Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Abgeltungsteuer FAQ

Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Abgeltungsteuer

Zum 1. Januar 2009 wurde in Deutschland die Abgeltungsteuer eingeführt. Damit unterliegen Zinsen, Dividenden, Fondsausschüttungen sowie Kurs- und Währungsgewinne einem einheitlichen Pauschalsteuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.

Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer, d. h. sie wird vom Schuldner (z. B. Bank) vom Ertrag einbehalten und direkt an das Finanzamt abgeführt.

Wie vormals beim Zinsabschlag können Erträge in Höhe von 801 Euro bei Alleinstehenden bzw. 1.602 Euro bei Ehegatten steuerfrei gestellt werden.

-> Abgeltungssteuerrechner

 

1. Was ist unter „Abgeltungsteuer“ zu verstehen?

Die Abgeltungsteuer ist eine Form der Erhebung der Einkommensteuer durch Abzug an der Quelle.

Der Abgeltungsteuer unterliegen alle Kapitalerträge, die nicht in einem Unternehmen anfallen. Inländische Schuldner oder Zahlstellen (z.B. Banken) sind danach verpflichtet, einen Steuerabzug vorzunehmen und an die Finanzverwaltung abzuführen.

Mit dem Steuerabzug ist die Einkommensteuer des Gläubigers grundsätzlich abgegolten. Die Angabe der Kapitaleinkünfte in der Einkommensteuererklärung ist nicht mehr erforderlich.

Der Steuersatz beträgt einheitlich 25 Prozent. Hinzu kommen Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

 

2. Welche Einkünfte fallen unter die Abgeltungsteuer?

Unter die Regelungen der Abgeltungsteuer fallen grundsätzlich alle Einkünfte aus dem Kapitalvermögen, insbesondere Zinserträge aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten, Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren, Dividenden, Erträge aus Investmentfonds oder Termingeschäfte und auch Zertifikatserträge.

Weiterhin erfasst die Abgeltungsteuer Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften, insbesondere bei Wertpapieren, Investmentanteilen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, nicht jedoch Immobilien.

 

3. Ab wann gilt die Abgeltungsteuer?

Der Abgeltungsteuer unterliegen alle laufenden Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2008 zufließen.

Gleiches gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die nach dem 31.12.2008 gekauft werden, und zwar unabhängig von der Haltedauer. Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 erworben werden, können nach Ablauf eines Jahres steuerfrei veräußert werden.

Für Zertifikate gilt eine besondere Regelung. Diese können ab dem 1. Juli 2009 nur steuerfrei verkauft werden, wenn sie am 14. März 2007 – dem Kabinettsbeschluss zur Abgeltungsteuer – oder vorher erworben wurden. Mit dieser Sonderregelung sollen nicht hinnehmbare Steuerausfälle vermieden werden. Denn während sich der herkömmliche Zertifikatemarkt durch eine überwiegende Zahl von Produkten mit sehr begrenzter Laufzeit auszeichnete, war bereits kurz nach dem Kabinettsbeschluss das Bestreben erkennbar, eine „Schlussrallye“ mit sehr lang oder unbegrenzt laufenden Zertifikaten zu starten.

 

4. Dürfen Verluste, die bei der Veräußerung von Aktien entstehen, die ab dem Jahr 2009 gekauft werden, mit Zins- oder Dividendeneinkünften verrechnet werden?

Nein.
Grund der Einschränkung der Verlustverrechnung ist die Verhinderung von erheblichen Haushaltsrisiken.

Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass Kursstürze an den Aktienmärkten zu einem erheblichen Verlustpotential bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien führen. Denn viele Steuerpflichtige veräußerten während des Börsencrashs 2000-2002 ihre Aktien unter Verlust, so dass allein aus Veräußerungsgeschäften, die innerhalb der – bisher geltenden einkommensteuerrechtlichen – Jahresfrist vorgenommen wurden, bis Ende 2002 Verluste in Höhe von bundesweit 11,2 Mrd. Euro festgestellt wurden. Für das gesamte Steueraufkommen hatten diese gravierenden Verluste keine relevante Bedeutung, da Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften lediglich mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften, also z.B. nicht mit Zins- oder Dividendeneinkünften, verrechnet werden konnten.

Würde man zukünftig jedoch eine Verrechnung von Veräußerungsverlusten aus Aktien mit anderen Erträgen aus Kapitaleinkünften, insbesondere Zinsen und Dividenden, zulassen, bestünde die Gefahr, dass bei vergleichbaren Kursstürzen wie in der Vergangenheit innerhalb kürzester Zeit Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe entstehen.

 

5. Kann man die Abgeltungsteuer – ähnlich wie bisher – mit Nichtveranlagungsbescheinigungen und Freistellungsaufträgen vermeiden?

Ja.
Wer bisher die entsprechenden Anträge gestellt hat oder die Voraussetzungen hierfür erstmals erfüllt, kann dies auch zukünftig tun.

In unserer Rubrik Formulare finden Sie die Vordrucke für den Freistellungsauftragund für den Antrag auf Erteilung einer Nichtveranlagungsbescheinigung.

 

6. Welche Vorteile bringt die Abgeltungsteuer für die Steuerpflichtigen?

Der wichtigste und augenfälligste Vorteil ist die Vereinfachung der persönlichen Einkommensteuererklärung. Wer seine Konten und Depots im Inland unterhält, muss sich nicht mehr um die steuerlichen Folgen seiner Kapitalanlagen kümmern. Dies erledigt sein Kreditinstitut für ihn.

Gleichzeitig eröffnet die Veranlagungsoption ggf. eine niedrigere steuerliche Belastung mit dem individuellen Einkommensteuersatz.

Die Erklärungsvordrucke werden einfacher und verständlicher gestaltet. Dies bringt auch Erleichterungen für den Steuerpflichtigen, der die Veranlagung wählt.

Die einheitliche Behandlung von laufenden Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen bringt mehr Freiheit für Anlageentscheidungen. Umschichtungen können frei von steuerlichen Zwängen nach rein wirtschaftlichen Erwägungen jederzeit vorgenommen werden.

 

7. Müssen alle Steuerpflichtigen auf ihre Kapitaleinkünfte 25 % Einkommensteuer zahlen?

Nein.
Steuerpflichtige, die auf Grund ihrer geringen Einkünfte einen persönlichen Steuersatz (Grenzsteuersatz) von unter 25 % haben, können zu ihren Gunsten zur Veranlagung ihrer Einkünfte aus Kapitalanlagen optieren, d.h. sie können in der Einkommensteuererklärung ihre Kapitaleinkünfte angeben.

Stellt sich bei der Steuerfestsetzung auf Grund der eingereichten Erklärung heraus, dass die Veranlagung doch nicht günstiger ist als die Abgeltungsteuer, werden die Kapitaleinkünfte bei der Steuerfestsetzung ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt.

 

8. Kann ich bei diesen Kapitaleinkünften Werbungskosten, wie z.B. Depotgebühren, geltend machen?

Nein.
Die Bemessungsgrundlage entspricht den Bruttoerträgen, die nur durch den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 Euro, für Verheiratete in Höhe von 1.602 Euro reduziert werden. Damit werden typisierend Werbungskosten berücksichtigt, die meist weit unter diesem Beträgen liegen.

 

9. Wie wirkt sich die Abgeltungsteuer auf Riester- und Rürup-Verträge aus?

Die Leistungen aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen („Riester-Rente“) und von Basisrentenprodukten („Rürup-Rente“) werden erst in der Auszahlungsphase nachgelagert besteuert. Während der Ansparphase erfolgt keine Besteuerung von Erträgen und Wertsteigerungen.

Auch nach Einführung der Abgeltungsteuer wird bei der Besteuerung der Riester- und Rürup-Verträge der von der Höhe des zu versteuernden Einkommens abhängige persönliche Steuersatz und nicht der Abgeltungsteuersatz angewendet.

Zu den Riester-Produkten gehören sämtliche zertifizierten Altersvorsorgeverträge in Form einer Rentenversicherung, eines Fonds- oder eines Banksparplans. Die Regelungen in der Ansparphase gelten für jeden zertifizierten Altersvorsorgevertrag. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anleger im Rahmen der Riester-Rente förderberechtigt ist und ob er die Förderung in Anspruch nehmen wird. D. h., auch ein Selbständiger, der nicht förderberechtigt ist, kann einen entsprechenden zertifizierten Altersvorsorgevertrag abschließen und von den Regelungen profitieren.

Rürup-Produkte können ebenfalls von allen Steuerpflichtigen als private Rentenversicherungen und als fondsgebundene Basisrentenprodukte abgeschlossen werden.

 

10. Was ändert sich bei der Dividendenbesteuerung?

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer entfällt für Einkünfte des Privatvermögens natürlicher Personen das Halbeinkünfteverfahren. Dies bedeutet, dass Dividenden aus Aktien beim Anleger genauso besteuert werden wie Zinseinnahmen.

 

11. Gilt die Abgeltungsteuer auch bei Lebensversicherungen?

Teilweise ja.
Sowohl das geltende als auch das zukünftige Recht unterscheidet zwischen Versicherungsverträgen, die vor dem 01. Januar 2005 („Altverträge“) und solchen, die nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen wurden („Neuverträge“).

Bei Altverträgen gilt zeitlich unbeschränkt die Ermittlung des steuerpflichtigen Ertrags in Form der außerrechnungs- und rechnungsmäßigen Zinsen und die an bestimmte Voraussetzungen (insbes. Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren, mind. fünfjährige laufende Beitragszahlung, 60 % Mindesttodesfallschutz) geknüpfte Steuerbefreiung fort.

Bei Neuverträgen ist als steuerpflichtiger Ertrag der Unterschied zwischen der Versicherungsleistung und der auf sie entrichteten Beiträge zu ermitteln. Erfolgt die Auszahlung nach Vollendung des 60. Lebensjahrs (bei Vertragsabschlüssen nach dem 31.12.2011: nach Vollendung des 62. Lebensjahrs) des Steuerpflichtigen und nach Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss, ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen.

Allerdings fallen Leistungen aus Neuverträgen, bei denen die Voraussetzungen des hälftigen Unterschiedsbetrags vorliegen, nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 %. In diesen Fällen erfolgt eine Veranlagung gemeinsam mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten unter Anwendung des progressiven Einkommensteuertarifs. Die Ausnahme ist zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gerechtfertigt, da der Wertzuwachs – bei Anwendung des Abgeltungsteuersatzes – bei diesen Leistungen lediglich in Höhe von höchstens 12,5 % besteuert würde. Damit würde ohne sachlichen Grund eine steuerrechtliche Begünstigung von Lebensversicherungsleistungen gegenüber anderen Anlageprodukten erfolgen.

Bei der Erhebung der Steuer ist zu beachten, dass der Steuerabzug von 25 % auch bei Lebensversicherungen vorgenommen wird, die die Voraussetzung der hälftigen Freistellung erfüllen. Der Steuerpflichtige kann diese Freistellung in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen und damit eine Erstattung durch das Finanzamt erreichen. Diese Regelung ist zur Verifikation derartiger steuerpflichtiger Versicherungsleistungen geboten, da ansonsten die Gefahr besteht, dass in diesen Fällen – auf Grund fehlender zusätzlicher Kontrollmöglichkeiten durch die Finanzverwaltung – lediglich eine Besteuerung in Höhe von 12,5 % des Wertzuwachses erfolgt, wenn der Steuerpflichtige die Erträge nicht in seiner Einkommensteuererklärung angibt.

 

12. Wie werden Kapitalanlagen bei Kreditinstituten im Ausland behandelt?

Auf Erträge aus Kapitalanlagen bei Kreditinstituten im Ausland findet die Abgeltungsteuer keine Anwendung. Gleichwohl unterliegen diese Erträge ggf. der Einkommensteuer und müssen daher gegenüber dem Finanzamt angegeben werden.

 

13. Wie wird die Kirchensteuer auf die Kapitaleinkünfte erhoben?

Grundsätzlich sollen die Kreditinstitute die Kirchensteuer – wie die Einkommensteuer – bereits in der Form des Quellensteuerabzugs erheben. Hierfür ist jedoch eine gesonderte Datenbank beim Bundeszentralamt für Steuern notwendig, bei der die Kreditinstitute unter Wahrung des Datenschutzes der Betroffenen eine Abfrage starten können, ob ihre Kunden einer Konfession angehören, für die Kirchensteuer zu erheben ist.

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Datenbank ihre Arbeit aufnimmt, bestehen für den Steuerpflichtigen hinsichtlich der Kirchensteuererhebung zwei Alternativen:

  • Er kann einerseits bei seinem Kreditinstitut seine Konfession angeben. Dann nimmt das Kreditinstitut – ohne dass die Finanzverwaltung hiervon erfährt – die Erhebung der Kirchensteuer für ihn vor.
  • Er kann in seiner Steuererklärung angeben, in welcher Höhe Kapitalertragsteuer von seinem Kreditinstitut einbehalten wurde. Dann setzt das Finanzamt auf Grund der angegebenen Kapitalertragsteuer die zutreffende Kirchensteuer für ihn fest.
    Eine abweichende Regelung gilt in Bayern: Hier teilt das Finanzamt die maßgebende Kapitalertragsteuer dem zuständigen Kirchensteueramt mit, das dann die Kirchensteuer erhebt.

 

14. Wird zwischen inflationsbedingten und realen Wertänderungen unterschieden?

Nein.
Das Einkommensteuerrecht unterscheidet nicht zwischen realen und nominalen (inflationsbedingten) Wertänderungen. Das sog. Nominalwertprinzip steht auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang mit dem Grundgesetz.

 

15. Gibt es trotz der Abgeltungsteuer weiterhin den Kontenabruf der Finanzbehörden?

Für Fälle, in denen private Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne weiterhin nach altem Recht zu besteuern sind, besteht auch die Kontenabrufmöglichkeit nach altem Recht fort.

Soweit die Abgeltungsteuer Anwendung findet, besteht die Kontenabrufmöglichkeit nur noch für die Fälle, in denen ein Bürger

  • beantragt, seine Kapitaleinkünfte seinem niedrigeren persönlichen Einkommensteuersatz zu unterwerfen,
  • festgesetzte Steuern nicht zahlt,
  • einem steuerlichen Kontenabruf zustimmt,
  • bestimmte staatliche Leistungen beantragt, für die die Höhe des Einkommens von Bedeutung ist (z.B. BAFöG, Wohngeld) oder
  • in Veranlagungszeiträumen bis einschl. 2011 steuerliche Vergünstigungen (z.B. außergewöhnliche Belastungen) in Anspruch nehmen will oder Kindergeld beantragt und für die Höhe des Kindergelds die Einkünfte des Kindes von Bedeutung sind.

 

16. Was passiert mit Altverlusten aus privaten Veräußerungsgewinnen mit Wertpapieren? Kann ich diese weiterhin geltend machen?

Ja.
Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, d.h. Verluste, die nach dem bis 2008 geltenden Recht entstanden sind, können für eine Übergangszeit bis zum Jahr 2013 mit Einkünften aus der Veräußerung von Kapitalanlagen – z.B. Gewinnen aus Aktienverkäufen oder Fondsbeteiligungen – verrechnet werden.

Eine Verrechnung mit Zinseinkünften oder Dividendenausschüttungen ist dagegen nicht zulässig. Dies war auch nach dem bisherigen Recht nicht möglich.

Beispiel:

A hat beim Börsencrash im Jahr 2001 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 20.000 Euro erzielt, die er bisher noch nicht verrechnen konnte.

Im Jahr 2010 erzielt er Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 20.000 Euro. Hierbei entfallen 9.000 Euro auf Zinseinkünfte und Dividendenausschüttungen (Einkünfte nach § 20 Abs. 1 EStG). Die übrigen Einkünfte von 11.000 Euro stammen aus der Endfälligkeit von Zertifikaten, aus Einlösungsgewinnen bei Finanzinnovationen (z.B. Umtauschanleihen), aus Termingeschäften sowie aus Veräußerungsgewinnen aus Aktien, die er im Jahr 2009 angeschafft hat (Einkünfte nach § 20 Abs. 2 EStG).

A kann einen Verlust von 11.000 Euro verrechnen.

Eine Verrechnung der Altverluste mit den Gewinnen aus den Zinseinkünften und Dividendenausschüttungen ist ausgeschlossen.

Für A besteht allerdings die Möglichkeit, die Verluste noch in den Jahren 2011 bis 2013 geltend zu machen.

Hinweis:

Voraussetzung für die Berücksichtigung von Altverlusten ist, dass der Steuerpflichtige die Altverluste im Jahr ihrer Entstehung in seiner Steuererklärung angegeben hat und sie vom Finanzamt – z.B. durch Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides – berücksichtigt wurden.

Wie lässt sich der Erklärungsbedarf in der Anlage KAP reduzieren?

Seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 ist die Abgabe der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung für viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr erforderlich.

Seit dem 1. Januar 2009 hat der Steuerabzug bei Kapitalerträgen abgeltende Wirkung, das heißt, es besteht grundsätzlich keine Pflicht mehr, diese Erträge in der Steuererklärung anzugeben. Die Besteuerung erfolgt mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.

Die Abgeltungsteuer wird nur dann erhoben, wenn die Kapitaleinkünfte den Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro für Ledige oder 1.602 Euro für Verheiratete übersteigen oder wenn keine Nichtveranlagungs-Bescheinigung vorgelegt wird.

Veranlagungswahlrecht

Für die Abgeltungsteuer gilt aber das so genannte Veranlagungswahlrecht. Wer meint, dass die Veranlagung der Kapitaleinkünfte zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt, kann eine Einbeziehung seiner Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerveranlagung und damit die Besteuerung mit dem allgemeinen progressiven Einkommensteuertarif beantragen.

Die Höhe des allgemeinen Einkommensteuertarifes ist dabei nicht entscheidend, maßgebend ist allein, wie hoch die Steuerbelastung bei einer Einbeziehung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zu einer Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz ist.

Das Finanzamt prüft beide Alternativen und wendet die für den Steuerpflichtigen günstigere Variante an (sog. Günstigerprüfung).

Grenzbeträge

Für die weit überwiegende Zahl der Steuerpflichtigen dürfte sich die Ausübung des Veranlagungswahlrechts kaum lohnen, denn bereits ab einem zu versteuernden Einkommen von 15.721 Euro und 31.442 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten wird ein (Grenz-)Steuersatz von 25 % erreicht.

Vereinfachtes Beispiel, gerechnet ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer:

Eine steuerpflichtige Person erzielt (nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags) 5.000 Euro Kapitalerträge und 15.000 Euro Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten. Würde eine Veranlagung mit einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von 20.000 Euro durchgeführt, wären bei Anwendung des derzeit geltenden allgemeinen Einkommensteuertarifs 2.701 Euro Einkommensteuer zu zahlen; bei Anwendung des Tarifs auf 15.000 Euro zvE fallen 1.410 Euro Steuer in der Veranlagung und 1.250 Euro Abgeltungsteuer, also zusammen 2.660 Euro, an. Die Abgeltungsteuer führt also zu 41 Euro weniger Einkommensteuer.

Fälle mit Altersentlastungsbetrag oder Härteausgleich

Sind die genannten Grenzwerte überschritten, kann der Antrag dann vorteilhaft sein, wenn für die Kapitalerträge die Gewährung des Altersentlastungsbetrags oder eines Härteausgleichs in Betracht kommt.

Der Altersentlastungsbetrag wird ab dem Kalenderjahr gewährt, das auf die Vollendung des 64. Lebensjahrs folgt. Eine Steuerminderung für die Kapitalerträge ergibt sich allerdings nur, wenn der Altersentlastungsbetrag nicht bereits aufgrund anderer positiver Einkünfte vollständig ausgeschöpft ist. Zu beachten ist auch, dass bei der Bemessung des Altersentlastungsbetrags Renteneinkünfte und Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben.

Den Härteausgleich erhalten Bezieher von Arbeitslohn, deren Nebeneinkünfte aus anderen Einkunftsarten niedriger als 820 € sind.

Bitte berücksichtigen Sie daher, dass der Antrag auf Günstigerprüfung nur unter bestimmten Voraussetzungen zu einer niedrigeren Besteuerung führt. Liegen diese Voraussetzungen ganz offensichtlich nicht vor, kann auf den Antrag und eine vollumfängliche Erklärung der Kapitalerträge verzichtet werden.

Weitere Möglichkeiten

Sie haben aber auch noch weitere Möglichkeiten, die Angabe von Kapitaleinkünften in der Steuererklärung entbehrlich zu machen, wenn Sie

  • den kontoführenden Kreditinstituten Freistellungsaufträge bis zum Höchstbetrag von insgesamt 801 €, bei zusammenveranlagten Ehegatten bis zu 1 602 €, erteilen und das Freistellungsvolumen erforderlichenfalls der Entwicklung der Kapitalerträge anpassen. Ein Antrag beim Finanzamt auf Überprüfung des Steuereinbehalts zur Berücksichtigung eines beim Steuerabzug nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags wird dadurch entbehrlich.
  • als Mitglied einer kirchensteuerhebeberechtigten Religionsgemeinschaft bei den kontoführenden Kreditinstituten die Einbehaltung der Kirchensteuerbeantragen. Soweit die Kapitalerträge dem Kirchensteuerabzug unterlegen haben, sind Angaben in der Anlage KAP grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Anwalts- und Gerichtskosten im Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens angefallene Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen

Finanzgericht Düsseldorf, 10 K 2392/12 E

Datum: 19.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 10. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 10 K 2392/12 E
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 wird der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz weiterer 8.195 Euro als außergewöhnliche Belastungen zusätzlich zu den bisher bereits berücksichtigten 94 Euro sowie durch Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 114 Euro geändert.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:

2Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2010 Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen und ob Lohnkosten wegen der Montage einer ausgetauschten Einbauküche als Handwerkerleistungen steuerermäßigend zu berücksichtigen sind.

3Die Ehe der Klägerin wurde mit Urteil des Amtsgerichts A Familiengericht am ………….. 2010 geschieden (Az. …….. ). Gleichzeitig wurden im Urteil Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Klägerin begründet. Mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom gleichen Tag wurde der Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geregelt. Die Kosten des Verfahrens und die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Am 18. März 2010 erstellte die Prozessvertreterin der Klägerin in der Familiensache die Endabrechnung, die sich auf noch zu zahlende Anwalts- und Gerichtskosten von 8.195,13 Euro belief und von der Klägerin mit Wertstellung zum 15. April 2010 per Banküberweisung bezahlt wurde. Ebenfalls im Streitjahr 2010 ließ die Klägerin in der von ihr genutzten Wohnung eine neue Einbauküche montieren. Gemäß Rechnung vom 22. Juni 2010 betrug der Gesamtpreis einschließlich Lieferung und Montage insgesamt brutto 7.648 Euro. Der Rechnungsbetrag wurde von der Klägerin mittels Banküberweisung unter Anrechnung einer bereits 2010 geleisteten Anzahlung von 2.000 Euro mit Wertstellung 7. Juli 2010 bezahlt. Ausweislich einer Bescheinigung des Küchenlieferunten vom 28. März 2012 ist in der Rechnung ein Lohnkostenanteil von 572,39 Euro enthalten.

4In der Einkommensteuererklärung für 2010 machte die Klägerin u. a. Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.195 Euro und als Handwerkerleistung anlässlich der Erneuerung der Einbauküche einen Betrag von 1.530 Euro (20 v. H. des Rechnungsbetrages) geltend. Der Beklagte verweigerte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 insgesamt die steuerliche Berücksichtigung. In den Erläuterungen des Steuerbescheids heißt es dazu auszugsweise:

5„Als außergewöhnliche Belastungen können Prozesskosten für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich angesetzt werden. Aufwendungen für die Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens und Unterhaltsansprüche(n) sind nicht abzugsfähig. Aus den von Ihnen eingereichten Unterlagen ist eine Trennung der Aufwendungen nicht möglich. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen konnte nicht gewährt werden, weil die Arbeitskosten anhand der Angaben in der Rechnung nicht gesondert ermittelt werden konnten. Eine Aufteilung im Schätzwege ist nicht zulässig.“

6Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012).

7Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

8Der Beklagte habe die Prozesskosten entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 1015) nicht anerkannt. Sämtliche ihr im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren erwachsenen Kosten seien zwangsläufig entstanden. Ihre Rechtsverteidigung sei nicht mutwillig gewesen und habe von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt. Gemäß BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 (VI R 28/08, BStBl II 2010, 166) berechtige auch eine nachträgliche Rechnungsergänzung bei einer Handwerkerleistung zum Steuerabzug.

9Die Klägerin beantragt,

10              unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz von 8.195 Euro für Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (zusätzlich zu bisher bereits berücksichtigten Krankheitskosten in Höhe von 94 Euro) sowie durch Verminderung der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes um 114 Euro zu ändern.

11Der Beklagte beantragt,

12              die Klage abzuweisen, soweit sie nicht auf die Berücksichtigung der Handwerkerleistungen gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 114 Euro gerichtet ist.

13Er trägt vor:

14Prozesskosten seien grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 20. Dezember 2011 IV C 4-S 2284, BStBl I 2011, 1286). Bei berücksichtigungsfähigen Handwerkerleistungen müsse sich der Arbeitslohn aus der Rechnung selbst ergeben. Eine nachträgliche Aufgliederung durch Bestätigung des Rechnungsausstellers sei gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (IV C 4-S 2296-b, BStBl I 2010, 140) nicht mehr möglich.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist begründet.

17Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 sowie die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 sind weitere außergewöhnliche Belastungen von 8.195 Euro zu berücksichtigen und ist die tarifliche Einkommensteuer wegen Handwerkerleistungen um 114 Euro zu ermäßigen.

18Die Aufwendungen der Klägerin für die Montage der von ihr ausgetauschten Einbauküche sind mit 20 v. H. des Arbeitslohnes, also mit 114 Euro, gemäß § 35 a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der festzusetzenden tariflichen Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Gemäß Bescheinigung des Küchenlieferanten vom 28. März 2012 hat der Lohnkostenanteil der Rechnung vom 22. Juni 2010 insgesamt 572,39 Euro betragen. Der Austausch einer Einbauküche gehört gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (a. a. O.; dort Anlage 1) zu den begünstigten Handwerkerleistungen. Der Beklagte ist dem Abzug in seinem Klageantrag nicht mehr entgegen getreten. Insoweit ist dieser Verfahrensgegenstand nicht mehr streitig.

19Die insgesamt anlässlich des Ehescheidungsverfahrens geltend gemachten Aufwendungen von 8.195 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

20Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

21Der BFH hat mit Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten (stets) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskosten, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Vermögens bzw. mit dem Streit über den Zugewinnausgleich entstehen, sollen dagegen nach bisheriger Rechtsprechung nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein, da es die Eheleute in der Hand haben, die vermögensrechtliche Einigung ohne Inanspruchnahme der Gerichte herbeizuführen (BFH-Urteile vom 30. Mai 2005 III R 36/03, BStBl II 2006, 491; III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Dieser Begrenzung der Abzugsfähigkeit vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

22Das Recht der Ehe (Eheschließung und -scheidung einschließlich der daraus folgenden Unterhalts-, Vermögens- und Versorgungsfragen) unterliegt allein dem staatlich dafür vorgesehenen Verfahren. Ein anderes, billigeres Verfahren steht Eheleuten zur Beendigung einer Ehe nicht zur Verfügung; eine gewaltsame Konfliktlösung wird nicht gebilligt. § 623 der Zivilprozessordnung (ZPO) a. F. ordnet für den Fall, dass im Zusammenhang mit der Durchführung eines Scheidungsverfahrens die Regelung einer anderen Familiensache begehrt wird (sog. Folgesachen), einen Verhandlungs- und Entscheidungsverbund zwischen der Scheidungssache und der Folgesache an. Zweck der Vorschrift ist es, den Ehegatten deutlich vor Augen zu führen, welche Wirkungen die Scheidung für sie haben wird. Schließlich wird auch der schwächere Ehegatte, der sich der Scheidung nicht mit Erfolg widersetzen kann, durch den Verhandlungs- und Entscheidungsverbund geschützt. Er kann wenigstens sicher sein, dass die Ehe nicht geschieden wird, bevor die für ihn wichtigen Fragen geregelt sind. Der Verhandlungs- und Entscheidungsverbund bewirkt einen Zwang zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Ein unter Missachtung des Verbunds gefälltes Scheidungsurteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

23Diese nicht zuletzt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ‑ GG –) folgenden Erwägungen werden verletzt, wenn die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Ehescheidungskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) auf Fälle des sog. Zwangsverbundes zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich begrenzt wäre. Kausal für die insgesamt zu treffenden Regelungen einschließlich der vermögensrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Beziehungen ist die Beendigung der bisher bestehenden Ehe durch die begehrte Ehescheidung. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die die Ehescheidung Begehrenden letztere durch Urteil klären oder im Vergleichswege vom Gericht beurkunden lassen. Im Übrigen soll das Gericht in jeder Lage eines Verfahrens auf die vergleichsweise Regelung eines Rechtsstreits hinwirken (§ 278 Abs. 1, 2 und 6 der ZPO). Anders als bei einem nicht aus dem Scheidungsverfahren resultierenden Vergleich zur Regelung vermögensrechtlicher oder güterrechtlicher Ansprüche, der der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen ist, ist ein mit dem Scheidungsverfahren bestehender Veranlassungszusammenhang gegeben. Jeder Ehegatte könnte diese Fragen durch Antragstellung zum Verfahrensgegenstand der Scheidungssache machen, über die insgesamt dann durch Urteil zu entscheiden wäre. Unter Heranziehung der durch Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) geänderten Rechtsprechung, wonach Zivilprozesskosten Kläger wie Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen, sind die der Klägerin insgesamt mit der Ehescheidung erwachsenen Verfahrensaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig (im Ergebnis ebenso Urteil des Schleswig-Hosteinischen Finanzgerichts vom 21. Februar 2012

241 K 75/11, bisher nicht veröffentlicht).

25Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen betragen gemäß Anwaltsrechnung vom 18. März 2010 insgesamt 8.195 Euro. Die Anwalts- und Gerichtskosten sind entsprechend den Streitwerten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des Gerichtskostengesetzes (GKG) in zutreffender Höhe ermittelt worden.

26Das Gericht hat die Steuerfestsetzung wie erkannt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten übertragen. Dieser wird insbesondere die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) zu berechnen haben.

27Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

28Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen zum Abzug von Prozesskosten zugelassen. Zwar hat der BFH unter Änderung der Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen können und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig sind (Urteil vom 12. Mai 2011, a. a. O.). Mit Urteilen vom 30. Mai 2005 (a. a. O.) hat der BFH aber auch entschieden, dass die Kosten der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren keine außergewöhnlichen Belastungen sind. Es erscheint nach Änderung der Rechtsprechung im Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) angemessen, dem BFH Gelegenheit zu geben, diese einschränkende Rechtsprechung zu den Kosten eines Ehescheidungsverfahrens zu überprüfen. Im Übrigen sind weitere Revisionsverfahren zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme von Gerichten als außergewöhnliche Belastungen beim BFH anhängig (Az. X R 34/12, IX R 41/12, VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12). Die Frage der Abzugsfähigkeit erscheint daher insgesamt höchstrichterlich klärungsbedürftig.

Zur Frage der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 4455/11 E

Datum: 26.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 13. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 13 K 4455/11 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand:2Die Beteiligten streiten um die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung.

3Die Klägerin war von 1963 bis 1987 bei der Firma „N-GmbH“ als Auslandskorrespondentin beschäftigt. Mit Schreiben vom 08.09.1969 wurde ihr seitens der Arbeitgeberin für den Versorgungsfall eine Pension zugesagt. Das Arbeitsverhältnis wurde auf Veranlassung der Arbeitgeberin und gegen Zahlung einer Abfindung an die Klägerin aus betrieblichen Gründen zum 31.03.1987 einvernehmlich beendet. Da die Arbeitgeberin auch die Pensionsansprüche der Klägerin abfinden musste, schloss sie am 11.03.1987 zu Gunsten der Klägerin mit der „Versicherung“ einen Lebensversicherungsvertrag in Form einer Firmendirektversicherung. Zur Abgeltung der 24 Dienstjahre zahlte die Arbeitgeberin einen Betrag von 45.600 DM in die Lebensversicherung ein. Diese Einzahlung wurde gem. § 40b Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Einkommensteuersatz von 10% pauschal versteuert. Zur Verbesserung ihrer Altersversorgung zahlte die Klägerin zusätzlich aus ihrem versteuerten Einkommen einen Versicherungsbeitrag von 29.400 DM in Form eines Einmalbeitrags in den Lebensversicherungsvertrag ein. Mit Ablauf des Versicherung zum 01.03.2008 zahlte die „Versicherung“ einen Betrag von 144.103,52 € an die Klägerin aus. Darin enthalten waren rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen von 96.190,69 €.

4Diese Zinsen aus den Sparanteilen erklärten die Kläger nicht im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008.

5Der Beklagte erfuhr aufgrund einer Mitteilung über steuerpflichtige Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag oder aus einer betrieblichen Altersversorgung der „Versicherung“ von der Auszahlung aus dem Versicherungsvertrag und behandelte die Zinsen aus den Sparanteilen mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11.01.2011 als steuerpflichtige Leistung aus einem Lebensversicherungsvertrag.

6Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, dass die Leistungen aus der Lebensversicherung steuerfrei seien. Die von der Klägerin vereinnahmte Versorgungsleistung beruhe nicht auf der Erbringung eines Einmalbeitrags, sondern auf 24 Jahresleistungen der Arbeitgeberin zur Abgeltung der erteilten Pensionszusage. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG in der zum 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.) seien erfüllt.

7Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, die Leistung sei nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der zum 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.) steuerfrei. Es handele sich um keine Versicherung gegen laufende Beitragsleistung i. S. des 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG a. F.

8Die Kläger haben am 20.12.2011 Klage erhoben.

9Sie wiederholen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und machen außerdem geltend, die Altersvorsorgeleistungen der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin seien bereits vorgelagert besteuert worden. Die nachgelagerte Besteuerung der Zinsen bei Auszahlung der Versicherungssumme führe daher zu einer Doppelbesteuerung.

10Die Kläger beantragen,

11unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 11.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 die Einkommensteuer 2008 ohne Berücksichtigung des bislang erfassten Betrags von 96.190 € aus der Lebensversicherung festzusetzen.

12Die Beklagte beantragt,

13              die Klage abzuweisen.

14Er macht geltend, dass die Zahlung des Einmalbetrags durch die damalige Arbeitgeberin zur Abgeltung der Ansprüche aus der betrieblichen Versorgungszusage geleistet worden sei, führe nicht dazu, dass es sich um laufende Beitragsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG a. F. handele. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung erhalte und er diese in seine Altersversorgung investiere, indem er die Abfindung (als Einmalbeitrag) in eine Rentenversicherung einzahle.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist unbegründet.

17Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

18Der Beklagte hat zu Recht die der Klägerin zugeflossenen rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus Sparanteilen i. H. von 96.190,69 € als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a. F. i. V. m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG berücksichtigt.

191. Da vorliegend der Versicherungsvertrag am 11.03.1987 abgeschlossen worden war, ist nach § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG für die Frage der Steuerpflicht der aus diesem Versicherungsvertrag resultierenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. maßgeblich.

20Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F., die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden.

212. Im Streitfall sind die Zinsen aus den Sparanteilen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a. F. als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. sind nicht erfüllt.

22a) Zwar wurden im Streitjahr 2008 rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen aus einer Lebensversicherung mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall an die Klägerin ausgezahlt. In Anbetracht des Versicherungsscheins, nach dem der Ablauf der Versicherung auf den 01.03.2008 datierte, sind die Zinsen auch im Versicherungsfall i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. ausgezahlt worden.

23b) Es handelt sich bei der im Jahr 1987 abgeschlossenen Versicherung aber nicht um eine Versicherung i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F.

24Gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. sind Beiträge zu den folgenden Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall Sonderausgaben:

25aa) Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen,

26bb) Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,

27cc) Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgeübt werden kann,

28dd) Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.

29Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. kommt es lediglich darauf an, dass der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. begünstigen Vertragstypen gehört. Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. für Zinsen aus Versicherungen ist nicht an die weiteren Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 01.03.2005 VIII R 47/01, Bundessteuerblatt II 2006, 365, unter II.2.b).

30Die im Jahr 1987 abgeschlossene Lebensversicherung mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall gehört nicht zu den o. g. Risiko- und Rentenversicherungen. Sie gehört auch nicht zu den Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG a. F., da es sich nicht um eine Versicherung gegen laufende Beitragszahlungen handelt. Angesichts der Formulierung „zu den folgenden Versicherungen“ enthält die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. eine abschließende Aufzählung (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 16.06.2011 11 K 2096/09, Entscheidung der Finanzgerichte 2012, 115). Nach deren klaren Wortlaut in Doppelbuchst. dd werden nur Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung, nicht jedoch Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag erfasst. Im Streitfall haben aber die Arbeitgeberin der Klägerin einen Einmalbeitrag von 45.600 DM und die Klägerin selbst einen Einmalbeitrag von 29.400 DM erbracht. Es wurden keine laufenden Beitragsleistungen erbracht.

313. Die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen sind – soweit sie auf dem Einmalbeitrag der Arbeitgeberin beruhen – auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG a. F. steuerfrei.

32Eine analoge Anwendung der genannten gesetzlichen Bestimmungen ist nicht möglich. Es mangelt an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst nur laufende Beitragsleistungen an Kapitalversicherungen zum Sonderausgabenabzug zugelassen und nur Zinsen aus den Sparanteilen solcher Versicherungsverträge steuerfrei gestellt hat. Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag hat der Gesetzgeber bewusst sowohl vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen als auch die späteren Zinsen aus Sparanteilen solcher Verträge von der Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. ausgenommen.

33Die Sätze 1 und 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F. wurden im Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.1974 (Bundesgesetzblatt –BGBl– I 1974, 1769) in das Gesetz aufgenommen. Der Gesetzgeber führte in seiner Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache –BT-Drucks.– 7/1470, 273) aus, dass rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall mit Bausparzinsen vergleichbar seien. Gleichwohl seien solche von den Versicherungsgesellschaften erwirtschafteten Erträge auf die Sparanteile bisher nicht zur Einkommensteuer herangezogen worden. Die Bundesregierung halte diese steuerliche Nichterfassung bei solchen Lebensversicherungen nicht für gerechtfertigt, bei denen der Vorsorgezweck nicht im Vordergrund stehe und bei denen sich ohne wesentliches Risiko ein beachtlicher Vermögenszuwachs erzielen lasse. Deshalb würden rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen, die im Rahmen bestimmter nicht förderungswürdiger Lebensversicherungen anfielen, künftig steuerlich erfasst. Es handele sich dabei um den gleichen Versicherungskreis, für den Versicherungsbeiträge nach § 91 E-EStG (Anmerkung: später umgesetzt in § 10 Abs. 1 EStG a. F.) nicht begünstigt seien. In Satz 2 werde der Kreis der Zinsen aus Versicherungsverträgen umschrieben, die auch künftig nicht der Besteuerung unterlägen.

34Auch der Aufbau des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. ist geprägt durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.1974 (BGBl I 1974, 1769). Der Gesetzgeber führte in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 7/1470, 287) insoweit aus, dass dieser eine abschließende Aufzählung der als Vorsorgeaufwendungen begünstigten Versicherungsbeiträge enthalte. Die Begünstigung von Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall sei dahin eingeschränkt worden, dass Beiträge zu folgenden Versicherungen nicht mehr begünstigt seien, weil bei ihnen der Vorsorgezweck nicht im Vordergrund stehe:

35a)      Versicherungen gegen einmalige Beitragsleistung mit Ausnahme von Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,

36b)      Kapitallebensversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen, die Sparanteile enthalten, mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren,

37c)      Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen, bei denen das Kapitalwahlrecht vor Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss ausgeübt werden könne.

38Aufgrund der Gesetzesbegründung besteht im Streitfall für eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. kein Raum. Aus der abschließenden Aufzählung der als Vorsorgeaufwendungen begünstigten Versicherungsbeiträge ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur eine bestimmte Gruppe von Altersvorsorgeverträgen (Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen mit einer Vertragsdauer von mindestens zwölf Jahren, Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen oder Einmalbeitrag) steuerlich fördern wollte. Demgegenüber sollten andere Formen der Altersvorsorge (Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag, Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren, langfristige Sparpläne bei Banken) nicht steuerlich gefördert werden.

394. Die Besteuerung der Zinsen aus den Sparanteilen führt auch nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung. Denn der Beklagte hat zutreffend nur die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen von 96.190,69 € als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG erfasst. Die Rückzahlung der Versicherungsbeiträge, welche aus bereits versteuerten Einkommen der Klägerin stammen, hat der Beklagte nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen eingeordnet.

405. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2012

Einkommensteuer-Richtlinien: EStÄR 2012 im Bundessteuerblatt veröffentlicht

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 – EStÄR 2012) vom 25. März 2013; Herstellungskosten nach R 6.3 EStR

BMF-Schreiben vom 25. März 2013 – IV C 6 – S 2133/09/10001 :004

“Nach R 6.3 Absatz 1 EStÄR 2012 sind in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes auch Teile der angemessenen Kosten der allgemeinen Verwaltung, der angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung (vgl. R 6.3 Absatz 3 EStR) einzubeziehen. […]“

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 – EStÄR 2012) vom 25. März 2013 (PDF, 18,4 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

Steuererklärungsfristen 2012

Abgabefrist für Steuererklärungen

Für das Kalenderjahr 2012 sind folgende Erklärungen bis zum 31.5.2013 bei den Finanzämtern abzugeben: die Erklärungen zur Einkommensteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten sowie zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags. Ferner die Erklärungen zur Körperschaftsteuer, einschließlich der Erklärungen zu gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die in Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen sind, sowie für die Zerlegung der Körperschaftsteuer. Ebenfalls bis zu diesem Datum abzugeben sind die Erklärungen zur Gewerbesteuer, einschließlich der Erklärungen zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und zur gesonderten Feststellung des Zuwendungsvortrags sowie für die Zerlegung des Steuermessbetrags. Schließlich auch die Erklärungen zur Umsatzsteuer sowie zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes.

Sonderfrist

Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist nicht vor Ablauf des fünften Monats, der auf den Schluss des Wirtschaftsjahres 2012/2013 folgt.

Fristverlängerung

Sofern die vorbezeichneten Steuererklärungen durch Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG angefertigt werden, wird die Frist allgemein bis zum 31.12.2013 verlängert. Bei Steuererklärungen für Steuerpflichtige, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, tritt an die Stelle des 31.12.2013 der 31.5.2014. Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspätet oder nicht abgegeben wurden. Ferner dann, wenn für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum kurz vor Abgabe der Erklärung bzw. vor dem Ende der Karenzzeit nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden oder sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat. Des Weiteren soll von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, wenn hohe Abschlusszahlungen erwartet werden oder für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind oder die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Erklärungen laufend fertig gestellt und unverzüglich eingereicht werden. Aufgrund begründeter Einzelanträge kann die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen bis zum 28.2.2014 bzw. in den Fällen, in denen die vorbezeichnete Sonderfrist gilt, bis zum 31.7.2014 verlängert werden. Eine weitergehende Fristverlängerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die allgemeine Fristverlängerung gilt nicht für Anträge auf Steuervergütungen. Sie gilt auch nicht für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit mit Ablauf des 31.12.2012 endete. Hat die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor dem 31.12.2012 geendet, ist die Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr einen Monat nach Beendigung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit abzugeben.

 

Arbeitszimmer bei mehreren Tätigkeiten


Die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG greift bei einem Steuerpflichtigen, der mehrere Tätigkeiten ausübt, nur ein, wenn der inhaltliche/qualitative Schwerpunkt der Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit, nicht nur lediglich einer der Tätigkeiten, in dem häuslichen Arbeitszimmer liegt.

Wer nachweisen kann, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstellt, kann die Kosten als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben absetzen.  Wie kann man aber die Kosten absetzen, wenn man mehreren Tätigkeiten nachgeht. Dann ist der volle Kostenabzug nach Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz nur zu gewähren, wenn das häusliche Arbeitszimmer für jede der Tätigkeiten den Tätigkeitsmittelpunkt bildet. |

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom: 17.01.2012
Aktenzeichen: 2 K 1726/10
Rechtsgebiet: EStG
Vorschriften: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Eingestellt am: 14.03.2013

Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 17.01.2012

2 K 1726 / 10

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für einen im selbstgenutzten Einfamilienhaus gelegenen Raum unbegrenzt oder nach den Regelungen für die Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmerkosten und in diesem Rahmen nur begrenzt als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Die Klägerin war im Streitjahr als Musikpädagogin und Konzertpianistin freiberuflich tätig. Ihre hieraus erzielten Gewinne ermittelte sie im Wege der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Daneben ist sie ehrenamtliche Organistin des protestantischen Dekanats.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 hatte sie angegeben, Honorare für „pianistische Tätigkeiten” bzw. für Konzerte in Höhe von 5.952,00 € sowie für Unterricht an der Kreismusikschule in Höhe von 7.155,80 € und für die Unterrichtung von Privatschülern in Höhe von 15.570,78 € erzielt zu haben.

Als Betriebsausgaben machte sie u.a. Raumkosten für ein Arbeitszimmer in dem von ihr bewohnten Einfamilienhaus in Höhe von 2.492,29 € sowie Kosten für verschiedene Geschäftsreisen (Konzertreisen nach K vom 13. Juni bis 15. Juni 2008, nach C vom 25. Mai bis 26. Mai 2008 und nach Dänemark vom 11. März bis 14. März 2008 sowie eine Reise nach M vom 8. März bis 9. März 2008) und für im Mai, Juli, September und Dezember 2008 stattgefundene, jeweils mehrtägige Fortbildungsreisen, u.a. nach England , geltend.

Auf die im Zuge des Veranlagungsverfahrens vom Finanzamt geäußerte Auffassung, die Raumkosten könnten nicht berücksichtigt werden, da der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers liege, ließ die Klägerin wissen, in Vorbereitung ihrer Konzerte übe sie ca. 3 Stunden am Tag ausschließlich in ihrem Arbeitszimmer. 99 % der Arbeit an einem Konzert sei die Vorbereitung. Das tägliche Üben sei auch notwendig, damit sie ihr hohes Niveau als Instrumentallehrerin für hochbegabte Schüler halten könne. Im Arbeitszimmer bereite sie auch ihren Unterricht vor, dort ständen ihre Instrumente und Noten und dort fänden – ebenfalls zur Konzertvorbereitung – auch Proben mit anderen Musikern statt. Das Zimmer werde nicht privat genutzt. Sie unterrichte lediglich eine kleine Anzahl von Schülern außer Haus. Den absolut überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit verbringe sie in dem Arbeitszimmer. Ihr Fall sei mit dem von Lehrern vergleichbar, für die das Arbeitszimmer ebenso notwendig sei, die jedoch garantiert einen größeren Zeitanteil außerhalb des Arbeitszimmers verbrächten.

Hierzu legte die Klägerin eine Aufstellung über die „typische Nutzung des Arbeitszimmers” vor, wonach sie sich von Montag bis Sonntag jeweils 3 bis 6 Stunden zur Unterrichts- und Konzertvorbereitung und von Dienstag bis Freitag für 1,5 Stunden (Dienstag) bzw. je 4,25 Stunden (Mittwoch und Donnerstag) bzw. 0,25 Stunden (Freitag) für Unterrichtszwecke in diesem Raum aufgehalten haben will. Darüber hinaus habe sie montags nachmittags 4 ½ Stunden und dienstags nachmittags 3 Stunden Unterricht außer Haus gegeben.

(Wegen des Wortlautes der Zusammenstellung wird auf Bl. 9 ESt-Akten 2008 Bezug genommen.)

Mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Dezember 2009 versagte das Finanzamt die Berücksichtigung der Raumkosten zur Gänze, da sich dort nicht der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit befinde.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, mit dem sie einwendete, das Finanzamt ignoriere, dass die Unterrichtstätigkeit, mit der die Klägerin den größten Teil ihres Einkommens erziele, zum überwiegenden Teil im Arbeitszimmer stattfinde. Was das Unterrichten und seine Vorbereitung betreffe, bilde das Zimmer den Mittelpunkt der Tätigkeit.

Später ließ sie vortragen, im Streitfall handele es sich nicht um ein Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG, sondern um eine häusliche Betriebsstätte. Aber auch dann, wenn der streitbefangene Raum ein Arbeitszimmer darstellen sollte, seien die angefallenen Kosten uneingeschränkt anzuerkennen.

Im Januar 2010 nahm der Ermittlungsbeamte den streitbefangenen Raum in Augenschein. Er stellte fest, dass von Außen nicht erkennbar sei, dass dort Musikunterricht stattfinde. In dem Raum befänden sich ein Klavier und ein Klavierflügel. Auf ersterem werde unterrichtet.

Wegen der vom Ermittlungsbeamten angefertigten Fotografien wird auf Bl. 24 bis 31 und wegen des Plans des Wohnhauses der Klägerin auf Bl. 42 und 43 Rb-Akten verwiesen.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt – noch auf der Grundlage des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 – aus, ein Kostenabzug für ein Arbeitszimmer sei nur noch dann möglich, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde. Dies sei hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die heimischen Aktivitäten zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeiten vorbereitend erforderlich seien, genüge hierfür nicht. Bei einer freiberuflichen Konzertpianistin und Klavierpädagogin mit Unterrichtstätigkeiten außerhalb des häuslichen Musikzimmers liege der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit außer Hause. Die Tätigkeit als Konzertpianistin werde durch die künstlerische Darbietung auf der Bühne geprägt. Der Mittelpunkt der außerhäuslichen Lehrtätigkeit befinde sich am Unterrichtsort, auch wenn hierfür vorbereitende Arbeiten im Arbeitszimmer nötig seien. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehe, dass der außerhäusliche Unterricht nur untergeordneten Charakter gehabt habe, könne dennoch nicht festgestellt werden, dass der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit der Klägerin im häuslichen Arbeitszimmer gelegen habe.

Mit der vorliegenden, sich hiergegen richtenden Klage trägt die Klägerin vor, bei dem streitbefangenen Raum handele es sich um einen innerhalb des Hauses abgeteilten Schulungsbereich für Musik bzw. um ein Musikstudio. Er verfüge über alle Einrichtungserfordernisse einer Musikschule, d.h. einen vom Wohnhaus getrennten Eingangsbereich mit Vorraum als Garderobe, ein Umkleidebad mit Dusche und Toilette und den über 35 qm großen Übungsraum. Bereits Anfang 2007 habe die Anzahl ihrer Privatschüler schnell zugenommen. Parallel hierzu sei die Klägerin auf Grund eines Honorarvertrages mit der Kreismusikschule mit der Gruppenunterrichtung von Kindern und Jugendlichen betraut gewesen. Das Unterrichtskonzept und dessen Durchführung lägen in ihrer selbständigen Verantwortung. Hierfür stelle die Musikschule zwar grundsätzlich einen Raum mit einem Klavier zur Verfügung, der Unterricht finde jedoch insbesondere bei Schwerpunktthemen und Wettbewerbsvorbereitungen im Schulungsraum der Klägerin statt. Daneben gebe sie gelegentlich als Solistin Konzerte am Klavier. Dies tue sie nur fallweise und auf Einladung hin und nur, soweit es ihr Unterrichtsbetrieb zulasse. Diese Auftritte dienten der Festigung ihres Renommees, was als Werbung für die Musikschule von Bedeutung sei, sowie der Festigung und Weiterentwicklung ihres Selbstverständnisses. Demgegenüber träten wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Hintergrund. So stammten denn auch nur 20 % der in 2008 erzielten Honorare aus ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin. Deren wirtschaftliche Bedeutung liege noch darunter, weil damit hohe Aufwendungen verbunden seien.

Der Beklagte habe, ohne konkrete Feststellungen hierzu zu treffen, einen Teil der Unterrichtstätigkeit als außerhäusige Tätigkeit angesehen. Der weitaus größte Teil der Schüler werde jedoch in den Räumlichkeiten der Klägerin unterrichtet. Dabei handele es sich nicht selten auch um Schüler der Kreismusikschule. Wettbewerbsvorbereitungen mit einem Hochleistungsinstrument, wie es der Klägerin zur Verfügung stehe, könne die Musikschule anderenorts gar nicht durchführen lassen.

Im Übrigen seien die Arbeitszimmer-Grundsätze hier gar nicht einschlägig. Die Klägerin habe kein Arbeitszimmer, sondern sie habe Räume ihres Wohnhauses von vornherein zu einer musikalischen Unterrichtszwecken dienenden Gesamteinheit ausgestaltet und nutze diese auch nur so. Die Räume seien von Anfang an keine Wohnräume gewesen, sondern insoweit zu vergleichen mit denen einer Anwalts- oder Steuerberatungskanzlei etc. im eigenen Hause. In den Räumlichkeiten finde ein normaler Schulungsbetrieb statt. Der vorliegende Fall sei damit nicht dem „Konzertpianisten-Urteil” des Finanzgerichtes Schleswig-Holstein vergleichbar, sondern vielmehr dem, der dem Urteil des BFH vom 13. Oktober 2003, VI R 27/02, zu Grunde gelegen habe und zu dem der BFH festgestellt habe, dass das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgehe, auch dann den Betätigungsmittelpunkt bilden könne, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht darin liege.

Unter dem 2. März 2011 änderte der Beklagte unter Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG durch das rückwirkend auch für das Streitjahr geltende Jahressteuergesetz 2010 die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung dergestalt, dass er Raumaufwendungen der Klägerin im Umfang von 1.250,00 € zum Abzug brachte.

Die Klägerin beantragt daher noch,

den Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 2. März 2011 dahin zu ändern, dass weitere Raumaufwendungen in Höhe von 1.242,29 € (= 2.492,29 € geltend gemachte Kosten abzgl. 1.250,00 € bereits anerkannte Aufwendungen) als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit Berücksichtigung finden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und das BMF-Schreiben vom 3. April 2007, BStBl 2007 I S. 442 und bemerkt ergänzend, vor Ort sei keine nach außen erkennbare Widmung der streitbefangenen Räumlichkeit für den Publikumsverkehr ersichtlich. Die Klägerin habe nicht überzeugend dargelegt, dass der Raum mit einer Arztpraxis, einer Anwaltskanzlei etc. vergleichbar sei. Es handele sich vielmehr um ein häusliches Musikzimmer einer freiberuflich tätigen Konzertpianistin, in dem diese auch Musikunterricht erteile. Im Streitfall seien mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt worden, nämlich die Erteilung von Klavierunterricht zu Hause, die Erteilung von Klavierunterricht außer Haus, die Erteilung von Unterricht an der Kreismusikschule und die Tätigkeit als Konzertpianistin und Kammermusikerin. Nach den Gesamtumständen habe nicht festgestellt werden können, dass der qualitative Schwerpunkt sämtlicher Tätigkeiten in dem als Musikzimmer genutzten Raum bzw. den Räumen im Hause der Klägerin gelegen habe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

 

Gründe

Die Klage, über die der Senat nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Abzug weiterer Raumaufwendungen zu Recht versagt.

Kosten, die in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 EStG stehen, sind nach § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich steuerlich abzugsfähig. Dies gilt gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 1 EStG jedoch nicht betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und dessen Ausstattung. Solche Aufwendungen sind nur dann, und zwar grundsätzlich mit höchstens 1.250,00 €, zu berücksichtigen, wenn für die betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 2 EStG in der nach Art. 1 des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08. Dezember 2010 ( BGBl 2010 I S. 1768) ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwendenden Fassung. Ein darüber hinaus gehender unbeschränkter Abzug kommt nur dann in Frage, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Gesamtbetätigung des Steuerpflichtigen bildet, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 3 i.d. o.g. Fassung.

Unter einem Arbeitszimmer i.S.d. o.g. Vorschrift ist nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. bereits des Urteil des BFH vom 20. November 2003, IV R 3/02, BStBl 2005 II S. 203 m.w.N.) ein Raum zu verstehen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der Raum zugleich als eine bzw. als die Betriebsstätte eines Unternehmens i.S.d. § 12 AO anzusehen ist.

Nicht unter die Abzugsbeschränkung fallen solche Räumlichkeiten, die für andere als die o.g. Zwecke, z.B. als Werkstatt, Lagerraum oder Tonstudio etc., genutzt werden. Voraussetzung ist dann allerdings, dass die Widmung für diese andersartigen Zwecke nach außen erkennbar und die entsprechende Nutzung intensiv und dauerhaft ist (BFH, Beschluss vom 28. Juni 2006, IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243) und die entsprechenden technischen und ähnlichen Einrichtungen dem Raum das Gepräge geben.

Der typische Fall eines häuslichen Arbeitszimmers ist das häusliche Büro. Die büromäßige Ausstattung bzw. die Nutzung als Büro ist jedoch nicht als Ausschließlichkeitskriterium zu verstehen, denn ansonsten hätte sich die Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG eben ausdrücklich auf häusliche Büros beschränkt. Dies tut sie aber gerade nicht. Der Gesetzgeber verwendet vielmehr den Typusbegriff des Arbeitszimmers.

Zum Verständnis des Begriffes des Arbeitszimmers als eines Typusbegriffes ist auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zurückzugreifen und sodann wertend abzuwägen, ob der konkret zu beurteilende Raum hierunter zu fassen ist. Durch die Abzugsbeschränkung wird in typisierender und generalisierender Art und Weise der Abzug von Aufwendungen für Räume zum Ausnahmefall erklärt, um den sich aus der Verflechtung mit der steuerlich unbeachtlichen privaten Lebenssphäre ergebenden Nachweisproblemen und Missbrauchsgefahren zu begegnen. Ein Abzug wird deshalb nur dann (begrenzt oder – unter weiteren Voraussetzungen – unbegrenzt) gewährt, wenn die Nähe zum Privatbereich vernachlässigt werden kann. Entscheidend ist das sich aus einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände ergebende Bild.

Voraussetzung für einen, wenn auch eventuell lediglich beschränkten Abzug von Raumaufwendungen ist zudem stets, dass es sich um ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend tatsächlich betrieblich bzw. beruflich genutzte Räume handelt, bei denen eine private Mitbenutzung nahezu ausgeschlossen ist. Andernfalls liegen sog. Mischkosten vor, die mangels eines sinnvollen Aufteilungsmaßstabes gem. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und daher steuerlich irrelevant sind.

Für die Umstände, die dazu führen, dass ein Raum nicht unter die Abzugsbeschränkung fällt, trägt der sich hierauf zu seinen Gunsten berufende Steuerpflichtige die Feststellungslast.

Der vorliegend zu beurteilende Raum stellt sich danach als Arbeitszimmer und nicht als ein anderer, nicht unter die Begrenzungsvorschrift fallender Raum dar. Er ist räumlich nicht von der privaten Sphäre der Klägerin zu trennen. Nach den vorliegenden Plänen (Bl. 42 und 43 Rechtsbehelfsakten) lässt er sich nur über den (einzigen) Hauseingang und den gemeinsamen Eingangsbereich/die Eingangsdiele des Einfamilienhauses der Klägerin betreten.

Die Nutzung des Zimmers durch die Klägerin kommt nach deren eigener Beschreibung in allen wesentlichen Punkten der Nutzung eines häuslichen Büros durch einen Steuerpflichtigen, der eine Bürotätigkeit ausübt, gleich.

Es ist zweifelhaft, ob die hier auszulegende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auf die vom BFH gefundene Definition des Arbeitszimmers, die sich auf gedankliche/schriftliche Arbeiten konzentriert, beschränkt werden kann. Es wird auch die nach Dafürhalten des Senates zutreffende Auffassung vertreten, dass alle Räume, in denen der Steuerpflichtige mit Hilfe seines berufstypischen „Handwerkszeugs” zur Einkunftserzielung tätig ist, unter den Begriff des Arbeitszimmers fallen (vgl. z.B. Wendt, BFH-PR 2004, 44).

Aber auch dann, wenn man weiterhin die o.g. Definition zugrunde legt, ist vorliegend von einem häuslichen Arbeitszimmer der Klägerin auszugehen. Das Einstudieren und Einüben von Musikstücken lässt sich nicht lediglich als mehr oder weniger mechanische technische oder handwerkliche Tätigkeit begreifen. Das Produkt des Einstudierens und des Einübens ist Kunst. Diese erfordert eine gedankliche Beschäftigung mit dem Musikstück, mit seinem musikhistorischen Hintergrund, dem Komponisten etc. sowie die gedankliche Ausarbeitung der eigenen, individuellen Interpretation durch den Musizierenden. Dementsprechend ist der Raum – wie die von dem Ermittlungsbeamten des Beklagten gefertigten Fotografien zeigen – auch mit Schränken und Kommoden ausgestattet, in denen Bücher, Noten und andere schriftliche Unterlagen (wohl fachspezifischer Natur) aufbewahrt werden. Auch dies zeigt, dass sich die Tätigkeit der Klägerin eben nicht auf Aktivitäten beschränkt, die das Musikzimmer quasi als Werkraum erscheinen lassen könnten.

Schallschutzmaßnahmen wurden nicht getroffen. Sonstige technische Einrichtungen, die in Richtung eines Tonstudios weisen könnten, sind nicht vorhanden.

Die gedankliche Beschäftigung mit den Musikstücken dient sowohl der Vorbereitung von Konzerten als auch der Vorbereitung des von der Klägerin außer Haus in der Schule und auch des im Haus abgehaltenen Musikunterrichtes. Hinsichtlich der Lehrtätigkeit der Klägerin besteht kein wesensmäßiger Unterschied zu anderen Pädagogen. Hier wie dort hat sich der Lehrer, da ihm in der Schule in der Regel ein hierfür geeigneter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht, zu Hause auf den Unterricht vorzubereiten.

Die Klägerin scheitert auch mit ihrem Versuch, die häusliche Unterrichtstätigkeit als Schulbetrieb im herkömmlichen Sinne mit einem entsprechenden Umfang und einer entsprechenden Frequenzierung und mit der Folge darzustellen, dass der Raum als Unterrichtsraum statt als Arbeitszimmer anzusehen wäre. Wie sie selbst in ihrer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens eingereichten Aufstellung der „typischen Nutzung des Arbeitszimmers” einräumt, findet dort lediglich dienstags bis donnerstags (freitags nur in gänzlich zu vernachlässigendem Umfang) Unterricht von wöchentlich insgesamt 10 Stunden statt. Für etwaigen Gruppenunterricht ist nichts dargetan oder sonst ersichtlich, so dass davon auszugehen ist, dass sie, wie dies üblich ist, Einzelunterricht erteilt.

Die Klägerin hat zwar nichts beigebracht, was ihre o.g. Angaben belegen könnte oder nachprüfbar machte, etwa Quittungen über Barzahlungen von Schülern oder entsprechende Rechnungen, aus denen sich der Umfang der Nutzung des Raumes für Unterrichtszwecke ersehen ließe. Selbst wenn man jedoch ihre Angaben als wahr unterstellt, vermag dies dem streitbefangenen Raum nicht das Gepräge eines Schulungsraumes zu geben, der nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG fiele.

Räume stellen – wie oben ausgeführt – dann begrifflich keine häuslichen Arbeitszimmer dar, wenn sie nach außen erkennbar für den Publikumsverkehr gewidmet und für das Publikum (hier: die Schüler sowie die Musiker, mit denen die Klägerin probt) leicht zugänglich sind. Daran fehlt es laut Rechtsprechung des BFH (vgl. den Beschluss vom 15. Juni 2007, XI B 93/06, BFH/NV 2007, 1650, m.w.N.) dann, wenn diese Personen erst einen den Privatbereich betreffenden Teil der Wohnung durchqueren müssen. Auch bei nicht unwesentlichem Publikumsverkehr handelt es sich in einem solchen Fall um ein der Abzugsbeschränkung unterliegendes Zimmer. Mit anderen Worten: Publikums- bzw. Kunden- bzw. Schülerverkehr schließt die Einordnung eines Raumes als Arbeitszimmer nur dann aus, wenn er sich als intensiv und dauerhaft darstellt, so dass dieser Aspekt der Nutzung gegenüber den dort verrichteten gedanklichen Arbeiten in den Vordergrund tritt und prägend ist (BFH, Beschluss vom 28. Juni 2006, IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243).

Nach ihrer eigenen Einlassung nutzte die Klägerin den Raum zeitlich überwiegend zur Vorbereitung auf Konzerte und zum Halten des Niveaus ihres Spiels als Grundlage ihrer Lehrertätigkeit sowie zur Unterrichtsvorbereitung. Dabei sind die Konzerte und damit auch die Vorbereitung darauf nach dem eigenen Selbstverständnis der Klägerin als Künstlerin und ausgehend von der von ihr hierfür aufgewendeten Zeit und den Kosten (Reisen, Flüge) von besonderem Gewicht – nicht zuletzt auch, weil dies für ihren Ruf als Pianistin und damit in der Folge auch für ihre Lehrertätigkeit von herausragender Bedeutung ist.

Demgegenüber findet der häusliche Unterricht lediglich mit einzelnen Schülern und nach Vereinbarung statt. Von einem regen Publikumsverkehr, bei dem das Haus der Klägerin quasi für jedermann offen steht, kann daher keine Rede sein. Im Übrigen müssen die Schüler nach den o.g. Plänen den privaten Eingangsbereich durchqueren, um zu dem „Schulungsraum” zu gelangen. Dies und der Umstand, dass Unterricht nur nach Vereinbarung stattfindet, führt dazu, dass der Publikumsverkehr durch Schüler den Anforderungen, die nach der BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, an eine leichte Zugänglichkeit und damit an ein Herausfallen des Raumes aus dem Typusbegriff des Arbeitszimmers gestellt werden, nicht gerecht wird.

Aus Sicht eines außen stehenden Dritten wird – auch ausgehend von den Angaben der Klägerin zur zeitlichen Nutzung – der Charakter des Raumes, wenn nicht überwiegend, so doch mindestens in gleicher Weise durch die Konzert- und Unterrichtsvorbereitung, mithin durch die gedanklichen Tätigkeiten bestimmt wie von dem häuslichen Unterricht.

In die Betrachtung hat zudem einzufließen, dass – wie bereits gesagt – die Angaben der Klägerin zum zeitlichen Umfang der Nutzung durch nichts belegt sind und die tatsächliche Nutzung des Zimmers sich einer Nachprüfung durch außen stehende Dritte entzieht. So ist es nach Dafürhalten des Senates nicht glaubhaft, dass die Klägerin, eine leidenschaftliche Musikerin, ihren Flügel und damit das Musikzimmer nicht auch privat zum Musizieren oder auch zur Vorbereitung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Organistin nutzt.

Damit stellt sich der vorliegende Fall aber gerade als Paradebeispiel für die Situation dar, für die die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG geschaffen wurde: Ein Teil der Privatwohnung wird betrieblich/beruflich genutzt, ohne dass sich hinreichend sicher überprüfen ließe, in welchem Umfang und mit welcher Intensität dies geschieht.

Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wie sich der Streitfall von dem des Regelfalles des häuslichen Arbeitszimmers, nämlich dem des häuslichen Büros, unterscheiden sollte und die Klägerin gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die in einem häuslichen Arbeitszimmer ein Teil ihrer Bürotätigkeit verrichten, bevorzugt werden könnte.

Die Klägerin kann den unbeschränkten Raumkostenabzug auch nicht über die Mittelpunkt- (Ausnahme-) Regelung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b S. 3, 2. Halbsatz EStG erreichen.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bildet, kommt es auf den inhaltlichen, d.h. qualitativen Schwerpunkt an, der im Wege der Wertung der Gesamttätigkeit festzustellen ist.

Ein häusliches Arbeitszimmer kann danach nur dann Mittelpunkt sein, wenn dort diejenigen Handlungen vorgenommen bzw. Leistungen erbracht werden, die für den konkret ausgeübten Beruf bzw. das konkret ausgeübte Gewerbe wesentlich und prägend sind (BFH, Urteil vom 06. Juli 2005, XI R 87/03, BStBl. II BStBl 2003 II S. 2006, BStBl 2003 II S. 18). Das gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der streitbefangenen Vorschrift auch dann, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt. Zeitliche oder sonstige quantitative, sich z.B. am Umsatz oder den Einnahmen orientierende Aspekte sind danach zur Begründung des Tätigkeitsmittelpunktes untauglich. Ihnen kommt lediglich indizielle Bedeutung zu (BFH, Urteil vom 23. März 2005, III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537).

Geht der Steuerpflichtige – wie hier – mehreren Tätigkeiten nach, ist der Mittelpunkt anhand einer Gesamtbetrachtung aller von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. In diesem Rahmen verbietet sich eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigungen, denn es geht gerade darum, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln ( Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 31. März 2005 , 12 K 1745/03, abgedruckt in juris). Nach BFH (vgl. das Urteil vom 13. Oktober 2003, VI R 27/02, BStBl. II 2004, 771) ist dabei wie folgt zu unterscheiden:

Bilden bei allen Erwerbstätigkeiten die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Gesamtmittelpunkt. Bilden dagegen die außerhäuslichen Tätigkeiten den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich die Einzeltätigkeiten keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.

Stellt das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt einer oder mehrerer der Einzeltätigkeiten, nicht jedoch aller Einzeltätigkeiten dar, so ist anhand einer Gesamtschau der Einzelfallumstände wertend zu entscheiden, ob dennoch von einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt auszugehen ist und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Dabei ist auf die Verkehrsanschauung und nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen abzustellen. Lässt sich bei mehreren Einzeltätigkeiten eine Haupttätigkeit feststellen, so initiiert deren Mittelpunkt den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit. Ist der Steuerpflichtige – wie hier die Klägerin – nicht in Vollzeit nichtselbständig beschäftigt, so müssen zur Bestimmung der Haupttätigkeit die jeweils erzielten Einnahmen, der auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallende Zeitaufwand und das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht in Betracht gezogen werden.

Im Streitfall vermag der Senat keinen Tätigkeitsmittelpunkt, auch nicht anhand des Mittelpunktes einer Haupttätigkeit, festzustellen. Dies gereicht der insoweit feststellungsbelasteten Klägerin zum Nachteil.

Die Tätigkeit der Klägerin als Konzertpianistin wird von ihren Auftritten geprägt, auch wenn der zeitliche Aufwand hierfür gegenüber der Vorbereitung in dem Musikzimmer zurücktritt. Ein Konzertpianist erweist sich nur im Konzert selbst als solcher.

Die Tätigkeit als Lehrerin hat ihren qualitativen Schwerpunkt dort, wo die Schüler unterrichtet werden, mithin außer Haus in der Musikschule oder im häuslichen Musikzimmer.

Dabei wird nicht verkannt, dass die jeweils im streitbefangenen Raum stattfindenden Vorbereitungen, Übungen, etc. notwendig sind. Auch notwendige Vor- und Nachleistungen bleiben inhaltlich im Verhältnis zur Haupttätigkeit vor Ort lediglich flankierende, nicht wesensbestimmende Maßnahmen.

Indes kann im Streitfall nicht festgestellt werden, welche der o.g. Tätigkeiten den Schwerpunkt, die Haupttätigkeit der Klägerin, bildet. Die Verkehrsanschauung hilft hier nicht weiter. Es existiert kein nach der Verkehrsauffassung der einzelnen Tätigkeit zukommendes Gewicht, mit dem sie gegenüber der anderen Tätigkeit abgegrenzt werden könnte.

Auch geben weder der zeitliche Aufwand noch die damit jeweils zusammenhängenden Einnahmen hinreichend sicher Aufschluss über eine Haupttätigkeit. Zur Anzahl der Auftritte als Konzertpianistin und die hierfür aufgewendete Zeit macht die Klägerin keine Angaben. Aus ihrer Gewinnermittlung geht lediglich hervor, dass sie im Streitjahr drei Klavierabende für ein Honorar von rund 3.200,00 € bestritten und darüber hinaus Honorare i.H.v. rund 2.800,00 € (insgesamt rund 20 % ihrer Einnahmen) für weitere Auftritte eingenommen hatte. Der außerhäusliche Musikunterricht nimmt laut nicht näher belegter und daher nicht überprüfbarer Darlegung der Klägerin „typischerweise” 7,5 Stunden pro Woche ein. Die – ebenfalls nicht nachgewiesenen – Einnahmen hieraus betrugen laut Klägerin rund 25 % der Gesamteinnahmen.

Für den häuslichen Musikunterricht will die Klägerin – wiederum weder belegt noch sonst nachprüfbar – „typischerweise” wöchentlich etwa 10 Stunden bei einem Einnahmeanteil von rund 54 % an den Gesamteinnahmen aufgewendet haben.

In die Betrachtung der für außerhäusliche Tätigkeiten aufgewendeten Zeit sind im Übrigen die von der Klägerin aus betrieblichen, jedoch nicht näher bezeichneten Gründen im Streitjahr durchgeführten Fahrten mit dem privaten Pkw von rund 9.800 km sowie die – jeweils nur ganz knapp erläuterten – Geschäftsreisen nach K, C, Dänemark und M, die sich über insgesamt 11 Tage erstreckten und bei denen zum Teil unklar ist, welcher von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit sie zuzuordnen sind.

Damit bleibt der zeitliche Umfang der jeweiligen außerhäuslichen und häuslichen Betätigung im Ergebnis ebenso unklar wie mangels Vorliegens entsprechender Abrechnungen/Quittungen etc. die Verteilung der Einnahmen auf die Tätigkeiten als Pianistin, als Lehrerin an der Musikschule und als Lehrerin, die zuhause Musikunterricht erteilt.

Aber auch wenn man den obigen Ausführungen zum jeweiligen Mittelpunkt jeder Einzeltätigkeit der Klägerin nicht folgen wollte und selbst wenn man die vagen Angaben der Klägerin zum jeweiligen zeitlichen Aufwand und die Angaben zu den Einnahmen als wahr unterstellen wollte, ließe sich kein Mittelpunkt in dem Musikzimmer feststellen. Die außerhäuslichen Betätigungen können wegen ihrer Bedeutung für sämtliche Einnahmen (über die Konzerte und den außerhäuslichen Unterricht in der Schule werden nicht nur unmittelbar Einnahmen generiert, sondern werden auch Schüler für den häuslichen Unterricht geworben und gewonnen) weder als untergeordnete Nebenleistung bewertet noch auf eine unmaßgebliche, nicht ins Gewicht fallende Begleitmaßnahme reduziert werden.

Ist jedoch ein Tätigkeitsmittelpunkt nicht eindeutig erkennbar, so hat es bei dem beschränkten Kostenabzug, wie er vom Finanzamt vorgenommen wurde, zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Steuererklärung: Aufwendungen vergessen?

Das Nachholen von Aufwendungen in der Steuererklärung ist nur selten möglich. Wer vergessen hat, z.B. die Unterhaltsaufwendungen für die geschiedenen Ehegatten in seiner Steuererklärung anzugeben, kann die Angaben bei einem bestandskräftigen Steuerbescheid nur dann nachholen, wenn es sich bei dem Fehler um eine offenbare Unrichtigkeit handelt.

Finanzgericht Münster, 12 K 1948/11 E

Datum: 05.09.2012
Gericht: Finanzgericht Münster
Spruchkörper: 12. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 12 K 1948/11 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:2Der Kläger (Kl) und seine Ehefrau leben seit März 2002 dauernd getrennt. Der Kl leistet an seine Ehefrau seitdem Barunterhalt und machte die Zahlungen als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)) geltend. Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte die Zahlungen in den Vorjahren als Sonderausgaben.

3Die Ehefrau hatte dem Realsplittung zugestimmt, zuletzt mit einer am 30. Dezember 2009 unterzeichneten Anlage U. Die Zustimmungserklärung war durch die Ehefrau nicht widerrufen worden.

4Der steuerlich beratene Kl reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 im März 2010 elektronisch (ELSTER-Verfahren) ein. Dabei wurden mit den elektronisch übermittelten Daten keine Unterhaltszahlungen geltend gemacht. Die dem Bekl postalisch übersandten Unterlagen enthielten keine Anlage U.

5Der Bekl setzte die Einkommensteuer 2007 mit formell bestandskräftigem Bescheid vom 20. April 2010 auf X EUR ohne Ansatz der Unterhaltszahlungen fest. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigtem gegenüber bekannt gegeben.

6Ende August 2010 machte der Kl die Unterhaltszahlungen gegenüber dem Bekl geltend und begehrte die Änderung der Festsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) oder § 129 AO.

7Der Bekl lehnte eine Änderung ab. Der dagegen gerichtete Einspruch war erfolglos.

8Mit seiner Klage begehrte der Kl weiterhin die Änderung des Einkommensteuerbescheids. Die Einkommensteuererklärung sei mit dem Einkommensteuerprogramm für 2007 der DATEV (Version 11.3) erstellt und elektronisch übermittelt worden. In der Bildschirmansicht der bei der Datenübernahme aus 2006 in 2007 erstellten Daten sei der Unterhaltsbetrag von X EUR in der Anlage U im Feld „Barleistungen“ angezeigt worden. Die fertig gestellte Erklärung habe weder im Zeitpunkt der Erstellung noch bei Übermittlung an die Finanzverwaltung Anlass zu einer Überprüfung gegeben, ob die übermittelten Daten von den angezeigten Daten abwichen.

9Eine Änderung sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Der Antrag sei nicht fristgebunden. Er könne auch nach Bestandskraft gestellt werden. Durch den Antrag und die Zustimmung ändere sich der Rechtscharakter der Zahlungen. Aus der Rechtsprechung des BFH folge nicht, dass der Antrag nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstelle, wenn auch die Zustimmung erst nachträglich, nach Bestandskraft, erteilt werde.

10Eine Änderung sei auch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Ein grobes Verschulden liege nicht vor. Ein Abgleich der durch die Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Daten mit den bei elektronischer Abgabe der Steuererklärung übermittelten Daten habe keinerlei Abweichungen erkennen lassen. Eine abschließende Kontrolle erfolge heutzutage elektronisch durch Bildschirmansicht. Ein ausgedrucktes Exemplar der Steuererklärung existiere in vielen Fällen nicht mehr. Erst auf Nachfrage bei der DATEV bei Erstellung der Erklärung für 2008 sei das DATEV-Dokument 1015067 bekannt geworden, in dem auf den Fehler hingewiesen worden sei. Die Datenbank enthalte mehrere tausend Dokumente. Keinem Berater sei die Kenntnis einer derartigen Datenbank zuzumuten.

11Der Kl beantragt,

12unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 2. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2011 den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20. April 2010 abzuändern und Sonderausgaben i. H. v. X EUR zu berücksichtigen,

13hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

14die Revision zuzulassen.

15Der Bekl beantragt,

16die Klage abzuweisen,

17hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

18die Revision zuzulassen.

19Der Bekl macht geltend, die Zustimmung der Ehefrau habe seit 2004 vorgelegen. Eine Änderung nach § 175 AO scheide aus. Der Antrag entfalte keine Rückwirkung. Eine Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolge in Fällen der nachträglich erstrittenen Zustimmung. Ein solcher Fall sei nicht gegeben.

20Einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO stehe ein grobes Verschulden entgegen. Unterhaltszahlungen seien bereits seit 2004 geltend gemacht worden. Insoweit hätte bei routinemäßiger Überprüfung des Steuerbescheids auffallen können und müssen, dass anstelle eines Unterhaltsbetrags von X EUR nur der Sonderausgaben-Pauschbetrag i. H. v. 36 EUR angesetzt worden sei. Zudem obliege es dem steuerlichen Berater, die verwendete Software regelmäßig auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit zu prüfen. Auch hätte dem Kl selbst beim Unterschreiben der Steuererklärung auffallen können, dass eine Eintragung zu den Unterhaltsleistungen nicht erfolgt sei. Unterschreibe ein Steuerpflichtiger die von seinem Steuerberater erstellte Steuererklärung ohne angemessene Prüfung der gemachten Angaben, handele er grob schuldhaft.

21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

22Der Senat hat in der Sache am 5. September 2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

23Entscheidungsgründe:

24Die Klage ist unbegründet. Der Kl hatte keinen Anspruch auf Änderung der bestandskräftigen Festsetzung der ESt 2007 unter Ansatz von Unterhaltszahlungen als Sonder-ausgaben.

251. Änderung nach § 129 AO

26Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 129 AO kommt nicht in Betracht.

27Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.

28Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Das Tatbestandsmerkmal „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ setzt voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen „mechanischen“ Fehler handelt, der ebenso „mechanisch“, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann (BFH-Urteile vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1, und vom 29. März 1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711, m.w.N.).

29Nach der Rechtsprechung des BFH, liegt grundsätzlich keine offenbare Unrichtigkeit vor, wenn sie für den zuständigen Sachbearbeiter des FA nur erkennbar gewesen wäre, wenn er die Steuererklärung eines Vorjahres bei der Veranlagung der Streitjahre zugezogen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033). Soweit die Finanzbehörde auf Akten des Vorjahres zurückgreifen muss, liegt eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist. In solchen Fällen hat das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen (BFH-Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550); sie schließt vielmehr in der Regel eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH-Urteil in BFHE 146, 350, 355, BStBl II 1986, 541, 544).

30Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann in dem Nichtansatz von Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben keine offenbare Unrichtigkeit gesehen werden. Die Unrichtigkeit wurde durch einen Übermittlungsfehler verursacht, welcher dazu führte, dass weder der von dem Bekl verarbeitete Datensatz Unterhaltszahlungen enthielt noch der ausgedruckten und übersandten Steuererklärung eine Anlage U mit entsprechenden Angaben beigefügt war. Der Fehler ist – gleich ob er bei der Erfassung oder Übermittlung der Daten erfolgt ist – dem Verantwortungsbereich des Kl oder des von ihm beauftragten Steuerberaters zuzurechnen und nicht der Sphäre des Bekl. Ob der Umstand, dass der Kl in den Vorjahren ebenfalls Barunterhalt i. H. v. X EUR als Sonderausgaben geltend gemacht hat, eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Bekl zu begründen vermag, kann dahin gestellt bleiben, da sich die Unrichtigkeit nicht aus den elektronisch übermittelten Daten oder der im Nachgang übersandten unterschriebenen Steuererklärung ergab. Eine Anlage U, welche eine Unstimmigkeit zwischen den elektronisch übermittelten Daten und den angefallenen und zum Abzug geltend zu machenden Aufwendungen offenbar hätte werden lassen können, ist dem Bekl unstreitig nicht zugegangen. Die Unrichtigkeit hätte erst unter Einbeziehung der Steuerakten der Vorjahre offenbar werden können, was für eine Anwendung des § 129 AO nicht ausreicht (vgl. BFH-Urteile vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946; vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550M; Seer, in Tipke/Kruse, § 129 AO Rnm. 14 m. w. N.)

312. Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

32Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

33Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich nach Ergehen eines Steuerbescheids der rechtserhebliche Sachverhalt in der Weise ändert, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b der Gründe). Ob ein Ereignis ausnahmsweise in die Vergangenheit zurückwirkt, richtet sich nach den Normen des materiellen Steuerrechts (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.c der Gründe; BFH-Urteile vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957; vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690).

34Nach dem BFH-Urteil vom 12. Juli 1989 (X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957) ist ein Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wenn erst nach Eintritt der Bestandskraft sowohl die Zustimmung zur Anwendung des Realsplitting erteilt als auch der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gestellt wird. Der X. Senat des BFH führte zur Begründung aus, der Antrag i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sei nicht nur Verfahrenshandlung, sondern –in sachlich untrennbarem Zusammenhang mit der Zustimmung des Unterhaltsempfängers– selbst Merkmal des gesetzlichen Tatbestands. Er wirke rechtsgestaltend auf die Steuerschuld ein, weil er die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Unterhaltsleistungen verändere; Unterhaltsleistungen, die nach § 12 Nr. 2 EStG –vom Ausnahmefall der §§ 33a, 33 EStG abgesehen– unbeachtlich seien, würden bis zu der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstgrenze zu abziehbaren Sonderausgaben. Der Antrag wirke nachträglich auf die Steuerschuld ein, weil er der objektiven Tatbestandsverwirklichung –der Leistungsbewirkung an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten– zeitlich notwendigerweise nachfolge. Die Rückwirkung des rechtsgestaltenden Antrags nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in die Vergangenheit ergebe sich aus der Erwägung, dass die in dieser Vorschrift geforderte Zustimmung des Leistungsempfängers in typischen Fällen erst nachträglich erteilt werde. Das Gesetz sehe für den Antrag keine Frist vor und eine solche ergebe sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen. Da sich die Erlangung der für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Zustimmung schwierig gestalten könne, würde es eine unzumutbare Schwächung der Position der Unterhaltsleistenden bedeuten, wenn man ihn zur Wahrung der Abzugsmöglichkeit darauf verweisen wollte, einen nicht zurücknehmbaren Antrag (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) beim FA zu stellen, ohne dass die Zustimmung des Empfängers vorliege. Es reiche nicht aus, den Steuerpflichtigen zur Wahrung seiner Rechte darauf zu verweisen, eine teilweise vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) zu beantragen.

35Der XI. Senat des BFH urteilte am 28. Juni 2006 (XI R 32/05, BFHE 214, 314, BStBl II 2007, 5), dass nach Bestandskraft auch ein erweiterter Antrag möglich sei, welcher in Verbindung mit einer erweiterten Zustimmungserklärung der Ehefrau ein rückwirkendes Ereignis darstelle. Dabei berief sich der XI. Senat auch für den Fall der nachträglichen (betragsmäßigen) Erweiterung auf die Erwägungen des X. Senats, da sich die rechtsgestaltende Wirkung des Antrag und der Zustimmung zuvor nur auf einen Teilbetrag erstreckt hätten. Nach Ansicht des XI. Senats sei die Rechtsprechung des X. Senat auch nicht durch die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 (Wohnungsbauförderungsgesetz) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) überholt. Danach bleibt die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltsleistungen –mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1  der Zivilprozessordnung als erteilt geltenden– bis auf Widerruf wirksam; der Widerruf muss nach Satz 4 vor Beginn des Kalenderjahrs gegenüber dem FA erklärt werden. Zwar habe der Gesetzgeber dadurch die Position des Unterhaltsleistenden verbessert, der sich bei Vorliegen einer Zustimmungserklärung nicht jedes Jahr erneut um die Zustimmung bemühen müsse. Jedoch bleibe die Lage eines Unterhaltsleistenden ohne Zustimmungserklärung davon unberührt.

36In der Literatur wird unter Berufung auf die vorgenannten Entscheidungen teilweise vertreten, dass ein nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei (Hutter, in Blümich, § 10 EStG Rn. 76; Söhn, in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 10 Anm. C 62 m. w. N.). Dies gelte auch in dem hier vorliegenden Fall, dass die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers bereits vorlag und nicht nachträglich erwirkt werden musste (Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 10 Anm. C 62 m. w. N.; ebenso FG Köln Urteil vom 27. April 1995 2 K 3854/94, EFG 1995, 893 für die Frage der Änderbarkeit der bestandskräftigen Festsetzung beim Unterhaltsempfänger nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).

37Dagegen wird eingewandt, dass das entscheidende Element der nachträglichen Umgestaltung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht der Antrag als Verfahrenshandlung, sondern die Zustimmungserklärung des unterhaltsberechtigten Ehegatten sei, welche in den vom BFH entschiedenen Fällen erst nachträglich erteilt worden sei (von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 Anm. 65 a. E.).

38Der Senat sieht in Fällen einer in der Vergangenheit erteilten und für den Veranlagungszeitraum fortgeltenden Zustimmungserklärung kein Bedürfnis für eine Rückwirkung des erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellten Antrags.

39Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antrag ebenso wie die Zustimmung zum Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nur, den Antrag wie die Zustimmung als Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu qualifizieren, ohne die Frage zu beantworten, in welchen Fällen der Antrag als Verfahrenshandlung (Wahlrechtsausübung) steuerliche Rückwirkung entfalten kann und in welchen nicht.

40Der BFH hat in seinen beiden Entscheidungen das aus dem materiellen Recht abzuleitende Bedürfnis für eine Rückwirkung im Wesentlichen aus der Situation eines Unterhaltsverpflichteten bei noch fehlender Zustimmungserklärung abgeleitet, da dieser einen Antrag ohne Anerkennung der Rückwirkung vor Erteilung der Zustimmung des Empfängers hätte stellen müssen. Dies sah der BFH aufgrund der Bindungswirkung zu Recht als nicht zumutbar an und verwarf auch die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen auf einen Antrag auf teilweise vorläufige Festsetzung zu verweisen.

41Bei Vorliegen einer wirksamen Zustimmungserklärung kann das Bedürfnis für eine Rückwirkung des Antrags nach der Gesetzesänderung seit dem Jahr 1990 jedoch nicht mit der zutreffenden Argumentation des BFH in Fällen der fehlenden Zustimmungserklärung begründet werden. Vielmehr hat es der Steuerpflichtige bei erteilter Zustimmung selbst in der Hand, die Antragstellung vor Eintritt der Bestandskraft zu bewirken, sei es, dass er den Antrag mit der Steuererklärung stellt oder –sollte dies aus welchen Gründen auch immer nicht geschehen sein– dass er diesen Antrag entweder im Rahmen eines Einspruchsverfahrens oder durch schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst a AO nachholt. Die Notwendigkeit einer Antragstellung vor Bestandskraft der Festsetzung der Einkommensteuer des betreffenden Jahres stellt insbesondere keine unzumutbare Belastung des Unterhaltsverpflichteten dar.

42Wird der Antrag nicht vor Bestandskraft gestellt, besteht nach materiellem Recht kein Bedürfnis für eine Rückwirkung. Der Umstand, dass Unterhaltszahlungen geleistet wurden, welche bei Antragstellung auch als Sonderausgaben hätten abgesetzt werden müssen, rechtfertig bei wertender Betrachtung keine Rückwirkung des Antrags zur Durchbrechung der Bestandskraft. Bei der wertenden Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Stellung des Unterhaltsleistenden durch die Fortwirkung der einmal erteilten Zustimmung für die Folgejahre entscheidend verbessert hat, so dass es nur noch auf dessen Antrag ankommt. Versäumt er dies, rechtfertigt dies keine heilende Rückwirkung der zuvor versäumten Antragstellung.

433. Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

44Zuletzt kommt eine Änderung auch nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

45Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

46Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheitert bereits daran, dass es sich bei dem Antrag als Tatbestandselement des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache handelt, sondern um eine nachträglich entstandene Tatsache.

47Im Übrigen ist dem Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der geleisteten Unterhaltszahlungen als nachträglich bekannt gewordene Tatsache entgegen zu halten.

48Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Ein grobes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt (BFH-Urteile in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2, und vom 29. Juni 1984 VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693). Das Verschulden eines steuerlichen Beraters ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 641; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 10. Auflage 2009, § 173 AO Rn. 125).

49Bei der Prüfung der Frage, ob den Steuerpflichtigen oder seinen Berater ein grobes Verschulden daran trifft, dass dem FA Tatsachen i.S. des § 173 Abs.1 Nr. 2 AO erst nachträglich bekanntgeworden sind, ist auch der Zeitraum mit einzubeziehen, in dem ein Einkommensteuerbescheid oder ein den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebender Steuerbescheid noch anfechtbar, die Bestandskraft bzw. Rechtskraft des Bescheides also noch nicht eingetreten ist.

50Insoweit kann dahin stehen, ob der Umstand, dass –bei unterstellter korrekter Bedienung der DATEV-Software bei der Datenübernahme aus 2006– die Unterhaltsaufwendungen durch die Software nicht korrekt erfasst oder übermittelt wurden und ob darin nur ein leichtes Verschulden des Steuerberaters gesehen werden kann. Jedenfalls hätte sich bei der von einem Steuerberater zu erwartenden sorgfältigen Prüfung des Steuerbescheids aufdrängen müssen, dass die –bereits in den Vorjahren geltend gemachten– Unterhaltsaufwendungen nicht berücksichtigt wurden.

51Nicht gefolgt werden kann dem Prozessbevollmächtigten, dass eine Prüfung der elek-tronisch bereit gestellten Daten ausreicht, so dass eine unterbliebene Prüfung des Steuerbescheids selbst kein grobes Verschulden begründet. Solange die Festsetzung durch einen Steuerbescheid in Papierform erfolgt und nicht durch einen elektronischen Steuerbescheid, ist auch der Steuerbescheid in Papierform und die darin angesetzten Besteuerungsgrundlagen auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Vorliegend hätte ohne Detailprüfung auffallen können und müssen, dass anstelle der bereits in den Vorjahren geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Maximalbetrags nur der Sonderausgaben-Pausbetrag angesetzt worden war.

52

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

53

  1. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage einer Rückwirkung eines nach Bestandskraft gestellten Antrags auf Realsplittung bei zuvor bereits vorliegender Zustimmungserklärung des Ehegatten zuzulassen.

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Investitionsabzugsbetrag: Nachweis der Investitionsabsicht bei Betriebseröffnung

Zum Nachweis der Investitionsabsicht bei Betriebseröffnung für Zwecke der Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG (Urteil vom 15. August 2012, Az. 12 K 4601/11 F)

Finanzgericht Münster, 12 K 4601/11 F

Datum: 15.08.2012
Gericht: Finanzgericht Münster
Spruchkörper: 12. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 12 K 4601/11 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d2Es ist zu entscheiden, ob die Anforderungen an die Konkretisierung einer „voraussichtlichen“ Investition erfüllt sind (§ 7g Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Absatz 7 Einkommensteuergesetz – EStG).3Die Klägerin (Klin) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30.12.2010 gegründet. Am 07.01.2011 wurde sie im Handelsregister eingetragen. Ihr Gesellschaftszweck ist die Verwaltung eigenen Vermögens und der Betrieb von Photovoltaikanlagen. Ihr persönlich haftender Gesellschafter ist die Firma E Beteiligungs UG (haftungsbeschränkt), die keine Einlage zu leisten hat. Ihr Kommanditist ist R (R) mit einer noch nicht erbrachten Einlage in Höhe von X €. Die Klin ermittelt ihren Gewinn durch Vermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG.

4Am 31.12.2010 vereinbarte sie als Auftraggeberin mit N (N) als Auftragnehmer eine verbindliche Bestellung von Photovoltaikanlagen. In der Vereinbarung heißt es:

5„…Der Auftragnehmer plant, baut und bringt Photovoltaikanlagen an das jeweilige öffentliche Versorgernetz. Diese sogenannten „schlüsselfertigen Photovoltaikanlagen“ werden in Deutschland auf für den Auftraggeber langfristig angepachteten Dachflächen errichtet. Der Auftragnehmer macht dieses in vielen Bereichen nicht höchst selbst, sondern bedient sich Subunternehmern, die wiederum für ihn tätig sind.

6Die Bauausführung und Installation dieser Photovoltaikanlagen ist in Einzelgewerke aufgeteilt. Die Anlagenplanung, Flächenauswahl und rechtliche Sicherung der Dachfläche(n), die ingenieurtechnische Vorplanung und die Ertragsberechnung für die jeweilige Anlage sind dabei der erste Ausführungsschritt.

7Der obige Auftraggeber bestellt und beauftragt hiermit den dies annehmenden Auftragnehmer, eines oder mehrere Photovoltaikprojekte gemäß den nachfolgenden Eckdaten, schlüsselfertig zu errichten.

8Der nachfolgende Vertrag ist gültig unter nachfolgenden Voraussetzungen:

9-               Die Abnahmeverpflichtung besteht nur, wenn der Auftragnehmer bis zum Lieferzeitpunkt, aber spätestens am 31.12.2013 einen geeigneten Standort für die Module durch Nachweis eines entsprechenden Pachtvertrages über geeignete Flächen (Dächer oder Freiflächen) besorgt, hierbei gehen die Parteien davon aus, dass, sofern dies von der refinanzierenden Bank gewünscht ist, auch eine erstrangige Grundschuld für den Betrieb einer Photovoltaikanlage in Abteilung II des Grundbuches auf Kosten des Auftraggebers erfolgen kann.

10-                Eine Wirtschaftlichkeit der Investition derart nachgewiesen werden kann, dass ein Einkaufsfaktor von maximal zehn auf den anfänglichen speziellen Jahresertrag nach üblicher, konservativer Berechnung (z.B. mit dem Programm PV Sol) erzielt wird; dies bedeutet, dass das in nachfolgendem Abschnitt Nr. 1 spezifizierte Einkaufsvolumen einen anfänglichen Jahresertrag von mindestens € X erbringen muss.

11-               Finanzierende Banken gehen bei Photovoltaikprojekten grundsätzlich von der Eintragung von Grunddienstbarkeiten zur Sicherung der Nutzungsrechte des Anlagenbetreibers und zur Sicherheit der finanzierenden Bank aus. Die Eintragung dieser Grunddienstbarkeit, bzw. bei öffentlichen Körperschaften (Gemeinden etc.) einer vergleichbaren Sicherheit, ist die Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages, sofern dieses von der Bank gewünscht wird.

12-               Wesentlicher Vermögenswert der UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG ist die gezeichnete Kommanditeinlage. Diese wird aber vom Kommanditisten zunächst nicht eingezahlt, dieser ist aber bereit, für die Refinanzierung der Photovoltaikanlage/der Photovoltaikanlagen persönlich zu haften. Der Auftragnehmer kennt die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers in Eckdaten. Auf Basis dieser Erkenntnisse geht er davon aus, eine Finanzierung unter persönlicher Mithaft beschaffen zu können. Die Beschaffung einer solchen Finanzierung zu marktüblichen Konditionen ohne die Stellung weiterer dinglicher Sicherheiten über die persönliche Haftung hinaus ist Voraussetzung für die Abnahmeverpflichtung. Diese Regelung dient beiderseitigen Interessen, da der Auftraggeber nicht in der Situation sein möchte, Gegenstände abzunehmen, die gerade zu dem Zeitpunkt nicht beglichen werden können und der Auftragnehmer natürlich nur liefern möchte, wenn die Bezahlung sichergestellt ist.

131. Investitionsvolumen

14Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer, eine oder mehrere Photovoltaikanlagen mit einem Investitionsvolumen von € X zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer zu errichten.

15Der Investitionspreis ist schlüsselfertig kalkuliert incl. Netzanschlüssen. Das Grundstück muss eine äußere Erschließung an öffentliche Verkehrswege und Medien/Telekommunikation haben.

16…“

17Am 29.04.2011 reichte die Klin zusammen mit ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2010 die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (F-Erklärung) für das Streitjahr 2010 ein. Darin erklärte sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. X €, der in vollem Umfang auf ihren Kommanditisten, den Beigeladenen R, entfiel. In einer Anlage zu der F-Erklärung nahm sie Investitionsabzugsbeträge in Höhe von X € für voraussichtliche Anschaffungskosten von Photovoltaikanlagen in Höhe von X € in Anspruch. Im F-Bescheid für 2010 vom 13.05.2011 stellte der Beklagte (Bekl) einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. X € fest, den er in vollem Umfang dem Kommanditisten Beigeladenen zurechnete. Der Bekl berücksichtigte keinen Investitionsabzugsbetrag, weil dessen Inanspruchnahme in Jahren vor Abschluss der Betriebseröffnung voraussetze, dass die Investitionsentscheidungen hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen ausreichend konkretisiert seien. In diesem Fall sei es darüber hinaus erforderlich, dass das entsprechende Wirtschaftsgut bis zum Ende des Jahres, in dem der Abzug vorgenommen werde, verbindlich bestellt worden sei (BFH, Urteil vom 19.04.2007 – IV 28/05 – BStBl. II 2007, 704; BFH, Urteil vom 25.04.2002 – IV R 30/00 – BStBl. II 2004, 182; BMF, Schreiben vom 08.05.2009, BStBl. I 2009, 633, Rz. 29). An diesen Voraussetzungen fehle es im Streitfall. In der Vereinbarung vom 31.12.2010 habe die Klin lediglich ihre Absicht dargelegt, bis zum 31.12.2013 eine oder mehrere Photovoltaikanlagen zu errichten.

18Dementsprechend setzte der Bekl in dem Gewerbesteuer (GewSt)-Messbescheid für das Streitjahr 2010 einen Verlust der Klin i. H. v. ./. X € fest und stellte in dem Bescheid auf den 31.12.2010 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (F-Bescheid vortragsfähiger Gewerbeverlust) vom 14.10.2011 den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf X € fest.

19Nachdem der Bekl den Antrag der Klin vom 15.05.2011, im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen F-Bescheids für 2010 einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von X € anzuerkennen, mit Bescheid vom 16.05.2011 abgelehnt hatte, wies der erkennende Senat einen entsprechenden bei dem Finanzgericht gestellten Antrag auf AdV mit Beschluss vom 07.11.2011 – 12 V 1818/11 F – zurück.

20Der Bekl hat die Einsprüche der Klin gegen den F-Bescheid für 2010 vom 13.05.2011 und gegen den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2010 vom 14.10.2011 in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 01.12.2011 als unbegründet zurückgewiesen.

21Im Klageverfahren verfolgt die Klin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, sie habe ihre Investitionsabsicht i.S. des § 7 g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG mit der verbindlichen Bestellung von Photovoltaikanlagen vom 31.12.2010 nachgewiesen. Ihr könne sich die Klin nicht entziehen. Wenn der Vertragspartner die vertraglichen Voraussetzungen schaffe, sei die Klin zur Abnahme verpflichtet. Dass der Standort der Photovoltaikanlage noch nicht feststehe, sei angesichts der bestehenden Stromabnahmeverpflichtung unerheblich. Von Bedeutung sei lediglich, dass der Preis der Anlage in einem vernünftigen Verhältnis zum Strompreis stehe.

22Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG Nürnberg, Urteil vom 28. Juli 2011 – 7 K 655/10 – EFG 2011, 1964, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 42/11; Niedersächsisches FG, Urteil vom 03. Mai 2011 – 13 K 12121/10 – EFG 2011, 1601, Rev. eingel., Az. des BFH – III R 37/11; FG München, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 2 K 655/10 – EFG 2011, 521, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 20/11) könne die Investitionsabsicht in den Fällen der Betriebseröffnung aber auch anders als durch eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen nachgewiesen werden.

23Der Investitionsabzugsbetrag sei allerdings auch ohne abgeschlossene Betriebsgründung und ohne verbindliche Bestellung zulässig. Zum einen bestehe nach der Neufassung des § 7 g EStG keine Missbrauchsgefahr mehr. Bei Nichtinanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages sei dieser im Jahr des Abzugs rückgängig zu machen. Der Stundungseffekt, der sich nach der Altfassung des § 7 g EStG habe ergeben können, sei nicht mehr möglich. Vielmehr habe der Steuerpflichtige in diesem Fall den nicht in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag zu verzinsen.

24Zum andern habe der Gesetzgeber aus wirtschaftspolitischen Gründen entschieden, Investitionen steuerlich zu begünstigen. Es stelle sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob nur der Steuerpflichtige gefördert werden solle, der bereits endgültig zur Investition entschlossen sei. Dann würde der Zweck der Norm verfehlt, weitere Investitionen anzuregen. Auch die noch schwankenden Steuerpflichtigen hätten eine Investitionsabsicht. Sie erhielten jedoch keine Förderung. Diese Auslegung sei Sinn und Zweck der Fördernorm nicht vereinbar.

25Nach Ablauf der Investitionsfrist könne die Realisierung der Investitionsabsicht im Übrigen objektiv überprüft werden.

26Der im Streitfall vertraglich vereinbarte Finanzierungsvorbehalt ändere an der Förderfähigkeit der geplanten Investitionen nichts. Auch die Investition unter Nutzung von Fremdkapital sei steuerlich förderfähig. Um dem Förderzweck gerecht zu werden, dürften auch die Investitionen, deren Finanzierung nicht bereits verbindlich feststehe, nicht von der Förderung ausgeschlossen werden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Schriftsatz vom 15.08.2012 verwiesen.

27Die Klin beantragt,

28den Gewinn aus Gewerbebetrieb in dem F-Bescheid für 2010 vom 13.05.2011 und in dem F-Bescheid vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31.12.2010 vom 14.10.2011 in Gestalt der EE vom 01.12.2011 in Höhe eines Investitionsabzugsbetrags in Höhe von X € zu mindern,

29hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

30Der Bekl beantragt,

31die Klage abzuweisen,

32hilfsweise, im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten verwiesen.

34Der Berichterstatter hat den Kommanditisten R mit Beschluss vom 29.06.2012 zum Verfahren beigeladen. Der Senat hat in dieser Sache am 15.08.2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

36Die Klage ist nicht begründet.

37Der Bekl hat zu Recht in den beiden angefochtenen F-Bescheiden vom 13.05.2011 und vom 14.10.2011 den Gewinn der Klin aus Gewerbebetrieb nicht in Höhe des begehrten Investitionsabzugsbetrags von X € gemindert.

38Nach § 7 g Abs. 1 Satz 1 EStG können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens bis zu 40 v.H. der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abgezogen werden (sogenannter Investitionsabzugsbetrag). Dieser Abzugsbetrag kann nach Satz 2 der Regelung nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet (Nr. 1), der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen (Nr. 2 Buchstabe a) und in bestimmter Weise betrieblich zu nutzen (Nr. 2 Buchstabe b) und der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt (Nr. 3).

39Im anhängigen Verfahren richtet sich der Streit auf die Frage, welche Anforderungen an die Konkretisierung der Investitionsentscheidung zu stellen sind.

40Nach § 7 g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung setzt die Inanspruchnahme des Investitionsabzuges die Absicht zum voraussichtlichen Erwerb des begünstigten Wirtschaftsgutes innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraumes voraus. Das macht eine Prognoseentscheidung über die künftige Investition erforderlich (BFH, Urteil vom 08. Juni 2011, I R 90/10, BFH/NV 2011, 1594; s.a. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucks. 16/4841, S. 52).

41Die von der gesetzlichen Neuregelung ab 2007 erstmals ausdrücklich geforderte Investitionsabsicht zwingt dazu, insbesondere in den Fällen der Betriebseröffnung auch weiterhin einen Nachweis der Investitionsabsicht zu verlangen.

42Bei Betrieben, deren Eröffnung  im Jahr des Investitionsabzugs noch nicht beendet ist, stellte der Bundesfinanzhof bereits vor der gesetzlichen Neuregelung strengere Anforderungen an die Glaubwürdigkeit der Absicht zu voraussichtlichen Investitionen, weil die Plausibilität der Investition nicht anhand eines erprobten Betriebskonzeptes nachvollziehbar ist. Er forderte in ständiger Rechtsprechung zu § 7 g Abs. 1 EStG a.F., dass die Investitionsentscheidung hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch eine im Abzugsjahr erfolgte verbindliche Bestellung ausreichend konkretisiert ist (BFH, Urteil vom 15. September 2010 X R 16/08, BFH/NV 2011, 33 m.w.N.). Dieses Konkretisierungserfordernis diente dazu, einem Investitionsabzug ins Blaue hinein vorzubeugen. Erst die verbindliche Bestellung seiner wesentlichen Wirtschaftsgüter qualifiziert ein im Aufbau befindliches Unternehmen zu einem Betrieb, der berechtigt ist, den Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g EStG  in Anspruch zu nehmen (BFH, Urteil vom 15. September 2010 X R 16/08, BFH/NV 2011, 33 m.w.N.).

431) Im Streitfall ist die Investitionsabsicht der Klin nicht durch eine verbindliche Bestellung der Photovoltaikanlage(n) als wesentliche Betriebsgrundlagen des Unternehmens ausreichend konkretisiert.

44a) Die Eröffnung des Betriebes der am 30.12.2010 gegründeten Klin war im Streitjahr 2010, dem Jahr des Investitionsabzugs, noch nicht beendet. Der Gesellschaftsvertrag bezeichnet die Verwaltung eigenen Vermögens und den Betrieb von Photovoltaikanlagen als ihren Unternehmensgegenstand. Ausweislich der Bilanz zum 31.12.2010 hatte sie diesen Zwecken dienende wesentliche Betriebsgrundlagen, zu denen insbesondere Photovoltaikanlagen rechnen, noch nicht angeschafft. Für diesen Fall der Betriebseröffnung ist die Investitionsabsicht der Klin nicht durch eine verbindliche Bestellung geführt. Der unter dem 31.12.2010 zwischen der Klin und Herrn N geschlossene Vertrag über die Investition in eine oder mehrere Photovoltaikanlage(n) mit einem Investitionsvolumen von X € ist nach dem Willen der Vertragsparteien nur unter Geltung bestimmter vereinbarter Voraussetzungen gültig. Solange die in der Präambel genannten Voraussetzungen nicht insgesamt erfüllt sind, liegt nach dem Willen der Parteien kein gültiger Vertrag und damit keine verbindliche Bestellung vor.

45b) Auch wenn es der Senat für eine verbindliche Bestellung genügen lässt, dass der Eintritt der Bedingungen durch den Besteller nicht zu beeinflussen ist und die vereinbarten ersten drei Voraussetzungen für die Gültigkeit des Vertrages zwischen Herrn N. und der Klin vom 31.12.2010 nach der Marktlage für den Auftragnehmer nachweisbar waren, könnte von einer verbindlichen Bestellung mit Blick auf die vierte, im Vertrag genannte Gültigkeitsvoraussetzung nicht ausgegangen werden. Die Klin ist nicht mit liquiden Mitteln ausgestattet, die die Finanzierung der Investition ermöglichen. Obwohl der Gesellschaftsvertrag eine Einlage in Höhe von X € – das entspricht der geplanten Investitionssumme – vorsieht, hat der beigeladene Kommanditist R sie nicht in das Gesellschaftsvermögen geleistet. Darüber hinaus verfügt die Klin über keine weiteren Vermögenswerte. Vor diesem Hintergrund hängt die Erfüllung der vierten Voraussetzung für die Gültigkeit des Vertrages, die Finanzierung zu marktüblichen Konditionen ohne die Stellung weiterer dinglicher Sicherheiten über die persönliche Haftung des Kommanditisten hinaus von der Vermögenslage des Kommanditisten zu dem Zeitpunkt ab, zu dem auch die Voraussetzungen 1 bis 3 erfüllt sind. Dass von einer entsprechenden Vermögenslage des Kommanditisten ausgegangen werden kann, hat die Klin nicht vorgetragen. Auch nach der Aktenlage ist diese Annahme nicht belegbar. Die fehlende Kommanditeinlage  und der ausdrückliche Hinweis auf den Sinn der Regelung in der „Verbindlichen Bestellung von Photovoltaikanlagen“ vom 31.12.2010

46- die Klin. möchte nicht in eine Situation geraten, die sie zur Abnahme einer Anlage verpflichte, die sie im Moment nicht bezahlen könne –

47deuten vielmehr darauf hin, dass die Klin weder der Einlageleistung des Kommanditisten noch seiner entsprechenden Haftungsqualität sicher sein kann.

482. Die Investitionsabsicht ist auch nicht aufgrund anderer Indizien hinreichend konkret feststellbar.

49Angesichts der geringeren Gestaltungsmöglichkeiten bei § 7 g EStG n.F. hält es der Senat mit der einhelligen finanzgerichtlichen Rechtsprechung (FG Nürnberg, Urteil vom 28. Juli 2011 – 7 K 655/10 – EFG 2011, 1964, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 42/11; Niedersächsisches FG, Urteil vom 03. Mai 2011 – 13 K 12121/10 – EFG 2011, 1601, Rev. eingel., Az. des BFH – III R 37/11; FG München, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 2 K 655/10 – EFG 2011, 521, Rev. eingel., Az. des BFH – X R 20/11; s. auch Schmidt/Kulosa EStG § 7 g Rz 14) für ausreichend, wenn der Nachweis der Investitionsabsicht bei noch zu eröffnenden Betrieben anders als durch eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen geführt wird.

50Wie der Nachweis der Investitionsabsicht in solchen Fällen geführt werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die dargelegten und nachgewiesenen Umstände des Einzelfalls müssen die Feststellung erlauben, dass der Steuerpflichtige in dem Jahr, in dem er den Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht wird, ernsthaft und endgültig zur Anschaffung des Investitionsgutes entschlossen war.

51Im Streitfall liegen derart qualifizierte Umstände nicht vor. Die Klin verfügt vielmehr nicht über ausreichende finanzielle Mittel, die vorgetragene Investition durchzuführen. Sie hat ihre Möglichkeiten zur Beschaffung eigener finanzieller Mittel nicht ausgeschöpft und die Kommanditeinlage von dem Beigeladenen nicht eingefordert. Statt dessen will der Beigeladene lediglich persönlich für die Refinanzierung der Photovoltaikanlage(n) haften, jedoch darüber hinaus keine weiteren dinglichen Sicherheiten stellen. Nutzt die Klin, die über die ausstehende Kommanditeinlage hinaus keine weiteren Aktiva in der Bilanz ausweist, die eigenen Möglichkeiten nicht, die zur Finanzierung der vorgetragenen Investition erforderlichen finanziellen Mittel im Wege der Einforderung der Kommanditeinlage zu beschaffen, hat sie als Gesellschaft, deren Eröffnung noch nicht abgeschlossen ist, nicht hinreichend konkret deutlich gemacht, dass sie die vorgetragene Investition ernsthaft durchzuführen beabsichtigt und sie bei der gegebenen Ausgangssituation tatsächlich in der Lage ist, sie auch zu finanzieren. Der darauf zu stützende Vorhalt fehlenden Nachweises der Investitionsabsicht gilt im Streitfall zumal vor dem Hintergrund, dass die Abmachung über die „Verbindliche Bestellung von Photovoltaikanlagen“ vom 31.12.2010 im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht verbindlich getroffen ist, sondern die Bindung an die Lieferabreden vom Eintritt vertraglich bezeichneter aufschiebender Bedingungen abhängig macht.

52Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO.

53Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

Steuertermine April 2013

Steuerterminkalender April 2013
Steuerart Termin Bemerkungen
Umsatzsteuer:
(Mehrwertsteuer)
10.04.2013 Voranmeldung und Vorauszahlung für Umsätze im Monat März 2013, wenn die Um­satzsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7.500,– € be­tragen hat (Monatszahler).Voranmeldung und Vorauszahlung für Umsätze im 1. Kalendervierteljahr 2013, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 7.500,– € betragen hat (Vierteljahreszahler). Der Unternehmer kann anstelle des Kalender­vierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen, wenn sich für das vorangegangene Kalenderjahr ein Überschuß zu seinen Gunsten von mehr als 7.500,– € ergibt. In diesem Fall hat der Unternehmer bis zum 10. Februar des laufenden Kalenderjahres eine Voranmeldung für den ersten Ka­lendermonat abzugeben. Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer für dieses Kalenderjahr. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1000,– €, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Ver­pflichtung zur Abgabe der Voranmeldun­gen und Entrichtung der Voraus­zahlungen entbinden.

 

 

Lohnsteuer, Kirchen­lohnsteuer und Solidari­tätszuschlag: 10.04.2013 Abführung der im Monat März 2013 einbehaltenen Lohnsteuer, Kirchenlohn­steuer und des Solidaritätszuschlags, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorange­gangene Kalenderjahr mehr als 3.000,– € betragen hat, bzw. der im 1. Kalendervierteljahr 2013 einbehaltenen Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und des Solidaritätszuschlags, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 800,– € aber nicht mehr als 3.000,– € betragen hat.Zum gleichen Termin ist die Lohnsteueranmeldung abzugeben, in der auch die ein­behaltene Kirchenlohnsteuer, der einzubehaltene Solidaritätszuschlag sowie das ausgezahlte und zu verrechnende Kindergeld gesondert aufzuführen sind.
Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag: 10.04.2013 Anmeldung und Entrichtung der im Monat März 2013 entstandenen Steuer.
Lotteriesteuer: Die Lotteriesteuer ist vor Beginn des Losabsatzes zu entrichten.
Kraftfahrzeugsteuer: Die Kraftfahrzeugsteuer ist an dem im Steuerbescheid festgesetzten Fälligkeits­ter­min zu entrichten.
Versicherungsteuer: 15.04.2013 Anmeldung und Entrichtung der im Monat März 2013 entstandenen Steuer, wenn die Versicherungsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 3.000,– € betragen hat (Monatszahler).Anmeldung und Entrichtung der im 1. Kalendervierteljahr 2013 entstandenen Steuer, wenn die Versicherungsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 3.000,– € betragen hat (Vierteljahreszahler).

Hinweis:

Die Fälligkeit der Steuerzahlungen ist durch Gesetz bestimmt. Falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fällig­keitstages entrichtet wird, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 % des rückständigen Betrages zu entrichten. Ein Säumniszuschlag wird jedoch nicht erhoben, wenn die zu ent­rich­tende Steuer innerhalb der sog. Zahlungsschonfrist von 3 Tagen beim Finanzamt eingeht. Die Zahlungs­schonfrist gilt nicht bei Zahlung durch Übersendung eines Schecks.

Durch eine Änderung im Jahressteuergesetz 2007 gelten Schecks ab dem 1. Januar 2007 erst drei Tage nach deren Eingang bei der zuständigen Finanzkasse als entrichtet. Scheckzahler müssen ihre Schecks künftig früher einreichen. Liegt der fiktive Zahlungszeitpunkt nach dem Fälligkeitstag, so fallen sofort Säumnis­zuschläge an.

Bei Überweisung oder Einzahlung auf ein Konto des Finanzamts (Finanzkasse) gilt die Zahlung an dem Tag als wirksam geleistet, an dem der Betrag dem Konto des Finanzamts (Finanzkasse) gutgeschrieben wird.

Bei erteilter Einzugsermächtigung an das Finanzamt ist die Zahlungsschonfrist ohne Bedeutung, da bei Vorlage einer Einzugsermächtigung die Steuerschuld als am Fälligkeitstag entrichtet gilt. Die Teilnahme an diesem Verfahren wird empfohlen.

Arbeitgeber und Unternehmer sind dazu verpflichtet, Lohnsteuer-Anmeldungen bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldungen nur auf elektronischem Weg über das Internet an das Finanzamt zu senden.