Kalte Progression + Rechner
Kalte Progression: Ein stiller Dieb der Kaufkraft und die Pläne zu ihrer Abschaffung
Inhalt
Kalte Progression: Was ist das und wie wirkt sie sich aus?
Die kalte Progression beschreibt eine schleichende Steuererhöhung, die durch die Inflation und den progressiven Einkommensteuertarif entsteht. Obwohl das nominale Einkommen steigt, kann das reale Einkommen (Kaufkraft) aufgrund der Inflation sinken. Wenn gleichzeitig der Steuertarif nicht an die Inflation angepasst wird, rutschen Steuerpflichtige in höhere Steuerstufen, obwohl ihr reales Einkommen gleich geblieben ist oder sogar gesunken ist.
Beispiel:
Angenommen, das Einkommen steigt um 2% pro Jahr und die Inflation beträgt ebenfalls 2% pro Jahr. Ohne Anpassung des Steuertarifs würde ein Steuerpflichtiger nach einem Jahr in eine höhere Steuerstufe rutschen, obwohl sein reales Einkommen gleich geblieben ist.
Die Kalte Progression ist eine verdeckte Steuererhöhung, da durch die Inflation und die damit verbundenen Lohnerhöhungen mehr Arbeitnehmer in höhere Steuerstufen rutschen, was zu einer höheren Steuerlast führt, während die Kaufkraft ihres Einkommens durch die Inflation und die höhere Besteuerung sinkt.
Ein Rechner zur Ermittlung der kalten Progression ermöglicht es, diesen Effekt auf das eigene Einkommen zu überprüfen.
Kalte Progression Rechner
Folgen der kalten Progression:
- Verlust an Kaufkraft: Die kalte Progression führt zu einem Verlust an Kaufkraft, da die Steuerlast steigt, während das reale Einkommen gleich bleibt oder sinkt.
- Ungerechtigkeit: Die kalte Progression wirkt sich besonders stark auf untere und mittlere Einkommensgruppen aus, da diese einen höheren Anteil ihres Einkommens an Steuern zahlen.
- Hemmung der Wirtschaft: Die kalte Progression kann die Wirtschaft hemmen, da sie die Investitions- und Konsumbereitschaft der Steuerpflichtigen verringert.
Wer ist betroffen?
Die kalte Progression ist ein Phänomen, das in der öffentlichen Diskussion oft untergeht, aber dennoch tiefgreifende Auswirkungen auf die finanzielle Situation vieler Menschen in Deutschland hat. Sie wirkt wie ein stiller Dieb, der unbemerkt die Kaufkraft erodiert. Besonders in Zeiten hoher Inflation wird dieses Thema brisant, da nominelle Gehaltserhöhungen durch die steigende Steuerlast und den Verlust an Kaufkraft real weniger wert sind. Dies betrifft vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, die einen überproportionalen Teil ihres Einkommens an den Fiskus abführen müssen.
Weniger Geld in der Tasche trotz Gehaltserhöhung
Vor allem die mittlere Einkommensschicht spürt die Auswirkungen der kalten Progression. Das deutsche Steuersystem ist so gestaltet, dass mit steigendem Einkommen auch der Steuersatz steigt. Dies bedeutet, dass jede Gehaltserhöhung überproportional besteuert wird, was insbesondere bei geringen und mittleren Einkommen zu spüren ist.
"Die zusätzliche Steuerlast haben vor allem die Mittelschicht und höhere Einkommen getragen", sagt ifo-Präsident Clemens Fuest. Ohne Ausgleich kostete die kalte Progression die Privathaushalte im Jahr 2022 durchschnittlich knapp 325 Euro. Das entspricht 0,7 Prozent ihres verfügbaren Jahreseinkommens. Die obersten 10 Prozent der Einkommen zahlten fast 1.000 Euro mehr Einkommensteuern (inkl. Solidaritätszuschlag). Das entspricht in etwa 0,9 Prozent ihres Jahreseinkommens. Die obere Mittelschicht – Steuerzahlende, die rund 60.000 Euro zur Verfügung haben – trug im Verhältnis zum ihrem durchschnittlichen Jahreseinkommen die höchste Last.
Die inflationsbedingte kalte Progression hat die Steuerzahler in Deutschland im Jahr 2022 mit 10,9 Milliarden Euro belastet. Das geht aus Berechnungen des ifo Instituts hervor. Durch die damit verbundenen geringeren steuerlichen Beschäftigungsanreize blieben dem Staat so Mehreinnahmen von 9,3 Milliarden Euro.
Die Pläne zur Abschaffung
Diskussion:
Die Bekämpfung der kalten Progression ist ein wichtiges Thema in der Steuerpolitik. Es gibt verschiedene Ansätze, um dieses Problem zu lösen. Die Befürworter einer Anpassung des Steuertarifs argumentieren, dass dies die Gerechtigkeit und die Kaufkraft der Steuerpflichtigen stärke. Die Gegner einer Anpassung des Steuertarifs argumentieren, dass dies zu Mindereinnahmen bei den Steuereinnahmen führen würde.
Möglichkeiten zur Bekämpfung der kalten Progression:
- Anpassung des Steuertarifs: Die kalte Progression kann durch eine regelmäßige Anpassung des Steuertarifs an die Inflation vermieden werden.
- Indexierung des Steuertarifs: Der Steuertarif kann automatisch an die Inflation oder die Lohnentwicklung angepasst werden, um eine kalte Progression zu verhindern.
- Einführung eines Einheitssteuersatzes: Die Einführung eines Einheitssteuersatzes würde die kalte Progression abschaffen, da alle Einkommensgruppen mit dem gleichen Steuersatz besteuert würden.
Ein möglicher Ansatz zur Minderung der kalten Progression wäre die Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Kaufkraftentwicklung, um so die Steuerlast in Einklang mit der Inflation zu halten. Ein solcher automatischer Anpassungsmechanismus könnte jedoch vom Bundesfinanzministerium als inflationsfördernd angesehen werden.
Die Bundesregierung hat die negativen Auswirkungen der kalten Progression erkannt und Maßnahmen ergriffen, um diese zu bekämpfen. Ab dem 1. Januar 2023 sollen verschiedene Anpassungen greifen, darunter:
- Die Anhebung des Grundfreibetrags, um sicherzustellen, dass geringe Einkommen weniger stark besteuert werden.
- Die Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags, um Familien zu unterstützen.
- Die Anpassung der Freigrenze für den Solidaritätszuschlag, um die Steuerlast für mittlere Einkommen zu reduzieren.
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Steuerlast fairer zu gestalten und insbesondere diejenigen zu entlasten, die von der kalten Progression am stärksten betroffen sind.
Fazit
Die kalte Progression stellt eine indirekte Steuererhöhung dar, die viele Bürgerinnen und Bürger belastet, ohne dass es eines expliziten Beschlusses des Parlaments bedarf. Die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung sind ein wichtiger Schritt, um die Auswirkungen der kalten Progression zu mildern und die Kaufkraft der Menschen in Deutschland zu stärken. Es ist ein Gebot der Fairness, dass der Staat sich nicht an der Inflation bereichert, sondern aktiv Maßnahmen ergreift, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Die Umsetzung dieser Pläne wird zeigen, inwieweit es gelingt, die kalte Progression effektiv zu bekämpfen und die wirtschaftliche Gerechtigkeit in Deutschland zu fördern.
Fragen und Antworten zum Ausgleich der kalten Progression
Die kalte Progression ist ein Thema, das in Zeiten hoher Inflation besonders relevant wird. Doch was genau versteht man unter kalter Progression, und warum ist ihr Ausgleich so wichtig? Hier beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um dieses Thema.
Was ist die kalte Progression?
Kalte Progression bezeichnet den Effekt, dass bei steigenden Löhnen, die lediglich die Inflation ausgleichen, die Steuerlast proportional stärker ansteigt, da das Einkommen in höhere Steuerstufen rutscht. Obwohl das Realeinkommen gleichbleibt, zahlen Steuerpflichtige relativ mehr Steuern.
Warum ist der Ausgleich der kalten Progression wichtig?
Ohne Ausgleich führt die kalte Progression zu einer schleichenden Steuererhöhung für alle Einkommensklassen. Dies belastet insbesondere Geringverdiener und die Mittelschicht. Ein Ausgleich stellt daher eine Frage der Steuergerechtigkeit dar.
Was würde passieren, wenn die kalte Progression nicht ausgeglichen würde?
Ohne Gegenmaßnahmen würden Steuerpflichtige trotz gleichbleibender Kaufkraft mehr Steuern zahlen. Dies würde die Bürgerinnen und Bürger real finanziell schlechterstellen und die Kaufkraft schwächen.
Auf welcher Basis wird die kalte Progression bemessen?
Die Bundesregierung legt regelmäßig einen Bericht vor, der die Effekte der kalten Progression aufzeigt. Grundlage sind Modellrechnungen, die von einer Einkommenssteigerung in Höhe der Inflationsrate ausgehen.
Weshalb möchte die Bundesregierung die kalte Progression ausgleichen?
Der Ausgleich der kalten Progression ist ein Gebot der Fairness. Der Staat soll sich nicht an der Inflation bereichern, indem er von inflationsbedingten Lohnerhöhungen profitiert. Ziel ist es, die Bürgerinnen und Bürger sozial ausgewogen zu entlasten.
Seit wann wird die kalte Progression im Steuertarif korrigiert?
Seit 2016 passt der Gesetzgeber regelmäßig den Steuertarif an, um die Effekte der kalten Progression auszugleichen. Dies basiert auf dem alle zwei Jahre vorgelegten Steuerprogressionsbericht.
Wie soll die kalte Progression ausgeglichen werden?
Geplant ist, den Grundfreibetrag zu erhöhen und die Tarifeckwerte im Einkommensteuertarif zu verschieben. Dadurch soll die Inflation ausgeglichen und die Steuerlast fairer verteilt werden.
Wann soll der Ausgleich der kalten Progression in Kraft treten?
Der Ausgleich der kalten Progression ist ab dem 1. Januar 2023 vorgesehen.
Wer profitiert von den Plänen zum Ausgleich der kalten Progression?
Von den Plänen profitieren rund 48 Millionen Steuerzahler in Deutschland, darunter Arbeitnehmer, Rentner, Selbstständige und Unternehmer. Besonders Familien, Geringverdiener und Rentner sollen entlastet werden.
Wie profitieren Geringverdiener und Rentner von den Vorschlägen?
Durch die Anhebung des Grundfreibetrags und die Anpassung des Steuertarifs werden Geringverdiener und Rentner weniger Steuern zahlen müssen. Einige werden sogar vollständig von der Einkommensteuer befreit.
Wie werden Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, unterstützt?
Neben dem Ausgleich der kalten Progression plant die Bundesregierung, das Wohngeld zu stärken und das Bürgergeld einzuführen. Zudem soll der Mindestlohn erhöht werden, um die Kaufkraft zu stärken.
Profitieren Menschen mit hohen Einkommen überproportional?
Nein, der Ausgleich der kalten Progression ist so gestaltet, dass besonders hohe Einkommen nicht überproportional profitieren. Der progressive Steuertarif bleibt erhalten, und die Entlastung ist sozial ausgewogen.
Ist die Steuerentlastung vereinbar mit der Schuldenbremse?
Ja, die Mindereinnahmen des Staates sind im Haushaltsentwurf berücksichtigt, und Steuererhöhungen sind nicht erforderlich. Der Ausgleich der kalten Progression ist somit mit der Schuldenbremse vereinbar.
Fazit:
Die kalte Progression ist ein Problem, das die Kaufkraft der Steuerpflichtigen verringert und die Wirtschaft hemmen kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die kalte Progression zu bekämpfen. Die beste Lösung ist eine politische Entscheidung.
Der Ausgleich der kalten Progression ist ein wichtiger Schritt, um die Steuergerechtigkeit zu wahren und die Bürgerinnen und Bürger in Zeiten hoher Inflation zu entlasten. Durch die geplanten Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Steuerlast fair verteilt bleibt und die Kaufkraft gestärkt wird.
Aktuelles + weitere Infos
Zusammenfassung der Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur "kalten Progression"
Kernpunkte:
- Die deutsche Regierung hat die "kalte Progression" für die meisten Haushalte zwischen 2021 und 2024 weitgehend ausgeglichen und für viele Haushalte sogar überkompensiert. Das bedeutet, dass die meisten Arbeitnehmerhaushalte in Deutschland heute, wenn man sowohl Steuern und Sozialversicherungsbeiträge als auch Kindergeldzahlungen berücksichtigt, mindestens so viel Netto vom Brutto haben wie 2021, einige sogar deutlich mehr.
- Ausnahme sind Familien mit Kindern im mittleren Einkommensbereich, bei denen eine unterproportionale Erhöhung des Kindergeldes und erhöhte Sozialversicherungsbeiträge das Nettogehalt so stark schmälern, dass ihnen von jedem verdienten Euro netto weniger bleibt als 2021.
- Trotz der insgesamt unterstützenden Politik hat die Kaufkraft der meisten deutschen Arbeitnehmerhaushalte durch die hohe Inflation der letzten Jahre kaum Fortschritte gemacht. Betrachtet man nicht nur die Veränderung bei Steuern und Abgaben, sondern auch die haushaltsspezifische Inflation und die Lohnsteigerungen, so bleibt nur wenigen Haushalten spürbar mehr Kaufkraft als 2021.
Weitere Details:
- Die Studie wurde vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt.
- Die Forscher untersuchten die Entwicklung von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen, Kindergeld und Löhnen für verschiedene Haushaltstypen und Einkommensklassen zwischen 2021 und 2024.
- Sie stellten fest, dass die Steuer- und Abgabenbelastung für praktisch alle Single- und Paarhaushalte ohne Kinder entweder unverändert geblieben ist - abgesehen von kaum messbaren Veränderungen im Promillebereich - oder gesunken ist, und damit der Anteil des Nettoeinkommens am Bruttoeinkommen gestiegen ist.
- Besonders stark entlastet wurden Single-Haushalte mit Bruttoeinkommen von unter 20.000 Euro und mehr als etwa 50.000 Euro pro Jahr (bei Paaren ohne Kinder mit jeweils den doppelten Werten).
- Familien mit Kindern im mittleren Einkommensbereich wurden dagegen durch die Veränderungen bei Steuern, Abgaben und Kindergeld insgesamt etwas schlechter gestellt, zumindest wenn man alle Zahlungen einschließlich des Kinderbonus' 2021 berücksichtigt.
- Die Forscher fanden auch heraus, dass trotz des Ausgleichs der "kalten Progression" viele Arbeitnehmerhaushalte in Deutschland seit 2021 kaum Fortschritte in Bezug auf die Kaufkraft gemacht haben. Dies liegt daran, dass die Löhne in den letzten Jahren trotz vergleichsweise hoher nominaler Wachstumsraten in vielen Fällen nicht mit den Preisen Schritt gehalten haben.
- Dies gilt insbesondere für Haushalte mit Kindern, die aufgrund des hohen Anteils an Ausgaben für Lebensmittel und Energie in ihren Warenkörben eine besonders hohe Inflation erlebt haben.
- Alleinerziehende und Paarfamilien mit Kindern und mittleren Einkommen stehen daher in ihrer Gesamtkaufkraft etwas schlechter da als vor drei Jahren und verzeichnen gegenüber 2021 "Kaufkraftlücken" von bis zu 492 Euro.
- Die Kaufkraft von Arbeitnehmern, die eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie erhalten, wird derzeit gegenüber 2021 ebenfalls gestärkt. Mit der Prämie können auch Singles mit mittleren Einkommen einen Kaufkraftzuwachs um mehrere hundert Euro verbuchen, während ohne Prämie in dieser Gruppe die Kaufkraft praktisch stagniert. Da es sich bei den Prämien um Einmalzahlungen handelt, fällt dieser positive Effekt 2025 allerdings weg.
Fazit:
- Die deutsche Regierung hat bei der Einkommensteuer ihre Hausaufgaben gemacht, um eine Zusatzbelastung durch die hohe Inflation auszugleichen.
- Die Tarifparteien haben ebenfalls deutlich dazu beigetragen, dass die durch die Energie- und Nahrungsmittelschocks entstandenen Kaufkraftlücken bereits in diesem Jahr teils geschlossen, teils zumindest deutlich verkleinert wurden.
- Um Kaufkraftverluste zu vermeiden, müssen diese in den Tarifabschlüssen berücksichtigt werden.
- Eine allgemeine Senkung der Einkommensteuer ist nach dieser Analyse nicht erforderlich und sollte auch vor dem Hintergrund der engen Finanzierungsspielräume unter der Schuldenbremse sehr genau überlegt werden.
- Wollte man gezielt Familien mit niedrigeren bis mittleren Einkommen entlasten, sei dafür am besten eine stärkere Erhöhung des Kindergeldes geeignet.
Weitere Informationen:
- Bundesministerium der Finanzen: Kalte Progression: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/kalte-progression.html
- Wikipedia: Kalte Progression: https://de.wikipedia.org/wiki/Kalte_Progression