Zusammenballung von Einkünften: Sind geringe Teilzahlungen schädlich?

Zusammenballung von Einkünften: Sind geringe Teilzahlungen schädlich?

Kernproblem

Für außerordentliche Einkünfte kann ein ermäßigter Steuersatz bei Bemessung der Einkommensteuer in Betracht kommen. Werden an einen Arbeitnehmer Abfindungen gezahlt, wird in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grds. dann eine Außerordentlichkeit bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in 2 oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt. Ob hier Bagatellgrenzen in Betracht zu ziehen sind, war Anlass eines Rechtstreits beim BFH.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer erhielt wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes eine Abfindung von ca. 77.800 EUR. Davon wurden 10.000 EUR im Jahr 2005 (hiervon steuerpflichtig: 2.800 EUR) und der Restbetrag von 67.800 EUR in 2006 gezahlt. Als laufende Bezüge erhielt er von seinem alten Arbeitgeber im Jahr 2005 noch ein Gehalt von 42.000 EUR und in 2006 lediglich einen geringen geldwerten Vorteil von ca. 2.000 EUR. Während das Finanzamt mangels Zusammenballung der Einkünfte im Jahr 2006 für die Hauptentschädigung keinen ermäßigten Steuersatz gewähren wollte, ging das Finanzgericht von einer gesetzlich nicht vorgesehenen unschädlichen Bagatellgrenze von 5 % der insgesamt steuerpflichtigen Abfindungsbeträge aus. Im Ergebnis (2,8 zu 70,6 = 4 %) reichte das, um eine Unschädlichkeit des in 2005 gezahlten Teilentgelts zu begründen. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein.

Entscheidung

Der BFH verlangt bei Prüfung der Außerordentlichkeit durch Zusammenballung eine individuelle Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung. Das gelte auch dann, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten habe und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt werde. Eine starre Prozentgrenze könne nicht die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Bezogen auf den Streitfall seien zunächst steuerfreie Beträge mangels Progressionsauswirkung außer Acht zu lassen. Darüber hinaus bewirke die Teilleistung von 2.800 EUR im Hinblick auf die anderen Beträge keine relevante Progressionsverschiebung im Jahr 2005, die geeignet wäre, die Ausnahmesituation der Progressionsbelastung im Streitjahr 2006 zu beeinflussen.

Konsequenz

Dem positiven Urteil ging bereits eine Entscheidung aus dem Jahr 2009 mit gleichem Ausgang voran, die erst in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Die Beträge waren noch eindeutiger, denn die Teilleistung betrug genau 1.000 EUR (von insgesamt 77.257 EUR).

Abzug von Reisekosten bei Sprachkurs im Ausland

Abzug von Reisekosten bei Sprachkurs im Ausland

Kernproblem

Der EDV-Berater in Las Vegas, der Sportmediziner am Gardasee, die Englischlehrerin in Dublin: Was haben alle diese Fälle gemeinsam? Sie hätten früher vor den Finanzgerichten bei dem Versuch, die Reisekosten für Sprachkurse auch nur anteilig steuerlich geltend zu machen, keine Chance gehabt. Grund war das aus dem Einkommensteuergesetz hergeleitete Aufteilungsverbot gemischt veranlasster Aufwendungen. Im letzten Jahr hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und gelangt jetzt zu einem Aufteilungsgebot. Wonach gesucht werden muss, ist ein Aufteilungsmaßstab; und das ist nicht einfach.

Sachverhalt

Die o. g. Aufzählung wird ergänzt durch den Bundeswehroffizier in Südafrika. Der Zugführer gab an, englische Sprachkenntnisse für den Einsatz in multilateralen Stäben der Bundeswehr zu benötigen. Was liegt da näher, als ein 3-wöchiger Sprachkurs in Südafrika? „Vieles“, dachte sich das Finanzamt und verwies den Vortrag des Offiziers in das Reich der Fabeln, obwohl nur am Wochenende Zeit für Ausflüge blieb. Zunächst erkannte das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg fast 2/3 der Gesamtkosten an, u. a. für Flug, Kursgebühren und Verpflegungsmehraufwand. Nach der Revision des Finanzamts wurde der Fall an das FG zurückverwiesen. Jetzt war man anderer Meinung und erkannte angesichts mehrerer Ungereimtheiten gar nicht mehr an. So ging es wieder zum BFH; der gibt den Ball jetzt ein 2. Mal zurück.

Entscheidung

Der VI. Senat des BFH stellt die Grundsätze zunächst wie folgt dar: Die Fortbildungskosten sind uneingeschränkt abziehbar, wenn die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Bei privater Mitveranlassung ist nach dem Verhältnis der beruflichen und privaten Zeitanteile aufzuteilen, wenn die Veranlassungsbeiträge zeitlich nacheinander liegen. Werden diese gleichzeitig – wie im Streitfall – verwirklicht, kann ein anderer Maßstab in Betracht kommen. Dabei verkennt der BFH die private Mitveranlassung eines Sprachkurses im Ausland nicht. Auf der anderen Seite sei aber zu berücksichtigen, dass eine Sprache im Ausland leichter zu erlernen sei, wenn sie dort (ggf. neben anderen Sprachen) auch gesprochen werde. Es dürfe nicht allein darauf abgestellt werden, dass der Kursbesuch im Inland den gleichen Erfolg haben könnte oder niedrigere Kosten verursache.

Konsequenz

Der BFH gibt am Ende einen Hinweis, der von praktischer Bedeutung sein kann: Sollte keiner der Beteiligten einen anderen Aufteilungsmaßstab nachweisen, so bestehen keine Bedenken, von einer hälftigen Aufteilung sämtlicher mit der Reise verbundenen Kosten auszugehen. Zumindest zeigt auch dieser Fall, dass die Zeiten vorbei sein dürften, in denen ein Finanzamt (wie bereits einmal erlebt) im Zeitalter des Aufteilungsverbots die Kosten für einen im Winter abgehaltenen Ärztekongress im Skiort Davos trotz Körperbehinderung mit dem Hinweis abschmettert, „allein der Blick auf die Berge reiche aus“.

Wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Übergabe des Kündigungsschreibens an Ehegatten

Wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Übergabe des Kündigungsschreibens an Ehegatten

Kernaussage

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird als Willenserklärung unter Abwesenden erst wirksam, wenn sie dem Kündigungsgegner zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 BGB). Der Kündigende trägt das Risiko der Übermittlung und des Zugangs der Kündigungserklärung. Eine Kündigung ist dann zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass ein Zugang auch dann anzunehmen ist, wenn die Kündigung an den Ehegatten außerhalb der Wohnung übergeben wird.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2003 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Nach einem Konflikt verließ die Klägerin Ende Januar 2008 ihren Arbeitsplatz. Mit einem Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.2.2008. Das Kündigungsschreiben ließ sie durch einen Boten dem Ehemann der Klägerin überbringen, dem das Schreiben am Nachmittag des 31.1.2008 an seinem Arbeitsplatz in einem Baumarkt übergeben wurde. Der Ehemann der Klägerin ließ das Schreiben zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen und reichte es erst am 1.2.2008 an die Klägerin weiter. Mit ihrer Klage wollte die Klägerin festgestellt wissen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht mit dem 29.2.2008, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende mit dem 31.3.2008 beendet worden ist. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Da das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 31.1.2008 der Klägerin noch am selben Tag zugegangen ist, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat zum 29.2.2008 beendet worden. Der Ehemann der Klägerin war bei der Übergabe des Kündigungsschreibens am Nachmittag des 31.1.2008 Empfangsbote. Dem steht nicht entgegen, dass ihm das Schreiben an seinem Arbeitsplatz und damit außerhalb der Wohnung übergeben wurde. Entscheidend ist, dass unter normalen Umständen nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung mit einer Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am 31.1.2008 zu rechnen war.

Konsequenz

Wird ein Kündigungsschreiben einer Person übergeben, die mit dem Arbeitnehmer in einer Wohnung lebt und die aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheint, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten, ist diese als Empfangsperson des Arbeitnehmers anzusehen. Dies ist in der Regel bei Ehegatten der Fall. Die Kündigungserklärung des Arbeitgebers geht dem Arbeitnehmer allerdings nicht bereits mit der Übermittlung an den Empfangsboten zu, sondern erst dann, wenn mit der Weitergabe der Erklärung unter gewöhnlichen Verhältnissen zu rechnen ist.

UG: Erhöhung des Stammkapitals durch Sacheinlage möglich

UG: Erhöhung des Stammkapitals durch Sacheinlage möglich

Rechtslage

In der Rechtsprechung und Lehre war umstritten, ob auch bei einer den Betrag des Mindestkapitals der GmbH von 25.000 EUR erreichenden Erhöhung des Stammkapitals einer Unternehmergesellschaft -UG- (haftungsbeschränkt) Sacheinlagen wegen des Sacheinlageverbots (§ 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG) ausgeschlossen sind. Vereinzelt wurde vertreten, dass das Verbot nur für die Gründung gilt und eine Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen grundsätzlich möglich sei. Die herrschende Meinung vertrat die Auffassung, dass das Verbot nicht mehr für eine den Übergang zur GmbH bewirkende Kapitalerhöhung gelte. Die Gegenansicht hielt die Leistung von Sacheinlagen erst ab dem Zeitpunkt der Eintragung des Mindestkapitals der GmbH für zulässig. Der BGH entschied gemäß der herrschenden Meinung.

Sachverhalt

Eine UG war mit einem Stammkapital von 500 EUR im Handelsregister eingetragen. Ihr Alleingesellschafter beschloss die Erhöhung des Stammkapitals um 24.500 EUR in Form einer Sacheinlage, da Beteiligungen des Gesellschafters an einer anderen Gesellschaft auf die UG übertragen werden sollten. Das Handelsregister hat die Eintragung der Kapitalerhöhung abgelehnt, da die Gesellschaft noch nicht über ein Stammkapital von 25.000 EUR verfüge. Die Beschwerde blieb vor dem OLG ohne Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der UG Recht. Das Sacheinlageverbot in § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG erfasst auch Kapitalerhöhungen nach Gründung der UG. Es findet jedoch keine Anwendung mehr, wenn die UG ihr Stammkapital so erhöht, dass es den Betrag des Mindestkapitals von 25.000 EUR erreicht oder übersteigt. Bereits die sprachliche Fassung der Sonderregelungen in § 5a GmbHG lässt diese Auslegung zu. Auch gebietet der Sinn und Zweck diese Auslegung, da anderenfalls die UG gegenüber der Neugründung einer GmbH, die durch Sacheinlage möglich ist, in ungerechtfertigter Weise benachteiligt wäre.

Konsequenz

Durch das Urteil ist geklärt, dass eine Kapitalerhöhung durch Sacheinlage nicht erst dann zulässig ist, wenn die UG schon zur GmbH geworden ist, sondern bereits dann, wenn sie durch diese noch einzutragende Kapitalerhöhung zur GmbH wird. Nach Prüfung der Sacheinlage der UG durch das Registergericht und Eintragung der Kapitalerhöhung kann sodann die GmbH entstehen.

Abmahnung verbraucht Kündigungsgrund auch bei Straftat

Abmahnung verbraucht Kündigungsgrund auch bei Straftat

Kernfrage

Begeht ein Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung, ist es am Arbeitgeber, zu entscheiden, mit welcher Sanktion, Abmahnung oder Kündigung, er reagiert. Wählt er die Abmahnung, stellt sich die Frage, ob er aus dem gleichen Grund noch kündigen kann. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte in einer solchen Konstellation zu entscheiden, ob eine zunächst abgemahnte Straftat nach Verurteilung noch zur Kündigung berechtigt.

Sachverhalt

Der Kläger war Justizangestellter und hatte einen Kollegen über einen Durchsuchungsbeschluss gegen ein Kind des Kollegen unterrichtet und war hierfür zunächst abgemahnt worden. In dem im Anschluss gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, worauf hin der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos hilfsweise fristgerecht kündigte. Die hiergegen geführte Kündigungsschutzklage war erfolgreich.

Entscheidung

Der Arbeitgeber konnte das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der (nachträglichen) Verurteilung kündigen. Zwar wäre die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Straftat zulässig und möglich gewesen. Weil der Arbeitgeber aber die Abmahnung wählte, war der Kündigungsgrund verbraucht. Nach Ansicht der Richter stellte die Verurteilung insoweit keine neue Tatsache dar, zumal sie sich auf den abgemahnten Sachverhalt bezog.

Konsequenz

Der Arbeitgeber muss sich bei jeder Pflichtverletzung entscheiden, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen er zieht. Dies gilt auch im Straftatbereich. Er kann nicht zunächst abmahnen, um dann abzuwarten, wie sich ein Strafverfahren entwickelt.

Haftung des Inhabers eines eBay-Kontos bei unbefugter Konto-Nutzung

Haftung des Inhabers eines eBay-Kontos bei unbefugter Konto-Nutzung

Kernaussage

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem aktuellen Urteil klargestellt, dass der Inhaber eines ebay-Accounts nicht ohne weiteres bei Vertragsabschlüssen über den eigenen Account verpflichtet wird und daher nicht vertraglich für Erklärungen haftet, die ein unbefugter Dritter unter Verwendung dieses Kontos abgibt.

Sachverhalt

Über das passwortgeschützte Konto eines ebay-Users wurde eine umfassende Gastronomieausstattung mit einem Startgebot von 1 EUR zum Kauf angeboten. Der Kläger gab daraufhin ein Maximalgebot von 1.000 EUR ab. Einen Tag später wurde die Auktion beendet, indem die Beklagte das Angebot zurücknahm. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Rücknahme der Höchstbietende war, forderte er die Beklagte auf, den Vertrag zu erfüllen und ihm das Eigentum an der Einrichtung zu verschaffen. Nach Ablauf der gesetzten Frist verlangte er sodann Schadensersatz wegen Nichterfüllung von mehr als 30.000 EUR. Die Beklagte weigerte sich, da sie ein Angebot nie abgegeben habe. Die Parteien stritten nun darüber, ob das Angebot von der Beklagten ohne ihr Wissen von ihrem Ehemann auf der Verkaufsplattform eingestellt worden ist. Die Klage blieb in sämtlichen Instanzen erfolglos.

Entscheidung

Der BGH entschied, dass auch bei Internet-Geschäften im Rahmen von ebay-Verkäufen die allgemeinen Stellvertretungsregeln (§§ 164 ff. BGB) gelten. Allein die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines ebay-Mitgliedskontos habe nicht zur Folge, dass der Kontoinhaber sich die von einem unbefugten Dritten abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen müsse. Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichteten den Namensträger nur dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgten, vom Namensträger nachträglich genehmigt würden oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht griffen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach die Mitglieder der Auktionsplattform grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden. Diese AGB seien nur zwischen ebay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart und hätten daher keine Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter.

Konsequenz

Grundsätzlich wird derjenige Vertragspartner, der den Account auch tatsächlich genutzt hat. Wer allerdings genau weiß, dass eine Drittperson den ebay-Account nutzt und dies nicht unterbindet, wird sich auf einen Missbrauch nicht berufen können.

Zulagenwiderruf in Altfällen – möglicherweise wirksam

Kernfrage

Seitdem die Rechtsprechung Arbeitsvertragsklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt, müssen sie den seit dem 1.1.2002 geltenden strengeren zivilrechtlichen Anforderungen standhalten. Danach gilt, dass Arbeitsvertragsklauseln, die Zulagen oder Gehaltsbestandteile unter den freien Widerruf des Arbeitgebers stellen, als überraschende Klauseln in der Regel unwirksam sind. Für die Wirksamkeit mindestens erforderlich ist, dass Widerrufgründe genannt sind. Das Bundesarbeitsgericht hat sich jetzt dazu geäußert, ob die Unwirksamkeitsrechtsprechung auch dann gelten kann, wenn die streitige Arbeitsvertragsklausel vor dem Inkrafttreten der strengeren gesetzlichen Anforderungen vereinbart worden ist.

Sachverhalt

Der Arbeitsvertrag des Klägers aus dem Jahr 1990 sah eine widerrufliche Zulage vor, die der Arbeitgeber im Jahr 2007 widerrief. Mit seiner Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit des Widerrufs geltend. Der Arbeitgeber trug jedoch vor, dass die neuere Rechtsprechung zur Überprüfung von Arbeitsvertragsklauseln nach Gesichtspunkten Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht auf Regelungen anwendbar seien, die vor der Verschärfung der zivilrechtlichen Gesetzgrundlage vereinbart worden seien; jedenfalls müsse hier eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen werden, was den Widerruf möglich werden lasse.

Entscheidung

Das Gericht gab dem Arbeitgeber jedenfalls insoweit Recht, als dass die Rechtsprechung nach neuer Rechtslage nicht unmittelbar auf Altfälle angewendet werden könne. Da nach neuer Rechtsprechung zulässige Widerrufsgründe im Arbeitsvertrag enthalten sein müssen, sei eine ergänzende Vertragsauslegung erforderlich, die von der zweiten Instanz nachgeholt werden müsse. Ziel dabei sei, festzustellen, ob der vom Arbeitgeber behauptete Widerrufsgrund der „schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse“ ein zulässiger Widerrufgrund ist und ob tatsächlich schwierige wirtschaftliche Verhältnisse vorgelegen hätten.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zu begrüßen. In sogenannten Altfällen, also bei Arbeitsverträgen, die vor dem 1.1.2002 datieren, erscheint es nunmehr möglich, dass Arbeitsvertragsklauseln, die erst durch die Verschärfung der Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam geworden sind, doch noch „gerettet“ werden können.

Keine Angaben über Rentenbezüge können Steuerhinterziehung sein

Keine Angaben über Rentenbezüge können Steuerhinterziehung sein

Kernaussage

Unterlassene Angaben von erhaltenen Rentenzahlungen in der Einkommensteuererklärung können als Steuerhinterziehung gewertet werden. Für eine Steuerhinterziehung reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer laienhaften Bewertung die Existenz eines Steueranspruches erkennen und auf diesen einwirken kann. Anderenfalls käme allein eine Strafbarkeit von Steuerfachleuten in Betracht.

Sachverhalt

Die Kläger, ein pensionierter Beamter und seine Ehefrau, die seit Juli 1993 eine Regelaltersrente bezog, wurden zusammen zur Einkommenssteuer veranlagt. In den eingereichten Steuererklärungen 1993 – 2006 hatten sie die Rentenbezüge nicht angegeben. Lediglich für 2007 hatten sie bei „Renten lt. Anlage R für Ehefrau“ ein Kreuz gesetzt, diese Anlage aber nicht beigefügt. Das beklagte Finanzamt erließ daraufhin nunmehr bestandskräftige Steuerbescheide. Nachdem das Finanzamt 2009 Kenntnis von der Altersrente erlangt hatte, änderte es die Einkommenssteuerbescheide 1998 – 2007, was entsprechende Nachzahlungen zur Folge hatte. Die Kläger wandten dagegen ein, das Finanzamt hätte aufgrund der Kenntnis des Geburtsdatums der Klägerin zugleich Kenntnis von dem Rentenbezug haben müssen. Für die Veranlagungszeiträume 1998 – 2003 sei ohnehin Verjährung eingetreten. Schließlich seien sie aufgrund einer Falschinformation des Finanzamtes in dem Glauben gewesen, die Rente der Klägerin unterliege nicht der Besteuerung.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige den steuerlich relevanten Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung vorzulegen. Aus den Akten haben sich keine objektiven Hinweise auf einen Rentenbezug ergeben, denn in den Steuererklärungen wurde immer „Hausfrau“ angegeben. Allein aus dem Alter der Klägerin konnte nicht ohne Weiteres auf einen Rentenbezug geschlossen werden. Obwohl ausdrücklich auf den Steuervordrucken nach Ruhegeldern gefragt wurde, waren die Anlagen nie eingereicht worden. Die Kläger hat damit unvollständige Angaben gemacht, was nach Überzeugung des Gerichts in der Absicht geschah, die Einkünfte zu verschleiern. Zudem sei von einer Steuerhinterziehung auszugehen, so dass aufgrund der dann eintretenden Verlängerung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre eine Verjährung nicht in Betracht komme. Die von den Klägern behauptete Fehlinformation, die Rente sei steuerfrei, wurde nicht hinreichend dargetan.

Konsequenz

Hinsichtlich aller Bezüge muss der Finanzbehörde vollständig Auskunft erteilt werden. Wer dies unterlässt, muss mit rechtlichen Folgen rechnen.

Mutterschutzzeiten in betrieblicher Zusatzversorgung zu berücksichtigen

Mutterschutzzeiten in betrieblicher Zusatzversorgung zu berücksichtigen

Kernfrage

Zusatzversorgungskassen im öffentlichen Dienst stellen eine umlagefinanzierte betriebliche Altersversorgung dar. Sind für einen bestimmten Zeitraum (Wartezeit) für einen Arbeitnehmer Umlagen gezahlt worden, hat dieser Anspruch auf eine Zusatzversorgung. Das Bundesverfassungsgericht hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob die Regelung einer Zusatzversorgungskasse, Mutterschutzzeiten, in denen keine Umlage gezahlt worden ist, im Rahmen der Bestimmung der Wartezeit außen vor zu lassen, verfassungsgemäß ist.

Sachverhalt

Die Klägerin war im öffentlichen Dienst beschäftigt und dort im Mutterschutz gewesen. Da Mutterschutzgeld steuerfrei ausgezahlt wird, wurde für diese Zeit keine Umlage zur Zusatzversorgung gezahlt; anders als für Krankheitszeiten, in denen kranke Arbeitnehmer Lohnfortzahlung und Zuschüsse zum Krankengeld erhielten. Die Statuten der Zusatzversorgung sahen vor, dass ein Anspruch nur dann bestand, wenn mindestens 60 Monate Umlage gezahlt worden war. Da für die Klägerin aufgrund der Mutterschutzzeiten lediglich 59 Monate Umlage gezahlt wurde, lehnte die Zusatzversorgungskasse den Leistungsantrag der Klägerin ab und unterlag vor dem Bundesverfassungsgericht.

Entscheidung

Die Satzungsregelung, Mutterschutzzeiten deshalb bei der Wartezeit für die Zusatzversorgung nicht zu berücksichtigen, weil in dieser Zeit keine Umlage gezahlt werde, stellt nach Ansicht der Richter eine den Gleichheitsgrundsatz verletzende geschlechterbezogene Diskriminierung dar. Nicht nur würden Mütter gegenüber männlichen Arbeitnehmern benachteiligt; eine ungerechtfertigte Benachteiligung liege auch gegenüber erkrankten Arbeitnehmern vor. Zwar stelle die Befreiung von der Umlage während des Mutterschutzes eine Erleichterung dar, die eigentlich dazu diene, Mütter im Arbeitsleben zu schützen, weil Mehrkosten (hier: der Umlage) vermieden würden, dies dürfe im Ergebnis aber nicht dazu führen, dass eine Diskriminierung bei den Beitragszeiten entstehe.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht. Sie hat über den konkreten Fall der Klägerin hinaus aber weitreichende Folgen. Denn jede im öffentlichen Dienst beschäftigte Frau mit Zusatzversorgung kann eine Nachberechnung ihrer Zusatzversorgung unter Einbeziehung von Mutterschaftszeiten verlangen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dies auch rückwirkend möglich.

Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur bei konkretem Verdacht

Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur bei konkretem Verdacht

Rechtslage

Die Videoüberwachung von Arbeitnehmern an ihrem Arbeitsplatz ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber einen besonderen sachlichen Grund nachweisen kann. Kommen Straftaten vor, setzt dies regelmäßig einen Verdacht gegenüber (konkreten) Arbeitnehmern voraus, der eine gewisse Stärke erreicht haben muss. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte nunmehr zu den Anforderungen an diesen Verdacht zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber ist Betreiber eines Brauhauses. 2 Arbeitnehmern warf er vor, die ausgeschenkten Biere nicht ordnungsgemäß abgerechnet zu haben und legte zum Beweis Videoaufzeichnungen vor, die er heimlich angefertigt hatte. Beide Arbeitnehmer obsiegten mit ihren gegen die daraufhin erfolgten Kündigungen gerichteten Klagen, weil das Arbeitsgericht die Videoaufzeichnungen als unzulässig einstufte und nicht verwertete.

Entscheidung

Der Arbeitgeber konnte vor Erstellung der Videoaufzeichnungen nur den abstrakten und pauschal gegen sämtliche Ausschenkende gerichteten Verdacht auf nicht ordnungsgemäße Abrechnung nachweisen. Diese pauschale Verdachtsstufe, die nicht weiter gegenüber einzelnen Arbeitnehmern konkretisiert war, reichte zur Videoüberwachung nicht aus. Erforderlich ist diese Konkretisierung im Hinblick auf die Person des Tatverdächtigen und die begangene Tat. Nur dann sind heimliche Videoaufzeichnungen zulässig.

Konsequenz

Ohne einen konkreten gegen einzelne Personen und Tatabläufe gerichteten Verdacht ist eine heimliche Videoüberwachung stets unzulässig. Erforderlich sind nachprüfbare Anhaltspunkte. Eine andere Entscheidung wäre wohl möglich gewesen, wenn der Arbeitgeber eine offene Videoüberwachung mit der Begründung durchgeführt hätte, angesichts der Kassenbefugnis im Ausschank sei ein sensibler Bereich betroffen.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin