Zur Zulässigkeit von Bankgebühren für Kundenbenachrichtigungen

Zur Zulässigkeit von Bankgebühren für Kundenbenachrichtigungen

Rechtslage

Banken und Sparkassen müssen Kunden über nicht eingelöste Schecks oder Lastschriften oder nicht ausgeführte Überweisungen und Daueraufträge wegen mangelnder Deckung benachrichtigen. Das Verfahren der Einzugsermächtigung löst bislang keine Kostenerstattung aus.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verbraucherverband und macht gegen die beklagte Sparkasse die Unterlassung der Verwendung einer Klausel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber Privatkunden geltend. Zwischen den Parteien umstritten ist dabei die Wirksamkeit der in den AGB der Beklagten enthaltenen Klausel. Hier geht es im Einzelnen um die Gebührenpflicht der Unterrichtung über die Nichtausführung oder Rückgängigmachung der Belastungsbuchung oder Ablehnung der Einlösung einer Einzugsermächtigung.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hält das Entgelt für die Unterrichtung über eine nicht eingelöste Einzugsermächtigung im Privatkundenverkehr für unzulässig. Die AGB-Klausel enthält eine Preisnebenabrede, die den Kunden unangemessen benachteiligt und gemäß der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle unwirksam ist. Die Beklagte ist aus ihrer girovertraglichen Schutz- und Treuepflicht bzw. der auftragsrechtlichen Informationspflicht verpflichtet, den Kunden über die Nichteinlösung der Lastschrift zu informieren. Aufgrund der EU-Zahlungsdiensterichtlinie aus dem Jahr 2007 darf sie für die Unterrichtung auch Entgelte vereinbaren, sofern ein vorheriger Zahlungsauftrag des Kunden erteilt wurde. Mangels erforderlichen Zahlungsauftrags des Kunden im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren ist diese Regelung nicht anwendbar.

Konsequenz

Private Bank- und Sparkassenkunden, die in der Vergangenheit wegen nicht eingelöster Lastschriften ein Entgelt zahlen mussten, können dieses grundsätzlich zurück verlangen. Bereits im Juli 2012 ist jedoch eine Umstellung der Bankkundenverträge geplant, wonach der Kunde sich auch im Einzugsermächtigungsverfahren vorab autorisieren muss, was als Weisung an die Bank gewertet wird. Die Bank kann dann für die Benachrichtigung Entgelte verlangen. Das SEPA- Lastschriftverfahren sieht diese Vorgehensweise bereits vor.

Wann kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden?

Wann kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden?

Kernfrage

Der Pflichtteilsanspruch der Kinder und Ehegatten ist die verfassungsrechtlich geschützte, in der Regel unentziehbare Mindestbeteiligung am Nachlass. Der Pflichtteil ist ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erben in Höhe des halben gesetzlichen Erbteils, der dem Grunde nach in bar und sofort auszuzahlen ist. Zusätzlich zum Pflichtteilsanspruch sieht das Gesetz den Pflichtteilsergänzungsanspruch vor; er ist quasi Pflichtteil an Schenkungen, die der Erblasser innerhalb von 10 Jahren vor seinem Tod gemacht hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob ein Pflichtteilsergänzungsanspruch auch an solchen Schenkungen besteht, die vom Erblasser vorgenommen worden sind, als es den Pflichtteilsberechtigten noch gar nicht gab bzw. der Pflichtteilsberechtigte noch nicht pflichtteilsberechtigt war.

Sachverhalt

Die Kläger sind die Enkel der beklagten Großmutter. Sie wurden pflichtteilsberechtigt, nachdem sie den Platz ihrer vorverstorbenen Mutter erbrechtlich eingenommen hatten. Sie machen gegenüber der Großmutter im Rahmen des Erbfalls nach dem Großvater, dessen Alleinerbin die Großmutter geworden ist, Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen Schenkungen geltend, die die Großmutter vor der Geburt der Kläger erhalten hatte.

Entscheidung

Zuletzt gab auch der BGH den Klägern Recht. Für das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist es nicht erforderlich, dass die Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt der ergänzungspflichtigen Schenkung als auch im Zeitpunkt des Entstehen des Pflichtteilsanspruches bzw. im Todeszeitpunkt vorgelegen habe. Denn für den Sinn und Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruches, nämlich den Erhalt einer Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers, sei es erforderlich, alleine auf den Todeszeitpunkt abzustellen. Andernfalls könne man mit frühzeitigen Schenkungen den Nachlass aushöhlen.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie Klarheit schafft und gleichzeitig auf einen eindeutigen Stichtag abstellt. Mit der Entscheidung gibt der BGH seine bisherige Position und Rechtsprechung auf.

Zuzahlungen des Arbeitnehmers zum Pkw sind (meistens) Werbungskosten

Kernproblem

Der Arbeitslohn aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Dienstwagens ist entweder pauschal nach der sog. 1 %-Methode oder individuell nach der Fahrtenbuchmethode zu ermitteln (-> Firmenwagenrechner). Leistet der Arbeitnehmer Zuzahlungen, können sich je nach Anlass und Bewertungsmethode unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben. Dabei geht die Verwaltungsauffassung nicht unbedingt mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) konform, wie der folgende Fall zeigt.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer leistete Zuzahlungen von ca. 2.000 EUR zu den Leasingraten des Arbeitgebers für das ihm auch für Privatfahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung gestellte Fahrzeug. Diesen Betrag zog er von dem durch ein Fahrtenbuch ermittelten Privatnutzungsanteil (ca. 7.000 EUR) ab, d. h. versteuerte unterm Strich ca. 5.000 EUR. Das Finanzamt dagegen minderte bereits die Gesamtkosten des Pkw um die Zuzahlung und gelangte zu einem Privatnutzungsanteil von ca. 6.100 EUR. Diesen Betrag wollte es ungekürzt der Besteuerung unterwerfen. Der BFH hatte bereits einen ähnlichen Sachverhalt im Jahr 2007 zugunsten der Arbeitnehmer entschieden. Da die Finanzverwaltung diese Entscheidung jedoch mit einem Nichtanwendungserlass belegt hatte, konnte man jetzt gespannt sein, wie das angerufene Finanzgericht Münster entscheiden würde.

Entscheidung

Die Richter gab dem Arbeitnehmer Recht und folgte damit der BFH-Entscheidung aus dem Jahr 2007. Der geldwerte Vorteil ermittele sich aus den insgesamt durch das Fahrzeug entstehenden Kosten, die unabhängig von den Zuzahlungen zu ermitteln seien. Der Gesetzeswortlaut zur Bestimmung der Kfz-Aufwendungen unterscheide nicht danach, wer die Fahrzeugkosten getragen habe. Weil die Zuzahlungen des Arbeitnehmers zum Erwerb von Einkünften, nämlich des Privatnutzungsvorteils, erfolgten, lägen hierin abzugsfähige Werbungskosten vor.

Konsequenz

Die Rechtsfolgen bei Pkw-Zuzahlungen des Arbeitnehmers lassen sich wie folgt zusammenfassen: Zuzahlungen zu den Anschaffungskosten des Pkw sind unabhängig von der Berechnungsmethode (1 % oder Fahrtenbuch) steuerlich abzugsfähig (gegebenenfalls unter Verteilung auf die Nutzungsjahre). Gleiches gilt für Leasingsonderzahlungen oder sonstige pauschale Nutzungsentgelte. Dagegen ist bei individuellen Zuzahlungen (z. B. Benzin) zu unterscheiden: Bei der Fahrtenbuchmethode ist (wie im o. g. Streitfall) ein Werbungskostenabzug möglich. Dagegen scheitert bei Bewertung nach der 1 %-Methode der Werbungskostenabzug, weil der BFH dies systembedingt ausschließt.

Nichtzulassung der Revision ist nachvollziehbar zu begründen

Nichtzulassung der Revision ist nachvollziehbar zu begründen

Kernaussage

Lässt ein Berufungsgericht im Urteil die Revision nicht gesondert zu, ist der Rechtszug grundsätzlich abgeschlossen. Eine Urteilsüberprüfung findet nicht statt. Der unterlegenen Partei verbleibt lediglich, Beschwerde gegen die Nichtzulassung beim Bundesgerichtshof (BGH) zu erheben. Regelmäßig wird diese Nichtzulassung von den Gerichten lediglich mit der Formulierung begründet: „Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.“ Die gegen eine derartige (Nicht-)Begründung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nun zur Entscheidung angenommen.

Sachverhalt

Ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie spezialisierter Polizeibeamter wurde von Unternehmen der Musikindustrie nach teilweiser Klagerücknahme auf Schadensersatz und auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten aufgrund von Filesharing über seinen privaten Internetzugang in Anspruch genommen. Unstreitig war hierfür der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des Polizisten verantwortlich. Der Schadensersatzanspruch wurde im Laufe des Rechtsstreits zurückgenommen. Die Kläger forderten aber weiterhin Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten von rund 3.500 EUR. Der Polizist wurde im Wesentlichen antragsgemäß zur Zahlung verurteilt mit der Begründung, dass der Inhaber eines Internetanschlusses Dritte darüber aufklären müsse, dass die Teilnahme an Tauschbörsen verboten sei. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung, Gründe hierfür lägen nicht vor, nicht zugelassen. Hiergegen hat der Polizist Verfassungsbeschwerde erhoben.

Entscheidung

Auf die Verfassungsbeschwerde hin stellte das Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtsverletzung fest. Das Urteil wurde aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Lasse ein Fachgericht ein Rechtsmittel nicht zu, müssten die Urteilsgründe das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzen, zu überprüfen, ob das Gericht dabei ein von der jeweiligen Rechtsordnung grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel ineffektiv gemacht habe. So lasse die angegriffene Entscheidung des Fachgerichts hier nicht klar erkennen, aus welchen Gründen die Revision nicht zugelassen wurde. Da die Rechtsfrage, ob einem Internetanschlussinhaber Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und obergerichtlich unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten werden, hätte eine Zulassung der Revision nahegelegen. Das Fachgericht hat nun inhaltlich zu prüfen, ob es an seiner Rechtsauffassung zu den Pflicht des Anschlussinhabers festhalten möchte. Es müsste dann die Revision zulassen oder jedenfalls die Nichtzulassung schlüssig und verfassungsgemäß begründen.

Konsequenz

Das Bundesverfassungsgericht hat den Obergerichten auferlegt, die Nichtzulassung der Revision künftig inhaltlich zu begründen. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder zur Fortbildung des Rechts oder aufgrund unterschiedlicher Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich ist. Es bleibt abzuwarten, ob die Obergerichte nunmehr großzügiger als bisher die Revision zulassen.

Zur Überschusserzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung

Zur Überschusserzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung

Kernproblem

Für die Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung hat der Bundesfinanzhof (BFH) umfangreiche Grundsätze entwickelt. So ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietung grundsätzlich davon auszugehen, dass die Absicht besteht, positive Einkünfte zu erwirtschaften. Das gilt selbst bei lang anhaltenden Verlusten. Erscheint jedoch irgendetwas ungewöhnlich, kann das Finanzamt eine Überschussprognose für einen Zeitraum von 30 Jahren verlangen, die häufig negativ endet. Damit wird der Verlust zur „Liebhaberei“ und steuerlich nicht abzugsfähig. Bei der Vermietung einer Ferienwohnung bestehen zusätzliche Besonderheiten. Schaltet der Eigentümer zwecks Mietersuche einen Vermittler ein und bemüht sich nicht selbst um die Vermietung, fordert der Bundesfinanzhof dann eine Prognose, wenn sich der Eigentümer eine Selbstnutzung vorbehält. Mit der vom BFH geprägten Rechtsprechung ist das Niedersächsische Finanzgericht nicht mehr in allen Einzelheiten einverstanden.

Sachverhalt

Die klagenden Ehegatten sind Eigentümer einer Ferienwohnung im Ostseebad Kühlungsborn und hatten bereits über mehrere Jahre Verluste von über 100.000 EUR geltend gemacht. Sie vermieteten die Wohnung über eine Vermittlungsgesellschaft und behielten sich eine 3-wöchige Selbstnutzung vertraglich vor. Das Finanzamt hatte die Verluste zunächst vorläufig anerkannt, aber nachdem eine von den Eheleuten angeforderte 30-jährige Prognoserechnung mit einem Totalverlust endete, wieder rückgängig gemacht. Das Finanzamt sah sich auch in der Rechtsprechung des BFH gestärkt, der bei vorbehaltener Selbstnutzung eine Prognose für geboten hält, selbst wenn sie nur kurzfristig ist. Die Eheleute empfanden das schon deswegen als ungerecht, weil die Wohnung im Jahresdurchschnitt im gleichen Auslastungsgrad vermietet war, wie das in der Stadt Kühlungsborn statistisch belegt war, und zogen vor das Finanzgericht.

Entscheidung

Nach Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichts ist eine Überschusserzielungsabsicht nicht anzuzweifeln, wenn die im übrigen fremdvermietete Ferienwohnung allenfalls 2-3 Wochen im Jahr selbstgenutzt wird und die ortsüblichen Vermietungstage erreicht werden. Nur auf diese Weise könne eine Gleichbehandlung zwischen den Fällen der Vermietung über einen Vermittler und in Eigenregie erreicht werden. Im letztgenannten Fall toleriere der BFH eine Unterschreitung der ortsüblichen Vermietungszeit von 25 % und unterstelle eine über das gesamte Jahr anhaltende Vermietungsabsicht, obwohl sich der Vermieter dabei quasi ganzjährig die Selbstnutzung vorbehalte und keine Überprüfung „fürchten“ müsse.

Konsequenz

Das Niedersächsische Finanzgericht ist für seine „Contra-BFH“-Entscheidungen bekannt. Hier hat es den Verlust (mit Ausnahme des Anteils für den Zeitraum der Selbstnutzung) anerkannt. Die Argumente der Urteilsbegründung scheinen aber durchaus geeignet, vor dem BFH gehört zu werden. Die Revision wurde zugelassen.

Neues zur doppelten Haushaltsführung

Neues zur doppelten Haushaltsführung

Kernaussage

Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung ist zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, zu unterscheiden. Einen eigenen Hausstand kann auch unterhalten, wer die Mittel dazu von einem Dritten erhält, so der Bundesfinanzhof (BFH) in einem neueren Urteil.

Sachverhalt

Streitig war, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorlagen. Die geschiedene Klägerin war seit dem Jahr 2003 als Erzieherin in einer Kleinstadt nichtselbstständig tätig. Sie machte für die Streitjahre im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung unter anderem Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in der Kleinstadt mit der Begründung geltend, dass ihr Lebensmittelpunkt sich in einer anderen Stadt befinde. Das Finanzamt ließ diese Aufwendungen dagegen in den Einkommensteuerbescheiden jeweils unberücksichtigt. Im anschließenden Einspruchsverfahren kam heraus, dass das von der Klägerin angeblich bewohnte Obergeschoss im elterlichen Haus nur 29 m² groß war, so dass das Finanzamt auch weitere, für 2004 angesetzte Aufwendungen für 26 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte versagte. Die Klägerin machte sodann vor dem Finanzgericht (FG) geltend, dass ihre Wohnung am Arbeitsort mit nur 27 m² lediglich eine Unterkunft darstelle, ihr Hausstand sich aber in der im Obergeschoss des Hauses ihrer Eltern gelegenen 52 m² großen Wohnung in der Nachbarstadt befinde. Nach der Trennung von ihrem Ehemann habe sie diese Wohnung von ihren Eltern angemietet. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Nach Ansicht der BFH-Richter hat das Urteil erhebliche Mängel. Generell ist, wenn dem Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich überlassen wird, genau zu prüfen, ob dieser einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Wird der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, ist nach BFH-Auffassung regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen.

Konsequenz

Das Finanzgericht muss deshalb jetzt im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen zur Abgeschlossenheit, Lage, Einrichtung und Ausstattung der nach Auffassung der Klägerin den Haupthausstand beherbergenden Wohnung treffen. Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Wohnung eine Größe von 29 m² oder von über 50 m² aufweist. Angesichts der besonderen familiären Situation der Klägerin muss ferner festgestellt werden, ob und wie diese die Wohnung mit eigenen Möbeln und sonstigen Haushaltsgegenständen ausgestattet hat, gegebenenfalls unter Verwendung von Hausrat aus der früheren ehelichen Wohnung. Sodann ist erst zu entscheiden, ob die Klägerin in der fraglichen Wohnung einen eigenen Hausstand unterhalten hat.

Verfassungsmäßigkeit des Abzugs von Kinderbetreuungskosten

Abzug von Kinderbetreuungskosten bei Schwangerschaft der Mutter

Urteil vom 05.07.12   III R 80/09

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 5. Juli 2012 III R 80/09 entschieden, dass die Kosten einer Tagesmutter nicht steuerlich geltend gemacht werden können, wenn ein Elternteil erwerbstätig und der andere Elternteil schwanger ist. Denn eine Schwangerschaft als solche stellt keine Krankheit im Sinne des Gesetzes dar.

 

Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt berufstätig. Die Klägerin befand sich zunächst in der Berufsausbildung, die sie allerdings nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 2004 unterbrach und die sie auch im Laufe des Streitjahres 2006 nicht wieder aufnahm. Im August dieses Jahres wurden die Kläger erneut Eltern. Das ältere Kind wurde u.a. in der Zeit der Schwangerschaft von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten hierfür machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung geltend.

 

Im Streitjahr 2006 konnten derartige Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) nur bei Vorliegen besonderer persönlicher Abzugsvoraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Lebten beide Elternteile zusammen, dann musste, wenn einer der Elternteile, wie der Kläger, erwerbstätig war, der andere Teil entweder ebenfalls erwerbstätig sein oder sich in Ausbildung befinden. Auch bei einer mindestens drei Monate andauernden Erkrankung oder einer Behinderung dieses Elternteils war der Abzug der Betreuungskosten zulässig. Lagen solche Gründe nicht vor, etwa weil sich ein Elternteil allein der Erziehung der Kinder widmete (sog. Alleinverdienerehe), dann waren Betreuungskosten – von einer Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abgesehen – nicht abziehbar.

 

Der BFH sah die persönlichen Abzugsvoraussetzungen in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Finanzgerichts nicht als erfüllt an. Seines Erachtens befand sich die Klägerin weder in Ausbildung, da sie diese bereits nach der Geburt des ersten Kindes unterbrochen hatte, noch war sie längerfristig erkrankt. Die Schwangerschaft konnte nicht als Krankheit gewertet werden, weil es sich hierbei nicht um einen regelwidrigen körperlichen Zustand handelt. Krank ist eine Frau nicht, wenn sie schwanger wird, sondern nur dann, wenn sie nicht schwanger werden kann (Empfängnisunfähigkeit). Treten während der Schwangerschaft gesundheitliche Komplikationen auf, dann ist der Krankheitsbegriff jedoch regelmäßig erfüllt. Davon konnte im Streitfall nach den Feststellungen des FG indes nicht ausgegangen werden. Da die Klägerin somit weder aus gesundheitlichen noch aus sonstigen (Erwerbstätigkeit u.ä.) Gründen an der persönlichen Betreuung ihres ältesten Kindes gehindert war, konnten die Kosten der Tagesmutter nach der gesetzlichen Konzeption nicht abgezogen werden.

 

Die von den Klägern geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Abzugsvoraussetzungen teilte der BFH nicht. Er erachtete sowohl die persönlichen Abzugsvoraussetzungen als auch die Abzugshöchstgrenzen als zulässige Typisierungen des Gesetzgebers. Auch in der Regelung des § 3 Nr. 33 EStG, wonach finanzielle Leistungen des Arbeitgebers zur Betreuung von Kindern seiner Arbeitnehmer steuerfrei sind, vermochte er keine ungerechtfertigte Privilegierung von Arbeitnehmern gegenüber Selbständigen zu erblicken.

 

In seinem Urteil ging der BFH schließlich kurz auf die aktuelle Rechtslage ein. Seit 2012 können Kinderbetreuungskosten abgezogen werden, ohne dass persönliche Abzugsvoraussetzungen bei den Eltern vorliegen müssen.

Bundesfinanzhof

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 5.7.2012, III R 80/09

Verfassungsmäßigkeit des Abzugs von Kinderbetreuungskosten

Leitsätze

1. Es ist verfassungsgemäß, den Abzug von Kinderbetreuungskosten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvoraussetzungen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerfristige Erkrankung u.ä.) abhängig zu machen. Bei der Auswahl der maßgeblichen Gründe kommt dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu, den er mit §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) noch nicht überschritten hat.

 

2. Die in diesen Vorschriften enthaltene Beschränkung des Abzugs erwerbsbedingter und privater Kinderbetreuungskosten auf zwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag von 4.000 EUR je Kind verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

3. Eine Schwangerschaft stellt als solche keine Krankheit dar und berechtigt daher nicht zum Abzug privater Kinderbetreuungskosten.

 

4. Die Beschränkung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStG auf Arbeitnehmer verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Tatbestand

1
I. Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatten im Streitjahr 2006 zwei leibliche Kinder, nämlich die 2004 geborene T und die im August des Streitjahres (2006) geborene F.
2
Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt berufstätig. Die Klägerin befand sich bis zur Geburt von T in der Ausbildung zur Erzieherin. Die sodann unterbrochene Ausbildung konnte von ihr auch im Laufe des Streitjahres nicht wieder aufgenommen werden. Für die Betreuung ihrer Tochter T bei einer Tagesmutter hatten die Kläger 2.063,79 EUR zu zahlen.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) versagte die steuerliche Berücksichtigung dieser Aufwendungen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
4
In ihrer Revision legen die Kläger zunächst ausführlich ihre persönliche und berufliche Lebenssituation im Streit- und in den Folgejahren dar. Sie rügen die Verletzung von Bundesrecht, weil das Finanzgericht (FG) eine verfassungskonforme Interpretation der gesetzlichen Regelungen zur Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nrn. 5 und 8, 35a des Einkommensteuergesetzes –EStG–) unterlassen habe. Die im Streitfall anzuwendenden Vorschriften bzw. deren Umsetzung liefen auf eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund hinaus und diskriminierten bestimmte Lebensmodelle heutiger Familien. Sie würden schon deshalb in ihren Grundrechten verletzt, weil ein Arbeitnehmer über die Vorschrift des § 3 Nr. 33 EStG unabhängig von sozialer Situation, Leistungsfähigkeit und Berufstätigkeit des Partners Kinderbetreuungskosten im Vorschulalter der Kinder jedenfalls dann unbegrenzt steuerlich freigestellt erhielte, wenn er lediglich den Zahlungsweg über den Arbeitgeber wähle. Ein sachlicher Grund, warum ein Arbeitnehmer die Kinderbetreuung unbegrenzt steuerfrei erhalten könne, ein Selbständiger jedoch nicht, sei nicht erkennbar. Darin liege zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 des Grundgesetzes (GG). Darüber hinaus würden die gesetzlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten in Teilbereichen, aber auch in ihrer Gesamtheit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellt habe, nicht gerecht werden. Die Gesamtregelung sei schlicht willkürlich. Das zeige schon die wahllose Verteilung der Abzugsmöglichkeiten auf eine Vielzahl verschiedener Tatbestände. Dass die Abziehbarkeit auf zwei Drittel der Aufwendungen und eine Höchstgrenze beschränkt werden könne, sei den Ausführungen des BVerfG an keiner Stelle zu entnehmen. Dieses habe vielmehr schon die Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung als verfassungswidrig angesehen (BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005  2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, BGBl I 2005, 1622). Die danach gebotene volle Abziehbarkeit der Kosten könne auch nicht durch das Vorhandensein anderer Freibeträge (§ 32 EStG) gerechtfertigt werden. Soweit der Gesetzgeber für sich in Anspruch nehme, die Kinderbetreuung pauschal und nicht nach den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen, dürfe dies nicht willkürlich erfolgen. Es müssten dann die üblichen Kosten angesetzt werden, die jedenfalls an ihrem Wohnort Hamburg nicht unter 4.560 EUR im Jahr anzusetzen seien. Auch in der Festlegung der einzelnen Abzugsvoraussetzungen handele der Gesetzgeber willkürlich und halte sich nicht an die Vorgaben des BVerfG. So komme es z.B. in § 4f EStG auf die Frage der Erwerbstätigkeit an, obgleich es hierauf nicht ankommen dürfe. Es sei nicht erkennbar, warum nach den Verwaltungserlassen jede Erwerbstätigkeit, selbst eine geringfügige, ausreiche, auf der anderen Seite aber selbst eine vollzeitige Ausbildung nicht genüge. Der numerus clausus von sozialen Gründen, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG den Sonderausgabenabzug ermöglichten, sei sachlich nicht begründet. Kinderbetreuungskosten seien danach zwar abziehbar, wenn sie, die Klägerin, sich in Ausbildung befinde, nicht aber, wenn der Kinderbetreuungsplatz schlicht gehalten werden müsse, um die Ausbildung künftig überhaupt fortsetzen zu können. Betreuungskosten seien abziehbar, wenn sie (Klägerin) krank sei, sie seien nicht abziehbar, wenn sie schon Kinder habe, sich nach Schwangerschaft, Geburt und in der Stillzeit schonen müsse und deswegen auf eine Fremdbetreuung angewiesen sei. Der Hinweis des FG, Schwangerschaft sei keine Krankheit, sei zynisch. Auslegungsspielräume beim Merkmal der Krankheit würden von Rechtsprechung und Finanzverwaltung nicht genutzt. So seien die lebensbedrohlichen Umstände bei der Geburt von F nicht berücksichtigt worden. Andere Differenzierungsmöglichkeiten für den Sonderausgabenabzug würden dagegen vom Gesetzgeber nicht gewählt. So spiele z.B. die Anzahl der bereits vorhandenen Kinder und der damit einhergehende Betreuungsaufwand ebenso wenig eine Rolle wie die gesundheitliche und physische Leistungsfähigkeit der Mutter. Nach der Wertung des Art. 6 GG müsse es auch anerkannt werden, wenn Eltern die Fremdbetreuung „lediglich“ aus pädagogischen Gründen für sinnvoll hielten. Maßstab für die Abzugsfähigkeit sei die freie Entscheidung der Eltern. Allein der Familie obliege die Bestimmung des Kindeswohls und die Entscheidung über die Kinderbetreuung. Eine Familie würde Kinderbetreuungskosten grundsätzlich nur dann veranlassen, wenn sie es für notwendig erachte. Die Tatsache des Geldeinsatzes indiziere unwiderleglich die Notwendigkeit der Kosten zur Sicherung der familiären Existenz. Dies alles zeige, dass Kinderbetreuungskosten in voller Höhe und unabhängig von bestimmten Gründen steuerlich anerkannt werden müssten, wie es bei Arbeitnehmern über § 3 Nr. 33 EStG geschehe. Bezogen auf ihre konkrete Lebenssituation sei festzustellen, dass das von ihnen gewählte Lebensmodell steuerlich und auch in anderen Rechtsbereichen, z.B. beim Elterngeld, diskriminiert werde.
5
Die Kläger beantragen, den Gerichtsbescheid des FG Hamburg vom 23. Oktober 2009  6 K 123/09 sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 8. Mai 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 so zu ändern, dass die Kinderbetreuungskosten vollständig zum Abzug zugelassen werden.
6
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung lässt den Abzug der bei den Klägern angefallenen Kinderbetreuungskosten nicht zu. Das Verfassungsrecht gebietet einen solchen Abzug nicht. Deshalb kommt weder eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage der Sache an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht noch besteht Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung.
8
1. Im Streitfall ist kein im Veranlagungszeitraum 2006 geltender Tatbestand des EStG, der den Abzug von Kinderbetreuungskosten ermöglicht, erfüllt.
9
a) § 4f EStG, der den Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten im Bereich der Gewinneinkunftsarten regelt, ist unanwendbar, weil die zusammenlebenden Kläger nicht beiderseits erwerbstätig waren (§ 4f Satz 2 EStG).
10
b) § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist nicht einschlägig, weil die Kinder der Kläger im Streitjahr nicht zwischen drei und sechs Jahre alt waren.
11
c) Auch der Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG scheidet aus, weil die auf den Steuerpflichtigen bezogenen Abzugsvoraussetzungen nicht vorliegen.
12
aa) Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines haushaltszugehörigen Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, können dann abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige sich in Ausbildung befindet, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 EStG). Erwachsen die Aufwendungen wegen Krankheit des Steuerpflichtigen, muss die Krankheit innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten bestanden haben, es sei denn, der Krankheitsfall tritt unmittelbar im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit oder eine Ausbildung ein (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 EStG). Bei zusammenlebenden Eltern ist der Abzug nur zulässig, wenn bei beiden Elternteilen die Voraussetzungen nach Satz 1 vorliegen oder ein Elternteil erwerbstätig ist und der andere Elternteil sich in Ausbildung befindet, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 EStG).
13
bb) Die persönlichen Abzugsvoraussetzungen lagen nur beim erwerbstätigen Kläger, nicht aber bei der Klägerin vor.
14
(1) Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin sich nicht –mehr– in Ausbildung befand, als sie diese nach der Geburt der ältesten Tochter unterbrach. Schon der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 EStG stellt mit der Formulierung „sich in Ausbildung befindet“ nicht auf ein formales Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses ab, sondern darauf, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Es tritt grundsätzlich dann eine Unterbrechung der Ausbildung ein, sobald es an Maßnahmen fehlt, die geeignet sind, dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen im Hinblick auf die Ausübung des angestrebten Berufs zu dienen. Nach der zum Berufsausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ergangenen Senatsrechtsprechung befindet sich daher eine Person nicht in einer Ausbildung, wenn sie diese unterbricht, um ein eigenes Kind zu betreuen (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH–vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848; vom 24. September 2009 III R 79/06, BFH/NV 2010, 614). Gesichtspunkte für eine abweichende Beurteilung im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr entspricht es dem Zweck dieser Vorschrift, den Abzug der Kinderbetreuungskosten nur in solchen Fällen zuzulassen, in denen die Eltern wegen Erwerbstätigkeit, tatsächlich durchgeführter Ausbildung, längerer Erkrankung oder Behinderung an der persönlichen Betreuung ihres Kindes gehindert sind.
15
(2) Der Senat pflichtet dem FG auch darin bei, dass eine Schwangerschaft als solche keine Krankheit darstellt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. Februar 1975  3 RK 68/73, BSGE 39, 167; Schütze in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 24b Rz 16, zur Rechtslage im Sozialversicherungsrecht; a.A. Steiner in Lademann, EStG, § 9c Rz 38). Denn der Begriff der Krankheit setzt einen anormalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand voraus, der den Betroffenen „in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen“ derart beeinträchtigt, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871). Anormal ist der körperliche Zustand einer Frau nicht, wenn sie schwanger wird, sondern dann, wenn sie nicht schwanger werden kann (zur Empfängnisunfähigkeit als Krankheit vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871). Krank i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG ist eine Schwangere demnach nur in solchen Fällen, in denen während der Schwangerschaft länger als drei Monate andauernde gesundheitliche Komplikationen auftreten (schwangerschaftsbedingte Erkrankung, z.B. wochenlanger Krankenhausaufenthalt oder medizinisch indizierte Schonung zur Vermeidung einer Frühgeburt).
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Dass die Klägerin, abgesehen von der Schwangerschaft, im Sinne des Gesetzestatbestands mehrmonatig krank gewesen ist, hat das FG als Tatsacheninstanz nicht festgestellt. Verfahrensrügen, etwa einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO oder gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, haben die Kläger nicht erhoben. Ihr Revisionsvorbringen, wonach sich an die unter lebensbedrohlichen Umständen erfolgte Geburt von F eine mehrwöchige Erkrankung der Klägerin anschloss, kann daher nicht berücksichtigt werden.
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d) Eine Steuerermäßigung gemäß § 35a EStG scheidet aus, weil die Dienstleistungen der Tagesmutter nicht im Haushalt der Kläger erbracht wurden (Schmidt/Krüger, EStG, 31. Aufl., § 35a Rz 4 f.).
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2. Die im EStG vorgesehenen Einschränkungen für den Abzug von Kinderbetreuungskosten verstoßen nicht gegen Grundrechte der Kläger.
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a) Das GG gebietet die einkommensteuerliche Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs eines Kindes nach folgenden Maßstäben:
20
aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteht der Betreuungsbedarf eines Kindes als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums unabhängig von Krankheit, Behinderung oder Erwerbstätigkeit der Eltern. Die auf diesem Bedarf beruhende Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit muss deswegen bei allen Eltern berücksichtigt werden, ohne dass danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird (BVerfG-Beschluss vom 10. November 1998  2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 23. November 1999  2 BvR 1455/98, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2000, 219).
21
Im Hinblick auf erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten hat das BVerfG nach Auffassung des Senats seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass das Gebot der horizontalen Steuergleichheit sowie das Benachteiligungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 GG es zumindest gebieten, die durch solche Kosten entstandene tatsächliche Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Denn Kinderlose mit gleichem Einkommen haben eine solche Einbuße an finanzieller Leistungsfähigkeit nicht. Bei der Umsetzung dieser Mindestanforderung steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, ob er solche Aufwendungen wegen ihrer Veranlassung durch die Erwerbstätigkeit den Werbungskosten und Betriebsausgaben zuordnet oder durch eine spezielle Norm, wie z.B. § 33c EStG 1997, als außergewöhnliche Belastungen fingiert und damit die private (Mit-)Veranlassung –die elterliche Entscheidung für Kinder, die eine Betreuung erst erforderlich macht– systematisch in den Vordergrund stellt.
22
Der Gesetzgeber hat in jedem Fall aber zu beachten, dass Art. 6 Abs. 1 GG die elterliche Entscheidung für Kinder unter besonderen Schutz stellt und verbietet, erwerbstätigen Eltern bei der Einkommensbesteuerung die „Vermeidbarkeit“ ihrer Kinder entgegenzuhalten. Erwerbsbedingt notwendige Kinderbetreuungskosten müssen daher zumindest als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein. Der Gesetzgeber ist allerdings berechtigt, mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festzulegen und damit zu bestimmen, wieweit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig sind (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268, BGBl I 2005, 1622).
23
Bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltskosten, zu denen auch Aufwendungen für die Kinderbetreuung rechnen, ist schließlich die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Diese Befugnis erlaubt es ihm, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268, BGBl I 2005, 1622, m.w.N.).
24
bb) Ergänzend zur Rechtsprechung des BVerfG zur Berücksichtigung erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten ist es verfassungsrechtlich nach Auffassung des Senats auch geboten, Kinderbetreuungskosten, die aus anderen Gründen als der Erwerbstätigkeit eines alleinstehenden Elternteils oder der beiderseitigen Erwerbstätigkeit der zusammenlebenden Eltern notwendig sind, als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe zum Abzug zuzulassen. Denn auch alleinstehenden kranken oder behinderten Eltern oder zusammenlebenden Eltern, die wegen Erwerbstätigkeit des einen Elternteils und Behinderung, längerer Erkrankung oder Ausbildung des anderen Elternteils den Betreuungsbedarf ihrer Kinder nicht selbst abdecken können, erwachsen beim Fehlen kostenfreier Betreuungsmöglichkeiten (z.B. bei den Großeltern) zwangsläufige Aufwendungen für die Betreuung, die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit im Vergleich zu kinderlosen Steuerpflichtigen mindern. Daher sind neben erwerbsbedingten Betreuungskosten unter bestimmten Voraussetzungen auch zwangsläufige „private“ Betreuungskosten in realitätsgerechter Höhe zum Abzug zuzulassen (gleicher Auffassung z.B. Schön, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1999, 1677; Tiedchen, Betriebs-Berater 1999, 1681; Krömker in Herrmann/ Heuer/Raupach –HHR–, Stand September 2010, § 9c EStG Rz 3; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 3. November 1982  1 BvR 620/78 u.a., BVerfGE 61, 319).
25
b) Die gesetzlichen Vorschriften zur Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs genügten im Streitjahr 2006 den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen.
26
aa) Dem Betreuungsbedarf von F und T wurde durch den Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung –BEA-Freibetrag– gemäß § 32 Abs. 6 EStG Rechnung getragen. Mit dem BEA-Freibetrag werden auch Fremdbetreuungskosten abgegolten (BFH-Urteile vom 29. Mai 2008 III R 108/07, BFH/NV 2008, 1822; vom 23. April 2009 VI R 60/06, BFHE 225, 28, BStBl II 2010, 267; BVerfG-Beschluss vom 20. Oktober 2010  2 BvR 2064/08, HFR 2011, 208). Die von den Klägern im Streitjahr aufgewandten Beträge für die Tagesmutter blieben steuerlich demnach nicht unberücksichtigt.
27
bb) Soweit die mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) eingeführten Tatbestände der §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 EStG (erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten) und § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG („private“ Kinderbetreuungskosten) den Abzug auf zwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag beschränken, werden dadurch –entgegen der Meinung der Revision– Grundrechte von Steuerpflichtigen mit unterhaltsberechtigten Kindern nicht verletzt. Ein Abzug der Kosten in der tatsächlich angefallenen Höhe ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 9. Februar 2012 III R 67/09 (BStBl II 212, 567, DStR 2012, 1220).
28
cc) Auch die in §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG enthaltenen Beschränkungen des Abzugs dem Grunde nach –und damit der Ausschluss der Kläger von den über den BEA-Freibetrag hinausgehenden Entlastungen– sind verfassungsrechtlich noch hinnehmbar. Der Gesetzgeber war ausgehend von seiner Vereinfachungsbefugnis grundsätzlich berechtigt, den Abzug auf die typischen Fälle zu beschränken, in denen Kinderbetreuungskosten zwangsläufig anfallen. Die mit der Beschränkung verbundene Härte, dass im Einzelfall vom Gesetz nicht erfasste Umstände eintreten können, die eine Fremdbetreuung und die Entstehung entsprechender Aufwendungen ebenso unabweisbar machen, haben die davon betroffenen Steuerpflichtigen hinzunehmen.
29
(1) Bezogen auf die im Streitfall zur Beurteilung anstehende Personengruppe der zusammenlebenden Eltern mit Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ermöglichen die Tatbestände der §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG den Abzug von Kinderbetreuungskosten bei Vorliegen der Zwangsläufigkeitsgründe Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längere Erkrankung und Behinderung. In Person eines jeden Elternteils muss mindestens einer der Gründe verwirklicht sein. Liegt in der Person eines Elternteils ein solcher Grund nicht vor, dann geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass dieser Elternteil die Eigenbetreuung des Kindes übernehmen kann und Aufwendungen für die Kinderbetreuung nicht oder jedenfalls nicht zwangsläufig entstehen (vgl. HHR/Krömker, Stand September 2010, § 9c EStG Rz 3).
30
(2) Der Senat ist der Auffassung, dass sich der Gesetzgeber mit der Auswahl der rechtlich relevanten Zwangsläufigkeitsgründe noch innerhalb der Grenzen seiner Typisierungsbefugnis gehalten hat. Bei sämtlichen im Gesetz genannten Gründen handelt es sich zweifelsohne um Lebenssituationen, in denen eine Fremdbetreuung notwendig werden kann. Der Gesetzgeber knüpfte insoweit an eine längere Gesetzgebungstradition an. So enthielt bereits § 33c EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 vom 26. Juni 1985 (BGBl I 1985, 1153) dieselben „Zwangsläufigkeitsgründe“. Bereits in dieser Fassung war die Berücksichtigung des Krankheitsfalles an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft, dass diese innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Monaten bestanden haben muss. Der damit verbundene Ausschluss kürzerer Erkrankungen kann im Einzelfall zwar zu Härten führen, diese sind aber von den Steuerpflichtigen als unvermeidliche Folge jeder Typisierung hinzunehmen. Keine Willkür stellt es –entgegen der Auffassung der Revision– dar, dass der Gesetzgeber Schwangerschaft nicht erfasst hat. Denn die Erwägung, dass gesundheitliche Gründe der Eigenbetreuung bereits vorhandener Kinder durch die schwangere Mutter typischerweise nicht entgegenstehen, ist sachlich noch nachvollziehbar. Denn Schwangere sind, wie oben dargestellt, eben nicht per se krank. Der Gesetzgeber konnte zudem davon ausgehen, dass beim Auftreten von besonderen Erschwernissen und Beschwerden während der Schwangerschaft häufig der Krankheitsbegriff erfüllt sein wird. Allerdings erscheint es dem Senat durchaus zweifelhaft, ob nicht weitere Zwangsläufigkeitsgründe hätten einbezogen werden müssen. Ein Bedarf an Fremdbetreuung kann nämlich insbesondere auch dann unabweisbar entstehen, wenn bei Erwerbstätigkeit des einen Elternteils eine größere Zahl minderjähriger Kinder zu betreuen ist (vgl. Seiler, DStR 2006, 1631). Auch bei dem gesellschaftlich festzustellenden Trend zur Ein- oder Zwei-Kind-Familie dürfte es sich immer noch um einen typischen Lebenssachverhalt handeln. Eine „Hinwegtypisierung“ dieser Fälle dürfte zudem mit Art. 6 GG schwerlich zu vereinbaren sein. Im Streitfall war eine solche Situation allerdings nicht gegeben. Vorliegend kumulierten nach dem Revisionsvorbringen der Kläger vielmehr Belastungen verschiedenster Art (Zöliakieerkrankung der älteren Tochter, unzureichende staatliche Betreuungsangebote, Schwangerschaft, Risikogeburt, nicht unbegrenzt zulässige Unterbrechung der Berufsausbildung der Klägerin, hohe berufliche Beanspruchung des Klägers u.ä.) zu einer Gesamtsituation, die die Kläger ohne Inanspruchnahme einer Tagesmutter nicht meistern zu können glaubten. Nach Auffassung des Senats handelte es sich hierbei allerdings um eine Härte des Einzelfalles, die die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht zu begründen vermag.
31
(3) Der vom Vorliegen bestimmter Zwangsläufigkeitsgründe unabhängige Abzug von Kinderbetreuungskosten, den die Kläger fordern und der mit Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131, BStBl I 2011, 986; vgl. BTDrucks 17/5125, S. 37) Wirklichkeit geworden ist, ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Zwar werden Eltern Aufwendungen für die Kinderbetreuung typischerweise nur dann in nennenswertem Umfang tätigen, wenn dies aus beruflichen, gesundheitlichen, pädagogischen, familiären oder sonstigen Gründen notwendig ist, so dass die ab 2012 geltende Regelung rechtspolitisch begrüßenswert erscheint. Verfassungsrechtlich war der Gesetzgeber jedoch nur gehalten, zwangsläufige Aufwendungen für Kinderbetreuung zum Abzug zuzulassen, und ferner dazu berechtigt, die Zwangsläufigkeitsgründe typisierend und abschließend tatbestandlich zu erfassen.
32
3. Der Senat ist ferner nicht davon überzeugt, dass die Beschränkung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStG auf Arbeitnehmer gegen Verfassungsrecht verstößt.
33
a) Nach § 3 Nr. 33 EStG sind steuerfrei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen.
34
b) Die Kläger erfüllen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiungsnorm nicht. Sie sind keine Arbeitnehmer und bezogen im Streitjahr weder Arbeitslohn noch zusätzliche Leistungen für die Betreuung ihrer Kinder von einem Arbeitgeber. Die von ihnen begehrte Steuerbefreiung eines entsprechenden Teils der Einnahmen des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit kann ihnen auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht gewährt werden. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Grenzen werden der verfassungskonformen Auslegung durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogen. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde (z.B. BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996  1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64, BGBl I 1997, 549, m.w.N.). Vorliegend setzt der mögliche Wortsinn der –steuerrechtlich geklärten– Begriffe Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arbeitslohn der Auslegung klare Grenzen. Der Anwendungsbereich der Norm kann im Auslegungswege nicht auf die Kläger erstreckt werden.
35
c) Der Gesetzgeber war auch nicht von Verfassungs wegen aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verpflichtet, die für die Betreuung der Kinder eingesetzten Teile des vom Kläger erzielten Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit steuerfrei zu belassen.
36
aa) Da mit dem BEA-Freibetrag und den Abzügen gemäß §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur steuerlichen Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs von Kindern bei allen Steuerpflichtigen –einschließlich derjenigen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen– bereits erfüllt werden, kommt der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStG lediglich eine ergänzende Funktion zu. Mit der Vorschrift wollte der Gesetzgeber erreichen, dass insbesondere Zuschüsse des Arbeitgebers für die Betreuung von Kindern in betriebsfremden Kindergärten –nach damaliger Rechtsprechung steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 25. Juli 1986 VI R 203/83, BFHE 147, 357, BStBl II 1986, 868)– und der Vorteil aus der kostenlosen Betreuung in Betriebskindergärten –nach früherer Rechtsprechung kein Arbeitslohn (so BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340)– aus Gründen der Gleichbehandlung steuerlich nicht erfasst werden. Er erkannte zwar, dass sich die Gleichbehandlung auch durch Besteuerung erreichen lässt. Doch hielt er die Nichtbesteuerung beider Fallgruppen für eine sachgerechte soziale Maßnahme (BTDrucks 12/1466, S. 1). Demnach verfolgte der Gesetzgeber mit § 3 Nr. 33 EStG keine Fiskalzwecke, sondern Förderungs- und Lenkungszwecke (vgl. Seiler, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2006, 1717; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 33 Rz B 33/14).
37
bb) Derartige Normen, mit denen der Gesetzgeber ein ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünschtes Verhalten der Bürger fördern will, müssen gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Der Förderungs- und Lenkungszweck muss zudem von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein. Allerdings kommt dem Gesetzgeber insbesondere hinsichtlich der sachgerechten Abgrenzung des Kreises der Begünstigten ein weiter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zu (vgl. BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274; BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BGBl I 2006, 1857). Nach der Rechtsprechung des BVerfG erwächst aus Art. 3 Abs. 1 GG aus einer Steuervergünstigung für eine Gruppe grundsätzlich kein Anspruch einer anderen Gruppe auf eine andere Steuervergünstigung, die wirtschaftlich zu einer vergleichbaren Entlastung führt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274; BVerfG-Beschluss vom 20. April 2004  1 BvR 610/00, HFR 2004, 696; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. September 2011 VI R 6/09, BFHE 235, 252, BStBl II 2012, 144).
38
cc) Der Gesetzgeber hat seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kläger haben aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine § 3 Nr. 33 EStG vergleichbare Entlastung. Es ist sachlich vertretbar, diese Steuervergünstigung auf Arbeitnehmer zu beschränken. Arbeitnehmer sind typischerweise in der Festlegung ihrer Arbeitszeiten fremdbestimmt und von daher besonders auf die arbeitsbegleitende Betreuung ihrer Kinder angewiesen. Nach der konkreten Ausgestaltung der Norm werden außerdem nur zusätzliche Arbeitgeberleistungen begünstigt. Mit dieser Regelung soll die Umwandlung von ohnehin geschuldetem Arbeitslohn in steuerfreie Kinderbetreuungszuschüsse ausgeschlossen werden (vgl. BTDrucks 12/5016, S. 85; vgl. auch Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. Juni 2011  11 K 192/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 556, nicht rechtskräftig, Revision VI R 54/11 anhängig). Mit dem Angebot der Steuerfreiheit will der Gesetzgeber also einen Anreiz schaffen, dass der Arbeitgeber derartige arbeitsvertraglich nicht geschuldete Zusatzleistungen –Zuschüsse oder Zurverfügungstellung betrieblicher Betreuungsmöglichkeiten– überhaupt erst gewährt. Die damit beabsichtigte Verhaltenslenkung beim Arbeitgeber, die die Bereitstellung erheblicher Mittel zugunsten der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe „qualifizierte Kinderbetreuung“ auslösen soll, ist bei der Gruppe der Selbständigen so nicht erreichbar. Gleichzeitig greift das vom Gesetzgeber gewählte Instrument bei dem sehr großen Personenkreis der abhängig Beschäftigten und lässt die Erwartung nachvollziehbar erscheinen, dass der gewünschte sozial- und bildungspolitische Effekt (Förderung des Kindergartenbesuchs, Einrichtung von Betriebskindergärten durch den Arbeitgeber und Inanspruchnahme dieser Leistung durch den Arbeitnehmer) in der Breite erreicht werden kann. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihre konkrete tatbestandliche Ausgestaltung, so wird deutlich, dass die Verfolgung dieses sozialen Förderzwecks auf einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung beruht. Unberechtigte Doppelbegünstigungen der Arbeitnehmer, die gegen die Norm ins Feld geführt werden könnten, sind ausgeschlossen. Denn soweit Arbeitnehmer gemäß § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Ersatz ihrer Aufwendungen erhalten, sind sie vom Abzug nach §§ 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG ausgeschlossen (Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl., § 9c Rz 4; Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4f Rz A 33).

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Schweiz

Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) (PDF, 39,4 KB)

Besteuerung von fliegendem Personal entsprechend Ziffer 1bis des Protokolls zu Artikel 15 Abs. 3 DBA-Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 27. Oktober 2010

Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) (PDF, 39,4 KB)

Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz);
Besteuerung von fliegendem Personal entsprechend Ziffer 1
bis des Protokolls zu
Artikel 15 Absatz 3 DBA-Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls
vom 27. Oktober 2010
GZ IV B 2 – S 1301-CHE/07/10015-03
DOK 2012/0641138
(bei Antwort bitte GZ und DOK angeben)
Mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) der Schweizerischen
Eidgenossenschaft ist am 13. Juli 2012 die nachstehende Konsultationsvereinbarung gemäß
Artikel 26 Absatz 3 des DBA-Schweiz getroffen worden:
„Die zuständigen Behörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik
Deutschland haben im Rahmen einer Konsultation gemäß Artikel 26 Absatz 3 des
Abkommens vom 11. August 1971 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (hiernach: „DBA“) in der Fassung des
Revisionsprotokolls vom 27. Oktober 2010 (hiernach: „Revisionsprotokoll“) die folgende
Verständigung über die Auslegung von Ziffer 1bis des Protokolls (hiernach: „Protokoll“) zu
Artikel 15 Absatz 3 des DBA vereinbart: Seite 2
Ziffer 1bis des Protokolls zu Artikel 15 Absatz 3 des DBA legt die Einzelheiten für die
Besteuerung von Mitgliedern des Bordpersonals von im internationalen Verkehr eingesetzten
Luftfahrzeugen für die Veranlagungszeiträume/Steuerjahre 2012 bis 2016 fest. Danach übt die
Bundesrepublik Deutschland das ihr aus Artikel 15 Absatz 3 Satz 1 des DBA zustehende
Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte dieser Mitglieder des Bordpersonals nicht aus,
sofern deren Ansässigkeit in der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Anstellungsverhältnis bereits vor dem 1. Januar 2007 und seitdem ohne Unterbrechung bestanden haben.
Hierdurch werden im Rahmen einer Übergangsregelung Nachteile gemildert, die sich für das
betroffene Bordpersonal aus einem zum 1. Januar 2007 erfolgten Wechsel des Besteuerungsrechts von der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Bundesrepublik Deutschland ergeben.
Die Regelung findet entsprechend dem Revisionsprotokoll keine Anwendung auf Einkünfte
und Einkunftsteile, bei denen sie den Eintritt einer doppelten Nichtbesteuerung zur Folge
hätte.
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit dieser Vereinbarung allerdings nicht auf das ihr nach
Artikel 15 Absatz 1 Satz 2 als Tätigkeitsstaat zustehende Besteuerungsrecht verzichtet, so
dass mit dieser Übergangsregelung für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren die
rechtliche Situation wie bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2006 hergestellt wird. Aus
diesem Grund wird die Steuerfreistellung in der Bundesrepublik Deutschland nur für den Teil
der Einkünfte gewährt, welcher auf nicht-deutsche Streckenanteile entfällt. Einkünfte und
Einkunftsteile, die auf Flugstreckenanteile entfallen, welche über deutschem Territorium
verlaufen, werden daher weiterhin im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst.
Ferner wird klargestellt, dass die Voraussetzung eines Anstellungsverhältnisses, welches
bereits vor dem 1. Januar 2007 und seitdem ohne Unterbrechung bestanden hat, so auszulegen
ist, dass ein Arbeitgeberwechsel zwischen Unternehmen, deren Ort der tatsächlichen
Geschäftsleitung sich jeweils in Deutschland befindet, innerhalb dieses Zeitraums als
unschädlich anzusehen ist. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um einen Arbeitgeberwechsel
innerhalb eines Konzernverbunds oder zwischen nicht miteinander verbundenen
Unternehmen handelt. Ausreichend ist insoweit, dass sich der Ort der tatsächlichen
Geschäftsleitung des jeweiligen anstellenden Unternehmens in der Bundesrepublik
Deutschland befindet.
Sofern von einem deutschen Finanzamt ein Nachweis der Besteuerung in der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Sicherstellung der Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung
verlangt wird, ist dieser durch die Vorlage der schweizerischen Veranlagungsverfügung oder
eines vergleichbaren kantonalen Bescheids zu erbringen. Seite 3 Die Verständigung ist in beiden Vertragsstaaten ab dem Veranlagungszeitraum/Steuerjahr
2012 anzuwenden.“

BFH: Teilweise Nichtberücksichtigung von Anschaffungskosten nach Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft

“Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 12. Juli 2012 IV R 39/09 entschieden, dass die Anschaffungskosten einer nicht wesentlichen GmbH-Beteiligung bei einer späteren Veräußerung der Anteile nicht zu berücksichtigen sind, nachdem die GmbH zuvor formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt worden ist.

Der Rechtsformwechsel einer GmbH in eine Personengesellschaft ist auf Grund des Regimewechsels von der Besteuerung der Körperschaft zur Besteuerung der Gesellschafter mit erheblichen steuerlichen Übergangsproblemen behaftet. Diese resultieren insbesondere aus den unterschiedlichen Beteiligungsformen der Gesellschafter. So können die Beteiligungen im steuerverstrickten Betriebsvermögen und je nach Beteiligungshöhe im steuerverstrickten oder nicht steuerverstrickten (sog. nicht wesentliche Beteiligung) Privatvermögen gehalten werden. Der Gesetzgeber hat im Umwandlungssteuergesetz an die unterschiedlichen Beteiligungsverhältnisse unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft.Für den Fall der nicht wesentlichen Beteiligung sieht das Umwandlungssteuergesetz vor, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten der Beteiligung nach der formwechselnden Umwandlung der GmbH in eine Personengesellschaft nicht mehr zu berücksichtigen sind. Dies hat zur Folge, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten den Gewinn einer späteren Veräußerung der Mitunternehmeranteile nicht mindern. Insbesondere bei einer zeitnahen Veräußerung der Mitunternehmeranteile nach dem Formwechsel ergeben sich Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Grundsatz, dass Anschaffungskosten bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns abgezogen werden können.

Der BFH hat dies vom Gesetzgeber erkannte und ausdrücklich gewollte Ergebnis gleichwohl auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten bestätigt. Dabei hat er sich maßgeblich davon leiten lassen, dass der nicht wesentlich beteiligte Gesellschafter zivilrechtlich die Möglichkeit hatte, dem Formwechsel zu widersprechen und die Anteile zum Verkehrswert an die Gesellschaft zu veräußern.”

Presseerklärung Nr. 61 des Bundesfinanzhofs (BFH)

BFH-Urteil vom 12.07.2012 – IV R 39/09

 

Gewinn aus der Veräußerung des nach Formwechsel entstandenen Mitunternehmeranteils eines zuvor nicht wesentlich beteiligten Gesellschafters

 Leitsatz

Die ursprünglichen Anschaffungskosten eines nicht wesentlich beteiligten Gesellschafters für den Erwerb der Gesellschaftsanteile einer GmbH mindern, nachdem die GmbH formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt worden ist, nicht den Gewinn aus einer späteren Veräußerung des Mitunternehmeranteils.

 Gesetze

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2
EStG § 17 Abs. 1
UmwG § 207
UmwStG 1995 § 3
UmwStG 1995 § 4 Abs. 4 und 6
UmwStG 1995 § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3
UmwStG 1995 § 7
UmwStG 1995 § 13 Abs. 2 Satz 3
UmwStG 1995 § 14
GG Art. 3 Abs. 1

 Instanzenzug

Niedersächsisches FG vom 5. Juni 2008 10 K 426/05BFH IV R 39/09

 Gründe

I.

1  Streitig ist die Höhe eines Veräußerungsgewinns i.S. von § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus der Veräußerung einer Kommanditbeteiligung.

2  Die Beigeladenen zu 2. und 3., R und S, sowie HW —der verstorbene Ehemann der Beigeladenen zu 1., W,— erwarben in 1998 mit notariellen Kauf- und Abtretungsverträgen von dem sich auf 100.000 DM belaufenden und voll eingezahlten Stammkapital der X GmbH (im Folgenden: GmbH) Gesellschaftsanteile von jeweils 3.000 DM zu Kaufpreisen in Höhe von je 100.000 DM. Die Gesellschaftsanteile hielten sie im Privatvermögen.

3  Mit notariellem Umwandlungsbeschluss vom 22. August 2000 beschlossen die Gesellschafter der GmbH (im Rahmen einer Gesellschaftervollversammlung) einstimmig, diese formwechselnd in eine Personengesellschaft, die X GmbH & Co. KG, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), umzuwandeln (§§ 190 ff. des Umwandlungsgesetzes —UmwG —).

4  Nach dem Umwandlungsbeschluss entsprachen die (Haft-)Einlagen der Beigeladenen wie auch der anderen Gesellschafter betragsmäßig ihren Stammeinlagen an der GmbH. Die Kapital- und Kommanditeinlagen sollten durch das den Gesellschaftern zuzurechnende Eigenkapital der GmbH gedeckt werden. Soweit das Eigenkapital der GmbH (gezeichnetes Kapital zuzüglich Kapital- und Gewinnrücklagen, Jahresüberschuss und Gewinnvortrag, abzüglich Jahresfehlbetrag und Verlustvortrag) die Summe der Kapitaleinlage der Komplementärin und der Kommanditeinlagen der Kommanditisten überstieg, wurde der überschießende Teil des Eigenkapitals den Darlehenskonten der Gesellschafter nach einem im Einzelnen festgelegten Maßstab gutgebracht. Im „Innenverhältnis” sollte der Formwechsel zum 31. Dezember 1999 (Umwandlungsstichtag = steuerlicher Übertragungsstichtag) als erfolgt gelten. Die GmbH setzte die übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz mit den Buchwerten an.

5  Für den im März 2002 verstorbenen Kommanditisten HW wurde seine Ehefrau, die Beigeladene zu 1. (W), Kommanditistin der Klägerin.

6  Die Beigeladenen veräußerten mit Wirkung zum 1. Januar 2004 ihre Kommanditbeteiligungen in Höhe von nominell je 3.000 DM für 25.000 € (Beigeladene W) bzw. jeweils 51.129,19 € (Beigeladene R und S). Die Forderungen bzw. Verbindlichkeiten aus den Darlehenskonten waren nicht Gegenstand der Veräußerung und von den Vertragsparteien auszugleichen.

7  In dem Bescheid für 2004 (Streitjahr) über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (im Weiteren Gewinnfeststellungsbescheid) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) in Abweichung von der Feststellungserklärung der Klägerin für die zum 1. Januar 2004 ausgeschiedenen Gesellschafter —die Beigeladenen— aus der Veräußerung von deren Kommanditbeteiligungen Veräußerungsgewinne fest. Diese ermittelte das FA in der Weise, dass es von dem für die Veräußerung des Kommanditanteils vereinnahmten Kaufpreis die nominelle Beteiligung (= Wert des anteiligen Kapitalkontos) abzog.

8  Hiergegen wandte sich die Klägerin nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren mit der Klage, mit der sie begehrte, die Veräußerungsgewinne der Beigeladenen R und S auf 0 DM und für die Beigeladene W als Rechtsnachfolgerin des HW einen Veräußerungsverlust in Höhe von 26.129,19 € festzustellen. Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, dass die von den Beigeladenen getragenen Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns bzw. des Veräußerungsverlustes zu berücksichtigen seien. Denn diese Anschaffungskosten seien im Rahmen der Umwandlung der GmbH auf die Klägerin nicht berücksichtigt worden, weil die Beigeladenen an der GmbH nicht wesentlich i.S. des § 17 EStG in der im Jahr der Umwandlung geltenden Fassung beteiligt gewesen seien.

9  Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Finanzgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass das FA die jeweiligen Veräußerungsgewinne gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG der Höhe nach zutreffend ermittelt habe. Eine Berücksichtigung der früheren Aufwendungen für die Anschaffung der GmbH-Anteile komme nicht in Betracht. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 16 EStG und dem Fehlen einer entsprechenden Regelung im Umwandlungssteuergesetz in der im Jahr der Umwandlung geltend Fassung (UmwStG 1995 ). Die Beigeladenen könnten den Veräußerungsgewinn auch nicht durch die Aufstellung einer Ergänzungsbilanz neutralisieren. Mit Ablauf der sechsmonatigen Spekulationsfrist nach § 23 EStG a.F. seien die Anschaffungskosten für die Gesellschaftsanteile endgültig verloren. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere Art. 3 des Grundgesetzes (GG) , liege ebenfalls nicht vor. Die Ungleichbehandlung der Beigeladenen mit den Kommanditisten, die i.S. des § 17 EStG wesentlich an der GmbH beteiligt gewesen seien, oder deren Beteiligung zum Betriebsvermögen gehört habe, sei sachlich gerechtfertigt. Denn solche Beteiligungen seien auch vor der Umwandlung der GmbH auf die Klägerin auf der Gesellschafterebene steuerverstrickt gewesen.

10  Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Im Rahmen der Umwandlung der GmbH sei bei den Beigeladenen ein Übernahmeverlust entstanden, da die Anschaffungskosten der Beteiligung von je 100.000 DM (51.129,19 €) über den jeweiligen Übernahmewerten von je 11.518 € (Wert des anteilig auf die Beigeladenen entfallenden Betriebsvermögens zum Umwandlungsstichtag) gelegen hätten. Die Übernahmeverluste seien aber weder bei den nicht wesentlich beteiligten Beigeladenen im Zeitpunkt der Umwandlung steuerlich berücksichtigt, noch seien sie in einer Ergänzungsbilanz oder in ihrer Gesamthandsbilanz erfasst worden. Im Ergebnis würden die stillen Reserven, die bereits vom (ursprünglichen) Veräußerer der Gesellschaftsanteile nach § 17 EStG versteuert worden seien, noch einmal versteuert.

11  Der Einbeziehung der Anschaffungskosten in die Ermittlung eines eventuellen Veräußerungsgewinns stehe § 5 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 7 UmwStG 1995 nicht entgegen. Aus dieser Regelung ergebe sich nur, dass die Anteile der Gesellschafter, die nicht wesentlich i.S. des § 17 EStG an der umgewandelten GmbH beteiligt seien, in deren Privatvermögen gehalten würden.

12  Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid für 2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in der zuletzt geänderten Fassung vom 14. April 2008 dahin abzuändern, dass die Veräußerungsgewinne der Beigeladenen zu 2. und 3. in Höhe von jeweils 0 € und für die Beigeladene zu 1. als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen HW ein Veräußerungsverlust in Höhe von 26.129,19 € festgestellt werden.

13  Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

14  Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

15  Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid ist rechtmäßig. Das FA hat zu Recht die ursprünglichen Anschaffungskosten der Beigeladenen für den Erwerb der Gesellschaftsanteile an der GmbH bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Mitunternehmeranteile (Kommanditanteile) an der Klägerin nicht abgezogen.

16  1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters erzielt werden, der als Mitunternehmer des Betriebes i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ). Veräußerungsgewinn ist in diesen Fällen gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Maßgeblich ist daher die Differenz zwischen den dem Ausscheidenden aus diesem Anlass zugewandten Leistungen und seinem Kapitalkonto (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 9. Juni 2004 IV B 167/03 , BFH/NV 2004, 1526 ). Der Wert des Anteils am Betriebsvermögen (Kapitalkonto) ist für den Zeitpunkt des Ausscheidens nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ).

17  a) Dementsprechend ist von den an die Beigeladenen für die Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile gezahlten Kaufpreisen in Höhe von 25.000 € (Beigeladene zu 1.) bzw. je 51.129,19 € (Beigeladene zu 2. und 3.) lediglich der Wert der anteiligen Kapitalkonten in zwischen den Beteiligten unstreitiger Höhe von jeweils 3.000 DM abzuziehen, da die Forderungen bzw. Verbindlichkeiten aus den ihnen des Weiteren zuzurechnenden variablen Darlehenskonten entsprechend den Bestimmungen in den notariellen Übertragungsverträgen aus Juni 2004 gesondert auszugleichen waren und, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, auch tatsächlich ausgeglichen wurden.

18  b) Die ursprünglichen Anschaffungskosten der Beigeladenen für den Erwerb der Gesellschaftsanteile an der formwechselnd umgewandelten GmbH sind bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Mitunternehmeranteile (Kommanditanteile) an der Klägerin nicht abzuziehen (anderer Ansicht Haritz, Betriebs-Berater 1996, 1409, 1414; Schwetlik, GmbH-Rundschau 1998, 817, 823). Diese Anschaffungskosten haben nach den hier einschlägigen Vorschriften des UmwStG 1995 keinen Eingang in das anteilige Kapitalkonto der Beigeladenen bei der Personengesellschaft —hier der Klägerin— gefunden. Ebenso wenig können die Anschaffungskosten durch die Aufstellung einer positiven Ergänzungsbilanz berücksichtigt und bei der Veräußerung der Mitunternehmeranteile (Kommanditanteile) in Abzug gebracht werden (anderer Ansicht Schultz, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1996, 854, 859; Parczyk, DStR 1997, 1195).

19  aa) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beigeladenen im Zeitpunkt der formwechselnden Umwandlung der GmbH in die Personengesellschaft, die Klägerin, nicht wesentlich i.S. des § 17 EStG beteiligt waren und die Beigeladenen die Anteile im Privatvermögen gehalten haben. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.

20  bb) Der nicht wesentlich beteiligte Gesellschafter, der seine Beteiligung an der umgewandelten Kapitalgesellschaft im Privatvermögen hält, nimmt nach § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 1995 nicht an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der Personengesellschaft teil. Der Wert seines Anteils an den Wirtschaftsgütern bleibt bei der Ermittlung des Übernahmegewinns oder des Übernahmeverlustes außer Ansatz. Ungeachtet dessen nimmt der nicht wesentlich beteiligte Gesellschafter insoweit an der formwechselnden Umwandlung teil, als er Gesellschafter der Personengesellschaft wird. Sein Anteil an der Personengesellschaft bestimmt das Kapitalkonto seines Mitunternehmeranteils zum steuerlichen Übertragungsstichtag. Werden die von der Kapitalgesellschaft übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Personengesellschaft —wie vorliegend— mit dem Buchwert fortgeführt, bestimmt sich der Anteil des vormals nicht wesentlich beteiligten Gesellschafters an der Personengesellschaft nunmehr ausschließlich nach dem anteiligen Buchwert der (Mitunternehmer-)Beteiligung. Die ursprünglichen Anschaffungskosten der Beteiligung an der GmbH fließen mithin nicht in seinen Kapitalanteil ein. Auch eine Aufstockung des Buchwerts um einen etwaigen Übernahmeverlust gemäß § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 kommt für den vormals nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter der GmbH nicht in Betracht.

21  Insoweit ist der Klägerin zuzugeben, dass ein vormals nicht wesentlich beteiligter Gesellschafter bei der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils auch die vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entstandenen stillen Reserven zu versteuern hat, die er, soweit sie auf den Zeitraum vor der Anschaffung der Gesellschaftsanteile (hier: an der GmbH) entfallen, möglicherweise bereits im Rahmen dieser Anschaffung dem Veräußerer der Gesellschaftsanteile vergütet hatte.

22  cc) Gleichwohl können die ursprünglichen Anschaffungskosten für die nicht wesentliche Beteiligung an der GmbH nicht durch die Bildung einer Ergänzungsbilanz berücksichtigt und bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils abgezogen werden. Eine Ergänzungsbilanz ist sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Systematik und dem Zweck der Regelung der §§ 3 ff. UmwStG 1995 i.V.m. § 14 UmwStG 1995 ausgeschlossen.

23  (1) Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 1995 bleibt der Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung eines Übernahmegewinns oder eines Übernahmeverlustes außer Ansatz, soweit er auf Anteile an der übertragenden Körperschaft entfällt, die am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehören. Die Aufstockung der Wirtschaftsgüter im Wege einer Ergänzungsbilanz ist gemäß § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 nur für den Fall vorgesehen, dass ein Übernahmeverlust verbleibt. Ein Übernahmeverlust kann aber gemäß § 4 Abs. 4 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 und Abs. 3 UmwStG 1995 nur insoweit entstehen, als er auf bisher steuerverstrickte Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft entfällt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine Ergänzungsbilanz nicht aufzustellen ist, soweit ein Übernahmeverlust auf bisher nicht steuerverstrickte Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft entfällt.

24  (2) Die Bildung einer positiven Ergänzungsbilanz für den nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter der Kapitalgesellschaft würde zudem dem erkennbaren Gesetzeszweck widersprechen. Ergänzungsbilanzen sind zu bilden, um Wertansätze in der Steuerbilanz (= Gesamthandsbilanz) der Personengesellschaft für den einzelnen Mitunternehmer zu korrigieren (vgl. zur Bildung einer Ergänzungsbilanz: BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 40/92 , BFHE 171, 422 , BStBl II 1994, 224, m.w.N.). Bezugsgröße sind einerseits das anteilige Eigenkapital an der Mitunternehmerschaft und andererseits die Anschaffungskosten bzw. die Tauschwerte der in die Mitunternehmerschaft eingebrachten Wirtschaftsgüter (Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 3. Aufl., § 246 Rz 376 ff.). Aufwendungen für den Erwerb der Beteiligung an der umgewandelten GmbH sind Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung. Die Aufwendungen können daher nicht auch noch als Anschaffungskosten für die neu entstandenen Kommanditanteile an der Personengesellschaft, hier der Klägerin, berücksichtigt werden. Die Bildung einer Ergänzungsbilanz käme im Streitfall daher nur in Betracht, wenn die formwechselnde Umwandlung als ein Anschaffungsvorgang in Form eines Tausches zu verstehen wäre. In diesem Fall wäre der gemeine Wert der „tauschweise” hingegebenen GmbH-Anteile zum steuerlichen Übertragungsstichtag, soweit dieser den Betrag des übergehenden Kapitalkontos in der Steuerbilanz der Personengesellschaft überstiege, in einer steuerlichen Ergänzungsbilanz zu aktivieren. Nur soweit der gemeine Wert der GmbH-Anteile zum steuerlichen Übertragungsstichtag den ursprünglichen Anschaffungskosten der GmbH-Anteile entsprochen hätte, wären Letztere weiterhin steuerlich relevant; denn ein bis zum Übertragungsstichtag eingetretener Wertverlust der GmbH-Anteile wäre der steuerlich nicht relevanten Privatsphäre zuzuordnen.

25  Die formwechselnde Umwandlung basiert jedoch —insbesondere im Hinblick auf den nicht wesentlich beteiligten Anteilseigner— nicht auf der Annahme eines Anschaffungsvorgangs; ihr liegt vielmehr der Gedanke der privilegierten Liquidationsbesteuerung zu Grunde. So hat der nicht wesentlich beteiligte Gesellschafter gemäß § 7 UmwStG 1995 das anteilige verwendbare Eigenkapital mit Ausnahme des EK 04, also die offenen Reserven, einschließlich der anzurechnenden Körperschaftsteuer (Körperschaftsteuerguthaben) als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Der nicht wesentlich Beteiligte wird mithin, so auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung (BTDrucks 12/6885, S. 19), im Ergebnis derselben Rechtsfolge unterworfen, die § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG für die Fälle der Liquidation einer Kapitalgesellschaft enthält. Der Grundsatz der Buchwertfortführung in §§ 3 ff. UmwStG 1995 führt allerdings dazu, dass nur die offenen Reserven und nicht auch die stillen Reserven als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet werden. Gleichwohl wollte der Gesetzgeber nicht auf die Besteuerung der stillen Reserven verzichten. Nach der Gesetzesbegründung hat der nicht wesentlich beteiligte Anteilseigner als Mitunternehmer die stillen Reserven erst zu versteuern, wenn sie bei der übernehmenden Personengesellschaft aufgelöst werden (BTDrucks 12/6885, S. 19). Daraus folgt aber zugleich, dass die Besteuerung der im Buchwert nicht repräsentierten und im Zuge der Umwandlung nicht aufgedeckten stillen Reserven, auf die im Fall einer Liquidation zu gemeinen Werten zugegriffen würde, nicht durch die Bildung einer Ergänzungsbilanz unterlaufen werden darf.

26  c) Die ursprünglichen Anschaffungskosten der Beigeladenen können auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG berücksichtigt werden. Diese Regelung ist auf den vorliegenden Sachverhalt weder unmittelbar noch analog anwendbar.

27  § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG setzt als Bewertungsvorschrift die Einlage eines Wirtschaftsgutes in das Betriebsvermögen, hier der Klägerin, voraus. Die nicht wesentlich an der GmbH beteiligten Beigeladenen haben ihre Kapitalbeteiligung aber nicht in das Gesellschaftsvermögen der Klägerin eingelegt. Mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister sind die Beigeladenen vielmehr kraft Gesetzes an dem neuen Rechtsträger, hier der Klägerin, beteiligt (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG ). Allein der Umstand, dass die ehemals nicht steuerverstrickte Kapitalbeteiligung der Beigeladenen durch den Formwechsel zu einer steuerverstrickten Mitunternehmerbeteiligung erstarkt ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Beteiligung in das Betriebsvermögen der Klägerin eingelegt worden ist.

28  Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG scheidet schon deshalb aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Gemäß § 5 Abs. 2 UmwStG 1995 gelten zum Zwecke der Ermittlung des Übernahmegewinns die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 EStG , die am Übertragungsstichtag nicht zum Betriebsvermögen gehörten, als in das Betriebsvermögen der neuen Personengesellschaft mit den Anschaffungskosten eingelegt. Aus dieser Regelungsfiktion folgt zum einen, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der formwechselnden Umwandlung grundsätzlich nicht von einer Einlage der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausgeht, und zum anderen, dass er die Annahme einer „fiktiven” Einlage nur auf die bisher steuerverstrickte Kapitalbeteiligung und nicht auch auf die bisher nicht steuerverstrickte Kapitalbeteiligung der nicht wesentlich beteiligten Anteilseigner erstrecken wollte.

29  d) Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus der Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 ableiten (so aber Börst in Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz , 3. Aufl., § 7 Rz 53, und wohl auch Crezelius, Der Betrieb 1997, 195, 199). Diese Vorschrift erfasst den Fall, dass anlässlich einer Verschmelzung bislang nicht wesentliche Beteiligungen bei der übertragenden Kapitalgesellschaft zu wesentlichen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft werden. Für diese Anteile gilt der gemeine Wert am steuerlichen Übertragungsstichtag als Anschaffungskosten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die in der Zeit der Nicht-Verstrickung angesammelten stillen Reserven nicht in die Besteuerung einbezogen werden. Diese Wertung kann indes nicht auf den vorliegenden Fall einer formwechselnden Umwandlung übertragen werden. Der Verschmelzung oder Vermögensübertragung gemäß §§ 11 ff. UmwStG 1995 liegt nämlich —jedenfalls im Hinblick auf den nicht wesentlich beteiligten Anteilseigner— der Gedanke eines Anteilstausches und damit einer Anschaffung zu Grunde. Entsprechend der Bewertungsregelung in § 6 Abs. 6 EStG sind daher die nunmehr steuerverstrickten Anteile durch den Verschmelzungsvorgang vom nunmehr wesentlich beteiligten Anteilseigner angeschafft worden und daher mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Diese Anschaffungskosten sind im Fall einer Veräußerung der neuen Beteiligung nach § 17 Abs. 2 EStG gewinnmindernd zu berücksichtigen. Demgegenüber liegt der formwechselnden Umwandlung, wie dargelegt (II.1.b cc (2)), der Gedanke der Liquidationsbesteuerung zu Grunde.

30  e) Die Nichtberücksichtigung der ursprünglichen Anschaffungskosten eines nicht wesentlich beteiligten Gesellschafters begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere liegt insoweit kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

31  Zwar wird die Gruppe der nicht wesentlich beteiligten Anteilseigner gegenüber der Gruppe der Anteilseigner, deren Kapitalbeteiligung steuerverstrickt war, insoweit ungleich behandelt, als bei Letzteren die Anschaffungskosten der Kapitalbeteiligung durch den Ansatz des Buchwerts bzw. der Einlagefiktion bei der Ermittlung des Übernahmegewinns bzw. -verlustes nach § 4 Abs. 4 und Abs. 6 , § 5 Abs. 2 und Abs. 3 UmwStG 1995 berücksichtigt werden. Soweit sich danach ein Übernahmeverlust ergibt, ist dieser auf die im Buchwert bzw. den Anschaffungskosten enthaltenen gekauften stillen Reserven zurückzuführen (s. auch BTDrucks 12/6885, S. 18). Ein Übernahmeverlust wird sodann —gekürzt um die anzurechnende Körperschaftsteuer— durch die Aufstockung der Wirtschaftsgüter in den Ergänzungsbilanzen der vormals wesentlich i.S. des § 17 EStG beteiligten Gesellschafter steuerlich berücksichtigt (§ 4 Abs. 5 und Abs. 6 UmwStG 1995). Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch zum einen dadurch gerechtfertigt, dass die Beteiligungen bereits vor dem Formwechsel steuerverstrickt waren, und zum anderen dadurch, dass auch nur für diese Gesellschafter ein Übernahmegewinn gemäß § 4 Abs. 4 UmwStG 1995 festgestellt werden kann. Des Weiteren kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung letztlich Folge des noch von den Gesellschaftern der formwechselnden Kapitalgesellschaft gewählten Buchwertansatzes der übergehenden Wirtschaftsgüter in deren steuerlicher Schlussbilanz ist. Dem haben ersichtlich auch die Beigeladenen zugestimmt. Den mit dem Formwechsel verbundenen steuerlichen Rechtsfolgen hätten die Beigeladenen zudem ausweichen können, indem sie dem Umwandlungsbeschluss gemäß § 207 UmwG widersprochen und gegen eine angemessene Abfindung ihre Kapitalbeteiligung vor dem erfolgten Formwechsel an den formwechselnden Rechtsträger, hier die GmbH, hätten veräußern können. In diesem Fall hätten sie die in den Kapitalanteilen enthaltenen stillen Reserven steuerfrei realisieren können. Alternativ hätten sie neben dem in § 207 UmwG eingeräumten Widerspruchsrecht die Möglichkeit gehabt, die Anteile an der GmbH vor deren Umwandlung „freihändig” zu veräußern und sodann die Mitunternehmeranteile an der formwechselnd errichteten KG zurück zu erwerben (vgl. dazu die Rechtsprechung zur Realisierung von Spekulationsverlusten bei der Veräußerung von Wertpapieren: BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07 , BFHE 226, 252 , BStBl II 2009, 999, und zur Anteilsrotation: BFH-Urteil vom 7. Dezember 2010 IX R 40/09 , BFHE 232, 1 , BStBl II 2011, 427). Soweit die Anschaffungskosten das anteilige Kapital bei der Mitunternehmerschaft überstiegen hätten, wäre der Differenzbetrag in einer positiven Ergänzungsbilanz zu erfassen gewesen.

32  Insbesondere unter Berücksichtigung der zivilrechtlich nicht zwingenden Mitwirkung der Beigeladenen an der durchgeführten Umwandlung und der bestehenden Möglichkeit einer Ausweichgestaltung wäre auch ein im Einzelfall etwa vorliegender Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht von einem derartigen Gewicht, dass er zur Verfassungswidrigkeit der hier einschlägigen Regelungen des UmwStG 1995 führen oder eine verfassungskonforme, erweiternde Normauslegung erforderlich machen könnte (vgl. insoweit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05 , BVerfGE 125, 1 , BFH/NV 2010, 803 ).

33  2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 2, 139 Abs. 4 FGO . Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da die Beigeladenen keinen eigenen Sachantrag gestellt haben (BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 IV R 14/04 , BFHE 212, 231 , BStBl II 2006, 418).

Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer auf die deutsche Steuer

Kernfrage

Im Rahmen der Erbschaftsteuer kommt es, nicht zuletzt weil Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel fehlen, regelmäßig zur Doppelbesteuerung und zwar zum einen in Deutschland und zum anderen im Ausland, wo Vermögen vorhanden ist. Das Erbschaftsteuergesetz sieht hier eine gewisse Hilfe in Form einer Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer vor, wenn diese mit der deutschen Erbschaftsteuer vergleichbar ist. Weitere Voraussetzung ist, dass die deutsche Steuer innerhalb von 5 Jahren nach der ausländischen Steuer entsteht. Mit anderen Worten, entsteht die deutsche Steuer vor der ausländischen, wäre eine Anrechnung ausgeschlossen. Das Finanzgericht Köln hatte nunmehr zum Verständnis dieser Voraussetzung der erbschaftsteuerlichen Anrechnung zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Kläger hatten gegenüber ihrem Vater nach belgischem Recht gegen hohe Abfindungen auf ihren Pflichtteil verzichtet. Dies löste in Deutschland Schenkungsteuer aus, die der Erbschaftsteuer gleichzusetzen ist. 2 Jahre später verstarb der Vater, die Kläger wurden Erben und in Belgien zur Erbschaftsteuer herangezogen. Hinsichtlich der belgischen Erbschaftsteuer verlangten sie die Anrechnung auf die deutsche Schenkungsteuer, was die Finanzverwaltung aber verweigerte. Sie verwies dazu auf den deutschen Gesetzeswortlaut. Hiernach muss die deutsche Steuer zeitlich nach der ausländischen entstehen, damit eine Anrechnung erfolgen kann. Liegt der deutsche Besteuerungszeitpunkt davor, entfällt eine Anrechnung.

Entscheidung

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage obsiegten die Kläger vor dem Finanzgericht Köln. Die erbschaftsteuerrechtliche Anrechnungsregelung sei auch auf Fälle anwendbar, in denen zuerst die deutsche und anschließend die vergleichbare ausländische Erbschaftsteuer entstehe. Dies folge aus dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, nachdem alleine die Reihenfolge der Entstehung der Steuer kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal darstelle. Allerdings kann die im Ausland auf den Erwerb des Auslandsvermögens gezahlte Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer nur in dem Umfang angerechnet werden, in dem der Erwerb auch im Inland besteuert worden wäre.

Konsequenz

Die inzwischen rechtskräftig gewordene Entscheidung wird von der Finanzverwaltung anerkannt. In allen offenen Fällen kann daher die Anrechnung erfolgen, wenn ausländische und deutsche Erbschaftsteuer innerhalb von 5 Jahren entstanden sind.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin