Ist Geltendmachung eines falschen Verlustvortrags Steuerhinterziehung?

Ist Geltendmachung eines falschen Verlustvortrags Steuerhinterziehung?

Kernaussage
Macht ein Steuerpflichtiger nach Abgabe einer richtigen Steuererklärung den durch einen Vorzeichenfehler des Finanzamts fehlerhaft festgestellten Verlustvortrag geltend, liegt eine Steuerhinterziehung weder wegen unrichtiger Angaben noch durch Unterlassen wegen fehlender Aufklärung des Finanzamts über den Veranlagungsfehler vor. Die Bestandkraft des Verlustfeststellungsbescheids berechtigt zur Inanspruchnahme des materiell unzutreffend festgestellten Verlustvortrags.

Sachverhalt
In den Einkommensteuererklärungen der Jahre 1999 und 2000 gab der Kläger u. a. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von rund 1 Mio. DM an. Das beklagte Finanzamt erließ im März 200 einen Einkommensteuerbescheid, in dem es die vom Kläger genannten Einkünfte aufgrund eines Eingabefehlers als negative Einkünfte behandelte und stellte einen verbleibenden Verlustvortrag fest. Für das Jahr 2001 nahm der Kläger den festgestellten Verlustvortrag in Anspruch. Im Vorfeld einer im Jahr 2004 anberaumten Betriebsprüfung erklärte der Kläger unter Abgabe einer strafbefreienden Erklärung, er habe eine Steuerhinterziehung begangen, weshalb für die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen (nur) eine Abgabe in Höhe von 25 % dieser Einnahmen zu zahlen sei. Das Finanzamt lehnte mangels Vorliegens einer Straftat die Voraussetzungen der strafbefreienden Erklärung und der damit zusammenhängenden günstigeren Steueramnestie ab. Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigten diese Auffassung.

Entscheidung
Der BFH stellte fest, dass keine Steuerhinterziehung vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger in der Einkommensteuererklärung für ein Folgejahr den fälschlich festgestellten Verlustvortrag in Anspruch nimmt. Die Einkommensteuererklärungen für die Vorjahre wiesen zutreffend positive Einkünfte aus. Auch sind die Erklärungen der Folgejahre weder unrichtig noch unvollständig, denn die Bestandskraft des Verlustfeststellungsbescheids berechtigt dazu, den unzutreffend festgestellten Verlustvortrag in Anspruch zu nehmen. Der Steuerpflichtige ist insbesondere nicht dazu verpflichtet, das Finanzamt auf den Fehler aufmerksam zu machen.

Konsequenz
Die Entscheidung erging zum Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG), das nur vom 1.1.2004 bis 31.3.2005 galt. Um die Steueramnestie zu erlangen, gab es die Möglichkeit eine strafbefreiende Erklärung abzugeben und die „Amnestiesteuer“ als Pauschalabgabe zu entrichten. Heute existiert nur noch die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige.