1. Wann sind nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Urteil vom 06.05.2024 (III R 7/22) klargestellt, dass eine unentgeltliche Betriebsübergabe an Familienangehörige auch dann vorliegen kann, wenn der Betrieb negatives Eigenkapital aufweist und der Übernehmer Schulden übernimmt. In solchen Fällen können Aufwendungen des Übergebers, die mit seiner früheren Betriebsführung zusammenhängen, auch nach der Übertragung als nachträgliche Betriebsausgaben abgezogen werden.
2. Sachverhalt im Streitfall
Die Klägerin betrieb bis 2004 ein Einzelunternehmen, das sie unentgeltlich an ihren Vater übertrug. Der Vater verpflichtete sich, betriebliche Schulden, einschließlich Beiträgen an die Urlaubskasse, zu übernehmen. Nach der Übertragung wurde die Klägerin jedoch später gerichtlich zur Nachzahlung von Beiträgen an die Urlaubskasse verurteilt, da ihr Vater insolvent wurde und die Zahlungen nicht leisten konnte.
- Die Klägerin zahlte die Beiträge in den Jahren 2014 bis 2016 und wollte diese als nachträgliche Betriebsausgaben steuerlich geltend machen.
- Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) lehnten den Abzug ab, weil sie von einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebs ausgingen.
- Der BFH sah die Revision der Klägerin jedoch als begründet an und hob das Urteil des FG auf.
3. Unentgeltliche Betriebsübertragung
- Eine Betriebsübertragung gilt als unentgeltlich, wenn der Übernehmer (hier: der Vater) vom Übertragenden (hier: die Klägerin) bereichert werden soll. Bei Übertragungen innerhalb der Familie wird dies grundsätzlich unterstellt.
- Bei unentgeltlicher Übertragung sind die übertragenen Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG beim Übernehmer mit den Buchwerten fortzuführen. Dies bedeutet, dass dem Betriebsübergeber kein Übertragungsgewinn entsteht.
- Die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Übernehmer steht der Unentgeltlichkeit nicht entgegen, auch wenn das Betriebsvermögen aufgrund der Schulden negativ ist.
4. BFH-Entscheidung: Anwendung auf den Streitfall
Der BFH entschied, dass die Übertragung des Betriebs als unentgeltlich zu betrachten sei, da die Klägerin ihren Vater bereichern wollte, obwohl das Eigenkapital des Betriebs negativ war.
- Formeller Bilanzenzusammenhang: Bei einer unentgeltlichen Übertragung gilt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs auch für den Rechtsnachfolger. Dies bedeutet, dass der Übernehmer unrichtige Bilanzansätze des Rechtsvorgängers übernehmen muss, was ggf. Auswirkungen auf den Gewinn hat.
- Abzug der Kosten: Der BFH entschied jedoch, dass die Kosten auch von dem ursprünglichen Betriebsinhaber (Übergeber) abgezogen werden können, sofern dieser die Aufwendungen tatsächlich trägt und diese im Zusammenhang mit dem ehemaligen Betrieb stehen.
- Die Klägerin konnte somit die nachträglichen Zahlungen an die Urlaubskasse als nachträgliche Betriebsausgaben nach § 24 Nr. 2 EStG geltend machen.
5. Praxishinweis
- Nachträgliche Betriebsausgaben: Positive und negative Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit können nach § 24 Nr. 2 EStG steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen.
- Nachträgliche Betriebsausgaben werden nach dem Zu- und Abflussprinzip berechnet, also bei tatsächlicher Zahlung abgezogen.
- Bedeutung für die Praxis: Auch wenn ein Betrieb unentgeltlich an einen Familienangehörigen übertragen wurde und dieser das Eigenkapital negativ war, können nachträgliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem früheren Betrieb stehen und die der Übergeber selbst trägt, steuerlich geltend gemacht werden.
Fazit: Eine Betriebsübertragung an einen Familienangehörigen ist auch bei negativem Eigenkapital unentgeltlich. Nachträgliche Aufwendungen, die mit dem früheren Betrieb des Übergebers zusammenhängen und von ihm getragen werden, können steuerlich als nachträgliche Betriebsausgaben abgesetzt werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 06.05.2024 – III R 7/22