Archiv der Kategorie: Steuerrecht

Grobes Verschulden des Steuerberaters bei Verwendung einer „komprimierten“ Elster-Einkommensteuererklärung

Den Steuerberater trifft ein grobes Verschulden, wenn er seinem Mandanten lediglich eine „komprimierte“ Elster-Einkommensteuererklärung zur Überprüfung aushändigt, ohne vorher den maßgebenden Sachverhalt vollständig zu ermitteln und seinem Mandanten damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12 entschieden.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind zunächst in einem Haushalt gelebt. Wegen des Zusammenlebens mit der Kindsmutter stand ihm der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b des Einkommensteuergesetzes von 1.308 Euro nicht zu, so dass in seinen Einkommensteuererklärungen keine entsprechenden Angaben zu machen waren. Nach der Trennung von der Lebensgefährtin hatte er erstmals einen Anspruch auf den Entlastungsbetrag.

Der vom Kläger beauftragte Steuerberater fertigte – wie in den Vorjahren – die Steuerklärung für das Jahr 2007 anhand der Angaben des Klägers an, ohne Kenntnis von der Trennung zu haben. Er legte dem Kläger eine mit Hilfe des Programms „Elster“ erstellte komprimierte Einkommensteuerklärung zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an das Finanzamt vor. Diese Steuererklärung enthielt keine Rubriken – und damit auch keine Eintragungen – zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie im amtlichen Vordruck in der „Anlage Kind“ vorgesehen sind. Das Finanzamt erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.

Der Steuerberater erlangte erst nachträglich Kenntnis von der Trennung. Er beantragte für seinen Mandanten die Änderung des Einkommensteuerbescheids und die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags. Eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung kam nur in Betracht, wenn weder ein grobes Verschulden des Klägers noch ein ihm zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters vorgelegen haben sollte.

Der BFH bejahte ein grobes Verschulden des Steuerberaters. Indem dieser dem steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich eine komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überlassen habe, ohne den maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, habe er grob fahrlässig gehandelt. Damit habe er dem Kläger die Möglichkeit genommen, davon Kenntnis zu nehmen, dass – wie aus den Zeilen 35 ff. der „Anlage Kind“ des amtlichen Vordrucks ersichtlich – ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden könne und dass insoweit weitere Angaben erforderlich seien. Letztlich habe der Steuerberater durch sein Handeln die Verantwortung dafür übernommen, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben auch vollständig waren. Insoweit sei es auch unerheblich, dass der Ausdruck dieser Erklärung auf die Verwendung des Programms „Elster“ zurückzuführen sei.

BFH, Pressemitteilung Nr. 48/13 vom 07.08.2013 zum Urteil III R 12/12 vom 16.05.2013

ELSTER | Kein Java mehr erforderlich (FinMin)

Ab sofort gibt es eine deutliche Vereinfachung bei der Elektronischen Steuererklärung ELSTER. Die Zusatzsoftware Java muss nicht mehr verwendet werden, um das ElsterOnline-Portal nutzen zu können. Dies teilt das Bayerische Staatsministerium der Finanzen in einer aktuellen Pressemitteilung mit.

In der Vergangenheit ist die auf vielen PCs installierte Zusatzsoftware Java immer wieder aufgrund von Sicherheitsmängeln in die Kritik geraten. Zudem häuften sich technische Probleme bei der Verwendung von Java bei den Anwendern. Die Steuerverwaltung hat darauf reagiert – durch eine Neuprogrammierung kann nun auf Java verzichtet werden. Bislang war die Software technische Voraussetzung, um sich im ElsterOnline-Portal, dem Dienstleistungsportal der Steuerverwaltung, einloggen zu können.

„Dies erleichtert unter anderem die authentifizierte elektronische Abgabe der Lohnsteuer-Anmeldungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen, zu der viele Arbeitgeber und Unternehmer gesetzlich verpflichtet sind. Nur noch bis 31.08.2013 werden Steueranmeldungen ohne Authentifizierung akzeptiert“, so der IT-Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Finanzstaatssekretär Franz Josef Pschierer.

Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, Pressemitteilung v. 6.8.2013

Muster der Vordrucke im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für das Kalenderjahr 2013

Mit dem BMF-Schreiben werden die Muster der Vordrucke im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für die Voranmeldungszeiträume September bis Dezember 2013 bekannt gegeben.

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Umsatzsteuervoranmeldung online: www.umsatzsteuer-voranmeldung.de

 

Muster der Vordrucke im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und –
Vorauszahlungsverfahren für das Kalenderjahr 2013

Mit BMF-Schreiben vom 30. Oktober 2012 – IV D 3 – S 7344/12/10002 (2012/0988126),
BStBl I Seite 1087, wurden im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren
für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2013 die Vordruckmuster USt 1 A (UmsatzsteuerVoranmeldung 2013), USt 1 H (Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2013) und USt 1 E (Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2013) eingeführt.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der
Länder gilt Folgendes:
(1) Im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren werden für die Voranmeldungszeiträume ab September 2013 die beiliegenden Vordruckmuster eingeführt:
– USt 1 A Umsatzsteuer-Voranmeldung 2013
– USt 1E Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2013

 

(2) Durch Artikel 10 Nr. 6Buchstabe a und b i. V. m. Artikel 31 Abs. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 26.Juni 2013 (BGBl. I S. 1809) wurde
mit Wirkung vom 1. September 2013 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers für Lieferungen von Gas oder Elektrizität sowie von Wärme oder Kälte
durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG) auf Lieferungen
von Gas oder Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer ergänzt. Die Regelung beruht auf Art. 199a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe e MwStSystRL in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b der Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22.Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick
auf eine fakultative und zeitweilige Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft
(Reverse-Charge-Verfahren) auf Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und
Dienstleistungen (ABl. EU Nr. L 201 vom 26.7.2013, S. 4). Voraussetzung nach der nationalen Umsetzung ist, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst derartige
Leistungen erbringt bzw. – bei Lieferungen von Elektrizität – der liefernde Unternehmer und
der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g UStG sind. Die
Bemessungsgrundlage nebst Steuer für Lieferungen von Gas oder Elektrizität eines im Inland
ansässigen Unternehmers sind daher vom Leistungsempfänger als Steuerschuldner im Vordruckmuster USt 1 A ab 1. September 2013 in der Zeile 52 (Kennzahl – Kz – 84/85) anzugeben. Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte eines im Ausland ansässigen Unternehmerssind vom Leistungsempfänger als Steuerschuldner im Vordruckmuster USt 1 A
weiterhin in der Zeile 49 (Kz 52/53) einzutragen.
(3) Für durch den leistenden Unternehmer anzugebende steuerpflichtige Umsätze im Sinne
des § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a bzw. b UStG, für die der Leistungsempfänger die Steuer
nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet, ist im Vordruckmuster USt 1 A die Zeile 40 (Kz 60) vorgesehen.
(4) Die anderen Änderungen in den beiliegenden Vordruckmustern gegenüber den bisherigen
Mustern sind lediglich redaktioneller Art.
(5) Das Vordruckmuster USt 1 A ist im Aufbau und insbesondere im Kopf- und Verfügungsteil -soweit sachlich möglich – mit dem Vordruckmuster der Lohnsteuer-Anmeldung abgestimmt. Steueranmeldungsvordrucke sollen einheitlich sein, deshalb ist der Vordruck auf der
Grundlage des unveränderten Vordruckmusters (Absatz 1) herzustellen.
(6) Folgende Abweichungen sind zulässig:
1. Die im Kopfteil des Vordruckmusters USt 1 A eingedruckte Schlüsselzeile für die
Bearbeitung im automatisierten Steuerfestsetzungsverfahren (RPFEST) kann geändert
werden, wenn dies aus organisatorischen Gründen unvermeidbar ist.

2. Soweit die in dem Vordruckmuster USt 1 A enthaltenen Kennzahlen (z. B. im Verfü-
gungsteil) und die im Ankreuzschema enthaltene Jahreszahl „13“ für die Datenerfassung nicht benötigt werden, können sie mit Rasterungen versehen werden.
In den Fällen der Abweichung soll auf der Vorderseite des Vordruckmusters USt 1 A unten
rechts das jeweilige Bundesland angegeben werden. Anderenfalls soll diese Angabe unterbleiben.
(7) Die Umsatzsteuer-Voranmeldung 2013 ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz
durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu
übermitteln (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Informationen hierzu sind unter der Internet-Adresse
www.elster.de erhältlich.
(8) Die diesem Schreiben beigefügten Vordruckmuster ersetzen mit Wirkung vom
1. September 2013 die mit o. a. BMF-Schreiben vom 30. Oktober 2012 eingeführten Vordruckmuster USt 1 A (Umsatzsteuer-Voranmeldung 2013) und USt 1 E (Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2013). Das Vordruckmuster USt 1 H (Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2013) bleibt unverändert bestehen.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine
Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen
(http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Wirtschaft und Verwaltung –
Steuern – Veröffentlichungen zu Steuerarten – Umsatzsteuer -BMF-Schreiben/Allgemeines –
zum Herunterladen bereit.

 

Umsatzsteuer Änderungen des Umsatzsteuergesetzes durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes

 Durch das am 29.06.2013 im Bundesgesetzblatt 2013, Teil I Nr. 32, S. 1809 bekannt gegebene Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) haben sich u. a. Änderungen im UStG ergeben. Den das Umsatzsteuergesetz betreffenden Gesetzestext (Art. 10 AmtshilfeRLUmsG) sowie die Bestimmungen zum Inkrafttreten des Gesetzes (Art. 31 Amtshilfe RLUmsG) habe ich in  Anlage 1  beigefügt.

Durch die Neuregelungen bedarf es Anpassungen im UStAE . Hierzu werden derzeit begleitende BMF-Schreiben auf Bund-Länder-Ebene abgestimmt. Nach derzeitigem Stand betrifft dies folgende Punkte:

  • Leistungsort bei der langfristigen Vermietung von Beförderungsmitteln an Nichtunternehmer (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG )
  • Steuerbefreiung für Umsätze für die Luftfahrt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 UStG )
  • Ausstellung von Rechnungen (§§ 14 und 14a  UStG)
  • Änderungen in § 15 UStG

 

Darüber hinaus bitte ich Folgendes zu beachten:

 Steuerbefreiung für sog. Berufsbetreuer

Durch Einfügen von § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG wurde die Steuerbefreiung für sog. Berufsbetreuer ab 01.07.2013 nunmehr gesetzlich geregelt.

Für die Zeiträume vor dem 01.07.2013 haben der EuGH in seinem Urteil 15.11.2012 – C – 174/11 (BFH/NV 2013, 173 ) und auch der BFH im Gerichtsbescheid vom 25.04.2013 – V R 7/11 ( Anlage 2 ) entschieden, dass sich die Berufsbetreuer auf das günstigere EU-Recht berufen können.

Die Veröffentlichung der o. g. Urteile im BStBl II und deren Umsetzung wurde jedoch bisher nicht durch Bund und Länder erörtert.

Anhängige Einspruchsverfahren sind aus den o. g. Gründen weiterhin nicht zu erledigen (vgl. KurzInfo 68/2012). Nur wenn mit einem Unternehmer kein Einvernehmen über die Aussetzung der Einspruchserledigung erzielt werden kann und der Unternehmer ausdrücklich auf eine Entscheidung besteht, ist über den Einspruch zu entscheiden und die Steuerbefreiung nach EU-Recht zu versagen.

Berufsbetreuer, die aufgrund der Steuerbefreiung der Umsätze der Auffassung sind, ab dem Zeitraum Juli 2013/3. Quartal 2013 keine USt-Voranmeldungen mehr abgeben zu müssen, sind auf die weiterhin bestehende Abgabeverpflichtung hinzuweisen.

 Erweiterung der Steuerschuldnerschaft für Empfänger von Gas- und Stromlieferungen

Die bisher für Lieferung von Gas- und Strom durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer geltende Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers wurde durch § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b, Abs. 5 S. 4 UStG auf Gas- und Stromlieferungen durch inländische Wiederverkäufer erweitert.

Ausdrücklich ausgenommen von der o. g. Regelung ist die Lieferung von Strom, der mit einer Photovoltaikanlage erzeugt und in das Stromnetz eingespeist wird. Die Betreiber der Photovoltaikanlagen treten dabei nicht als Wiederverkäufer auf.

Vorsteuerabzug bei vollständigem Verlust sämtlicher Eingangsrechnungen

 Leitsatz

1. Sind sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert worden, ist dieser gestohlen worden und ist deshalb die Vorlage der Originalunterlagen unmöglich geworden, sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt (hier: Schätzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit 60 % der voranmeldeten Vorsteuerbeträge).

2. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung i. S. d. § 14 UStG ; das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden. Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben.

3. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis des Leistungseingangs nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben.

4. Bei Verlust der Eingangsrechnungen muss der Unternehmer die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs darlegen und hierfür Beweis anbieten; insbesondere muss vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der Vorsteuerabzug beantragt wird. Dieser Nachweis wird nicht durch den Beweisantrag erbracht, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, wenn zugleich jedoch eingeräumt wird, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich sind.

 Gesetze

AO § 162 Abs. 1
AO § 162 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
AO § 14

 Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der nach einer Außenprüfung ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 1998 bis 2001 vom 21. Juni 2007.

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der … GmbH (GmbH 1). Bei dieser hatte Anfang 1999 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1997 stattgefunden. Dabei wurde festgestellt, dass zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH 1 als Organgesellschaft seit 1996 eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. In Tz. 21 des Betriebsprüfungsberichts betreffend die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 führte das FA aus, dass die Umsätze des Organkreises durch den Kläger als Organträger zu erklären seien und er ab dem 1. Januar 1999 eingereichte Voranmeldungen zu berichtigen habe. Sodann führte das FA im Bp-Bericht aus, dass aus verwaltungstechnischen Gründen die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft nicht geändert würden.

Im Mai 2003 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) gegen den Kläger eine Prüfungsanordnung wegen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Feststellung des Gewinns für die Jahre 1998 bis 2001. Der Prüfer bat den Kläger im Sommer 2003 erfolglos um Vorlage der für die Prüfung notwendigen Unterlagen. Der Kläger beantragte wiederholt die Verschiebung des Prüfungsbeginns. Parallel hierzu beschloss die Gesellschafterversammlung im August 2003 die Umfirmierung der GmbH 1 in C. GmbH. Im Jahre 2004 veräußerte diese im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen an die neu gegründete D. GmbH, die im Dezember 2004 umfirmierte in … GmbH (GmbH 2).

Im Sommer 2004 teilte der Kläger dem Prüfer mit, dass ihm die Vorlage der erbetenen Unterlagen inzwischen unmöglich geworden sei. Zur Begründung führte er aus, im Zuge des Verkaufs sei das bestehende „Miet- und Pachtverhältnis” zwischen ihm, dem Kläger, und der GmbH 1 einvernehmlich aufgehoben worden. Das Anlage- und Umlaufvermögen habe die GmbH 2 übernommen. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH 2 sei M. S. gewesen. Nach der Veräußerung des Anlage- und Umlaufvermögens sei für die GmbH 1 die Liquidation eingeleitet und beim Handelsregister angemeldet worden. Die gesamten Buchführungsunterlagen der GmbH 1 hätten nunmehr vom Betriebsgelände entfernt werden müssen. Er habe daher die Unterlagen und die EDV-Anlage, auf der die Buchhaltung gespeichert war, auf einen Kleinlaster geladen und auf diesem bereitgehalten, als der Kleinlaster am 23. Juni 2004 entwendet worden sei. Die nicht für die Betriebsprüfung benötigten Unterlagen habe er zwecks Einlagerung nach O. verbringen wollen.

Nach der Beschaffung vereinzelter Belegzweitschriften erfolgte die Prüfung zwischen Januar 2006 und April 2007. Aufgrund des Prüfungsberichts vom 23. Mai 2007 ergingen am 21. Juni 2007 die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide. Mangels Unterlagen hatte das FA über die durch Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuern hinaus 60 % der erklärten Vorsteuern anerkannt.

Zur Begründung der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhoben Klage trägt der Kläger vor, die Bescheide seien nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Die umsatzsteuerliche Organschaft sei durch den Verkauf und die Liquidation der GmbH im Jahre 2004 beendet worden. Deshalb hätten die mit der Klage angefochtenen Bescheide nicht ihm, dem Kläger, sondern der GmbH 1 zugestellt werden müssen. Für die GmbH 1 hätte entsprechend dem Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Februar 1993 X B 165/92 , BFH/NV 1994, 214 ein Nachtragsliquidator bestellt werden müssen. Die Zustellung an ihn, den Kläger, sei fehlerhaft, da die Umsatzsteuerbescheide nun dem falschen Steuerschuldner bekannt gegeben worden seien.

Im Übrigen sei dem FA bei der Schätzung der Höhe der zu berücksichtigenden Vorsteuern gravierende Fehler unterlaufen.

Für die Umsatzsteuer 1998 sei im Rahmen der Vorprüfung betreffend die Jahre 1994 bis 1997 eine umsatzsteuerliche Organschaft auch für das Jahr 1998 festgestellt worden. Unter Punkt 21 des Prüfungsberichts vom 14. Juli 1999 habe das FA ausgeführt, dass die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft für die Jahre 1996 bis 1998 aus verwaltungstechnischen Vereinfachungsgründen nicht geändert würden. Durch diese Aussage sei ein Vertrauenstatbestand gem. § 176 AO geschaffen worden, an den das FA gebunden sei.

Außerdem habe er, der Kläger, für die Umsatzsteuer der Jahre 1999 bis 2001 den Nachweis über die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuern erbracht. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 12. Mai 2003 V B 226/02, BFH/NV 2003, 1226 , ausgeführt, dass es in Fällen, in denen Originalrechnungen nicht mehr vorhanden seien, zulässig sei, den erforderlichen Nachweis auch auf andere Weise zu erbringen. Hierzu könne sich der Steuerpflichtige aller verfahrensrechtlich zulässigen Beweismittel bedienen. Er, der Kläger, habe sich bemüht, von seinen Lieferanten, die für die streitigen Zeiträume Waren und ähnliche Güter geliefert und darüber ordnungsgemäß Rechnung erteilt hätten, Zweitschriften bzw. schriftliche Bestätigungen zu erhalten. Er habe dabei rund 240 Firmen angeschrieben mit der Bitte, eine vorgefertigte Erklärung zu unterschreiben und exemplarisch eine Rechnung beizufügen. So habe beispielsweise die Firma E. GmbH am 16. August 2007 bestätigt, dass sie regelmäßig Rechnungen im Sinne des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) erteilt habe und exemplarisch die Rechnung Nr. 40738 vom 7. Dezember 2001 beigefügt. Das FA habe dieses Bemühen zu Unrecht als mangelhaft erachtet. Das FA habe nicht berücksichtigt, dass steuerrechtliche und handelsrechtliche Aufbewahrungspflichten längst abgelaufen waren und eine Übersendung der gesamten Rechnungen aller Lieferanten aus Kostengründen nicht möglich gewesen sei. Ein solcher Aufwand sei schlicht unverhältnismäßig gewesen. Die von den Lieferanten erhaltenen Erklärungen und Rechnungszweitschriften würden immerhin 3 Leitzordner umfassen. Diese Unterlagen besäßen daher quantitativ und qualitativ eine hohe Aussagekraft. Von einem mangelhaften Bemühen könne unter diesen Umständen keine Rede sein. Außerdem sei die laufende Buchhaltung durch die Steuerkanzlei … und Partner KG erfolgt. Dieser Kanzlei hätten die Originalrechnungen vorgelegen. Die Mitarbeiterin B. A. habe an Eides Statt versichert, dass sie nur Rechnungen verbucht habe, die den Anforderungen des § 14 UStG entsprochen hätten. Dies könnten auch Steuerberater K. T. und die Sachbearbeiterin A. O. bezeugen.

Hinsichtlich der Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuerbeträge habe sich das FA darauf berufen, dass im Rahmen der Vorprüfung Vorsteuern in einer Größenordnung von rund 40 % nicht anzuerkennen waren. Diese Argumentation sei unhaltbar, denn die fälschlicherweise gezogene Vorsteuer habe mit dem Erwerb eines Grundstücks ganz überwiegend nur einen einzigen Vorgang betroffen. Unter Außerachtlassung dieses Vorganges seien die Vorsteuern in der Vorprüfung zwischen 0 und 5,08 % gekürzt worden. In den Streitjahren sei jedoch kein Anlagevermögen erworben worden, so dass sich ein solcher Fehler auch nicht habe wiederholen können. Die Umsatzsteuerforderungen des FA seien in den Vorjahren viel geringer als nun aufgrund der Prüfung in den Streitjahren.

Soweit das FA meint, die vorgelegten Rechnungskopien würden teilweise nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, verkenne das FA, dass sich die Rechtslage im Laufe der Jahre geändert habe. § 14 UStG habe in den letzten Jahren erhebliche Änderungen erfahren. Die vorgelegten Rechnungen entsprächen sämtlich den in den Streitjahren maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1998 – 2001 vom 21. Juni 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Es meint, es sei zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt gewesen. Im Hinblick auf die fehlenden Unterlagen sei es nötig gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Dabei habe das FA deutlich höhere Vorsteuerbeträge berücksichtigt als der Kläger glaubhaft gemacht habe.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt.

Die angefochtenen Umsatzsteuersteuerbescheide sind zutreffender Weise an den Kläger gerichtet und diesem bekannt gegeben worden.

Ein Steuerbescheid ist demjenigen gegenüber bekanntzugeben, der von ihm inhaltlich betroffen ist. Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist der Organträger Unternehmer, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG . Deshalb ist ihm gegenüber der Umsatzsteuerbescheid bekanntzugeben. Nach dem Vortrag des Klägers wurde das Organschaftsverhältnis im Jahre 2004 beendet. Die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft führt dazu, dass für die Zeit ab deren Beendigung wieder zwei Unternehmer existieren. Für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Streitjahre hat die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft im Jahre 2004 keine Auswirkung. Die angefochtenen Bescheide waren daher dem Kläger als damaligem Organträger bekanntzugeben.

Im Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Für das Jahr 1998 drohte der Eintritt der Festsetzungsverjährung allenfalls zum 31. Dezember 2003 (§§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung – AO –). Das FA hatte allerdings zuvor eine Außenprüfung angeordnet, deren Beginn auf Antrag des Kläger wiederholt hinausgeschoben wurde (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Die Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuern ist nicht zu beanstanden.

Das FA war zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dürfen die Finanzbehörden die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Der Kläger hat vorgetragen, dass sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert waren, als dieser gestohlen wurde und ihm deshalb die Vorlage der Unterlagen unmöglich geworden ist. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt.

Das Finanzamt hat die Vorsteuern in Höhe von 60 % der vom Kläger im Voranmeldungsverfahren erklärten Beträge berücksichtigt. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung im Sinne des § 14 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der in den Streitjahren maßgebenden Fassung); das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung § 162 AO Rz. 27). Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Hiervon ist das FA offenbar ausgegangen, denn es hat über die vom Kläger aufgrund der Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuerbeträge darüber hinausgehend weitere Vorsteuerbeträge berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug ergeben sich aus den §§ 14 , 15 UStG. Der Vorsteuerabzug u.a. ist nur möglich, wenn bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts bezeichnet werden. Den Umfang der dem Kläger zustehenden Vorsteuer konnte der Senat nicht feststellen. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis darüber, dass ihm ein anderer Unternehmer Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellt hat, nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 156/06 Rz. 13, BFH/NV 2008, 416 ). Dieser Nachweis ist dem Kläger nach Auffassung des Senats nicht gelungen.

Der Kläger hat nämlich die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht dargelegt und hierfür Beweis angeboten. Er hat insbesondere nicht vorgetragen, für welche konkrete Leistung ihm der Vorsteuerabzug zusteht. Der Kläger hat lediglich beantragt, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, zugleich aber eingeräumt, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich seien. Damit aber hat der Kläger nicht die zum Vorsteuerabzug notwendigen Tatsachen vorgetragen. Dabei verkennt der Kläger, dass nicht das Vorliegen von Rechnungen streitig ist, sondern ob ihm aus den einst in seinem Besitz befindlichen Rechnungen der Vorsteuerabzug zusteht. Bei der Behauptung des ausschließlichen Vorliegens und Verbuchens von ordnungsgemäßen, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen handelt es sich nicht um Tatsachen, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung – nämlich um das Vorliegen von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen –. Dies kann das Gericht aber nur aufgrund der Vorlage der Rechnungen oder nach einer Beweisaufnahme feststellen; denn erst, wenn im Einzelnen bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts festgestellt werden kann, kann das Gericht darüber befinden, ob eine ordnungsgemäße Rechnung vorlag, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür hat der Kläger keinen Beweis angeboten.

Die von den Lieferanten unterzeichneten Erklärungen über die Üblichkeit der Rechnungsausstellung mit gesondertem Vorsteuerausweis für den Vorsteuerabzug genügen ebenfalls nicht für den begehrten Vorsteuerabzug, weil auch aus ihnen die für den Vorsteuerabzug notwendigen Angaben nicht entnommen werden können.

Der Kläger hat durch Vorlage von Rechnungszweitschriften Vorsteuern zwischen 20.877,73 DM (2001) und 27.433,71 DM (1998) glaubhaft gemacht. Das FA hat hingegen in den angefochtenen Bescheiden Vorsteuern zwischen 338.634,70 DM (2001) und 584.544,69 DM (1998), also ein Vielfaches der glaubhaft gemachten Vorsteuern berücksichtigt. Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Möglichkeit, weitere Vorsteuern zu berücksichtigen.

Der Hinweis des Klägers auf die Vorprüfung geht fehl. In der Vorprüfung lagen – anders als im vorliegenden Verfahren – sämtliche Belege vor.

Für das Jahr 1998 ist kein Vertrauenstatbestand im Sinne von § 176 AO geschaffen worden. § 176 AO setzt in allen Fallvarianten eine Entscheidung eines Gerichts voraus. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist aus den Akten sonst ersichtlich, dass das FA eine Steuerfestsetzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu seinem Nachteil geändert hätte. Auch im Übrigen kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensgrundsätze beruhen.

Das FA hat im Bp-Bericht der GmbH 1 nur mitgeteilt, dass die eingereichten Erklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 nicht geändert werden müssen und eine solche erst ab dem 1. Januar 1999 zu erfolgen hat. Damit hatte das FA aber keine Aussage darüber getroffen, dass die Steuerbescheide nicht später noch geändert werden könnten. Dies ergibt sich für das Jahr 1998 insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieses Jahr gar nicht Gegenstand der Betriebsprüfung gewesen war.

Im Übrigen käme ein Vertrauensschutz allenfalls bei unveränderter Sachlage (insbesondere der fortbestehenden Zahlungsfähigkeit der Organgesellschaft) in Betracht. Im vorliegenden Verfahren hat sich aber die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt der Abfassung des Berichts über die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 in wesentlichen Punkten verändert, da die Organtochter ihr gesamtes Anlage- und Umlaufvermögen vor Beginn der Betriebsprüfung beim Kläger veräußert hatte und ihre Löschung im Handelsregister beantragt worden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage des Umfangs des möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem Verlust sämtlicher Belege zugelassen.

Steuerschulden können künftig per Kartenzahlung beglichen werden

Steuerschulden können zukünftig auch per Kartenzahlung beglichen werden: Künftig können säumige Steuerzahler, die Besuch von einem Vollziehungsbeamten bekommen, ihre nicht fristgemäß entrichteten Steuerzahlungen auch mit Kredit- oder Girokarte entrichten.

Die 138 baden-württembergischen Vollziehungsbeamten im Außendienst wurden dazu mit mobilen Kartenlesegeräten ausgestattet. Bisher waren zur Abwendung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen nur Bar- oder Scheckzahlungen an den Vollziehungsbeamten möglich. In den Gebäuden der Finanzämter sind hingegen keine Bar- oder Kartenzahlungen vorgesehen.

Nach erfolgreich durchgeführter Pilotierung bei sieben Finanzämtern können nun die im Außendienst tätigen Vollziehungsbeamten aller baden-württembergischen Finanzämter Zahlungen per Girokarte, Kreditkarte (MasterCard und VISA), Maestro und VPAY entgegen nehmen. Die Abwicklung erfolgt wie allgemein üblich durch die Eingabe einer persönlichen Geheimzahl (PIN) seitens der Steuerbürger in ein Kartenzahlungsgerät. Kreditkartennutzer müssen, abhängig von der verwendeten Karte, gegebenenfalls auf einem Ausdruck unterschreiben. Die Finanzämter verfügen über eigene Vollstreckungsstellen. Diese können einen im Außendienst beschäftigten Vollziehungsbeamten mit der Vollstreckung beauftragen, der zur Beitreibung der Rückstände säumige Steuerbürger aufsucht.

Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 05.08.2013

Umsatzsteuer; Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten durch die Angehörigen der freien Berufe (§ 20 Satz 1 Nr. 3 UStG);

Konsequenzen des BFH-Urteils vom 22. Juli 2010, V R 4/09
GZ IV D 2 – S 7368/10/10002
DOK 2013/0719183

Nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt, die Umsatzsteuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Mit Urteil vom 22.Juli 2010, V R 4/091, hat der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a. F. nicht anwendbar ist, wenn der Unternehmer in Bezug auf die in der Vorschrift genannten Umsätze buchführungspflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer insoweit freiwillig Bücher führt. Die gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2013, 1BvR 3063/10, nicht zur Entscheidung angenommen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der  Länder gilt Folgendes:
1
Das Urteil wird zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.

I. Anwendung des BFH-Urteils vom 22.Juli 2010, V R 4/09
Die Genehmigung der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG für Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ab sofort nicht mehr zu erteilen, wenn der Unternehmer für diese Umsätze Bücher führt. Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer
gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig geführt werden. Hat der vom Unternehmer im Kalenderjahr 2012 erzielte Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) allerdings nicht mehr als 500.000 Euro betragen, erfüllt der Unternehmer die Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG; in diesem Fall kann ihm die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten unter dem Vorbehalt desjederzeitigen Widerrufs genehmigt werden.

Sollte im Einzelfall eine bereits auf der Grundlage des § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG oder dessen Vorgängervorschrift unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilte Genehmigung nach § 130 i. V. m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zurückzunehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1982, VIIIR 9/80, BStBl 1983 II S. 187), ist die Wirkung der Rücknahme auf
nach dem 31. Dezember 2013 ausgeführte Umsätze zu beschränken. Zur Behandlung von Umsätzen, die vor dem Wechsel der Berechnungsart ausgeführt wurden, wird auf Abschnitt 13.6 Abs. 3 UStAE hingewiesen. Von einer Rücknahme der Genehmigung ist jedoch abzusehen, wenn der im Kalenderjahr 2012 erzielte Gesamtumsatz des Unternehmers
(§ 19 Abs. 3 UStG) nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat und eine Genehmigung nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erteilt werden könnte. In diesem Fall ist der Unternehmer darauf hinzuweisen, dass die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen ist, wenn der Gesamtumsatz des Kalenderjahres 2013 oder eines späteren Kalenderjahres den jeweils maßgeblichen Betrag übersteigt.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Abschnitt 20.1 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010, BStBl I
S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 12.Juli 2013
– IV D 3 – S 7179/09/10003-05 (2013/0666997) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) 1
Der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kann bis
zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung gestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 10. 12. 2008, XI R 1/08, BStBl 2009 II
S. 1026).
2
Dem Antrag kann grundsätzlich entsprochen werden, wenn der Unternehmer eine
der Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG erfüllt. 3
Eine Genehmigung ist unter
den Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zu stellen und erstreckt sich wegen des
Prinzips der Abschnittsbesteuerung stets auf das volle Kalenderjahr. 4
Es handelt sich um

einen begünstigenden Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO
zurückgenommen oder widerrufen werden kann. 5
Die Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 2
UStG kommt nur bei besonderen Härten, wie z.B. dem Überschreiten der nach § 20 Satz 1
Nr. 1 UStG bestehenden Umsatzgrenze aufgrund außergewöhnlicher und einmaliger
Geschäftsvorfälle, nicht aber allgemein auf Grund einer fehlenden Buchführungspflicht in
Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 11. 2. 2010, V R 38/08, BStBl II S. 873). 6
Die Genehmigung der Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG ist nicht zu erteilen, wenn der Unternehmer für die in der Vorschrift genannten Umsätze Bücher führt. 7
Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig
geführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 22. 7. 2010, V R 4/09, BStBl 2013 II S. XXX).“
Die Regelungen in Abschnitt I dieses Schreibens sind in allen Fällen anzuwenden. Die Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in Abschnitt II tritt am 1. August 2013 in Kraft.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und steht ab sofort für eine
Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen
(http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten –
Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum Herunterladen bereit.

Umsatzsteuer-Voranmeldung authentifizierte Übermittlung

Seit dem 1. Januar 2013 müssen (Vor-) Anmeldungen authentifiziert übermittelt werden. Dies ergibt sich aus der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Steuerdaten- Übermittlungsverordnung inVerbindung mit § 150Abs. 6 Abgabenordnung.

Damit ist eine nicht authentifizierte Übermittlung von (Vor-)Anmeldungen nach dem 31. Dezember 2012 grundsätzlich nicht mehr zulässig. Um Ihnen einen reibungslosen Umstieg in das authen tifizierte (Vor-)Anmeldungsverfahren zu ermöglichen, werden nicht authentifiziert übermittelte (Vor-)Anmeldungen noch bis 31. August 2013 angenommen. Danach erfolgt eine Abweisung der nicht authentifiziert übermittelten (Vor-)Anmeldungen; bei dadurch verursachter verspäteter Abgabe von (Vor-)Anmeldungen können Verspätungszuschläge festgesetzt werden.

Für die authentifizierte Übermittlung wird einelektronisches Zertifikat benötigt. Dieses erhalten Sie durch eine Registrierung im ElsterOnline-Portal unter www.eisteronline.de/epoiiai. Arbeitgebern wird im Hinblick auf die Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) zum 01. Januar 2013 die Zertifikatsart „Nicht-persönliches Zertifikat (Organisationszer tifikat)“ empfohlen.

Die Registrierung kann bis zu 2 Wochen in Anspruch nehmen. Bei Problemen technischer Artsteht die ELSTER-Hotline zur Verfügung. Die Kontaktdaten finden Sie unter www.elster.de.

Nähere Informationen zur verpflichtenden Authentifizierung finden Sie unter www.eister.de in der „Benutzergruppe“ Unternehmer bzw. Arbeitgeber.

Bitte informieren Sie ggf. Ihren steuerlichen Berater.

 

Hinweis: Sollten Sie noch keine Zertifikat haben, dann können Sie über www.umsatzsteuer-voranmeldung.de Ihre Voranmeldung auch ohne Zertifikat an das Finanzamt übermitteln.

Voller Fahrtkostenabzug für „fliegendes“ Personal

FG Münster, Pressemitteilung vom 01.08.2013 zum Urteil 11 K 4527/11 E vom 02.07.2013

Der 11. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem am 01.08.2013 veröffentlichten Urteil vom 2. Juli 2013 (Az. 11 K 4527/11 E) entschieden, dass bei einer Flugbegleiterin der Werbungskostenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Einsatzflughafen nicht auf die sog. Entfernungspauschale von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer begrenzt ist, sondern Werbungskosten in Höhe der tatsächlichen Fahrtkosten zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung dürfte – ungeachtet der ab 2014 geltenden gesetzlichen Neuregelung des Reisekostenrechts – für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen relevant sein.

Die Klägerin war als Kabinenchefin für eine Fluggesellschaft tätig. Sie hatte in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 für die Fahrten von ihrem Wohnort zum Einsatzflughafen in Frankfurt Werbungskosten in Höhe der sog. Entfernungspauschale geltend gemacht. Außerdem hatte sie den Abzug von Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer begehrt. Das Finanzamt erkannte die Fahrtkosten, nicht aber die Aufwendungen für das Arbeitszimmer an. Im Laufe des finanzgerichtlichen Klageverfahrens, das die Klägerin zunächst allein wegen des streitigen Arbeitszimmers angestrengt hatte, beantragte sie die Berücksichtigung von Fahrtkosten in Höhe von 0,30 Euro pro tatsächlich gefahrenem Kilometer. Sie war der Meinung, dass ihr – folge man der neuesten, geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – der volle Fahrtkostenabzug zustehe, weil sie keine regelmäßige Arbeitsstätte habe.

Der 11. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klägerin Recht – sowohl in Bezug auf die Fahrtkosten als auch die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer. Der Senat stellte klar, dass die gesetzlich vorgesehene Beschränkung des Werbungskostenabzuges auf die sog. Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) lediglich Fahrten zwischen Wohnort und „regelmäßiger Arbeitsstätte“ erfasse. „Regelmäßige Arbeitsstätte“ sei nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes jedoch nur noch der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers. Es genüge nicht mehr, dass der Arbeitnehmer den Betrieb seines Arbeitgebers mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsuche. Erforderlich sei vielmehr auch, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers dort liege. Die Klägerin sei jedoch schwerpunktmäßig nicht im Flughafen in Frankfurt, sondern im Flugzeug tätig. Sie übe somit eine sog. Auswärtstätigkeit aus und könne daher Fahrtkosten in Höhe von 0,30 Euro pro tatsächlich gefahrenem Kilometer in Abzug bringen.

Erfolgreich war die Klägerin auch in Bezug auf die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 Euro. Diese hatte das Finanzamt nicht anerkannt, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass ihr kein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zur Verfügung stehe. Auch dies sah der 11. Senat des Finanzgerichts Münster anders. Er war davon überzeugt, dass der Klägerin kein „anderer Arbeitsplatz“ für die von ihr zu erledigenden Arbeiten zur Verfügung gestanden habe. Insbesondere der im Rahmen der Flugvorbereitung genutzte, lediglich mit allgemeinen Sitzgelegenheiten und einem kleinen fahrbaren Tisch ausgestattete sog. Briefing-Raum sei kein „anderer Arbeitsplatz“.

Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster

Umsatzsteuer/Fahrzeugleasing: Zahlung eines Minderwertausgleichs wegen Schäden am Leasingfahrzeug nicht steuerbar

Leistet der Leasingnehmer an den Leasinggeber vereinbarungsgemäß nach der Rückgabe des Fahrzeugs einen Ausgleich für den durch nicht vertragsgemäße Nutzung entstandenen Minderwert des Fahrzeugs, unterliegt die Zahlung beim Leasinggeber nicht der Umsatzsteuer. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. März 2013 (XI R 6/11) entschieden.

Die Klägerin verleast Geschäftsfahrzeuge. Ihre Kunden verpflichten sich vertraglich, das Fahrzeug nach Ablauf des Vertrags in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückzugeben, wobei normale Verschleißspuren nicht als Schäden gelten. Wenn das Fahrzeug bei Rückgabe dem vereinbarten Zustand nicht entspricht, muss der Leasingnehmer für den Minderwert einen entsprechenden Ausgleich an die Klägerin leisten. Im Streitfall wies das Fahrzeug bei Rückgabe u.a. Lackschäden, eine fehlende Funktion der Lenkhilfe sowie eine Beschädigung des Panzerrohres auf. Der Leasingnehmer leistete den vereinbarten Minderwertausgleich an die Klägerin.

Die Klägerin war der Meinung, dass dieser Betrag nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei und teilte dies dem Finanzamt (FA) mit. Das FA behandelte demgegenüber den sog. Minderwertausgleich als eine leasingtypische vertragliche Gegenleistung für die Überlassung des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber und erhöhte die Umsatzerlöse der Klägerin entsprechend.

Der BFH bestätigte das Urteil des Finanzgerichts, wonach der leasingtypische Minderwertausgleich nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist. Es fehlt der für einen Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bezogen auf den vom Leasingnehmer gezahlten Minderwertausgleich, weil diesem objektiv keine eigenständige Leistung des Leasinggebers gegenübersteht. Der Leasingnehmer schuldet insofern kein Entgelt für eine vereinbarte Leistung, sondern er leistet Ersatz für einen Schaden, der seine Ursache in einer nicht mehr vertragsgemäßen Nutzung des Fahrzeugs hat.

Der BFH folgt damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der bereits entschieden hat, dass der Minderwertausgleich ohne Umsatzsteuer zu berechnen ist (vgl. z. B. BGH-Urteil vom 18. Mai 2011 VIII ZR 260/10, HFR 2011, 1156). Der entgegengesetzten Auffassung der Finanzverwaltung ist der BFH nicht gefolgt.

BFH, Pressemitteilung Nr. 43/13 vom 31.07.2013 zum Urteil XI R 6/11 vom 20.03.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.3.2013, XI R 6/11

Zahlung eines Minderwertausgleichs wegen Schäden am Leasingfahrzeug nicht umsatzsteuerbar – Kein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne

Leitsätze

Verpflichtet sich der Leasingnehmer im Leasingvertrag, für am Leasingfahrzeug durch eine nicht vertragsgemäße Nutzung eingetretene Schäden nachträglich einen Minderwertausgleich zu zahlen, ist diese Zahlung beim Leasinggeber nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Tatbestand

1
I. Die X-GmbH, eine Organgesellschaft der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), schloss mit der Y-GmbH über ein Kfz vom Typ Z einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von 42 Monaten, der nach Ablauf von 12 Monaten von einem anderen Leasingnehmer übernommen wurde.
2
Die vertraglich vereinbarten „Leasing-Bedingungen für Geschäftsfahrzeuge“ enthalten auszugsweise folgende Regelungen:
3
„IX. Halterpflichten

3. Der Leasing-Nehmer hat dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nach den Vorschriften der Betriebsanleitung des Herstellers behandelt wird. Das Fahrzeug ist im Rahmen des vertraglichen Verwendungszwecks schonend zu behandeln und stets in betriebs- und verkehrssicheren Zustand zu erhalten.“

4
„XVI. Rückgabe des Fahrzeugs

2. Bei Rückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. …

5
3. Bei Rückgabe des Fahrzeuges nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Leasing-Zeit gilt folgende Regelung:
6
Entspricht das Fahrzeug bei Verträgen ohne Gebrauchtwagenabrechnung nicht dem Zustand gemäß Ziffer 2 Absatz 1, ist der Leasing-Nehmer zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet.“
7
Nach Ablauf des Leasingvertrages im März 2009 machte die X-GmbH gegenüber dem Leasingnehmer einen Anspruch auf Minderwertausgleich für über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehende Schäden an dem geleasten Fahrzeug geltend, die lt. dem entsprechenden Prüfgutachten u.a. Lackschäden, eine fehlende Funktion der Lenkhilfe sowie eine Beschädigung des Panzerrohres umfassten. Der Leasingnehmer leistete daraufhin letztendlich … EUR.
8
In der Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2009 unterwarf die Klägerin diesen Betrag nicht der Umsatzsteuer und teilte dies dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) mit. Am 22. Mai 2009 erging ein geänderter Vorauszahlungsbescheid unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Mai 2008 IV B 8 – S 7100/07/10007, 2008/0260780 (BStBl I 2008, 632), wonach der Minderwertausgleich als eine leasingtypische vertragliche Gegenleistung für die Überlassung des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber zu behandeln sei. Darin erhöhte das FA die Umsatzerlöse um den Minderwertausgleich.
9
Hiergegen richtete sich die –mit Zustimmung des FA– erhobene Sprungklage, der das Finanzgericht (FG) stattgab. Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
10
Es führte im Wesentlichen aus, dass der leasingtypische Minderwertausgleich, den der Leasingnehmer nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit leiste, nicht der Umsatzsteuer unterliege. Maßgebend sei insoweit, dass die Ausgleichszahlung nicht im Leistungsaustausch mit Leistungen der Leasinggeberin stehe. Die Leistung der Leasinggeberin sei die Gebrauchsüberlassung des Leasinggegenstandes auf Zeit. Nach Ablauf der vereinbarten Leasingzeit habe die Leasinggeberin ihre vertragliche Hauptleistungspflicht erfüllt. Die Leasinggeberin habe dem Leasingnehmer keine darüber hinausgehende Leistung „willentlich“ zugewandt. Der Leasingnehmer erbringe die von ihm noch geschuldete Ausgleichszahlung nicht, um eine Leistung zu erhalten, sondern weil er vertraglich dazu verpflichtet sei. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1020 veröffentlicht.
11
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
12
Das FG habe zu Unrecht einen Leistungswillen der X-GmbH hinsichtlich der über die im Leasingvertrag vereinbarte Fahrleistung hinausgehende Nutzung durch den Leasingnehmer verneint.
13
Der Leasingvertrag sehe vor, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer nach Vertragsablauf einen Zahlungsbetrag für eine von ihm für diesen Fall ausdrücklich geduldete übervertragliche Nutzung in Rechnung stelle. Es handele sich nicht um die vertragliche Verständigung über die Höhe eines Schadensersatzes, sondern um die Vereinbarung eines Entgelts. Der Höhe der Leasingraten liege eine bestimmte Fahrleistung des geleasten Fahrzeugs zugrunde. Diese Fahrleistung sei im Leasingvertrag benannt. Bei einem mehrjährigen Leasingvertrag, der wie im Streitfall über 42 Monate laufe, sei es sehr wahrscheinlich, dass die tatsächliche Fahrleistung bei Ablauf des Leasingvertrages von der vertraglich vereinbarten Fahrleistung abweiche. Es würden häufig Fälle auftreten, in denen der Leasingnehmer die Fahrleistung überschreite. Diese übervertragliche Nutzung durch den Leasingnehmer führe zu einem Minderwert für den jeweiligen Leasinggeber.
14
Die Parteien hätten einen am Umfang des Minderwertes orientierten Ausgleich vereinbart, so dass der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung darauf gerichtet sei, dass der Ersatz des Minderwerts in die Gegenleistung einfließe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 11. November 2004 V R 30/04, BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802). Die X-GmbH habe eine übervertragliche Nutzung billigend in Kauf genommen und dieser konkludent zugestimmt. Die Zahlung des Minderwertausgleichs durch den Leasingnehmer sei Entgelt für die Leistung der Leasinggeberin.
15
Selbst wenn ein Leistungswille der Leasinggeberin nicht vorliegen sollte, sei ein Leistungsaustausch i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gegeben.
16
Schon wegen des Gebots der Gleichbehandlung in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) könne ein Verbrauchsakt gegen den Willen des Berechtigten nicht anders zu behandeln sein als ein Verbrauchsakt mit einem entsprechenden Willen. Denn wer sich einen verbrauchbaren Nutzen eigenmächtig verschaffe, könne nicht ohne Grund umsatzsteuerrechtlich gegenüber demjenigen privilegiert werden, der sich mit dem Willen des Berechtigten einen verbrauchbaren Nutzen verschaffen lasse. Das tatsächliche Ergebnis, die Erlangung eines verbrauchbaren Gutes, sei dasselbe (vgl. Hummel, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2006, 614). Es sei folglich nicht entscheidungserheblich, ob der Leasingnehmer das Fahrzeug vertraglich nutze und die Nutzung über die Leasingrate bezahle, oder ob er das Fahrzeug übervertraglich nutze und anschließend einen Ausgleich für diese Nutzung zahlen müsse. Die Zahlung des Minderwertausgleichs nach Ablauf des Leasingvertrages sei mit der unfreiwilligen, aber umsatzsteuerrechtlich zu bejahenden Leistung der X-GmbH hinreichend verknüpft.
17
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
18
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
19
Sie hält die Entscheidung des FG für zutreffend und verweist insbesondere darauf, dass die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung von der Zivilgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht geteilt werde (vgl. z.B. zuletzt Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 18. Mai 2011 VIII ZR 260/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2011, 1156).

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
21
Das FG hat zu Recht entschieden, dass hinsichtlich des vom Leasingnehmer entrichteten Minderwertausgleichs kein Leistungsaustausch i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt und die insoweit gegenüber der Klägerin vorgenommene Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war.
22
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Entgelt ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.
23
Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der BFH angeschlossen hat, im Wesentlichen folgende unionsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen:
24
a) Zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 21. März 2002 C-174/00 –Kennemer Golf & Country Club–, Slg. 2002, I-3293, BFH/NV Beilage 2002, 95, Rz 39; vom 18. Juli 2007 C-277/05 –Société thermale d’Eugénie-les-Bains–, Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424, Rz 19; BFH-Urteile vom 11. Februar 2010 V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765, Rz 20, und vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 11 f., jeweils m.w.N.).
25
Dabei bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749, unter II.3.a bb, und in BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 13).
26
b) Echte Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind demgegenüber kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlungsempfänger erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (vgl. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1998 V R 58/97, BFH/NV 1999, 987, und in BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 14). In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung (BFH-Urteil in BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765, Rz 20).
27
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen stellt der im Streitfall vom Leasingnehmer gezahlte Minderwertausgleich an die X-GmbH eine nicht steuerbare Entschädigung dar und ist daher nicht als Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG zu behandeln.
28
a) Bei dem zwischen der X-GmbH als Organgesellschaft der Klägerin –die Organträgerin i.S. von § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 UStG ist– und dem Leasingnehmer geschlossenen Leasingvertrag ergibt sich die fehlende Steuerbarkeit des Minderwertausgleichs indes nicht schon daraus, dass die Beteiligten die Zahlung des Leasingnehmers in Abschnitt XVI Ziffer 3 der Leasingbedingungen als „Schadensersatz“ bezeichnet haben. Denn im Umsatzsteuerrecht, das von unionsrechtlich einheitlichen Begriffen ausgeht, ist die jeweilige von den Beteiligten verwendete Bezeichnung unmaßgeblich (z.B. BFH-Urteil vom 6. Mai 2004 V R 40/02, BFHE 205, 535, BStBl II 2004, 854, unter II.3.).
29
b) Im Streitfall ist der von der Rechtsprechung geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert insofern zu bejahen, als der Leasingnehmer aufgrund der von der X-GmbH erbrachten Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs im Rahmen des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks die Leasingraten entrichtet hat.
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Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung ist jedoch nicht gegeben, soweit der Leasingnehmer gemäß Abschnitt XVI der Leasingbedingungen den vereinbarten Schadensersatz gerade deshalb schuldete, weil der Erhaltungszustand des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe nicht seinem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprach.
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Danach hat die X-GmbH bezogen auf den vom Leasingnehmer gezahlten Minderwertausgleich objektiv keine eigenständige Leistung erbracht.
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c) Entgegen der Auffassung des FA liegt auch keine eigenständige Leistung der Leasinggeberin darin, dass sie die Nutzung des Leasingfahrzeugs über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus geduldet habe (vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 632, unter 2.). Das FA meint insoweit, die Möglichkeit der Entschädigung sei bereits gedanklich wegen der geplanten „Vollamortisation“ im Vertrag angelegt gewesen. Danach habe der Leasingnehmer dem Leasinggeber zivilrechtlich als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung und die entsprechende Duldung der nicht vertragsgemäßen Nutzung grundsätzlich nicht nur die vereinbarten Leasingraten, sondern auch einen Ausgleich für den Ersatz des Minderwerts des Leasingfahrzeugs bei Rückgabe in nicht vertragsgemäßem Zustand geschuldet.
33
Diese Argumentation überzeugt aus folgenden Gründen nicht:
34
aa) Zwar kann ein „Dulden“ im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine eigenständige sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs. 9 UStG sein (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802, unter II.2.c; BGH-Urteil in HFR 2011, 1156, unter II.3.d, sowie allgemein z.B. Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 217). Hier hat die Leasinggeberin aber nach den getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen den Leasingnehmer ausdrücklich berechtigt und verpflichtet, das Fahrzeug „im Rahmen des vertraglichen Verwendungszwecks“ schonend zu behandeln und „vertragsgemäß“ zu nutzen. Anhaltspunkte für die vom FA angenommene „Duldung“ einer darüber hinausgehenden nicht vertragsgemäßen Nutzung durch die Leasinggeberin ergeben sich daraus nicht.
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Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich insoweit maßgeblich von dem Fall, der dem BFH bei seinem Urteil in BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802 zugrunde lag. Der BFH hatte darin geklärt, dass die Ausgleichszahlung für beim Bau einer Überlandleitung entstehende Flurschäden durch deren Betreiber an den Grundstückseigentümer kein Schadensersatz ist, sondern Entgelt für die Duldung der Flurschäden durch den Eigentümer. Bestimmend dafür war, dass wenn ein wirtschaftliches Vorhaben, zu dessen Verwirklichung vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, zwangsläufig zu Schäden bei einem Vertragspartner führt und hierfür ein am Umfang der Schäden orientierter Ausgleich vereinbart wird, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung dann darauf gerichtet ist, dass der „Ersatz“ in die Gegenleistung einfließt.
36
Demgegenüber zielte die Vereinbarung im Streitfall nicht darauf ab, einen „zwangsläufigen“ Schaden im Sinne der vorgenannten BFH-Rechtsprechung auszugleichen. Die Absprache im Hinblick auf eine etwaige nicht vertragsgemäße Nutzung des Leasingfahrzeugs und den insoweit zu bezahlenden Minderwertausgleich hatten die Beteiligten vor diesem Hintergrund lediglich vorsorglich getroffen, so dass eine entsprechende „Duldungsleistung“ der Leasinggeberin nicht angenommen werden kann. Der Senat folgt damit nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach in vergleichbaren Fällen stets unabhängig von einem etwaigen Leistungswillen von einer „Duldung“ der übervertraglichen Nutzung auszugehen ist (vgl. Hummel, UR 2006, 614; Stadie, UR 2011, 801; kritisch dazu Jacobs, Neue Wirtschafts-Briefe –NWB– 2011, 2700, unter VI.), weil auch aus Sicht des Leasingnehmers angesichts der im Streitfall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen eine solche „Duldung“ nicht gegeben war.
37
bb) Soweit das FA darüber hinaus maßgeblich die zitierte Rechtsprechung des BGH zur im Leasingvertrag angelegten „Vollamortisation“ mit entsprechenden vertraglichen Erfüllungspflichten anwendet (vgl. z.B. BGH-Urteile in HFR 2011, 1156, unter II.2., und vom 14. November 2012 VIII ZR 22/12, Der Betrieb –DB– 2012, 2865, unter II.2.a), ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben zu beantworten ist (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 17. Dezember 2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869, unter II.1.c; vom 18. November 2010 XI B 28/10, BFH/NV 2011, 204, Rz 8; BGH-Urteil in HFR 2011, 1156, unter II.2. a.E.; vgl. auch Martin, UR 2006, 56, unter I.3.; Klenk, DB 2006, 1180; de Weerth, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2008, 392).
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cc) Was die im Vertrag bereits angelegte Entschädigungsregelung betrifft, war schließlich auch in dem vom EuGH entschiedenen Fall in der Rechtssache –Société thermale d’Eugénie-les-Bains– (Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424) die Möglichkeit des Rücktritts des Hotelgastes von der Reservierung und die Einbehaltung eines entsprechenden Angeldes im Vorhinein durch den Hotelbesitzer vorgesehen. Gleichwohl hat der EuGH insoweit keine eigenständige Leistung des Hotelbetreibers bejaht. Vielmehr hat der EuGH hervorgehoben, dass der Abschluss eines Vertrages und folglich das Bestehen einer rechtlichen Beziehung zwischen den Parteien normalerweise nicht von der Zahlung eines Angeldes abhängig sei. Dies stelle daher kein konstitutives Element eines Beherbergungsvertrages dar, sondern ein rein fakultatives Element, das in den Bereich der Vertragsfreiheit der Parteien falle (EuGH-Urteil –Société thermale d’Eugénie-les-Bains– in Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424, Rz 21).
39
Der Streitfall ist insoweit dem Sachverhalt des EuGH in der Rechtssache –Société thermale d’Eugénie-les-Bains– (Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424) vergleichbar, als hier die Durchführung des Leasingvertrages selbst –nämlich die Überlassung des Leasinggegenstandes zur vertragsgemäßen Nutzung gegen entsprechende Leasingraten– unabhängig von einem etwaigen Minderwertausgleich war, der lediglich fakultativ –wie im Streitfall geschehen– von den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit vereinbart werden konnte.
40
Auch in der Entscheidung des BFH, wonach sog. Bereitstellungsentgelte, die ein Speditionsunternehmen bei kurzfristiger Absage einer Zwangsräumung erhält, als pauschalierte Entschädigung nicht steuerbar sind (BFH-Urteil in BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, unter I. und II.2.a), war für den Fall der Absage der Zwangsräumung eine entsprechende pauschalierte Entschädigung –vergleichbar dem Streitfall– bereits im Vorhinein im Vertrag vereinbart. Die pauschalierte Entschädigung hatte auch im dort entschiedenen Fall des BFH den wirtschaftlichen Zweck, etwaige außerhalb des Vertrages entstandene Schäden –vergleichbar dem Streitfall– auszugleichen.
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Der Senat teilt deshalb nicht die in der Literatur vertretene Auffassung, wonach ein entscheidungserheblicher Unterschied des Streitfalls zum EuGH-Urteil in der Rechtssache –Société thermale Eugénie-les-Bains– (Slg. 2007, I-6415, BFH/NV Beilage 2007, 424) darin liege, dass hier der Leasingvertrag als Dauerschuldverhältnis grundsätzlich durchgeführt wurde, während bei den in der Rechtsprechung behandelten Fällen die Verträge letztlich nicht erfüllt wurden (so Klein, UR 2008, 133, 136, 137).
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dd) Dieses Ergebnis setzt im Übrigen die Rechtsprechung des BFH fort, wonach der zu berichtigende Vorsteuerbetrag durch einen Schadensersatz, den der Leasingnehmer für die vorzeitige Beendigung des Leasingvertrages zu leisten hat, nicht gemindert wird. Der BFH hatte insoweit bereits geklärt, dass der von der Leasinggeberin geltend gemachte Schadensersatz kein Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung der Leasinggeberin ist (BFH-Urteil vom 24. August 1995 V R 55/94, BFHE 178, 485, BStBl II 1995, 808, unter II.3.d; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 632, unter 1.). Diese Grundsätze müssen nach Auffassung des Senats gleichermaßen für eine Entschädigung gelten, die der Leasingnehmer wegen einer nicht vertragsgemäßen Nutzung des Leasingfahrzeuges nachträglich zu leisten hat (so im Ergebnis z.B. auch Klenk, DB 2006, 1180; de Weerth, DStR 2008, 392).
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d) Die hiergegen vorgebrachten weiteren Einwendungen des FA greifen nicht durch.
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aa) Das Vorbringen des FA, bei einer Behandlung des Minderwertausgleichs als nicht steuerbare Entschädigung komme es zu einer verfassungswidrigen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Privilegierung derjenigen, die vertragswidrig handelten, gegenüber anderen, die sich vertragstreu verhielten (vgl. Hummel, UR 2006, 614), vermag nicht zu überzeugen. Denn die umsatzsteuerrechtliche Differenzierung zwischen nicht steuerbaren Schadensersatz- bzw. Entschädigungsleistungen und steuerbaren Entgelten ist wegen des insoweit fehlenden Leistungsaustauschs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sachlich gerechtfertigt und begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Entscheidend für die Annahme eines Leistungsaustauschs i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind die unter II.1.a dargelegten Voraussetzungen und nicht, ob einer Geldzahlung ein „Konsumguttransfer“ zugrunde liegt (so Hummel, UR 2006, 614) oder ob der Geschädigte „ein Gut opfert oder dessen Beeinträchtigung hinnehmen muss“ und „der Schädiger dafür einen Wertausgleich zu zahlen hat“ (so Stadie, UR 2011, 801).
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bb) Soweit das FA überdies ausführt, es sei bei entsprechenden Leasingverträgen davon auszugehen, dass es wohl sehr häufig zu Fällen der übervertraglichen Abnutzung des Leasingfahrzeugs und damit zu der Zahlung eines leasingtypischen Minderwertausgleichs komme, hat dies kein anderes Ergebnis zur Folge. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es sich bei der nicht vertragsgemäßen Nutzung des Leasingfahrzeugs um ein wirtschaftliches Vorhaben handeln würde, bei dem zwangsläufig Schäden beim Vertragspartner auftreten, wie dies z.B. beim Bau einer Überlandleitung entstehenden Flurschäden der Fall ist, so dass aus diesem Grund der „Ersatz“ in die Gegenleistung einfließen müsste (vgl. BFH-Urteil in BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802, unter II.2.c). Wie bereits ausgeführt, kann im Streitfall indes nicht von einer derartigen „Zwangsläufigkeit“ der Schäden ausgegangen werden (vgl. vorstehende Ausführungen unter II.2.c aa).
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e) Das gefundene Ergebnis steht schließlich auch im Einklang mit der Rechtsprechung der Zivilgerichte, die gleichfalls unter Berücksichtigung der vom EuGH aufgestellten Rechtsgrundsätze der Auffassung sind, der Minderwertausgleich sei ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil eine eigenständige Leistung des Leasinggebers insoweit fehle und dieser deshalb darauf keine Umsatzsteuer zu entrichten habe (vgl. BGH-Urteil in HFR 2011, 1156 in Fortsetzung des BGH-Urteils vom 14. März 2007 VIII ZR 68/06, UR 2007, 416; Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2009  6 U 99/09, Das Juristische Büro 2010, 209, und vom 5. Oktober 2010  6 U 115/10, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2010, 1514).
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Die Literatur teilt insoweit ganz überwiegend die schon vom BGH vertretene Meinung (vgl. z.B. de Weerth, DStR 2008, 392; Göckel, DStR 2011, 1305; Klenk, DB 2006, 1180; Jaster/ von Loeffelholz, Der Umsatz-Steuer-Berater 2006, 135; Moseschus, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 2011, 663; Müller, Lindenmaier/Möhring Kommentierte BGH-Rechtsprechung 2011, 321449; a.A. Hummel, UR 2006, 614; Klein, UR 2008, 133; Stadie, UR 2011, 801).
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f) Der Senat folgt damit nicht der von der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsauffassung im BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 632 (s.a. Abschn. 3 Abs. 9 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008; Abschn. 1.3. Abs. 17 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).