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Unfallversicherung: Sind Umwege versichert?

Unfallversicherung: Sind Umwege versichert?

 

Eigentlich ist es klar geregelt: Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz besteht grundsätzlich nur für den direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und der Wohnung. Von diesem Grundsatz machen die Gerichte so gut wie keine Ausnahme. Auch nicht im Fall eines Arbeitnehmers, der den richtigen Ausstieg am Bahnhof verpasste.

 

Hintergrund

Die Arbeitnehmerin fuhr mit dem Zug von der Arbeit nach Hause. Sie verpasste den Ausstieg an ihrem Heimatbahnhof und verblieb im Zug. Diesen verließ sie an der nächsten Haltestelle. Dort überquerte sie die Bahngleise, um den am gegenüberliegenden Bahnsteig bereitstehenden Zug in die Gegenrichtung zu erreichen. Dabei wurde sie von einer Rangierlok erfasst und tödlich verletzt.

Nachdem die Berufsgenossenschaft das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint hatte, wurde gegen die Ablehnung Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

 

Entscheidung

Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen und ebenso wies das Landessozialgericht die Berufung zurück. Damit bestätigte das Gericht die Auffassung der Berufsgenossenschaft, dass auf einem Um- bzw. Abweg kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht. Denn unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht grundsätzlich nur der direkte Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung. Sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, existiert daher kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung mehr. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, lebt der Versicherungsschutz wieder auf.

Im vorliegenden Fall war der Umweg auch nicht verkehrsbedingt erforderlich geworden, da der Haltepunkt am Heimatbahnhof nicht ausgefallen war. Deshalb konnte das Abweichen von dem direkten Weg auch nicht ausnahmsweise in den Schutz der Wegeunfallversicherung einbezogen werden.

Keine steuerliche Abzugsfähigkeit von privater Risikolebensversicherung, Unfallversicherung und Kapitallebensversicherung

Keine steuerliche Abzugsfähigkeit von privater Risikolebensversicherung, Unfallversicherung und KapitallebensversicherungVerfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 4 EStG

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.1.2013 – 9 K 242/12; Revision zugelassen).


 Leitsatz

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen, da diese nicht der Sicherung der bloßen Existenz, sondern primär dem Schutz und dem Erhalt von Vermögen und Lebensstandard dienen.

 Gesetze

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3a
EStG § 10 Abs. 4 S. 3
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
SGB XII § 90

 Tatbestand

Streitig ist, ob das subjektive Nettoprinzip gebietet, Aufwendungen für eine Risikolebensversicherung, eine Unfallversicherung und für verschiedene Kapitallebensversicherungen steuerlich zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die bisher geltende Regelung zum Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu einer Kranken- und Pflegeversicherung nicht ausreichend sei. Der Gesetzgeber habe die Beträge steuerlich zum Abzug zuzulassen, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten (Aktenzeichen 2 BvL 1/06, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts –  BVerfGE  – 120, 125). Gleichzeitig verpflichtete es den Gesetzgeber, mit Wirkung zum 1. Januar 2010 eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Aufgrund dieser Entscheidung änderte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl. I 2009, 1959 ) die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen in § 10 des Einkommensteuergesetzes in der ab dem Veranlagungszeitraum 2010 geltenden Fassung (  EStG ) teilweise neu. Die Höchstbeträge für den Abzug von anderen Vorsorgeaufwendungen als Aufwendungen für die Altersversorgung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG wurden auf 2.800 EUR bzw. 1.900 EUR erhöht (§ 10 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG). Die Aufwendungen für die sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung wurden in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG neu definiert. Diese Beiträge sind – unabhängig von den Höchstbeträgen – stets in vollem Umfang abzugsfähig. Die sonstigen Vorsorgeaufwendungen wurden in den neu eingefügten § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG aufgenommen. Diese Beiträge wirken sich nur noch dann aus, wenn die Höchstbeträge nicht bereits durch den Abzug der sozialhilfegleichen Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausgeschöpft worden sind (§ 10 Abs. 4 S. 4 EStG ).

Die Kläger sind miteinander verheiratete Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2010 zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb. Im Veranlagungszeitraum 2010 wurden von seinem Arbeitslohn Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 6.705 EUR und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 877,56 EUR einbehalten. Die Klägerin erzielt ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In der im März 2011 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung beantragten sie neben dem Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch den Abzug folgender Beträge als sonstige Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG :

 

   Bezeichnung    Betrag
 Risikolebensversicherung

 148,23 EUR

 Unfallversicherung

 243,55 EUR

 vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossene Kapitallebensversicherungen

   4 .436,00 EUR

 Summe:

 4 .827,78 EUR

 

Der gemeinsame Höchstbetrag der Kläger nach § 10 Abs. 4 S. 3 EStG war bereits durch die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten, weshalb die sonstigen Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerbescheid vom 28. März 2011 vom Beklagten nicht berücksichtigt wurden.

Mit dem form- und fristgerecht eingelegten Einspruch begehrten die Kläger, die sonstigen Vorsorgeaufwendungen in erklärter Höhe zum Abzug zuzulassen. Nach weiterem Schriftverkehr wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2012 als unbegründet zurück.

Mit der form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die geltend gemachten Aufwendungen für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG von insgesamt 4.828 EUR seien zum Abzug zuzulassen. Die Aufwendungen gehörten zu den notwendigen Aufwendungen der Daseinsfürsorge und seien daher im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips steuermindernd zu berücksichtigen. Dies habe der Gesetzgeber selbst durch die Aufzählung im Gesetz anerkannt. Eine Rechtfertigung für die Aufteilung in Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen sei nicht erkennbar. Die Einteilung sei aus haushaltspolitischen Gründen erfolgt. Eine sachliche Begründung bestehe hierfür nicht. Bei jeder Typisierung sei zu beachten, dass die typisierten Aufwendungen möglichst in allen Fällen berücksichtigt werden. Gerade dies sei nicht der Fall. In nahezu allen Fällen würden die in § 10 Abs. 4 S. 3 EStG aufgeführten Höchstbeträge bereits durch die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten. Die Grundsätze der Sozialhilfe seien nicht maßgeblich. Sonderausgaben seien die – durch das subjektive Nettoprinzip gebotene und im Gesetz angelegte – Berücksichtigung von indisponiblem Einkommen bei der Bemessung der Einkommensteuer, wie dies gerade die Berücksichtigung der Kirchensteuer zeige. Diese Aufwendungen belasteten die Sozialhilfeempfänger nicht.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 4.828 EUR zum Abzug zugelassen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Berücksichtigung der geltend gemachten Versicherungsbeiträge sei nicht geboten. Das subjektive Nettoprinzip gebiete den Abzug der Aufwendungen, die zur Sicherung des existenznotwendigen Lebensbedarfs unumgänglich seien. Dieser Begriff erfasse jedoch nur die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, denn nur diese gehörten zum maßgeblichen sozialhilferechtlichen Mindestbedarf. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gebiete nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur den Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau. Daher seien die Differenzierungen des Sozialhilferechts eine taugliche Abgrenzungsgrundlage, an die sich der Gesetzgeber gehalten habe. Entgegen der Auffassung der Kläger habe der Gesetzgeber durch die ausdrückliche Trennung von notwendigen Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG und darüber hinausgehenden freiwilligen Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG gerade deutlich gemacht, dass er die sozialhilferechtliche Trennung im Steuerrecht umsetzen wolle. Es gebe auch andere existenznotwendige Aufwendungen, die im Grundfreibetrag abgegolten seien und nicht gesondert abgezogen werden könnten, z.B. solche für bürgerliche Kleidung.

Dem Sach- und Streitstand liegt neben den Gerichtsakten ein Band Einkommensteuerakten des Beklagten zur Steuernummer … zu Grunde.

 Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90a der Finanzgerichtsordnung (  FGO ) durch Gerichtsbescheid.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO ). Ein höherer Sonderausgabenabzug steht den Klägern nicht zu.

1. Die im Einkommensteuerbescheid vom 28. März 2011 zum Abzug zugelassenen Sonderausgaben entsprechen dem geltenden einfachen Recht. Die Kläger haben im Streitjahr nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzugsfähige Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 7.441 EUR geleistet. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Diese Beiträge wurden steuerlich berücksichtigt und übersteigen den gemeinsamen Höchstbetrag, der den Klägern nach § 10 Abs. 4 S. 1 bis 3 EStG zusteht. Der Abzug der übrigen Vorsorgeaufwendungen ist daher gemäß § 10 Abs. 4 S. 4 EStG zu Recht unterblieben.

2. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen. Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei den gezahlten Beiträgen zu diesen Versicherungen nicht um existenziell notwendige Aufwendungen der Daseinsfürsorge, die im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips steuermindernd zu berücksichtigen wären.

a. Die Freistellung des Existenzminimums erfolgt im Steuerrecht zum Einen durch den Grundfreibetrag, zum Anderen durch den Abzug der existenznotwendigen Aufwendungen als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen. Die (privaten) existenzsichernden Aufwendungen sind im Rahmen von Sonderausgaben, Familienleistungsausgleich und außergewöhnlichen Belastungen grundsätzlich steuerlich abziehbar (subjektives Nettoprinzip). Dagegen mindern Aufwendungen für die Lebensführung – auch soweit die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen diese mit sich bringt – die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht. Für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit kommt es nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 , 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 unter C.I.3 der Entscheidungsgründe).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leitet sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ferner das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums ab. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Das einkommensteuerrechtlich maßgebliche Existenzminimums richtet sich dabei nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Urteil vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 , BVerGE 120, 125 unter D.I.1 der Entscheidungsgründe). Durch die Entscheidung vom 13. Februar 2008 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass zu den existenzsichernden Aufwendungen auch solche für eine Basisvorsorge gegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit gehören.

b. Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass die Beiträge zur privaten Risikolebensversicherung, Unfallversicherung oder zu den Kapitallebensversicherungen gerade nicht notwendig sind, um die notwendigen Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für die Kläger zu schaffen. Zum Abschluss solcher Versicherungen besteht keine gesetzliche Verpflichtung. Sie gehören damit – in der Diktion des Bundesverfassungsgerichts – zum Bereich der freien oder beliebigen Einkommensverwendung. Sie gehören ebensowenig zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 21. September 2012 3 K 144/11 , Entscheidungen der Finanzgerichte –  EFG  – 2013, 26 unter II.3 der Entscheidungsgründe; andere Auffassung: Schulemann, Olaf (2009): Sonderausgabenabzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, http://hdl.handle.net/10419/45387 ). Beiträge für diese privaten (zusätzlichen) Versicherungen werden nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch grundsätzlich nicht erstattet. Die abgedeckten Risiken Alter, Invalidität und Tod werden typischerweise von den klassischen Altersvorsorgesystemen wie der gesetzlichen Rentenversicherung, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und der Beamtenversorgung abgedeckt (ebenso BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04 , 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 unter B.I.1.d der Entscheidungsgründe). Diese Versicherungen dienen gerade nicht der Sicherung der bloßen Existenz der Kläger, sondern primär dem Schutz und dem Erhalt von deren Vermögen und Lebensstandard (ebenso Kulosa in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG, § 10 EStG RNr. 383). Der Gesetzgeber ist zu Recht davon ausgegangen, dass es den Klägern aufgrund ihres hohen Einkommens zuzumuten ist, die zusätzliche Vorsorge zum Erhalt ihres Lebensstandards im Alter aus eigenen Ressourcen ohne Beteiligung des Fiskus zu finanzieren (vergleiche Begründung zu § 10 Abs. 4 EStG , Bundestags-Drucksache 16/13429, Seite 44). Der Senat verkennt nicht, dass es wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein kann, derartige Versicherungen abzuschließen. Es liegt jedoch primär im Interesse jedes einzelnen, den einmal erreichten Lebensstandard durch eigene Vorsorge zu bewahren. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich die Allgemeinheit über die steuerliche Förderung an solchen Aufwendungen beteiligten muss.

Soweit die Kläger den Abzug von Beiträgen zu insgesamt drei Kapitallebensversicherungen begehren, kann der Senat zudem nicht nachvollziehen, weshalb diese Aufwendungen unvermeidbare, existenzsichernde Privataufwendungen darstellen sollen. Die Höhe des angesparten Kapitals und die Art und Weise der Auszahlung als Einmalbetrag oder laufende Rente liegen allein im Belieben des Versicherungsnehmers. Private Kapitallebensversicherungen haben daher Kapitalanlagecharakter (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04 , 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 unter B.I.1.d der Entscheidungsgründe). Zur notwendigen Vorsorge für die Sicherung der Existenz im Alter zählt der Gesetzgeber – wie § 33 Abs. 1 Nr. 4 SGB XII zeigt – nur die privaten Versicherungen, die im Alter ausschließlich laufende Rentenzahlungen vorsehen. Mit Herausnahme der Beiträge zu Kapitallebensversicherungen aus den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG begünstigten Altersvorsorgeaufwendungen durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz ) vom 5. Juli 2004 (BGBl. I 2004, 1427 ) hat der Gesetzgeber dies auch im Steuerrecht umgesetzt. Dass Kapitallebensversicherungen nach alter Rechtslage begünstigt waren, steht dem nicht entgegen. Der Steuerpflichtige kann nicht darauf vertrauen, dass eine bestehende günstige steuerliche Behandlung für die Zukunft unverändert fortbesteht (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1 unter C.I.1.c der Entscheidungsgründe).

Die Risikolebensversicherung dient bereits denklogisch nicht der Existenzsicherung des Versicherten, sondern regelmäßig der vermögensmäßigen Absicherung des Begünstigten im Hinblick auf die nach dem Tod des Versicherten geänderte Lebenssituation. Dies ermöglicht die Aufrechterhaltung des bisher gewohnten Lebensstandards insbesondere in vermögensrechtlicher Hinsicht, geht aber über die notwendige Sicherung der persönlichen Existenz hinaus. Auch im Sozialhilferecht ist das gesamte verwertbare Vermögen zunächst zur Sicherung der Existenz heranzuziehen (§ 90 Abs. 1 SGB XII ).

Das Gleiche gilt schließlich für die bestehende Unfallversicherung. Diese Versicherung ermöglicht es regelmäßig, den bisherigen Lebensstandard auch nach einem Unfall weitestgehend aufrecht zu erhalten, insbesondere die Leistungsfähigkeit wieder herzustellen und Erwerbsminderung auszugleichen. Das sozialhilferechtlich gebotene Mindestmaß ist auch hier bereits durch die gesetzlichen Renten- und Unfallversicherungen gewährleistet. Auch das Bundesverfassungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur privaten Unfallversicherung nicht von Verfassungs wegen geboten sei (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04 , 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 am Ende der Entscheidungsgründe). Soweit Aufwendungen für Beiträge zur Unfallversicherung im sozialhilferechtlichen Grundbedarf enthalten sind, werden diese durch den Grundfreibetrag abgedeckt (Kulosa in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG , § 10 EStG RNr. 383).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

4. Die Revision wird zugelassen. Die hier streitige Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ).

-> Das Aktenzeichen beim BFH lautet X R 5/13.

2011: Änderungen in gesetzlicher Unfallversicherung für Arbeitgeber

2011: Änderungen in gesetzlicher Unfallversicherung für Arbeitgeber

Kernthema

Die Regelungen zur betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung in der gesetzlichen Unfallversicherung ändern sich für Kleinbetriebe (< 10 Beschäftigte) ab dem 1.1.2011. Während die bisherige Regelung feste Einsatzzeiten für Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit vorsah, gelten ab dem 1.1.2011 teilweise Leistungskataloge, aus denen sich die notwendigen personellen Ressourcen ableiten lassen. Die Neuregelungen ab 1.1.2011 im Einzelnen:

Bis zu 10 Beschäftigte:

Der Unternehmer kann sich nach Wahl entweder selbst in Fragen des Arbeitsschutzes schulen lassen (sog. alternative Betreuung) oder sich für die Regelbetreuung entscheiden (je nach Gefährdungslage im Betrieb im Abstand von 1 bis 5 Jahren zu wiederholende Grundbetreuung und verpflichtende, aber anlassbezogene Betreuung bei bestimmten per Katalog festgeschriebenen Ereignissen).

Mehr als 50 Beschäftigte:

Änderungen in der Regelbetreuung. Diese besteht aus einer Grundbetreuung und einer betriebsspezifischen Betreuung. Für die Grundbetreuung (= grundlegende Aufgaben im Arbeitsschutz, wie Gefährdungsbeurteilung und Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes) gelten feste Einsatzzeiten je Beschäftigten, die der Unternehmer auf Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit verteilt. Die betriebsspezifische Betreuung betrifft besondere Risiken und Verhältnisse des Unternehmens und umfasst Aufgabenfelder wie Sicherheitsfragen bei der Beschaffung neuer Maschinen oder Weiterentwicklung des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

11 bis 50 Beschäftigte:

Die Beschäftigten können zwischen alternativer Betreuung und Regelbetreuung wählen, wenn ihre Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse keine niedrigere Beschäftigtenzahl als Grenze für die Wahlmöglichkeit bestimmt hat.