht seien, sowie an Schlussbesprechungen teilnehme.
34
Aus den Unterlagen des Klägers ergebe sich, dass er an 20 Tagen im Außendienst und an 51 Tagen im Finanzamt, also außerhalb seines Heimarbeitsplatzes tätig gewesen sei. Es hätten auch Betriebsbesichtigungen und Schlussbesprechungen stattgefunden.
35
Zudem ergebe sich aus den Regelungen in den Rahmenbedingungen des Finanzministeriums Baden-Württemberg für die zeitweilige Dienstverrichtung zuhause für Beschäftigte der Prüfungsdienste, dass auch der Dienstherr davon ausgehe, dass ein Betriebsprüfer die berufstypischen Dienstverrichtungen im Außendienst ausübe.
36
Die Aufwendungen für die Toilette seien ebenfalls nicht abzugsfähig, da diese nach den gleichen Maßstäben wie die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer zu beurteilen seien. Zudem habe das FG Düsseldorf mit Urteil vom 1. Februar 2012 7 K 87/11, EFG 2012, 1830 – 1833 entschieden, dass Aufwendungen für gemischt genutzte Räume kein häusliches Arbeitszimmer seien und die Aufwendungen für eine Toilette von den grundsätzlich nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung, die nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums bereits pauschal abgegolten seien, erfasst seien.
37
Dies ergebe sich ebenfalls aus dem Urteil des FG Köln vom 19. Mai 2011 10 K 4126/09, Deutsches Steuerrecht 2011, 1360 – 1363. Danach sei eine Toilette schon ihrem Typus nach nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen, da keinerlei berufliche Nutzung vorliege (unter Punkt 4 des Urteils). Etwas anderes könne auch nicht aus dem Umstand folgen, dass der Kläger zwei Toiletten habe.
38
Am 25. Oktober 2012 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Die Berichterstatterin vertrat die Auffassung, dass der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers sich im Veranlagungszeitraum 2008 (bzw. 2009) nicht in seinem Arbeitszimmer befunden habe (auf die Niederschrift wird Bezug genommen, Bl. 149 Gerichtsakte).
39
Auf eine am 26. Oktober 2012 gesetzte Ausschlussfrist nach § 79 b Abs. 2 und Abs. 3 FGO (zugestellt am 3. November 2012) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. November 2012 nochmals vorgetragen und Belege über die entstandenen Aufwendungen vorgelegt.
40
Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahren ausgetauschten Schriftsätzen und dem vom Beklagten vorgelegten Akten (§ 71 Abs. 2 FGO).
41
Am 21. Januar 2013 hat in der Sache eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Mit Schriftsätzen vom 23. Januar 2013 und vom 11. Februar 2013 hat der Kläger seine Argumente nochmals schriftlich dargelegt und einen anderen Antrag gestellt, nämlich die Aufwendungen für Toilette und Arbeitszimmer statt bisher auf 2 Jahre nunmehr auf 5 Jahre zu verteilen (§ 82b EStDV).

Entscheidungsgründe

42
Die Klage ist unbegründet.
43
Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 04. Februar 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat zurecht weder die Aufwendungen für das Arbeitszimmer noch die Aufwendungen für die Toilette als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.
44
1. Nach § 9 Abs. 5 S. 1 EStG  i.V.m. 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten ansetzen.
45
Dies gilt nicht, wenn eine Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG greift.
46
Anders als im Urteil FG Düsseldorf vom 05. September 2012, 15 K 682/12 F, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2012, 2270 – 2272, ist es im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich, ob § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Hausbegleitgesetzes vom 09. Dezember 2010 (BGBl I S. 1900) oder in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, S. 1652) zur Anwendung kommt. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06. Juli 2010 2 BvL 13/09  hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 durch das Hausbegleitgesetzes vom 09. Dezember 2010 rückwirkend neu geregelt. § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der für verfassungswidrig erklärten Fassung, kann nur noch in den Fällen angewandt werden, für die die Neuregelung eine echte Rückwirkung und damit eine Schlechterstellung darstellt.
47
Im Streitfall kann der Kläger jedoch die Aufwendungen für das Arbeitszimmer weder nach der aufgehobenen noch nach der für verfassungswidrig erklärten Norm als Werbungskosten abziehen.
48
a) Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 09. Dezember 2010  (BGBl. I S. 1900) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig, wenn für die betriebliche und berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Im Veranlagungsjahr 2008 und auch in 2009 hatte der Kläger im Finanzamt X einen festen Arbeitsplatz, den er jederzeit nutzen konnte. Ihm stand ein eigener Schreibtisch mit vollständiger Büroausstattung zur Verfügung. Ein Werbungskostenabzug kommt danach nicht in Betracht.
49
b) Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 (BGBl I S. 1900) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
50
aa) Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen für seine nachfolgende berufliche Tätigkeit als Werbungskosten abziehbar sind, konnte im Hinblick auf die Frage, ob der Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers im Arbeitszimmer lag, auf die zu erwartenden Umstände des Kalenderjahres 2009 abgestellt werden, auch wenn die Aufwendungen bereits im Kalenderjahr abgeflossen sind (§ 11 EStG). Die zu erwartenden Umständen bestimmen für die hier angefallenen Vorbereitungsaufwendungen die Abziehbarkeit nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG (BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 m.w.N.).
51
bb) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen ist Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung, wenn er dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dieser Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Betätigung des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 18. April 2012 X R 58/09, BFH/NV 2012, 1768-1774 m.w.N). Maßgebend ist danach, ob – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung- das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird (Söhn, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghof, 233. AL 09/12, EStG, § 4 Rz. LB 191; BFH-Urteil vom 08. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236). Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Aus diesem Grund schließt das zeitliche Überwiegen der außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers ausgeübten Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ebenso wenig aus wie ein zeitliches Überwiegen der Tätigkeit im Arbeitszimmer dieses bereits zum Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung macht (vgl. BFH-Urteil vom 06. Juli 2005 XI R 87/03, BFHE 210, 493, BStBl 2006, 18 m.w.N.). Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen.
52
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Senat den festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass der Kläger die für einen Betriebsprüfer prägenden Tätigkeiten – also die Tätigkeiten, die die charakteristische Eigenart seiner Tätigkeit, die ihn von anderen unterscheidet, ausmacht – außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers im Außendienst ausübt.
53
(a) Der Kläger führte im Streitjahr Außenprüfungen nach §§ 193 ff AO durch. Die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen in §§ 193 ff AO für die Tätigkeiten des Klägers stellen maßgeblich darauf ab, dass der Kläger außerhalb seines Dienstsitzes in den Geschäftsräumen der Steuerpflichtigen tätig wird und das Recht hat, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen (§§ 193, 200 Abs. 2 und Abs. 3 S. 3 AO). Diese Eingriffsmöglichkeiten unterscheiden den Kläger maßgeblich von anderen Sachbearbeitern der Finanzverwaltung, die buchstäblich vom „grünen Tisch“ aus den Sachverhalt ermitteln. Der Kläger war im Kalenderjahr 2009 jedenfalls an 29 Tagen im Außendienst tätig und hat diese Ermächtigungsgrundlagen genutzt.
54
(b) Der Senat ist davon überzeugt, dass sich in den Rahmendienstvereinbarungen des Finanzministerium Baden-Württemberg für die zeitweilige Dienstverrichtung zu Hause für Beschäftigte der Prüfungsdienste das für einen Betriebsprüfer Typische – nämlich die Außendiensttätigkeit – widerspiegelt. Danach darf ein Betriebsprüfer – ergänzend zu der Dienstverrichtung im Unternehmen und an der Dienststelle – künftig auch im häuslichen Bereich einen Teil der Arbeitsleistung erbringen. Der Dienstherr des Klägers hat dem Kläger auf der Grundlage dieser Rahmendienstvereinbarung die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer erlaubt.
55
(c) Es kann als wahr unterstellt werden, dass bei den vom Kläger überwiegend geprüften Immobilienfonds und Sanierungsobjekten eine Prüfung außerhalb seines Arbeitszimmers grundsätzlich nicht erforderlich ist. Nach Überzeugung des Senats, liegt der Schlüssel zum Erfolg der Tätigkeit des Klägers dennoch in seiner Außendiensttätigkeit. In Einzelfällen und insbesondere in Zweifelsfragen verließ der Kläger sein Arbeitszimmer und führte bspw. Besprechungen mit den Steuerpflichtigen durch. Seine Arbeitsunterlagen erhielt er vielfach direkt in den Geschäftsräumen der zu prüfenden Betriebe. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung des Senat nicht nur um eine bloße Vorbereitungshandlung für die Prüfung, sondern um die originäre Prüftätigkeit des Klägers, die ihn von anderen (Innendienst – ) Sachbearbeitern der Finanzverwaltung unterscheidet.
56
(d) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, dass die Auswertung der gesammelten Unterlagen und Informationen mit Hilfe besonderer Prüfungsprogramme (bspw. Bpa-Euro) das nach der Verkehrsanschauung Typische für die Tätigkeit eines Betriebsprüfers ist. Die eigentlich nach Außen wahrnehmbare Tätigkeit des Prüfers wird im Außendienst vorgenommen und manifestiert sich in Besprechungen, Betriebsbesichtigung, auch wenn diese – wie im Fall des Klägers – nur an 30 Tagen im Jahr stattgefunden haben sollten.
57
cc) Die zeitliche Nutzung des Arbeitszimmers, die der Kläger bis Schluss der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Tage und des Aufteilungsmaßstabes in unterschiedlicher Weise bezifferte, bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung.
58
In den Fällen, in denen die das Berufsbild prägende Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers stattfindet, kann auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers keine Verlagerung des Mittelpunkts bewirken (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, 448). Aufgrund der berufstypischen bzw. typisierenden Betrachtung erübrigen sich Feststellungen zum jeweiligen zeitlichen Umfang der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers. Auf diese Weise kann nach Auffassung des BFH – der sich der erkennende Senat anschließt – dem Prinzip eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs Rechnung getragen werden (zuletzt BFH-Urteil vom 08. Dezember 2011 VI R 13/11 BFHE 236,92, BStBl II 2012, 236).
59
dd) Auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis.
60
(a) Der Kläger meint, seine Tätigkeit sei nicht mit der eines Richters vergleichbar und das BFH-Urteil vom 18. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236 könne daher nicht herangezogen werden. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Vielmehr wird der Richter aufgrund der ihm anvertrauten rechtsprechenden Gewalt tätig. Auch der Außenprüfer kann aufgrund seiner besonderen Befugnisse in den Rechtskreis der Steuerpflichtigen eingreifen, was gerade das prägende Element seiner Tätigkeit ausmacht. Aufgrund dieser berufstypischen und typisierenden Betrachtung – wie im zitierten BFH – Urteil vom 18. Dezember 2011 VI R 13/11 – kann im vorliegenden Fall die weit überwiegende zeitliche Nutzung des Arbeitszimmers außer Acht bleiben.
61
(b) Der Kläger leitet fälschlicherweise aus einem Urteil des Niedersächsischen FG vom 01. Oktober 2009 1 K 11149/05, www.juris.de ab, dass dem dortigen Großbetriebsprüfer der Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer verwehrt wurde, weil er dort nur Vor- und Nacharbeiten für die Prüfung ausgeübt habe. Im genannten Urteil stellt das Gericht in den Entscheidungsgründen jedoch vielmehr auf die Rahmendienstvereinbarungen für den Arbeitsplatz ab. Diese brächten eindeutig zum Ausdruck, dass das Arbeitszimmer lediglich zu vor- und nachbereitenden Arbeiten dienen würde. Eine ähnliche Vereinbarung hat der Kläger – wie bereits oben erwähnt – mit seinem Dienstherrn ebenfalls abgeschlossen.
62
(c) Die Berufung des Kläger auf das Urteil des FG Nürnberg vom 26. Oktober 2006 IV 83/2006, DStRE 2007, 595 – 597 (Gerichtsvollzieher) geht fehl. Im entschiedenen Fall hatte das FG Nürnberg den Mittelpunkt der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers im Arbeitszimmer angenommen. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Gerichtsvollzieher im Arbeitszimmer u.a. Sprechstunden abgehalten und Schuldner empfangen hat. Der Kläger hat in seinem Arbeitszimmer keinerlei Besprechungen mit Steuerpflichtigen oder deren Berater durchgeführt. Der wahrnehmbare Außenkontakt fand ausschließlich außerhalb der häuslichen Sphäre des Klägers statt.
63
2. Die anteiligen Aufwendungen für die Toilette sind keine abzugsfähigen Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG.
64
a) Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass im Fall des Klägers die ausschließlich beruflich veranlassten Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht abzugsfähig sind („Erst-Recht-Schluss“). Demnach kann es nach Auffassung des Senats nicht sein, dass die zu 100 % beruflich veranlassten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht, aber gleichzeitig die anteilig angefallenen Aufwendungen für eine jedenfalls auch privat genutzte häusliche Toilette abzugsfähig sind. Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer abzugsfähig wären (vgl. BFH VIII R 10/12 – anhängiges Verfahren), muss jedoch im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.
65
Die Argumentation des Kläger „die Toilette sei ja gerade kein Arbeitszimmer“ und daher in voller Höhe abzugsfähig geht nach Auffassung des Senats fehl. Eine getrennte Beurteilung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer und die häusliche Toilette wäre nach Auffassung des Senats sinnwidrig. Die Regelung § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG dient der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer Nachprüfung durch die Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (Urteile des BFH vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, 70 und vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59). Konsequenterweise ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Räume in der häuslichen Sphäre, die üblicherweise privat genutzt werden, auf das Arbeitszimmer begrenzt.
66
b) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei der Toilette um einen betriebstättenähnlichen Raum – Werkstatt, Lager oder Archiv – handelt, für den das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG nicht greift. Die Toilette ist kein derartiger betriebsstättenähnlicher Raum. Es handelt sich auch nicht um eine „Besuchertoilette“ für fremde Personen, sondern vielmehr um das private „Gäste-WC“, dass der Kläger auch während seiner Dienstzeit nutzt, so dass auch insofern kein besonderer beruflicher Zusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 19. September 2002,  VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBL II 2003, 139; FG Hamburg vom 12. Dezember 2000 VI 263/99, www.juris.de). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger zwei Toiletten hatte.
67
c) Die Entscheidung des Großen Senat des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227,1 BStBl II 2010, 672 und die sich daran anschließende Rechtsprechung zu Reisekosten führt nach dem Vorgesagten ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage (BFH-Urteile vom 28. März 2012 VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926, vom 05. Juli 2012 VI R 50/10 BFHE nn. DB 2012, 2910 – 2011). Soweit dem Kläger die Abzugsfähigkeit für Aufwendungen für Räume in der häuslichen Sphäre dem Grunde nach versagt bleibt, kommt auch eine Aufteilung nach § 12 EStG nicht in Betracht. Demnach ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger für die Nutzung der häuslichen Toilette einen objektiven Aufteilungsmaßstab (die Arbeitszeit oder die Anzahl der Nutzungen) schlüssig darlegt.
68
d) Dem Umkehrschluss des Klägers, wenn „für eine im Betriebsvermögen befindliche Toilette kein Eigenverbrauch angesetzt werde, sei davon auszugehen, dass es sich bei den Aufwendungen für die Toilettennutzung insgesamt um beruflich veranlasste Aufwendungen handle“, kann der Senat nicht folgen.  Ein derartiger Rückschluss verbietet sich, da bei der Nutzung einer im Betriebsvermögen befindlichen Toilette eine private Nutzung nahezu auszuschließen ist. Die Bereitstellung der „Betriebstoilette“ überlagert jeglichen privaten Sachzusammenhang.
69
3. Der Senat hat die nach der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsätze des Klägers vom 23. Januar 2013 und 11. Februar 2013 rechtsschutzgewährend als Anträge auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ausgelegt (§ 93 Abs. 3 FGO).
70
Nach § 93 Abs. 3 S. 2 FGO kann das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen ist nach der Rechtsprechung auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung einer Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, so z.B. wenn der Vorsitzende seine Verpflichtung, auf die Beseitigung von Formfehlern oder auf die Stellung von klaren Anträgen hinzuwirken, oder den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzen würde oder wenn die Sachaufklärung noch nicht ausreicht (BFH-Urteil vom 04. April 2001 XI R 60/00, BFHE 195/9, BStBl II 2001, 726 m.w.N).
71
Nach diesen Grundsätzen war im Streitfall eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten.
72
Der Sachverhalt hat sich durch den Vortrag des Klägers nicht verändert. Vielmehr hat er seine bereits mehrfach vorgetragenen Argumente nochmals schriftlich dargelegt.
73
Hinsichtlich des Gesamtbetrags der entstandenen Erhaltungsaufwendungen hat der Kläger andere Endbeträge aufgeführt (Gesamtbetrag Aufwendungen häusliches Arbeitszimmer neu: x.xxx,xx Euro, Toiletten neu: x.xxx,xx Euro). Diese Beträge liegen unterhalb der bisher beantragten und bis zum Ende der mündlichen Verhandlung unstreitig angefallenen Erhaltungsaufwendungen. Insofern bestand für den Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis.
74
Zudem hat er seinen Antrag dahingehend geändert, dass er sein Wahlrecht nach § 82b EStDV dahingehend ausübt, die Aufwendungen für Toilette und Arbeitszimmer statt auf 2 Jahre auf 5 Jahre zu verteilen. Diese Antragsänderung wirkt sich auf die Entscheidung des Gerichts schon deswegen nicht aus, weil die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Arbeitszimmer und Toilette dem Grunde nach scheitern. Zudem hat der Vorsitzende des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2013 besonderen Wert auf die Stellung der richtigen Anträge durch den Kläger gelegt. Insbesondere zur Frage der Ausübung des Wahlrechts nach § 82b EStDV wurde der Kläger ausdrücklich befragt. Weitere Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich des Antrags waren nicht erforderlich, zumal der Kläger steuerlich ausgebildet ist und die Wahlrechte kennt.
75
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
76
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Revisionsgründe vorliegt. Eine Zulassung kam auch nicht im Hinblick auf das anhängige Verfahren vor dem BFH VIII R 10/12 (vorhergehend FG Düsseldorf vom 01. Februar 2012 7 K 87/11 EFG 2012, 1830 – 1833) in Betracht, da dem Kläger im vorliegenden Verfahren bereits die Abzugsfähigkeit des häuslichen Arbeitszimmer versagt bleibt und ein Abzug der Aufwendungen für die Toilette daher ebenfalls ausscheidet (vgl. oben „Erst-Recht-Schluss“).

Neues zur Gesamtplanrechtsprechung bei Veräußerung einer KG

Kernproblem

Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils kann unter bestimmten Voraussetzungen mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert werden. Hierfür ist u. a. erforderlich, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen mitübertragen werden und die darin liegenden stillen Reserven vollständig aufgelöst werden. Streitigkeiten ergeben sich in der Praxis zumeist dann, wenn bestimmte wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübergehen, sondern im Vorfeld einer geplanten Veräußerung (zu Buchwerten) in ein anderes Betriebsvermögen des Veräußerers überführt werden. Die Aufgriffswahrscheinlichkeit durch die Finanzverwaltung ist dabei umso höher, je enger der zeitliche Zusammenhang zwischen Buchwertübertragung und anschließender Veräußerung des (restlichen) Betriebsvermögens ist. Über eine interessante Ausweichgestaltung hatte nunmehr das Finanzgericht (FG) Niedersachsen zu entscheiden.

Sachverhalt

Kläger sind Kommanditisten einer KG, die über mehrere Geschäftsfelder verfügte. Ein Investor beabsichtigte sich an einem dieser Geschäftsfelder zu beteiligen. Die Kläger gründeten hierzu eine Schwester-KG, auf die sie nahezu alle Wirtschaftsgüter dieses Geschäftsfeldes zu Buchwerten übertrugen. Lediglich ein Grundstück und Knowhow blieben bei der KG zurück und wurden an die Schwester-KG entgeltlich vermietet. Letztere wurde sodann an den Investor verkauft. Die Finanzverwaltung verwehrte die beantragte Tarifvergünstigung für den Veräußerungsgewinn, da nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen der KG auf die Schwester-KG übergegangen und somit nicht alle stillen Reserven der KG in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst worden seien. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Nach Auffassung der Richter ist die Tarifermäßigung für den Veräußerungsgewinn zu gewähren, da die stillen Reserven der Schwester-KG vollständig aufgelöst wurden. Ein Einbezug der wirtschaftlichen Verhältnisse einer anderen Schwestergesellschaft (hier der KG) würde den möglichen Wortsinn der Tarifvorschrift überschreiten. Die Gesamtplanrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei daher vorliegend nicht anwendbar. Ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. der Abgabenordnung sei ebenfalls nicht ersichtlich.

Konsequenz

Mit dem Fall muss sich nun der BFH befassen. Vor dem Hintergrund, dass der dort zuständige IV. Senat ein weites Verständnis der Gesamtplanrechtsprechung hat, erscheint es zumindest fraglich, ob dieser den Ausführungen des Finanzgerichts folgen wird. Entsprechende Gestaltungen sollten daher bis zu einer endgültigen Entscheidung nur nach sorgfältiger Abwägung aller Chancen und Risiken umgesetzt werden.

BMF: Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs

Das BMF hat die Gesamtübersicht über die Kaufkraftzuschläge zum 01.04.2013 (§ 3 Nr. 64 EStG) mit Zeitraum ab 01.01.2012 bekannt gegeben.

Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs; Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge – Stand: 1. April 2013

“Bekanntmachung über die Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs vom 5. April 2013 – IV C 5 – S 2341/12/10002 –

Das Auswärtige Amt hat für einige Dienstorte die Kaufkraftzuschläge neu festgesetzt. Die Gesamtübersicht wurde entsprechend ergänzt. […]“

Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs; Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge – Stand: 1. April 2013 (PDF, 115,2 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Energiesteuer | Im Ausland tanken kann steuerliche Folgen haben (FG)

Im Ausland tanken kann steuerliche Folgen haben!

08. April 2013
Fuhrunternehmer lassen häufig in ihre Fahrzeuge durch Karosseriebauer Kraftstoffbehälter einbauen, die ein größeres Fassungsvermögen als die vom Hersteller des Lkw eingebauten Kraftstoffbehälter haben. Anlass hierfür ist regelmäßig, dass Lkws durch Karosseriebauer entsprechend der individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Fuhrunternehmers z.B. zum Transport von Containern, Pkws o.ä. ausgestattet werden. Zu Problemen kann es aber führen, wenn das Unternehmen auch im europäischen Ausland tanken lässt und mit dem getankten Kraftstoff nach Deutschland fährt.Der Zollsenat des Finanzgerichts Düsseldorf hat einen derartigen Fall nunmehr dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. In dem Verfahren (Az.: 4 K 3691/12 VE) geht es um einen Lkw, in dem nach Auslieferung durch den Hersteller durch einen Karosseriebauer der ursprüngliche Tank versetzt und zugleich ein weiterer Tank mit einem Fassungsvermögen von 780 Litern eingebaut wurde. Der Umbau war notwendig, um den Lkw mit Containern beladen zu können. Eine entsprechende Umrüstung durch den Hersteller wäre nicht üblich gewesen. Die Spedition, die das Fahrzeug nutzte, betankte es in den Niederlanden. Nach den Betankungen überquerte der Fahrer des  Fahrzeugs unmittelbar die Grenze nach Deutschland, um Fahrten im Inland durchzuführen. Die Zollverwaltung setzte gegenüber der Spedition Energiesteuer für den in den beiden Tanks eingeführten Diesel fest. Es greife keine Steuerbefreiung ein, da beide Tanks nicht serienmäßig eingebaut worden seien. Dagegen klagte die Spedition.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union den Fall zur Entscheidung vorgelegt. Zwar sei Energiesteuer festzusetzen, wenn Dieselkraftstoff in das Inland verbracht werde. Allerdings sei der Kraftstoff von der Steuer befreit, wenn und soweit er in einem regulären, vom Hersteller eingebauten Tank befördert werde. Nachträglich eingebaute, vergrößerte oder weitere Tankbehälter fielen nicht unter die Steuerbefreiung. Es sei aber europarechtlich zweifelhaft, ob nur vom Hersteller des Fahrzeugs eingebaute Tanks von der Steuerbefreiung erfasst würden. Denn an der Herstellung eines Lkw seien  häufig mehrere Unternehmen beteiligt, um das Fahrzeug entsprechend den Anforderungen des Fuhrunternehmens herzurichten. Es spreche daher vieles dafür, die Steuerbefreiung auch auf von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaute Behälter zu erstrecken. Zudem handele es sich beim Tanken im Ausland in diesen Fällen nicht um einen typischen Fall eines steuerlichen Missbrauchs, sondern um die Nutzung der Preisunterschiede in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten.

„In der Vergangenheit wurden in Deutschland eine Vielzahl derartiger Fälle von den Hauptzollämtern aufgegriffen“, führt Dr. Heide Bauersfeld, zuständige Richterin und Mitglied im Zollsenat des Finanzgerichts Düsseldorf, aus. „Die Zollverwaltung setzte in diesen Fällen Energiesteuer für den Kraftstoff fest, der in den nicht serienmäßigen Tanks eingeführt wurde. Die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegte Frage hat deswegen für eine Vielzahl von Unternehmen Bedeutung.“

„Ganz anders können die Fälle zu beurteilen sein, in denen sich Privatpersonen vergrößerte oder zusätzliche Tanks in ihren Pkw einbauen lassen und dann im grenznahen Ausland tanken“, warnt Dr. Nils Trossen, Pressesprecher des Finanzgerichts „Wird in diesen Fällen gezielt ausländischer Kraftstoff für Fahrten im Inland genutzt, haben die Fahrer mit der Festsetzung von Energiesteuer zu rechnen. In größeren oder wiederholten Fällen kann sogar mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zu rechnen sein.“

Quelle: FG Düsseldorf, Pressemitteilung v. 8.4.2013

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 3691/12 VE

Datum: 18.03.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 4 K 3691/12 VE
Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:

  • 1 Ist der Begriff des Herstellers im Sinne des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, dahingehend auszulegen, dass hiervon auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst werden, wenn diese den Kraftstoffbehälter im Rahmen eines Herstellungsprozesses des Fahrzeugs eingebaut haben und der Herstellungsprozess aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen im Wege der Arbeitsteilung durch mehrere selbständige Unternehmen erfolgt ist.
  • 2 Sollte die erste Frage zu bejahen sein: Wie ist in diesen Fällen das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, auszulegen, wonach es sich um Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ handeln muss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

1Gründe:

2I.

3

  • 41 Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen. Die A stellte das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ………. her. Bei der Herstellung baute die A in dieses Fahrzeug einen Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von 780 Liter ein. Einen weiteren Kraftstoffbehälter bestellte die Klägerin zunächst nicht bei der A, da sie einen Umbau des Fahrzeugs beabsichtigte. Das Fahrzeug wurde deshalb mit nur einem Kraftstoffbehälter an die Klägerin ausgeliefert.

5

  • 62 Um mit diesem Fahrzeug standardisierte und mit Gestellen versehene Container transportieren zu können, war ein Einbau von Wechselbrückenträgern erforderlich. Dieser Einbau wurde von der B durchgeführt. Dabei musste der schon vorhandene Kraftstoffbehälter (im Folgenden: Tank 1) versetzt werden, um den genormten Wechselbrückenträger am Fahrzeug anbringen zu können. Außerdem wurde ein zweiter Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von ebenfalls 780 Liter (im Folgenden: Tank 2) eingebaut, der zuvor von der C GmbH & Co. KG bezogen worden war. Den zweiten Kraftstoffbehälter hätte die Klägerin zwar auch direkt von der A einbauen lassen können, dies wäre für sie aber wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen. Denn auch der zweite Kraftstoffbehälter hätte im Rahmen des Umbaus versetzt werden müssen. Beide Kraftstoffbehälter wurden vom Technischen Überwachungsverein (TÜV) auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften über die Straßenverkehrszulassung von Kraftfahrzeugen geprüft und nicht beanstandet.

7

  • 83 Die Klägerin betankte ihre Fahrzeuge regelmäßig in den Niederlanden, um die dort günstigen Kraftstoffpreise zu nutzen. Auch das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ……….. wurde in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betankt, und zwar am 2. Dezember 2009 mit 495,03 Liter in den Tank 2 sowie am 14. Februar 2011 mit 618,92 Liter in den Tank 1 und 570,50 Liter in den Tank 2. Nach beiden Betankungen überquerte der Fahrer des Fahrzeugs unmittelbar die deutsch-niederländische Grenze und fuhr in Deutschland weiter. Der getankte Kraftstoff wurde ausschließlich zum eigenen Antrieb des Fahrzeugs verwendet.

9

  • 104 Am 28. Juni 2012 gab die Klägerin bei dem Beklagten für den in Tank 2 gefüllten Dieselkraftstoff von 495,03 Liter und 570,50 Liter jeweils vorsorglich eine Steueranmeldung ab.

11

  • 125 Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 3. Juli 2012 einen Bescheid über insgesamt 501,22 € Energiesteuer für den Kraftstoff in Tank 2. Auf den Vorgang vom 2. Dezember 2009 entfielen 232,86 € Energiesteuer und auf den Vorgang vom 14. Februar 2011 entfielen 268,36 € Energiesteuer. Durch das Verbringen des Dieselkraftstoffs nach Deutschland sei die Energiesteuer entstanden. Der in Tank 2 befindliche Dieselkraftstoff sei nicht von der Energiesteuer befreit.

13

  • 146 Außerdem erließ der Beklagte unter dem 19. September 2012 einen Bescheid über 291,14 € Energiesteuer für den Kraftstoff in Tank 1. Eine Energiesteuerbefreiung sei auch für den in Tank 1 befindlichen Kraftstoff nicht gegeben.

15

  • 167 Die Klägerin legte gegen die Bescheide Einsprüche ein, die jeweils zurückgewiesen wurden.

17

  • 188 Mit ihren Klagen begehrt die Klägerin die Aufhebung der Bescheide. Sie trägt vor: Für den Kraftstoff in beiden Tanks müsse die Energiesteuerbefreiung gelten. Die durch den Beklagten vorgenommene Auslegung des nationalen Rechts verstoße gegen die europäischen Ziele der Vermeidung der Doppelbesteuerung, des freien Waren- und Personenverkehrs sowie die Schaffung und das Funktionieren eines reibungslosen Binnenmarktes. In der Praxis führe die Auslegung des Beklagten dazu, dass in keinem Fall eine Befreiung in Betracht komme. Denn ein – vom Beklagten für die Befreiung geforderter – serienmäßiger Einbau der Tankbehälter werde nicht mehr angeboten. Vielmehr würden die Tanks individuell nach der beabsichtigten späteren Verwendung eingebaut. Außerdem sei eine arbeitsteilige Herstellung der Fahrzeuge zwischen den Herstellern der Rahmen, wie vorliegend der A, und den Karosseriebauern üblich. Würde der Hersteller des Rahmens das Fahrzeug nur mit einem Rangiertank mit einem Fassungsvermögen von 20 Liter ausstatten und der Karosseriebauer die nötigen Umbauarbeiten vornehmen, käme keine Energiesteuerbefreiung mehr in Betracht. Hinsichtlich des Tanks 1 würde die Auslegung des Beklagten selbst bei einem serienmäßig eingebauten Tank dazu führen, dass jeder Austausch zu Reparaturzwecken den Befreiungstatbestand für die Zukunft entfallen lassen würde.

19

  • 209 Der Beklagte ist den Klagen mit der Begründung entgegen getreten, der Kraftstoff in beiden Tanks sei nicht von der Energiesteuer befreit, da die Tanks nicht serienmäßig eingebaut worden seien. Dies sei auch mit den Vorgaben des Unionsrechts zu vereinbaren.

21

  • 2210 Neben dem vorliegenden Verfahren wurden in Deutschland eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle von den Behörden aufgegriffen und sind bei den Gerichten anhängig. Gegen den Geschäftsführer der Klägerin wird derzeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem zuvor geschilderten Sachverhalt und weiterer gleich gelagerter Fälle geführt.

23II.

24

  • 2511 Für die Entscheidung über die Vorlagefragen sind folgende Vorschriften des nationalen Rechts von Bedeutung:

26Energiesteuergesetz (EnergieStG) vom 15. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1534), in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1979):

27§ 1 Steuergebiet …

28(1) Energieerzeugnisse unterliegen im Steuergebiet der Energiesteuer. Steuergebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland. …

29§ 4 Anwendungsbereich

30Die folgenden Energieerzeugnisse unterliegen dem Steueraussetzungsverfahren (§ 5): …

313. Waren der Unterpositionen 2710 11 bis 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur; …

32§ 15 Verbringen zu gewerblichen Zwecken

33(1) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuer dadurch, dass der Bezieher

34

  • 351 die Energieerzeugnisse im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
  • 362 die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Energieerzeugnisse in das Steuergebiet verbringt oder verbringen lässt. …

37(2) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Steuerschuldner ist, wer sie in Besitz hält oder verwendet. …

38(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht

391. für Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen, Spezialcontainern, Arbeitsmaschinen und -geräten sowie Kühl- und Klimaanlagen,

402. für Kraftstoffe, die in Reservebehältern eines Fahrzeugs bis zu einer Gesamtmenge von 20 Litern mitgeführt werden,

413.   für Heizstoffe im Vorratsbehälter der Standheizung eines Fahrzeugs. …

42§ 15 Absatz 2 EnergieStG ist durch Art. 6 Nr. 15 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1870), mit Wirkung vom 1. April 2010 wie folgt geändert worden:

43Werden Energieerzeugnisse im Sinn des § 4 aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Dies gilt nicht, wenn die in Besitz gehaltenen Energieerzeugnisse für einen anderen Mitgliedstaat bestimmt sind und unter zulässiger Verwendung eines Begleitdokuments nach Artikel 34 der Systemrichtlinie durch das Steuergebiet befördert werden. Steuerschuldner ist, wer die Energieerzeugnisse versendet, in Besitz hält oder verwendet. …

44Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes

45(Energiesteuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV) vom 31. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1753), in der Fassung des Artikels 6 der Verordnung vom 5. Oktober 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 3262):

46§ 41 Hauptbehälter

47Hauptbehälter im Sinne des § 15 Absatz 4 Nummer 1, § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, § 21 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 und § 46 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes sind:

481. die vom Hersteller für alle Fahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen,

492. die vom Hersteller in alle Container desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstiger Anlagen von Spezialcontainern während der Beförderung ermöglichen.

50Besteht ein Hauptbehälter aus mehr als einem Kraftstoffbehälter, ist ein Absperrventil in der Leitung zwischen zwei Kraftstoffbehältern unschädlich.

51III.

52

  • 5312 Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung dieser Fragen ab.

54

  • 5513 Die Klagen dürften unter Berücksichtigung der bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abzuweisen sein.

56

  • 5714 Die Energiesteuer dürfte in der festgesetzten Höhe entstanden sein. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG entsteht die Steuer, wenn Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 EnergieStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht werden und sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Vorliegend könnte die Energiesteuer dadurch entstanden sein, dass das im Rahmen des steuerrechtlich freien Verkehrs in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betankte Fahrzeug der Klägerin nach Deutschland gefahren wurde und der Kraftstoff in dem Fahrzeug von der Klägerin für ihr Speditionsunternehmen in Besitz gehalten und verwendet wurde.

58

  • 5915 Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Energiesteuer dürften nach der bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung nicht gegeben sein. Nach § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG gilt § 15 Abs. 2 EnergieStG unter anderem nicht, wenn es sich um Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen handelt. Der Begriff des Hauptbehälters wird in § 41 Satz 1 Nr. 1 EnergieStV und dem zugrunde liegenden Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, definiert als vom Hersteller für alle Fahrzeuge/Kraftfahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs/Treibstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge/Kraftfahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen. Nach der hierzu bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung erfasst der Begriff des Hauptbehälters keine Kraftstoffbehälter, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden sind. Das soll auch in den Fällen der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Karosseriebauer gelten (Bundesfinanzhof – BFH -, Beschlüsse vom 26. Juli 2010 VII B 276/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2010, 2074; vom 24. November 2010 VII B 168/10, BFH/NV 2011, 601; vom 5. Oktober 2011 VII B 12/11, BFH/NV 2012, 238). Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL sei den zollrechtlichen Vorschriften, insbesondere Art. 112 Abs. 1 und 2 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (VO Nr. 918/83) des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, ABl. EG Nr. L 105/1, nachgebildet. Deshalb könne die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 3. Dezember 1998, C-247/97, Slg. 1998, I-8095) zum zollrechtlichen Begriff des Hauptbehälters zur Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL herangezogen werden, wonach der eng auszulegende Befreiungstatbestand des Art. 112 Abs. 1 VO Nr. 918/83 keine Anwendung auf Behälter finden könne, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden seien (BFH, Beschluss vom 15. Oktober 2008 VII B 21/08, BFH/NV 2009, 219). Etwas anderes lasse sich auch nicht dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 13. April 2011, KOM (2011) 169/3 zur Änderung der EnergieStRL entnehmen (BFH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 VII B 12/11, BFH/NV 2012, 238). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wäre Tank 2 vorliegend nicht als Hauptbehälter einzustufen, da er von der B und nicht von der A eingebaut worden ist. Auch bei Tank 1 würde es sich nicht um einen Hauptbehälter handeln, wenn man, wie der Beklagte, darauf abstellen würde, dass der Tank zwar ursprünglich von der A eingebaut worden war, im Rahmen des Umbaus aber versetzt und damit von der B erneut fest eingebaut werden musste.

60

  • 6116 Der Senat hat Zweifel, ob die dargestellte enge Auslegung des Herstellerbegriffs in Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL zutreffend ist oder ob vielmehr eine weite Auslegung geboten ist, bei der vom Begriff des Herstellers auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein könnten.

62

  • 6317 Bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL könnte insbesondere der Sinn und Zweck der Vorschrift eine weite Auslegung gebieten. Der Sinn und Zweck der Energiesteuerbefreiung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL kann dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/74/EG (RL 94/74/EG) des Rates vom 22. Dezember 1994 unter anderem zur Änderung der Richtlinie 92/81/EWG (RL 92/81/EWG) zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle entnommen werden, da dieser sich auf Art. 8a RL 92/81/EWG als Vorgängervorschrift des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL bezieht. In dem 19. Erwägungsgrund zur RL 94/74/EG ist ausgeführt, dass eine Verbrauchsteuerbefreiung durch die Mitgliedstaaten zu regeln ist, um den freien Verkehr von Personen und Waren nicht zu beeinträchtigen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Im Hinblick darauf hat der Gerichtshof eine weite Auslegung des Art. 8a RL 92/81/EWG vorgenommen (EuGH, Urteil vom 9. September 2004, C-292/02, Slg. I-7923 Randnr. 41), was vorliegend für eine ebenfalls weite Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL sprechen könnte.

64

  • 6518 Die von der nationalen Rechtsprechung bisher vorgenommene enge Auslegung stützt sich dagegen auf ein Urteil des Gerichtshofs zur Verordnung Nr. 918/83 (EuGH, in Slg. 1998, I-8095). Mit dieser Verordnung wurde aber ein anderer Zweck verfolgt als mit den auch vorliegend zu prüfenden Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts (EuGH, in Slg. 2004, I-7923 Randnr. 39, 40). Im 2. Erwägungsgrund zur Verordnung Nr. 918/83 wird ausgeführt, dass eine Abgabenerhebung unter bestimmten Umständen nicht gerechtfertigt ist, wenn zum Beispiel die besonderen Bedingungen der Einfuhr keine Anwendung der üblichen Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft erfordern.

66

  • 6719 Der Schutz der Wirtschaft der Europäischen Union im Verhältnis zu Drittländern als Grundgedanke der Vorschriften des europäischen Zollrechts könnte insoweit gerade eine enge Auslegung gebieten, während der freie Verkehr von Personen und Waren sowie die Vermeidung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union eine weitere Auslegung im vorliegenden Fall erfordern könnten.

68

  • 6920 Gegen diese Unterscheidung und für eine in beiden Fällen enge Auslegung scheinen insbesondere auch nicht die Erfordernisse der Rechtssicherheit und die Schwierigkeiten zu sprechen, denen die einzelstaatlichen Zollverwaltungen gegenüberstehen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde vom Gerichtshof, soweit für den vorliegenden Fall ersichtlich, lediglich bei der Frage der engen Auslegung von zollrechtlichen Vorschriften berücksichtigt (EuGH, Urteil vom 18. März 1986, 58/85, Slg. 1986, 1141 Randnr. 12; in Slg. 1998, I-8095 Randnr. 23). Bei der dargestellten Entscheidung zum Verbrauchsteuerrecht (EuGH, in Slg. 2004 I-7923) scheint dieser Gesichtspunkt aber hinter dem Prinzip des Binnenmarktes zurückzutreten.

70

  • 7121 Die Systematik der EngergieStRL würde einer weiten Auslegung nicht zwingend entgegenstehen, da der Wille des Richtliniengebers auch in dem dargestellten 19. Erwägungsgrund zur Richtlinie 94/74/EG zum Ausdruck kommt und dieser für eine weite Auslegung spricht. Auch in den vorbereitenden Rechtsakten waren diese Erwägungen schon inhaltsgleich enthalten, so im 18. Erwägungsgrund zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung u.a. der Richtlinie RL 92/81/EWG vom 30. Juni 1994, KOM (94) 179 endg., ABl. EG Nr. C 215/19.

72

  • 7322 Eine weite Auslegung würde über den Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL nicht hinausgehen. Denn von dem Begriff des „Herstellers“ kann unter Berücksichtigung der derzeitigen tatsächlichen Verhältnisse der Produktion von Lastkraftwagen auch ein Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein. An der Herstellung eines Lastkraftwagens sind regelmäßig mehrere Unternehmen beteiligt, um das Fahrzeug entsprechend der individuellen technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen ausrüsten zu können.

74

  • 7523 Schließlich handelt es sich vorliegend nicht um die typischen Fälle eines Missbrauchs, sondern um die Nutzung der Preisunterschiede in den Mitgliedstaaten, welche in dem noch nicht vollständig harmonisierten Energiesteuersystem ihren Ursprung haben. Ein Steuerwettbewerb in diesem Umfang wird in den Erwägungsgründen zur EnergieStRL gerade hingenommen.

76

  • 7724 Kommt man zu dem Ergebnis einer weiten Auslegung des Herstellerbegriffs, stellt sich die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich EnergieStRL auszulegen ist, wonach Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ gegeben sein müssen. Denn ein mehrstufiger Herstellungsprozess, der den technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen des Einzelfalles gerecht wird, schließt denknotwendig das Herstellen von bestimmten Fahrzeugtypen im Sinne einer Serienproduktion aus.

 

Die Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2012

Einkommensteuer-Richtlinien: EStÄR 2012 im Bundessteuerblatt veröffentlicht

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 – EStÄR 2012) vom 25. März 2013; Herstellungskosten nach R 6.3 EStR

BMF-Schreiben vom 25. März 2013 – IV C 6 – S 2133/09/10001 :004

“Nach R 6.3 Absatz 1 EStÄR 2012 sind in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes auch Teile der angemessenen Kosten der allgemeinen Verwaltung, der angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung (vgl. R 6.3 Absatz 3 EStR) einzubeziehen. […]“

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 – EStÄR 2012) vom 25. März 2013 (PDF, 18,4 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

Um­satz­steu­er­sta­tis­tik 2011

Um­satz­steu­er­sta­tis­tik 2011: Um­sätze auf dem Höchst­stand

WIESBADEN – Im Jahr 2011 gaben rund 3,2 Millionen Unternehmen eine Umsatzsteuer-Voranmeldung mit einem voraussichtlichen Nettoumsatz in Höhe von 5,7 Billionen Euro ab. Sowohl bei der Zahl der Unternehmen als auch bei den absoluten Umsatzwerten wurden damit die seit der Wiedervereinigung erzielten bisherigen Höchststände aus dem Jahr 2008 übertroffen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stieg der Wert der Lieferungen und Leistungen (Umsatz ohne Umsatzsteuer) gegenüber 2010 mit + 8,5 % stark an, während sich die Zahl der Steuerpflichtigen nur leicht um 1,6 % erhöhte.

Ein Blick auf die Wirtschaftsabschnitte zeigt durchweg Umsatzzuwächse gegenüber dem Vorjahr.
Die mit Abstand höchsten Umsätze erzielten das Verarbeitende Gewerbe (2,0 Billionen Euro) und der Handel einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (1,8 Billionen Euro). Somit erzielten diese beiden Bereiche gemeinsam über zwei Drittel des Gesamtumsatzes.

Im Jahr 2011 gab es 492 Unternehmen in Deutschland mit Umsätzen von mehr als 1 Milliarde Euro, das waren 46 Unternehmen mehr als 2010. Zusammen kamen die Umsatzmilliardäre auf Lieferungen und Leistungen im Wert von 1,9 Billionen Euro, dies entspricht 32,9 % der Umsätze aller steuerpflichtigen Unternehmen. Die übrigen rund 10 700 Großunternehmen (Jahresumsatz über 50 Millionen Euro) erzielten einen Umsatzanteil von 30,3 %. Weitere 28,2 % des gesamten Umsatzes erwirtschafteten die 341 000 mittelständischen Unternehmen (Jahresumsatz zwischen 1 und 50 Millionen Euro). Die verbleibenden 2,9 Millionen Kleinunternehmen kamen auf einen Umsatzanteil von 8,6  %.

Über die Hälfte (54,8 %) des gesamten Umsatzes wurde 2011 von 509 000 Kapitalgesellschaften erwirtschaftet. Weitere 27,2 % des Umsatzes entfielen auf 420 000 Personengesellschaften. Die 2,3 Millionen Unternehmen mit einer anderen Unternehmensform erwirtschafteten die übrigen 18,0 % des Umsatzes 2011.

Nicht erfasst werden in dieser Umsatzsteuerstatistik unter anderem Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 17 500 Euro und solche, die vorwiegend steuerfreie Umsätze tätigen.

Steuerpflichtige und deren Lieferungen und Leistungen 2011 nach Wirtschaftsabschnitten
Wirtschaftsabschnitt Steuer-pflichtige Veränderung zum Vorjahr
in %
Lieferungen und Leistungen
in Millionen Euro
Veränderung zum Vorjahr
in %
1 Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ08).
2 Umsätze der Unternehmen, ohne Umsatzsteuer.
Wirtschaftszweige insgesamt 3 215 095 1,6 5 687 179 8,5
A Land-  und Forstwirtschaft, Fischerei 86 154 6,8 34 892 11,9
B Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 2 024 – 1,7 24 442 12,2
C Verarbeitendes Gewerbe 239 397 – 0,2  2 040 082 11,1
D Energieversorgung 55 228 26,4 281 843 5,7
E Wasserversorgung, Abwasser-und Abfallentsorgung, Beseitigung von Umweltverschmutzungen 11 602 – 0,9 46 161 15,1
F Baugewerbe 358 173 1,7 244 067 8,4
G Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 641 376 – 0,8 1 795 659 8,7
H Verkehr und Lagerei 110 627 – 0,1 209 744 2,3
I Gastgewerbe 227 175 – 1,5 66 086 5,0
J Information und Kommunikation 124 341 1,3 189 285 3,0
K Erbringung von Finanz-  und Versicherungsdienst-leistungen 25 311 1,0 72 187 4,4
L Grundstücks- und Wohnungswesen 286 052 2,0 152 139 5,7
M Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen 466 022 3,6 221 902 5,1
N Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 168 760 6,9 134 739 7,2
P Erziehung und Unterricht 43 865 2,9 9 677 6,0
Q Gesundheits-und Sozialwesen 46 951 2,4 79 454 7,9
R Kunst, Unterhaltung und Erholung 99 458 1,6 33 737 4,9
S Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 222 579 – 0,9 51 083 0,9

Detaillierte Angaben über die steuerpflichtigen Unternehmen und deren Umsätze nach einzelnen Wirtschaftszweigen sind unter Publikationen, Thematische Veröffentlichungen erhältlich. Dort sind auch aktuelle Ergebnisse der Umsatzsteuerstatistik auf Basis der Veranlagungen, die auch die Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 17 500 Euro enthält, abrufbar.

Umsatzsteuerstatistik 2011: Umsätze auf dem Höchststand (PDF, 73KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Pressemitteilung Nr. 129 vom 04.04.2013:

Steuererklärungsfristen 2012

Abgabefrist für Steuererklärungen

Für das Kalenderjahr 2012 sind folgende Erklärungen bis zum 31.5.2013 bei den Finanzämtern abzugeben: die Erklärungen zur Einkommensteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten sowie zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Ferner die Erklärungen zur Körperschaftsteuer, einschließlich der Erklärungen zu gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die in Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen sind, sowie für die Zerlegung der Körperschaftsteuer. Ebenfalls bis zu diesem Datum abzugeben sind die Erklärungen zur Gewerbesteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und zur gesonderten Feststellung des Zuwendungsvortrags sowie für die Zerlegung des Steuermessbetrags. Schließlich auch die Erklärungen zur Umsatzsteuer sowie zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes.

Sonderfrist

Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist nicht vor Ablauf des fünften Monats, der auf den Schluss des Wirtschaftsjahres 2012/2013 folgt.

Fristverlängerung

Sofern die vorbezeichneten Steuererklärungen durch Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG angefertigt werden, wird die Frist allgemein bis zum 31.12.2013 verlängert. Bei Steuererklärungen für Steuerpflichtige, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, tritt an die Stelle des 31.12.2013 der 31.5.2014. Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspätet oder nicht abgegeben wurden. Ferner dann, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum kurz vor Abgabe der Erklärung bzw. vor dem Ende der Karenzzeit nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden oder sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat. Des Weiteren soll von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, wenn hohe Abschlusszahlungen erwartet werden oder für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind oder die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Erklärungen laufend fertig gestellt und unverzüglich eingereicht werden. Aufgrund begründeter Einzelanträge kann die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen bis zum 28.2.2014 bzw. in den Fällen, in denen die vorbezeichnete Sonderfrist gilt, bis zum 31.7.2014 verlängert werden. Eine weitergehende Fristverlängerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die allgemeine Fristverlängerung gilt nicht für Anträge auf Steuervergütungen. Sie gilt auch nicht für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit mit Ablauf des 31.12.2012 endete. Hat die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor dem 31.12.2012 geendet, ist die Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr einen Monat nach Beendigung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit abzugeben.

 

Abgabenrechtliche Wirkungen einer Umsatzsteuererklärung

Eine Umsatzsteuererklärung ist eine Steueranmeldung i.S. des § 167 AO, die, wenn sie nicht zu einer Herabsetzung der zu entrichtenden Steuer führt, sondern eine Zahllast aufweist, gemäß § 168 Satz 1 AO kraft Gesetzes mit dem Zugang (Tag des Eingangs beim Finanzamt) der Erklärung beim Finanzamt ohne Weiteres einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht.

 

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 6.9.2012, V B 14/12

Abgabenrechtliche Wirkungen einer Umsatzsteuererklärung

Gründe

1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, „ob eine Umsatzsteuerfestsetzung des Finanzamtes kraft Gesetzes gemäß § 18 UStG i.V.m. § 168 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht“, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 24. August 2011 I B 1/11, BFH/NV 2011, 2044 II.1.; vom 27. März 2009 VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl II 2009, 850 II.1.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es darüber hinaus, wenn die Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2012 VI B 120/11, juris II.1.; vom 24. August 2011 VI B 18/11, BFH/NV 2011, 2062, m.w.N.).
3
Beides ist hier der Fall. Die Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2002 ist eine Steueranmeldung i.S. des § 167 der Abgabenordnung (AO). Da sie weder „zu einer Herabsetzung der zu entrichtenden Steuer“ noch „zu einer Steuervergütung“ (§ 168 Satz 2 AO) führte, sondern eine Zahllast aufwies, stand sie gemäß § 168 Satz 1 AO kraft Gesetzes mit dem Zugang der Erklärung beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) ohne weiteres einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2008 V R 24/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2009, 817 II.1.b aa). Diese Wirkung kam der am 30. September 2003 beim FA eingegangenen Jahreserklärung für das Streitjahr 2002 nach § 18 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 168 Satz 1 AO bereits am Tag ihres Eingangs beim FA zu, ohne dass es hierfür einer gesonderten Zustimmung des FA bedurft hätte (vgl. BFH-Urteil in HFR 2009, 817). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers steht die Frage, ob ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, in keinem Zusammenhang mit seiner Unanfechtbarkeit, also der Frage, ob er noch mit einem Einspruch wirksam angefochten werden kann (zur Einspruchsfrist, nach deren Ablauf Unanfechtbarkeit eintritt, vgl. § 355 AO).
4
2. Da es aus den o.g. Gründen an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt, ist auch keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
5
3. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel ist weder hinreichend dargelegt noch liegt er vor; das FG hat weder Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) noch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt.
6
a) Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, fehlt es schon an der ordnungsgemäßen Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) des Zulassungsgrundes. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, so ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, die genauen Fundstellen, in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170  2.; vom 24. Juli 2002 V B 25/02, BFHE 199, 85, und vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125, m.w.N.). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht; insbesondere liegt darin, dass das FG den Ausführungen des Klägers nicht folgt, keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht.
7
b) Davon abgesehen hat das FG seine Sachaufklärungspflicht auch nicht verletzt. Im Streit befinden sich noch nicht berücksichtigte Vorsteuern aus Handykosten in Höhe von 12,96 EUR sowie weitere Vorsteuern in Höhe von 1.563,53 EUR. Der Steuerpflichtige –hier der Kläger– trägt die Darlegungslast der Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG (BFH-Beschlüsse 7. Mai 2009 XI B 111/08, BFH/NV 2009, 1472 1.a; vom 3. August 2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368 II.1.). Diese setzt u.a. die Vorlage der Rechnungen, aus denen der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, voraus. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger trotz Aufforderung weder über die noch streitigen Handykosten in Höhe von 12,96 EUR noch über die weiteren von ihm geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von 1.563,53 EUR Rechnungen vorgelegt. Da der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachgekommen ist, bleibt für eine Sachaufklärungspflichtverletzung des FG kein Raum, weil der Amtsermittlungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt wird (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 170  2.).