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Fristlose Kündigung: darf bei Streit um Lohn die Arbeit verweigert werden?

Fristlose Kündigung: darf bei Streit um Lohn die Arbeit verweigert werden?

Kernaussage
Wer sich beharrlich weigert, seine Arbeit auszuführen, weil er denkt, er sei nicht ausreichend vergütet, riskiert eine fristlose Kündigung. Auch ein Irrtum schützt hier nicht vor der Kündigung. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein kürzlich entschieden.

Sachverhalt
Der 49-jährige Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin seit gut einem Jahr als Bodenleger beschäftigt. Für bestimmte Bodenverlegearbeiten war ein Akkordsatz vereinbart, ansonsten ein Stundenlohn von 12 EUR. Der Kläger sollte in 40 nahezu identischen Häusern im Akkord Bodenbelag verlegen. Dabei musste er vorbereitend – wie üblich – auch den Belag in die einzelnen Häuser transportieren, den Untergrund reinigen sowie den Belag zu- und Dämmstreifen abschneiden. Nach 2 Tagen Arbeit rechnete er sich seinen Durchschnittsstundenlohn aus und kam auf einen Betrag von 7,86 EUR brutto. Daraufhin forderte er vom Geschäftsführer einen adäquaten Stundenlohn für diese Baustellen oder aber einen anderen Einsatzort. Dieser lehnte beides ab und forderte den Kläger in mehreren Gesprächen eindringlich auf, die zugewiesene Arbeit auszuführen. Zuletzt drohte er ihm die fristlose Kündigung an. Der Kläger hielt an seiner Verweigerungshaltung fest. Das Arbeitsverhältnis wurde daraufhin fristlos gekündigt. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Dem Kläger habe noch die Möglichkeit gegeben werden müssen, seine Position zu überdenken und zu überprüfen. Dem folgte das Landesarbeitsgericht nicht und hob die Entscheidung auf.

Entscheidung
Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger die Arbeit nicht verweigern durfte, weil zu Bodenverlegearbeiten unstreitig Zusammenhangsarbeiten gehörten. Daran ändere auch eine möglicherweise unzureichende Vergütungsabrede nichts. Es galt die getroffene Vereinbarung. Der Kläger musste daher erst einmal die zugewiesene Arbeit verrichten und durfte sie nicht zurückhalten. Den Vergütungsstreit hätte er ggf. später nach Erhalt der Abrechnung führen müssen. Dass sich der Kläger insoweit über ein Zurückbehaltungsrecht geirrt hat, war unbeachtlich. Das Irrtumsrisiko trage der Arbeitnehmer. Wegen der Beharrlichkeit der Weigerung war hier die fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Konsequenz
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Fristlose Kündigung bei heimlicher Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung

Fristlose Kündigung bei heimlicher Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung

Kernfrage

Mitglieder des Betriebsrates genießen besonderen Kündigungsschutz. Sie können aber (auch fristlos) gekündigt werden, wenn ihnen besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen, insbesondere im Rahmen ihrer Amtsausübung, zur Last gelegt werden können. Unter anderem ist es unzulässig, Betriebsratssitzungen ohne vorherige Ankündigung auf Tonband aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte über die Zulässigkeit und die Beweisanforderungen an eine fristlose Kündigung wegen des heimlichen Aufnehmens einer Betriebsratssitzung zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war langjährig unbeanstandet im Unternehmen beschäftigt und Mitglied des Betriebsrates. Kurz vor Beginn einer Betriebsratssitzung war sie auf ihrem Handy angerufen worden und hatte zum Telefonat den Raum verlassen. Als sie zurückkehrte, meinte eine weitere Teilnehmerin der Sitzung, sie habe das Handy noch eingeschaltet und zeichne die Sitzung auf. Die weiteren Einzelheiten der Sitzung und der Auseinandersetzung darüber, ob das Handy eingeschaltet gewesen war, sind streitig geblieben. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aufgrund des Vorfalls nach Anhörung fristlos. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hatte die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Entscheidung

Das Gericht stellte zwar fest, dass das heimliche Aufzeichnen von Betriebsratssitzung wegen des Verstoßes gegen die Persönlichkeitsrechte der weiteren Teilnehmer und des an das Amt des Betriebsrats gestellten Vertrauenserfordernisses geeignet sei, auch eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, selbst wenn lediglich der dringende Verdacht bestehe. Im konkreten Fall sei aber nicht zweifelsfrei erwiesen, dass ein heimliches Abhören überhaupt vorgelegen habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit langen Jahren unbeanstandet im Unternehmen beschäftigt gewesen sei. Hinzu komme, dass sich der Betriebsrat aus eigenem Recht hätte gegen das Abhören verteidigen können, so dass nicht zwingend damit zu rechnen gewesen sei, dass der Arbeitgeber mit Kündigung reagiere. Im Übrigen wäre es dem Arbeitgeber durch Abmahnung möglich gewesen, die Klägerin für die Zukunft auf die Sensibilität ihres Amtes hinzuweisen.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht angesichts der Beweislage nicht. Dem Grunde nach ist die heimliche Aufnahme einer Betriebsratssitzung aber geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Allerdings wird auf Beweisebene nachgewiesen werden müssen, dass ein bewusstes und gewolltes Mitschneiden vorgelegen hat.

Fristlose Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubs?

Fristlose Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubs?

Kernaussage

Fährt ein Arbeitnehmer ohne vorherige Zustimmung seines Arbeitgebers eigenmächtig in Urlaub, stellt dieses Verhalten eine schwerwiegende Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entscheid nun, dass eine solche Pflichtverletzung nicht immer eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit über 30 Jahren bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit beschäftigt und nach dem auf ihren Arbeitsvertrag anwendbaren Tarifvertrag ordentlich unkündbar. Seit dem Spätsommer 2009 war sie wegen körperlicher und psychischer Beschwerden arbeitsunfähig. Im Januar 2010 erklärte sie gegenüber dem beklagten Arbeitgeber, voraussichtlich ab Ende Februar 2010 wieder arbeitsfähig zu sein, jedoch auf Anraten ihres Arztes bis Mitte März 2010 zur besseren Genesung in Urlaub fahren zu wollen. Die Beklagte bewilligte den Urlaub nicht und drohte arbeitsrechtliche Konsequenzen an, falls die Klägerin nicht Ende Februar zur Arbeit erscheine. Diese trat den Urlaub dennoch an, verlängerte ihn zudem und kündigte an, direkt im Anschluss daran eine Reha-Maßnahme anzutreten. Mitte März kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Landesarbeitsgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Entscheidung

Durch die unwirksame Kündigung wurde das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Zwar hat sich die Klägerin bewusst darüber hinweggesetzt, dass die beklagte Arbeitgeberin deutlich gemacht hatte, eine Selbstbeurlaubung werde arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Hier wäre jedoch lediglich eine fristgerechte Kündigung angemessen gewesen. Zugunsten der Klägerin sprechen die lange Betriebszugehörigkeit, während der es zu keinerlei Beanstandungen gekommen war und der Umstand, dass sie geglaubt hatte, noch nicht wieder vollständig gesund zu sein und deshalb des Urlaubs dringend zu bedürfen. Eine Umdeutung der fristlosen in eine ordentliche Kündigung kam allerdings nicht in Betracht, da der Arbeitsvertrag der Klägerin ordentlich nicht kündbar war.

Konsequenz

Auch bei einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung kann dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar sein. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt war und glaubt, zur endgültigen Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit eines Urlaubs zu bedürfen.

Keine fristlose Kündigung bei Verzehr von Pommes Frites und Frikadellen

Keine fristlose Kündigung bei Verzehr von Pommes Frites und Frikadellen

Rechtslage

Die „Emmely“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat dazu geführt, dass der im Arbeitsrecht geltende Grundsatz, dass eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers unabhängig von der Schadenshöhe und unabhängig von der Betriebszugehörigkeit immer die fristlose Kündigung auslöst, aufgeweicht worden ist. Seit Emmely kann insbesondere die langjährige Betriebszugehörigkeit eine Interessenabwägung erforderlich machen, die zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen kann. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte jetzt im Geltungsbereich der Emmely-Entscheidung zu urteilen.

Sachverhalt

Der 50-jährige Kläger war 19 Jahre beim Arbeitgeber in der Kantine beschäftigt. Der Arbeitgeber warf ihm vor, trotz bestehender Weisungen bei einem Durchgang durch die Küche Pommes frites sowie 2 Frikadellen zum Verzehr an sich genommen zu haben, ohne diese zu bezahlen. Nachdem der Kläger, auf den Vorfall angesprochen, auch noch unkooperativ war, kündigte der Arbeitgeber wegen dieses Vorfalls außerordentlich fristlos sowie hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist und bewertete das Verhalten des Klägers als Diebstahl; zumindest bestehe ein Diebstahlverdacht.

Entscheidung

Der Arbeitgeber unterlag zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht. Selbst wenn der Sachverhalt als unstreitig und wahr angenommen werden müsse, könne der Vorfall in der vorliegenden Konstellation keinen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darstellen. Insbesondere die 19-jährige Betriebszugehörigkeit und der Umstand, dass der Kläger nach geltenden Tarifverträgen nur noch außerordentlich kündbar sei, ließen eine Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfallen. Auch das unkooperative Verhalten im Anschluss an den Vorfall sei nicht für eine fristlose Kündigung geeignet. Als milderes Mittel hätte zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen.

Konsequenz

Die Entscheidung liegt auf der Emmely Linie. Jedenfalls bei „geringeren“ Delikten wird heute eine Interessenabwägung erforderlich sein, bevor eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann. Bei sehr langer Betriebszugehörigkeit wird diese wohl zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen.