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Wird eine Abfindung bei Selbstständigen auch ermäßigt besteuert?

Kernproblem
Für so genannte außerordentliche Einkünfte sind Steuervergünstigungen zur Einkommensteuer möglich. Am bekanntesten ist hierbei der ermäßigte Steuersatz für Veräußerungs- oder Aufgabegewinne, der einen Vorteil von 44 % auf den ansonsten anzuwendenden Durchschnittssteuersatz bringt. Eher Arbeitnehmern ist die Besteuerung der Abfindungen des Arbeitgebers für den Verlust des Arbeitsplatzes bekannt. Wenn es mit der Entschädigung zu einer „Zusammenballung von Einkünften“ im Zuflussjahr kommt, sollen Progressionsnachteile durch die so genannte Fünftelregelung abgemildert werden. Vereinfacht ausgedrückt wird hierbei die fiktive Einkommensteuerbelastung von 1/5 der Entschädigung ermittelt, um diese dann anschließend mit 5 zu multiplizieren. Dadurch kommt es zu Progressionsvorteilen, wenn man sich nicht ohnehin im Spitzensteuersatz befindet. Erhält ein Selbstständiger eine Abfindung, kann er sich grundsätzlich nicht auf den Progressionsvorteil berufen, denn bei ihm gehört die Abwicklung von Leistungsstörungen zum „Tagesgeschäft“. Ein Rechtsanwalt versuchte es trotzdem.

Sachverhalt
Der Anwalt schloss mit einer GmbH einen langjährigen Rechtsberatungsvertrag, der ihm neben einer Versorgungszusage ein jährliches Beratungshonorar von netto 0,2 % des Planumsatzes der GmbH einbrachte. Nach vorzeitiger Kündigung durch die Gesellschaft einigte man sich vor Gericht auf eine Abfindung von 1,7 Mio. DM. Das Finanzamt verweigerte jedoch die vom Anwalt beantragte Tarifbegünstigung mit der Begründung, die Kündigung eines Beratungsvertrags und der Abschluss eines Vergleichs seien für einen Rechtsanwalt ein normaler und üblicher Geschäftsvorfall. Zudem habe der Anwalt trotz Wegfalls des Beratungsvertrags keine Einnahmeausfälle erlitten. So sah es auch das Finanzgericht, doch die Revision führte die Beteiligten zum Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Der BFH sah in der Entschädigung ein besonderes Ereignis, das unabhängig von der Einkunftsart gleichbehandelt werden müsse und eine Tarifbegünstigung hervorrufen könne. Die Besonderheit begründete der BFH mit der rechtlichen, wirtschaftlichen der tatsächlichen Druckposition des Anwalts, die ihn zum Abschluss des Vergleichs veranlasste. Weiter wurde ausgeführt, dass die Entschädigung zwar nicht für den Verlust der einzigen, jedoch (gemessen an der Gesamttätigkeit) wesentlichen Einkunftsquelle geleistet werden müsse. Zudem verlangen die Richter für eine Gleichbehandlung eine arbeitnehmerähnliche Ausgestaltung des Rechtsberatungsvertrags. Dies muss das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen.

Konsequenz
Entscheidend sind für den BFH u. a. Kriterien wie feste Vergütung und Laufzeit, Kündigungsschutz, Anspruch auf Urlaub, Sozialleistungen und betriebliche Altersvorsorge, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Fehlen von Unternehmerrisiko und -initiative sowie Kapitaleinsatz oder die Eingliederung in den Betrieb.

Keine Fünftel-Methode bei ausländischen Veräußerungsverlusten

Kernproblem

Veräußert ein im Inland ansässiger Steuerpflichtiger einen im Ausland belegenen Betrieb oder eine dort betriebene freiberufliche Praxis, so wird der hieraus erzielte Gewinn im Inland regelmäßig steuerfrei gestellt, wenn mit dem ausländischen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Allerdings wird der (im Inland steuerfreie) Gewinn bei der Ermittlung des inländisches Steuersatzes berücksichtigt. Dieser sog. Progressionsvorbehalt wird aber abgeschwächt, wenn es sich bei dem Veräußerungsgewinn um außerordentliche Einkünfte i. S. d. Einkommensteuergesetzes handelt. Sind solche außerordentlichen Einkünfte in den steuerfrei bezogenen ausländischen Einkünften enthalten, werden diese bei der Berechnung des inländischen Steuersatzes nur zu einem Fünftel berücksichtigt (sog. Fünftel-Methode). Die Finanzgerichte hatten nunmehr zu klären, ob die Regelung auch korrespondierend für ausländische Veräußerungsverluste gilt.

Sachverhalt

Der im Inland ansässige Steuerpflichtige veräußerte im Streitjahr 2006 eine in der Schweiz belegene Zahnarztpraxis. Hieraus erzielte er einen Veräußerungsverlust, der nicht mit inländischen Gewinnen verrechnet werden konnte. Streitig war nun die Berücksichtigung des Veräußerungsverlustes bei der Ermittlung des inländischen Einkommensteuersatzes. Nach Auffassung des Finanzamts war der Verlust nur zu einem Fünftel zu berücksichtigen. Die hiergegen gerichtete Klage des Zahnarztes, der eine volle Berücksichtigung begehrte, war erfolgreich.

Entscheidung

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der in der Schweiz erzielte Verlust in vollem Umfang – und nicht nur zu einem Fünftel – bei der Ermittlung des inländischen Einkommensteuersatzes zu berücksichtigen. Zwar umfasse der steuerrechtliche Begriff der „Einkünfte“ unterschiedslos sowohl Gewinne als auch Verluste, indes seien Veräußerungsverluste – im Gegensatz zur Veräußerungsgewinnen – keine außerordentlichen Einkünfte. Dies begründet der BFH mit dem Gesetzeszweck der für die außerordentlichen Einkünfte geltenden Fünftelregelung, die die infolge einer progressiven Besteuerung eintretende Härte im Veräußerungsgewinnfall abmildern soll.

Konsequenz

Der BFH verneint somit – zumindest im vorliegenden Fall – die Frage, ob auch Veräußerungsverluste als außerordentliche Einkünfte zu qualifizieren sein können. Allerdings hat er ausdrücklich offen gelassen, ob er an diesem Rechtsverständnis festhalten würde, wenn in demselben Veranlagungszeitraum neben dem Veräußerungsverlust auch ein Veräußerungsgewinn als (weitere) außerordentliche Einkunft hinzutritt.