Verbraucherpreise im Juli 2018 voraussichtlich um 2,0 % höher als im Juli 2017

Verbraucherpreisindex, Juli 2018:

  • +2,0 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
  • +0,3 % zum Vormonat (vorläufig)

Harmonisierter Verbraucherpreisindex, Juli 2018:

  • +2,1 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
  • +0,4 % zum Vormonat (vorläufig)

Die Inflationsrate in Deutschland – gemessen am Verbraucherpreisindex – wird im Juli 2018 voraussichtlich 2,0 % betragen. Wie das Statistische Bundesamt nach bisher vorliegenden Ergebnissen weiter mitteilt, steigen die Verbraucherpreise gegenüber Juni 2018 voraussichtlich um 0,3 %.

Der für europäische Zwecke berechnete Harmonisierte Verbraucherpreisindex für Deutschland hat sich im Juli 2018 im Vorjahresvergleich voraussichtlich um 2,1 % erhöht, gegenüber Juni 2018 steigt er voraussichtlich um 0,4 %.

Jährliche Veränderung des Verbraucherpreisindex
und ausgewählter Gütergruppen
Gesamtindex / Teilindex Gewichtung April
2018
Mai
2018
Juni
2018
Juli
2018 1
in Promille in %
1 Vorläufige Werte.
2 Haushaltsenergie und Kraftstoffe.
3 Nettokaltmiete.
Gesamtindex 1 000 1,6 2,2 2,1 2,0
Waren 479,77 1,6 2,5 2,8 2,4
darunter:
Energie 2 106,56 1,3 5,1 6,4 6,6
Nahrungsmittel 90,52 3,4 3,5 3,4 2,6
Dienstleistungen 520,23 1,5 1,9 1,5 1,6
darunter:
Wohnungsmiete 3 209,93 1,6 1,6 1,6 1,6

Die endgültigen Ergebnisse für Juli 2018 werden am 14. August 2018 veröffentlicht.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 30.07.2018

Keine Senkung des Rechnungszinses für Pensionsrückstellungen

Die Bundesregierung plant keine Senkung des Rechnungszinses für Pensionsrückstellungen, der seit 1982 unverändert sechs Prozent beträgt. Wie es in der Antwort der Bundesregierung (19/3423 ) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ( 19/3091 ) heißt, orientiert sich der Rechnungszins als ertragsteuerliche Größe an der Eigenkapitalverzinsung und nicht am Fremdkapitalzins. Eine Absenkung des Rechnungszinses würde nur zu einem Einmaleffekt führen. Unternehmen würden zwar während der Rückstellungsphase entlastet. „In späteren Jahren müssten sie jedoch mehr Steuern bezahlen“, erklärt die Bundesregierung.

Eine Senkung des Zinssatzes von sechs auf fünf Prozent würde nach Angaben der Regierung zu steuerlichen Mindereinnahmen in Höhe von 11,4 Milliarden Euro führen. Bei einer Halbierung des Satzes käme es zu Ausfällen in Höhe von 40 Milliarden Euro.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 555/2018

Neue HEUBECK-RICHTTAFELN 2018 G veröffentlicht

Am 20. Juli 2018 sind die neuen HEUBECK-RICHTTAFELN 2018 G erschienen, die die neuesten Statistiken der ge-setzlichen Rentenversicherung und des Statistischen Bundesamtes berücksichtigen. Erstmalig werden auch sozioökonomische Faktoren einbezogen. Insgesamt wird ein moderater Anstieg der Pensionsrückstellungen erwartet.

Worum geht es genau? 

Die beobachtete Verlängerung der Lebenserwartung hält unverändert an. Mit dem Zensus 2011 liegen für die Be-völkerung in Deutschland zuverlässige Daten über die Sterblichkeit in Deutschland vor.

Bei den Frauen hat sich die Lebenserwartung in Ost und West nach der Wiedervereinigung mittlerweile nahezu vollständig angeglichen, bei Männern hat sich der Ab-stand zwischenzeitlich von drei Jahren auf nur noch et-was mehr als sieben Monate verkürzt. Es wird davon aus-gegangen, dass sich in den nächsten Jahren dieser Trend fortsetzt und mit der weiteren Angleichung der Lebens-verhältnisse die Lebenserwartungen künftig den Erfah-rungen in den alten Bundesländern entsprechen werden.

Auswertungen für die gesetzliche Rentenversicherung haben gezeigt, dass ein statistisch nachweisbarer Zusam-menhang zwischen der Lebenserwartung und der Höhe der gezahlten Rente besteht: Kurz gesagt: Höhere Renten sind im Durchschnitt länger zu zahlen als niedrige. Dies wird in den neuen HEUBECK-RICHTTAFELN durch einen pauschalen Abschlag auf die Sterbewahrscheinlichkeiten berücksichtigt.

Die langfristige Entwicklung der Lebenserwartung wird anhand der auf Basis der Volkszählungen 1987 und 2011 (Zensus 2011) erstellten Sterbetafeln beurteilt. Die sta-tistischen Auswertungen für die Jahre nach der letzten Volkszählung (Mikrozensus) werden für die kurzfristige Veränderung der Lebenserwartung herangezogen.

Weitere Änderungen betreffen die Invalidisierungswahr-scheinlichkeiten. Hier zeigt sich seit mehr als zehn Jahren im Altersbereich ab 58 Jahren ein Rückgang. Da sich diese Beobachtungen als nachhaltig erwiesen haben, wird in den neuen HEUBECK-RICHTTAFELN diese Entwicklung ebenso wie die Abnahme der Sterblichkeit der Invaliden-rentner abgebildet.

Erstmals enthalten die neuen HEUBECK-RICHTTAFELN neben den versicherungsmathematischen Grundwerten für Männer und Frauen auch solche für „Unisex“. Damit wird dem in der Praxis vorhandenen Bedarf nach  ge-schlechtsunabhängigen Bewertungen Rechnung getra-gen. Hier sind insbesondere der Versorgungsausgleich und die Portabilität zu nennen.

In der Steuerbilanz wird je nach Zusammensetzung des Bestandes eine Zuführung zur Pensionsrückstellung zwi-schen 0,8 % und 1,5 % erwartet. Nach handelsrechtli-chen und internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen ist der Einmaleffekt mit 1,5 % bis 2,5 % deutlich höher, wobei er maßgeblich von Rechnungszins, Gehaltsdyna-mik und Fluktuation abhängt.

Für wen ist das Thema relevant?

Das Thema betrifft alle Unternehmen, die in ihren Bilan-zen Pensionsrückstellungen bilden, sowie Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Werden die Versor-gungsverpflichtungen bislang schon auf der Grundlage bestandsspezifischer Tafeln bewertet, kann der Anpas-sungsbedarf geringer ausfallen oder sogar vollständig entfallen.

Wo sehen wir Handlungsbedarf?

Wir rechnen damit, dass das Bundesfinanzministerium die neuen HEUBECK-RICHTTAFELN für die steuerliche Be-wertung von Pensionsverpflichtungen anerkennen und hierzu noch vor der nächsten Bilanzsaison ein entspre-chendes BMF-Schreiben veröffentlichen wird. In der Steuerbilanz ist der Anpassungsaufwand über drei Jahre zu verteilen, während er in der Handelsbilanz sofort zu erfassen ist. Nach internationalen Rechnungslegungs-grundsätzen handelt es sich um einen annahmenbeding-ten versicherungsmathematischen Verlust, der nicht er-folgswirksam, sondern erfolgsneutral im Eigenkapital er-fasst wird. Um die konkreten Auswirkungen auf Ihr Un-ternehmen zu ermitteln, wenden Sie sich bitte an Ihren HEUBECK-Kundenbetreuer.

PM HEUBECK AG Gustav-Heinemann-Ufer 72 a 50968 Köln

Weitere Informationen zur Pensionszusage finden Sie unter

Tonnagebesteuerung: EuGH hebt Urteil über das „spanische True-Lease-Modell“ auf

Der Gerichtshof hebt das Urteil des Gerichts über das „spanische True-Lease-Modell“ auf.

Das Gericht hatte den Beschluss der Kommission, wonach dieses Modell eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, für nichtig erklärt.

Ab Mai 2006 gingen bei der Kommission mehrere Beschwerden über das sog. „spanische True-Lease-Modell“ (Sistema español de arrendamiento fiscal, SEAF) ein. Mit ihnen wurde gerügt, dass dieses Modell es den Reedereien ermögliche, von spanischen Schiffswerften gebaute Schiffe mit einem Preisnachlass zwischen 20 % und 30 % zu erwerben, was sich negativ auf die Verkäufe der Schiffswerften anderer Mitgliedstaaten auswirke.

Das SEAF beruhte auf einer von einer Bank, die als Vermittlerin zwischen einer Reederei (Käufer) und einer Schiffswerft (Verkäufer) fungierte, ad hoc gegründeten rechtlichen und finanziellen Einheit. Die Bank schaltete im Rahmen des Verkaufs des Schiffs eine Leasinggesellschaft und eine von der Bank gegründete wirtschaftliche Interessenvereinigung (WIV) zwischen. Letztere veräußerte an Investoren Beteiligungen an der WIF, die das Schiff ab dessen Baubeginn von einer Leasinggesellschaft leaste und es anschließend im Rahmen eines Bareboat-Chartervertrags an die Reederei verleaste. Der Zweck dieser Ausgestaltung bestand darin, Steuervorteile für die an der WIV beteiligten Investoren zu schaffen und einen Teil dieser Vorteile (in Höhe von 85 % bis 90 %) an die Reederei in Form eines Nachlasses auf den Schiffspreis weiterzugeben, wobei den Investoren die übrigen Vorteile (von 10 % bis 15 %) als Investitionsrendite verblieben. Die Vorteile ergaben sich aus fünf steuerlichen Maßnahmen für Finanzierungs-Leasingverträge (beschleunigte Abschreibung und – genehmigungsabhängig – vorzeitige Abschreibung bestimmter Waren), für die WIV (steuerliche Transparenz) und für Tätigkeiten auf See (spezielle Tonnagebesteuerung).

Mit Beschluss vom 17. Juli 20131 vertrat die Kommission die Ansicht, dass drei der fünf geprüften steuerlichen Maßnahmen eine staatliche Beihilfe für die WIV und ihre Investoren darstellten, die Spanien ab dem 1. Januar 20022 rechtswidrig gewährt habe. Die Beihilfe wurde für teilweise mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt. Zur Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verlangte die Kommission die Rückforderung der Beihilfe nur im Rahmen bestimmter Transaktionen. Ihre Rückforderung wurde nur von den Investoren angeordnet, ohne dass diese Begünstigten die damit verbundene Belastung an andere Personen weitergeben konnten.

Spanien, Lico Leasing (ein Finanzinstitut, das in eine Reihe am SEAF beteiligter WIV investiert hat) sowie Pequeños y Medianos Astilleros Sociedad de Reconversión (ein Unternehmen, das mit kleinen und mittleren Schiffswerften zusammenarbeitet, um es ihnen zu ermöglichen, ihre gewerblichen Ziele angemessen zu verwirklichen) beantragten beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission3. Mit Urteil vom 17. Dezember 20154hat das Gericht den Beschluss der Kommission für nichtig erklärt. Die Kommission hat daraufhin beim Gerichtshof die Aufhebung des Urteils des Gerichts beantragt5.

Mit seinem Urteil hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf und verweist die Rechtssache an das Gericht zurück.

Der Gerichtshof führt zunächst aus, dass das Gericht den das Verbot staatlicher Beihilfen betreffenden Art. 107 Abs. 1 AEUV falsch ausgelegt hat. Das Gericht ist nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die WIV allein deswegen nicht die Begünstigten einer staatlichen Beihilfe sein könnten, weil aufgrund ihrer steuerlichen Transparenz nicht sie, sondern die Investoren in den Genuss der steuerlichen und wirtschaftlichen Vorteile aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen gekommen seien. Da die WIV eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, stellten sie aber Unternehmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Es waren die WIV, die bei der Steuerverwaltung die vorzeitige Abschreibung geleaster Vermögenswerte beantragten und erhielten und die dafür optierten, anstelle des normalen Körperschaftsteuersystems die Tonnagebesteuerung anzuwenden. Außerdem waren es die WIV, die in zwei Phasen durch die Kombination der fraglichen steuerlichen Maßnahmen steuerliche Vorteile erzielten. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Vorteile gingen zwar in vollem Umfang auf die Mitglieder der WIV über, doch wurden die fraglichen steuerlichen Maßnahmen auf die WIV angewandt, und sie waren die unmittelbaren Begünstigten der damit verbundenen Vorteile. Diese Vorteile begünstigten die von ihnen ausgeübte Tätigkeit des Erwerbs von Schiffen mittels Leasingverträgen, insbesondere zwecks ihrer Bareboat-Charter und ihres späteren Wiederverkaufs. Das Gericht hat somit dadurch, dass es allein aufgrund der Rechtsform der WIV und der daran anknüpfenden Regeln über die Besteuerung der Gewinne ausgeschlossen hat, dass sie Begünstigte staatlicher Beihilfen sein können, die Rechtsprechung außer Acht gelassen, wonach die Qualifizierung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ weder von der Rechtsform der betroffenen Unternehmen noch von den verwendeten Techniken abhängen kann.

Der Gerichtshof hebt hervor, dass die vom Gericht in seinem Urteil vorgenommene Prüfung auf dieser unzutreffenden Prämisse beruht, wonach nur die Investoren und nicht die WIV als Begünstigte der Vorteile aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen angesehen werden konnten. Folglich ist die Voraussetzung der Selektivität fälschlich in Bezug auf die Investoren und nicht auf die WIV geprüft worden. Überdies hat sich das Gericht bei seiner Prüfung dieser Voraussetzung auch auf zwei von ihm am 7. November 2014 verkündete Urteile (Rechtssachen Banco Santander und Santusa/Kommission sowie Autogrill España/Kommission)6 gestützt, die später vom Gerichtshof mit Urteil vom 21. Dezember 20167 aufgehoben wurden. Dem Gericht ist daher ein Rechtsfehler unterlaufen, als es entschieden hat, dass die Vorteile der an den Transaktionen im Rahmen des SEAF beteiligten Investoren nicht als selektiv angesehen werden könnten, weil diese Transaktionen jedem Unternehmen unter gleichen Bedingungen unterschiedslos offenstünden, ohne dass es geprüft hat, ob die Kommission dargetan hatte, dass die fraglichen steuerlichen Maßnahmen durch ihre konkreten Wirkungen zu einer Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern führten, obwohl sich die durch die Steuervorteile begünstigten und die von ihnen ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf das mit dieser Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befanden.

Schließlich führt der Gerichtshof aus, dass der Beschluss der Kommission entgegen dem vom Gericht gezogenen Schluss weder mit einem Begründungsmangel behaftet noch widersprüchlich begründet ist.

Fußnoten

1Beschluss 2014/200/EU der Kommission vom 17. Juli 2013 über die staatliche Beihilfe SA.21233 C/11 (ex NN/11, ex CP 137/06) Spaniens – Auf bestimmte Finanzierungs-Leasingvereinbarungen anwendbares Steuersystem, das auch als spanisches True-Lease-Modell bezeichnet wird (ABl. 2014, L 144, S. 1) (vgl. IP-13-706 der Kommission).

2Einige der für das SEAF geltenden Steuerbestimmungen wurden von Spanien im Jahr 2012, vor dem Erlass des Beschlusses der Kommission vom 17. Juli 2013, geändert. Aufgrund der vorgenommenen Änderungen ging die Kommission in ihrem Beschluss vom 20. November 2012 über die staatliche Beihilfe SA.34736 (12/N) betreffend die Umsetzung einer steuerlichen Regelung durch das Königreich Spanien, die eine vorzeitige Abschreibung bestimmter durch Finanzierungsleasing erworbener Aktiva erlaubt (ABl. 2012, C 384, S. 1), davon aus, dass die neue Regelung keine staatliche Beihilfe darstelle (vgl. IP-12-1241 der Kommission). Das Gericht der Europäischen Union wies mit Urteil vom 9. Dezember 2014, Netherlands Maritime Technology Association/Kommission (T-140/13), eine Klage gegen diesen Beschluss ab. Das dagegen eingelegte Rechtsmittel wurde vom Gerichtshof zurückgewiesen (Rechtssache C-100/15 P, Netherlands Maritime Technology Association/Kommission).

3Vor dem Gericht sind 63 weitere Klagen gegen diesen Beschluss der Kommission anhängig.

4Urteil vom 17. Dezember 2015, Spanien/Kommission sowie Lico Leasing, SA und Pequeños y Medianos Astilleros Sociedad de Reconversión, SA/Kommission (verbundene Rechtssachen T-515/13 und T-719/13; vgl. Pressemitteilung Nr. 150/15).

534 spanische Kreditinstitute, Unternehmen und Reedereien sind dem Rechtsmittelverfahren als Streithelferinnen beigetreten.

6Urteile des Gerichts vom 7. November 2014, Banco Santander und Santusa/Kommission (T-399/11), und Autogrill España/Kommission (T-219/10); vgl. auch Pressemiteilung Nr. 145/14.

7Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (verbundene Rechtssachen C-20/15 P und C-21/15 P); vgl. auch Pressemitteilung Nr. 139/16. Die Rechtssachen sind an das Gericht zurückverwiesen worden.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 25.07.2018 zum Urteil C-128/16 P vom 25.07.2018

Keine Prozesskostenhilfe für Streit mit Jobcenter um monatlich 1,85 Euro

Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der Staatskasse wird abgelehnt. Der Wert der Klage um die Kosten von Zündstrom für eine Gastherme ist derart gering und die Klage derart einfach zu begründen, dass rechtsanwaltliche Hilfe nicht erforderlich ist. Ein Kläger, der seine Anwaltskosten selbst tragen müsste und den intellektuellen und beruflichen Hintergrund der Klägerin hätte, würde den Prozess vor dem Sozialgericht vernünftigerweise allein führen.

Zum Hintergrund

Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist gerichtskostenfrei. Es besteht auch keine Verpflichtung, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Dennoch nimmt eine erhebliche Zahl von Klägern anwaltliche Hilfe in Anspruch. Wenn sie die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen können und der Rechtsstreit hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, erhalten sie hierfür Prozesskostenhilfe (PKH, vgl. § 73 a Sozialgerichtsgesetz, § 114 Zivilprozessordnung). Der Staat ordnet ihnen dann einen Anwalt bzw. eine Anwältin ihrer Wahl bei und trägt deren Kosten (sofern nicht am Ende des Prozesses der Beklagte ohnehin die Kosten tragen muss, weil er den Prozess verloren hat). Auf diese Weise soll die „Waffengleichheit“ zwischen den Klägern und den Behörden mit ihren rechtskundigen Sachbearbeitern sichergestellt werden.

Zum Fall

Die Klägerin aus Berlin Steglitz hat früher als Selbständige eine gewerbliche Zimmervermietung betrieben. Nun bezieht sie Hartz IV-Leistungen vom Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf. Mit Hilfe einer Anwaltsfirma hat sie Ende 2017 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Über das bereits bewilligte Arbeitslosengeld II hinaus begehrt sie vom beklagten Jobcenter ab Januar 2018 die Übernahme von 1,85 Euro monatlich (= 22,20 Euro jährlich). So viel kostet der Zündstrom zum Betrieb der Gastherme, mit der sie auch Warmwasser erhitzt. Zugleich hat die Klägerin bei dem Gericht einen Antrag auf Gewährung von PKH gestellt.

Zur Entscheidung

Mit Beschluss vom 12. Juni 2018 hat der Vorsitzende der 179. Kammer den PKH-Antrag abgelehnt. Der Rechtsstreit habe nicht in einem Umfang Aussicht auf Erfolg, der die Gewährung von PKH rechtfertige. Für 1,85 Euro monatlich würde ein nicht bedürftiger Antragsteller mit dem intellektuellen Stand und beruflichen Erfahrungshintergrund der Klägerin vernünftigerweise keine Anwaltskanzlei beauftragen, sondern den Prozess, der ja gerichtskostenfrei sei, selbst führen. Die Prozesskostenhilfe ermögliche nicht, einen Anwalt ohne Beachtung des Verhältnisses zwischen Streitwert und Kostenrisiko zu beauftragen. Zwar seien Rechtsstreitigkeiten nicht allein wegen eines niedrigen Streitwerts mutwillig. Entscheidend sei jedoch, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führten, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien verletzt sei, also ein deutliches Ungleichgewicht im Kenntnisstand und den Fähigkeiten der beiden Prozessparteien bestehe. Dies sei hier nicht der Fall. Der Klägerin sei es möglich, die Auseinandersetzung um die möglicherweise zu Unrecht nicht gewährten 1,85 Euro sprachlich und inhaltlich zu erfassen und eigene Rechtsschutzziele zu formulieren.

Quelle: SG Berlin, Pressemitteilung vom 25.07.2018 zum Beschluss S 179 AS 12363/17 vom 12.06.2018

BFH zur Umsatzsteuer: EuGH-Vorlage zu Sportvereinen

Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt an der Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen, die Sportvereine gegen gesondertes Entgelt erbringen. Mit Beschluss vom 21. Juni 2018 V R 20/17 hat er daher ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet.

Im Streitfall erbrachte der Kläger, ein Golfverein, verschiedene Leistungen gegen gesondert vereinbartes Entgelt. Dabei handelte es sich insbesondere um die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes (Greenfee), um die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mittels eines Ballautomaten und um die Durchführung von Golfturnieren, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte. Das beklagte Finanzamt sah diese Leistungen als umsatzsteuerpflichtig an. Demgegenüber bejahte das Finanzgericht eine Steuerfreiheit, die sich zwar nicht aus dem nationalem Recht, aber aus dem Unionsrecht und dabei aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ergebe.

Hieran zweifelt der BFH. Aus der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil British Film Institute vom 15. Februar 2017 C-592/15, EU:C:2017:117) könne abgeleitet werden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL keine unmittelbare Wirkung zukomme, sodass sich Steuerpflichtige auf diese Bestimmung nicht berufen können, um sich gegen eine Steuerpflicht nach nationalem Recht zu wehren.

Sollte der EuGH eine unmittelbare Wirkung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL verneinen, würde dies zu einer Rechtsprechungsänderung führen. Denn der BFH hat in der Vergangenheit eine unmittelbare Wirkung und Berufbarkeit bejaht. Dies führte insbesondere zu einer aus dem Unionsrecht abgeleiteten Steuerfreiheit für die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes (Greenfee) und für die leihweise Überlassung von Golfbällen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 41/18 vom 25.07.2018 zum Beschluss V R 20/17 vom 21.06.2018

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin