Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

EuGH bestätigt arbeitnehmerfreundliche Rechtsauffassung des FG Rheinland-Pfalz

FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 12.04.2013 zum Urteil des EuGH C-544/11 vom 28.02.2013

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxembourg zur sog. Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob eine Ungleichbehandlung von Entwicklungshelfern, die bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt sind, und Entwicklungshelfern, die bei einem Arbeitgeber mit Sitz im europäischen Ausland beschäftigt sind, gegen EU-Recht verstößt. Der EuGH hat dies in seinem Urteil vom 28. Februar 2013 (Az. C-544/11) bejaht.

Dem Verfahren des FG liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger ist dänischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Er arbeitet für ein in Dänemark ansässiges Unternehmen, für das er drei Jahre im Ausland zur Durchführung eines Entwicklungshilfeprojekts war. Den dabei erzielten Lohn unterwarf das deutsche Finanzamt der Einkommensteuer. Der Kläger hingegen berief sich (u. a.) auf den Auslandstätigkeitserlass, wonach die Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit, die im Ausland im Rahmen der Entwicklungshilfe für einen inländischen Arbeitgeber ausgeübt werden, einkommensteuerfrei sind. Das FG sah in dieser Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt sind, und Arbeitnehmern, die bei einem Arbeitgeber mit Sitz im europäischen Ausland beschäftigt sind, einen Verstoß gegen den EG-Vertrag und legte dem EuGH ein sog. „Vorabentscheidungsersuchen“ vor.

Aufgrund dieses Ersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 28. Februar 2013 (Az. C-544/11) entschieden, dass eine nationale Regelung eines Mitgliedstaats, wonach Einkünfte einer in diesem Mitgliedstaat wohnhaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus einer nichtselbständigen Tätigkeit von der Einkommensteuer befreit sind, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, aber nicht, wenn er seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, gegen Art. 45 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) verstößt.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz

BFH-Urteile im April (bis zum 10.4.2013 veröffentlichten Entscheidungen)

10.4.2013 V X.  Senat 6.2.2013 X K 11/12 Vertretungszwang auch bei Entschädigungsklagen – Vereinbarkeit des Vertretungszwangs mit höherrangigem Recht
10.4.2013 V VIII.  Senat 15.1.2013 VIII R 7/10 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in einem allein genutzten Zweifamilienhaus – Einbindung eines Arbeitsraums in die häusliche Sphäre
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 21/13 vom 10.4.2013
10.4.2013 V VIII.  Senat 15.1.2013 VIII R 22/10 Keine Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei Anonymität der mutmaßlichen Haupttäter – Freie Beweiswürdigung des FG
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 20/13 vom 10.4.2013
10.4.2013 NV VII.  Senat 9.1.2013 VII B 67/12 Generalbevollmächtigter kann als Verfügungsberechtigter Haftungsschuldner sein
10.4.2013 NV VIII.  Senat 8.2.2013 VIII B 122/12 Anforderungen an die Darlegung der Verfassungswidrigkeit einer Norm
10.4.2013 NV VI.  Senat 7.2.2013 VI B 163/12 Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde – Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs – Rechtsanwendungsfehler – Rügeverzicht bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht
10.4.2013 NV III.  Senat 14.2.2013 III B 67/12 Einkünftequalifikation bei Tätigkeiten als Disability Manager
10.4.2013 NV III.  Senat 4.3.2013 III B 124/12 Investitionszulage für den Betreiber einer Biogasanlage
10.4.2013 NV II.  Senat 21.2.2013 II B 113/12 Heilung eines Bekanntgabemangels durch Zugang des Bescheids beim Empfangsberechtigten; Wiederholung eines wirksamen Bescheids
10.4.2013 NV III.  Senat 4.3.2013 III B 64/12 Gewerbesteuerfreiheit für einen Lotterieeinnehmer
10.4.2013 NV V.  Senat 22.2.2013 V B 72/12 Einseitige Erledigungserklärung, Übergang vom Sach- zum Feststellungsantrag, Hilfsweises Aufrechterhalten des Sachantrags, Konkludente Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, Verhältnis von Gestattungs- und Festsetzungsverfahren
10.4.2013 NV X.  Senat 19.2.2013 X B 119/12 Bemessung des PKW-Eigenverbrauchs nach der sog. 1 %-Regelung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen
10.4.2013 NV X.  Senat 12.3.2013 X S 12/13 (PKH) Keine Verkürzung der Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG – Fristbeginn – Verfassungsmäßigkeit der Fristenregelung – Abgrenzung zu § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG – Prüfung des Vorliegens einer unangemessenen Verzögerung nur bei Zulässigkeit der Entschädigungsklage
10.4.2013 NV V.  Senat 1.3.2013 V B 112/11 Erlass von Nachzahlungszinsen
10.4.2013 NV V.  Senat 24.1.2013 V R 42/11 Prüfung der Grenzbetragsüberschreitung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
10.4.2013 NV VI.  Senat 8.2.2013 VI B 100/12 Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens als Verfahrensmangel
3.4.2013 V XI.  Senat 23.1.2013 XI R 27/11 Klärschlammabfuhren unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG
3.4.2013 V IX.  Senat 22.1.2013 IX R 19/11 Vorübergehender Leerstand von zur Untervermietung bereit gehaltener Räume in der Wohnung des Steuerpflichtigen
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 7/13 vom 6.2.2013
3.4.2013 V VI.  Senat 16.1.2013 VI R 14/12 Kindergeld: Fahrtaufwendungen als Werbungskosten – Dienstverhältnis i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG
3.4.2013 V V.  Senat 7.2.2013 V R 22/12 Anforderungen an Berufsqualifikation bei Heilbehandlungen – Erbringung steuerfreier Heilbehandlungsleistungen durch einen Podologen
3.4.2013 V III.  Senat 30.1.2013 III R 84/11 Abgrenzung zwischen den berufsüblichen und den außerordentlichen Einkünften eines Rechtsanwalts
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 18/13 vom 3.4.2013
3.4.2013 NV VII.  Senat 5.2.2013 VII R 37/11 Zolltarif: Einreihung sogenannter Silikonventile
3.4.2013 NV VII.  Senat 21.1.2013 VII B 44/12 Energiesteuerbefreiung der gewerblichen Schifffahrt
3.4.2013 NV IX.  Senat 15.2.2013 IX B 178/12 Versagung rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung – Wahrnehmung der Rechte des Beteiligten durch prozessbevollmächtigten und in selber Kanzlei tätigen Ehegatten
3.4.2013 NV II.  Senat 1.3.2013 II B 83/12 Fehlende Urteilsgründe i.S. des § 119 Nr. 6 FGO – kraftfahrzeugsteuerliche Einordnung von Pickup-Fahrzeugen
3.4.2013 NV IX.  Senat 20.2.2013 IX B 179/12 Divergenz

Bund der Steuerzahler fordert Abbau der heimlichen Steuererhöhung

Mehr Geld – weniger Kaufkraft: Sinkende Realeinkommen durch kalte Progression

Aktuelle Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen belegen: Der Fiskus macht bei den Steuerzahlern über die kalte Progression ordentlich Kasse. Und zwar mehr, als bislang zugegeben.

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler fordert: Die Politik sollte den Abbau der kalten Progression in Angriff nehmen, schließlich werden die Steuerzahler durch die kalte Progression überproportional besteuert. Davor darf auch der Bundesrat die Augen nicht verschließen. Mit einem Abbau der kalten Progression könnten besonders kleine und mittlere Einkommen von zukünftigen ungerechtfertigten Steuererhöhungen befreit werden.

„Gegenwärtig profitiert bei Lohn- und Einkommenssteigerungen vor allem der Fiskus. Ein Inflationsausgleich von beispielsweise 2,5 % führt zu einer durchschnittlichen Steuererhöhung von über 4,5 %. Das muss sich ändern. Zumal der Effekt der kalten Progression über die jüngste Anhebung des Grundfreibetrag auf 8.130 EUR nochmals verschärft wurde. Jeder mehr verdiente Euro führt damit – gerade bei kleineren Einkommen knapp über diesem Betrag – zu einer extremen Steuermehrbelastung“, so Holznagel weiter.

Nach Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen nimmt der Fiskus rund 9 Milliarden Euro allein in den Jahren 2011 bis 2013 zusätzlich aus der kalten Progression ein. Auch im Jahr 2014 sind Mehreinnahmen von 3 Milliarden Euro zu erwarten. Wie hoch die ungerechtfertigte Besteuerung der Steuerzahler aus der kalten Progression ist, zeigen folgende Berechnungen, die hier einzusehen sind.

(Als kalte Progression bezeichnet man die Steuermehrbelastung bei steigendem Einkommen, wenn der Steuertarif nicht an die Inflation angepasst wird.)

Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V.

Bemessung des PKW-Eigenverbrauchs nach der sog. 1 %-Regelung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 19.02.2013
Streitjahr: 2008
Aktenzeichen: X B 119/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2002, § 115 Abs 2 FGO, EStG VZ 2008
(Bemessung des PKW-Eigenverbrauchs nach der sog. 1 %-Regelung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen)

Leitsatz
NV: Soweit der Steuerpflichtige bei Fahrzeugen, die so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt sind, seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, kann ein Privatanteil nach der 1%-Methode angesetzt werden (Rn.9).

Orientierungssatz
NV: Der Rechtssatz, dass ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, der 1 %-Regelung nicht unterfällt (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2008 VI R 34/07), führt nicht automatisch dazu, dass ein solches Fahrzeug immer aus der Bewertungsregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG herauszunehmen ist. Es sind konkrete Feststellungen im Einzelnen zu treffen, die es erlauben, eine Privatnutzung tatsächlich auszuschließen (Rn.9).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 4. Mai 2012, Az: 4 K 318/11, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 30. August 2012, Az: X B 97/11
im Text BFH, 5. Oktober 2010, Az: X B 72/10
Vergleiche BFH, 18. Dezember 2008, Az: VI R 34/07
Vergleiche BFH, 13. Februar 2003, Az: X R 23/01

Tatbestand
1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nutzte im Streitjahr 2008 einen Opel … Kastenwagen im Rahmen seines Hausmeisterservices. Er führte kein Fahrtenbuch.

2
Abweichend von seinen Erklärungen ermittelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) den PKW-Eigenverbrauch nach der 1 %-Methode i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erhöhte entsprechend die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzungen wie auch den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2008.

3
Im Klageverfahren reichte der Kläger Unterlagen in Bezug auf den Neupreis des KFZs ein, woraufhin sich das FA bereit erklärte, geringere Beträge nach der 1 %-Methode anzusetzen. Das Finanzgericht (FG) schloss sich der Berechnung des FA an, korrigierte insoweit die Festsetzungen wie auch den Gewerbesteuermessbetrag und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab.

4
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Divergenz.

Entscheidungsgründe
5
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der vom Kläger benannte Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt trotz erheblicher Bedenken in Bezug auf die Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO zumindest in der Sache nicht vor.

6
1. Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gefährdende Divergenz ist gegeben, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 30. August 2012 X B 97/11, BFH/NV 2013, 13, m.w.N.).

7
Zur schlüssigen Darstellung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2010 X B 72/10, BFH/NV 2011, 273, m.w.N.).

8
Der Kläger trägt vor, dem angefochtenen Urteil des FG liege der Rechtssatz zugrunde, dass jedwedes zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen rechnende Kraftfahrzeug auch für private Zwecke genutzt werden könne. Damit weiche das Urteil von der ständigen Rechtsprechung des BFH, insbesondere den Urteilen vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07 (BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381) und vom 13. Februar 2003 X R 23/01 (BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472) ab, nach denen die LKWs von der Anwendung der 1 %-Regelung auszunehmen seien.

9
Das Urteil des FG beruht nicht auf dem von dem Kläger gebildeten abstrakten Rechtssatz. Entgegen der Auffassung des Klägers verkennt das FG nicht den im Urteil des BFH in BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381 ausgesprochenen Rechtssatz, dass ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, der 1 %-Regelung nicht unterfällt. Anders als der Kläger annimmt, führt dies nicht automatisch dazu, dass ein solches Fahrzeug immer aus der Bewertungsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG herauszunehmen ist. Es sind, auch dies wird in diesem Urteil vom BFH klargestellt, konkrete Feststellungen im Einzelnen zu treffen, die es erlauben, eine Privatnutzung tatsächlich auszuschließen. Hierzu bedarf es aber der Mitwirkung des Steuerpflichtigen, die im Streitfall unterblieben ist. In diesem Fall kann eine Privatnutzung ausnahmsweise nicht ausgeschlossen werden, so dass die 1 %-Regelung zum Tragen kommt. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Senatsurteil in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472, nach dem die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, der betriebliche PKW werde nicht zu Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt, nicht ausreicht, um die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen.

10
2. Der Kläger macht letztlich nur Rechtsanwendungsfehler geltend. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) ist die Revision zwar auch dann zuzulassen, wenn ein solcher Rechtsanwendungsfehler des FG zu einer „greifbaren gesetzwidrigen“ Entscheidung führt (vgl. im Einzelnen Senatsbeschuss in BFH/NV 2013, 13, m.w.N.). Da aber schon ein einfacher Rechtsanwendungsfehler nicht erkennbar ist, ist auch insoweit die Revision nicht zuzulassen.

Luxemburg: Einführung einer automatischen Auskunftserteilung für Zinserträge

Der Luxemburger Finanzplatz ist ein äußerst wichtiger Bestandteil der Wirtschaft des Landes. Sein Erfolg fußt auf dem Dynamismus seiner Finanzinstitute, auf der Vielfalt seiner Produktpalette, auf seiner Internationalität und auf seiner strikten Reglementierung, die sowohl für die Solidität der angesiedelten Finanzinstitute als auch für die Einhaltung internationaler Normen im Kampf gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuerflucht bürgt; dies sind Standards die von der Europäischen Union, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OCDE), des Weltforums für Transparenz und Informationsaustausch sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) entwickelt wurden.

Bezugnehmend auf internationale Entwicklungen (FATCA und die Tatsache, dass der Rubik Vertrag zwischen Deutschland und der Schweiz nicht angenommen wurde) sowohl wie zehn Jahre nach der Verabschiedung durch den EU-Rat der Richtlinie (2003/48/EG) im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ist es angebracht eine Bestandsaufnahme des Übergangszeitraumes mit Koexistenz von automatischer Auskunftserteilung und Quellensteuer zu tätigen. Obwohl Luxemburg in der Quellensteuer einen optimalen Kompromiss sieht zwischen Schutz der Privatsphäre und effektiver Besteuerung von Zinserträgen, muss es zur Kenntnis nehmen, dass die internationalen Entwicklungen eher auf den automatischen Informationsaustausch hinsteuern.

Die Regierung hat demnach beschlossen, zum 1. Januar 2015 und fußend auf dem Anwendungsbereich der 2003-er Zinsrichtlinie, die automatische Auskunftserteilung einzuführen für Zinserträge, die von Luxemburger Finanzinstituten an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Privatpersonen ausgezahlt werden, damit diese nach den Rechtsvorschriften letzterer Mitgliedstaaten effektiv besteuert werden, bei gleichzeitigem Schutz ihrer steuerlich nicht relevanten Daten.

Die Steuergesetzgebung betreffend Zinserträge, die an in Luxemburg ansässige Privatpersonen ausgezahlt werden, bleibt unverändert; diese Zinserträge bleiben einer Quellensteuer von 10 % unterworfen, bei gleichzeitigem Beibehalt des Bankgeheimnisses in seiner heutigen Form.

Ein bilaterales Abkommen, das zurzeit zwischen den Regierungen Luxemburgs und der Vereinigten Staaten von Amerika verhandelt wird, wird die steuerliche Behandlung von amerikanischen Staatsbürgern oder von in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Privatpersonen festlegen.

Die steuerliche Behandlung von Zahlungen an Privatpersonen, die in Drittländern ansässig sind, bleibt unverändert und wird geregelt durch bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Luxemburg und diesen Drittländern.

Diese Entscheidung der Luxemburger Regierung erwächst aus dem Dialog, den wir über Jahre mit unsern Partnern geführt haben sowie aus unserer Analyse der künftigen Ausrichtung der internationalen Finanzwelt. Die heutige Entscheidung ist ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Luxemburger Finanzplatzes als modernes und transparentes Zentrum; sein Schutz der Privatsphäre, sein internationaler Charakter sowie die Vielfalt seiner Produktpalette ist heute und wird in Zukunft für Kunden in der ganzen Welt Garant eines hochwertigen Service sein.

Quelle: Finanzministerium Luxemburg

Finanzgericht Düsseldorf: Kosten einer Ehescheidung in vollem Umfang steuerlich absetzbar

Finanzgericht Düsseldorf: Kosten einer Ehescheidung in vollem Umfang steuerlich absetzbar

09.04.2013

Eine Ehescheidung tut weh und bringt häufig auch erhebliche Kosten mit sich. Die mit einer Ehescheidung zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten können nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf nunmehr in vollem Umfang steuerlich geltend gemacht werden.In dem vom Finanzgericht entschiedenen Fall hatte der nunmehr geschiedene Ehepartner Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 8.195 Euro für die Ehescheidung aufgewandt. Die Kosten betrafen nicht nur die eigentliche Ehescheidung, sondern auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich, dem Zugewinnausgleich und dem nachehelichen Unterhalt. Das Finanzamt erkannte die Kosten nur insoweit steuerwirksam an, als sie auf die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich entfielen. Soweit die Aufwendungen auf die Regelung der Vermögensauseinandersetzung (Zugewinnausgleich) und der Unterhaltsansprüche entfielen, ließ das Finanzamt sie nicht zum Abzug zu.

Das Finanzgericht Düsseldorf (Az.: 10 K 2392/12 E) hat hingegen zugunsten des Steuerpflichtigen die gesamten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung (§ 33 des Einkommensteuergesetzes) steuerwirksam zum Abzug zugelassen. Eine Ehescheidung kann nur gerichtlich und mit Hilfe von Rechtsanwälten erfolgen. In dem Gerichtsverfahren müssen regelmäßig auch Regelungen zum Versorgungsausgleich, dem Zugewinn und den Unterhaltsansprüchen getroffen werden. Den damit zusammenhängenden Kosten können sich die Ehepartner nicht entziehen. Dabei spielt es keine Rolle, dass Teilbereiche einer Scheidung nur durch Urteil, andere Teile hingegen auch durch einen Vergleich zwischen den Ehepartnern geregelt werden können.

Mit der Entscheidung stellt sich das Finanzgericht zugleich gegen einen sogenannten Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung vom 20.12.2011 (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 20.12.2011, Bundessteuerblatt I 2011, 1286). Danach lässt die Finanzverwaltung bei Ehescheidungen einen vollständigen Abzug der Zivilprozesskosten nicht zu. Der vollständige Entscheidungstext finden Sie unten …

 

Finanzgericht Düsseldorf, 10 K 2392/12 E

Datum:
19.02.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 2392/12 E
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 wird der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz weiterer 8.195 Euro als außergewöhnliche Belastungen zusätzlich zu den bisher bereits berücksichtigten 94 Euro sowie durch Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 114 Euro geändert.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:2Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2010 Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen und ob Lohnkosten wegen der Montage einer ausgetauschten Einbauküche als Handwerkerleistungen steuerermäßigend zu berücksichtigen sind.

3Die Ehe der Klägerin wurde mit Urteil des Amtsgerichts A Familiengericht am ………….. 2010 geschieden (Az. …….. ). Gleichzeitig wurden im Urteil Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Klägerin begründet. Mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom gleichen Tag wurde der Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geregelt. Die Kosten des Verfahrens und die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Am 18. März 2010 erstellte die Prozessvertreterin der Klägerin in der Familiensache die Endabrechnung, die sich auf noch zu zahlende Anwalts- und Gerichtskosten von 8.195,13 Euro belief und von der Klägerin mit Wertstellung zum 15. April 2010 per Banküberweisung bezahlt wurde. Ebenfalls im Streitjahr 2010 ließ die Klägerin in der von ihr genutzten Wohnung eine neue Einbauküche montieren. Gemäß Rechnung vom 22. Juni 2010 betrug der Gesamtpreis einschließlich Lieferung und Montage insgesamt brutto 7.648 Euro. Der Rechnungsbetrag wurde von der Klägerin mittels Banküberweisung unter Anrechnung einer bereits 2010 geleisteten Anzahlung von 2.000 Euro mit Wertstellung 7. Juli 2010 bezahlt. Ausweislich einer Bescheinigung des Küchenlieferunten vom 28. März 2012 ist in der Rechnung ein Lohnkostenanteil von 572,39 Euro enthalten.

4In der Einkommensteuererklärung für 2010 machte die Klägerin u. a. Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.195 Euro und als Handwerkerleistung anlässlich der Erneuerung der Einbauküche einen Betrag von 1.530 Euro (20 v. H. des Rechnungsbetrages) geltend. Der Beklagte verweigerte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 insgesamt die steuerliche Berücksichtigung. In den Erläuterungen des Steuerbescheids heißt es dazu auszugsweise:

5„Als außergewöhnliche Belastungen können Prozesskosten für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich angesetzt werden. Aufwendungen für die Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens und Unterhaltsansprüche(n) sind nicht abzugsfähig. Aus den von Ihnen eingereichten Unterlagen ist eine Trennung der Aufwendungen nicht möglich. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen konnte nicht gewährt werden, weil die Arbeitskosten anhand der Angaben in der Rechnung nicht gesondert ermittelt werden konnten. Eine Aufteilung im Schätzwege ist nicht zulässig.“

6Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012).

7Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

8Der Beklagte habe die Prozesskosten entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 1015) nicht anerkannt. Sämtliche ihr im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren erwachsenen Kosten seien zwangsläufig entstanden. Ihre Rechtsverteidigung sei nicht mutwillig gewesen und habe von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt. Gemäß BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 (VI R 28/08, BStBl II 2010, 166) berechtige auch eine nachträgliche Rechnungsergänzung bei einer Handwerkerleistung zum Steuerabzug.

9Die Klägerin beantragt,

10              unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz von 8.195 Euro für Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (zusätzlich zu bisher bereits berücksichtigten Krankheitskosten in Höhe von 94 Euro) sowie durch Verminderung der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes um 114 Euro zu ändern.

11Der Beklagte beantragt,

12              die Klage abzuweisen, soweit sie nicht auf die Berücksichtigung der Handwerkerleistungen gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 114 Euro gerichtet ist.

13Er trägt vor:

14Prozesskosten seien grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 20. Dezember 2011 IV C 4-S 2284, BStBl I 2011, 1286). Bei berücksichtigungsfähigen Handwerkerleistungen müsse sich der Arbeitslohn aus der Rechnung selbst ergeben. Eine nachträgliche Aufgliederung durch Bestätigung des Rechnungsausstellers sei gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (IV C 4-S 2296-b, BStBl I 2010, 140) nicht mehr möglich.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist begründet.

17Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 sowie die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 sind weitere außergewöhnliche Belastungen von 8.195 Euro zu berücksichtigen und ist die tarifliche Einkommensteuer wegen Handwerkerleistungen um 114 Euro zu ermäßigen.

18Die Aufwendungen der Klägerin für die Montage der von ihr ausgetauschten Einbauküche sind mit 20 v. H. des Arbeitslohnes, also mit 114 Euro, gemäß § 35 a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der festzusetzenden tariflichen Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Gemäß Bescheinigung des Küchenlieferanten vom 28. März 2012 hat der Lohnkostenanteil der Rechnung vom 22. Juni 2010 insgesamt 572,39 Euro betragen. Der Austausch einer Einbauküche gehört gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (a. a. O.; dort Anlage 1) zu den begünstigten Handwerkerleistungen. Der Beklagte ist dem Abzug in seinem Klageantrag nicht mehr entgegen getreten. Insoweit ist dieser Verfahrensgegenstand nicht mehr streitig.

19Die insgesamt anlässlich des Ehescheidungsverfahrens geltend gemachten Aufwendungen von 8.195 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

20Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

21Der BFH hat mit Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten (stets) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskosten, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Vermögens bzw. mit dem Streit über den Zugewinnausgleich entstehen, sollen dagegen nach bisheriger Rechtsprechung nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein, da es die Eheleute in der Hand haben, die vermögensrechtliche Einigung ohne Inanspruchnahme der Gerichte herbeizuführen (BFH-Urteile vom 30. Mai 2005 III R 36/03, BStBl II 2006, 491; III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Dieser Begrenzung der Abzugsfähigkeit vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

22Das Recht der Ehe (Eheschließung und -scheidung einschließlich der daraus folgenden Unterhalts-, Vermögens- und Versorgungsfragen) unterliegt allein dem staatlich dafür vorgesehenen Verfahren. Ein anderes, billigeres Verfahren steht Eheleuten zur Beendigung einer Ehe nicht zur Verfügung; eine gewaltsame Konfliktlösung wird nicht gebilligt. § 623 der Zivilprozessordnung (ZPO) a. F. ordnet für den Fall, dass im Zusammenhang mit der Durchführung eines Scheidungsverfahrens die Regelung einer anderen Familiensache begehrt wird (sog. Folgesachen), einen Verhandlungs- und Entscheidungsverbund zwischen der Scheidungssache und der Folgesache an. Zweck der Vorschrift ist es, den Ehegatten deutlich vor Augen zu führen, welche Wirkungen die Scheidung für sie haben wird. Schließlich wird auch der schwächere Ehegatte, der sich der Scheidung nicht mit Erfolg widersetzen kann, durch den Verhandlungs- und Entscheidungsverbund geschützt. Er kann wenigstens sicher sein, dass die Ehe nicht geschieden wird, bevor die für ihn wichtigen Fragen geregelt sind. Der Verhandlungs- und Entscheidungsverbund bewirkt einen Zwang zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Ein unter Missachtung des Verbunds gefälltes Scheidungsurteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

23Diese nicht zuletzt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ‑ GG –) folgenden Erwägungen werden verletzt, wenn die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Ehescheidungskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) auf Fälle des sog. Zwangsverbundes zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich begrenzt wäre. Kausal für die insgesamt zu treffenden Regelungen einschließlich der vermögensrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Beziehungen ist die Beendigung der bisher bestehenden Ehe durch die begehrte Ehescheidung. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die die Ehescheidung Begehrenden letztere durch Urteil klären oder im Vergleichswege vom Gericht beurkunden lassen. Im Übrigen soll das Gericht in jeder Lage eines Verfahrens auf die vergleichsweise Regelung eines Rechtsstreits hinwirken (§ 278 Abs. 1, 2 und 6 der ZPO). Anders als bei einem nicht aus dem Scheidungsverfahren resultierenden Vergleich zur Regelung vermögensrechtlicher oder güterrechtlicher Ansprüche, der der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen ist, ist ein mit dem Scheidungsverfahren bestehender Veranlassungszusammenhang gegeben. Jeder Ehegatte könnte diese Fragen durch Antragstellung zum Verfahrensgegenstand der Scheidungssache machen, über die insgesamt dann durch Urteil zu entscheiden wäre. Unter Heranziehung der durch Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) geänderten Rechtsprechung, wonach Zivilprozesskosten Kläger wie Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen, sind die der Klägerin insgesamt mit der Ehescheidung erwachsenen Verfahrensaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig (im Ergebnis ebenso Urteil des Schleswig-Hosteinischen Finanzgerichts vom 21. Februar 2012

241 K 75/11, bisher nicht veröffentlicht).

25Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen betragen gemäß Anwaltsrechnung vom 18. März 2010 insgesamt 8.195 Euro. Die Anwalts- und Gerichtskosten sind entsprechend den Streitwerten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des Gerichtskostengesetzes (GKG) in zutreffender Höhe ermittelt worden.

26Das Gericht hat die Steuerfestsetzung wie erkannt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten übertragen. Dieser wird insbesondere die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) zu berechnen haben.

27Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

28Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen zum Abzug von Prozesskosten zugelassen. Zwar hat der BFH unter Änderung der Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen können und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig sind (Urteil vom 12. Mai 2011, a. a. O.). Mit Urteilen vom 30. Mai 2005 (a. a. O.) hat der BFH aber auch entschieden, dass die Kosten der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren keine außergewöhnlichen Belastungen sind. Es erscheint nach Änderung der Rechtsprechung im Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) angemessen, dem BFH Gelegenheit zu geben, diese einschränkende Rechtsprechung zu den Kosten eines Ehescheidungsverfahrens zu überprüfen. Im Übrigen sind weitere Revisionsverfahren zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme von Gerichten als außergewöhnliche Belastungen beim BFH anhängig (Az. X R 34/12, IX R 41/12, VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12). Die Frage der Abzugsfähigkeit erscheint daher insgesamt höchstrichterlich klärungsbedürftig.

Finanzgericht Düsseldorf entscheidet erneut gegen Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung

11. April 2013

Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich erneut in zwei Entscheidungen zugunsten der Steuerpflichtigen gegen einen Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung gewandt.In beiden Fällen (Az.: 10 K 2392/12 E und 15 K 2052/12 E) ging es um die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses. Die Finanzverwaltung hatte die Kosten in einem Fall gar nicht, in einem anderen Fall nur teilweise als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zugelassen, obwohl die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die volle Absetzbarkeit derartiger Aufwendungen bejaht (Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.05.2011, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 234, 30, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2011, 1015). Zur Begründung hatte die Finanzverwaltung angeführt, sie sei an einen sogenannten Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen gebunden, wonach die für die Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht anzuwenden sei (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 20.12.2011, BStBl. I 2011, 1286).Die für die Verfahren zuständigen Senate des Finanzgerichts Düsseldorf haben in beiden Fällen die geltend gemachten Anwalts- und Gerichtskosten in voller Höhe steuerwirksam als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zugelassen. Damit setzen sich die Richter des Finanzgerichts in ausdrücklichen Widerspruch zu dem Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung.

„Es kommt im Steuerrecht häufig vor, dass die Finanzverwaltung ein nicht in ihrem Sinne ergangenes Urteil des Bundesfinanzhofs mit einem Nichtanwendungserlass belegt. Damit werden die Finanzämter angewiesen, eine für den Steuerpflichtigen im Regelfall günstige Rechtsprechung nicht anzuwenden“, führt Helmut Plücker, Präsident des Düsseldorfer Finanzgerichts, aus. „Die Finanzgerichte sind allerdings an eine derartige Verwaltungsanweisung nicht gebunden. Steuerpflichtige, deren Aufwendungen aufgrund eines Nichtanwendungserlasses von den Finanzämtern nicht zum Abzug zugelassen werden, sollten daher in einem solchen Fall mit fachkundiger Hilfe gegen den Steuerbescheid Einspruch und anschließend Klage einlegen.“

„Dabei sollten die betroffenen Bürger zügig handeln und keinesfalls den Ausgang weiterer, zu der streitigen Frage anhängiger Musterverfahren abwarten. Denn sind Gerichte und Finanzverwaltung dauerhaft verschiedener Auffassung zur Anwendung und Auslegung einzelner Steuergesetze, erfolgen nach einiger Zeit oft gesetzliche Klarstellungen, die unter Umständen für den Bürger ungünstig sein können“, so Plücker weiter. „Nur diejenigen Steuerpflichtigen, die zeitnah geklagt haben und deren Rechtsstreit im Fall einer gesetzlichen Änderung bereits letztinstanzlich entschieden ist, genießen dann Vertrauensschutz und werden von einer ggf. rückwirkenden Neufassung des Gesetzes nicht erfasst.“

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in der Vergangenheit bereits mehrfach unter Außerachtlassung von Nichtanwendungserlassen oder anderen Anweisungen der Finanzverwaltung zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Derartige Verfahren werden von den Richterinnen und Richtern regelmäßig auch vorrangig bearbeitet, um zeitnah und effektiv Rechtsschutz gewähren zu können.

 

Luxemburg wird Bankgeheimnis lockern und Steuer-Daten austauschen

Wie das luxemburgische Finanzministerium mitteilte, habe bei der Entscheidung zu den Steuer-Daten eine gewisse Dringlichkeit bestanden, nachdem die Gespräche über die Zypern- Rettung die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt hatten. Luxemburg habe die

http://www.welt.de/newsticker/bloomberg/article115176928/Luxemburg-wird-Bankgeheimnis-lockern-Steuer-Daten-austauschen.html

Keine Haftung von Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei Anonymität der mutmaßlichen Haupttäter

BFH-Urteil vom 15.01.13   VIII R 22/10

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 22/10 eine Entscheidung des Finanzgerichts bestätigt, wonach Mitarbeiter eines Kreditinstituts für die von anonym gebliebenen Kunden mutmaßlich hinterzogene Einkommensteuer auf mutmaßlich im Ausland erzielte Kapitalerträge nicht haften, obwohl die Kunden als Folge der von der Bank angebotenen Möglichkeit des anonymisierten Kapitaltransfers in das Ausland nicht enttarnt werden konnten.

 

Der Kläger hatte 1992 und 1993 als Leiter der Wertpapierabteilung eines großen deutschen Kreditinstituts daran mitgewirkt, dass Kunden des Kreditinstituts Wertpapiere unter Verschleierung ihrer Identität nach Luxemburg oder in die Schweiz transferieren konnten. Dies diente dazu, der 1991 in Deutschland eingeführten Zinsabschlagssteuer zu entgehen. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen bei dem Kreditinstitut brachten zwar den Umfang des auf diesem Weg anonym in das Ausland transferierten Vermögens zu Tage. Es gelang jedoch nicht, sämtliche dahinterstehenden Kunden namentlich zu enttarnen. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass von den enttarnten Kunden nahezu keiner die im Ausland erzielten Kapitalerträge in seiner Steuererklärung angegeben hatte.

 

Das Finanzamt übertrug die Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden auf die Gruppe der nicht enttarnten Kunden und nahm den Kläger (u.a.) unter Anwendung eines großzügigen Sicherheitsabschlags für die von den nicht enttarnten Wertpapierkunden mutmaßlich hinterzogene Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitalerträge in Haftung.

 

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat u.a. ausgeführt, allein die Tatsache des anonymen Kapitaltransfers reiche nicht aus, um eine hinreichend sichere Überzeugung davon zu gewinnen, dass die nicht enttarnten Kunden die Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte hinterzogen hätten. Auch die Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden könnten für die Gruppe der anonym gebliebenen Kunden konkrete tatsächliche Feststellungen nicht ersetzen. Dies gehe zu Lasten der Finanzverwaltung, die hierfür die Feststellungslast trage. Der BFH hat diese Ausführungen bestätigt. Ob eine Steuerhinterziehung unter anderen tatsächlichen Voraussetzungen auch ohne namentliche Kenntnis des Haupttäters in Betracht kommt, hat der BFH ausdrücklich offen gelassen.

DStV  Pressemitteilung Nr. 20/13 vom 10.4.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.1.2013, VIII R 22/10

Keine Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei Anonymität der mutmaßlichen Haupttäter – Freie Beweiswürdigung des FG

Leitsätze

1. Die Haftung nach § 71 AO setzt u.a. voraus, dass der Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt ist.

 

2. Im Zusammenhang mit anonymisierten Kapitaltransfers ins Ausland setzt die Feststellung einer Steuerhinterziehung voraus, dass der jeweilige Inhaber des in das Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er z.B. unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat.

 

3. Kann das FG verbleibende Zweifel, ob und in welchem Umfang Steuerhinterziehungen begangen wurden, nicht ausräumen, muss es wegen der insoweit bestehenden Feststellungslast des FA zu dessen Lasten den Haftungstatbestand i.S. des § 71 AO verneinen.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehungen durch anonym gebliebene Bankkunden haftet.
2
Der Kläger war Leiter der Wertpapieradministration bei einem großen deutschen Kreditinstitut X und als solcher unmittelbar dem Vorstand unterstellt. X war an zwei gleichnamigen Auslandsgesellschaften in Luxemburg und der Schweiz beteiligt. Der Kläger veranlasste und genehmigte 1992 –nach Abstimmung mit der Revision sowie der Rechtsabteilung des Kreditinstituts– zwei Anweisungen, die darauf gerichtet waren, den anonymen Transfer von Wertpapieren zu den Auslandstöchtern der X zu ermöglichen. Ergänzt wurde diese Regelung im Oktober 1992 für sog. auslandsverwahrte Werte in der Weise, dass effektiv eingelieferte Werte „auch ohne Legitimationsprüfung entsprechend der Kundenangabe (z.B. Kennwort oder Kundennummer)“ angenommen werden konnten. Auf die bis dahin einzuholende Aneignungsermächtigung gemäß § 13 des Depotgesetzes sollte verzichtet werden können.
3
Im Jahr 1996 begann die Finanzverwaltung bei der X mit Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch deren Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder zugunsten von Kunden der X und ihrer beiden Auslandstöchter in Luxemburg und der Schweiz. Das zuständige Finanzamt stellte fest, dass eine Vielzahl von Kunden der X und der beiden Tochtergesellschaften die Möglichkeit genutzt hatten, Kapital und Wertpapiere anonym über die Grenze zu den Tochtergesellschaften zu transferieren. Anstelle der personenbezogenen Kundendaten waren lediglich Referenznummern, Kundennummern, Depot-Kontennummern oder mit der Auslandsbank vereinbarte Kennworte auf den Transferbelegen vermerkt worden.
4
Trotz der Anonymisierung gelang es der Finanzverwaltung unter Mithilfe der X, etwa 75 % der Vorgänge einzelnen Kunden zuzuordnen. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass nahezu kein nachträglich enttarnter Kunde die Erträge aus den ins Ausland transferierten Wertpapieren in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte. In etwa 6 % der Fälle hatte dies allerdings keine steuerverkürzende Wirkung. Die Identität der übrigen Kunden, die Bargeld und Wertpapiere anonym transferiert hatten, konnte nicht ermittelt werden. Insgesamt handelte es sich dabei um 1 149 Kunden, von denen 638 Kunden Wertpapiere transferiert hatten. Die ermittelte Nominalwertsumme der von diesen 638 Kunden transferierten Wertpapiere belief sich auf 304.732.400 DM.
5
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) nahm den Kläger wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 638 Fällen für hinterzogene Einkommensteuer in Höhe von 2.250.824,46 EUR und Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer in Höhe von weiteren 1.204.178 EUR gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO) in Haftung. Er und seine Mitarbeiter hätten ein System entwickelt und praktiziert, das es den Kunden der X erlaubt habe, Kapital anonym ins Ausland zu transferieren und so der Zinsabschlagsteuer zu entgehen. Der Kläger habe dieses Verfahren angeordnet. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die Kunden den anonymen Transfer dazu nutzen wollten, um die Steuern auf die im Ausland erzielten Kapitalerträge zu hinterziehen.
6
Die Haftungssumme errechnete das FA auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse in der Vergleichsgruppe der enttarnten Kunden. Die identifizierten Kunden hätten im Durchschnitt Kapitalerträge von 8 % p.a. erzielt. Der durchschnittliche Einkommensteuersatz dieser Kunden habe bei 35 % gelegen. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 25 % ergebe sich daraus in der Gruppe der nicht identifizierten Kunden eine Summe an hinterzogener Einkommensteuer von nicht unter 2.250.824,46 EUR. Die Hinterziehungszinsen seien auf 1.204.178 EUR festzusetzen. Neben dem Kläger seien auch die X, sechs damalige Vorstandsmitglieder sowie vier weitere leitende Angestellte in Haftung genommen worden.
7
Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, den das FA zurückwies. Auf Antrag des Klägers hat der Senat im Streitfall die Vollziehung des Haftungsbescheids für die Dauer des Klageverfahrens ausgesetzt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. Juli 2009 VIII B 64/09, BFHE 226, 30, BStBl II 2010, 8). Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den Haftungsbescheid aufgehoben.
8
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 71 AO, § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
9
Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

10
Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass der Kläger für die mögliche und auch wahrscheinliche, aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbare Steuerhinterziehung durch anonym gebliebene Bankkunden nicht gemäß § 71 AO haftet. An die tatsächliche (negative) Feststellung des FG, wonach es von der Steuerhinterziehung jedes einzelnen anonym gebliebenen Kunden in keinem einzigen Fall überzeugt sei, ist der BFH gebunden.
12
1. Gemäß § 71 AO haftet, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Wer Teilnehmer einer Straftat ist, ergibt sich mangels eigener Begriffsbestimmungen für das Steuerrecht aus den §§ 25 bis 31 des Strafgesetzbuchs –StGB– (Täterschaft und Teilnahme). Teilnehmer sind der Anstifter (§ 26 StGB) oder der Gehilfe (§ 27 StGB). Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
13
a) Unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Anforderungen setzt die Haftung als Gehilfe einer Steuerhinterziehung voraus, dass der Steuerschuldner die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) verwirklicht hat. Der Steuerschuldner muss eine der in § 370 Abs. 1 AO beschriebenen Tathandlungen mit Vorsatz begangen und dadurch Steuern verkürzt haben. Der Gehilfe muss dazu vorsätzlich Hilfe geleistet haben. Das setzt eine von Vorsatz getragene Beihilfehandlung voraus. Der Vorsatz des Gehilfen muss sich darüber hinaus auch auf die Haupttat, also die Steuerhinterziehung durch den Steuerschuldner erstrecken (sog. doppelter Gehilfenvorsatz). Steuerrechtlich setzt die Haftung weiter voraus, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis noch existiert (Akzessorietät der Haftung).
14
b) Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des materiellen Strafrechts –hier des § 370 AO– bei der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften wie § 169 Abs. 2 Satz 2 AO oder § 71 AO von den Finanzbehörden und den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit festzustellen, sind verfahrensrechtlich die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend und nicht die Strafprozessordnung (vgl. nur Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, 145, BStBl II 1979, 570, 573). Danach hat das FG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1  1. Halbsatz FGO aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob für den Erlass eines Haftungsbescheids nach § 71 AO diejenigen Tatsachen vorliegen, die den Tatbestand des Strafgesetzes ausfüllen. Allerdings darf es sich für die Feststellung einer Steuerhinterziehung nicht auf die Anwendung eines reduzierten Beweismaßes oder eine Schätzung beschränken; verbleibende Zweifel gehen nach den Regeln der Feststellungslast zu Lasten des Finanzamts (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1991 X R 86/88, BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128; Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 71 AO Rz 19).
15
c) Welche Anforderungen gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1  1. Halbsatz FGO im Einzelfall an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt werden müssen, entzieht sich weitgehend abstrakter Festlegung. Grundsätzlich muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen bilden. Das bedeutet, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (vgl. BFH-Urteile vom 24. März 1987 VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560; vom 7. November 2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364; BFH-Beschluss vom 9. März 2011 X B 153/10, BFH/NV 2011, 965).
16
d) Nach § 118 Abs. 2 FGO ist der BFH an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Die Feststellung oder Nichtfeststellung von Tatsachen durch das FG ist danach der revisionsrechtlichen Nachprüfung weitgehend entzogen. Sie ist grundsätzlich nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind. Im Übrigen binden die tatsächlichen Feststellungen das Revisionsgericht schon dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind (vgl. nur Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Ein revisionsrechtlich beachtlicher Verstoß gegen die rechtlichen Anforderungen an die Überzeugungsbildung oder das erforderliche Maß von Überzeugung kann deshalb nur angenommen werden, wenn das FG die in § 96 Abs. 1 Satz 1  1. Halbsatz FGO angeordneten gesetzlichen Maßstäbe für die Überzeugungsbildung in grundlegender Weise verkannt hat.
17
2. Nach diesen Maßstäben begegnet das angefochtene Urteil keinen rechtlichen Bedenken.
18
a) Das FG hat im Wesentlichen ausgeführt, die Tatsache des anonymen Kapitaltransfers in einer bestimmten Anzahl von Fällen und in einer bestimmten Höhe lasse keinen sicheren Schluss darauf zu, dass die 638 nicht enttarnten Wertpapierkunden Steuern hinterzogen haben. Die fehlende Überzeugung des Gerichts gehe zu Lasten des FA. Das Gericht dürfe die fehlende Überzeugung nicht durch Wahrscheinlichkeitsurteile ersetzen. Dies würde zu einer weitreichenden Feststellungserleichterung zugunsten der Finanzverwaltung führen, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zulässig sei.
19
b) Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
20
aa) Sie beruhen im rechtlichen Ausgangspunkt auf der ständigen Rechtsprechung, dass die Haftung nach § 71 AO die Verwirklichung des Tatbestands einer Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 AO voraussetzt und die entsprechenden Tatsachen durch das FG hinsichtlich einer sicher bestimmbaren Zahl von Fällen festzustellen sind. Das setzt tatsächliche Feststellungen dazu voraus, dass der jeweilige Inhaber des in das Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er z.B. unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat. Außerdem musste das FG feststellen, dass der jeweilige Steueranspruch noch existierte und nicht z.B. durch Zahlung oder Verjährung erloschen war.
21
Kann das FG verbleibende tatsächliche Zweifel, ob und in welchem Umfang Steuerhinterziehungen begangen wurden, nicht ausräumen, muss es wegen der insoweit bestehenden Feststellungslast des FA zu dessen Lasten den Haftungstatbestand i.S. des § 71 AO verneinen (s. dazu oben unter II.1.b).
22
bb) Die Auffassung des FA, zur Begründung der Haftung gemäß § 71 AO reiche auch ohne entsprechende einzelfallbezogene tatsächliche Feststellungen schon eine hinreichend sichere Annahme einer Steuerhinterziehung i.S. einer gruppenbezogenen Betrachtung aus (hier der nicht enttarnten Kunden), findet im Gesetz keine Stütze.
23
(1) Schon die strafrechtlichen Begriffe (Steuerhinterziehung, Teilnahme) gebieten für die Anwendung des § 71 AO eine grundsätzlich auf den Einzelfall abstellende Betrachtung. Der BFH ist stets davon ausgegangen, dass die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Strafrechts auch materiell-rechtlich wie im Strafrecht zu beurteilen sind (vgl. nur Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570). Auch die steuerrechtliche Akzessorietät der Haftung kann nur bezogen auf das einzelne Steuerrechtsverhältnis geprüft werden.
24
(2) Die gegenteilige Auffassung des FA ist mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) abgeleiteten Anforderungen an die Bestimmtheit von Eingriffsrecht und die grundsätzliche Bindung des Richters an das Gesetz unvereinbar. Sie liefe auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene Gefährdungshaftung hinaus.
25
Auch der Umstand, dass der Kläger gerade durch das ihm zur Last gelegte Verhalten die Enttarnung der Bankkunden aktiv erschwert und zum Teil vereitelt hat, vermag keine Ausweitung der Haftung über den gesetzlichen Tatbestand hinaus zu rechtfertigen.
26
(3) Das FG hat seine Überzeugung gemäß § 96 FGO zu Recht nach demselben Beweismaß wie bei anderen steuer- oder haftungsbegründenden Tatsachen gebildet, nicht aber nach einem reduzierten Beweismaß anhand eines bestimmten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs, wie ihn das FA mit einem Sicherheitsabschlag von 25 % zugrunde legen will. Durch einen solchen Sicherheitsabschlag erhöht sich nämlich nur die Wahrscheinlichkeit, dass die geschätzte Haftungssumme den tatsächlichen Steuerschaden nicht übersteigt, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsachen, aus denen sich in der Vielzahl der Einzelfälle die Steuerhinterziehung dem Grunde nach ergibt.
27
cc) Die auf der Grundlage der dargestellten Grundsätze vorgenommene Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch das FG ist jedenfalls möglich; an die (negative) tatsächliche Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestands durch das Gericht ist der BFH deshalb gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
28
(1) Zum einen gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass, wer Kapital anonym ins Ausland verbringt, auch in der Steuererklärung unrichtige Angaben hinsichtlich der daraus erzielten Erträge macht (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2007 II R 66/06, BFH/NV 2007, 2057).
29
(2) Zum anderen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Häufigkeit der Steuerhinterziehung in der Gruppe der enttarnten Kunden bei der Prüfung einer möglichen Steuerhinterziehung durch nicht enttarnte Kunden der Bank mangels Möglichkeit weiterer entsprechender tatsächlicher Feststellungen unberücksichtigt gelassen. Andernfalls hätte die Überzeugungsbildung auf einer reinen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung beruht, die mit dem unter II.1.b dargestellten Gebot der richterlichen Überzeugungsbildung für Sachverhalte, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt, unvereinbar gewesen wäre.
30
(3) Die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nach § 71 AO verlangt –wie dargelegt– tatsächliche Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach ergibt. Dies erfordert im Regelfall Feststellungen zur Zurechenbarkeit anonymisierter Kapitaltransfers ins Ausland zu bestimmbaren Steuerpflichtigen und Feststellungen, die die Überzeugung begründen, dass diese Steuerpflichtigen in ihren Steuererklärungen dazu keine oder unrichtige Angaben gemacht haben.
31
Solche tatsächlichen Feststellungen waren indessen –auch nach Ansicht des FA– im Streitfall nicht möglich, so dass dahinstehen kann, ob das Merkmal der „Steuerhinterziehung“ in § 71 AO auch ohne (namentliche) Kenntnis des Täters in Betracht kommt. Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen waren jedenfalls deshalb nicht durch Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden zu ersetzen, weil selbst nach den Angaben des FA in der Gruppe der enttarnten Kunden nicht sämtliche Kunden in ihren Einkommensteuererklärungen unrichtige Angaben gemacht haben. Vielmehr habe „nahezu kein“ enttarnter Kunde die im Ausland erzielten Erträge deklariert, was jedoch Ausnahmen einschließt. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des FA in etwa 6 % der Fälle aus anderen Gründen eine Steuerverkürzung nicht eingetreten ist.
32
(4) Der Streitfall gibt schließlich keine Veranlassung, abschließend dazu Stellung zu nehmen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Wahrscheinlichkeitsaussagen überhaupt zur richterlichen Überzeugungsbildung herangezogen werden dürfen, weil das FG seine Entscheidungsbildung auf solche Wahrscheinlichkeitsaussagen nicht gestützt hat.