Archiv der Kategorie: GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

Wie wird Zahlungsunfähigkeit einer GmbH ermittelt?

Wie wird Zahlungsunfähigkeit einer GmbH ermittelt?

Kernaussage

Das GmbH-Gesetz bestimmt, dass eine GmbH im Falle der finanziellen Krise keine Zahlungen an ihre Gesellschafter ausführen darf, wenn dies zur Zahlungsunfähigkeit und damit zur Insolvenzreife der GmbH führt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell entschieden, dass eine Zahlungsunfähigkeit der GmbH durch eine Zahlung an einen Gesellschafter dann nicht im Sinne des Gesetzes als verursacht gilt, wenn die GmbH bereits zahlungsunfähig war.

Sachverhalt

Der Kläger und seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau, die alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin der beklagten GmbH ist, gewährten dieser 1995 ein Darlehen über rd. 179.000 EUR. Die GmbH verpflichtete sich, das Darlehen bis spätestens Ende 2005 zurückzuzahlen, tat dies aber nicht. Der Kläger verlangt nun Hinterlegung des Darlehensbetrags nebst Zinsen zu seinen Gunsten und zu Gunsten seiner früheren Ehefrau. Die GmbH verweigert die Rückerstattung des Darlehens mit der Begründung, die Rückzahlung führe zu ihrer Zahlungsunfähigkeit, so dass sie diese von Gesetzes wegen verweigern könne. Der Kläger unterlag vor dem Oberlandesgericht (OLG); der BGH hob das Urteil jedoch auf und verwies die Sache zurück. Nach Ansicht der BGH-Richter durfte die GmbH die Rückerstattung nicht zurückhalten.

Entscheidung

Die Zahlungsunfähigkeit einer GmbH wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist. Das Gesetz verlangt, dass die konkrete Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führen musste. Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit ist eine fällige Forderung des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine GmbH zahlungsunfähig, wenn unter Berücksichtigung fälliger, d. h. ernsthaft eingeforderter Gesellschafterforderungen bereits eine Deckungslücke von 10 % oder mehr besteht. In diesem Fall wird die Zahlungsunfähigkeit nicht durch die Zahlung an den Gesellschafter herbeigeführt. Das Gesetz verlangt die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit und stellt nicht auch auf die Vertiefung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ab. Das OLG muss jetzt noch anhand einer aufzustellenden Liquiditätsbilanz feststellen, ob die Darlehensrückzahlung die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich erst verursachen würde. Nur dann kann die GmbH die Rückzahlung verweigern.

Konsequenz

Das gesetzliche „(Rück)zahlungsverbot“ für die GmbH korrespondiert mit der Haftung des Geschäftsführers. Zahlt er im Namen der GmbH verbotswidrig Beträge an die Gesellschafter aus und führt dies zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH, haftet der Geschäftsführer gegenüber der GmbH für die Zahlungen. Er sollte daher Zahlungsflüsse in der Krise immer genau dokumentieren, um sich im Ernstfall entlasten zu können.

Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers neben weiteren Geschäftsführern

  KernaussageEs gehört grundsätzlich zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, sich mit den handelsrechtlichen und steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung seiner Tätigkeit gestellt werden, vertraut zu machen und gegebenenfalls fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Der alleinige Geschäftsführer einer GmbH kann sich deshalb auch nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich schon aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden konnte.

Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer GmbH war seit Juli 2005 bestellt und für die Gesellschaft tätig. Bis September 2006 war auch die alleinige Gesellschafterin als weitere Geschäftsführerin im Amt. Im November 2007 schied der Geschäftsführer aus. Das Finanzamt nahm ihn daraufhin persönlich für ausstehende Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006 sowie für Januar bis August 2007 in Haftung, weil die entsprechenden Steuererklärungen von der GmbH nicht abgegeben worden waren. Der Geschäftsführer wehrte sich mit dem Argument, er sei aufgrund der internen Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern nicht für die Einhaltung der steuerlichen Verpflichtungen zuständig gewesen. Die weitere Geschäftsführerin sei auch nach ihrer Abberufung weiterhin für die GmbH tätig gewesen; wegen ihrer beherrschenden Gesellschaftereigenschaft komme ihr der Status „faktische Geschäftsführerin“ zu.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab größtenteils dem Finanzamt Recht. Lediglich für die wegen Fristverlängerung verspätet abgegebene Umsatzsteuererklärung 2006 könne der Geschäftsführer nicht haftbar gemacht werden, denn diese musste erst nach seinem Ausscheiden eingereicht werden. Haften muss der Geschäftsführer aber für die Umsatzsteuern 2005 und Januar bis August 2007. Ein GmbH-Geschäftsführer hat dafür zu sorgen, dass die Steuern fristgerecht erklärt und

  aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Demnach kann es auf die Frage, ob der Geschäftsführer bis zum September 2006 neben der bis dahin ebenfalls als Geschäftsführer bestellten Gesellschafterin im Rahmen einer Aufgabenverteilung nicht für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zuständig gewesen ist, nicht an. Denn die haftungsbegründenden Pflichtverletzungen, also die nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 und die nicht fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar bis August 2007, haben sich erst ereignet, nachdem die Gesellschafterin Geschäftsführerin abberufen worden war.Konsequenz
Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, die ihm die Erfüllung seiner Pflichten ermöglichen, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte. Bis zu seinem Rücktritt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich. Im Übrigen kommt eine Haftungsbegrenzung aufgrund einer internen Aufgabenverteilung nur dann in Betracht, wenn die Aufgabenzuweisung klar und eindeutig, d. h. in schriftlicher Form, festgelegt worden ist.

Geschäftsführer der GmbH muss Finanzübersicht bereitstellen

Geschäftsführer der GmbH muss Finanzübersicht bereitstellen

  Kernaussage
Die Haftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung erfordert ein Verschulden. Hierfür genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife der Gesellschaft; dieser Umstand wird zulasten des Geschäftsführers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. Für den Nachweis hat der Geschäftsführer die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und für eine Organisation zu sorgen, die ihm jederzeit die erforderliche Übersicht ermöglicht.Sachverhalt
Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er behauptet, die GmbH sei bereits Ende 2003 überschuldet gewesen und verlangt vom Beklagten die Rückerstattung von Zahlungen, die im Jahr 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden. Der Kläger hatte schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg.

Entscheidung
Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach dem Gesetz zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden. Der Geschäftsführer hat die Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens und nähere Überprüfungspflichten im Falle krisenhafter Anzeichen. Er hat die Vermutung der schuldhaften Verletzung dieser Pflichten zu widerlegen und die Gründe darzulegen, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife zu erkennen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen muss, die ihm die Übersicht über die Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. Die Vorjahresbilanz und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen schließen eine Erkennbarkeit einer möglichen Überschuldung nicht von vornherein aus.

  Konsequenz
Der BGH hat mit dem vorliegenden Urteil erneut klargestellt, in welch weitem Umfang der GmbH-Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung haftet. Zur Haftungsvermeidung sollte ein Geschäftsführer sowohl die Zahlungsfähigkeit als auch die gesamte Vermögenssituation der Gesellschaft kontinuierlich beobachten.

Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers neben weiteren Geschäftsführern

Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers neben weiteren Geschäftsführern

Kernaussage

Es gehört grundsätzlich zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, sich mit den handelsrechtlichen und steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung seiner Tätigkeit gestellt werden, vertraut zu machen und gegebenenfalls fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Der alleinige Geschäftsführer einer GmbH kann sich deshalb auch nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich schon aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden konnte.

Sachverhalt

Der Geschäftsführer einer GmbH war seit Juli 2005 bestellt und für die Gesellschaft tätig. Bis September 2006 war auch die alleinige Gesellschafterin als weitere Geschäftsführerin im Amt. Im November 2007 schied der Geschäftsführer aus. Das Finanzamt nahm ihn daraufhin persönlich für ausstehende Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006 sowie für Januar bis August 2007 in Haftung, weil die entsprechenden Steuererklärungen von der GmbH nicht abgegeben worden waren. Der Geschäftsführer wehrte sich mit dem Argument, er sei aufgrund der internen Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern nicht für die Einhaltung der steuerlichen Verpflichtungen zuständig gewesen. Die weitere Geschäftsführerin sei auch nach ihrer Abberufung weiterhin für die GmbH tätig gewesen; wegen ihrer beherrschenden Gesellschaftereigenschaft komme ihr der Status „faktische Geschäftsführerin“ zu.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab größtenteils dem Finanzamt Recht. Lediglich für die wegen Fristverlängerung verspätet abgegebene Umsatzsteuererklärung 2006 könne der Geschäftsführer nicht haftbar gemacht werden, denn diese musste erst nach seinem Ausscheiden eingereicht werden. Haften muss der Geschäftsführer aber für die Umsatzsteuern 2005 und Januar bis August 2007. Ein GmbH-Geschäftsführer hat dafür zu sorgen, dass die Steuern fristgerecht erklärt und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Demnach kann es auf die Frage, ob der Geschäftsführer bis zum September 2006 neben der bis dahin ebenfalls als Geschäftsführer bestellten Gesellschafterin im Rahmen einer Aufgabenverteilung nicht für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zuständig gewesen ist, nicht an. Denn die haftungsbegründenden Pflichtverletzungen, also die nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 und die nicht fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar bis August 2007, haben sich erst ereignet, nachdem die Gesellschafterin Geschäftsführerin abberufen worden war.

Konsequenz

Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, die ihm die Erfüllung seiner Pflichten ermöglichen, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte. Bis zu seinem Rücktritt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich. Im Übrigen kommt eine Haftungsbegrenzung aufgrund einer internen Aufgabenverteilung nur dann in Betracht, wenn die Aufgabenzuweisung klar und eindeutig, d. h. in schriftlicher Form, festgelegt worden ist.

Geldwerter Vorteil bei Dienstwagen eines GmbH-Geschäftsführers

Geldwerter Vorteil bei Dienstwagen eines GmbH-Geschäftsführers

Kernaussage

Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der steuerlichen Einkunftsarten zufließen. Für die private Nutzung eines betrieblichen Pkw zu privaten Fahrten ist für jeden Monat 1 % des Bruttolistenpreises anzusetzen. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht sich dieser Wert um 0,03 % des Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer.

Sachverhalt

Der Klägerin stand als Gesellschafter-Geschäftsführerin nach ihrem Anstellungsvertrag ein Firmen-Pkw zur Verfügung, welcher nur für Geschäftszwecke verwendet werden durfte; Privatfahrten waren nach dem Vertrag untersagt. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines dienstlich überlassenen Pkws zu versteuern sei. Es wurde weder ein Fahrtenbuch geführt, noch wurde das Verbot der Nutzung des Pkws für Privatfahrten ernstlich überwacht. Damit, so das Finanzamt, gelte der aus der allgemeinen Lebenserfahrung abgeleitete Anscheinsbeweis, dass der überlassene Pkw auch für Privatfahrten genutzt werde. Gegen die Versteuerung des geldwerten Vorteils klagte die Klägerin und gewann vor dem Finanzgericht.

Entscheidung

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) greift der Anscheinsbeweis dann nicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung ausdrücklich untersagt. Eine unbefugte Privatnutzung hat dagegen keinen Lohncharakter. Die aktuelle BFH-Rechtsprechung bezieht sich auf Angestellte, die mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen aufgrund einer Missachtung des arbeitsvertraglichen Nutzungsverbots rechnen müssen. Da es im vorliegenden Fall an einer bewussten Überlassung des Dienstwagens für Privatfahrten an die Klägerin fehlte, wurde ihr auch kein Vorteil gewährt.

Konsequenz

Der geschilderte Fall ist mittlerweile beim BFH anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob die angewendete neuere BFH-Rechtsprechung auch für Gesellschafter-Geschäftsführer gilt, da in diesem Fall eine ernstliche (Selbst-)Kontrolle des Nutzungsverbots nicht möglich ist und die Wahrscheinlichkeit von arbeitsrechtlichen Konsequenzen aufgrund der Missachtung des Nutzungsverbots unwahrscheinlich ist.

GmbH-Geschäftsführer haftet dem Fiskus für Lohnsteuer

GmbH-Geschäftsführer haftet dem Fiskus für Lohnsteuer

Kernaussage

Die verbreitete Ansicht, dass eine GmbH nur mit ihrem eigenen Vermögen haftet und die Gesellschafter und Geschäftsführer nicht angegriffen werden können, ist leider so nicht richtig. Der Geschäftsführer einer GmbH vertritt diese kraft Gesetzes. Missachtet er bei Erledigung der Gesellschaftsangelegenheiten pflichtwidrig die ihm obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, haftet er der GmbH für den dadurch entstehenden Schaden persönlich. Ein wichtiger Fall ist z. B. die schuldhafte Verletzung der Pflicht, die Steuern der GmbH aus den verwalteten Mitteln zu entrichten. So muss die Lohnsteuer – als Fremdgeld – stets in voller Höhe beglichen werden, während hinsichtlich der übrigen Steuern lediglich der Grundsatz der verhältnismäßigen Tilgung zu beachten ist. Beachtet der Geschäftsführer dies nicht, droht ihm die persönliche Inanspruchnahme.

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, die sich seit Oktober 2007 in einer schweren finanziellen Krise befand. Trotzdem hatte der Geschäftsführer die Gehälter der Arbeitnehmer für Oktober 2007 und Januar bis März 2008 ungekürzt ausgezahlt. Im Mai wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Daraufhin nahm das beklagte Finanzamt den Geschäftsführer wegen rückständiger Lohnsteuerverbindlichkeiten persönlich in Regress mit der Begründung, er habe die Gehälter lediglich gekürzt auszahlen dürfen und mit den restlichen Geldmitteln für die fristgerechte Entrichtung der Steuern sorgen müssen. Dies habe er grob fahrlässig versäumt. Der Geschäftsführer argumentierte, es habe sich in dem fraglichen Zeitraum nur um eine vorübergehende Zahlungsstockung gehandelt; mit seiner Klage gegen den Haftungsbescheid unterlag er vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

Entscheidung

Nach Ansicht der Richter hatte der Geschäftsführer grob fahrlässig gehandelt, als er es unterließ, die Lohnsteuern fristgerecht an den Fiskus zu zahlen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können finanzielle Schwierigkeiten der GmbH den für die Abführung von Lohnsteuer verantwortlichen Geschäftsführer nicht ohne Weiteres entlasten. Er darf vielmehr, wenn infolge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen kann.

Konsequenz

Das Finanzgericht stellte klar, dass die Pflichtverletzung der nicht rechtzeitigen Tilgung einer Steuerschuld auch dann ursächlich für den eingetretenen Schaden des Fiskus sein kann, wenn der Geschäftsführer verspätet zahlt. Eine solche Ursächlichkeit liegt dann vor, wenn die verspätete Zahlung in einen Zeitraum fällt, in dem sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter angefochten werden kann.

Geschäftsführer der GmbH muss Finanzübersicht bereitstellen

Geschäftsführer der GmbH muss Finanzübersicht bereitstellen

Kernaussage

Die Haftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung erfordert ein Verschulden. Hierfür genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife der Gesellschaft; dieser Umstand wird zulasten des Geschäftsführers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. Für den Nachweis hat der Geschäftsführer die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und für eine Organisation zu sorgen, die ihm jederzeit die erforderliche Übersicht ermöglicht.

Sachverhalt 

Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er behauptet, die GmbH sei bereits Ende 2003 überschuldet gewesen und verlangt vom Beklagten die Rückerstattung von Zahlungen, die im Jahr 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden. Der Kläger hatte schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg.

Entscheidung 

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach dem Gesetz zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden. Der Geschäftsführer hat die Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens und nähere Überprüfungspflichten im Falle krisenhafter Anzeichen. Er hat die Vermutung der schuldhaften Verletzung dieser Pflichten zu widerlegen und die Gründe darzulegen, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife zu erkennen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen muss, die ihm die Übersicht über die Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. Die Vorjahresbilanz und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen schließen eine Erkennbarkeit einer mögliche Überschuldung nicht von vornherein aus.

Konsequenz

Der BGH hat mit dem vorliegenden Urteil erneut klargestellt, in welch weitem Umfang der GmbH-Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung haftet. Zur Haftungsvermeidung sollte ein Geschäftsführer sowohl die Zahlungsfähigkeit als auch die gesamte Vermögenssituation der Gesellschaft kontinuierlich beobachten.

Hessisches Finanzgericht entscheidet zum Widerruf einer Bescheinigung über die abgeführte Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften

“Wird die Kapitalertragsteueranrechnungsbescheinigung von dem ausstellenden Kreditinstitut widerrufen, obliegt es grundsätzlich dem Steuerpflichtigen, die Erhebung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden- bzw. Dividendenkompensationszahlungen anhand anderer geeigneter Beweismittel nachzuweisen. Hierauf hat das Hessische Finanzgericht seine Entscheidung in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gestützt (Az. 4 V 1661/11), das die Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer beim Verkauf von dividendenberechtigten Aktien um den Dividendenstichtag betraf.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das die Verwaltung eigener Vermögenswerte, insbesondere den Handel mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung zum Gegenstand hatte. In den Jahren 2006 bis 2008 tätigte sie Geschäfte mit marktgängigen dividendenberechtigten Aktien deutscher Aktiengesellschaften, die überwiegend im DAX 30 und vereinzelt in M-DAX gelistet waren. Die Aktien wurden kurz vor bzw. am Tag der jeweiligen Hauptversammlung “cum dividende” gekauft und kurz nach der Dividendenzahlung wieder verkauft. Dazu hatte die Antragstellerin einer Bank, die zugleich die Konten- und Wertpapierdepots der Antragstellerin führte, einen schriftlichen Auftrag zur Ausführung von Wertpapier- und Derivatgeschäften erteilt. Die Bank bescheinigte der Antragstellerin in den Jahressteuerbescheinigungen für die Streitjahre zunächst den Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge. Nachdem das Finanzamt daraufhin Körperschaftsteuerbescheide erlassen hatte, in denen jeweils Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge in beträchtlicher Höhe angerechnet worden war, erließ es im Zuge einer Betriebsprüfung bei der Antragstellerin für die Jahre 2006 bis 2008 geänderte Anrechnungsverfügungen. Darin wurde die Anrechnung der Kapitalertragsteuer gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) zurückgenommen, was zur Rückforderung der Anrechnungsbeträge nebst Festsetzung von Zinsen in erheblicher Höhe führte, weil die Bank zwischenzeitlich die Jahressteuerbescheinigungen widerrufen hatte.

Das Hessische Finanzgericht lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der geänderten Anrechnungsverfügungen für 2006 bis 2008 ab. Es entschied, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Anrechnungsbescheide vorgelegen hätten, weil die Antragstellerin durch ihre Angaben in den Steuererklärungen und durch die vorgelegten Bescheinigungen zu Unrecht den Eindruck erweckt habe, dass anrechenbare Kapitalertragsteuer vorliege, um die die Körperschaftsteuerschuld zu mindern sei.

Entscheidend sei, ob auf die zu erfassenden Einkünfte der Steuerabzug tatsächlich vorgenommen worden sei. Zwar habe die Antragstellerin bei Abgabe der Steuererklärungen eine Anrechnungsbescheinigung der Bank vorgelegt, was regelmäßig den Anscheinsbeweis für die Zahlung der anzurechnenden Kapitalertragsteuer erbringe. Wenn aber – wie im Streitfall – die ausstellende Bank die Bescheinigung zurückfordere, weil wegen möglicher Einschaltung einer ausländischen Depotbank begründete Zweifel an dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf die geleisteten Zahlungen bestünden, könne die Bescheinigung keinen Nachweis mehr für die Entrichtung der Kapitalertragsteuer bieten. Um die Anrechnung erhobener Kapitalertragsteuer zu erreichen, bedürfe es in einem solchen Fall zum Nachweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer anderer geeigneter Beweismittel. Diesen Nachweis habe die Antragstellerin aber nicht erbracht. Die Erwägung, dass das Gesetz eine mehrfache Anrechnung nur einmal entrichteter Kapitalertragsteuer zulasse, teilte das Gericht nicht.”

Hessisches FG Beschluss vom 08.10.2012 – 4 V 1661/11

Presseerklärung Hessisches Finanzgericht

 

HESSISCHES FINANZGERICHT
Geschäftsnummer: 34117 Kas s e l
Königs tor 35
4 V 1661/11 34017 Kas s e l
Pos t f a ch 10 17 40
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
-Antragstellerin-
Prozessbev.:
g e g e n
Finanzamt
-Antragsgegnerw
e g e n
Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 2006, 2007 und 2008
sowie der Zinsbescheide zur Körperschaftsteuer 2006, 2007 und 2008
hat der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts
am 8. Oktober 2012 beschlossen:
1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
– 2 –
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Bescheide
über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen für die Jahre 2006 bis
2008. Streitig ist die Rückforderung der angerechneten Kapitalertragsteuer.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das die Verwaltung eigener Vermögenswerte,
insbesondere den Handel mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung
zum Gegenstand hat. Alleiniger Gesellschafter ist Herr G 1. Er ist zugleich
alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Als weiterer alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer war bis zum … Herr G 2 bestellt, dessen
Geschäftsführungsbefugnis bei Rechtsgeschäften von über X EUR jedoch insoweit
eingeschränkt war, als er dafür der Zustimmung der Gesellschafterversammlung
bedurfte.
In den Jahren 2006 bis 2008 tätigte die Antragstellerin Geschäfte mit marktgängigen
Aktien deutscher Aktiengesellschaften, die überwiegend im Dax 30 und vereinzelt
im M-Dax gelistet waren. Die Aktien wurden kurz vor bzw. am Tag der
jeweiligen Hauptversammlung „cum dividende“ gekauft und kurz nach der Dividendenzahlung
wieder verkauft. Dazu hatte die Antragstellerin der BANK 1, die
zugleich die Konten- und Wertpapierdepots der Antragstellerin führte, einen
schriftlichen Auftrag zur Ausführung von Wertpapier- und Derivatgeschäften erteilt,
in dem die Einzelgeschäfte genau bezeichnet waren (vgl. Anlage 1 bis 3 zum
Antragsschriftsatz der Antragstellerin vom …). Die BANK 1 führte die erteilten
Wertpapiergeschäfte auftragsgemäß durch. Das Risiko von Kursschwankungen
sicherte die Antragstellerin mit sog. Kurssicherungsgeschäften ab. Insgesamt betrugen
die Anschaffungskosten für die von der Antragstellerin erworbenen Aktien
im Jahr 2006 X EUR, im Jahr 2007 X EUR und im Jahr 2008 X EUR. Die ausgezahlten
Netto-Dividenden wurden auf dem Konto der Antragstellerin bei der
BANK 1 gutgeschrieben. Die BANK 1 bescheinigte der Antragstellerin per Jah-
3 –
ressteuerbescheinigungen für die Streitjahre den Einbehalt der Kapitalertragsteuer
auf die Dividendenerträge.
Das Finanzamt erließ daraufhin am … einen Bescheid über Körperschaftsteuer
und Solidaritätszuschlag für 2006, in dem es Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge
in Höhe von X EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von X EUR anrechnete.
Der Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2007 erging
am … und sah eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge
in Höhe von X EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von X EUR vor. In
dem am … erlassenen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag
für 2008 rechnete das Finanzamt Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge in
Höhe von X EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von X EUR an.
Die in den Körperschaftsteuerbescheiden festgesetzten Beträge wurden an die Antragstellerin
erstattet. Dies führte zu einer Erstattung von X EUR in 2006, X EUR
in 2007 und X EUR in 2008. Der Bescheid für 2008 wurde am … zur Vornahme
eines Verlustrücktrages aus 2009 in Höhe von X EUR geändert, was zu einer weiteren
Erstattung von insgesamt X EUR führte. Alle erlassenen Bescheide ergingen
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen einer bei der Antragstellerin durchgeführten Außenprüfung, die bisher
nicht abgeschlossen ist und in der es insbesondere um die Rechtmäßigkeit der Anrechnung
von Steueranrechnungsbeträgen auf Dividenden geht, wurde festgestellt,
dass die vorgenommenen Aktiengeschäfte alle außerhalb der Börse als sog. OTCGeschäfte
abgewickelt wurden. Der Aktienhandel (sog. cum/ex Modell) erfolgte
nach einer Handelsstrategie der Kanzlei K und der BANK 1 über den zwischengeschalteten
englischen BROKER B. In einem Gutachten der Kanzlei K durch Herrn
X für die BANK 1 und die Antragstellerin vom … bzw. vom … wird die Struktur
des Aktienhandels dargestellt sowie die sich daraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen
und deren Risiken – insbesondere im Hinblick auf die ab dem
01.01.2007 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen – untersucht. Darin kommt
zum Ausdruck, dass es sich bei dem Vorverkäufer sowie dem Käufer um ein im
Ausland ansässiges Unternehmen und dem den Verkaufsauftrag ausführenden
– 4 –
Kreditinstitut um ein ausländisches handeln müsse. Zum anderen wird in dem
Gutachten ausgeführt, dass bei Leerverkäufen an die Antragstellerin die Anwendung
der Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG auf Dividendenzahlungen
ab 01.01.2007 keine für sie veränderte steuerliche Situation mit sich bringe.
Die Analyse des Aktienhandels aufgrund der Konto- und Depotauszüge der
BANK 1 ergab, dass es in allen Streitjahren zu Lieferverzögerungen gekommen
ist, so dass die Aktien zum Teil „T+3“ (d.h. mit einer Verzögerung von drei Tagen),
aber auch „T+4“ ins Depot der Antragstellerin eingebucht wurden.
Nachdem der Betriebsprüfer den zuständigen Veranlagungsteilbezirk am … über
die bei der Antragstellerin vorgefundenen OTC-Geschäfte und die Lieferverzögerungen
bei einer Anzahl von Aktienlieferungen informiert hatte, erließ das Finanzamt
am … geänderte Anrechnungsverfügungen für die Jahre 2006 bis 2008.
Darin wurde die Anrechnung der Kapitalertragsteuer gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 3
AO zurückgenommen und folgende Anrechnungsbeträge sowie Zinsen zurückgefordert:
Kalenderjahr Kapitalertragsteuer Solidaritätszuschlag Zinsen
2006 X EUR X EUR X EUR
2007 X EUR X EUR X EUR
2008 X EUR X EUR X EUR
Gesamt X EUR X EUR X EUR
Gegen die geänderten Anrechnungsverfügungen wandte sich die Antragstellerin
mit dem Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Über den Einspruch
hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Am … hat die Antragstellerin
in der Sache Untätigkeitsklage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 4 K 172/12
beim hiesigen Gericht anhängig ist. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
wies das Finanzamt durch Bescheid vom … zurück. Zwischenzeitlich hatte die
BANK 1 mit Schreiben vom … die der Antragstellerin ausgestellten Jahressteuerbescheinigungen
zurückgefordert und das Finanzamt mit Schreiben vom … über
die Rückforderung informiert.
– 5 –
Das Finanzamt begründete die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung insbesondere
damit, dass die Anrechnungsverfügungen rechtswidrig seien, da die Voraussetzungen
für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2
Satz 2 EStG nicht vorlägen. Durch den Widerruf der Jahressteuerbescheinigungen
fehlten bereits die tatbestandsmäßig für die Anrechnung erforderlichen Steuerbescheinigungen.
Demzufolge treffe die Antragstellerin die Beweislast dafür, dass
tatsächlich Kapitalertragsteuer auf die Dividendenbezüge einbehalten worden sei.
Diesen Nachweis habe die Antragstellerin nicht erbracht. Die Einschaltung des
ausländischen Brokers BROKER B, London erhärte zudem im Zusammenhang
mit den getroffenen Feststellungen der Außenprüfung über die Abwicklung der
Aktiengeschäfte nach der Handelsstrategie der steuerlichen Berater die Vermutung,
dass die Kapitalertragsteuer nicht – wie zunächst bescheinigt – einbehalten
und abgeführt worden sei.
Unabhängig vom Fehlen der erforderlichen Bescheinigungen sei die Antragstellerin
aber auch deshalb nicht Anrechnungsberechtigte nach § 20 Abs. 2a Satz 1
EStG, da sie nicht wirtschaftlicher Eigentümer (§ 39 AO) der von ihr erworbenen
Aktien und damit nicht Anteilseigner gewesen sei.
Demgegenüber trägt die Antragstellerin vor, dass es für die Änderung der Anrechnungsverfügung
bereits an einem rechtswidrigen Verwaltungsakt fehle, weil
die Anrechnungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG vorlägen. Sie meint,
dass sie zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttung wirtschaftliche Eigentümerin
und damit als Anteilseignerin zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer berechtigt
gewesen sei. Dies gelte selbst im Fall von sog. Leerverkäufen. Dass die Kapitalertragsteuer
erhoben worden sei, ergebe sich bereits aus der Auszahlung der um die
Kapitalertragsteuer gekürzten Netto-Dividende bzw. der Netto-Dividenden-
Kompensationzahlung. Dabei sei evident, dass die hier betroffenen M-Dax- bzw.
Dax 30-Aktiengesellschaften die Kapitalertragsteuer auch abgeführt hätten. Durch
die Vorlage der Jahressteuerbescheinigung habe die Antragstellerin den Nachweis
für die Erhebung der Kapitalertragsteuer erbracht. Dass die Bescheinigung unrichtig
sei, habe das Finanzamt nicht nachgewiesen. Ebenso wie das Risiko der Nicht-
6 –
abführung von Kapitalertragsteuer den Fiskus treffe, gelte dies auch für das Risiko
der Nichtaufklärbarkeit der Frage, ob Kapitalertragsteuer erhoben worden sei,
da die, die Bescheinigung ausstellende Bank, ebenso Verwaltungshelfer und Beliehene
des Fiskus sei. Die Steuerbescheinigungen hätten ihre Tatbestandswirkung
für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer auch nicht ex-tunc durch das Rückforderungsverlangen
der BANK 1 verloren. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung
sei der Widerruf einer bereits erteilten Steuerbescheinigung mit Tatbestandswirkung
irrelevant. Dass die ausgestellte Steuerbescheinigung objektiv richtig
sei, ergebe sich bereits aus der Regelung des § 45a Abs. 3 EStG. Danach habe
ein inländisches Kreditinstitut die Steuerbescheinigung zu erteilen, wenn es für
Rechnung des Schuldners die Dividenden bzw. Dividenden-
Kompensationszahlungen auszahle. Es komme dabei nicht darauf an, welches
Kreditinstitut auf Veräußerseite eingeschaltet gewesen sei. Die BANK 1 sei auch
bei einem Leerverkauf gezwungen gewesen, die Bescheinigung unabhängig vom
Geschehen auf der Veräußerungsseite auszustellen. Selbst eine doppelte Anrechnung
von Kapitalertragsteuer stehe der Rechtmäßigkeit der Bescheinigung demzufolge
nicht entgegen. Da nach § 45a Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz EStG der Emittent
der Aktien in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG ebenfalls als Schuldner
der Kapitalerträge gelte, würde er damit nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG als
Schuldner der Abzugssteuer fingiert. Bei der Beurteilung, ob der Steuerabzug
durchgeführt worden ist, komme es daher nur darauf an, dass der Emittent der Aktien
diesen vorgenommen habe, was nicht ernsthaft zweifelhaft sei. Unabhängig
davon lägen hier die Änderungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO auch deshalb
nicht vor, weil kein Erwirken der Anrechnung durch die Antragstellerin vorliege.
Zwischenzeitlich sind am …: X €, am …: X € von Haftungsschuldnern und am …
X € von der Antragstellerin auf ihre Steuerschuld gezahlt und entsprechend der
Tilgungsbestimmungen verrechnet worden.
Die Antragstellerin hat daraufhin ihren ursprünglichen Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide, soweit die Steuerschulden ge-
7 –
tilgt wurden, in einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung umgestellt. Sie beantragt
nunmehr:
1. Die Vollziehung der Bescheide über die geänderte Anrechnung von
Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer für 2006, 2007 und 2008 sowie
der Bescheide über Zinsen für Körperschaftsteuer für 2006, 2007 und
2008, alle vom …, ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der
Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung in der Höhe auszusetzen,
in der Zahlungen an den Antragsgegner noch nicht erfolgt sind;
2. soweit Zahlungen an den Antragsgegner erfolgt sind, die Vollziehung der
Bescheide über die geänderte Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und
Körperschaftsteuer für 2006, 2007 und 2008 sowie der Bescheide über Zinsen
zur Körperschaftsteuer für 2006, 2007 und 2008, alle vom …, ohne Sicherheitsleistung
ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung
aufzuheben.
3. hilfsweise, die Beschwerde zum Bundesfinanzhofs zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er verweist darauf, dass die Änderung der ursprünglichen Anrechnungsverfügungen
wegen fehlender anrechenbarer Kapitalertragsteuer nach § 130 Abs. 2 AO
rechtmäßig sei. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sei vorliegend nicht auf
die Besteuerung der (Ur-) Dividende mit der Anrechnung der Steuerabzugsbeträge,
die vom Schuldner der Kapitalerträge, dem Emmitent der Aktien nach § 44
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG abgeführt wurde, abzustellen. Denn die Antragstellerin
habe hier Dividendenausgleichszahlungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr.
1 Satz 4 EStG vereinnahmt, die in Höhe der Netto-Dividenden von dem BROKER
B auf das Konto der Antragstellerin bei der BANK 1 überwiesen worden seien.
Auch gelte der Emittent der Aktien für die Anwendung des § 45a Abs. 3 Satz 1
EStG gemäß § 45a Abs. 3 Satz 3 EStG zwar als Schuldner der Kapitalerträge –
nicht aber als Schuldner der Kapitalertragsteuer. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4
– 8 –
EStG habe das für den Verkäufer der Aktien den Verkaufsauftrag ausführende
inländische Kreditinstitut den Steuerabzug vorzunehmen. Folglich sei bei den
Dividendenausgleichszahlungen nicht wie bei der (Ur-)Dividende der Emittent
der Aktien der Entrichtungspflichtige, sondern die Depotbank des
(Leer-)Verkäufers. Für das Jahr 2006 sei ohnehin kein Steuerabzug auf Dividendenausgleichszahlungen
erfolgt, da diese erst ab 01.01.2007 geschaffenen gesetzlichen
Voraussetzungen für die Erhebung der Steuerabzugsbeträge auf Dividendenausgleichszahlungen
noch nicht existent gewesen seien. Mit dem Fehlen der
Erhebung der Kapitalertragsteuer sei damit die zwingende Voraussetzung für deren
Anrechnung im Rahmen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten zur Steuernummer vorgelegen. Sie
waren Gegenstand des Verfahrens.
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nicht begründet.
Nach dem Gesetz (§ 69 Abs. 3 und 2 FGO) kann das Gericht die Vollziehung eines
Steuerbescheides auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise aussetzen
bzw. aufheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides
bestehen oder wenn die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige,
nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte. Da dem Steuerpflichtigen durch eine Aussetzung der Vollziehung nur ein
vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden soll, beschränkt sich das Verfahren auf
eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des zwischen den
Beteiligten unstreitigen Sachverhaltes und der vorliegenden Beweismittel. Diese
Prüfung ergibt folgendes:
Nach summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der angefochtenen Verwaltungsakte. Das Finanzamt hat die ursprüngli-
9 –
chen Anrechnungsverfügungen 2006 bis 2008 zutreffend nach § 130 Abs. 2 Nr. 3
AO geändert und die zunächst steuermindernd berücksichtigte Kapitalertragsteuer
zu Recht nicht auf die Körperschaftsteuerschuld angerechnet.
1. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt
zurückgenommen werden, wenn ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt
hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Diese
Regelung gilt auch für Anrechungsverfügungen, wenn und soweit diese -wie
vorliegend – als Verwaltungsakt anzusehen sind.
Im Streitfall liegen insoweit nach summarischer Prüfung die Voraussetzungen für
eine Änderung der Anrechnungsbescheide vor, da die Antragstellerin durch ihre
Angaben in den Steuererklärungen und die vorgelegten Bescheinigungen zu Unrecht
den Eindruck erweckt hatte, dass anrechenbare Kapitalertragsteuer vorliege,
um die die Körperschaftsteuerschuld zu mindern sei. Diese daraufhin erfolgte Anrechnung
der Kapitalertragsteuer durch Bescheide vom …, … und … war rechtswidrig.
a. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG wird auf die Einkommensteuer/
Körperschaftsteuer die durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer/
Körperschaftsteuer angerechnet, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten
Einkünfte entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt ist. Die
durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nicht angerechnet, wenn die
in § 45a Abs. 2 oder 3 EStG bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden
ist.
„Erhoben“ im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist die in Form der Kapitalertragsteuer
erhobene Einkommensteuer bereits dann, wenn sie vom Schuldner der
Kapitalerträge für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einbehalten wurde.
Auf die Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer an das Finanzamt
kommt es dabei nicht an.
– 10 –
Allerdings muss die anzurechnende Kapitalertragsteuer dabei auf solche Einkünfte
entfallen, die bei der Einkommensteuerveranlagung erfasst wurden. Für Kapitaleinkünfte
bestimmt § 20 Abs. 2a EStG, dass der Anteilseigner Einkünfte aus
Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG erzielt. Anteilseigner
ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses
zuzurechnen sind. Das kann nach § 39 Abs. 2 AO auch ein wirtschaftlicher
Eigentümer sein, der wie ggf. bei „cum-/ex-Geschäften“ nicht
zugleich Inhaber der Aktien ist. Durch die Einführung der Regelung des § 20 Abs.
1 Nr. 1 Satz 4 EStG kann es für die Frage der Anrechnungsberechtigung jedoch
bei Aktienverkäufen dahinstehen, ob bei Leerverkäufen das wirtschaftliche Eigentum
bereits mit Kaufvertragsabschluss übergeht. Denn der Steuerpflichtige, der
gerade nicht wirtschaftlicher Eigentümer geworden ist, hat die Dividendenkompensationszahlungen
als Kapitaleinkünfte zu versteuern, so dass jedenfalls Einkünfte
im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen, die entweder im Rahmen
des Satzes 1 oder des Satzes 4 zu erfassen sind.
Für die Anrechnungsberechtigung kommt es daher nicht darauf an, ob die Einnahmen
nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 oder Satz 4 EStG zu erfassen sind; entscheidend
ist vielmehr, ob hinsichtlich der bei der Veranlagung zu erfassenden
Einkünfte eine Erhebung der Kapitalertragsteuer vorliegt. Es kommt also darauf
an, ob auf die zu erfassenden Einkünfte der Steuerabzug vorgenommen wurde.
Die Beweislast für die Erhebung der Kapitalertragsteuer trifft nach allgemeinen
Grundsätzen denjenigen, der die Anrechnung begehrt (Kirchhoff, Kommentar
zum Einkommensteuergesetz, § 36 EStG, Rn. D171). Dies ist im Streitfall die Antragstellerin.
b. Vorliegend hat die Antragstellerin diesen Nachweis nicht erbracht. Zwar hat
die Antragstellerin bei der Abgabe der Steuererklärung eine Anrechnungsbescheinigung
der Bank nach § 45a Abs. 2 EStG vorgelegt, die regelmäßig den Anscheinsbeweis
für die Zahlung der anzurechnenden Kapitalertragsteuer liefert.
– 11 –
Diese Anrechnungsbescheinigung hat die ausstellende Bank jedoch widerrufen.
Damit entfällt auch die ihr innewohnende Beweisvermutung.
Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung darauf verweist,
dass es ausreiche, wenn die Anrechnungsbescheinigung vorgelegen habe, mit der
Folge, dass auch bei Widerruf der Anrechnungsbescheinigung die Voraussetzungen
für die Anrechnung noch bestünden, verkennt die Antragstellerin die doppelte
Funktion, insbesondere den Beweiswert dieser Bescheinigung. Zweck der Bescheinigung
ist zum einen die besondere Nachweisfunktion für die entrichtete
Kapitalertragsteuer. Sie liefert den Anscheinsbeweis für die Entrichtung der Kapitalertragsteuer
auf die erhaltenen Zahlungen. Zum anderen ist die Bescheinigung
materiell-rechtliche Voraussetzung und Tatbestandsmerkmal für die Anrechnung
(BFH-Urteil vom 12.02.2008 VII R 33/06, BFH/NV 2008, 845). Liegt die Bescheinigung
nicht vor, ist das zusätzliche Tatbestandsmerkmal zur Anrechnung
der Kapitalertragsteuer nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 29.04.2008, VIII R 28/07,
BStBl II 2009, 842). Selbst wenn man unter Hinweis auf die Rechtsprechung
(BFH-Beschluss vom 20.08.2007 I B 98/07, BFH/NV 2007, 2276) die Meinung
vertritt, dass durch die Rückforderung der Anrechnungsbescheinigung das Tatbestandsmerkmal
der Vorlage einer Anrechnungsbescheinigung nach § 45a Abs. 2
EStG nicht entfällt, wird jedenfalls die Anscheinsbeweisfunktion durch den Widerruf
der Bescheinigung beseitigt.
Soweit die ausstellende Bank die Bescheinigung zurückfordert, weil – wie im
Streitfall – wegen möglicher Einschaltung einer ausländischen Depotbank begründete
Zweifel an dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf die geleisteten Ertragszahlungen
bestehen, kann die Bescheinigung keinen Beweis mehr für die
Entrichtung der Kapitalertragsteuer bieten. Um die Anrechnung erhobener
Kapitalertragsteuer zu erreichen, bedarf es demzufolge zum Nachweis für die Erhebung
der Kapitalertragsteuer anderer geeigneter Beweismittel. Diesen Nachweis
hat die Antragstellerin trotz ausdrücklichen Hinweises des Finanzamtes nicht erbracht.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass hier der Emittent der Aktien (DAX
30-Unternehmen) den Steuerabzug auf die Dividende vorgenommen hat, hätte die
– 12 –
Antragstellerin für diesen Fall glaubhaft machen müssen, dass es sich hier nicht
um Aktienleerverkäufe gehandelt hat und dass sie zum Zeitpunkt der Ausschüttung
wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien war. Dies hat sie weder hinreichend
dargelegt noch glaubhaft gemacht.
c. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BFH-Urteil
vom 23.04.1996, VIII R 30/93, BFHE 181, 7) ausführt, dass es nicht darauf ankomme,
ob die Kapitalertragsteuer tatsächlich abgeführt worden sei, betrifft dies
nur solche Fälle, in denen die Abzugssteuer von den Erträgen auch tatsächlich
einbehaltenen wurde. Dies folgt aus der Erwägung, dass sich der Fiskus beim
Einzug der Kapitalertragsteuer des Schuldners der Kapitalerträge als „Verwaltungsgehilfen“
bedient, der Gläubiger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) den
Steuereinbehalt dulden muss und auf die Abführung der eingehaltenen Kapitalertragsteuer
durch den Schuldner der Kapitalertragsteuer regelmäßig keinen Einfluss
nehmen kann. Vor diesem Hintergrund ist es geboten, das Risiko der Nichtabführung
der Kapitalertragsteuer durch den Schuldner der Kapitalerträge und den
Ausfall der Kapitalertragsteuer dem Fiskus zuzuweisen, der sich des Schuldners
der Kapitalerträge als „Verwaltungshelfer“ bedient (BFH-Urteil vom 23.04.1990
a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor, da nicht hinreichend
glaubhaft gemacht worden ist, dass Kapitalertragsteuer auf die Dividendenerträge
bzw. die Ausgleichszahlungen tatsächlich einbehalten wurde. Der Umstand, dass
nur die Gutschrift der Nettodividende bei der depotführenden Bank des Gläubigers
der Kapitalerträge erfolgt, besagt nicht, dass die Depotbank des Schuldners
der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer auf die Kapitalerträge auch einbehalten
hat. Eine Verpflichtung zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer auf dividendengleiche
Bezüge besteht insoweit nur bei inländischen Instituten (§ 44 Abs. 1 Satz
3 EStG). Zumindest in den Fällen, in denen nicht ersichtlich ist, ob es sich bei der
depotführenden Bank um ein inländisches Institut handelt, kann nicht unterstellt
werden, dass die Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Es ist daher fernliegend,
die depotführende Bank, insbesondere, wenn es sich um ein ausländisches Institut
– 13 –
handelt, als Verwaltungshelfer des Fiskus anzusehen. Solange die Bank keine Kapitalertragsteuer
einbehalten hat, besteht keinerlei Beziehung zu der depotführenden
Bank.
Zwar mag es zutreffen, dass bei Ausstellung einer Steuerbescheinigung das Risiko
für deren Falschausstellung in der Sphäre der Finanzverwaltung liegt. Dem Fiskus
jedoch darüber hinaus auch die Nachweispflicht aufzuerlegen, wenn keine Steuerbescheinigung
vorgelegt oder eine solche widerrufen wurde, führt jedoch zu weit.
Da die depotführende Bank, die die Aktien für den Kapitalanleger verwaltet und
die bei Auszahlung der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer einzubehalten hat,
in diesen Fällen ihre Verwaltungshelferrolle gerade nicht nachgekommen ist bzw.
sich von ihrem Handeln distanziert hat, ist die Nachweispflicht insoweit dem
Sphärenbereich des Kapitalanlegers, hier der Antragstellerin, zuzuordnen.
d. Soweit die Antragstellerin ferner ausführt, dass es wegen der gesetzlichen Fiktion
des § 45a Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz EStG, nach der der Emittent der Aktien
als Schuldner der Kapitalerträge gilt, für die Durchführung des Steuerabzugs nur
darauf ankommt, dass dieser den Steuerabzug ausgeführt habe, wovon im Streitfall
zweifelsfrei auszugehen sei, ist dies rechtsirrig. Denn nach der Norm gilt der
Emittent nur als Schuldner der Kapitalerträge. Er wird darüber hinaus nicht als
Schuldner der Abzugssteuer nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG fingiert. Dass die Abführung
der Kapitalertragsteuer durch den Emittenten der Aktien für die Erhebung
der Steuer auf Dividendenkompensationszahlungen nicht ausreicht, ergibt sich
bereits aus dem Sinn und Zweck der Neuregelung des Jahressteuergesetzes 2007.
Danach soll die Depotbank eines Leerverkäufers nunmehr gerade verpflichtet
sein, Kapitalertragsteuer auf die Ausgleichzahlung einzubehalten und an ihr Betriebsstättenfinanzamt
abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 3, 5 EStG). Erklärtes gesetzgeberisches
Ziel war es dabei, durch Einführung eines neuen Kapitalertragssteuererhebungstatbestandes
in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG „dem Fiskus die Kapitalertragsteuer
betragsmäßig zur Verfügung zu stellen, die dem Anrechnungsanspruch
des Aktienerwerbers entspricht“. Die Auslegung der Antragstellerin
– 14 –
widerspricht diesem Gesetzeszweck. Dass der Gesetzgeber mit seiner Regelung
auf halben Weg stehen geblieben sein soll, ändert dabei nichts an dem im Gesetzestext
niedergelegten Zweck der gesetzlichen Regelung.
e. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf den Gesetzestext in § 45a Abs. 3
Satz 1 EStG ausführt, die BANK 1 habe die Bescheinigung zu erteilen, unabhängig
davon, ob die Kapitalertragsteuer tatsächlich gezahlt worden sei, ist dies unzutreffend.
Die Antragstellerin verkennt dabei, dass die Bescheinigung nicht nur
Tatbestandsmerkmal des § 45a Abs. 2 EStG ist, sondern insbesondere
auch Beweismittelfunktion hat. Zweck der Bescheinigung ist gerade der Nachweis
einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer auf die zugeflossenen Erträge
(BFH-Urteil vom 29.04.2008 VIII R 28/07, BStBl II 2009, 842). Sofern diese zu
beweisende Tatsache nicht vorliegt, darf demgemäß auch keine Bescheinigung
ausgestellt werden. Alles andere würde die „Verwaltungshelferrolle“ der Bank ad
absurdum führen. Wenn das Gesetz von einer Verpflichtung zur Ausstellung der
Bescheinigung spricht, bezieht sich dies auf den Regelfall und setzt angesichts
des Regelungszwecks denklogisch voraus, dass auch Kapitalertragsteuer erhoben
wurde. Die Bescheinigung würde entwertet, wenn trotz begründeter Zweifel an
der Erhebung von Kapitalertragsteuer das die Bescheinigung ausstellende inländische
Kreditinstitut gleichwohl dessen Zahlung bescheinigen müsste. Der Fiskus
hat demzufolge in seinen Verwaltungsanweisungen (BMF-Schreiben vom
05.11.2002, BStBl I 2002, 1338) die Kriterien festgelegt, nach denen abweichend
vom Regelfall begründete Zweifel an der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer
bestehen, die der Ausstellung einer Steuerbescheinigung entgegenstehen.
Insbesondere die Haftungsregelung des § 45a Abs. 7 EStG bei falschen Bescheinigungen
impliziert, dass die inhaltliche Richtigkeit der zu bescheinigenden Tatsachen
(und zwar in erster Linie die Erhebung der Kapitalertragsteuer) maßgebend
ist. Von dem ausstellenden Kreditinstitut kann daher nicht die Bestätigung
von Inhalten verlangt werden, von denen es nicht nur keine positive Kenntnis hat,
sondern bei denen darüber hinaus noch begründete, in den BMF-Schreiben konkretisierte
Zweifel an der Richtigkeit des Inhaltes der Bescheinigung bestehen.
Des Weiteren ergibt sich durch den in § 45a Abs. 2 Satz 1 KStG niedergelegten
– 15 –
Vorbehalt bezüglich der Regelungen in Abs. 3 und 4 der Norm, dass diese Verpflichtung
nur besteht, wenn die Kapitalerträge durch ein inländisches Institut
gezahlt werden. Bestehen – wie im Streitfall – begründete Anhaltspunkte dafür,
dass es sich bei der depotführenden Bank um ein ausländisches Institut handelt,
besteht nach der gesetzlichen Regelung keine Verpflichtung zur Erteilung der
Steuerbescheinigung.
f. Die Ansicht der Antragstellerin, die Kapitalertragsteuer sei wegen der gesetzlichen
Regelung auch ggf. doppelt anzurechnen, obwohl sie nur einmal abgeführt
worden sei, ist abwegig. Sie widerspricht bereits dem Grundverständnis der Kapitalertragsteuer
als Abzugssteuer. Die Kapitalertragsteuer ist keine Steuer eigener
Art, sondern eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer in Form einer
Einkommensteuervorauszahlung für Rechnung des Gläubigers bestimmter Kapitalerträge
(BFH-Urteil vom 18.02.1970 I R 97/66, BStBl II 1970, 464). Die
Rechtsprechung hat in ihren Entscheidungen die in § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG
getroffene Regelung stets „wirtschaftlich“ verstanden und die Einbehaltung der
Kapitalertragsteuer als Grundvoraussetzung für deren Anrechnung angesehen
(vgl. nur BFH-Urteil vom 23.04.1996 VIII R 30/93, BFHE 181,7; Urteil vom
20.10.2010 I R 54/09, BFH/NV 2011, 641). Diesen Grundsätzen widerspricht die
formaljuristische Auslegung der Antragstellerin, die mit dem steuerrechtlichen
Grundprinzipien der Anrechnung von Abzugssteuern nicht in Einklang zu bringen
ist. Im Sachzusammenhang mit der Systematik der Anrechnung der Kapitalertragsteuer
als Abzugsteuer ist eine Gesetzesauslegung dahingehend, dass eine
Anrechnung erfolgen kann, ohne dass Abzugssteuern einbehalten wurden, nicht
vertretbar. Es ist evident, dass als Vorauszahlung nur Steuern angerechnet werden
können, die auch tatsächlich erhoben worden sind.
2. Mangels hinreichender Glaubhaftmachung der Erhebung von Kapitalertragsteuer
auf die erhaltenen Kapitalerträge durch die Antragstellerin liegen daher die
Voraussetzungen der Anrechnung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG im Ergebnis nicht
vor. Der ursprüngliche Anrechnungsbescheid ist somit rechtswidrig und kann
– 16 –
nach § 130 Abs. 2 AO geändert werden. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen sind
im Streitfall bei summarischer Prüfung gegeben.
a. Der Umstand, dass die Steuerbescheinigung durch die BANK 1 erst nach
Durchführung der Änderung des Anrechnungsbescheides widerrufen wurde,
schließt die Änderung des ursprünglichen Bescheides nicht aus. Soweit es für die
Aufhebung oder Änderung eines Bescheides entscheidend auf die Sachlage zur
Zeit des Erlasses des Verwaltungsaktes ankommt, lagen bereits zu diesem Zeitpunkt
die Tatbestandsvoraussetzungen der Änderungsnorm vor. Da die Antragstellerin
den Nachweis der Erhebung der Kapitalertragsteuer nicht erbracht hat, ist
bereits zu diesem Zeitpunkt die Anrechnung rechtswidrig. Der zunächst bestehende
Anscheinsbeweis aufgrund der Bescheinigung der BANK 1 hat sich durch den
Widerruf dieser Bescheinigung als nicht haltbar erwiesen und führt, da keine Änderung
der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes
ex tunc.
b. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt im Streitfall auch ein „Erwirken“
der Anrechnung durch die Antragstellerin vor. Ein solches Erwirken ist, wie
das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 08.12.2009 15 K 6030/09 B
(die Aufhebung des Urteils durch den BFH erfolgte aus anderen Gründen, vgl.
BFH-Urteil vom 09.12.2010 VII R 3/10, BFH/NV 2011, 750) zutreffend ausgeführt
hat (ebenso BFH-Urteil vom 22.08.2006 I R 42/05, BFH/NV 2007, 404) bereits
dann gegeben, wenn die Antragstellerin – wie vorliegend – durch Vorlage
einer unrichtigen Bescheinigung die Anrechnung der Kapitalertragsteuer verursacht
hat. Ohne die Angaben in den Körperschaftsteuererklärungen und insbesondere
ohne die Vorlage der Steuerbescheinigung hätte das Finanzamt die Kapitalertragsteuer
nicht angerechnet.
c. Die Frist des § 130 Abs. 3 AO steht einer Änderung der Anrechnungsverfügung
ebenfalls nicht entgegen. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Rücknahme eines
rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres nach
Kenntnis des Finanzamts von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen
– 17 –
möglich. Soweit es mehrere Tatsachen sind, die jede für sich nicht geeignet ist,
Zweifel an der Richtigkeit der Anrechnungsverfügung zu begründen, die aber zusammengenommen
die Rechtmäßigkeit der Änderung der Anrechnungsverfügung
ergeben, liegt der die Frist auslösende Umstand erst vor, wenn die Tatsachen kumulativ
vorliegen, die zur Rechtswidrigkeit der Anrechnungsverfügung führen.
Da das Finanzamt vorliegend erst sukzessive im Rahmen der Außenprüfung
Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, die auf einer Rechtswidrigkeit der Anrechnung
schließen ließen und die zur Zurückforderung der Bankbescheinigung führten,
war die Jahresfrist zum Zeitpunkt des Erlasses der geänderten Anrechnungsbescheide
vom … noch nicht abgelaufen. So hat das Finanzamt unter anderem erst
durch die Antwort auf die Prüfungsanfragen Nr. … vom … erfahren, dass es sich
bei den vorliegenden Geschäften um OTC-Geschäfte handelte und dass es – was
noch später bekannt wurde – bei einer Vielzahl der Transaktionen zu Lieferverzögerungen
gekommen ist.
d. Darüber hinaus ist die Frist des § 130 Abs. 3 Satz 1 AO vorliegend auch unbeachtlich,
da nach summarischer Prüfung vorliegend eine Rücknahme der Anrechnungsverfügung
auch nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO möglich war. Nach § 130
Abs. 2 Nr. 2 AO darf ein Verwaltungsakt, der einen rechtserheblichen Vorteil begründet,
nach § 130 Abs. 3 Satz 2 AO außerhalb der Jahresfrist des Satzes 1 zurückgenommen
werden, wenn er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung,
erwirkt worden ist. Arglistige Täuschung ist eine bewusste vorsätzliche
Irreführung, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. Sie kann auch in dem pflichtwidrigen
Verschweigen entscheidungserheblicher Tatsachen bestehen (von Wedelsstädt
in Beermann/Gosch, AO/FGO-Kommentar, § 130 AO, Rn. 10, BFHUrteil
vom 23.07.1998, VII R 141/97, BFH/NV 1999, 433).
Davon ausgehend liegt arglistiges Handeln, das eine Änderung nach § 130 Abs. 3
Nr. 2 AO rechtfertigt, dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger die Anrechnung von
Kapitalertragsteuern in seiner Steuererklärung, ggf. durch Vorlage von Kapitalertragsteuerbescheinigungen,
in Kenntnis der Nichteinbehaltung der geltend gemachten
Abzugssteuern, geltend macht.
– 18 –
aa. Vorliegend hatte die Antragstellerin nach summarischer Prüfung Kenntnis von
der Nichteinbehaltung der geltend gemachten Kapitalertragsteuer, so dass eine
Änderung der Anrechnungsverfügungen auch nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gerechtfertigt
ist.
Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, dass die Handelsstrategie nach
dem „Modell X“ ersichtlich darauf beruht, durch die Einschaltung einer ausländischen
Depotbank eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Aktienleerverkäufe
zu erhalten, ohne dass auf die Aktienkompensationszahlungen Kapitalertragsteuer
durch die ausländische Bank entrichtet wurde. Die Notwendigkeit der
Einschaltung einer ausländischen Depotbank ergibt sich dabei aus dem Gutachten
von Herrn X vom …, wo es heißt, dass es sich bei dem Vorverkäufer und dem
Verkäufer um ein im Ausland ansässiges Unternehmen handelt (Anlage AG 8,
Seite 5, 1. Aufzählungspunkt, Satz 5 „Anlagenband Finanzamt“). Weiterhin wird
auf dem Schaubild in der Anlage 1 zu dem genannten Gutachten (Anlage AG 8,
Seite 45 a.a.O.) auf den ausländischen Verkäufer und Vorverkäufer verwiesen.
Insbesondere aber das Schreiben von Herrn X vom … an die BANK 1, in dem er
ausführt, dass die Strategie auch nach 2007 noch funktioniere, wenn das den Verkaufsauftrag
ausführende Kreditinstitut für den im Ausland ansässigen Verkäufer
ein ausländisches, nicht jedoch – wie § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG dies verlangt – ein
inländisches Kreditinstitut ist (Anlage AG 6, Seite 2, letzter Absatz a.a.O.), weist
darauf hin, dass die Einschaltung einer ausländischen Depotbank Voraussetzung
bei den Aktienverkäufen entsprechend dem vorgegebenen Muster war.
Nur vor diesem Hintergrund, der Anrechnung nicht gezahlter Kapitalertragsteuer
machte das genannte Modell wirtschaftlich einen Sinn. Die Einschaltung eines
ausländischen Brokers sowie die nicht termingerechte Erfüllung bei einzelnen
Transaktionen und die Einschaltung von Herrn X als Berater der Antragstellerin
bei Anbahnung und Abwicklung der Geschäfte lassen bei summarischer Prüfung
darauf schließen, dass es sich vorliegend um Aktienverkäufe nach dem im Gutachten
vorgegebenen Muster handelte. Zwar weist die Antragstellerin zutreffend
– 19 –
darauf hin, dass ausländische Broker sich auch einer inländischen Depotbank bedienen
könnten. Diese theoretische Möglichkeit ist jedoch praktisch auszuschließen,
da sie bei der o.g. Handelsstrategie wirtschaftlich keinen Sinn macht.
bb. Soweit die Antragstellerin ausführt, dass sie mit der Handelsstrategie lediglich
Arbitragegewinne haben erzielen wollen, ist dies nicht glaubhaft. Der Antragsgegner
weist zutreffend darauf hin, dass die gewählte Gestaltung unter Einschaltung
der BANK 1 für die behauptete Arbitragestrategie viel zu kostenintensiv und
der Handel Antragstellerin/Broker der kürzere, günstigere und risikolosere Weg
gewesen wäre. Im Einzelnen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des
Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom … verwiesen. Auch widerspricht die
gewählte Gewinnverteilung dem Vorliegen von Arbitragegeschäften. Es wäre unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei Arbitragegeschäften nicht nachvollziehbar,
warum die Antragstellerin 65 % des durch sie zu erzielenden Kapitalertragsteueranrechnungsvolumens
an die BANK 1 London hätte zahlen sollen.
Vielmehr sprechen sowohl die Gewinnverteilungsvereinbarung als
auch die gewählte Gestaltung bei summarischer Prüfung für das Vorliegen von
Aktienleerverkaufsgestaltungen.
Aufgrund der genannten Umstände ergibt sich nach summarischer Prüfung zur
Überzeugung des Gerichts, dass den vorliegend geltend gemachten Kapitalertragsteueranrechnungen
Aktienleerverkäufe unter Einschaltung einer ausländischen
Depotbank zugrunde liegen, bei denen keine Kapitalertragsteuer auf die
Aktienkompensationszahlungen einbehalten wurde.
Dass der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der Antragstellerin, Herr G
1, die näheren Einzelheiten der Handelsstrategie kannte, ergibt sich bei summarischer
Prüfung zum einen bereits aus der Höhe des eingesetzten Kapitals von rund
15 Milliarden Euro. Es erscheint lebensfremd, dass ein kapitalmarkterfahrener
Investor wie Herr G 1 solche Beträge einsetzt, ohne das Risiko zu kennen und dazu
die Einzelheiten der Handelsstrategie geprüft zu haben. Zum anderen lässt der
Umstand, dass Herr G 1 der eigentliche Initiator der Geschäfte war, der sich aktiv
– 20 –
auf die Suche nach Herrn X und der BANK 1 begeben hat (vgl. Schreiben der
BANK 2 vom …, Anlage …, vom … Anlage …, und vom …, Anlage … a.a.O.)
sowie der Umstand, dass Herr G 1 bei der BANK 1 angefragt hat, ob sie in der
Lage sei, die Struktur nach dem Gutachten X umzusetzen (vgl. Email von Herrn
vom …, Anlage … a.a.O.) darauf schließen, dass Herrn G 1 zumindest die wesentlichen
Punkte der Handelsstrategie bekannt waren, er die Sache überblickt
und damit wissentlich gehandelt hat.
Mit dem Geltendmachen von nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer als Abzugssteuer
im Rahmen der Körperschaftsteuererklärung in Kenntnis des Umstandes,
dass dem bescheinigten Kapitalertragsteuerbetrag keine einbehaltene Steuer
zugrunde lag, täuschte er den Antragsgegner nach Aktenlage über das Vorliegen
der Voraussetzungen einer Steueranrechnung. Er handelte damit arglistig, um sich
nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu verschaffen. Dass er dabei auf die Anrechnung
von nicht einbehaltener Abzugssteuer vertraut hat, widerspricht elementaren
Grundsätzen der Plausibilität im System der Steueranrechnung und kann nur als
Schutzbehauptung angesehen werden.
3. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Vollziehung der geänderten
Anrechnungsverfügungen auch nicht bereits deshalb auszusetzen, weil die Vollziehung
der Bescheide eine unbillige nicht durch überwiegend öffentliche Interessen
gebotene Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO darstellt. Eine unbillige
und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor,
wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides
wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der
eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer wieder gut zu
machen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen
Existenz des Steuerpflichtigen führen würde (BFH-Beschluss vom
05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Anhaltspunkte hierfür sind im
Streitfall nicht ersichtlich. Zwar handelt es sich hier um eine überdurchschnittlich
hohe Forderung, die jedoch lediglich die Rückzahlung bereits ausgezahlter Gelder
betrifft. Bei dem Geschäftsvolumen der Antragstellerin dürfte sie in der Lage
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sein, sich zum Ausgleich der Forderung notfalls die erforderlichen Gelder von
ihrem Alleingesellschafter, dessen Vermögen sie einsetzt und verwaltet, zu beschaffen.
Auch hat der Ausgleich eines Großteils der Forderungen gezeigt, dass
die Antragstellerin über Finanzierungsmöglichkeiten verfügt, die über das Übliche
hinausgehen. Abgesehen davon führt vorliegend wegen der geringen Aussichten
der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren das Vorliegen einer unbilligen
Härte nicht zur Aussetzung der Vollziehung.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5. Gründe, die die Zulassung der Beschwerde rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.

Passive Rechnungsabgrenzungsposten für Beraterhonorare in einem Leasingmodell

Passive Rechnungsabgrenzungsposten für Beraterhonorare in einem Leasingmodell

Einführung Einnahmen vor dem Abschlussstichtag sind als passiver Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Sachverhalt Im hier zu entscheidenden Fall hat ein Berater auf Basis eines Kooperationsvertrages Leasingverträge der A GmbH an Dritte vermittelt und hierfür bei Vertragsabschluss ein Honorar erhalten. Für das gezahlte Honorar bildete der Berater passive Rechnungsabgrenzungsposten über die Grundmietzeit des Leasingvertrages. Mit dem Honorar waren auch nachträgliche Beratungskosten nach Vertragsabschluss abgegolten. Die Betriebsprüfung bestritt die Zulässigkeit der Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens mit der Begründung, dass die Einnahmen nicht für einen bestimmten Zeitraum nach dem Stichtag gezahlt seien. Ebenso sei der Umfang der nachträglichen Beratung nicht nachvollziehbar. Hiergegen klagte der Berater und bekam vom Finanzgericht Recht. Entscheidung Das FG führt aus, dass die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten Ausdruck des Objektivierungs- und des Vorsichtsprinzips sind. Eine enge Auslegung des Begriffes „bestimmte Zeit“ bei aktiven Rechnungsabgrenzungsposten entspricht dem Vorsichtsprinzip. Bei passiven Rechnungsabgrenzungsposten könne eine zu enge Auslegung jedoch zu einer zu frühen Gewinnrealisierung führen. Deshalb ist das Merkmal der „bestimmten Zeit“ bei der Bildung passiver Rechnungsabgrenzungsposten relativ weit auszulegen ist. Dies kann sogar dazu führen, dass Einnahmen für eine immerwährende Zeit passiv abzugrenzen sind. Auf den Umfang der zu erbringenden Leistung komme es nicht an. Soweit der Umfang der auf die einzelnen Jahre entfallenden Leistung nicht feststellbar ist, ist der passive Rechnungsabgrenzungsposten linear aufzulösen. Konsequenz Mit diesem Urteil hat das Finanzgericht eine handelsrechtliche Argumentation für die Bildung und Auflösung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten aufgebaut, die maßgeblich für die Steuerbilanz ist. Die klare Orientierung am handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip verhindert hier die im Zweifel zu frühe Gewinnrealisierung und die damit verbundene Steuerbelastung.

Vorzeitige Wiederbestellung des AG-Vorstands ist zulässig

Vorzeitige Wiederbestellung des AG-Vorstands ist zulässig

Kernaussage

Nach den aktienrechtlichen Vorschriften dürfen Vorstandsmitglieder auf höchstens 5 Jahre bestellt werden. Über eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit darf der Aufsichtsrat frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit entscheiden. Uneinigkeit bestand bisher darüber, ob die erneute Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter gleichzeitiger Aufhebung seiner bisherigen Bestellung außerhalb der Jahresfrist zulässig ist. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun Stellung genommen.

Sachverhalt

Der Kläger ist Mitglied des Aufsichtsrats einer AG, an der 2 Familienstämme beteiligt sind. Am Tag vor der Hauptversammlung im Juli 2007 beschloss der Aufsichtsrat, 2 Vorstandsmitglieder, die einem Familienstamm zuzurechnen waren, unter „einvernehmlicher Aufhebung“ ihrer noch bis zum Januar 2010 laufenden Bestellung für jeweils 5 Jahre bis Juli 2012 erneut zu Vorstandsmitgliedern zu bestellen. Der Kläger meint, die Aufsichtsratsbeschlüsse über die Wiederbestellung der beiden Vorstandsmitglieder seien nichtig. Denn die Beschlüsse über die vorzeitige Wiederbestellung für 5 Jahre seien allein vor dem Hintergrund von Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen gefasst worden, um für den am nächsten Tag von der Hauptversammlung zu wählenden neuen Aufsichtsrat „vollendete Tatsachen“ zu schaffen. Der Kläger unterlag schließlich vor dem BGH.

Entscheidung

Eine Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern für (höchstens) 5 Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung ist auch ohne besondere Gründe zulässig. Nach Ansicht der Richter lässt das Gesetz diese Möglichkeit zu. Entscheidend ist danach, dass der Aufsichtsrat sich nicht länger als zulässig bindet und mindestens alle 5 Jahre über die Verlängerung der Amtszeit der Vorstandsmitglieder entscheidet. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt.

Konsequenz

Dass der neue Aufsichtsrat durch die Entscheidung des alten gebunden wird, macht sie nicht unzulässig. Denn der Aufsichtsrat in seiner jeweiligen personellen Zusammensetzung hat kein Recht, den Vorstand ohne Rücksicht auf die Laufzeit der Bestellungen mit Mitgliedern seines Vertrauens zu besetzen. Nur wenn Gründe vorliegen, aus denen die Wiederbestellung im konkreten Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein könnte, ist diese unzulässig.