Ries­ter-Ren­te wird noch at­trak­ti­ver

Änderungen durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz auch bei der privaten Altersvorsorge

Der Bundesrat hat am 7. Juli 2017 dem Betriebsrentenstärkungsgesetz zugestimmt. Im Fokus dieses Gesetzes standen die Betriebsrenten. Das Gesetz enthält jedoch eine Reihe von Maßnahmen, die die Riester-Rente für Sparer noch interessanter machen.

1. Erhöhung der Zulage

Der Gesetzgeber hat beschlossen, ab dem 1. Januar 2018 die Grundzulage um über 13,5 % von 154 Euro pro Jahr auf 175 Euro pro Jahr zu erhöhen. Hat man einen Riester-Vertrag, bekommt man die volle Zulage von nunmehr 175 Euro, wenn man mind. 4 % seiner Einkünfte (max. 2.100 Euro abzüglich Zulage) pro Jahr in seinen Riester-Vertrag einzahlt. Für jedes Kind, das nach dem 31. Dezember 2007 geboren wurde, erhält der Sparer zusätzlich noch eine Kinderzulage in Höhe von 300 Euro pro Jahr und Kind (für davor geborene Kinder 185 Euro pro Jahr). Das klingt zunächst nicht viel. Für eine Person mit zwei Kindern, die jedoch 20 Jahre in einen Riester-Vertrag einzahlt, summieren sich allein die Zulagen durch den Staat auf 15.500 Euro. Zuzüglich der eingezahlten Eigenbeiträge kommt damit ein ordentliches Finanzpolster für die eigene Altersvorsorge zusammen, das die im Alter zur Verfügung stehenden Einkünfte entsprechend erhöht. Darüber hinaus kann der Steuerpflichtige in der Einkommensteuererklärung die Eigenbeiträge (zuzüglich der zunächst erhaltenen Zulage) als Sonderausgaben bis max. 2.100 Euro  geltend machen, was sich – je nach Einkommensverhältnissen – als noch günstiger im Vergleich zur bloßen Zulage erweisen kann. Die Differenz zwischen der steuerlichen Auswirkung des Sonderausgabenabzugs und der erhaltenen Zulage bekommt der Riester-Sparer dann von seiner Einkommensteuer abgezogen.

Durch die Erhöhung der Grundzulage auf 175 Euro ist der Abschluss eines Riester-Vertrages für die private Altersvorsorge damit noch attraktiver.

2. Verfahrensverbesserungen

Beamte, Richter, Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit u. ä., die einen Riester-Vertrag haben, müssen einwilligen, dass die Besoldungsstelle ihre Besoldungsdaten an die ZfA übermittelt. Die ZfA benötigt diese Daten, um die Zulage berechnen zu können. Die Einwilligung muss bisher bei Beamten etc. bis zwei Jahre nach dem Ablauf des jeweiligen Beitragsjahres erteilt worden sein.

Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren ab dem Beitragsjahr 2019 neu konzipiert. Die Einwilligung ist nun grundsätzlich im Beitragsjahr zu erteilen. Stellt sich dann heraus, dass diese vergessen wurde, kann die Einwilligung nachträglich, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Festsetzungsverfahrens nachgeholt werden. Dies hat den Vorteil, dass die fehlende Einwilligung früher bemerkt wird, der Fehler behoben werden kann und die Zulagenförderung nicht verloren geht.

Bis zum Wirksamwerden der Neuregelung in 2019 wird die Zulageberechtigung für davorliegende Beitragsjahre zeitnah von der ZfA vor Ablauf der Zweijahresfrist geprüft. Stellt sie fest, dass eine Einwilligung fehlt, werden die Betroffenen angeschrieben und zur Abgabe der Einwilligungserklärung aufgefordert. Erteilen sie daraufhin zeitnah innerhalb der Zweijahresfrist die Einwilligung, wird dadurch eine Rückforderung der Zulage verhindert.

3. Kleinbetragsrentenabfindung

Ist der monatliche Rentenanspruch bei einem Riester-Vertrag sehr gering, hat der Anbieter das Recht diesen Rentenanspruch mit einer Einmalzahlung zu Beginn der Auszahlungsphase abzufinden. Diese Einmalzahlung ist dann im Jahr der Auszahlung voll steuerpflichtig, soweit sie auf geförderten Beiträgen beruht. Ab dem Veranlagungszeitraum 2018 werden diese Einmalzahlungen ermäßigt besteuert. Die sogenannte „Fünftelregelung“ ist nun in diesen Fällen entsprechend anzuwenden.

Neue Riester-Produkte müssen ab 2018 auch ein Wahlrecht für den Riester-Sparer enthalten. Künftig kann dieser dann wählen, ob er die Abfindung seiner Kleinbetragsrente zu Beginn der Auszahlungsphase erhalten möchte oder zum 1. Januar des darauffolgenden Jahres. So kann beispielsweise erreicht werden, dass die Abfindung in dem Jahr des ersten vollen Rentenbezugs gezahlt wird. Dann hat man üblicherweise geringere Einkünfte und die Steuerlast, die sich durch die Einmalzahlung ergibt, ist geringer.

4. Grundsicherung

Viele Menschen, die befürchten, im Rentenalter vielleicht auf Grundsicherung im Alter angewiesen zu sein, haben die Sorge, dass sich Altersvorsorge für sie nicht lohnen könnte. Durch die Schaffung eines neuen Freibetrags in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden Riester-Renten zukünftig bei der Berechnung der Grundsicherungsleistungen nicht mehr voll angerechnet. Es wird ein Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich für die Bezieher dieser Leistungen gewährt. Ist die Riester-Rente höher als 100 Euro, ist der übersteigende Betrag zu 30% anrechnungsfrei. Auf diese Weise können bis zu 202 Euro anrechnungsfrei gestellt werden. Die Deckelung greift immer dann, wenn der zu gewährende Freibetrag diesen Betrag übersteigt.

Beispiel 1:

Ein Rentner erhält 160 Euro Riester-Rente monatlich. Diese Einkünfte reichen allerdings nicht aus, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Er beantragt daher Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Seine Riester-Rente ist dabei als Einkommen anzurechnen. Allerdings greift hier dann der neue Freibetrag: Bei seiner Riester-Rente sind 100 Euro anrechnungsfrei sowie 30% der übersteigenden 60 Euro (=18 Euro). Insgesamt sind dann 118 Euro anrechnungsfrei, und es werden nur 42 Euro bei der Berechnung der Grundsicherungsleistungen als Einkommen berücksichtigt. Die 118 Euro behält der Riester-Rentner zusätzlich zu den Grundsicherungsleistungen bzw. seinen anderen Einkünften.

Dies ist ein wichtiges Signal, dass sich die private Altersvorsorge in jedem Fall lohnt.

5. Doppelverbeitragung

In der betrieblichen Altersversorgung besteht die Möglichkeit, dass man sich seine Beiträge auch durch Riester fördern lassen kann. Dies ist vor allem für Sparer mit Kindern attraktiv, da sie neben der Förderung durch die Grundzulage auch die Kinderzulagen erhalten können. Dies ist für diesen Personenkreis oft vorteilhafter als die klassische bAV-Förderung durch die Steuer- und Beitragsfreistellung der eingezahlten Beiträge. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Förderung ist, dass die Beiträge aus dem versteuerten und verbeitragten Einkommen gezahlt werden.

Allerdings waren diese Renten dann in der Auszahlungsphase als Renten aus der betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es kam also zu der sog. „Doppelverbeitragung“: Sowohl die Beiträge als auch die daraus resultierenden Leistungen unterlagen der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde dieser Umstand geändert. Leistungen aus dem sog. „betrieblichen Riester“ unterliegen in der Auszahlungsphase nicht mehr der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Förderung der betrieblichen Altersversorgung durch Riester wird dadurch für viele noch attraktiver.

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Angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall

Die angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall unterliegt dem Vermögensschutz des § 90 Abs. 3 SGB XII. Einer Bezieherin von Hilfe zur Pflege sind die Mittel zu belassen, die sie für eine angemessene Bestattung zurückgelegt hat.

Der Sachverhalt

Die 1929 geborene Klägerin befand sich seit Oktober 2015 in vollstationärer Pflege und bezog ab Juni 2016 Hilfe zur Pflege von dem beklagten Landkreis. Bereits im Mai 2016 hatte sie einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen und 6.300 Euro auf ein Treuhandsammelkonto eingezahlt. In den angefochtenen Bescheiden stellte der Beklagte fest, die Klägerin verfüge über ein Vermögen in Höhe von 3.187,09 Euro. Der die Vermögensfreigrenze (zum damaligen Zeitpunkt 2.600 Euro) übersteigende Betrag in Höhe von 587,09 Euro sei als einzusetzendes Vermögen zu leisten. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass für eine würdige Bestattung in einem geschützten Bestattungsvorsorgevertrag 4.000 Euro angemessen seien. In dieser Höhe sei der Bestattungsvorsorgevertrag anrechnungsfrei.

Die Entscheidung

Die Klage gegen den Vermögenseinsatz in Höhe von 587,09 Euro hatte Erfolg. Das Gericht stellte zunächst fest, dass das Anliegen von Menschen, bereits zu Lebzeiten für die Zeit nach dem Tod vorzusorgen, hinsichtlich der Art und Weise der Bestattung durch Bestattungsvorsorgeverträge ermöglicht werde. Es sei mittlerweile hinreichend anerkannt, dass die Verwertung eines angemessenen Vermögens, das der Bestattungsvorsorge diene, als unzumutbare Härte anzusehen sei. Der Gesetzgeber habe deshalb eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für nicht erforderlich gehalten.

Bestattungsvorsorgeverträge seien dann nach § 90 Abs. 3 SGB XII geschützt, wenn sie angemessen seien. Hinsichtlich der Bestattungsvorsorgeverträge sei zur Bestimmung der Angemessenheit die örtlichen Preise für eine Bestattung und die Beurteilung der Wünsche des Vorsorgenden entscheidend. Die Angemessenheit habe sich nach der Besonderheit des Einzelfalles zu orientieren (§ 9 SGB XII), insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen und örtlichen Verhältnisse sowie nachvollziehbare Wünsche. Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge sei zunächst auf die Kosten abzustellen, die die örtlich zuständige Behörde als erforderliche Kosten der Bestattung nach § 74 SGB XII zu übernehmen habe. Dieser Grundbetrag sei bis zur Grenze der Angemessenheit zu erhöhen. Hierbei dienten die Kosten einer durchschnittlichen Bestattung als Richtschnur. Bereits die Kosten für eine einfache Bestattung beliefen sich im Bundesdurchschnitt auf ca. 5.000 Euro. Die Festlegung eines Betrages sei vor dem Hintergrund der an dem Einzelfall orientierten Definition des Begriffs der Angemessenheit, die auch die konkreten Friedhofsgebühren berücksichtigen müsse, kaum möglich, liege jedoch keinesfalls unter 5.000 Euro.

Quelle: SG Gießen, Pressemitteilung vom 14.09.2017 zum Urteil S 18 SO 160/16 vom 25.07.2017 (rkr)

 

Arbeitsrecht: Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung

Wie viele Fehler sind erlaubt? Die Leistung eines Einzelnen muss in Relation zu der aller vergleichbaren Arbeitnehmer beurteilt werden

ArbG Siegburg, Pressemitteilung vom 14.09.2017 zum Urteil 3 Ca 1305/17 vom 25.08.2017 (nrkr)

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach Abmahnung seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Qualität oder Quantität erfüllt. Der Arbeitnehmer muss tun, was er kann, und zwar so gut, wie er kann. Der Arbeitgeber muss jedoch mit seinem Vortrag das Gericht in die Lage versetzen, feststellen zu können, dass bei dem Arbeitnehmer eine die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitende Leistung vorliege. Auch muss er weitere Umstände vortragen, dass und warum darin eine vorwerfbare Pflichtverletzung liege.

Das Arbeitsgericht Siegburg hatte über die Kündigungsschutzklage eines Kfz.-Mechanikers zu entscheiden, dem wegen schlechter Arbeitsleistungen verhaltensbedingt gekündigt worden war. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer vor, bei einem Werkstatttest nur vier von sechs Fehlern erkannt sowie bei einem Auftrag anstehende Servicearbeiten nicht durchgeführt zu haben. Dies schade dem Ruf des Autohauses. Nach drei vorausgegangenen Abmahnungen könne man keinen Besserungswillen beim Kläger feststellen.

Die 3. Kammer des Arbeitsgerichts hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Der Arbeitgeber habe weder die Leistungen des Klägers über einen repräsentativen Zeitraum noch die Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer dargelegt. So habe das Gericht nicht erkennen können, ob der Kläger seine vertraglichen Verpflichtungen vorwerfbar verletzt habe.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Quelle: ArbG Siegburg

Pfändung einer Internet-Domain zulässig

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 20. Juni 2017 (Az. VII R 27/15) unter Aufhebung der Entscheidung des 7. Senats des Finanzgerichts Münster vom 16. September 2015 (Az. 7 K 781/14 AO) die Voraussetzungen präzisiert, unter denen das Finanzamt Ansprüche aus einem Internet-Domainvertrag pfänden kann.

Die Klägerin ist eine Registrierungsstelle, die Internet-Domains verwaltet und betreibt. Aufgrund rückständiger Steuern eines ihrer Kunden, dem Betreiber eines Onlineshops, pfändete das Finanzamt dessen Anspruch gegenüber der Klägerin auf Aufrechterhaltung der Registrierung der Internet-Domain.

Der 7. Senat des Finanzgerichts Münster wies die gegen die auf Aufhebung der Pfändung gerichtete Klage der Klägerin ab. Bei den Rechten aus einem Domainvertrag handele es sich um pfändbare Vermögensrechte. Gegenstand der Pfändung sei dabei nicht die Internet-Domain als solche, die nur eine technische Adresse im Internet darstelle, sondern die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Domaininhaber gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustünden. Das Finanzamt habe mit der Pfändung auch keine pfändungsfremden Ziele verfolgt, sondern sich das Zugriffsrecht auf die Ansprüche des Unternehmers aus dem Domainvertrag gesichert. Die Genossenschaft könne als Drittschuldnerin in Anspruch genommen werden, da sie Schuldnerin der Ansprüche aus dem Domainvertrag sei.

Diese Auffassung hat der Bundesfinanzhof im Wesentlichen bestätigt. Er hob das erstinstanzliche Urteil dennoch auf, da nicht erkennbar sei, ob die gepfändeten Rechte einen Wert hätten, der die Vollstreckungskosten übersteigt. Anderenfalls wäre die Vollstreckungsmaßnahme wegen des Verbots der zwecklosen Pfändung als unverhältnismäßig anzusehen. Das Finanzgericht Münster wird im zweiten Rechtsgang (Az. 11 K 2670/17 AO) Feststellungen zur Werthaltigkeit nachholen müssen.

Entfernungspauschale gilt auch bei Hin- und Rückfahrt an verschiedenen Tagen

Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 14. Juli 2017 (Az. 6 K 3009/15 E) entschieden, dass die Entfernungspauschale für Fahrten eines Flugbegleiters zum Beschäftigungsort auch dann nur einmal zu gewähren ist, wenn die Rückfahrt nicht am selben Tag vorgenommen wird wie die Hinfahrt.

Der Kläger ist als Flugbegleiter tätig, was häufig mehrtägige Einsätze erfordert. Für das Streitjahr 2014 beantragte er den Ansatz sämtlicher Fahrtkosten zu seinem Beschäftigungsort nach Dienstreisegrundsätzen. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch lediglich die Entfernungspauschale, wobei es diese für diejenigen Arbeitseinsätze, bei denen Hin- und Rückfahrt auf unterschiedliche Tage fielen, jeweils nur einmal gewährte.

Der Senat wies die hiergegen erhobene Klage ab. Zunächst könne der Kläger nur die Entfernungspauschale beanspruchen, weil sein Beschäftigungsort als erste Tätigkeitsstätte anzusehen sei. Dies ergebe sich daraus, dass er sich für den typischen Arbeitseinsatz immer im Gebäude seines Arbeitgebers an dem im Arbeitsvertrag genannten Beschäftigungsort habe einfinden müssen. Dort hätten sich auch die Briefing-Räume und das Postfach des Klägers befunden. Von einem anderen Ort aus habe er niemals seine Einsätze begonnen.

Die Entfernungspauschale sei lediglich einmal pro Hin- und Rückfahrt anzusetzen. Die Pauschale sei für jeden Tag zu gewähren, an dem der Arbeitnehmer seine erste Tätigkeitsstätte von seiner Wohnung aus aufsuche. Für die Rückfahrt an einem anderen Tag sei kein weiterer Werbungskostenabzug vorgesehen. Diese Auslegung führe auch zu einer sachgerechten Abbildung der wirtschaftlichen Belastung und zu einer Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Die Gegenauffassungen, wonach die Entfernungspauschale nur bei einem arbeitstäglichen Hin- und Rückweg in Betracht komme bzw. im Falle lediglich einer kalendertäglichen Hin- oder Rückfahrt jeweils nur die hälftige Entfernungspauschale anzusetzen sei, fänden weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze.

Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 42/17 anhängig.

Höhe der Nachzahlungszinsen ist verfassungsgemäß

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 17. August 2017 (Az. 10 K 2472/16) entschieden, dass die Höhe der Nachzahlungszinsen von 6% in den Jahren 2012 bis 2015 noch verfassungsgemäß ist.

Das Finanzamt setzte gegenüber den Klägern Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2010 und 2011 fest. Der Zinslauf umfasste die Monate April 2012 bis Dezember 2015. Die Kläger machten hiergegen u.a. geltend, die Höhe der Verzinsung sei angesichts der andauernden Niedrigzinsphase fernab der Realität und damit verfassungswidrig.

Die Kläger sind Eheleute. Für das Streitjahr 2011 wurden die Kläger im Dezember 2013 zur Einkommensteuer veranlagt, nachdem sie die Steuererklärung im Februar desselben Jahres abgegeben hatten. Bezüglich des Streitjahres 2010 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung im Januar 2016, nachdem ihm weitere Beteiligungseinkünfte des Klägers mitgeteilt worden waren. Aus beiden Einkommensteuerbescheiden ergab sich eine nachzuzahlende Einkommensteuer, für die das Finanzamt jeweils (Nachzahlungs-)Zinsen festsetzte. Insgesamt waren von den Klägern für die Monate April 2012 bis Dezember 2015 Zinsen zu zahlen. Die Kläger legten gegen die Zinsfestsetzungen Einspruch ein und machten u.a. geltend, die Höhe der Verzinsung sei angesichts der andauernden Niedrigzinsphase fernab der Realität und damit verfassungswidrig. Das Finanzamt wies die Einsprüche zurück.

Die hiergegen erhobene Klage wies der 10. Senat des Finanzgerichts Münster ab. Die gesetzliche Verzinsungsregelung sei verfassungsgemäß. Mit der Festlegung eines festen Zinssatzes von 0,5 % pro Monat bzw. 6 % pro Jahr für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen habe der Gesetzgeber den Rahmen für eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung nicht überschritten. Die Marktzinsen hätten sich in den Jahren 2012 bis 2015 auch nicht in einer Weise entwickelt, dass der Zinssatz nicht mehr als hinreichend realitätsgerecht anzusehen sei, denn in diesem Zeitraum hätten die Mittelwerte aus den Marktzinsen für Darlehen sowie für Anlagen zwischen 4,49 % und 3,66 % gelegen. Es handele sich um eine Typisierung über einen sehr langen Zeitraum: Der Gesetzgeber habe den Zinssatz seit seiner Einführung trotz erheblicher Zinsschwankungen in beide Richtungen nicht geändert.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage hat der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Abgrenzung von gewerblichem Grundstückshandel und privatem Veräußerungsgeschäft bei Verkauf nach Betriebsaufgabe

Der 4. Senat hat mit Urteil vom 5. April 2017 (Az. 4 K 1740/16) entschieden, dass der Verlust aus einer Grundstücksveräußerung nicht bei den gewerblichen Einkünften, sondern nur eingeschränkt bei den sonstigen Einkünften zu berücksichtigen ist, wenn langjährig land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke nach einer Betriebsaufgabe veräußert werden.

Der Kläger ist seit über 30 Jahren als gewerblicher Grundstückshändler tätig. Daneben hatte er auf im Jahr 1992 erworbenen Grundstücken einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, für den er zum 30. Juni 2005 die Betriebsaufgabe erklärte. Im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe traf der Kläger mit dem Finanzamt (FA) eine tatsächliche Verständigung, wonach die Grundstücke zu einem bestimmten Wert (Teilwert) als entnommen und im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als angeschafft gelten. Nachdem der Kläger im Rahmen der Liquidation des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs die Grundstücke im Streitjahr 2009 verkauft hatte, machte er den hieraus entstandenen Veräußerungsverlust bei seinen gewerblichen Einkünften als Grundstückshändler geltend. Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, dass der Verlust aus der Veräußerung der Grundstücke nicht dem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen sei. Es liege ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 23 EStG vor.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Veräußerung der Grundstücke nicht dem gewerblichen Grundstückshandel des Klägers zuzuordnen sei. Die Grundstücke seien weder gewillkürtes noch notwendiges Betriebsvermögen des Grundstückshandels gewesen. Der Kläger habe die Grundstücke im Jahr 1992 nicht mit Veräußerungsabsicht gekauft, sondern um darauf langfristig Land- und Forstwirtschaft zu betreiben. Die Entnahme des Objekts aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen stelle mangels Rechtsträgerwechsel keine Anschaffung dar. Die Entnahme sei auch nicht aus sonstigen Gründen als Anschaffung für den gewerblichen Grundstückshandel des Klägers zu behandeln. Ein gewerbliches Grundstücksgeschäft liege nicht vor, wenn die Fruchtziehung durch Selbstnutzung oder Vermietung im Vordergrund stehe. Erwerb und Veräußerung des Grundstücks stellten dann lediglich Beginn und Ende dieser auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit dar. Diese Grundsätze würden nicht lediglich für Grundstücke im Privatvermögen gelten. Jede langfristige „Fruchtziehung“ habe in dieser Weise indizielle Bedeutung. Es komme nicht darauf an, ob die (Selbst-)Nutzung zu privaten Wohnzwecken oder im Rahmen einer Überschusseinkunftsart, z. B. Vermietung, oder aber im Rahmen einer Gewinneinkunftsart stattfinde. Maßgeblich sei nur, dass der Steuerpflichtige – wie hier der Kläger – die Absicht habe, aus dem zu erhaltenden Substanzwert des Grundstücks durch langfristige (Selbst-)Nutzung Früchte zu ziehen.

Die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG zur Anschaffungsfiktion bei Entnahme eines Grundstücks sei im Anwendungsbereich des § 15 EStG nicht analog anwendbar. Das ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass für die Beurteilung des gewerblichen Grundstückshandels – anders als im Anwendungsbereich des § 23 EStG – weder gesetzliche noch starre Fristen gelten. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG regele auch nicht die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebs- oder Privatvermögen, sondern setze Letzteres voraus.

Aus der tatsächlichen Verständigung zwischen dem Kläger und dem FA ergebe sich kein anderes Ergebnis. Das FA sei nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, den Verlust aus der Veräußerung des Objekts den Verlusten aus § 23 EStG zuzuordnen. Der Kläger und das FA hätten sich nur über die Entnahmewerte bei Betriebsaufgabe verbindlich verständigen können. Eine tatsächliche Verständigung über die künftige Behandlung einer etwaigen Veräußerung des Objekts konnte und wurde nicht getroffen. Im Übrigen sei schon nicht ansatzweise ersichtlich, weshalb die im Rahmen der tatsächlichen Verständigung getroffene Feststellung, die „Privatentnahme des Grundstücks“ gelte „als Anschaffung im Sinne des § 23 EStG“ die Auffassung des Klägers stützen soll, die Veräußerung der Grundstücke sei dem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen.

Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. X R 26/17).

 Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 31.07.2017 zum Urteil 4 K 1740/16 vom 05.04.2017 (nrkr – BFH-Az.: X R 26/17)

 

Keine Berücksichtigung von Kindergeld, aber von Betreuungsgeld beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen

Mit Urteil vom 11. Juli 2017 (Az. 14 K 2825/16 E) hat der 14. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass das Betreuungsgeld als eigener Bezug der unterstützten Mutter im Sinne von § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG zu berücksichtigen ist, nicht aber das Kindergeld.

Der Kläger gewährt der Mutter seiner beiden Kinder, mit der er in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, Unterhalt. Hierfür beantragte er den Abzug als außergewöhnliche Belastungen. Das Finanzamt kürzte die abzugsfähigen Unterhaltsleistungen um das von der Mutter im Streitjahr 2015 bezogene Betreuungsgeld nach §§ 4a ff. BEEG sowie das anteilige auf die Mutter entfallende Kindergeld. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass Kindergeld und Betreuungsgeld nicht für den eigenen Lebensunterhalt der Mutter bestimmt seien.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. In Bezug auf das Kindergeld teilte das Gericht die Auffassung des Klägers und sah es nicht als eigenen Bezug der Mutter an. Nach der Grundkonzeption des Familienleistungsausgleichs diene das Kindergeld der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes und der Förderung der Familie. Dementsprechend werde es auch im Sozialrecht als Einkommen des Kindes angesehen.

Demgegenüber werde das Betreuungsgeld nur für diejenigen Kinder gezahlt, die nicht in einer Tageseinrichtung, sondern von einem Elternteil betreut werden. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes solle es die eigene Erziehungsleistung von Eltern mit Kleinkindern anerkennen und unterstützen. Es schaffe daher einen Ausgleich zu einer nicht in Anspruch genommenen anderweitig zur Verfügung gestellten staatlichen Sachleistung und sei damit zur Sicherung des Unterhalts der Mutter geeignet und bestimmt.

FG Münster, Mitteilung vom 15.08.2017 zum Urteil 14 K 2825/16 vom 11.07.2017

 

Neue Musterklage: Straßenausbaubeiträge von der Steuer absetzen

Bund der Steuerzahler unterstützt Klage von Grundstücksbesitzern

Dürfen Hauseigentümer die Erschließungsbeiträge für den Straßenausbau von der Steuer absetzen? Der Bund der Steuerzahler (BdSt) lässt dies mit einer neuen Musterklage prüfen und unterstützt das Gerichtsverfahren eines Ehepaars aus Brandenburg. Umstritten ist, ob die Erschließungsbeiträge, die Anwohner für die Erneuerung einer Gemeindestraße zahlen müssen, als Handwerkerleistungen in der Einkommensteuererklärung abgesetzt werden können, wenn die Maßnahme von der öffentlichen Hand erbracht und per Bescheid abgerechnet wird.

Im konkreten Fall ließ die Gemeinde Schönwalde-Glien (Land Brandenburg) eine Sandstraße ausbauen und beteiligte die Anwohner an den Erschließungskosten. Aufgrund des Vorauszahlungsbescheids mussten die Kläger mehr als 3.000 Euro für den Ausbau der Straße zahlen. In den Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2015 machte das Ehepaar die Kosten als Handwerkerleistung geltend. Da nur die Arbeitskosten, nicht aber Materialkosten bei der Steuer abgezogen werden dürfen, im Vorauszahlungsbescheid der Gemeinde jedoch nur eine Gesamtsumme ausgewiesen war, schätzte die Steuerberaterin die Arbeitskosten auf 50 Prozent. Das Finanzamt erkannte die Erschließungsbeiträge nicht an und verwies auf das BMF-Schreiben vom 9. November 2016, wonach Maßnahmen der öffentlichen Hand nicht nach § 35a EStG begünstigt sind. Gegen den ablehnenden Einspruchsbescheid richtet sich nun die Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az. 3 K 3130/17).

Der Bund der Steuerzahler lässt diesen Fall überprüfen, weil die Finanzgerichte die Rechtsfrage bisher unterschiedlich beurteilt haben: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg versagte in einem früheren Fall den Steuerabzug für Straßenausbaubeiträge, da ein Zusammenhang zum Haushalt fehle, denn auch ohne Straßenanschluss sei das Führen eines Haushalts möglich (Az. 11 K 11018/15). Das Finanzgericht Nürnberg berücksichtigte die Erschließungskosten für den Straßenausbau hingegen als Handwerkerleistung und ließ eine Schätzung der Arbeitskosten aus dem Kostenbescheid zu (Az. 7 K 1356/14). Der Bundesfinanzhof erlaubt ebenfalls eine Schätzung der Arbeitskosten (Az. VI R 56/12), entschied aber nur einen Fall zum Wasseranschluss, sodass die Rechtfrage zu Straßenausbaubeiträgen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.

Empfehlung

Ebenfalls betroffenen Grundstückseigentümern empfiehlt der Bund der Steuerzahler, die Kosten für die Erschließung der Straße auch dann in der Einkommensteuererklärung anzugeben, wenn der Straßenausbau von der Gemeinde durchgeführt wird. Akzeptiert das Finanzamt die Ausgaben nicht, sollte gegen den eigenen Steuerbescheid Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Zur Begründung kann auf die Musterklage des Steuerzahlerbundes und zusätzlich auf das Verfahren des Bundesfinanzhofs zur Abwasserversorgung (Az. VI R 18/16) hingewiesen werden.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 03.08.2017

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin