Abberufung des Vorstands einer kirchlichen Stiftung

Abberufung des Vorstands einer kirchlichen Stiftung

Kernaussage

Auch eine kirchliche Stiftung des bürgerlichen Rechts kann der Kirche zuzuordnen sein, mit der Folge, dass Ordnung und Verwaltung der Stiftung durch die Kirche deren grundgesetzlich geschütztem Selbstbestimmungsrecht unterfallen und vor staatlicher Einflussnahme geschützt sind. Dies entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem Eilverfahren, in dem sich der Vorstand einer kirchlichen Stiftung gegen die Verfügung seiner Abberufung und der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses gewehrt hatte.

Sachverhalt

Der Antragsteller war seit 2001 alleiniger hauptamtlicher Vorstand der kirchlichen Stiftung Johannes A Lasco Bibliothek, einer wissenschaftlichen Fachbibliothek und Forschungsstätte für den reformierten Protestantismus und die Konfessionsgeschichte der frühen Neuzeit. Der Antragsteller hatte mit verschiedenen Banken Verträge über die Verwaltung des Stiftungskapitals geschlossen, nach denen bis zu 80 % des Kapitals in Aktien angelegt werden durfte. Dies führte in der Folgezeit zu einer kontinuierlichen erheblichen Verminderung des Grundstocks des Stiftungskapitals, weswegen die Bibliothek zeitweise schließen musste. Daraufhin verfügte die Evangelisch-reformierte Kirche als Stiftungsaufsicht die Abberufung des Antragstellers als Vorstand und beendete sein Anstellungsverhältnis. Nach Ablehnung des dagegen gerichteten Rechtsschutzgesuchs durch die kirchlichen Gerichte hielt das Verwaltungsgericht Oldenburg eine Rechtsschutzgewährung zwar generell für möglich, beschränkte diese aber auf eine reine Wirksamkeitskontrolle und lehnte den Antrag mangels Verstoßes gegen die Grundprinzipien der deutschen Rechtsordnung ab.

Entscheidung

Auch die Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg blieb erfolglos. Die angefochtenen Verfügungen der Kirche stellen keine staatlichen Gewaltakte dar, sondern Maßnahmen innerkirchlichen Rechts und unterliegen damit nicht der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte. Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet nach dem kirchenrechtlichen Regelungssystem des Grundgesetzes ihre Angelegenheiten innerhalb dessen Schranken selbstständig (Art. 140 GG, Art. 137 WRV). Die Kirchen sind mit dem Recht der Selbstbestimmung ausgestattete anerkannte Institutionen, die ihre Gewalt nicht vom Staat herleiten. Deshalb bleibt es dem Staat verwehrt, in die inneren Angelegenheiten der Kirchen einzugreifen.

Konsequenz

Stiftungsrechtliche Aufsichtsmaßnahmen sind Bestandteile der den Kirchen durch die Verfassung garantierten Selbstbestimmung und damit der Jurisdiktionsgewalt des Staates entzogen.

Keine personenbedingte Kündigung bei Problemen im Umgang mit anderen

Keine personenbedingte Kündigung bei Problemen im Umgang mit anderen

Kernfrage

In seltenen Einzelfällen kann das Fehlverhalten von Arbeitnehmern gegenüber Kunden, Kollegen oder Vorgesetzten eine Kündigung rechtfertigen. In der Regel wird aber zuvor eine Abmahnung erforderlich sein. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Über diese Abgrenzung hat nun das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin war 13 Jahre bei der beklagten Kommune, zuletzt als Leiterin mehrerer Kindertagesstätten, beschäftigt. In den ersten 10 Jahren kam es zu keinerlei Beanstandungen. Zuletzt kam es aber zu Problemen der Klägerin mit Vorgesetzten, Mitarbeiterinnen und Eltern. Nach dem Scheitern eines Mediationsverfahrens sprach die Beklagte gegenüber der ordentlich unkündbaren Klägerin eine außerordentliche personenbedingte Änderungskündigung aus. Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin und obsiegte.

Entscheidung

Das Gericht urteilte, dass die Kündigung mangels ausreichend dargelegter Kündigungsgründe in der Person der Klägerin unwirksam sei. Der Kern der von der Beklagten aufgezeigten Vorwürfe liege nicht in der Person, sondern im Verhalten der Klägerin. Diese Umstände könnten jedoch mangels vorheriger Abmahnung der Klägerin nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden. Eine Umstellung der Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe scheitere an formellen Gründen.

Konsequenz

Hat ein Arbeitnehmer Probleme im Umgang mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden, so rechtfertigt dies in aller Regel keine personenbedingte (Änderungs)Kündigung. Der Kern derartiger Vorwürfe liegt in der Regel im Verhalten des Arbeitnehmers, so dass regelmäßig nur eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt, die aber grundsätzlich eine Abmahnung voraussetzt.

BFH: Kein Vorsteuerabzug für gesonderte und einheitliche Feststellung

BFH: Kein Vorsteuerabzug für gesonderte und einheitliche Feststellung

Kernaussage

Der Vorsteuerabzug steht Unternehmen immer dann zu, wenn sie Leistungen beziehen, die in Verbindung mit Umsätzen stehen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Sachverhalt

Streitig war zwischen den Beteiligten, in welchem Umfang die Klägerin, eine Personengesellschaft, Vorsteuern aus bezogenen Geschäftsbesorgungsleistungen abziehen kann. Die Klägerin hatte den Vorsteuerabzug aus der Erstellung der gesonderten und einheitlichen Feststellung geltend gemacht. Das beklagte Finanzamt hatte den Abzug mit der Begründung versagt, dass die Erklärung allein für Zwecke der Einkommensbesteuerung der Gesellschafter erstellt würde und nicht – wie von der Klägerin unterstellt – der unternehmerischen Betätigung diene. Nach erfolglosem Einspruch obsiegte die Klägerin zwar im finanzgerichtlichen Verfahren, unterlag jedoch schließlich vor dem BFH.

Entscheidung

Der BFH folgt der Auffassung des Finanzamtes. Demnach berechtigen Leistungen, die der Erfüllung einkommensteuerrechtlicher Pflichten der Gesellschafter dienen, u. a. die gesonderte und einheitliche Feststellung, nicht zum Vorsteuerabzug.

Praxisfolgen

Obwohl es in der Praxis zu den Aufgaben einer Personengesellschaft gehört, die gesonderte und einheitliche Feststellung zu erstellen, sieht der BFH keine Verbindung zu den Umsätzen der Gesellschaft. Es reicht daher für den Vorsteuerabzug nicht aus, zu argumentieren, dass die zugehörigen Kosten alleine durch die Existenz der Gesellschaft verursacht sind. Vielmehr ist zu differenzieren zwischen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Betätigung eines Unternehmens. Nur Leistungen, die der wirtschaftlichen Betätigung dienen, berechtigen zum Vorsteuerabzug. Die Aufstellung des Jahresabschlusses und die Ermittlung des Gewinns ordnet der BFH dem wirtschaftlichen Bereich zu, die Aufteilung des Gewinns auf die Gesellschafter über die einheitliche und gesonderte Feststellung hingegen nicht. Betroffene Unternehmer sollten darauf achten, dass die Abrechnungen ihres steuerlichen Beraters eine Zuordnung zum wirtschaftlichen bzw. nichtwirtschaftlichen Bereich ermöglichen, ansonsten droht eine pauschale Aufteilung der Vorsteuer durch die Finanzverwaltung.

Rückzahlung einer offenen Gewinnausschüttung

Rückzahlung einer offenen Gewinnausschüttung

Kernproblem

Bis einschließlich 31.12.2008 gezahlte Dividenden einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile im Privatvermögen gehalten wurden, wurden beim Steuerpflichtigen im Rahmen des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens besteuert, d. h. die Dividende unterlag zu 50 % (60 %) dem persönlichen Einkommensteuersatz. Mit Einführung der Abgeltungssteuer zum 1.1.2009 ist die Steuerpflicht derartiger Dividenden nunmehr grundsätzlich mit dem 25 %igen Kapitalertragsteuereinbehalt abgegolten. Besteuerungszeitpunkt ist in beiden Fällen der Tag des Zuflusses. Ist die Dividende bereits zugeflossen, stellt sich die Frage, ob die Rückgängigmachung der Gewinnausschüttung eine Besteuerung auf Ebene des Anteilseigners verhindern kann.

Sachverhalt

Kläger ist ein zu 50 % an einer GmbH beteiligter Gesellschafter. Eine am 2.1.2006 beschlossene Gewinnausschüttung der GmbH wurde zeitnah an den Kläger ausgezahlt. 2 Monate später beschlossen die Gesellschafter die Rückgängigmachung der Gewinnausschüttung, da diese zu einer unerwarteten steuerlichen Belastung geführt hatte. Die Rückzahlung der Dividende erfolgte ebenfalls zeitnah. Nach Auffassung des Klägers lagen in 2006 keine steuerpflichtigen Dividenden vor, da ihm aufgrund der Rückgängigmachung der Gewinnausschüttung keine Dividende zugeflossen sei bzw. die Rückzahlung als negative Einnahme anzusehen sei. Dem folgte das beklagte Finanzamt nicht; im Klageverfahren unterlag der Kläger.

Entscheidung

Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung. Dem Kläger seien Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen, da er über seinen Gewinnanteil – wenn auch nur kurzfristig – wirtschaftlich frei habe verfügen können. Eine Behandlung des Rückzahlungsbetrags als negative Einnahme scheide ebenfalls aus, da die Rückzahlung erst im Nachhinein und zudem freiwillig beschlossen worden sei, die Gewinnausschüttung rückgängig zu machen. Der Rückzahlungsbetrag sei vielmehr als (zunächst steuerrechtlich unbeachtliche) Einlage ins Gesellschaftsvermögen der GmbH zu behandeln.

Konsequenzen

Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster überrascht nicht, da der Bundesfinanzhof bereits in der Vergangenheit geurteilt hat, dass die Rückgängigmachung einer Gewinnausschüttung die Besteuerung auf Ebene des Anteilseigners grundsätzlich nicht verhindern kann. Dies gelte selbst dann, wenn die Gewinnausschüttung auf einem Versehen des Steuerpflichtigen oder seines Beraters beruhe. Um unliebsame Überraschungen auf Ebene der Gesellschafter bzw. Anteilseigner zu vermeiden, sollten daher in der Praxis die steuerrechtlichen Auswirkungen einer geplanten Gewinnausschüttung stets sorgfältig im Vorhinein überprüft werden.

Vorsteuerabzug erfordert die Angabe der korrekten Steuernummer

Vorsteuerabzug erfordert die Angabe der korrekten Steuernummer

Einführung

Die Steuernummer (alternativ die USt-IDNr.) ist nach dem UStG zwingender Bestandteil einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung. Das Niedersächsische Finanzgericht hatte jedoch zuletzt auch Aktenzeichen, die das Finanzamt in Ermangelung einer Steuernummer verwendete, anerkannt.

Sachverhalt

Die Klägerin bezog Reinigungsleistungen einer Firma, die über ihre Leistungen Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilte, obwohl sie nicht über eine Steuernummer verfügte. Als Steuernummer enthielten die Rechnungen eine Kennzeichnung, die das beklagte Finanzamt unter der Angabe „SteuerNr./Aktenzeichen“ im Schriftverkehr mit der Firma zur Erteilung einer Steuernummer verwendet hatte. Der Beklagte erkannte den von der Klägerin aus den Rechnungen der Reinigungsfirma geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht an und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2006 entsprechend höher fest. Auch der Einspruch hiergegen wurde zurückgewiesen, weil die Rechnungen keine Steuernummer enthielten. Demgegenüber gab das Finanzgericht der Klage statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof folgt der Ansicht des Finanzgerichts allerdings nicht. Er bestätigt zunächst, dass es ohne Steuernummer bzw. USt-IDNr. auf der Rechnung keinen Vorsteuerabzug gibt. Als Steuernummer erkennt der BFH jedoch im Gegensatz zum FG nur die „üblichen“ Steuernummern an, nicht jedoch vom Finanzamt verwendete Aktenzeichen. Enthält also eine Rechnung entgegen § 14 UStG nur eine Zahlen- und Buchstabenkombination, bei der es sich nicht um die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer handelt, ist der Leistungsempfänger – vorbehaltlich einer Rechnungsberichtigung – nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Konsequenz

Existenzgründer müssen dafür sorgen, dass sie spätestens mit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit im Besitz einer ordnungsgemäßen Steuernummer bzw. USt-IDNr. sind. Ist dies nicht der Fall, ist eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung nicht möglich. Die Kunden werden die Rechnungen nicht akzeptieren. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Ansicht des BFH Existenzgründer ein Anrecht auf eine Steuernummer haben. Verzögerungen bei der Vergabe der Steuernummer durch das Finanzamt, wie in der Vergangenheit häufig üblich, sollten und brauchen nicht toleriert zu werden.

Progressionsvorbehalt ist europarechtskonform

Progressionsvorbehalt ist europarechtskonform

Kernproblem

Erzielt ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus einem anderen Staat, so können die Einkünfte nach Maßgabe des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens im Inland steuerfrei sein. Unabhängig davon kann jedoch der Progressionsvorbehalt einschlägig sein, so dass die steuerfreien ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung des inländischen Einkommensteuersatzes zu berücksichtigen sind. Erzielt der Steuerpflichtige daher im Ausland positive Einkünfte, erhöht dies den anzuwendenden Einkommensteuersatz auf die (übrigen) im Inland steuerpflichtigen Einkünfte. Ob der Progressionsvorbehalt für im EU-Ausland erzielte Einkünfte mit den Vorgaben des höherrangigen Europarechts in Einklang steht, war nunmehr (wieder einmal) Gegenstand eines Finanzgerichtsverfahrens.

Sachverhalt

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 1999-2002 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die er sowohl im Inland als auch in Österreich ausübte. Die in Österreich erzielten Einkünfte waren unstrittig nach dem zwischen Deutschland und Österreich geschlossen Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei, allerdings berücksichtigte das Finanzamt die österreichischen Einkünfte bei der Ermittlung des inländischen Einkommensteuersatzes. Die gegen den Progressionsvorbehalt angeführten europarechtlichen Bedenken des Steuerpflichtigen wurden indes weder vom Finanzgericht noch vom Bundesfinanzhof geteilt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte seine ständige Rechtsprechung, wonach der Progressionsvorbehalt nicht gegen die europarechtlich gebotenen Grundfreiheiten (hier: Dienstleistungsfreiheit) verstoße. Der Progressionsvorbehalt bewirke, dass im Ausland erzielte Einkünfte einerseits und vergleichbare inländische Einkünfte andererseits gleich behandelt würden, so dass eine Benachteiligung des Beziehers ausländischer Einkünfte nicht ersichtlich sei. An dieser Einschätzung ändere sich auch nichts durch den Hinweis des Klägers, dass die gesamten gezahlten Steuern in Deutschland und Österreich höher seien, als wenn er die Einkünfte nur in Deutschland erzielt hätte.

Konsequenzen

Das Urteil steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Da das Gericht die Rechtsfrage aus europarechtlicher Sicht als geklärt ansieht, musste es nicht den Europäischen Gerichtshof anrufen. Zu beachten ist, dass der (positive und negative) Progressionsvorbehalt mit Wirkung ab 2008 für bestimmte Einkünfte aus dem EU-Bereich (insbesondere Betriebsstätteneinkünfte) aufgehoben wurde.

Steuerbefreiung für Post-Universaldienstleistungen

Steuerbefreiung für Post-Universaldienstleistungen

Kernaussage

Mit Wirkung vom 1.7.2010 wurde die Steuerbefreiung für Leistungen der Post eingeschränkt. Befreit sind nur noch Leistungen, die die Grundversorgung der Bevölkerung sicherstellen (Post-Universaldienstleistungen). Wer diese erbringt ist unerheblich.

Neue Verwaltungsanweisung

Das BMF hat nun zu der Neuregelung Stellung genommen. Ob Post-Universaldienstleistungen vorliegen, prüft das BMF anhand von 3 Kriterien. Zunächst kommen für eine Befreiung nur noch in Betracht: – Briefsendungen bis zu 2 kg, – adressierte Pakete bis zu 10 kg sowie – Einschreibe- und Wertsendungen. Befreit sind diese jedoch nur, wenn sie von dem jeweiligen Unternehmen flächendeckend angeboten werden. So verlangt das BMF z. B. in Wohngebieten eine maximale Entfernung zum Briefkasten von 1 km. Zuletzt müssen die Leistungen zu allgemein gültigen, ggf. genehmigten Preisen angeboten werden. Rabattierungen führen i. d. R. zur Umsatzsteuerpflicht. Unternehmer, die Postdienstleistungen steuerbefreit erbringen möchten, müssen dies beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beantragen.

Konsequenzen

Das Schreiben ist zunächst für die Unternehmen von Bedeutung, die selbst Postdienstleistungen erbringen. Darüber hinaus müssen sich auch Unternehmen hiermit vertraut machen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und viel versenden, z. B. gemeinnützige Organisationen. Für diese stellt die Umsatzsteuer einen Kostenfaktor dar, der in die Kalkulation einzubeziehen ist. Gestaltungen, die bisher den Zweck hatten, umsatzsteuerfrei zu versenden, müssen von diesen Unternehmen überdacht werden, da viele der bisher genutzten Versandarten nunmehr per se der Umsatzsteuer unterliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme der steuerbefreiten Post-Universaldienstleistungen günstiger sein kann, als mögliche Mengenrabatte, welche jedoch die Umsatzsteuerpflicht auslösen.

Insolvenzantrag eines nachrangigen Gläubigers ist zulässig

Insolvenzantrag eines nachrangigen Gläubigers ist zulässig

Einführung

Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 14 InsO) kann jeder Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners hat. Streitig war, ob einem Gläubiger aufgrund der Nachrangigkeit und Wertlosigkeit seiner Forderung das Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden kann.

Sachverhalt

Der Gläubiger war als stiller Gesellschafter an der Schuldnerin beteiligt. Im Insolvenzfall war der Einlagen-Rückzahlungsanspruch vertragsgemäß nur nachrangig zu befriedigen. Mit Beendigung der stillen Gesellschaft wandelte sich die Forderung des Gläubigers in ein Darlehen um. Für seinen Anspruch hat der Gläubiger einen Insolvenzantrag über das Vermögen der Schuldnerin gestellt. Die Schuldnerin ist dem unter Berufung auf die Wertlosigkeit der nachrangigen Forderung entgegengetreten. Das Amtsgericht hat die vorläufige Verwaltung des Vermögens und Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Die Beschwerden der Schuldnerin dagegen blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Der Gläubiger einer nachrangigen Forderung habe, so der BGH, ohne Rücksicht auf tatsächliche Befriedigungsaussichten ein Rechtsschutzinteresse (§ 14 InsO) für einen Insolvenzantrag. Ein Rechtsschutzinteresse bestehe auch dann, wenn der Gläubiger voraussichtlich nicht mit einer Quote rechnen könne. Den Bestimmungen der Insolvenzordnung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sei zu entnehmen, dass nachrangig zu befriedigende Gesellschafter ebenfalls zu den Insolvenzgläubigern gehören. Der Gesetzgeber wolle die nachrangigen Gläubiger von Anfang an in das Insolvenzverfahren einbeziehen. Zudem seien nachrangige Forderungen (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO) bei der Prüfung einer Überschuldung zu berücksichtigen. Ferner hänge das Rechtsschutzinteresse für einen Insolvenzantrag generell nicht davon ab, ob der Gläubiger in dem Verfahren eine Befriedigung erlangen könne. Auch im Falle völliger Masseunzulänglichkeit werde das Rechtsschutzinteresse für einen Eröffnungsantrag nicht berührt. Schließlich würde eine Antragsbeschränkung den allgemeinen Zwecken eines Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen.

Konsequenz

Der Berufung auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei der Insolvenzantragstellung durch Gläubiger nachrangiger Forderungen hat der BGH eine Absage erteilt. Etwas anderes kann bei der Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts gelten. Solche Forderungen sind weder bei der Zahlungsunfähigkeit noch bei der Überschuldung zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass der BGH in solchen Fällen einem Gläubiger sein Rechtsschutzbedürfnis absprechen würde.

„Aus“ für das Asset-Backed-Securities-Modell

„Aus“ für das Asset-Backed-Securities-Modell

Kernproblem

Der Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt bzw. vermindert um die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bzw. Kürzungen. Hinzuzurechnen sind nach aktueller Rechtslage u. a. 25 % der Summe aus Entgelten für Schulden (alte Rechtslage: 50 % der Entgelte für Schulden, die der Verstärkung des Betriebskapitals dienen). Zur Vermeidung der Hinzurechnung von Zinsen wird in der Praxis häufig das sog. Asset-Backed-Securities-Modell (ABS-Modell) empfohlen. Nicht hinreichend geklärt war bislang die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sich das Modell tatsächlich zur Vermeidung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungspflicht eignet.

Funktionsweise des ABS-Modells

Das Konzept „älterer“ ABS-Modelle besteht darin, dass Unternehmen ihre Forderungen an (ausländische) Zweckgesellschaften veräußern. Als Kaufpreis für die Forderung wird regelmäßig der Nennwert abzüglich eines Risikoeinbehalts und eines Veritätsabschlags für Gewährleistungsrisiken vereinbart. Der Abschlag steht dem Forderungsverkäufer jedoch wieder zur Verfügung, wenn und soweit die Forderung vom Kunden beglichen wird. Die Abtretung der Forderung wird dabei dem Kunden gegenüber nicht offengelegt, der Forderungseinzug erfolgt also weiterhin durch das Unternehmen. Für die Verwaltung und Strukturierung, sowie für die Geschäftsrisiken der Zweckgesellschaft, erhält diese eine laufende Vergütung vom Unternehmen. Das steuerliche Gelingen des Modells ist nunmehr davon abhängig, dass diese laufenden Vergütungen nicht als Entgelte für Schulden qualifiziert werden, die dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind.

Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH verbleibt bei einem ABS-Modell, das wie oben beschrieben ausgestaltet ist, das wirtschaftliche Eigentum an den Forderungen beim Forderungsverkäufer, da dieser weiterhin das Bonitätsrisiko trägt. Aus steuerlicher Sicht liegt damit eine darlehensweise Vorfinanzierung der Zahlungseingänge vor, so dass die an den Forderungskäufer (Zweckgesellschaft) gezahlten Gebühren der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen unterliegen. Dem Übertragen des Bonitätsrisikos misst der BFH in Übereinstimmung mit den vom IDW entwickelten Grundsätzen zur handelsrechtlichen Bilanzierung von ABS-Gestaltungen somit entscheidende Bedeutung bei.

Konsequenzen

Das Urteil erging zwar noch zum alten Gewerbesteuerrecht, ist jedoch für die aktuelle Rechtslage weiterhin von Bedeutung. Die Praxis hat hierauf jedoch zwischenzeitlich reagiert, indem „neuere“ ABS-Modelle seit dem Erscheinen der genannten IDW-Stellungnahme regelmäßig eine entsprechende Anpassung ihrer Konditionen erfahren haben.

EU-Richtlinien: Keine Durchbrechung der Bestandskraft bei Fehlern des Steuerbescheids

EU-Richtlinien: Keine Durchbrechung der Bestandskraft bei Fehlern des Steuerbescheids

Kernproblem

Ein wirksam zugegangener Steuerbescheid wird grundsätzlich bestandskräftig, wenn nicht innerhalb von einem Monat nach dessen Bekanntgabe Einspruch eingelegt wird. Sofern der Steuerbescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, ist eine Änderung des Bescheides anschließend nur noch aufgrund der in der Abgabenordnung abschließend aufgezählten Korrekturvorschriften möglich. Der BFH hatte nunmehr (erneut) darüber zu entscheiden, ob im Fall einer europarechtswidrigen Steuernorm weitergehende Korrekturmöglichkeiten geboten sind, die die Bestandskraft des Bescheides durchbrechen.

Sachverhalt

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 2005 sind Glücksspielumsätze nach der Sechsten EG-Richtlinie – entgegen der nationalen gesetzlichen Regelung – umsatzsteuerbefreit. Auf diese Steuerfreiheit konnten sich die Steuerpflichtigen nach der Urteilsbegründung unmittelbar auch mit Rückwirkung auf die Vergangenheit berufen. Im vorliegenden Fall beantragte der Steuerpflichtige, ein Betreiber von Glücksspielautomaten, daher die Steuerfreiheit seiner Umsätze rückwirkend für die Zeiträume 1993-1998. Mit Hinweis auf die Bestandskraft der Umsatzsteuerbescheide lehnte die Finanzverwaltung eine Änderung der Bescheide ab. Die hiergegen gerichtete Klage beim Finanzgericht blieb ebenso wie die Revision beim BFH erfolglos.

Entscheidung

Der BFH bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Geltendmachung europarechtswidriger Steuernormen (hier: fehlerhafte Umsetzung der Sechsten EG-Richtlinie) nur im Rahmen der allgemeinen Rechtsbehelfs- und Korrekturvorschriften für Steuerbescheide, wie sie nach der Abgabenordnung vorgesehen sind, möglich ist. Für fehlerhafte Umsetzungen des Unionsrechts seien demnach keine weitergehenden Korrekturmöglichkeiten als für sich aus dem nationalen Recht ergebende Rechtswidrigkeiten geboten. Europarechtlich komme es nur darauf an, dass die fehlerhafte Umsetzung des Europarechts unter denselben Bedingungen gerügt werden kann, wie eine sich aus dem nationalen Rechts ergebende Rechtswidrigkeit.

Konsequenzen

Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Entscheidungen überrascht das Urteil des BFH nicht. Demnach können bestandskräftige Bescheide nicht mit dem Hinweis darauf, dass nachträglich die Europarechtswidrigkeit einer dem Bescheid zugrundeliegenden Steuernorm bekannt geworden ist, geändert werden. In der Praxis sollte daher bei Zweifeln an der Europarechtskonformität steuerlicher Normen überlegt werden, entsprechende Bescheide bis zur endgültigen Klärung der Frage offen zu halten.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin