Versagung der Restschuldbefreiung wg. Verletzung von Mitwirkungspflichten

Versagung der Restschuldbefreiung wg. Verletzung von Mitwirkungspflichten

Kernaussage

Nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung (§§ 20, 94 InsO) ist über sämtliche, das Insolvenzverfahren betreffende Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Dazu entschied der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich: wenn ein Schuldner eine im Zeitraum zwischen der Stellung eines ersten Insolvenzantrags und der Stellung eines weiteren (mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Insolvenzantrags) vorgenommene Grundstücksschenkung auf Nachfrage nicht angibt, liegt hierin ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten.

Sachverhalt

Der Schuldner beantragte im Juli 2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Nach erfolgten Hinweisen durch das Insolvenzgericht stellte er unter Verwendung von Formblättern im August desselben Jahres abermals einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, den er mit einem Restschuldbefreiungsantrag verband. In dem eingereichten Vermögensverzeichnis gab der Schuldner durch Ankreuzen des Kastens „nein“ an, in den letzten 4 Jahren keine Vermögensgegenstände verschenkt und in den letzten 2 Jahren keine Vermögensgegenstände an nahe Angehörige veräußert zu haben. Zwischenzeitlich hatte er aber Ende Juli 2005 seinen Miteigentumsanteil an einem Grundstück unentgeltlich auf seine Ehefrau übertragen. Im November 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Den vom Gläubiger gestellten Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen der Grundstücksveräußerung zu versagen, lehnten die Untergerichte ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg.

Entscheidung

Der BGH versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung, weil er seine Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt hat. Er verschwieg trotz der in dem Antrag enthaltenen ausdrücklichen Fragestellung eine Schenkung bzw. eine Veräußerung von Vermögensgegenständen an einen nahen Angehörigen. Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften ist über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Die Auskunft umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Weil der Schuldner das Formular selbst ausgefüllt und die Richtigkeit der Angaben durch seine Unterschrift bestätigt hatte, musste ihm aufgrund der konkreten Fragestellung in dem Formular der damit bezweckte, auf Schenkungen und Veräußerungen an nahe Angehörige gerichtete Inhalt seiner Auskunftspflicht bewusst sein.

Konsequenz

Der BGH setzt seine Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit konsequent fort. Um auf der sicheren Seite zu sein, muss ein Schuldner die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offen legen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen.

Kein Entgelt für die Übersendung von „Zwangskontoauszügen“

Kein Entgelt für die Übersendung von „Zwangskontoauszügen“

Kernaussage

Kreditinstitute, die ihren Kunden unaufgefordert Kontoauszüge zusenden, dürfen für diese Leistung kein Entgelt verlangen. Sie müssen ihre Kunden mindestens einmal monatlich kostenfrei über Zahlungsvorgänge auf deren Konto informieren. Das entschied jüngst das Landgericht Frankfurt.

Sachverhalt 

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bank war festgelegt, dass Kunden den Kontoauszug per Post zugeschickt bekommen, sofern sie diesen nicht innerhalb von 30 Bankarbeitstagen am Kontoauszugdrucker abrufen. Für die Übersendung sollten die Kunden ein Entgelt von 1,94 EUR zahlen. Ähnliche Gebührenklauseln für so genannte „Zwangskontoauszüge“ verwenden auch zahlreiche andere Banken und Sparkassen. Gegen die Klausel der Deutschen Bank klagte die Verbraucherzentrale Bundesverband und gewann.

Entscheidung

Das erhobene Entgelt für die Übersendung der Zwangskontoauszüge war unzulässig. Die Richter entschieden, dass eine Bank ist grundsätzlich gesetzlich verpflichtet ist, ihren Kunden mindestens einmal im Monat über die Zahlungsvorgänge auf seinem Konto zu informieren, ob online, am Auszugsdrucker oder per Zusendung. Für die Erfüllung dieser Pflicht darf kein Entgelt erhoben werden. Dies ist nur in gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen möglich, etwa wenn der Kunde eine zusätzliche Zusendung ausdrücklich verlangt. Eine solche Ausnahme der ausdrücklich verlangten zusätzlichen Zusendung hat das Landgericht Frankfurt im vorliegenden Fall verneint. Wenn der Kunde die Kontoauszüge nicht abhole, verlange er damit nicht deren Zusendung. Es stehe im Belieben der Bank, die Auszüge nach Ablauf der 30-Tage-Frist per Post zu versenden.

Rechtsprechung zur Gebührenerhebung durch Kreditinstitute

– Die Bank ist gesetzlich verpflichtet, die von ihr verwalteten Wertpapiere kostenfrei herauszugeben, wenn der Kunde das will. Allerdings darf die Bank für die Depotführung und für den An- und Verkauf von Wertpapieren kassieren. – Für ein Vertragsangebot, das der Kunde ablehnt, darf die Bank nichts berechnen. Es gehört zu den üblichen Risiken jeder Geschäftstätigkeit, dass Kunden abspringen, bevor es zu einem Vertragsschluss kommt. – Es gehört zur Pflicht der Bank, bei einem Baudarlehen eingehende Raten ordnungsgemäß zu verbuchen und den Kunden darüber kostenfrei zu informieren. – Verweigert die Bank die Einlösung von Lastschriften, Schecks, Daueraufträgen und Überweisungen, weil das Konto nicht gedeckt ist, wird die Bank im eigenen Sicherheitsinteresse tätig. Sie darf dafür keine Kosten berechnen, auch nicht für die Nachricht über die Nichtausführung. – Wenn der Kunde Geld aufs eigene Konto einzahlt oder davon abhebt, darf die Bank nur dann Gebühren erheben, wenn das vorher vertraglich vereinbart wurde. Dann wird jede Buchung extra abgerechnet. Mindestens 5 müssen im Monat aber in jedem Fall kostenlos sein. Bei Einzahlungen auf ein fremdes Konto darf die Bank dafür ein Entgelt berechnen. – Nach Verlust oder Beschädigung einer Kreditkarte darf die Bank nicht in jedem Fall für eine Ersatzkarte Geld verlangen. Ist die Bank selbst für den Verlust verantwortlich, muss die Ersatzkarte kostenlos sein. – Je mehr Mahnungen die Bank wegen eines Sachverhalts schickt, desto geringer müssen die Kosten der einzelnen Mahnung werden, denn der Sachverhalt muss nicht jedes Mal neu dargestellt werden. Mahnkosten über 3 EUR sind kaum zu begründen. – Wenn die Bank oder Dritte im eigenen Interesse Auskünfte einholen, sind das allgemeine Geschäftskosten, für die der Kunde nichts zahlen muss. Nur wenn er die Bank ausdrücklich auffordert, Auskünfte weiterzugeben, kann sie dafür Gebühren erheben. – Die Bank ist gesetzlich verpflichtet, Pfändungsbeschlüsse kostenfrei zu bearbeiten und monatlich zu überwachen. – Kosten für allgemeine Telefonate und Kopien darf die Bank nicht auf die Kunden abwälzen. Nur wenn sie auf ausdrücklichen Kundenwunsch zusätzlich telefoniert und kopiert, darf sie Kosten geltend machen – aber nur so viel, wie ihr tatsächlich entstanden sind. – Die Bank ist gesetzlich verpflichtet, Freistellungsaufträge zu verwalten und zu ändern. Sie darf dafür keine Gebühr verlangen. – Die Auskunft über den Kontostand ist kostenlos. Wenn das am Schalter nicht möglich ist, muss ein Auszugsdrucker bereit stehen. – Wenn Kunden von der Bank unzulässige Gebühren zurückfordern, darf sie nicht darauf bestehen, dass diese die Belastung mit Datum und Betragshöhe nachweisen. Sie muss kostenlos über die strittige Abbuchung Auskunft geben. – Die Bank muss bei einer Überweisung dafür sorgen, dass das Geld beim Empfänger ankommt. Forscht sie über den Verbleib nach, handelt sie im eigenen Interesse. – Die Bank ist vertraglich verpflichtet, einer Reklamation nachzugehen. Sie darf keine Gebühren verlangen. – Wenn Kunden ihre Kreditkarte vor Ende der vereinbarten Laufzeit zurückgeben, müssen diese für die restliche Zeit nicht zahlen. Das gilt auch für die EC-Karte. – Kunden dürfen ein Girokonto ohne Angabe von Gründen und ohne Kündigungsfrist auflösen. Auch wenn ein Sparvertrag fristgemäß gekündigt wird, fallen keine Gebühren an.

Stiftungsgründung durch Erbeinsetzung: Zuwendungen in Vermögensstock

Stiftungsgründung durch Erbeinsetzung: Zuwendungen in Vermögensstock

Kernproblem

Durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements werden ab dem Jahr 2007 Zuwendungen in den Vermögensstock einer gemeinnützigen Stiftung mit bis zu 1 Mio. EUR (innerhalb eines 10-Jahreszeitraums) als Sonderausgabe durch Spendenabzug steuerlich gefördert. Dass die Zuwendungen ertragsteuerlich nicht genutzt werden können, hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt für den Fall entschieden, dass sie erst mit dem Tod steuerlich abfließen.

Sachverhalt

Ehegatten hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet und sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Nach dem Tode des Nachversterbenden sollte der Nachlass auf eine von Todes wegen errichtete gemeinnützige Stiftung übergehen. Hierzu kam es dann im Jahr 2006. Die gegründete Stiftung des privaten Rechts reichte als Erbin für die Erblasserin die Einkommensteuererklärung 2006 ein und machte einen Betrag von 1 Mio. EUR steuerlich durch Spendenbescheinigung geltend. Nach dem für das Streitjahr 2006 geltenden Einkommensteuergesetz wurden Zuwendungen von bis zu 307.000 EUR gefördert. Das Finanzamt lehnte jedoch den Spendenabzug mit der Begründung ab, dass der Abfluss erst mit dem Tod und damit nach dem Erlöschen der persönlichen Steuerpflicht erfolgt sei.

Entscheidung

Der BFH ist der Vorinstanz gefolgt und hat den Spendenabzug mit der Begründung abgelehnt, dass bis zum Todeszeitpunkt keine Zuwendungen in die Stiftung geleistet wurden. Auslösendes Moment für den Übergang der Erbschaft sei der Tod des Erblassers. Keine Auswirkung auf den Abflusszeitpunkt habe die Tatsache, dass es sich bei der Erbeinsetzung um eine freiwillige Entscheidung des Erblassers zu dessen Lebzeiten handele. Auch das Argument der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vermochte den Senat nicht umzustimmen, denn die Erblasserin hätte zu Lebzeiten frei über das Vermögen verfügen und es auch verbrauchen können. Eine Abweichung vom allgemeinen steuerlichen Abflussprinzip rechtfertige auch nicht die zivilrechtliche Sonderregelung (§ 84 BGB), nach der die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod als entstanden gelten, wenn die Stiftung nach dem Tod als rechtsfähig anerkannt wird.

Konsequenz

Die Zuwendungen müssen zu Lebzeiten erfolgen, um den eigenen Spendenabzug zu ermöglichen. Hierfür muss die Stiftung bereits gegründet sein und den Gemeinnützigkeitsstatus erlangt haben.

Zweitwohnung auf Mallorca ohne Förderung durch Fiskus

Zweitwohnung auf Mallorca ohne Förderung durch Fiskus

Kernproblem

Zwar ist die Eigenheimzulage für die Anschaffung oder Herstellung von Wohneigentum ab dem 1.1.2006 entfallen; in der Praxis können aber wegen der 8jährigen Laufzeit mitunter noch Anwendungsfälle hochkommen, z. B. wegen einer Nutzungsänderung (vorher vermietet, jetzt selbstgenutzt, etwa durch Gestaltung mit Kindern) oder Begründung/Wegfall von Kinderzulagen. Zudem hat die Rechtsprechung der letzten Jahre verstärkt solche begünstigenden Regelungen der deutschen Steuergesetze im Visier gehabt, die europarechtswidrig nur inländische Sachverhalte fördern. So konnten sich z. B. zuletzt auch Eltern freuen, die Schulgeld ihrer Sprösslinge im EU-Ausland ausgaben, obwohl das deutsche EStG zunächst nur Schulgelder der in Deutschland belegenen Schulen als Sonderausgaben begünstigte. Aber was gibt es Schöneres, als privat motivierte Ausgaben mit einem Steuervorteil des Fiskus noch attraktiver zu gestalten? Das dachte sich auch ein Ehepaar, das eine Zweitwohnung auf Mallorca erwarb und hierfür die Eigenheimzulage begehrte.

Sachverhalt

In Deutschland ansässige Eheleute erwarben 2001 eine Eigentumswohnung auf Mallorca, die überwiegend durch die Ehefrau für mehrere Monate im Jahr als Zweitwohnung genutzt wurde. Der Einspruch gegen die Ablehnung des im Jahr 2005 gestellten Antrags auf Eigenheimzulage ruhte zunächst wegen eines beim Europäischen Gerichtshof (EUGH) anhängigen Verfahrens. Hier hatten sich einige der Personengruppen, die in Deutschland einer unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, erfolgreich gegen die Voraussetzung einer „im Inland belegenen Wohnung“ gewehrt. Hierbei handelte es sich jedoch um solche Personen, die in Deutschland keinen Wohnsitz hatten und entweder der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht (z. B. Staatsbedienstete) oder Grenzpendlerbesteuerung unterlagen. Nachdem die Entscheidung des EUGH ergangen war, lehnte das Finanzamt die Erweiterung der Eigenheimzulage auf im EU-Ausland belegene Wohnungen „normal unbeschränkt Steuerpflichtiger“ mit Wohnsitz im Inland ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht Köln wies die Klage der Eheleute ab. Zwar seien die Eheleute in ihrem Recht auf Freizügigkeit und Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt, weil das Gesetz den Aufenthalt und eine Investitionen im Ausland hindere. Die Beschränkung sei jedoch – anders als im entschiedenen Fall des EUGH – gerechtfertigt, denn mit der Förderung habe der Gesetzgeber zulässigerweise wohnungsmarktpolitische Zwecke verfolgt. Während etwa Grenzpendler, EU-Beamte oder Diplomaten durch die Aufnahme ihres Wohnsitzes im EU-Ausland den inländischen Wohnungsmarkt entlasteten, bliebe die Anschaffung einer zusätzlichen Wohnung im Ausland ohne Auswirkungen auf den nationalen Wohnungsbestand im Inland.

Konsequenz

Die Entscheidung ist bisher in der Fachpresse noch wenig kritisiert worden und scheint sinnig.

Finanzamt darf elektronisch falsch übertragene Lohnsteuerdaten nachträglich berichtigen

Finanzamt darf elektronisch falsch übertragene Lohnsteuerdaten nachträglich berichtigen

Kernproblem

Ist dem Finanzamt bei der Steuerveranlagung ein Fehler zugunsten des Steuerzahlers unterlaufen und fällt dies später der Behörde auf, dann wird sich häufig zu Unrecht auf die Berichtigungsvorschrift des § 129 AO berufen. Hiernach kann die Finanzbehörde Schreib- und Rechenfehler, sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigen, die ihr beim Erlass des Bescheids unterlaufen sind. Das gilt zumindest innerhalb der Verjährungsfrist (i. d. R. 4 Jahre nach Erlass des Bescheids). Ansatzpunkt der Berichtigungsmöglichkeit ist die Würdigung der offenbaren Unrichtigkeit; hier muss es sich um einen rein „mechanischen Fehler“ handeln, der die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausschließt.

Sachverhalt

In dem vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall hatten die betroffenen Eheleute eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben. Der Ehemann war im Streitjahr in insgesamt 4 Arbeitsverhältnissen tätig; er musste also die Daten der Lohnsteuerbescheinigungen addieren (die als Nachweis der Steuererklärung beigefügt waren) und in die Steuererklärung eintragen. Das Finanzamt machte es sich einfach und übernahm per Mausklick die von den jeweiligen Arbeitgebern elektronisch übermittelten Daten, die unvollständig waren und zu einer geringeren Steuerschuld führten. Der Irrtum fiel dann im nächsten Jahr auf und wurde korrigiert – zu Unrecht?

Entscheidung

Das Finanzgericht Münster hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Nach Auffassung der Richter liege in dem Verhalten des Finanzamts eine typische offenbare Unrichtigkeit in Form eines mechanischen Fehlers und beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der z. B. Übertragungsfehler und Irrtümer über den automatisierten Verfahrensablauf als solche ansieht. Der Fehler sei auch so offenbar, d. h. durchschaubar, eindeutig, augenfällig und läge auf der Hand, dass er von einem verständigen Dritten klar und deutlich erkannt werden könne.

Konsequenz

Der BFH hatte bereits früher zum Leidwesen des Steuerzahlers festgestellt, dass eine oberflächliche Bearbeitung der Finanzbehörde die Möglichkeit einer Änderung nicht ausschließe. Wenn jedoch eine nicht nur theoretische Möglichkeit eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung oder bei der Anwendung einer Rechtsnorm besteht, ist die Berufung auf § 129 AO rechtsfehlerhaft und sollte angefochten werden. Zum Trost bei mechanischen Fehlern: Die Vorschrift eröffnet auch die Änderung zuungunsten des Finanzamts, wenn diesem der Fehler zuzurechnen ist.

Alter wiegt bei Sozialauswahl stärker als Kinderzahl

Alter wiegt bei Sozialauswahl stärker als Kinderzahl

Rechtslage

Nachdem das Alter ein gesetzliches Diskriminierungskriterium ist, stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit arbeitsrechtliche Regelungen, die auf das Alter abstellen, noch angewendet werden können, weil sie stets das Risiko einer Diskriminierung (entweder der älteren oder der jüngeren Arbeitnehmer) bergen. Eine solche Regelung ist beispielsweise im Kündigungsschutzgesetz enthalten, das die soziale Rechtfertigung einer Kündigung insbesondere anhand der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Alter und Unterhaltspflichten prüft. Das Landesarbeitsgericht Köln hat nunmehr zur Gewichtung der einzelnen Kriterien entschieden.

Sachverhalt

Beim Arbeitgeber standen betriebsbedingte Kündigungen an. Unter anderen sollte einem von 2 Führungskräften gekündigt werden. Beide waren im Wesentlichen gleich lang im Unternehmen beschäftigt und verheiratet. Ein Mitarbeiter war 35 Jahre, der andere 53 Jahre alt; der jüngere Mitarbeiter war 2 Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet, der ältere Arbeitnehmer war kinderlos. Der Arbeitgeber kündigte dem älteren Arbeitnehmer mit der Begründung, die Unterhaltspflichten wögen schwerer als das Alter. Der Arbeitnehmer erhob hiergegen Kündigungsschutzklage und bekam Recht.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung des älteren Arbeitnehmers unwirksam gewesen sei, weil der jüngere Arbeitnehmer im Gegensatz zum älteren wesentlich bessere Chancen habe, schnell eine neue Anstellung zu finden. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass seine Unterhaltpflichten für die Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beeinträchtigt gewesen wären.

Konsequenz

Zwar ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, wie die Sozialauswahlkriterien zueinander zu gewichten sind, allerdings überzeugt das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht. Da das Alter ein Diskriminierungsmerkmal ist, bedeutet die Entscheidung, dass jüngere Arbeitnehmer bei Kündigungen nach Sozialauswahlgesichtspunkten diskriminiert werden dürfen. Ob der sachliche Grund, für jüngere Arbeitnehmer sei es einfacher, einen Job zu finden, eine Rechtfertigung darstellen kann, ist zu bezweifeln. Aus hiesiger Sicht wäre dem objektiven Kriterium der Unterhaltspflicht der Vorrang zu gewähren. Inwieweit die Entscheidung noch durch das Bundesarbeitsgericht überprüft wird, ist derzeit unbekannt.

Haftung des Landwirts für Schäden durch ausbrechende Jungrinder

Haftung des Landwirts für Schäden durch ausbrechende Jungrinder

Kernfrage

Halter von Nutztieren, also Haustieren, die aus beruflichen Gründen oder zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind bei durch die Tiere verursachten Schäden haftungsprivilegiert. Für andere Tiere als Nutztiere sieht das Gesetz in allen Fällen eine Haftung des Tierhalters vor. Bei Nutztieren haftet der Tierhalter nicht, wenn er seiner Aufsichtspflicht über das Tier nachgekommen ist oder der Schaden auch bei ausreichender Aufsicht entstanden wäre. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dieses Haftungsprivileg noch zeitgemäß ist.

Sachverhalt

Der beklagte Landwirt betreibt Rindviehhaltung. Im Spätherbst hatte er seine weiblichen, erstmals trächtigen Jungrinder auf eine umzäunte Koppel hinter seinem Haus gebracht, um sie dort bis zur endgültigen Überwinterung im Stall zu halten. Ein Jungrind brach dabei in einer Panikreaktion aus und kollidierte mit 2 Autos, deren Halter Schadensersatz gegen den Landwirt geltend machten. Gegen die Schadensersatzansprüche machte der Landwirt sein Haftungsprivileg als Nutztierhalter geltend. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ersten Verfahren das Haftungsprivileg des Nutztierhalters als rechtmäßig angesehen hatte, hatte das OLG nunmehr darüber zu befinden, ob der Landwirt seiner Aufsichtspflicht ausreichend nachgekommen war.

Entscheidung

Auf der Grundlage eines Gutachtens, dass den Ausbruch des Jungtiers als Panikreaktion erwiesen hatte, wies das Gericht die Klage ab. Der Landwirt haftet nicht, auch wenn der Zaun sich an der Ausbruchsstelle möglicherweise nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden haben sollte, weil selbst ein ordentlicher Zaun der Panikreaktion nicht standgehalten hätte. Auch das Halten der Tiere nahe am Haus stelle keine Pflichtverletzung, sondern übliche Praxis zur Gewöhnung der Tiere an den Hofbereich dar.

Konsequenz

Bei durch Nutztiere verursachten Schäden gilt das Haftungsprivileg zugunsten des Nutztierhalters. Er haftet (weiterhin) nur dann, wenn ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden kann.

Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte ist verfassungskonform

Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte ist verfassungskonform

Kernproblem

Trotz oder gerade wegen der Vielzahl von Gesetzesvorschriften, Gerichtsurteilen und Verwaltungsanweisungen sind Rechtsunsicherheiten in der steuerlichen Beratungspraxis allgegenwärtig. Diese sind nicht nur im unternehmerischen Bereich (besonders bei Fragen der Konzernrestrukturierung sowie der Umsatzsteuer) anzutreffen, sondern können z. B. im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auch im Privatbereich auftreten. Zur Reduzierung dieser Rechtsunsicherheiten werden daher zunehmend verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung noch nicht verwirklichter Sachverhalte eingeholt.

Sachverhalt

Seit Ende 2006 ist für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr zu zahlen, die sich regelmäßig nach dem Wert berechnet, den die Auskunft für den Steuerpflichtigen hat. Gegen die Erhebung dieser Gebührenpflicht wurden in der Vergangenheit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, die allerdings vom Finanzgericht Münster in einem in 2010 ergangenen Urteil nicht geteilt wurden. Dieses Urteil wurde nunmehr vom Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt.

Grundsatzentscheidung

Nach Auffassung des BFH ist die seit Ende 2006 erhobene Gebühr für die Erteilung von verbindlichen Auskünften verfassungsgemäß. Dem Argument, das Steuerrecht sei derart kompliziert, dass die Finanzverwaltung gehalten sei, gebührenfrei über verbindliche Auskünfte zu entscheiden, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr seien für den Steuerpflichtigen durch die verbindliche Auskunft erhebliche Vorteile bereits im Vorfeld von Steuergestaltungen garantiert, die ebenso wie der dadurch entstehende Verwaltungsaufwand seitens der Finanzverwaltung die Erhebung einer Gebühr rechtfertige. Außerdem sei auch kein grobes Missverhältnis zwischen der Gebührenbemessung und den aus seiner Sicht verfolgten legitimen Gebührenzwecken erkennbar.

Konsequenz

Die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Verfassungskonformität von Rechtsnormen obliegt dem Bundesverfassungsgericht. Es bleibt daher abzuwarten, ob das oberste Gericht zukünftig die Möglichkeit bekommt, sich diesbezüglich zu äußern. Da der BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gebührenpflicht feststellen konnte, war er insoweit nicht zur Vorlage der Frage verpflichtet. Ebenfalls abzuwarten bleibt, ob im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 die geplante Einführung einer Bagatellgrenze, wonach bei einem Gegenstandswert von unter 10.000 EUR künftig keine Gebühren mehr anfallen sollen, umgesetzt wird.

Widersprüchliches zur Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung

Widersprüchliches zur Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung

Kernproblem

Die auf ausländische Kapitaleinkünfte entfallende ausländische Kapitalertragsteuer kann im Grundsatz auf die inländische Steuerschuld angerechnet werden (§ 34c EStG). Die Anrechnung ist indes nicht uneingeschränkt möglich: Zum einen ist sie auf den Teil der inländischen Steuer begrenzt, der auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Ist im Inland keine oder nur eine geringe Steuer zu zahlen, z. B. aufgrund von Verlustverrechnung mit anderen Einkünften, kann die Anrechnung ins Leere laufen; eine Erstattung ist jedenfalls ausgeschlossen. Zum anderen ist die sog. per-country-limitation, wonach der Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuer für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen ist, zu beachten. Dies führt insbesondere dann zu erheblichen Nachteilen, wenn die ausländischen Investments in verschiedenen Staaten erfolgen, deren Steuerniveau zum Teil deutlich über und zum Teil unter dem deutschen Steuerniveau liegt. Diese Benachteiligung unterliegt zum Teil europarechtlichen Bedenken.

Sachverhalt

Der einkommensteuerpflichtige Kläger erzielte in den Streitjahren 2004-2006 ausländische Kapitaleinkünfte aus unterschiedlichen Staaten innerhalb und außerhalb der EU. Aufgrund der vorstehend erläuterten Vorschrift des § 34c EStG rechnete das Finanzamt die ausländische Kapitalertragsteuer nur teilweise bei der deutschen Einkommensteuer an. Unter Hinweis auf die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift klagte der Steuerpflichtige vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein. Er unterlag zwar in erster Instanz, die Revision wurde aber zugelassen.

Entscheidung

Die Anrechnungsbegrenzung des § 34c EStG auf die anteilige deutsche Steuer ist nach Auffassung des Gerichts europarechtskonform. Die entstehenden Anrechnungsüberhänge seien das Ergebnis einer mangelnden Steuerharmonisierung innerhalb der EU, insbesondere der unterschiedlichen Steuersätze. Der Wohnsitzstaat (hier: Deutschland) sei aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht gezwungen, eine höhere Steuerbelastung im Ausland durch unbegrenzte Anrechnung im Inland auszugleichen. Ebenso sei europarechtlich unbedenklich, dass aufgrund der sog. per-country-limitation Anrechnungsüberhänge aus einem Land nicht mit Anrechnungsüberhängen aus einem anderen Land ausgeglichen werden dürfen.

Konsequenzen

Die Entscheidung steht teilweise im Widerspruch zu einem zeitgleich vom Bundesfinanzhof (BFH) veröffentlichten Urteil. Der BFH äußerte darin durchaus Zweifel an der Europarechtskonformität der Vorschrift des § 34c EStG und legte die Frage daher dem EuGH zur endgültigen Entscheidung vor. Das letzte Wort scheint insoweit also noch nicht gesprochen, so dass entsprechende Fälle mit Hinweis auf das BFH-Urteil offen gehalten werden sollten.

Verwertung von Steuer-CDs im Besteuerungsverfahren ist zulässig

Verwertung von Steuer-CDs im Besteuerungsverfahren ist zulässig

Kernaussage

Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Steuerbehörden angekaufte ausländische Bankdaten bei der Besteuerung verwenden dürfen. Entsprechende Informationen können demnach Ermittlungen der Steuerfahndung rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn die Beschaffung der Daten durch den Informanten zuvor rechtswidrig war.

Sachverhalt

Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt eine von einem Informanten angekaufte „Steuer-CD“ ausgewertet und so in Erfahrung gebracht, dass der Antragsteller Vermögen bei einem Schweizer Geldinstitut angelegt hatte. In den Einkommenssteuererklärungen hatte der Antragsteller dagegen keine ausländischen Kapitalerträge erklärt. Das Finanzamt schätzte diese mit 5 % des Kontostandes, was einen Betrag von rund 1,8 Mio. CHF ausmachte. Es lehnte die vom Antragsteller begehrte Aussetzung der Vollziehung dieser Schätzungsbescheide ab. Auch im gerichtlichen Verfahren erläuterte der Antragsteller nicht die der „Steuer-CD“ entnommenen Daten über die Kapitalanlagen und weigerte sich, aufklärende Kontounterlagen vorzulegen.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Beschluss im Jahr 2010 erstmals die Zulässigkeit der Verwertung angekaufter ausländischer Bankdaten im Besteuerungsverfahren bestätigt. Hierauf stützte sich das Finanzgericht. Es hatte keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Schätzungen und lehnte insbesondere ein Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf die im Ausland durch Informanten rechtswidrig erlangten Daten ab. Ein Verwertungsverbot sei lediglich bei Eingriffen in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung oder bei strafbaren Handlungen der Finanzbeamten anzunehmen. Diese Voraussetzungen sah das Gericht jeweils nicht als erfüllt an. Im zu entscheidenden Fall seien die Daten nicht von Finanzbeamten selbst beschafft, sondern nur entgegengenommen worden.

Konsequenz

Mit dem Beschluss des Finanzgerichts hat die äußerst umstrittene Praxis der Finanzverwaltung, angekaufte Kundendaten über verheimlichte ausländische Kapitalanlagen heranzuziehen, eine weitere gerichtliche Bestätigung erfahren. Allein vor dem Hintergrund zahlreicher Selbstanzeigen hat sich der Ankauf von „Steuer-CDs“ deutlich gerechnet.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin