Archiv der Kategorie: Privatbereich

Bestandskräftiger Steuerbescheid: Wann liegen neue Tatsachen vor?

Bestandskräftiger Steuerbescheid: Wann liegen neue Tatsachen vor?

 

Kommt das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nicht nach und verzichtet es auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung, darf es den entsprechenden Steuerbescheid nicht ändern. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige alle vom Finanzamt gestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet hat.

 

Hintergrund

3 Steuerpflichtige erbten zu gleichen Teilen verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Das Finanzamt, das für die Bewertung zur Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständig war, verzichtete ausdrücklich auf die Einreichung von Steuererklärungen. Stattdessen forderte es die Erben auf, zu den Grundstücken bestimmte Angaben zu machen. Für ein Betriebsgrundstück bat es um die Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18.1.2003. Dieser Aufforderung kamen die Erben umfassend nach. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Bewertung des Grundstücks den von den Erben mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte den Grundbesitzwert auf 531.500 EUR fest. Nachdem dem Finanzamt bekannt geworden war, dass das Betriebsgrundstück vermietet war, änderte es die Bewertungsmethode und stellte einen Wert von 1.627.500 EUR fest.

Die dagegen gerichtete Klage der Erben wies das Finanzgericht ab, da die Vermietung dem Finanzamt nicht bekannt gewesen war. Deshalb konnte der bestandskräftige Feststellungsbescheid wegen neuer Tatsachen noch geändert werden.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied jedoch, dass der Steuerbescheid nicht geändert werden durfte. Dementsprechend hob er das Finanzgerichtsurteil und die Feststellungsbescheide auf.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen wegen neuer Tatsachen nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Darauf kann sich der Steuerpflichtige berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung. Die Folge: Der Steuerbescheid kann noch geändert werden.

Geht das Finanzamt ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne Weiteres aufdrängen mussten, nicht nach, verletzt es seine Ermittlungspflicht. Das Gleiche gilt, wenn das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung verzichtet und ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auffordert. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, darf dieses nach Treu und Glauben eine bestandskräftige Steuerfestsetzung nicht ändern, auch wenn es später von steuererhöhenden Tatsachen erfährt.

Dementsprechend durfte das Finanzamt im vorliegenden Fall den bestandskräftigen Feststellungsbescheid nicht mehr ändern. Es hatte für das Betriebsgrundstück lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Damit ist das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Da die Erben zutreffende Angaben gemacht haben, haben sie ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Darüber hinaus hat das Finanzamt auf die Abgabe einer Erklärung ausdrücklich verzichtet.

Entschädigung für entgangene Einnahmen oder steuerfreier Schadensersatz? Das ist die Frage

Entschädigung für entgangene Einnahmen oder steuerfreier Schadensersatz? Das ist die Frage

 

Bei der Beurteilung, ob eine steuerpflichtige Entschädigung für entgangene Einnahmen vorliegt oder eine steuerfreie Schadensersatzleistung, entscheidet sich oftmals anhand von Indizien. Erhält der Geschädigte nicht nur eine übliche Entschädigung für entgangene Einnahmen, sondern eine ebenso hohe weitere Zahlung, spricht dies für eine steuerfreie Schadensersatzleistung.

 

Hintergrund

X wurde bei einem Überfall schwer verletzt. Mit seinem Arbeitgeber A schloss er anschließend einen Aufhebungsvertrag und Vergleich, mit dem sich A verpflichtete, neben einer aus einer Pensionszusage zu leistenden Altersrente an X zwei Mal 400.000 EUR zu zahlen. Damit sollte zum einen eine Abfindung für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses und für mögliche Verdienstausfälle gezahlt, zum anderen Schadensersatz geleistet werden, da der Überfall womöglich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des X als Geschäftsführer stand.

X vertrat die Auffassung, dass der vereinbarte Schadensersatz in Höhe von 400.000 EUR steuerfrei ist. Das Finanzamt beurteilte dagegen die als Schadensersatz bezeichnete Zahlung als Abfindung und unterwarf sie dem ermäßigten Steuersatz nach der Fünftelregelung.

Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass mehrere bzw. unterschiedliche Entschädigungsleistungen, die im Zusammenhang mit der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen vereinbart werden, zwar grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sind. Trotzdem muss im Einzelfall geprüft werden, ob jede einzelne Entschädigung tatsächlich als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wurde. Die Steuerbarkeit muss also für jede einzelne Entschädigungszahlung getrennt geprüft werden.

Insbesondere muss berücksichtigt werden, in welchem Rahmen üblicherweise Abfindungen vereinbart werden. Dazu muss der letzte Verdienst, die Kündigungsfrist und das Aufhebungsdatum festgestellt und beurteilt werden und in welchem Umfang eine Entschädigung für entgangene Einnahmen zu erwarten und auch gerichtlich durchsetzbar ist.

Wird neben einer üblichen Entschädigung eine weitere Zahlung vereinbart, die den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreitet, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Im Streitfall verdoppelte sich durch die zweite Zahlung die Gesamtzahlung, sodass eine Überschreitung in besonderem Maße angenommen werden kann, wenn man davon ausgeht, dass die erste Zahlung noch als üblich anzusehen ist.

Dies spricht dafür, dass die zweite Zahlung ein steuerfreier Schadensersatz darstellt. Der Bundesfinanzhof hob deshalb das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies den Fall zurück.

Auch bei kirchlichem Arbeitgeber ist Religionszugehörigkeit keine zwingende Einstellungsvoraussetzung

Auch bei kirchlichem Arbeitgeber ist Religionszugehörigkeit keine zwingende Einstellungsvoraussetzung

 

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion darf auch ein kirchlicher Arbeitgeber nicht pauschal als Einstellungsvoraussetzung für Bewerber verlangen, da ansonsten ein Verstoß gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vorliegt.

 

Hintergrund

Eine konfessionslose Sozialpädagogin (FH) bewarb sich auf eine befristete Referentenstelle beim diakonischen Werk EKD. Die Tätigkeit umfasste eine projektweise Berichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention. In der Stellenausschreibung forderte der Arbeitgeber die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder der ACK angehörenden Kirche, auch war die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag Voraussetzung für eine Bewerbung.

Die Sozialpädagogin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und fühlte sich deshalb aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert. Mit ihrer Klage fordert sie eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt, da seiner Ansicht nach die ausgeschriebene Referentenstelle wenig mit Religion zu tun hatte.

Das Landesarbeitsgericht erkannte dagegen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer fehlenden Religion und verwies auf das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Das diakonische Werk EKD als kirchlicher Arbeitgeber durfte seiner Meinung nach für die ausgeschriebene Referententätigkeit eine – auch nach außen durch die Kirchenmitgliedschaft dokumentierte – Identifikation mit ihm fordern und konfessionslose Bewerber unberücksichtigt lassen.

Das Bundesarbeitsgericht wandte sich an den Europäischen Gerichtshof mit der Frage, ob es mit der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vereinbar ist, dass kirchliche Arbeitgeber eine bestimmte Religion der Bewerber zur Einstellungsvoraussetzung für eine Stelle machen.

 

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass eine konfessionsgebundene Stellenausschreibung nur dann erfolgen darf, wenn die Konfession für die berufliche Tätigkeit objektiv geboten und verhältnismäßig ist. Die Abwägung muss zudem gerichtlich überprüfbar sein.

Zwar haben Kirchen und religiöse Organisationen auch nach den EU-Vorgaben das Recht, Stellenbewerber mit Blick auf Religion oder Weltanschauung ungleich zu behandeln. Das Recht auf Selbstbestimmung muss jedoch gegen das berechtigte Interesse eines jeden Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung abgewogen werden.

Die Gerichte müssen also die Entscheidung des kirchlichen Arbeitgebers jeweils im Einzelfall prüfen können und dürfen sie ggf. zurückweisen. Den staatlichen Gerichten steht es im Regelfall nicht zu, über das Ethos als solches zu befinden, das der angeführten beruflichen Anforderung zugrunde liegt. Gleichwohl haben sie festzustellen, ob die 3 Kriterien “wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt” in Anbetracht dieses Ethos im Einzelfall erfüllt sind.

Das bedeutet, dass die Kirchen das Einstellungskriterium einer Kirchenmitgliedschaft – unterschiedslos für alle Berufstätigen – nicht mehr so ohne Weiteres bindend festlegen können.

Behinderten-Pauschbetrag: Übertragung auf den anderen Ehepartner möglich

Behinderten-Pauschbetrag: Übertragung auf den anderen Ehepartner möglich

 

Beantragen Ehegatten im Rahmen der Einzelveranlagung übereinstimmend eine hälftige Aufteilung der Kosten für außergewöhnliche Belastungen, Sonderausgaben und die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Hilfen, gilt dies auch für den Behinderten-Pauschbetrag.

 

Hintergrund

A ist verheiratet und beantragte für das Jahr 2014 die Einzelveranlagung. Übereinstimmend mit seiner Ehefrau B beantragte er, die Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen sowie die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, Dienstleistungen und Handwerkerleistungen jeweils zur Hälfte aufzuteilen.

Das Finanzamt verweigerte jedoch beim Ehemann A den hälftigen Abzug des Behinderten-Pauschbetrags, für den die Ehefrau B die Voraussetzungen erfüllte.

Vor dem Finanzgericht hatte A mit seiner Klage Erfolg.

 

Entscheidung

Und auch der Bundesfinanzhof entschied zugunsten des A, dass der der Ehefrau des A zustehende Behinderten-Pauschbetrag aufgrund des übereinstimmenden Antrags der Ehegatten beim Ehemann A im Rahmen seiner Einzelveranlagung zur Hälfte abgezogen werden kann.

Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Hilfen werden bei der Einzelveranlagung von Ehegatten demjenigen Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten werden sie jeweils zur Hälfte abgezogen. Das gilt auch für den einem Ehegatten zustehenden Behinderten-Pauschbetrag, da die vom Behinderten-Pauschbetrag erfassten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anzusehen sind. Die Möglichkeit der Aufteilung erfasst deshalb auch die außergewöhnlichen Belastungen, die über den Behinderten-Pauschbetrag abgedeckt werden.

Befristung von Rentner-Arbeitsverträgen zulässig

Befristung von Rentner-Arbeitsverträgen zulässig

 

Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, dürfen befristet werden. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs sahen darin keinen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung oder einen Missbrauch befristeter Arbeitsverhältnisse.

 

Hintergrund

Der Kläger war als Lehrer angestellt. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis zunächst auf Antrag des Lehrers kurz vor Erreichen der Regelaltersgrenze über das Renteneintrittsalter hinaus verlängert. Der Arbeitsvertrag wurde bis zum Ende des Schuljahres 2014/2015 befristet. Der Kläger beantragte, das Arbeitsverhältnis über diese Befristung hinaus zu verlängern, was der Arbeitgeber jedoch ablehnte. Der Lehrer erhob daraufhin Klage. Seiner Meinung nach lag in der Befristung seines Arbeitsverhältnisses eine Diskriminierung gegenüber jüngeren Lehrern vor.

 

Entscheidung

Nach deutschem Recht ist es möglich, eine bereits vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze auf einen späteren Zeitpunkt hinauszuschieben. Das kann ggf. mehrfach geschehen. In dieser Regelung sahen die Richter des Europäischen Gerichtshofs keine Diskriminierung wegen des Alters. Die Regelung, nach der das Ende des Arbeitsverhältnisses mehrfach hinausgeschoben werden kann, ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt, stellt eine Ausnahme dar. Der Grundsatz ist die automatische Beendigung des Arbeitsvertrags bei Erreichen der Regelaltersgrenze. Eine Weiterbeschäftigung darüber hinaus ist also nur mit Zustimmung beider Vertragsparteien möglich.

Die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses könnte nach Ansicht des Gerichts auch als “vertragliche Verschiebung” des ursprünglich vereinbarten Rentenalters aufgefasst werden.

Kein stillschweigender Austausch: Versicherung muss Kunden über unwirksame Klauseln informieren

Kein stillschweigender Austausch: Versicherung muss Kunden über unwirksame Klauseln informieren

 

Versicherungen müssen ihre Kunden über Klauseln in Versicherungsverträgen, die unzulässig sind, informieren.

 

Hintergrund

Die Verbraucherzentrale Hamburg klagte gegen die Allianz Lebensversicherungs-AG wegen der Verwendung von intransparenten Klauseln. Die Versicherung hatte im Jahr 2013 in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Verträge über kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen die Klausel zu den Abschlusskosten geändert, indem sie ein Klauselersetzungsverfahren durchführte.

Im Berufungsverfahren hatte das Oberlandesgericht entschieden, dass die Allianz nicht verpflichtet werden könne, ihre Kunden über die Unwirksamkeit der Vertragsklauseln zu informieren. In seinem Urteil war das Gericht davon ausgegangen, dass die Verbraucherzentrale keinen Folgenbeseitigungsanspruch aus dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen hat, weil dieses faktisch eine Sperrwirkung in Hinblick auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb entfaltet.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof widersprach den Argumenten des Oberlandesgerichts und wies das Verfahren dorthin zurück.

Insbesondere war das Oberlandesgericht rechtsfehlerhaft von einem spezialgesetzlichen Vorrang des Unterlassungsklagegesetzes ausgegangen. Die Vorschriften über die Kontrolle unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen und des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb sind jedoch nebeneinander anwendbar.

Daraus folgt, dass die Versicherung ihre Kunden aktiv informieren muss, wenn sie in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine unwirksame Klausel verwendet hatte. Dies ergibt sich aus dem Folgenbeseitigungsanspruch des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb.

Unfallversicherung: Sind Umwege versichert?

Unfallversicherung: Sind Umwege versichert?

 

Eigentlich ist es klar geregelt: Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz besteht grundsätzlich nur für den direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und der Wohnung. Von diesem Grundsatz machen die Gerichte so gut wie keine Ausnahme. Auch nicht im Fall eines Arbeitnehmers, der den richtigen Ausstieg am Bahnhof verpasste.

 

Hintergrund

Die Arbeitnehmerin fuhr mit dem Zug von der Arbeit nach Hause. Sie verpasste den Ausstieg an ihrem Heimatbahnhof und verblieb im Zug. Diesen verließ sie an der nächsten Haltestelle. Dort überquerte sie die Bahngleise, um den am gegenüberliegenden Bahnsteig bereitstehenden Zug in die Gegenrichtung zu erreichen. Dabei wurde sie von einer Rangierlok erfasst und tödlich verletzt.

Nachdem die Berufsgenossenschaft das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint hatte, wurde gegen die Ablehnung Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

 

Entscheidung

Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen und ebenso wies das Landessozialgericht die Berufung zurück. Damit bestätigte das Gericht die Auffassung der Berufsgenossenschaft, dass auf einem Um- bzw. Abweg kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht. Denn unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht grundsätzlich nur der direkte Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung. Sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, existiert daher kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung mehr. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, lebt der Versicherungsschutz wieder auf.

Im vorliegenden Fall war der Umweg auch nicht verkehrsbedingt erforderlich geworden, da der Haltepunkt am Heimatbahnhof nicht ausgefallen war. Deshalb konnte das Abweichen von dem direkten Weg auch nicht ausnahmsweise in den Schutz der Wegeunfallversicherung einbezogen werden.

Kein Krankengeld während Erholungsurlaub?

Kein Krankengeld während Erholungsurlaub?

 

Bei Krankengeldbeziehern muss die Krankenkasse auch mögliche Vorteile eines Erholungsurlaubs berücksichtigen. Sie darf deshalb die Zahlung von Krankengeld während eines Urlaubs im Ausland nicht grundsätzlich verweigern. Das gilt zumindest dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit durchgehend bescheinigt wurde und der behandelnde Arzt keine Bedenken gegen den Auslandsurlaub hatte.

 

Hintergrund

Der Kläger war gesetzlich krankenversichert. Er war arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld von seiner Krankenkasse. Da sein Arzt ihm die Reisefähigkeit bescheinigt hatte, wollte der Kläger mit seiner Familie für einen Erholungsurlaub für knapp 2 Wochen in ein Ferienhaus an der Mittelmeerküste fahren. In diesem Zeitraum waren keine Arzttermine geplant.

Die Krankenkasse verweigerte dem Kläger für die Zeit seines Urlaubs im Ausland die Zahlung von Krankengeld. Insbesondere wendete sie ein, dass die Erkrankung des Klägers sich im Urlaub verschlechtern könnte. Zudem war eine positive Auswirkung des Urlaubs auf dessen Genesung nicht gesichert. Gegen die Streichung des Krankengelds legte der Versicherte Klage beim Sozialgericht ein.

 

Entscheidung

Die Klage des Versicherten hatte Erfolg. Das Sozialgericht entschied, dass die Krankenkasse ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hatte. Denn sie berücksichtigte einen möglichen Vorteil eines Erholungsurlaubs für den Kläger nicht genügend. Darüber hinaus hätte die Krankenkasse beachten müssen, dass der Urlaub des Klägers schon vor seiner Arbeitsunfähigkeit gebucht worden war.

Die Vorschriften über das Ruhen des Krankengeldanspruchs bei einem Auslandsurlaub sollten nur eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Krankengeld in den Fällen verhindern, in denen die Arbeitsunfähigkeit im Ausland nur mit Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Bei dem Kläger war die Arbeitsunfähigkeit jedoch in Deutschland festgestellt worden und lag auch während des Urlaubs vor. Damit verblieb für eine Ablehnung durch die Krankenkasse kein

Kindergeldanspruch: Wohnsitz im Inland als Voraussetzung

Kindergeldanspruch: Wohnsitz im Inland als Voraussetzung

 

Wer während eines befristeten Auslandsaufenthalts das angemietete Einfamilienhaus zusammen mit Lebensgefährtin und gemeinsamem Kind als einzige Wohnung ständig nutzt, hat weiterhin im Inland einen Wohnsitz. Das gilt insbesondere dann, wenn Miet- und Versorgungsverträge unverändert fortgeführt werden und das Haus in einem ständig nutzungsbereiten Zustand beibehalten wird.

 

Hintergrund

Der Kläger nahm ab 1.12.2014 eine auf 3 Jahre befristete Beschäftigung im Ausland auf. Der Familienkasse teilte er mit, dass der Wohnsitz sowie der Lebensmittelpunkt der Eltern und der Kinder in Deutschland unter der gemeldeten Adresse bleiben. Denn die Entsendung war auf 3 Jahre befristet. Die Familienkasse hob jedoch die Kindergeldfestsetzung ab 1.12.2014 auf. Sie war der Ansicht, dass das alleinige “Innehaben einer Wohnung” für das Beibehalten eines Wohnsitzes nicht ausreicht. Vielmehr muss der Steuerpflichtige die Wohnung jährlich mindestens regelmäßig zweimal zu Wohnzwecken für einige Wochen nutzen. Nach der Entsendung plante der Kläger, an die ursprüngliche Tätigkeitsstätte zurückzukehren. Der Wohnsitz im Inland sollte dann wieder alleiniger Wohnsitz werden.


Entscheidung

Das Finanzgericht folgte den Argumenten des Klägers und gab der Klage statt. Bis zum Beginn seines Auslandseinsatzes hatte der Kläger einen Wohnsitz im Inland gehabt. Diesen gab er nicht mit Beginn seines Auslandseinsatzes auf. Das galt nach Ansicht der Richter auch, obwohl seine Familie mit ihm gegangen war. Denn der Kläger hatte das Einfamilienhaus unverändert und vollständig eingerichtet behalten sowie die Versorgungsverträge weiterlaufen lassen. Damit hatte der Kläger das Einfamilienhaus für eine jederzeitige Nutzung während des Auslandseinsatzes bereitgehalten.

Aus den Verwaltungsvorschriften war nicht zu entnehmen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung jährlich regelmäßig zweimal zu Wohnzwecken über einige Wochen nutzen muss, damit er seinen Wohnsitz im Inland beibehält.

Insolvenzverfahren: Wann ist eine Kündigung des Insolvenzverwalters wirksam?

Insolvenzverfahren: Wann ist eine Kündigung des Insolvenzverwalters wirksam?

 

Ein Insolvenzverwalter darf sich nicht darauf verlassen, dass eine Kündigung, die bereits ausgesprochen wurde, tatsächlich wirksam ist. Deshalb muss er nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erneut kündigen, um damit die Entstehung eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn als Neumasseverbindlichkeit zu verhindern.

 

Hintergrund

Die Arbeitnehmerin war als Filialleiterin bei einer Drogeriekette beschäftigt. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden war, kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis. Gleichzeitig stellte er sie von der Pflicht zur Arbeit frei. Danach zeigte der Insolvenzverwalter die drohende Massenunzulänglichkeit an, da die vorhandene Masse nicht ausreichte, um die Masseverbindlichkeiten und die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.

In einem Kündigungsschutzprozess wurde die Kündigung der Arbeitnehmerin für unwirksam erklärt. Das Arbeitsverhältnis endete erst nach einer weiteren Kündigung des Insolvenzverwalters. Von dem Insolvenzverwalter forderte sie die Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum zwischen dem frühestmöglichen Kündigungstermin und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

Entscheidung

Vor dem Bundesarbeitsgericht bekam die Arbeitnehmerin recht. Ihr stand eine Annahmeverzugsvergütung trotz zuvor erfolgter Freistellung und streitiger Kündigung als Neumasseforderung zu.

Die Insolvenzordnung legt den Termin fest, bis zu dem der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis spätestens beendet haben muss, um Neumasseverbindlichkeiten zu vermeiden. Bei dem von der Arbeitnehmerin geltend gemachten Annahmeverzugslohn für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem ihr der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte, handelte es sich folglich um eine Neumasseverbindlichkeit.

Die Richter betonten, dass der Insolvenzverwalter das Risiko trägt, dass sich diese Kündigung als unwirksam erweist und damit Neumasseverbindlichkeiten begründet werden. Das Gleiche gilt, wenn der Insolvenzverwalter erstmals nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigt und diese Kündigung unwirksam ist.