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DBA bei Grenzgängerbesteuerung: Mehrfachansässigkeit eines Arbeitnehmers

FG Baden-Württemberg Urteil vom 26.9.2012, 2 K 776/11

Kollision von DBA bei Grenzgängerbesteuerung: Mehrfachansässigkeit eines Arbeitnehmers, Lösung eines DBA-Dreieckskonflikts

Tenor

 

1. Es wird festgestellt, dass die Ablehnung des Beklagten vom 28. Mai 2010, dem Kläger eine Bescheinigung über die Freistellung vom Lohnsteuerabzug gemäß § 39 d Abs. 3 Satz 4 EStG in Verbindung mit § 39 b Abs. 6 EStG zu erteilen, und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2011 rechtswidrig waren.

 

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

3. Die Revision wird zugelassen.

 

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigen zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 Euro, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 Euro kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit vom Lohnsteuerabzug freizustellen sind.
2
Der Kläger erzielte im Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem Arbeitsverhältnis mit der B GmbH. Sein Familienwohnsitz (Hauptwohnsitz) befindet sich in X/Österreich. Der Kläger unterhält ferner einen Zweitwohnsitz in „Y/Frankreich“, zu der er in der Regel nach der Arbeit im Inland zurückkehrt.
3
Am 12. März 2010 reichte er bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA) einen Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 39 Abs. 6 EStG als Grenzgänger nach Frankreich ein.
4
Das FA lehnte mit Bescheid vom 28. Mai 2010 den Antrag, die inländischen Einkünfte vom Lohnsteuerabzug freizustellen, ab, da das Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Staat anzuwenden sei, indem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen befinde. Dies sei, weil sich der Familienwohnsitz des Klägers in Österreich befinde, das DBA Deutschland-Österreich. Danach stehe nach dem Quellenstaatprinzip Deutschland das Besteuerungsrecht zu.
5
Gegen diesen Bescheid richtete sich der am 9. Juni 2010 beim FA eingegangene Einspruch vom 7. Juni 2010. Mit dem Einspruch begehrte der Kläger das DBA Deutschland-Frankreich vorrangig anzuwenden, da er wegen seiner doppelten Ansässigkeit sowohl in Bezug auf das DBA Deutschland-Österreich als auch in Bezug auf das DBA Deutschland-Frankreich abkommensberechtigt sei und damit befugt sei, das DBA Deutschland-Frankreich in Anspruch zu nehmen. Wegen der im Streitfall vorliegenden Dreieckskonstellation und der Abkommensberechtigung sowohl in Bezug auf das DBA Deutschland-Frankreich als auch das DBA Deutschland-Österreich könne der Kläger das für ihn günstigere Abkommen wählen.
6
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2011 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wies es darauf hin, dass abkommensberechtigt auf das DBA Deutschland-Frankreich, das DBA Deutschland-Österreich und das DBA Österreich-Frankreich jeweils die in einem oder in beiden Vertragsstaaten ansässigen Personen seien. Die relevante Ansässigkeit bestimme sich bei Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten durch Fiktion. So gelte in allen genannten DBA bei doppelter Ansässigkeit „die Person als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfüge. Verfüge sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gelte sie in dem Vertragsstaat als ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe (Mittelpunkt der Lebensinteressen).“ Diese durch Fiktion definierte Ansässigkeit räume dem Staat, indem sich bei doppelter Ansässigkeit der Mittelpunkt der Lebensinteressen befinde, Priorität ein. In Bezug auf die im Streitfall tangierten Doppelbesteuerungsabkommen ergäbe sich daraus folgendes:
7
1. DBA Frankreich-Deutschland:
Nach Art. 13 Abs.1 i. V. m. Abs. 5 seien die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Frankreich zu versteuern, sofern die Grenzgängereigenschaft gegeben sei.
2. DBA Deutschland-Österreich:
Nach Art. 15 Abs. 1 seien die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, weil hier die Grenzgängereigenschaft nicht gegeben sei, in Deutschland als Quellenstaat zu versteuern.
3. DBA Frankreich-Österreich:
Wegen des sich in Österreich befindlichen Mittelpunkts der Lebensführung, der (kraft Fiktion) zur dortigen (alleinigen) Ansässigkeit führe, lägen Einkünfte aus Drittstaaten vor.
8
Keines der DBA enthalte ein Wahlrecht des jeweiligen Abkommensberechtigten bei mehrfacher Abkommensberechtigung durch unterschiedliche DBA.
9
Im hier zu entscheidenden Dreieckssachverhalt sei zudem auch keine Regelungslücke für ein Wahlrecht erkennbar, da alle drei tangierten DBA sich entsprechende Regelungen zur Lösung des Ansässigkeitskonflikts (Tie-Breaker-Rule) hätten. Das Netz der hier zu beachtenden DBA sei im Hinblick auf die Gleichheit der jeweiligen, wenn auch nur bilateral vereinbarten Tie-Breaker-Regelungen einheitlich und, die tangierten DBA betreffend, übergreifend zu sehen.
10
Im Übrigen würden auch inländische Gesetze bei Dreieckssachverhalten kein Wahlrecht für Steuerpflichtige zu Gunsten eines bestimmten DBA vorsehen.
11
Die Anwendung dieser Grundsätze führe im Streitfall dazu, dass im Verhältnis zu dem DBA Deutschland-Frankreich das DBA Deutschland-Österreich vorrangig anzuwenden sei mit der Folge, dass die vom Kläger im Inland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland als dem Quellenstaat zu versteuern seien.
12
Mit der am 1. März 2011 erhobenen Verpflichtungsklage wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen im Rechtsbehelfsverfahren.
13
Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 (AS. 28) ist das FA der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung entgegen getreten.
14
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30. August 2011 (AS. 43) legte der Kläger Unterlagen zum Nachweis dafür vor, dass er im Streitjahr 2010 (auch) in Frankreich besteuert wurde.
15
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 18. Januar 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die im Streitfall gegebene Kollision von mehreren, in einfaches Recht transformierten Doppelbesteuerungsabkommen seiner Auffassung nach unter Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln aufzulösen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (AS. 69).
16
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vom 28. Januar 2012 (AS. 71) legte der Kläger Reisekostenabrechnungen für das Streitjahr 2010, eine Auswertung über die Anzahl der Nichtrückkehrtage sowie verschiedene Nachweise bezüglich seiner Wohnungen in X und Y vor und ließ mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 24. Februar 2012 (AS. 110) vortragen, dass er sein Klageziel nunmehr auf dem Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erreichen wolle, aber den bisherigen Verpflichtungsantrag als Hilfsantrag aufrecht erhalte.
17
Das FA führte in der Folgezeit bei dem Arbeitgeber des Klägers eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch und trug mit Schreiben vom 13. März 2012 (AS. 43) und vom 28. Juni 2012 (AS. 124) vor, dass die erhobene unzulässige Verpflichtungsklage nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könne. Denn die begehrte Freistellung vom Lohnsteuerabzug sei nur bis zum Abschluss des Lohnkontos möglich. Nach § 41 b EStG sei das Lohnkonto am Ende des Kalenderjahres, spätestens bis zum 28. Februar der Folgejahres (Übermittlung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung) abzuschließen. Nach Abschluss des Lohnkontos könne über die Freistellung als Grenzgänger nur noch in einem besonderen Erstattungsverfahren nach Art. 25 b Abs. 1 Satz 2 DBA Deutschland-Frankreich entschieden werden. Im Übrigen könne die Kollision mehrerer Doppelbesteuerungsabkommen im Streitfall nicht allein dadurch gelöst werden, dass allein das sich aus Art. 13 Abs. 5 DBA-Deutschland-Frankreich ergebende Merkmal der „ständigen Wohnstätte“ für die Zuweisung des Besteuerungsrechts relevant sein solle. Es seien vielmehr keine Kriterien erkennbar, welche geeigneter als die Ansässigkeit wären, um die bestehende Kollision aufzulösen. Es sei nicht erkennbar, weshalb die ständige Wohnstätte besser geeignet sein solle, als der Rückgriff auf eine analoge Anwendung der Tie-Breaker-Regelung. Es gelte zu bedenken, dass Dreieckskonstellationen auch in Fällen ohne Grenzgängerregelung denkbar seien. Ein Rückgriff auf eine ständige Wohnstätte könne in diesen Fällen nicht erfolgen, wohingegen die Ansässigkeit in jedem Abkommen zu bestimmen sei. Im Hinblick darauf könnten bzw. müssten Steuerpflichtige, die Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten beziehen, unter Umständen für jede Einkunftsart ein anderes Doppelbesteuerungsabkommen anwenden. Dabei müsste getrennt für jede Abkommensregelung ein Rückgriff auf ein gesondertes Merkmal erfolgen, beispielsweise die Wohnstätte mit täglicher Rückkehr bei der Grenzgängerregelung und die Ansässigkeit bei Dividenden.
18
Bei einem Rückgriff auf die Ansässigkeit würde sich dagegen die Besteuerung eines Steuerpflichtigen bei Dreieckskonstellationen immer nur nach einem Abkommen richten, und zwar nach demjenigen, das der Quellenstaat mit dem (vorrangigen) Ansässigkeitsstaat vereinbart hat. Im Übrigen verfüge der Kläger sowohl in Frankreich als auch in Österreich über eine ständige Wohnstätte. Die weiteren Einschränkungen im Rahmen der Grenzgängerregelung dürften eher im Hinblick auf die Ansässigkeit zu sehen sein.
19
Selbst wenn man zum Ergebnis käme, dass das DBA Deutschland-Frankreich vorrangig anwendbar sei, sei nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Kläger die Grenzgängereigenschaft nicht erfülle. In Anlehnung an die im Verfahren wegen Lohnsteuerermäßigung für das Jahr 2011 geltend gemachten Familienheimfahrten nach Österreich und die im Klageverfahren vorgetragenen (unstreitigen) Dienstreisen sei davon auszugehen, dass die schädliche Grenze von 45 Tagen überschritten worden sei.
20
Der Kläger vertrat mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. April 2012 (AS. 116), vom 20. Juli 2012 (AS. 133) und vom 24. August 2012 die Auffassung, dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dann statthaft sei, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt oder ein Verpflichtungsbegehren schon vor der Klageerhebung erledigt habe. Im Übrigen habe der BFH in seiner erst jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 21. Oktober 2011 I R 70/08 (BStBl. II 2012, 493) ausdrücklich bestätigt, dass ein Arbeitnehmer einen Erstattungsanspruch in analoger Anwendung des § 50 d Abs. 1 Satz 2 EStG habe, wenn eine Zahlung des Arbeitgebers zu Unrecht dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurde, weil die Besteuerung der Zahlung abkommensrechtlich dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers zugewiesen ist.
21
Zu den Familienheimfahrten sei zu sagen, dass der Kläger die 45-Tages-Grenze eindeutig eingehalten habe.
22
Der Kläger beantragt, (Schriftsatz vom 24. Februar 2012, AS. 110) festzustellen, dass die Ablehnung des Beklagten vom 28. Mai 2010, dem Kläger eine Bescheinigung über die Freistellung vom Lohnsteuerabzug gemäß § 39 d Abs. 3 Satz 4 EStG in Verbindung mit § 39 b Abs. 6 EStG zu erteilen, und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2011 rechtswidrig waren; hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 28. Mai 2010 und unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2011 eine Bescheinigung über die Steuerbefreiung des ihm im Jahre 2010 gezahlten Arbeitslohns zu erteilen.
23
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
24
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Lohnsteuerakten Bezug genommen.
25
Am 26. September 2012 hat vor dem Senat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht unstreitig gestellt haben, dass bei dem Kläger alle Tatbestandsmerkmale des Art. 13 Abs.1 i. V. m. Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich vorliegen, dieser also Grenzgänger im Sinne der genannten Vorschrift ist. Auf die Sitzungsniederschrift wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26
I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO).
27
Die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage wäre nunmehr unzulässig, weil sich die beantragte Freistellungsbescheinigung mit Ablauf der Frist für die Änderung des Lohnsteuerabzugs erledigt hatte. Gemäß § 41 c Abs. 3 EStG darf der Lohnsteuerabzug nach Ablauf des Kalenderjahres nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung geändert werden. Da die Lohnsteuerbescheinigung spätestens bis zum 28. Februar des Folgejahres zu übermitteln ist (§ 41 b Abs. 1 EStG), kann das abgeschlossene Lohnsteuerkonto des Klägers nicht mehr geändert werden.
28
Der Kläger hat sowohl unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie als auch der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Freistellungsbescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG (BFH-Urteil vom 11. Juli 2012 I R 76/11, BFH/NV 2012, 1966).
29
Soweit das FA darauf hingewiesen hat, dass eine unzulässige Verpflichtungsklage nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könne, hat es nicht beachtet, dass die Klageschrift vom 25. Februar 2011 datiert.
30
II. Die zulässige Klage ist auch begründet.
31
Das FA war verpflichtet, dem Kläger eine Freistellungsbescheinigung nach § 39 b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2010) i. V. m. Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959, BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 342 (DBA Deutschland-Frankreich) zu erteilen. Das Besteuerungsrecht für die von dem Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steht Frankreich zu.
32
1. Der mit Zweitwohnsitz in Frankreich wohnende Kläger ist in Deutschland mit seinen inländischen Einkünften aus seiner hier ausgeübten nichtselbständigen Arbeit gemäß § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig.
33
Der Kläger genießt den Abkommensschutz des DBA Deutschland-Frankreich, denn dieses ist gemäß Art. 1 Abs. 1 DBA Deutschland-Frankreich sachlich und persönlich auf ihn anwendbar. Der Kläger ist unstreitig (auch) in Frankreich ansässig, denn er ist dort nach französischem Recht auf Grund seines (dortigen) Wohnsitzes steuerpflichtig (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a DBA Deutschland-Frankreich). Frankreich hat von seinem Besteuerungsrecht auch Gebrauch gemacht.
34
2. Entgegen der Auffassung des FA führen die Regelungen des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA Deutschland-Frankreich, insbesondere die Fiktion einer Ansässigkeit (nur) in dem Vertragsstaat, indem der Steuerpflichtige den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b DBA Deutschland-Frankreich) nicht dazu, dass dem Kläger der Abkommensschutz des DBA-Frankreich (insgesamt) versagt werden könnte. Denn das DBA Deutschland-Frankreich gilt nur bilateral zwischen Deutschland und Frankreich. In Bezug auf die beiden Vertragsstaaten hat der Kläger keine doppelte Ansässigkeit, denn er ist in Deutschland unstreitig nicht ansässig.
35
Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass Art. 1 Abs. 1 DBA Deutschland-Frankreich im Falle einer doppelten Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten das Ziel verfolgen würde, den Steuerpflichtigen dem Schutz des Abkommens insgesamt zu entziehen, wenn dieser den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland hätte. Die Geltung für Personen mit Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten wird zwar (anders als in Art. 1 Abs. 1 OECD-Musterabkommen – MA -) nicht ausdrücklich erwähnt, ist aber selbstverständlich (Kramer in Debatin/Wassermayer Frankreich, Stand: August 2012, Art. 1 Rz 4). Die in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b DBA Deutschland-Frankreich geregelte Fiktion schließt deshalb die Anwendung des DBA nicht aus, sondern führt erst auf der Ebene der Zuteilungsregeln (Verteilungsnormen) – soweit es abkommensrechtlich auf das Merkmal der Ansässigkeit ankommt – zum Vorrang eines Vertragsstaats.
36
Der Umstand, dass der Kläger unstreitig auch den Abkommensschutz des DBA Deutschland-Österreich genießt, führt nach der Rechtsauffassung des Senats nicht dazu, dass bereits auf der Stufe der persönlichen Abkommensberechtigung(en) zu entscheiden wäre, ob und ggf. welches der beiden Abkommen vorrangig anzuwenden ist. Denn der zunächst abstrakte Befund, dass der Kläger in Bezug auf mehrere Doppelbesteuerungsabkommen abkommensberechtigt ist, besagt nicht zwangsläufig, dass die jeweiligen Abkommen bei einem Sachverhalt, bei dem mehr als zwei Staaten betroffen sind (so genannter Dreieckssachverhalt), das Besteuerungsrecht nicht ein und demselben Vertragsstaat zuweisen. Dass Dreieckssachverhalte schwierig zu lösen sind, ergibt sich aus der Natur von bilateralen Abkommen und musste den Vertragssaaten bei Abschluss der Doppelbesteuerungsabkommen bewusst gewesen sein.
37
Die Problematik stellt sich nach der Rechtsauffassung des Senats erst auf der Ebene der Anwendung von einzelnen abkommensrechtlichen Zuteilungsregeln (Verteilungsnormen), die festlegen, welche Besteuerungsverzichte die Vertragsstaaten jeweils leisten müssen. Kommt es bei der Anwendung konkreter Zuteilungsregeln dazu, dass das eine Abkommen das Besteuerungsrecht einem anderen Staat zuweist als das andere Abkommen (Kollision), ist zu klären, ob und ggf. welche der beiden Regelungen vorrangig anzuwenden ist.
38
Soweit das FA meint, dass der von ihm verfolgte Lösungsweg schon deshalb vorzugwürdig sei, weil er sich auch auf andere Einkunftsarten übertragen lasse, übersieht es, dass die maßgeblichen Zuteilungsregeln (Verteilungsnormen) häufig auf andere Kriterien abstellen als das Merkmal der Ansässigkeit. Es hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass die Vertragsstaaten der Ansässigkeit die ihm von dem FA angenommene  Bedeutung beigemessen hätten (Nichtanwendung ganzer Doppelbesteuerungsabkommen in Fällen doppelter oder mehrfacher Ansässigkeit). Auch wenn es zu den anerkannten Regeln der Gesetzesanwendung – auch im Steuerrecht – gehört, unbewusste und planwidrige Gesetzeslücken durch Gesetzesanalogie oder Rechtsanalogie zu schließen (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 50/01, BStBl II 2002, 575 m. w. Rechtsprechungsnachweisen), fehlt es hier an einer Gesetzeslücke, die nicht auf einer gesetzgeberischen Absicht beruht. Deutschland und die anderen Vertragsstaaten haben vielmehr bewusst den Weg vieler bilateraler und nicht nur eines multilateralen Abkommens gewählt.
39
3. Die Anwendung des DBA Deutschland-Frankreich führt im Streitfall dazu, dass Frankreich das Besteuerungsrecht zusteht.
40
Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Deutschland-Frankreich steht das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich dem Quellenstaat (hier: Deutschland) zu. Abweichend hiervon bestimmt Art. 13 Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines Vertragsstaates arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates haben (Grenzgänger), nur in diesem anderen Staat besteuert werden. Der Kläger erfüllt unstreitig alle Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm. Dies haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt.
41
4. Die sog. Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich ist entgegen der Auffassung des FA nicht durch das DBA Deutschland-Österreich gesperrt.
42
Das FA geht zutreffend davon aus, dass Art. 15 Abs. 1 DBA des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000, BGBl. 2002 II S. 2435, BStBl. 2002 I S. 958 (DBA Deutschland-Österreich) das Besteuerungsrecht für Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, Deutschland als Quellenstaat zuweist, wenn die Arbeit – wie im Streitfall – im Inland ausgeübt wird.
43
Damit liegen im Streitfall kollidierende Zuteilungsregeln vor.
44
5. Wie ein DBA-Dreieckssachverhalt in der im Streitfall gegebenen Konstellation zu lösen ist, wurde bisher – soweit ersichtlich – durch die Rechtsprechung noch nicht entschieden. Sinn und Zweck beider Abkommen ist es, zu verhindern, dass die in einem der Vertragsstaaten ansässige Person doppelt zu Steuern herangezogen wird. Es ergibt sich aus der Natur der bilateralen Abkommen, dass sie aufgrund ihrer bloß zweiseitigen Ausrichtung eine derartige Situation nur unzureichend regeln. Hierzu werden in der Literatur im Wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Die eine Ansicht nimmt eine Günstigerprüfung vor und wendet zugunsten des Steuerpflichtigen stets das für ihn günstigere DBA an, d.  h. hier im Ergebnis das DBA Deutschland-Frankreich. Eine andere Auffassung möchte dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zubilligen mit der Folge, dass der Kläger im Streitfall das für ihn günstigere DBA Deutschland-Frankreich wählen könnte. Beide Ansichten kommen einhellig zu dem Ergebnis, dass im Streitfall das Besteuerungsrecht Frankreich zusteht.
45
Das FA wendet insoweit zutreffend ein, dass von einem Wahlrecht nur dann ausgegangen werden kann, wenn dieses dem Kläger gesetzlich eingeräumt worden ist. Hierfür bieten beide Abkommen keinerlei Anhaltspunkte. Ebenso wenig enthalten sie Regelungen, aus denen sich ein Meistbegünstigungsprinz ableiten lässt. Mit den Doppelbesteuerungsabkommen verzichten die beteiligten Staaten nur in den dort geregelten Fällen zu Gunsten des anderen Vertragsstaats auf ihr Besteuerungsrecht.
46
Nach Auffassung des Senats ist die Kollision der beiden Normen nach den allgemeinen Regeln aufzulösen, die die Rechtsprechung für Fälle der Normenkonkurrenz entwickelt hat.
47
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung werden in Deutschland nur mittelbar über Art. 59 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in Form des jeweiligen Zustimmungsgesetzes angewendet. Sie erhalten dadurch innerstaatlich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.
48
Kollidieren zwei Regelungen im Rang eines einfachen Bundesgesetzes und enthält sich der Gesetzgeber – wie hier – einer eindeutigen Entscheidung, welche der beiden Normen vorrangig anzuwenden ist, ist die Normenkonkurrenz durch die Gerichte im Wege der Auslegung aufzulösen.
49
a. Eine Auslegung nach Maßgabe des jeweiligen Wortlauts führt im Streitfall nicht weiter.
50
Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Auslegung der Grenzgängerregelung in  Art. 13 Abs. 5 Buchst. a) DBA Deutschland-Frankreich könnte allenfalls das Tatbestandsmerkmal „ihre ständige Wohnstätte … haben“ sein. Aus der vergleichbaren Regelung in Art. 16 Abs. 6 Nr. 1 DBA Deutschland-Österreich, „ihren Wohnsitz … haben“, haben die Finanzverwaltungen geschlossen, dass die Grenzgängerregelung des DBA Deutschland-Österreich nur anwendbar sei, wenn der Grenzgänger nur einen Wohnsitz hat (Lang/Stefaner Debatin/Wassermayer Österreich, Stand: August 2012, Art. 15 Rz 16). Allerdings wurde eingeschränkt, dass diese Verständigungsvereinbarung nicht überzogen angewendet werden darf. Entsprechende Verständigungsvereinbarungen in Bezug auf die Grenzgängerregelung existieren jedoch – soweit ersichtlich – zwischen Deutschland und Frankreich nicht.
51
Eine derart einschränkende Auslegung lässt sich nach Auffassung des Senats dem Wortsinn des Possessivpronomens „ihre“ nicht entnehmen, das bei Art. 13 Abs. 5 Buchst. a) DBA Deutschland-Frankreich lediglich die Zugehörigkeit der ständigen Wohnstätte zu der Person bezeichnet. Es muss sich um seine und nicht um die Wohnstätte einer anderen Person handeln. Der Verwendung des Possessivpronomens kann nicht entnommen werden, dass die Person nur eine einzige Wohnstätte hat.
52
Das Abkommen stellt im Übrigen in Art. 13 Abs. 5 Buchst. a) DBA Deutschland-Frankreich nicht auf den abkommensrechtlichen Begriff der Ansässigkeit (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a) DBA Deutschland-Frankreich) ab, sondern setzt eine ständige Wohnstätte voraus, zu der die Person in der Regel jeden Tag zurückkehrt. Der von den Vertragsstaaten in Kenntnis der Tragweite dieses Begriffs vereinbarte klare Abkommenswortlaut begrenzt damit ein ausweitendes Verständnis des Begriffs „ihre ständige Wohnstätte“. Gemeint sind danach alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Die Wohnstätte ist eine „ständige“ i. S. des Abkommensrechts, wenn der Steuerpflichtige diese längerfristig nutzen kann und tatsächlich auch nutzt; eine ständige Wohnstätte setzt nicht ein ständiges Bewohnen der Wohnung oder ein Mindestmaß an Nutzung in jedem Veranlagungszeitraum voraus. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) DBA Deutschland-Frankreich erfordert aber, dass die natürliche Person über eine ständige Wohnstätte „verfügt“. Jemand verfügt über eine ständige Wohnstätte, wenn er die Möglichkeit hat, jederzeit (rechtmäßig) die Räumlichkeiten als Wohnstätte zu nutzen und sie tatsächlich nutzt (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 I R 40/97, BStBl II 1999, 207; FG Hamburg, Urteile vom 12. Juni 2008 5 K 81/06, EFG 2008, 1558 und vom 11. September 2012 2 K 23/12, Juris). Eine ständige Wohnstätte setzt nicht voraus, dass sie der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen ist (Wassermayer in Debatin/Wassermayer MA, Stand: August 2012, Art. 4 Rz 33).
53
Die Anwendung der Grenzgängerregelung scheitert somit nicht daran, dass der Kläger Wohnstätten in zwei Staaten hat (so auch zum DBA Schweiz BFH-Urteil vom 26. Oktober 1995 I B 205/94, BFH/NV 1996, 298).
54
b. Es ist mit der Rechtsnatur der Abkommen als völkerrechtlichen Verträgen grundsätzlich unvereinbar, die Normenkollision nach dem Rechtsgrundsatz „lex posterior derogat legi priori“ (Vorrang des späteren vor dem früheren Gesetz) zu lösen.
55
Nach inländischem Recht wurde bisher nach der wohl überwiegenden Rechtsauffassung der unilaterale „Bruch“ des völkervertragsrechtlich Vereinbarten (das sogenannte treaty overriding) zwar rechtstechnisch für möglich erachtet (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056 m. w. H.), weil völkerrechtliche Verträge der Bundesrepublik Deutschland innerstaatlich nur in Form des jeweiligen Zustimmungsgesetzes zu verbindlichem Recht werden, das durch spätere entgegenstehende gesetzliche Regelungen grundsätzlich geändert werden kann. Erforderlich ist hierbei jedoch, dass der Gesetzgeber bei dem Erlass des späteren Gesetzes eindeutig kenntlich gemacht hat, dass er sich über die Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens hinwegsetzen will (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Stand: November 2012, § 2 Rz. 2 mit umfangreichen Nachweisen). Fehlt – wie im Streitfall – eine spezielle, das DBA Deutschland-Frankreich bewusst derogierende Vorschrift, so ist (auch) das DBA Deutschland-Frankreich anzuwenden. Die Bundesrepublik Deutschland ist im Übrigen völkerrechtlich beiden Vertragspartnern in gleicher Weise zur Einhaltung der Abkommen verpflichtet.
56
Sinn und Zweck beider Abkommen ist es, zu verhindern, dass die in einem der Vertragsstaaten ansässige Person doppelt zu Steuern herangezogen wird. Keines der Abkommen enthält Bestimmungen, wie bei Dreieckssachverhalten zu verfahren ist. Es erscheint daher ausgeschlossen, dass sich der Gesetzgeber mit dem neueren Abkommen über Regelungen in dem älteren Abkommen im Sinne eines Treaty Overriding hinwegsetzen wollte. Andernfalls hätte der Gesetzgeber einen von ihm gewollten Vorrang des einen vor einem anderen Abkommen deutlich zum Ausdruck gebracht.
57
c. In derartigen Fällen der Gesetzeskonkurrenz kann eine der Normen einen weiteren (generellen) Anwendungsbereich haben als die konkurrierende speziellere Norm. Gemeinhin wird dann die Kollision nach dem Prinzip „lex specialis derogat legi generali“ (Vorrang des spezielleren vor dem allgemeineren Gesetz) aufgelöst.
58
In diesem Sinne ist unter systematischen Gesichtspunkten die Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich eine Ausnahmevorschrift von der in beiden Doppelbesteuerungsabkommen normierten Grundregel, dass das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich dem Quellenstaat zusteht (vgl. Art. 13 Abs. 1 DBA Deutschland-Österreich und Art. 15 Abs. 1 DBA Deutschland-Frankreich). In Ihren Grundsätzen stimmen beide Abkommen mit Art. 15 des OECD MA 2008 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen überein, das den allgemeinen Grundsatz enthält, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit von dem Staat besteuert werden, in dem die Arbeit tatsächlich ausgeübt wird (Tätigkeitsstaat). Beide Doppelbesteuerungsabkommen enthalten jedoch eine Grenzgängerregelung (vgl. Art. 15 Abs. 6 DBA Deutschland-Österreich und Art. 13 Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich). Hierbei handelt es sich um Sonderregelungen, die sich u. a. insoweit unterscheiden, als das DBA Deutschland-Österreich auf Personen abstellt, die „in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben“), während das DBA Deutschland-Frankreich von Personen spricht, die „im Grenzgebiet eines Vertragsstaats arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet des anderen Staates haben“. Beide Regelungen beruhen auf dem Prinzip der Besteuerung des Grenzgängers nur im Ansässigkeitsstaat. Art. 13 Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich geht den Abs. 1, 3 und 4 vor. Indem er als selbständige Rechtsfolge die Besteuerung von Arbeitnehmern im Wohnsitzstaat bestimmt, schließt er das Quellenstaatsprinzip aus. Dies gilt nach Wortlaut und Sinn der Regelung auch dann, wenn ein weiterer betroffener Staat – hier Österreich – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu Gunsten von Deutschland auf ein ihm zustehendes Besteuerungsrecht verzichtet hat. Das DBA Deutschland-Frankreich enthält keinen Hinweis, dass die Grenzgängerregelung nicht angewandt werden soll, wenn der Steuerpflichtige auch in einem Drittstaat eine Wohnstätte hat bzw. dort ansässig ist.
59
Entgegen der Auffassung des FA ist die Regelung in Art. 13 Abs. 5 DBA Deutschland-Frankreich geeignet, zu einer eindeutigen Bestimmung des Vertragsstaates zu führen, dem das Besteuerungsrecht zusteht. Denn es ist nicht vorstellbar, dass ein Steuerpflichtiger jeden Tag zu mehreren „ständigen Wohnstätten“ in unterschiedlichen Staaten zurückkehrt.
60
Deutschland hat sich im Streitfall damit aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages seines Besteuerungsrechts begeben.
61
Es wurde von dem FA weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass die Begründung eines Zweitwohnsitzes in Frankreich ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO darstellt.
62
Da die Klage bereits mit dem Hauptantrag Erfolg hat, erübrigt sich eine Entscheidung über den Hilfsantrag.
63
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
64
Die Revisionszulassung folgt aus § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO.
65
Der Kläger beantragt, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren liegt ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen ist. Der Kläger durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Nachweis der Grenzgängereigenschaft und Freistellung für einer Betriebsstätte in der Schweiz zuzurechnende freiberufliche Dienstleistungeinkünfte

FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.9.2012, 3 K 994/09

Pflicht zur Mitwirkung hinsichtlich des Nachweises der Grenzgängereigenschaft – Beibehaltung der Freistellung für einer Betriebsstätte in der Schweiz zuzurechnende freiberufliche Dienstleistungeinkünfte nach Änderung des § 20 Abs. 2 AStG durch das JStG 2010

Tenor

 

1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wird die Einkommensteuer auf EUR festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger und die Klägerin sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 2005 (Streitjahr) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Die Kläger haben zwei leibliche Kinder, die Söhne C (geb. xx.xx.xxxx) und D (geb. xx.xx.xxxx). Die Kläger wohnten im Streitjahr in X / Deutschland/Markgräflerland (… straße). Im Schreiben der Kläger vom 23. Oktober 2006 (Bl. 31/2004 der Einkommensteuerakten Band II -ESt-Akten II-) wird die vorgenannte Anschrift als „Familienwohnsitz“ bezeichnet.
2

Entscheidungsgründe

39
Die Klage ist im Wesentlichen unbegründet (siehe nachfolgend zu I.) und zu einem geringen Teil begründet (siehe nachfolgend zu II.).
40
I. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger mit seinen Einkünften aus der Tätigkeit als leitender Arzt beim … dienst in Y/CH in vollem Umfang der Besteuerung im Inland unterliegt.
41
1. Der Kläger war im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der in Streitjahren geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes -EStG 2005- unbeschränkt einkommensteuerpflichtig; er unterlag daher mit allen im Streitjahr erzielten (Welt-)Einkünften der Einkommensteuer (BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 I R 22/06, BStBl II 2007, 812). Er hatte -wie für die Annahme der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erforderlich- im gesamten Streitjahr einen Wohnsitz im Inland.
42
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2005 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
43
a) Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung muss die natürliche Person die Wohnung nicht zwingend selbst innehaben. Sie kann die Wohnung auch durch ihre Familienangehörigen, insbesondere durch den Ehegatten, innehaben (so bereits: Entscheidung des Reichsfinanzhofs -RFH- vom 10. März 1937 VI A 631/36, Reichssteuerblatt -RStBl- 1937, 498; BFH-Urteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351). Daher spricht eine Vermutung dafür, dass Ehegatten ihren Wohnsitz im Regelfall dort haben, wo die Familie ihren Wohnsitz hat (BFH-Entscheidungen vom 6. Februar 1985 I R 23/82, BStBl II 1985, 331; vom 2. November 1994, I B 110/94, BFH/NV 1995, 753; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 24. September 1965 1 BvR 131/65, Der Betrieb -DB- 1965, 1886, juris). Das setzt voraus, dass die Wohnung auch für den nicht dauernd dort lebenden Familienangehörigen bestimmt ist und dieser die Wohnung ebenfalls als sein Heim betrachtet (RFH-Entscheidung in RStBl 1937, 498; BFH-Urteile vom 29. Oktober 1959 IV 129/58 S, BStBl III 1960, 61; vom 3. März 1978 VI R 195/75, BStBl II 1978, 372; vom 30. August 1989 I R 215/85, BStBl II 1989, 956). Es muss alles dafür sprechen, dass die Person bei sich bietender Gelegenheit zu ihrer Familie zurückkehren wird, um dort gemeinsam mit der übrigen Familie zu wohnen (BFH-Urteil in BStBl III 1960, 61). Kehrt sie stets nur zurück, um die Familie zu besuchen, so besteht kein gemeinsamer Familienwohnsitz (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294). Wie oft und in welchen Zeitabständen die Person zurückkehrt, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die Person anderswo einen (weiteren) Wohnsitz hat oder dass sie nach der Rückkehr stets nur kurzfristig in der Familienwohnung verweilt (Stapperfend in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 1 Anm. 65 und 69 mit umfangreichen Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung).
44
b) Danach kann im Streitfall davon ausgegangen werden (BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2), dass der Kläger im Streitjahr seinen Wohnsitz im Gebäude … straße in X / Deutschland hatte. Dort wohnte seine Familie: Seine (von ihm nicht dauernd getrennt lebende) Ehefrau und die gemeinsamen (im Streitjahr noch minderjährigen) Kinder C und D, mit denen im Streitjahr eine häusliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestand. Das Gebäude hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau im Jahr 2001 zu je ½ Miteigentumsanteil als Heimstatt für seine Familie erworben. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen der Regel, dass ein Ehepartner die Wohnung, in der seine Familie wohnt, auch benutzen wird und daher auch dort seinen Wohnsitz hat, die Wohnung in X / Deutschland nicht benutzt habe, liegen im Streitfall nicht vor. Der Kläger selbst bezeichnet im Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 die Wohnung in X / Deutschland als seinen Familienwohnsitz.
45
Der Annahme eines Familienwohnsitzes im Inland steht auch nicht entgegen, dass der Kläger am 1. August 2004 seine Tätigkeit als leitender Arzt beim … dienst der Universität Y/CH aufgenommen hat, nachdem er zuvor als Oberarzt bei den Krankenhaus G/CH (und damit in unmittelbarer Näher zum Familienwohnsitz in X / Deutschland) tätig war. Denn die Vermutung, dass ein Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Inland am Wohnsitz seiner Familie hat, gilt auch dann (weiter), wenn ein Arbeitnehmer, der im Ausland versetzt wird, seine Wohnung im Inland beibehält, deren Benutzung ihm jederzeit möglich ist und die dergestalt ausgestattet ist, dass sie ihm jederzeit als Bleibe dienen kann (BFH-Urteil in BStBl II 1996, 2). Für eine hiervon abweichende tatsächliche Würdigung wurde vom Kläger nichts vorgetragen. Des Weiteren ergibt auch der sonstige Inhalt der dem erkennenden Senat vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit von seinen Tätigkeitsorten in Y/CH bzw. ab dem 1. Oktober des Streitjahres auch von U/Kanton Z/CH aus nach X / Deutschland zurückkehrte, um dort gemeinsam mit seiner Familie zu wohnen. Seine Aufenthalte in X / Deutschland hatten nach den Gesamtumständen des vorliegenden Einzelfalles nicht lediglich den Charakter von Besuchen, die der Annahme eines Wohnsitzes des Klägers in der Wohnung seiner Familie allerdings entgegenstünden.
46
2. Das FA hat zutreffend angenommen, dass die Einkünfte des Klägers aus der (unselbständigen) Tätigkeit für den FDP gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1992 der deutschen Steuer unterliegen.
47
a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist (siehe nachfolgend zu b). Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 entfällt bei einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung im anderen Vertragsstaat während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (sog. Nichtrückkehrtage) -siehe nachfolgend zu c-.
48
b) Der Kläger war im Streitjahr schon deshalb im Inland ansässig im Sinne des Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992, weil er in X / Deutschland im Gebäude … straße über eine ständige Wohnstätte verfügte (Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Schweiz 1971 -s. nachfolgend zu aa) und bb)-) und im Übrigen zur Bundesrepublik Deutschland die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hatte (Mittelpunkt der Lebensinteressen; Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a Satz 2 DBA-Schweiz 1971 -s. nachfolgend zu cc) und dd)-).
49
aa) Eine Wohnstätte ist eine „ständige“ i.S. des Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971, wenn sie auf Grund einer langfristigen Rechtsposition ständig genutzt werden kann und tatsächlich regelmäßig genutzt wird. Dabei ist einerseits weder ein ständiges Bewohnen noch ein Mindestmaß an Nutzung Voraussetzung für das Vorliegen einer ständigen Wohnstätte; ebenso muss sich dort nicht der Mittelpunkt der Lebensinteressen des betreffenden Steuerpflichtigen befinden. Andererseits reicht eine nur gelegentliche Nutzung nicht aus (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 I R 40/97, BStBl II 1999, 207). Erforderlich ist vielmehr eine Art und Intensität der Nutzung, welche die Wohnung als eine nicht nur hin und wieder aufgesuchte, sondern in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle des Steuerpflichtigen erscheinen lässt. Darin liegt die Qualifizierung der „ständigen Wohnstätte“ gegenüber dem „Wohnsitz“ i.S. des § 8 AO, für dessen Begründung es ausreichen kann, dass eine Wohnung ständig zur Nutzung bereitgehalten und tatsächlich nur von Fall zu Fall genutzt wird (BFH-Urteile vom 5. Juni 2007 I R 22/06, BStBl II 2007, 812; vom 24. Januar 2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402).
50
bb) Der Kläger hatte im Streitjahr im Inland eine Wohnstätte. Wohnstätte sind alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Diese Merkmale erfüllt zweifelsohne der Familienwohnsitz des Klägers im Gebäude … straße in X / Deutschland. Der Familienwohnsitz in X / Deutschland diente dem Kläger auch als „ständige“ Wohnstätte, weil der Kläger aufgrund seines (Mit-)Eigentumsrechts ständig über diese verfügen konnte und diese auch zweifelsfrei häufig und regelmäßig im Streitjahr nutzte.
51
cc) Bei der Entscheidung der Frage, wo der Kläger den Mittelpunkt der Lebensinteressen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a Satz 2 DBA-Schweiz 1971 im Streitjahr hatte, geht es darum, zu welchem Staat er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hatte. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen hat der BFH mehrfach Entscheidungen getroffen (s. die Entscheidungen vom 28. November 2007 I B 79/07, juris; vom 23. Oktober 1985 I R 274/82, BStBl II 1986, 133; vom 31.Oktober 1990 I R 24/89, BStBl II 1991, 562; vom 17. Juli 2002 I B 119/01, BFH/NV 2002, 1600; vom 27. März 2007 I B 63/06, BFH/NV 2007, 1656). Diese Entscheidungen stehen in Übereinstimmung mit Nr. 15 Satz 2 des Musterkommentars zu Art. 4 des OECD-Musterabkommens aus dem Jahr 1977 (OECD-MA), wonach die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen der Person, ihre berufliche, politische, kulturelle und sonstige Tätigkeit, der Ort ihrer Geschäftstätigkeit, der Ort, von wo aus sie ihr Vermögen verwaltet, und ähnliches zu berücksichtigen ist, wobei die Umstände als Ganzes zu prüfen sind. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist damit auf der Grundlage einer zusammenfassenden Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Beziehungen im konkreten Fall zu ermitteln (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 4 MA Rz 70). Einer auf den einzelnen Steuerpflichtigen bezogenen zusammenfassenden Wertung ist eine bestimmende (allgemeine) Rangordnung der Kriterien fremd (BFH-Beschluss I B 79/07, juris).
52
dd) Bei der Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers zur Bundesrepublik Deutschland einerseits und zur Schweiz andererseits sprechen alle für den Senat -unter Berücksichtigung der Verletzung der Mitwirkungspflichten durch die Kläger (Hinweis auf die richterliche Anordnung vom 17. November 2010 zu I.)- erkennbaren Umstände dafür, dass die ständige Wohnstätte des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland in X / Deutschland der für ihn bedeutungsvollere Ort war. Dort lebte seine Familie und dort verfügte er über eine ständige Wohnstätte, die in der Form eines eigenen Wohnhauses seine besondere Bindung gerade zu dieser Wohngelegenheit zum Ausdruck brachte. Der Kläger hatte zur Bundesrepublik Deutschland auch wirtschaftliche Beziehungen. Diese bestanden einmal in der Form des (Mit-) Eigentums an dem Wohnhaus … straße in X / Deutschland, das der Kläger mit einem erheblichen finanziellen Aufwand erworben hat. Außerdem übte der Kläger im Inland auch noch eine -wenn auch bescheidene- Tätigkeit im Rahmen eines … handels aus. Im Übrigen wurden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von einem anderen Ort als X / Deutschland sein Vermögen verwaltete, vorgetragen und solche sind auch aus den, dem erkennende Senat vorliegenden, Akten nicht ersichtlich. Demgegenüber besaß der Kläger im Streitjahr zur Schweiz nur wirtschaftliche Beziehungen durch seine nichtselbständige Tätigkeit für das … dienst in Y/CH und ab dem 1. Oktober dazu noch durch seine selbständige Tätigkeit als xxxx in seiner Praxis in U/Kanton Z/CH. Eine (besonders enge) persönliche Bindung an die Schweiz lässt sich auch im Hinblick auf die ihm (angeblich) zur Nutzung zur Verfügung stehenden Wohngelegenheiten an seinen Tätigkeitsorten in U/Kanton Z/CH und in Y/CH, zu denen der Kläger sich jeden substantiierten Vortrags enthalten hat, nicht erkennen. Angesichts dessen stellen sich die geschäftlichen Beziehungen zur Schweiz insoweit lediglich als gegenwartsbezogen dar, weil sie dem auf Dauer angelegten Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Bundesrepublik Deutschland eine ausreichende finanzielle Grundlage verschaffen sollen.
53
c) Der Kläger ist hinsichtlich seiner Tätigkeit für den … dienst Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992, weil mangels eines Nachweises davon auszugehen ist, dass er im Streitjahr nicht an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz in X / Deutschland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).
54
aa) Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 5 des Gesetzes vom 30. September 1993 zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zum DBA-Schweiz 1971 -Zustimmungsgesetz- (BGBl II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927) hat der Arbeitgeber nach amtlich vorgeschriebenem Muster (vgl. hierzu: BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683, Rz 18 i.V.m. Anlage Gre-3a [S. 703 ff. a.a.O.]) die Tage der Nichtrückkehr auf Grund der Arbeitsausübung zu bescheinigen, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr Grenzgänger ist (Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1992). Nach Nr. II. 5 Satz 1 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 -Verhandlungsprotokoll- (BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929) ist die Bescheinigung des Arbeitgebers über die Tage der Nichtrückkehr mit einem Sichtvermerk der für den Arbeitsort zuständigen Finanzbehörde zu versehen.
55
Diese Bescheinigung schließt Ermittlungen der für den Wohnsitz zuständigen Finanzbehörde nicht aus (Nr. II. 5 Satz 2 des Verhandlungsprotokolls). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist die Bescheinigung im Inland weder für das Finanzamt noch für das Finanzgericht verbindlich (BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 4/10, BFH/NV 2011, 800 zu II. 2.a, m.w.N.). Nach Schweizer Rechtsauffassung wird mit der Bescheinigung des Arbeitgebers auf dem amtlichen Vordruck Gre-3a (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683, 703) der Nachweis der Nichtrückkehrtage grundsätzlich erbracht, und nur in Ausnahmefällen hat die (Schweizerische) Steuerbehörde das Recht, die bescheinigten Nichtrückkehrtage zu überprüfen (Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Band 8 B 15 a.2 Nr. 31 Ziff. 3 Buchstabe c Doppelbuchst. aa).
56
bb) Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast bzw. Darlegungslast) dafür, dass er -z.B. wegen einer Übernachtung in der Schweiz- an einem Arbeitstag nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist und im Übrigen auch dafür, dass dies auf Grund der Arbeitsausübung in der Schweiz geschehen ist (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 800).
57
cc) Eine Entscheidung nach den zuvor dargelegten Beweislastregeln kommt allerdings nicht in Betracht, wenn die mangelnde Sachaufklärung darauf beruht, dass der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt, die gerade dem Zweck dienen sollen, solche Mängel zu vermeiden. Wirkt der Steuerpflichtige nicht mit (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO), mindert sich die Verpflichtung des Finanzgerichts zur Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und das Beweismaß (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 800 zu II. 2.b cc; vom 30. Juli 2003 X R 28/99, BFH/NV 2004, 201). Das Finanzgericht kann sich damit begnügen, zu einem geringeren Grad als nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geboten, davon überzeugt zu sein, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt bzw. nicht vorliegt. Berühren die verletzten Mitwirkungspflichten Tatsachen oder Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich (der alleinigen Interessenssphäre) des Steuerpflichtigen, kann das Finanzgericht aus diesem Verhalten des Steuerpflichtigen für diesen nachteilige Schlüsse ziehen. Es kann auch einen für den Steuerpflichtigen belastenden Sachverhalt im Rahmen der Beweiswürdigung unterstellen, um zu vermeiden, dass demjenigen, der sich seinen Mitwirkungspflichten entzieht, daraus ein Vorteil entsteht. Als Kriterien für die Minderung der Sachaufklärungspflicht und des Beweismaßes sind die Schwere der Pflichtverletzung, die Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit sowie das vorausgegangene Tun des Steuerpflichtigen und insbesondere die Beweisnähe heranzuziehen. Die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Aufklärung des Sachverhalts ist umso größer und die des Finanzgerichts umgekehrt umso geringer, je mehr Tatsachen und Beweismittel der von Steuerpflichtigen beherrschten Informations- und Tätigkeitssphäre angehören (BFH-Urteile vom 9. Juni 2005 IX R 75/03, BFH/NV 2005, 1765; vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462).
58
dd) Bei einem Sachverhalt, der sich auf Vorgänge im Ausland bezieht, obliegt dem Steuerpflichtigen eine erhöhte Aufklärungs-, Mitwirkungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO). Der betroffene Steuerpflichtige muss in einem solchen Fall Beweismittel beschaffen (BFH-Beschluss vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297) und ggf. Beweisvorsorge treffen (BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2007  X B 34/07, BFH/NV 2008, 597) und z.B. einen im Ausland ansässigen Zeugen -ohne Ladung durch das Gericht- zu einer Sitzung des Finanzgerichts stellen (BFH-Beschluss vom 11. November 2005 II B 101/04, BFH/NV 2006, 577).
59
Des Weiteren muss der Steuerpflichtige eine erschöpfende, sowohl im Detail wie im Zusammenhang vollständige und wahrheitsgemäße, durch das Gericht überprüfbare und für eine richtige Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ausreichende Gesamtdarstellung des konkreten steuerrelevanten Sacherhalts geben (Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 90 AO Rz 152 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Ist die Pflicht nach § 90 Abs. 2 AO (i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO) verletzt und lässt sich der Sachverhalt nicht anderweitig aufklären, kann das Gericht zum Nachteil des mitwirkungsverpflichteten Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung von dessen Beweisnähe und Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (Thürmer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 76 FGO Rz 120 mit umfangreichen Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung).Hierfür ist insbesondere die Erwägung maßgebend, dass demjenigen, der seinen ihm obliegenden allgemeinen und besonderen Mitwirkungs-, Informations- und Nachweispflichten nicht nachkommt, aus seinem Verhalten kein Vorteil entstehen darf; zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses sind auch belastende Unterstellungen oder nachteilige Schlüsse im Rahmen der Beweiswürdigung gerechtfertigt (BFH-Urteile vom 13. November 1985 I R 7/85, BFH/NV 1986, 638, Entscheidungsgründe zu 3.c; in BStBl II 1989, 462; von Groll in: Gräber, FGO, Kommentar, 7. Aufl., § 96 Rz 12; jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung)
60
ee) Eine Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) der Anzahl der Nichtrückkehrtage i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 durch das Finanzgericht ist nach Auffassung des BFH nicht zulässig (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 800, zu II.2.b cc bbb).
61
ff) Im Streitfall sind die Kläger ihren prozessualen Mitwirkungs- Informations- und Nachweispflichten in einer besonders gravierenden Weise nicht nachgekommen.
62
aaa) Mit ihrer Klage begehren die Kläger, dass der Kläger mit seinen vom … dienst bezogenen Einkünften aus unselbständiger Arbeit im Inland von der Einkommensteuer freigestellt werde, weil er an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz in X / Deutschland zurückgekehrt sei (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Der Kläger hat trotz mehrfacher Aufforderungen durch das FG (Hinweis auf die richterliche Anordnung in Zusammenhang mit der Ladung zum Erörterungstermin) und das FA (s. u.a. dessen Schreiben vom 8. Dezember 2008) nicht die gesetzlich vorgeschriebene Bescheinigung seines Arbeitgebers (des … dienst der Universität Y/CH) i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Satz 5 des Zustimmungsgesetzes vorgelegt, in der für das Streitjahr die Tage der Nichtrückkehr an seinen Wohnsitz in X / Deutschland aufgrund seiner Arbeitsausübung für den … dienst dargelegt werden. Hierzu wäre es notwendig gewesen, dass der Kläger -wie im amtlichen Vordruck zur Arbeitgeberbescheinigung ausdrücklich verlangt (s. BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 [705 und 706])- auf einem gesonderten Blatt eine Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage unter Angabe des jeweiligen Datums eingereicht hätte. Warum diese Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage und die vom Arbeitgeber des Klägers unterschriebene Bescheinigung nicht vorgelegt wurden, wurde vom Kläger nicht dargelegt.
63
bbb) Des Weiteren hätte in der zuvor erwähnten -auf einem gesonderten Blatt zu erstellenden- Einzelaufstellung (s. BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 [706]) der Ort angegeben werden müssen, an dem sich der Kläger an den einzelnen Tagen der Nichtrückkehr jeweils aufgehalten hat und schließlich auch der Anlass der Nichtrückkehr. Hierzu hätten insbesondere deshalb Angaben gemacht werden müssen, weil der Kläger im Streitjahr eine selbständige freiberufliche Tätigkeit im Sinne von Art. 14 DBA-Schweiz 1971 als xxx xxxx in U/Kanton Z/CH (Entfernung Y-U: ca. 92 km; U-X / Deutschland: ca. 66 km, s. die Routenplaner lt. Bl. 5 und 6 der Rb-Akten) aufgenommen hat (s. Erhard in: Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Kommentar, Art. 14 ABC der Freiberufler Rz 126 [S. 43]) und Tage, an denen er auf Grund dieser Tätigkeit nicht an seinen Wohnsitz in X / Deutschland zurückgekehrt ist, bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 nicht zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 11. November 1009 I R 15/09, BStBl II 2010, 602). Insoweit fehlt es an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen durch das Gericht überprüfbaren Darlegung eines für die Annahme von Nichtrückkehrtagen i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 sprechenden Sacherhalts (Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § xx AO Rz 152).
64
ccc) Im Übrigen hat der Kläger auch im Gegensatz zu seinen prozessualen Mitwirkungspflichten keine Angaben zu den Ausführungen der Chefärztin im Schreiben im Schreiben vom 25. April 2005 gemacht, nach denen seine Anwesenheit unter der Woche in Y aus dienstlichen Gründen „wegen der kurzfristigen Erreichbarkeit und Einsatzbereitschaft obligat“ gewesen sei.
65
Nach der Rechtsprechung des BFH (s. die Urteile vom 27. August 2008 I R 10/07 BStBl II 2009, 94; I R 64/07, BStBl II 2009, 97) ist es -auf der Basis der jeweils getroffenen Abmachungen und deren tatsächlicher Durchführung- gerade bei Ärzten möglich, dass bei einer mehrtägigen, ohne Unterbrechung ausgeübten Tätigkeit eines Arbeitnehmers (i.S. einer „Einsatzbereitschaft“) nicht jeder Tag, an dem der Arbeitnehmer an seinen Wohnsitz im Inland nicht zurückgekehrt ist, als Nichtrückkehrtag i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 zählt, weil ein mehrtägiger Einsatz vielmehr als eine „Arbeitseinheit“ zu behandeln ist (Hinweis auf Pikettdienste, Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste; vgl. hierzu: Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., a.a.O., Art. 15a Rz 38-41 mit umfangreichen Nachweisen). Der Kläger wurde deshalb zusammen mit der Ladung zum Erörterungstermin und unter Hinweis auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 17. Juli 2009 S 130.1/670 – St 217 (Internationales Steuerrecht -IStR- 2010, 662), mit denen die in den BFH-Urteilen in BStBl II 2010, 94 und 97 dargelegten Rechtsgrundsätze umgesetzt werden sollten, aufgefordert, zu der „Einsatzbereitschaft“ Unterlagen vorzulegen (Arbeitszeitlisten und Dienstpläne zu Pikettdiensten und Rufbereitschaften usw.; s. Art. 115 ff. der Personalverordnung vom 18. Mai 2005 -PV- des Regierungsrats des Kantons Y, Bl. 64 ff. der FG-Akten) und darüber hinaus weitere Angaben zur tatsächlichen Gestaltung der im Schreiben der Chefärztin vom 25. April 2005 erwähnten Einsatzbereitschaft zu machen (insbesondere auch zur sog. Interventionszeit). Auch diese Aufforderung blieb ergebnislos. Warum diese Aufforderung nicht befolgt wurde, wurde nicht dargelegt.
66
ddd) In der „Bestätigung“ der Chefärztin vom 25. April 2005 wird wohl im Hinblick auf die angeblichen Nichtrückkehren des Klägers auf mindestens zwei dienstliche Pflichtveranstaltungen in der Woche mit einer Dauer bis 22.00 Uhr und länger verwiesen und im Übrigen darauf, dass der Dienstbeginn des Klägers um 8.00 Uhr sei (vgl. hierzu Art. 125 PV).
67
Nach Art. 124 PV beträgt die Arbeitszeit (für das gesamte Kantonspersonal -zu dem auch der Kläger als Angestellter der Universität Y/CH gehört-) bei einem Beschäftigungsgrad von 100 % (wie im Falle des Klägers: s. den Anstellungsvertrag vom 28. April 2004) 42 Stunden pro Woche. Im Übrigen beträgt die Entfernung zwischen dem Arbeitsort des Klägers in Y und seinem Wohnsitz in X / Deutschland nach den zutreffenden Ermittlungen des FA ca. 100 km und die Fahrtdauer ca. 1 Stunde (s. die Angaben im Routenplaner, Bl. 9 der ESt-Akten S). Um hieran anschließend den Umfang der tatsächlichen Arbeitszeit (unter Berücksichtigung eines evtl. Freizeitausgleichs) feststellen zu können, die je nach Gestaltung ein Indiz für eine Nichtrückkehr auf Grund der Arbeitsausübung an einem Arbeitstag hätte sein können im Rahmen der Entscheidung des Senats nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), wurde der Kläger durch den Berichterstatter u.a. darum gebeten, einen Bediensteten der Universität Y/CH, der zu den vereinbarten und durchgeführten Diensten Angaben machen kann, in den Gerichtstermin zu stellen. Diese Aufforderung blieb ergebnislos. Gründe hierfür wurden vom Kläger nicht dargelegt.
68
eee) Der Kläger ist im Übrigen insoweit seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, als er, wie sich schon aus den zuvor dargelegten Erwägungen ergibt, keine -in Nr. II.5. Satz 1 des Verhandlungsprotokolls erwähnte- Arbeitgeberbescheinigung über die Nichtrückkehr an mehr als 60 Arbeitstagen versehen mit einem Sichtvermerk derkantonalen Steuerverwaltung des Kantons Y (der für den Arbeitsort des Klägers in Y/CH zuständigen Finanzbehörde) vorgelegt hat.
69
fff) Schließlich haben die Kläger ihre prozessualen Mitwirkungspflichten dadurch verletzt, dass sie, obwohl ihr persönliches Erscheinen zum Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats zur Klärung der sich im vorliegenden Streitfall stellenden Tat- und Rechtsfragen (Hinweis auf die zusammen mit der Ladung verfügten richterlichen Anordnungen) bestimmt worden war, ohne Angabe von (irgendwelchen) Gründen nicht erschienen sind und darüber hinaus durch ihren Prozessbevollmächtigten erklären ließen, dass sie auch an evtl. weiteren Gerichtsterminen nicht teilnehmen werden. Insoweit hat der Kläger seine (Informations-)Pflichten unterlaufen, ggf. im Anschluss an entsprechende Fragen des Gerichts, eine erschöpfende, sowohl im Detail wie im Zusammenhang vollständige und wahrheitsgemäße durch das Gericht überprüfbare und für eine richtige Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ausreichende Gesamtdarstellung des konkreten steuerrelevanten Sacherhalts zu geben (Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 90 AO Rz 152).
70
ee) Im Anschluss an die zuvor dargelegten Verletzung der prozessualen Mitwirkungs-, Informations- und Nachweispflichten durch den (bzw. die) Kläger ist der erkennende Senat mit einem geringeren Maß als nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geboten, davon überzeugt (Heuermann, Die Steuerliche Betriebsprüfung 2005, 371), dass der Kläger nicht an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung für den … dienst nicht an seinen Wohnsitz in X / Deutschland nicht zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Eine hiervon abweichende Entscheidung zugunsten des Klägers mit der Annahme von mehr als 60 Nichtrückkehrtagen i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 wäre im Übrigen wegen der durch die Kläger verursachten Unaufgeklärtheit des entscheidungserheblichen Sachverhalts nur auf der Grundlage einer Schätzung i.S.v. § 162 Abs. 1 AO möglich. Eine solche Schätzung (von Nichtrückkehren an den Wohnsitz des Klägers im Inland) ist jedoch, wie der BFH im Urteil in BFH/NV 2011, 800 ausgeführt hat, rechtlich nicht zulässig. Im Übrigen entspricht die Annahme des erkennenden Senats nach einer freien Überzeugungsbildung, der Kläger habe nicht mehr als 60 Nichtrückkehrtage i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 verwirklicht, dem allgemeinen Prozessgrundsatz, dass die Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken müssen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) und die Aufklärung eines unklaren Sachverhalts vor allem Sache desjenigen ist, der dem Sachverhalt -wie im Streitfall der Kläger- am nächsten steht, weshalb ihn der Nachteil treffen soll und muss, wenn ein solcher Sachverhalt nicht restlos aufgeklärt werden kann (BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 638, Entscheidungsgründe zu 3.c).
71
3. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit auf Grund der Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz 1992 ist damit nicht wegen der 60-Tage-Regelung in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 entfallen. Der Kläger unterliegt als Grenzgänger mit seinen Einkünften aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 der Einkommensteuer. Die vom Arbeitgeber des Klägers nicht auf der Grundlage der für den Einbehalt von Quellensteuer vom Arbeitslohn für Grenzgänger geltenden Vorschrift von Art. 15a Abs. 3 Buchstabe b DBA-Schweiz 1992 und sonach abkommenswidrig vom Arbeitslohn des Klägers einbehaltene und an die ESTV abgeführte Quellensteuer ist -entgegen der Auffassung des Klägers (s. dessen Schriftsatz vom 14. Januar 2011, Bl. 135 der FG-Akten)- nicht gemäß § 34c EStG 2005 auf die Einkommensteuer anzurechnen (Art. 15a Abs. 3 Buchstabe a DBA-Schweiz 1992; inzwischen ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. Entscheidungen vom 2. März 2010 I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820; vom 8. Dezember 2010 I R 92/09, BStBl II 2011, 488; vom 1. Juli 2009 I R 113/08, BFH/NV 2009, 1992).
72
II. 1.a) Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind in Übereinstimmung mit den Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 14. März 2011 gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 2005 dessen Aufwendungen für die Wege zwischen seiner Wohnung in X / Deutschland und seiner Arbeitsstätte in Y/CH noch zu berücksichtigen. Die Entfernungspauschale von 0,30 EUR ist allerdings nicht auf die Grundlage von 220 Arbeitstagen und einer Entfernung von xx Kilometer zwischen Wohnung des Klägers in X / Deutschland und dessen Arbeitsort in Y/CH anzuwenden (insgesamt: x.xxx EUR). Der erkennende Senat geht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des vorliegenden Verfahrens gewonnenen Überzeugung davon aus (s. die Erwägungen zu 2.c), dass dem Kläger insoweit Aufwendungen entstanden sind, die in Höhe der Jahresgrenze von 4.500 EUR (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 2 EStG 2005) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu behandeln sind. Nachweise dafür, dass über die Jahresgrenze hinaus Aufwendungen anzusetzen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 EStG 2005 -bei Benutzung eines eigenen oder dem Kläger zur Nutzung überlassen Kraftwagen- bzw. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG 2005 -bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln-), hat der Kläger nicht vorgelegt, so dass es beim Ansatz von Werbungskosten in Höhe der Jahresgrenze verbleibt, zumal der Prozessbevollmächtigte im Erörterungstermin vom 17. Januar 2011 angegeben hat, der Kläger sei mit der Eisenbahn gefahren.
73
b) Die vom Kläger noch geltend gemachten Aufwendungen für die Miete von Wohnräumen in U/Kanton Z/CH bzw. in Y/CH können schon deshalb nicht einkommensteuermindernd berücksichtigt werden, weil der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten (Hinweis auf die verschiedenen Aufklärungsanordnungen des FA und auf die richterliche Anordnung in Zusammenhang mit der Ladung zum Erörterungstermin mit Aufforderung, Angaben zur Nutzung, Einrichtung und Ausstattung der behaupteten Räumlichkeiten, die anderen Vertragsparteien als Zeugen zu stellen usw.) in gravierender Weise verletzt hat. Der erkennende Senat geht insoweit nach seiner freien Überzeugungsbildung davon aus (BFH-Urteil in BFH/NV 1985, 638, Entscheidungsgründe zu 3.c), dass die Vereinbarung eines auch tatsächlich durchgeführten Mietverhältnisses nicht angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der erkennende Senat, dass der Kläger dem FG für die Anmietung einer Wohnung in U/Kanton Z/CH kein Mietvertrag, keine Angaben zur Lage und der (inneren) Gestaltung der Wohnung und keine Darlegungen und Nachweise zur Mietzahlung vorgelegt wurden.
74
2. Zu Unrecht hat das FA die Einkünfte des Klägers aus seiner ab dem 1. Oktober des Streitjahres in U/Kanton Z/CH ausgeübten freiberuflichen Praxis als xxx xxxx der Besteuerung im Inland unterworfen.
75
a)Der Kläger, der in X / Deutschland und damit im Inland ansässig ist und deswegen hier mit seinen (gesamten) Einkünften (sog. Welteinkommensprinzip) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG), erzielt mit seinem Gewinn aus der in U/Kanton Z/CH ausgeübten Tätigkeit als xxx xxxx infolgedessen Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. Erhard in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 14 Rz 126 ABC der Freiberufler Stichworte: Psychologe, Psychotherapeut/Psychoanalytiker; Schmidt/Wacker, EStG, Kommentar, 32,. Aufl., § 18 Anm. 155 Stichworte: Psychotherapeut/Psychologe; jeweils mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Um eine doppelte Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland als Wohnsitzstaat und in der Schweiz als dem Staat, in dem die feste Einrichtung liegt, zu vermeiden, haben sich beide Staaten jedoch abkommensrechtlich und völkerrechtlich verbindlich im DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht für die der festen Einrichtung in der Schweiz zuzurechnenden Einkünfte gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 der Schweizerischen Eidgenossenschaft zuzuweisen. In der Bundesrepublik Deutschland sind diese Einkünfte nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c Halbsatz 1 DBA-Schweiz 1971 von der Steuer befreit (unter Progressionsvorbehalt i.S.v. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2005).
76
b) Dieser Steuerbefreiung steht nicht die Vorschrift des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) entgegen.
77
Allerdings bestimmt § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AStG a.F. (in der ursprünglich im Streitjahr geltenden Fassung -vgl. hierzu eine selbständige Arbeit in der Schweiz betreffend: Günther/Simader/Tüchler, IStR 2009, 490, zu 3.-), dass abweichend von der zuvor dargelegten Abkommenslage die Doppelbesteuerung von hier in Rede stehenden (freiberuflichen) Einkünften für die Erbringung von Dienstleistungen i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a AStG (i.V.m. § 20 Abs. 2 AStG a.F.; Reiche in: Haase, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., 2012, I AStG § 8 Rz 47-53), die in der ausländischen Betriebsstätte (festen Einrichtung) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen anfallen, nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen (Quellen-)Steuern zu vermeiden ist (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Juni 2010, Bundestags-Drucksache -BT-Drs- 17/2249, Begründung zu Artikel 7 [AStG] zu Nummer 2 [§ 20 Absatz 2 Satz 2 – neu] S. 85).
78
Diese Rechtslage hat inzwischen durch den Gesetzgeber eine Änderung erfahren. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG in der Fassung von Art. 7 Nr. 3 des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) -JStG 2010- gilt das zuvor Dargelegte nicht, soweit in der ausländischen Betriebsstätte (festen Einrichtung) Einkünfte anfallen, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. ist dabei in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer -wie z.B. im  Streitfall- noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 21 Abs. 19 Satz 2 AStG n.F. (in der Fassung von Art. 7 Nr. 4 Satz 2 JStG 2010; vgl. hierzu: Wassermeyer/Schönfeld in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, § 20 AStG Rz 165; Hahn in: Lademann, Außensteuergesetz, Handkommentar, § 20 Rz 235).
79
c) Im Streitfall erfüllt der Kläger mit seiner Tätigkeit in U/Kanton Z/CH den Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a AStG (i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F.), sodass es entgegen den Vorschriften des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AStG bei der Freistellung der vom Kläger erzielten Einkünfte gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c Halbsatz 1 DBA-Schweiz 1971 verbleibt und diese Einkünfte bei der Besteuerung im Inland lediglich dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2005 unterliegen.
80
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a AStG (sog. Bedienenstatbestand) ist Zwischengesellschaft eine ausländische Gesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus Dienstleistungen stammen, soweit sich die ausländische Gesellschaft für die Dienstleistung nicht eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 an ihr beteiligt ist, oder einer einem solchen Steuerpflichtigen im Sinne von § 1 Abs. 2 nahestehenden Person bedient, die mit ihren Einkünften aus von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes steuerpflichtig ist.
81
Hieraus ergibt sich, dass es im Streitfall bei der Freistellung der freiberuflichen Einkünfte des Klägers nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c Halbsatz 1 DBA-Schweiz 1971 verbleibt (und nicht von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 AStG übergegangen werden darf), weil der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland mit seinen Einkünften aus der Erbringung von Dienstleistungen i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a AStG (hier: Leistungen als xxx xxxx), die einer festen Einrichtung in der Schweiz (hier: in U/Kanton Z/CH) zuzurechnen sind, unbeschränkt steuerpflichtig ist (s. zuvor zu I.1.; Wassermeyer/Schönfeld in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 20 AStG Rz 142 und 166; BT-Drs 17/2249 S. 85 zu Artikel 7 zu Nummer 2; Benecke/Schnitger, IStR 2010, 432 zu 3.2; Haase, IStR 2011, 338; Kaminski, IStR 2011, 137, zu 3).
82
III. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger -soweit ihre Klage keinen Erfolg hatte – gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen. Soweit sie mit ihrer Klage Erfolg hatten (s. zuvor zu II.), haben sie gleichwohl die Kosten zu tragen, weil insoweit das FA nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO). Soweit die Klage hinsichtlich der Aufwendungen des Klägers für die Wege zwischen seinem Wohnort in X / Deutschland und seiner Arbeitsstätte in Y/CH Erfolg hatte, beruht die Kostentragungspflicht der Kläger im Übrigen auch auf § 137 Satz 1 FGO. Denn die Entscheidung beruht insoweit auf Tatsachen, die der Kläger früher hätte geltend machen und beweisen können und sollen und nicht erst im Klageverfahren (Hinweis auf den Schriftsatz vom 14. Januar 2011).
83
IV. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die für eine Zulassung erforderlichen Voraussetzungen (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

Verlust aus der Anschaffung von Fremdwährung

FG Baden-Württemberg Urteil vom 7.3.2013, 13 K 2217/10

Tenor

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob bei der Klägerin (Kl), einer vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), im Veranlagungszeitraum 1999 ein Verlust aus der Anschaffung von Fremdwährung im Jahr 1998 zu berücksichtigen ist.
2
Die Kl erwarb am 12. Januar 1998 für einen Betrag in Höhe von x.xxx.xxx.xxx DM insgesamt   xxx.xxx.xxx US-Dollar (bei einem Wechselkurs von 1,81463 DM/US-Dollar). Das Fremdwährungsguthaben von xxx.xxx.xxx US-Dollar wurde auf einem Kontokorrentkonto bei der Bank I gutgeschrieben. Hiernach erwarb die Kl noch am gleichen Tag, dem 12. Januar 1998, insgesamt x.xxx.xxx Anteile am X-Fond (WKN xxxxxxxx, ISIN yyyyyyyyyyyyyyyy). Der Kaufpreis in Höhe von xxx.xxx.xxx US-Dollar wurde dem Fremdwährungs-Kontokorrentkonto mit Wertstellung am 14. Januar 1998 belastet. Nach den Angaben des Beklagten (Bekl) handelt es sich bei dem X-Fond um einen geldmarktnahen Fonds in US-Dollar. Anlageziel sei eine von Zins- und Währungsschwankungen weitgehend unabhängige geldmarktnahe Wertentwicklung in US-Dollar. Dazu investiere der Fonds vorwiegend in variabel verzinsliche Anleihen sowie Kurzläufer mit niedrigen Kupons und Termingelder. Er betreibe ein aktives Laufzeitenmanagement im kürzeren Segment.
3
Am 28. Dezember 1998 veräußerte die Kl insgesamt  x.xxx.xxx Anteile am X-Fond. Der Nettoerlös in Höhe von rund xxx.xxx.xxx US-Dollar wurde dem Fremdwährungskonto mit Valuta am 30. Dezember 1998 gutgeschrieben. Von diesem Betrag wurden xxx.xxx.xxx US-Dollar in das US-Geschäft der Kl eingelegt. xx.xxx.xxx US-Dollar tauschte die Kl am 11. Januar 1999 wieder bei einem Wechselkurs von 1,68000 DM/US-Dollar in xxx.xxx.xxx DM um.
4
In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1999 erklärte die Kl – bezüglich des soeben dargestellten Sachverhaltes –  einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von x.xxx.xxx DM. Dieser Verlust ergebe sich daraus, dass am 12. Januar 1998 bei einem Wechselkurs von 1,81463 DM/US-Dollar xx.xxx.xxx US-Dollar angeschafft worden seien, die zu einer Belastung von xxx.xxx.xxx DM geführt hätten. Allerdings habe die Kl beim Rücktausch eben dieses Betrages von xx.xxx.xxx US-Dollar am 11. Januar 1999 bei einem Wechselkurs von 1,68000 DM/US-Dollar nur xxx.xxx.xxx DM zurückerhalten. Der erlittene Verlust in Höhe von x.xxx.xxx DM sei jedoch noch mit einem, aus einem anderen Geschäftsvorfall stammenden Veräußerungsgewinn in Höhe von xx.xxx DM zu saldieren. Mithin ergebe sich für die Kl im Jahr 1999 ein Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von x.xxx.xxx DM.
5
Im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 7. September 2001 erkannte der Bekl den von der Kl geltend gemachten Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften zunächst an.
6
Im Anschluss an eine in den Jahren 2005 bis 2008 stattgefundene Außenprüfung kam der Bekl jedoch zum Ergebnis, dass lediglich ein Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von xx.xxx DM anzuerkennen sei.  Bei der Berechnung des geltend gemachten Verlusts aus privaten Veräußerungsgeschäften könne nicht der 12. Januar 1998 als Anfangs-Stichtag herangezogen werden. Zwar habe die Kl an diesem Tage u.a. xxx.xxx.xxx DM (bei einem Wechselkurs von 1,81463 DM/US-Dollar) in xx.xxx.xxx US-Dollar getauscht. Allerdings habe sie – ebenso am 12. Januar 1998 – für den Betrag von xx.xxx.xxx DM auch Anteile am X-Fond  (WKN xxxxxxxx, ISIN yyyyyyyyyyyyyyyy) gekauft und diese Anteile wieder am 28. Dezember 1998 bei einem Wechselkurs von 1,68180 DM/US-Dollar verkauft. Durch den Kauf des X-Fond habe die Kl eine neue Kausalkette in Bezug auf ein privates Veräußerungsgeschäft in Gang gesetzt.
7
Der An- und Verkauf des X-Fond am 12. Januar 1998 bzw. 28. Dezember 1998 stelle ein eigenständiges Veräußerungsgeschäft dar, das nach § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Jahres 1998 zu beurteilen sei. Grundsätzlich müsse beim An- und Verkauf ausländischer Fondsanteile in Fremdwährung nicht nur der Kurswert des Wertpapiers zum Zeitpunkt des An- bzw. Verkaufs erfasst werden, sondern auch der Wechselkurs zwischen der Fremdwährung und der Deutschen Mark am Tag des An- bzw. Verkaufs Berücksichtigung finden. Ein in Fremdwährung lautender Kurswert sei mithin zum Zeitpunkt des An- bzw. Verkaufs in Deutsche Mark umzurechnen. Ein diesbezüglicher Währungsgewinn oder -verlust sei in die Berechnung des weiteren Kursgewinns oder -verlusts des Wertpapiers an sich einzubeziehen.
8
Nach der im Jahr 1998 geltenden Gesetzeslage habe die Spekulationsfrist bei Wertpapieren gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1998 6 Monate betragen. Da der Zeitraum zwischen dem An- und Verkauf der Anteile am X-Fond mehr als 6 Monate betragen habe, stelle der An- und Verkauf der Fondsanteile kein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 23 EStG 1998 dar.
9
Aus alledem ergebe sich, dass die Kl einen steuerlich im Rahmen des § 23 EStG berücksichtigungsfähigen Fremdwährungsverlust nur im Zeitraum vom 28. Dezember 1998 (= Zeitpunkt des Verkaufs der X-Fondanteile US Dollar Reserve) und dem 11. Januar 1999 (= Zeitpunkt des Rücktauschs der Fremdwährung in Deutsche Mark) erlitten habe könne. Am 28. Dezember 1998 habe der Wechselkurs 1,68180 DM/US-Dollar betragen, am 11. Januar 1999 hingegen 1,68000 DM/US-Dollar. Unter Zugrundelegung eines umgetauschten Betrages von xx.xxx.xxx US-Dollar ergebe sich – unter Berücksichtigung des aus einem anderen Geschäftsvorfall stammenden Veräußerungsgewinns in Höhe von xx.xxx DM – ein Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von  xx.xxx DM gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1999.
10
Der Bekl änderte daraufhin nach § 164 Abs. 2 AO durch Bescheid vom 21. Juli 2008 die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Kl für das Jahr 1999 dahingehend ab, dass der Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften mit (nur noch) xx.xxx DM berücksichtigt wurde. Der Bekl änderte den Feststellungsbescheid 1999 vom 21. Juli 2008 am 9. Oktober 2008 nochmals aus anderen, nicht das vorliegende Klageverfahren betreffenden Gründen nach § 129 AO.
11
Gegen den geänderten Feststellungsbescheid 1999 vom 21. Juli 2008 legte die Kl am 5. August 2008 Einspruch ein.
12
Sie vertrat die Ansicht, dass im vorliegenden Fall zwei sich überlagernde Ebenen vorlägen. Zum einen der Wertpapierkauf in Fremdwährung, bei dem ein mit dem Wertpapier erzielter Gewinn oder Verlust separat ohne Berechnung eines Währungskurses zum Zeitpunkt des An- bzw. Verkaufs zu erfassen sei. Zum anderen das Fremdwährungsrisiko, das erst mit dem Umtausch der Fremdwährung in die Eigenwährung zu berücksichtigen sei. Mithin sei die Ansicht der Finanzverwaltung, dass im Rahmen des Wertpapier- An- und Verkaufs zur Berechnung eines etwaigen, nach § 23 EStG zu erfassenden Spekulationsgewinns der Wechselkurs bei der Anschaffung und dem Verkauf des Wertpapiers zu erfassen und in die Berechnung eines Spekulationsgewinns einzubeziehen sei, nicht zutreffend. Aus diesem Grund sei vorliegend allein entscheidend, wann der streitige Betrag von xx.xxx.xxx US-Dollar von der deutschen in die Währung der Vereinigten Staaten getauscht worden sei und wann der Rücktausch in Deutsche Mark stattgefunden habe. Zu diesen Zeitpunkten sei der jeweilige Wechselkurs zu ermitteln und – als Saldo – ein etwaiger Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG zu ermitteln. Zwischen dem Umtausch der deutschen Währung in die amerikanische am 12. Januar 1998 und dem Rücktausch in Deutsche Mark am 11. Januar 1999 betrage der Zeitraum  weniger als 1 Jahr, so dass nach der im Streitjahr 1999 geltenden Rechtslage die Voraussetzungen des §  22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1999 für ein Spekulationsgeschäft vorlägen. Der Gesetzgeber habe mit Wirkung zum 1. Januar 1999 die ursprüngliche Spekulationsfrist für Wertpapiere von 6 Monaten auf 1 Jahr verlängert. Daher sei vom Bekl – wie in der Feststellungserklärung des Jahres 1999 bereits beantragt – ein Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von x.xxx.xxx DM anzusetzen.
13
Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2010 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück.
14
Der Kl sei zwar zuzugestehen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Fremdwährung ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstelle, das durch den Umtausch angeschafft und durch den Rücktausch in Deutsche Mark veräußert werde (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBI. II 2000, 469 f.). Erforderlich sei jedoch, dass es sich um das „nämliche“ Wirtschaftsgut handle. Eine „Nämlichkeit“ erfordere keine Identität. Voraussetzung sei jedoch, dass das veräußerte Wirtschaftsgut mit dem erworbenen zumindest wirtschaftlich identisch sei. Eine wirtschaftliche Identität habe der BFH in seinem Urteil vom 2. Mai 2000 (IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBI. II 2000, 614 f.) angenommen, wenn ein Fremdwährungsguthaben von einem Konto auf ein anderes transferiert werde. Ebenso habe der BFH einen Veräußerungsvorgang verneint, wenn ein Fremdwährungsguthaben vor seinem Rücktausch in Deutsche Mark festverzinslich bei einer Bank oder einem anderen Gläubiger angelegt worden sei.
15
Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich aber insoweit von dem durch den Bundesfinanzhof im Verfahren IX R 73/98 entschiedenen Fall, dass nicht lediglich Geld durch ein Darlehen ausgetauscht worden sei. Vielmehr habe die Kl Wertpapiere (Anteile an einem Investment-Sondervermögen) erworben, die einer eigenen Wertentwicklung unterliegen und ihrerseits als eigenständiges Wirtschaftsgut selbst im Rahmen des § 23 EStG zu steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäften führen könnten. Dadurch sei der Zurechnungszusammenhang zwischen dem erstmaligen Erwerb der Fremdwährung im Jahr 1998 und dem Rücktausch in Deutsche Mark im Jahr 1999 unterbrochen worden. Folglich gebe es keine „Nämlichkeit“ zwischen der erworbenen Fremdwährung und der später nach dem Verkauf der X-Fondanteile veräußerten Fremdwährung. Diese Sichtweise der Finanzverwaltung bei der Anschaffung von Wirtschaftsgütern in Fremdwährung ergebe sich zudem aus Randnummer 43 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Oktober 2004 (IV C -S 2256-238/04, BStBl I 2004, 134).
16
Gegen die ablehnende Entscheidung des Bekl im Einspruchsverfahren erhob die Kl Klage beim Finanzgericht.
17
Die Kl wiederholte im Klageverfahren im Wesentlichen ihre Argumentation aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend dazu verweist sie auf ein Urteil des BFH vom 30. November 2010 (VIII R 58/07, BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491), das ihre Auffassung stütze.
18
Die Kl beantragt, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 7. September 2001, geändert durch den Bescheid vom 16. Oktober 2001 und vom 21. Juli 2008, zuletzt geändert durch den Bescheid vom 9. Oktober 2008, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2010 dahingehend abzuändern, als die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG von – (minus) xx.xxx,00 DM auf – (minus) x.xxx.xxx,00 DM festgesetzt werden, hilfsweise die Zulassung der Revision, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
19
Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
20
Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sowie auf die gewechselten Schriftsätze, auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird. Zudem habe der BFH in seinem Urteil vom 24. Januar 2012 (IX R 62/10, BStBl II 2012, 564) bei der Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 EStG entschieden, dass zur Berechnung des Auflösungsgewinns aus einer in ausländischer Währung angeschafften und veräußerten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sowohl die Anschaffungskosten als auch der Veräußerungspreis zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Bestehens in Euro umzurechnen seien.  Die Besteuerung eines Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG sei in seiner Struktur mit der Ermittlung eines Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 EStG vergleichbar.
21
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, sowie die vom Bekl vorgelegten Steuerakten (1 Band Feststellungsakten, 1 Band Rechtsbehelfsakten, 1 Band Betriebsprüfungsakten) Bezug genommen (§ 71 Abs. 2 FGO).

Entscheidungsgründe

23
I) Die zulässige Klage ist nicht begründet.
24
Der Bekl hat zu Recht im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1999 den Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften mit xx.xxx DM angesetzt.
25
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 erfasst Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von anderen als den in Nr. 1 genannten Wirtschaftsgütern, insbesondere Forderungen im Privatvermögen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 1 Jahr beträgt. Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem erworbenen zumindest wirtschaftlich identisch sein. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der genannten Frist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (vgl. BFH-Urteile vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614; vom 24. Januar 2012 IX R 62/10, BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564).
26
Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch Valuta in fremder Währung. Fremdwährungsbeträge werden angeschafft im Sinne von § 23 EStG, wenn sie gegen Umtausch von Deutsche Mark erworben werden. Sie werden veräußert im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie in Deutsche Mark rückgetauscht oder in eine andere Fremdwährung umgetauscht werden (BFH-Urteile vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469; vom 30. November 2010 VIII R 58/07, BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491). Der sich durch Währungsschwankungen ergebende Kursgewinn wird mithin nicht schon durch den Transfer eines Fremdwährungsguthabens von einem Konto auf ein anderes oder durch die Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung und den Rückfluss der Darlehensvaluta in Fremdwährung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG realisiert. Die Verlagerung des Fremdwährungsguthabens führt als solche zu keinem Vermögenszuwachs des Steuerpflichtigen und zu keiner Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Wellmann, DStZ 1997, 253, 254). Die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns wird gemäß § 23 EStG erst dann durch einen marktoffenbaren Veräußerungsvorgang realisiert und damit steuerbar, wenn die ausländische Währung in Deutsche Mark (oder eine andere Währung) rückgetauscht wird. Erst in dem durch den günstigen Rücktausch erhöhten DM-Betrag (oder Betrag in einer anderen Währung) liegt der Zufluss des „Veräußerungspreises“ im Sinne von § 23 letzter Absatz i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG (BFH-Urteile vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469; vom 30. November 2010 VIII R 58/07, BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491).
27
Allerdings hat der BFH nicht ausgeschlossen, dass auch der Erwerb eines Wirtschaftsgutes in einer Fremdwährung und dessen anschließende Veräußerung ebenfalls in einer Fremdwährung – überlagernd – den Tatbestand eines Spekulationsgeschäftes erfüllen könne (BFH-Urteile vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614;  vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469; vom 30. November 2010 VIII R 58/07, BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491). Unter der Anschaffung eines Wirtschaftsguts ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten zu verstehen (vgl. BFH-Urteile vom 30. November 1976 VIII R 202/72, BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384, 386, unter III.; vom 22. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250; vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614). Danach sind vom Steuerpflichtigen selbst geschaffene Wirtschaftsgüter nicht „angeschafft“, ebenso wenig eine Darlehensforderung, die erst durch den vom Steuerpflichtigen geschlossenen Darlehensvertrag entsteht. Zudem ist unter einer Veräußerung im Sinne des § 23 EStG die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614).
28
Nach diesen Grundsätzen hat der BFH entschieden, dass die Hingabe eines Fremdwährungsdarlehens und dessen anschließende Rückführung durch den Schuldner – ebenso in Fremdwährung – nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfülle. Ein Darlehensgeber bringe durch die Anlage von Festgeld originär eine Darlehensforderung zur Entstehung, erwerbe die Forderung aber nicht entgeltlich von einem Dritten. Genauso wenig liege im Rückfluss der vom Darlehensgeber angelegten Festgelder eine Veräußerung der Darlehensforderungen (BFH-Urteile vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614; vom 30. November 2010, BFHE 232, 337, BStBl II 2011,491).
29
Vorliegend hat die Kl jedoch keine Festgeldanlage in Fremdwährung getätigt, sondern am 12. Januar 1998 Anteile an einem Investmentfonds (X-Fond) gekauft. Sie hat damit entgeltlich von einem Dritten eigenständige Wirtschaftsgüter –  die Fondsanteile – erworben, diese am 28. Dezember 1998 wieder veräußert und den Erlös in Fremdwährung vereinnahmt. Mithin erfüllt der Erwerb der Anteile am X-Fond seinerseits dem Grunde nach den Tatbestand eines Veräußerungsgeschäfts, auch wenn im Jahr 1998 dieser Vorgang wegen Überschreitens der sechsmonatigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1998 sowie der Nichtigerklärung der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 gültigen Fassung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 110, 141) nicht der Einkommensteuer unterlag.
30
Damit verengt sich die im vorliegenden Fall zu klärende Fragestellung darauf, wie eine – fiktive – Ermittlung eines Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG in Bezug auf die Anteile am X-Fond zu erfolgen hätte. Werden Zahlungsvorgänge, die zur Erzielung von Einkünften führen, in ausländischer Währung abgewickelt, sind sie in Deutsche Mark umzurechnen. Hierfür gibt es zwei denkbare Methoden. Entweder wird jeder Vorgang, d.h. jede Anschaffung oder jeder Verkauf, sogleich zu dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Währungs-Wechselkurs umgerechnet (sog. Zeitbezugsverfahren) oder es werden erst nachträglich  – zum Zeitpunkt des Währungshin- und -rücktauschs – die in ausländischer Währung ermittelten Einkünfte umgerechnet (sog. Stichtagsverfahren).
31
Vorliegend könnte die Kl mit ihrer Argumentation, dass sie mit dem Rücktausch der xx.xxx.xxx US-Dollar in Deutsche Mark am 11. Januar 1999 (bei einem Wechselkurs  von 1,68000 DM/US-Dollar) einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von x.xxx.xxx DM berücksichtigt wissen wolle, nur durchdringen, wenn man bezüglich des An- und Verkaufs der Anteile am X-Fond das Stichtagsverfahren anwendete. Demgegenüber hat der Bekl bei seiner Berechnung des Verlusts aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von xx.xxx DM bezüglich des An- und Verkaufs der Fondsanteile -gedanklich – das Zeitbezugsverfahren angewendet und zum Zeitpunkt des An- und Verkaufs nicht nur die Wertdifferenz des Wertpapiers in US-Dollar an sich, sondern auch den jeweiligen Währungs-Wechselkurs an diesen beiden Tagen (Wechselkurs am 12. Januar 1998 von 1,81463 DM/US-Dollar bei Ankauf der Wertpapiere sowie Wechselkurs am 28. Dezember 1998 von 1,68180 DM/US-Dollar bei Verkauf der Wertpapiere) zugrunde gelegt. Der Bekl hat mithin nur den von der Kl in der Zeit vom 28. Dezember 1998 (Verkauf der Anteile am X-Fond) bis zum 11. Januar 1999 (Umtausch der Fremdwährung in Deutsche Mark) erlittenen Währungsverlust anerkannt.
32
Der BFH hat in mehreren Entscheidungen dargelegt, dass im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei Geschäften in ausländischer Währung das Zeitbezugsverfahren anzuwenden sei (BFH-Urteil vom 13. September 1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2008 I B 44/08, BFH/NV 2009, 940). Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze und die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung erforderten, dass sich bei Geschäftsvorfällen in ausländischer Währung auch der jeweilige Wechselkurs als einer der für die Bewertung der Wirtschaftsgüter relevanten Faktoren niederschlage. Mit weiterem Urteil vom 24. Januar 2012 (IX R 62/10, BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564) hat der BFH für die Berechnung eines Beteiligungsgewinns nach § 17 EStG das Zeitbezugsverfahren als maßgeblich erachtet.
33
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des erkennenden Senats auch auf die Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG übertragbar. Auch wenn diese Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 EStG zu den sonstigen Einkünften gehören, die durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG), und damit nicht den Gewinneinkünften zuzurechnen sind, ist der Verwirklichung des Tatbestandes des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Stichtagsbezogenheit bereits immanent. Besteuert wird – von der Gesetzesstruktur vergleichbar mit § 17 EStG – die Wertdifferenz eines Wirtschaftsgutes zwischen zwei Stichtagen. Dieses Prinzip bedingt, dass alle wertbildenden Faktoren des Wirtschaftsgutes zum Zeitpunkt von dessen An- und Verkauf Berücksichtigung finden. Wird ein Wirtschaftsgut in einer Fremdwährung angeschafft und später wieder veräußert, stellt auch das jeweilige Währungs-Wechselkursverhältnis einen wertbildenden Teil bei der Bewertung des Wirtschaftsgutes dar.
34
Nach Ansicht des Senats gewährleistet bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG allein das Zeitbezugsverfahren eine realitätsgerechte Bewertung eines eingetretenen Wertzuwachses bzw. Wertverlustes (ebenso das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 9. Februar 1999 2 K 220/97, EFG 1999, 537 a.A. Kirchmayr, FR 2001, 133; Steinkampf, DB 2004, 687). Bei Anwendung des Stichtagsverfahrens würde sachwidrig die wertbildende Ebene eines Wertpapiergewinns (in Fremdwährung) von dem weiteren wertbildenden Faktor des jeweiligen Wechselkurses getrennt. Damit würde der Tatbestand des § 23 EStG nicht nur in Bezug auf die Berechnung eines Spekulationsgewinns zeitlich überdehnt, sondern sogar in unzulässiger Weise auseinandergerissen.
35
Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
36
II) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
37
III) Wegen der grundsätzlichen Bedeutung, ob bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG das Zeitbezugsverfahren oder das Stichtagsverfahren zur Anwendung gelangt und im Hinblick darauf, dass diesbezüglich noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, lässt das Gericht gegen das Urteil die Revision zum BFH zu.

Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer

FG Baden-Württemberg Urteil vom 21.1.2013, 9 K 2096/12

Tenor

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob der Kläger den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer hat und daher die Erhaltungsaufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend machen kann. Zudem ist streitig, ob die Erhaltungsaufwendungen für eine Toilette beruflich veranlasst sind.
2
Der ledige Kläger erzielt als Betriebsprüfer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 Einkommensteuergesetz – EStG -). Sein Dienstsitz ist das Finanzamt X, in dem er im Streitzeitraum einen festen Arbeitsplatz hatte. Bis November 2008 verrichtete der Kläger seine Dienstgeschäfte zeitweise im Finanzamt und zeitweise im Außendienst.
3
Der Kläger ist Fachprüfer für geschlossene Immobilienfonds und Sanierungsobjekte.
4
Seit Dezember 2008 hat ihm sein Dienstherr erlaubt, zusätzlich ein häusliches Arbeitszimmer, aufgrund der vom Finanzministerium Baden-Württemberg erlassenen „Rahmenbedingen für die zeitweilige Dienstverrichtung zu Hause für Beschäftigte der Prüfungsdienste“, zu nutzen. Danach gilt Folgendes:
5
„(1) Den Beschäftigten der Prüfungsdienste wird die Möglichkeit der zeitweiligen Dienstverrichtung zu Hause eröffnet. Damit kann – ergänzend zu der Dienstverrichtung im Unternehmen und an der Dienststelle – künftig auch im häuslichen Bereich ein Teil der Arbeitsleistung erbracht werden.
[…]
(3) Die zeitweilige Dienstverrichtung zu Hause erfolgt unter Berücksichtigung der dienstlichen Belange. Zu Hause ist nur die Verrichtung solcher Tätigkeiten zulässig, die nicht die Anwesenheit der Beschäftigten der Prüfungsdienste im zu prüfenden Unternehmen oder an der Dienststelle erfordern.
(4) Die genaue Ausgestaltung der zeitweiligen Dienstverrichtung zu Hause wird zwischen den Beschäftigten der Prüfungsdienste und der Dienststelle unter Beachtung der dienstlichen Erfordernisse festgelegt.“
6
Im Streitjahr 2008 renovierte der Kläger seine Wohnung (4 Zimmer, Küche, Bad, extra  Gäste – WC; Grundriss Bl. 20 Rechtsbehelfsakte – RBA -) und richtete sich gleichzeitig ein häusliches Arbeitszimmer ein. Der renovierte Teil der Wohnung ist insgesamt 70,1 m² groß. Hiervon entfallen 16,97 m² (24,2 %) auf das Arbeitszimmer und 4,17 m² (5,95 %) auf eine separate Toilette. Das Gäste – WC liegt unmittelbar neben dem Schlafzimmer.
7
Für die Renovierung entstanden im Streitjahr 2008 die folgenden Aufwendungen (Bl. 18 EStA):
8
Anteil Arbeitszimmer lt. Kläger (grds. 24,2 %, teilweise Einzelzuweisung der Kosten)
Anteil separate Toilette lt. Kläger (grds. 5,95% teilweise Einzelzuweisung der Kosten)
Summe
x.xxx,xx Euro
x.xxx,xx Euro
9
In seiner Einkommensteuererklärung 2008 (Eingang Beklagter: 26. Januar 2011) beantragte der Kläger, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer zunächst in Höhe von x.xxx,xx Euro als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 04. Februar 2011 Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 Euro an. Im hiergegen eingelegten Einspruch vom 09. Februar 2011 (Zugang Beklagter: 16. Februar 2011) machte der Kläger den vollen Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer, für die separate Toilette und weitere nicht streitgegenständliche Aufwendungen als Werbungskosten geltend.
10
Mit Schreiben vom 07. März 2012 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er eine verbösernde Entscheidung durch Rücknahme des Einspruchs vermeiden könne (auf das Schreiben wird Bezug genommen). Er beabsichtige, die bisherige Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 1.250 Euro für das Arbeitszimmer nicht mehr anzuerkennen. Der Kläger hielt seinen Einspruch aufrecht.
11
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 setzte der Beklagte daraufhin unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom 04. Februar 2011 die Einkommensteuer zu Lasten des Klägers neu fest (auf die Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen). Er berücksichtigte weder die Aufwendungen für das Arbeitszimmer noch die Aufwendungen für die separate Toilette.
12
Der Kläger hat am 22. Juni 2012 Klage erhoben.
13
Er ist der Ansicht, der Mittelpunkt seiner betrieblichen und beruflichen Tätigkeit liege im Arbeitszimmer. Er behauptet, die geschlossenen Immobilienfonds würde er fast ausschließlich und die Sanierungsobjekte ausschließlich in seinem Arbeitszimmer prüfen. Die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse stelle seine prägende Tätigkeit dar. Im Arbeitszimmer prüfe er die zusammengetragenen Unterlagen und Daten auf ihre steuerliche Würdigung, schreibe Anfragen an die Berater und Verwalter. Zuletzt schreibe er den Prüfungsbericht.
14
Im Außendienst spreche er mit den Steuerpflichtigen, Verwaltern der Immobilienfonds und Beratern. Er erhalte teilweise die notwendigen Prüfungsunterlagen und führe in seltenen Fällen Schlussbesprechungen durch. Oftmals würden die Berater auf die Schlussbesprechungen verzichten und nähmen nur schriftlich zum Außenprüfungsbericht Stellung. In 2009 habe er insgesamt vier allgemeine Besprechungen, drei Schlussbesprechungen und eine Betriebsbesichtigung durchgeführt.
15
Seitdem er im häuslichen Arbeitszimmer tätig sei,  hole er sich im Finanzamt (nur noch) die Prüfungsakten, helfe den dortigen Sachbearbeitern bei der Fallauswahl (Prüfungswürdigkeit, Prüfungszeitraum) und informiere diese über prüfungswürdige Sachverhalte. Gespräche mit dem Sachgebietsleiter über den Prüfungsplan, die Prüfungen oder über den (vorläufigen) Prüfungsbericht fänden kaum statt.
16
Zunächst behauptete er, er habe in 2008 an 49,5 Tagen, in 2009 an 41 Tagen und in 2010 an 44 Tagen im Außendienst gearbeitet. In seinem Klageschriftsatz vom 22. Juni 2012 trug er dann vor, er habe im Kalenderjahr 2009 von insgesamt 219,5 Arbeitstagen an 29 Tagen im Außendienst, an 51,5 Tagen im Amt und an 139 Tagen in seinem häuslichen Arbeitszimmer gearbeitet. Mit Schriftsatz vom 20. November 2012 trug er zuletzt nochmals andere Zahlen vor.
17
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Prüfung der Besteuerungsgrundlagen seine prägende Tätigkeit darstelle. Daher dürften nur insoweit die Arbeitszeitanteile verglichen werden. Er habe von insgesamt 116,25 Tagen in 2009 an 28 Tagen im Außendienst, an 21,5 im Amt und an 66,75 Tagen am Heimarbeitsplatz Besteuerungsgrundlagen geprüft. Die übrigen 102,25 Tage habe er nicht prägende Tätigkeiten, wie Akten abholen, Updates für die Software installieren, Teilnahme an Fortbildungen, Erstellen von Prüfungsberichten, Besprechungen von Feststellungen und Prüfungsschwerpunkten mit dem Innendienst, Besprechungsvorbereitungen usw.  erbracht. Diese müssten unberücksichtigt bleiben.
18
Der Verweis auf § 200 Abgabenordnung – AO -, wonach die Außenprüfung grundsätzlich in den Räumen des Steuerpflichtigen stattfinde, sei in seinem Fall nicht sachgerecht. Die geprüften Immobilienfonds hätten selten eigene Verwaltungsräume. Die Prüfung könne daher nicht in den Geschäftsräumen der Firmen stattfinden.
19
Nach Auffassung des Klägers würde die bisherige Rechtsprechung seinen Fall nicht abbilden.
20
Seine Tätigkeit sei nicht mit der eines Richters vergleichbar. Nach einem vom Bundesfinanzhof – BFH – entschiedenen Fall würde ein Richter sein hoheitliches Tun nach der Verkehrsanschauung im Gericht und nicht im Arbeitszimmer ausüben. Dies würde für einen Betriebsprüfer nicht zutreffen. Zudem habe der Richter im entschiedenen Fall an 180 Tagen im Gericht gearbeitet, was auch einen qualitativen Unterschied darstelle (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2011 VI R 13/11, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE  – 236, 92, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2012, 236; Vortrag Bl. 15 Gerichtsakte).
21
In einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts – FG – vom 1. Oktober 2009, 1 K 11149/05, www.juris.de habe der Großbetriebsprüfer ausschließlich Vor- und Nacharbeiten in seinem Arbeitszimmer geleistet. Er verrichte dort seine gesamte Prüfungstätigkeit.
22
Er beruft sich auf ein Urteil des  FG Nürnberg vom 26. Oktober 2006, IV 83/2006, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst –  DStRE – 2007, 595 – 597. Im entschiedenen Fall sei das Gericht davon ausgegangen, dass ein Gerichtsvollzieher den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit im Arbeitszimmer habe, wenn er die Mehrzahl der Fälle im Arbeitszimmer vom Schreibtisch aus erledige.
23
Die Aufwendungen für die Toilette seien ebenfalls abzugsfähig, soweit eine berufliche Nutzung vorliege.
24
Aufgrund eines Umkehrschlusses kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Aufwendungen für eine während der Dienstzeit genutzte Toilette um Werbungskosten handeln müsse. Schließlich würde für die Nutzung einer im Betriebsvermögen befindlichen Toilette kein „Eigenverbrauch angesetzt“. Auch bei „Hotelübernachtungen und bei der doppelten Haushaltsführung würde kein Anteil der Kosten für eine private Toilettennutzung angesetzt. Er gehe davon aus, dass die Toilettennutzung im Zusammenhang mit Einnahmen stehe und diese Kosten Werbungskosten seien “.
25
Es gebe zwei mögliche objektive Aufteilungsmaßstäbe: entweder seine Dienstzeit könne anhand des Prüfertagebuchs oder anhand des von ihm angefertigten exemplarischen Toilettentagebuches über die tatsächliche Nutzung nachvollzogen werden (Toilettentagebuch, Schriftsatz vom 20. November 2012). Zeitlich betrachtet sei er zu ca. 33,33% privat und zu ca. 66,67% aus dienstlichen Gründen in seiner Wohnung. Die Toilette nutze er ca. 9 – 10 mal am Tag, davon ca. 8 – 9 mal beruflich. Es ergebe sich also eine berufliche Toilettennutzung von 73,58 %.
26
Auch Berufskraftfahrer könnten Ihre Aufwendungen für sanitäre Einrichtungen absetzen. Hieraus sei ersichtlich, dass diese Aufwendungen auch in seinem Fall beruflich veranlasst seien, solange er seiner beruflichen Tätigkeit nachgehe (BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926).
27
Zudem beruft er sich auf eine Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1 BStBl II 2010, 672 und eine sich daran anschließende Entscheidung des FG Köln vom 19. Mai 2011 10 K 4126/09, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2011, 1360-1363. Danach seien Aufwendungen für ein Arbeitszimmer auch dann abzugsfähig, wenn sie nur zum Teil beruflich veranlasst seien. Dies müsse auch in Bezug auf die Aufwendungen für die beruflich genutzte Toilette gelten. Diese Auffassung habe auch das FG Köln in seinem Urteil vom 19. Mai 2011, 10 K 4126/09 Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 1410 – 1412 vertreten.
28
Der Kläger begehrt außerdem, die Aufwendungen nach § 82b EStDV auf zwei Jahre aufzuteilen.
29
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 04. Februar 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 dahingehend abzuändern, dass die Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit um x.xxx,xx Euro (Arbeitszimmer: x.xxx,xx Euro x 50% = x.xxx,xx Euro , Toilette: x.xxx,xx Euro x 66% x 50% = x.xxx,xx Euro) erhöht werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
30
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
31
Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit liege jedenfalls nicht im Arbeitszimmer des Klägers.
32
Entscheidungserheblich sei, ob – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung – das qualitativ für eine bestimmte Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt werde. Auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bewirke keine Verlagerung des Mittelpunktes (BFH – Urteil vom 20. April 2010 VI B 150/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2010, 1434 – 1435; BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, BStBl II 2012, 234 – Lehrer -; BFH-Urteil vom 08. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236 – Richter -). Der zeitlichen Nutzung komme jedenfalls nur eine Indizwirkung zu.
33
Nach dem typischen Berufsbild unterscheide sich die Tätigkeit eines Außenprüfers von der Tätigkeit des Innendienstsachbearbeiters dadurch, dass er sich durch Betriebsbesichtigungen ein Bild der Verhältnisse der jeweiligen Unternehmen mache und anhand dessen prüfe, ob die in den Steuererklärungen geltend gemachten Ausgaben realitätsgerecht seien, sowie an Schlussbesprechungen teilnehme.
34
Aus den Unterlagen des Klägers ergebe sich, dass er an 20 Tagen im Außendienst und an 51 Tagen im Finanzamt, also außerhalb seines Heimarbeitsplatzes tätig gewesen sei. Es hätten auch Betriebsbesichtigungen und Schlussbesprechungen stattgefunden.
35
Zudem ergebe sich aus den Regelungen in den Rahmenbedingungen des Finanzministeriums Baden-Württemberg für die zeitweilige Dienstverrichtung zuhause für Beschäftigte der Prüfungsdienste, dass auch der Dienstherr davon ausgehe, dass ein Betriebsprüfer die berufstypischen Dienstverrichtungen im Außendienst ausübe.
36
Die Aufwendungen für die Toilette seien ebenfalls nicht abzugsfähig, da diese nach den gleichen Maßstäben wie die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer zu beurteilen seien. Zudem habe das FG Düsseldorf mit Urteil vom 1. Februar 2012 7 K 87/11, EFG 2012, 1830 – 1833 entschieden, dass Aufwendungen für gemischt genutzte Räume kein häusliches Arbeitszimmer seien und die Aufwendungen für eine Toilette von den grundsätzlich nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung, die nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums bereits pauschal abgegolten seien, erfasst seien.
37
Dies ergebe sich ebenfalls aus dem Urteil des FG Köln vom 19. Mai 2011 10 K 4126/09, Deutsches Steuerrecht 2011, 1360 – 1363. Danach sei eine Toilette schon ihrem Typus nach nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen, da keinerlei berufliche Nutzung vorliege (unter Punkt 4 des Urteils). Etwas anderes könne auch nicht aus dem Umstand folgen, dass der Kläger zwei Toiletten habe.
38
Am 25. Oktober 2012 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Die Berichterstatterin vertrat die Auffassung, dass der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers sich im Veranlagungszeitraum 2008 (bzw. 2009) nicht in seinem Arbeitszimmer befunden habe (auf die Niederschrift wird Bezug genommen, Bl. 149 Gerichtsakte).
39
Auf eine am 26. Oktober 2012 gesetzte Ausschlussfrist nach § 79 b Abs. 2 und Abs. 3 FGO (zugestellt am 3. November 2012) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. November 2012 nochmals vorgetragen und Belege über die entstandenen Aufwendungen vorgelegt.
40
Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahren ausgetauschten Schriftsätzen und dem vom Beklagten vorgelegten Akten (§ 71 Abs. 2 FGO).
41
Am 21. Januar 2013 hat in der Sache eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Mit Schriftsätzen vom 23. Januar 2013 und vom 11. Februar 2013 hat der Kläger seine Argumente nochmals schriftlich dargelegt und einen anderen Antrag gestellt, nämlich die Aufwendungen für Toilette und Arbeitszimmer statt bisher auf 2 Jahre nunmehr auf 5 Jahre zu verteilen (§ 82b EStDV).

Entscheidungsgründe

42
Die Klage ist unbegründet.
43
Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 04. Februar 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2012 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat zurecht weder die Aufwendungen für das Arbeitszimmer noch die Aufwendungen für die Toilette als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.
44
1. Nach § 9 Abs. 5 S. 1 EStG  i.V.m. 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten ansetzen.
45
Dies gilt nicht, wenn eine Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG greift.
46
Anders als im Urteil FG Düsseldorf vom 05. September 2012, 15 K 682/12 F, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2012, 2270 – 2272, ist es im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich, ob § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Hausbegleitgesetzes vom 09. Dezember 2010 (BGBl I S. 1900) oder in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, S. 1652) zur Anwendung kommt. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06. Juli 2010 2 BvL 13/09  hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 durch das Hausbegleitgesetzes vom 09. Dezember 2010 rückwirkend neu geregelt. § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der für verfassungswidrig erklärten Fassung, kann nur noch in den Fällen angewandt werden, für die die Neuregelung eine echte Rückwirkung und damit eine Schlechterstellung darstellt.
47
Im Streitfall kann der Kläger jedoch die Aufwendungen für das Arbeitszimmer weder nach der aufgehobenen noch nach der für verfassungswidrig erklärten Norm als Werbungskosten abziehen.
48
a) Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 09. Dezember 2010  (BGBl. I S. 1900) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig, wenn für die betriebliche und berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Im Veranlagungsjahr 2008 und auch in 2009 hatte der Kläger im Finanzamt X einen festen Arbeitsplatz, den er jederzeit nutzen konnte. Ihm stand ein eigener Schreibtisch mit vollständiger Büroausstattung zur Verfügung. Ein Werbungskostenabzug kommt danach nicht in Betracht.
49
b) Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 (BGBl I S. 1900) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
50
aa) Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen für seine nachfolgende berufliche Tätigkeit als Werbungskosten abziehbar sind, konnte im Hinblick auf die Frage, ob der Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers im Arbeitszimmer lag, auf die zu erwartenden Umstände des Kalenderjahres 2009 abgestellt werden, auch wenn die Aufwendungen bereits im Kalenderjahr abgeflossen sind (§ 11 EStG). Die zu erwartenden Umständen bestimmen für die hier angefallenen Vorbereitungsaufwendungen die Abziehbarkeit nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG (BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 m.w.N.).
51
bb) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen ist Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung, wenn er dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dieser Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Betätigung des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 18. April 2012 X R 58/09, BFH/NV 2012, 1768-1774 m.w.N). Maßgebend ist danach, ob – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung- das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird (Söhn, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghof, 233. AL 09/12, EStG, § 4 Rz. LB 191; BFH-Urteil vom 08. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236). Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Aus diesem Grund schließt das zeitliche Überwiegen der außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers ausgeübten Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ebenso wenig aus wie ein zeitliches Überwiegen der Tätigkeit im Arbeitszimmer dieses bereits zum Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung macht (vgl. BFH-Urteil vom 06. Juli 2005 XI R 87/03, BFHE 210, 493, BStBl 2006, 18 m.w.N.). Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen.
52
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Senat den festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass der Kläger die für einen Betriebsprüfer prägenden Tätigkeiten – also die Tätigkeiten, die die charakteristische Eigenart seiner Tätigkeit, die ihn von anderen unterscheidet, ausmacht – außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers im Außendienst ausübt.
53
(a) Der Kläger führte im Streitjahr Außenprüfungen nach §§ 193 ff AO durch. Die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen in §§ 193 ff AO für die Tätigkeiten des Klägers stellen maßgeblich darauf ab, dass der Kläger außerhalb seines Dienstsitzes in den Geschäftsräumen der Steuerpflichtigen tätig wird und das Recht hat, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen (§§ 193, 200 Abs. 2 und Abs. 3 S. 3 AO). Diese Eingriffsmöglichkeiten unterscheiden den Kläger maßgeblich von anderen Sachbearbeitern der Finanzverwaltung, die buchstäblich vom „grünen Tisch“ aus den Sachverhalt ermitteln. Der Kläger war im Kalenderjahr 2009 jedenfalls an 29 Tagen im Außendienst tätig und hat diese Ermächtigungsgrundlagen genutzt.
54
(b) Der Senat ist davon überzeugt, dass sich in den Rahmendienstvereinbarungen des Finanzministerium Baden-Württemberg für die zeitweilige Dienstverrichtung zu Hause für Beschäftigte der Prüfungsdienste das für einen Betriebsprüfer Typische – nämlich die Außendiensttätigkeit – widerspiegelt. Danach darf ein Betriebsprüfer – ergänzend zu der Dienstverrichtung im Unternehmen und an der Dienststelle – künftig auch im häuslichen Bereich einen Teil der Arbeitsleistung erbringen. Der Dienstherr des Klägers hat dem Kläger auf der Grundlage dieser Rahmendienstvereinbarung die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer erlaubt.
55
(c) Es kann als wahr unterstellt werden, dass bei den vom Kläger überwiegend geprüften Immobilienfonds und Sanierungsobjekten eine Prüfung außerhalb seines Arbeitszimmers grundsätzlich nicht erforderlich ist. Nach Überzeugung des Senats, liegt der Schlüssel zum Erfolg der Tätigkeit des Klägers dennoch in seiner Außendiensttätigkeit. In Einzelfällen und insbesondere in Zweifelsfragen verließ der Kläger sein Arbeitszimmer und führte bspw. Besprechungen mit den Steuerpflichtigen durch. Seine Arbeitsunterlagen erhielt er vielfach direkt in den Geschäftsräumen der zu prüfenden Betriebe. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung des Senat nicht nur um eine bloße Vorbereitungshandlung für die Prüfung, sondern um die originäre Prüftätigkeit des Klägers, die ihn von anderen (Innendienst – ) Sachbearbeitern der Finanzverwaltung unterscheidet.
56
(d) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, dass die Auswertung der gesammelten Unterlagen und Informationen mit Hilfe besonderer Prüfungsprogramme (bspw. Bpa-Euro) das nach der Verkehrsanschauung Typische für die Tätigkeit eines Betriebsprüfers ist. Die eigentlich nach Außen wahrnehmbare Tätigkeit des Prüfers wird im Außendienst vorgenommen und manifestiert sich in Besprechungen, Betriebsbesichtigung, auch wenn diese – wie im Fall des Klägers – nur an 30 Tagen im Jahr stattgefunden haben sollten.
57
cc) Die zeitliche Nutzung des Arbeitszimmers, die der Kläger bis Schluss der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Tage und des Aufteilungsmaßstabes in unterschiedlicher Weise bezifferte, bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung.
58
In den Fällen, in denen die das Berufsbild prägende Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers stattfindet, kann auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers keine Verlagerung des Mittelpunkts bewirken (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, 448). Aufgrund der berufstypischen bzw. typisierenden Betrachtung erübrigen sich Feststellungen zum jeweiligen zeitlichen Umfang der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers. Auf diese Weise kann nach Auffassung des BFH – der sich der erkennende Senat anschließt – dem Prinzip eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs Rechnung getragen werden (zuletzt BFH-Urteil vom 08. Dezember 2011 VI R 13/11 BFHE 236,92, BStBl II 2012, 236).
59
dd) Auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis.
60
(a) Der Kläger meint, seine Tätigkeit sei nicht mit der eines Richters vergleichbar und das BFH-Urteil vom 18. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236 könne daher nicht herangezogen werden. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Vielmehr wird der Richter aufgrund der ihm anvertrauten rechtsprechenden Gewalt tätig. Auch der Außenprüfer kann aufgrund seiner besonderen Befugnisse in den Rechtskreis der Steuerpflichtigen eingreifen, was gerade das prägende Element seiner Tätigkeit ausmacht. Aufgrund dieser berufstypischen und typisierenden Betrachtung – wie im zitierten BFH – Urteil vom 18. Dezember 2011 VI R 13/11 – kann im vorliegenden Fall die weit überwiegende zeitliche Nutzung des Arbeitszimmers außer Acht bleiben.
61
(b) Der Kläger leitet fälschlicherweise aus einem Urteil des Niedersächsischen FG vom 01. Oktober 2009 1 K 11149/05, www.juris.de ab, dass dem dortigen Großbetriebsprüfer der Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer verwehrt wurde, weil er dort nur Vor- und Nacharbeiten für die Prüfung ausgeübt habe. Im genannten Urteil stellt das Gericht in den Entscheidungsgründen jedoch vielmehr auf die Rahmendienstvereinbarungen für den Arbeitsplatz ab. Diese brächten eindeutig zum Ausdruck, dass das Arbeitszimmer lediglich zu vor- und nachbereitenden Arbeiten dienen würde. Eine ähnliche Vereinbarung hat der Kläger – wie bereits oben erwähnt – mit seinem Dienstherrn ebenfalls abgeschlossen.
62
(c) Die Berufung des Kläger auf das Urteil des FG Nürnberg vom 26. Oktober 2006 IV 83/2006, DStRE 2007, 595 – 597 (Gerichtsvollzieher) geht fehl. Im entschiedenen Fall hatte das FG Nürnberg den Mittelpunkt der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers im Arbeitszimmer angenommen. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Gerichtsvollzieher im Arbeitszimmer u.a. Sprechstunden abgehalten und Schuldner empfangen hat. Der Kläger hat in seinem Arbeitszimmer keinerlei Besprechungen mit Steuerpflichtigen oder deren Berater durchgeführt. Der wahrnehmbare Außenkontakt fand ausschließlich außerhalb der häuslichen Sphäre des Klägers statt.
63
2. Die anteiligen Aufwendungen für die Toilette sind keine abzugsfähigen Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG.
64
a) Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass im Fall des Klägers die ausschließlich beruflich veranlassten Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht abzugsfähig sind („Erst-Recht-Schluss“). Demnach kann es nach Auffassung des Senats nicht sein, dass die zu 100 % beruflich veranlassten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht, aber gleichzeitig die anteilig angefallenen Aufwendungen für eine jedenfalls auch privat genutzte häusliche Toilette abzugsfähig sind. Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer abzugsfähig wären (vgl. BFH VIII R 10/12 – anhängiges Verfahren), muss jedoch im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.
65
Die Argumentation des Kläger „die Toilette sei ja gerade kein Arbeitszimmer“ und daher in voller Höhe abzugsfähig geht nach Auffassung des Senats fehl. Eine getrennte Beurteilung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer und die häusliche Toilette wäre nach Auffassung des Senats sinnwidrig. Die Regelung § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2 EStG dient der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer Nachprüfung durch die Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (Urteile des BFH vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, 70 und vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59). Konsequenterweise ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Räume in der häuslichen Sphäre, die üblicherweise privat genutzt werden, auf das Arbeitszimmer begrenzt.
66
b) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei der Toilette um einen betriebstättenähnlichen Raum – Werkstatt, Lager oder Archiv – handelt, für den das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG nicht greift. Die Toilette ist kein derartiger betriebsstättenähnlicher Raum. Es handelt sich auch nicht um eine „Besuchertoilette“ für fremde Personen, sondern vielmehr um das private „Gäste-WC“, dass der Kläger auch während seiner Dienstzeit nutzt, so dass auch insofern kein besonderer beruflicher Zusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 19. September 2002,  VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBL II 2003, 139; FG Hamburg vom 12. Dezember 2000 VI 263/99, www.juris.de). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger zwei Toiletten hatte.
67
c) Die Entscheidung des Großen Senat des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227,1 BStBl II 2010, 672 und die sich daran anschließende Rechtsprechung zu Reisekosten führt nach dem Vorgesagten ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage (BFH-Urteile vom 28. März 2012 VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926, vom 05. Juli 2012 VI R 50/10 BFHE nn. DB 2012, 2910 – 2011). Soweit dem Kläger die Abzugsfähigkeit für Aufwendungen für Räume in der häuslichen Sphäre dem Grunde nach versagt bleibt, kommt auch eine Aufteilung nach § 12 EStG nicht in Betracht. Demnach ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger für die Nutzung der häuslichen Toilette einen objektiven Aufteilungsmaßstab (die Arbeitszeit oder die Anzahl der Nutzungen) schlüssig darlegt.
68
d) Dem Umkehrschluss des Klägers, wenn „für eine im Betriebsvermögen befindliche Toilette kein Eigenverbrauch angesetzt werde, sei davon auszugehen, dass es sich bei den Aufwendungen für die Toilettennutzung insgesamt um beruflich veranlasste Aufwendungen handle“, kann der Senat nicht folgen.  Ein derartiger Rückschluss verbietet sich, da bei der Nutzung einer im Betriebsvermögen befindlichen Toilette eine private Nutzung nahezu auszuschließen ist. Die Bereitstellung der „Betriebstoilette“ überlagert jeglichen privaten Sachzusammenhang.
69
3. Der Senat hat die nach der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsätze des Klägers vom 23. Januar 2013 und 11. Februar 2013 rechtsschutzgewährend als Anträge auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ausgelegt (§ 93 Abs. 3 FGO).
70
Nach § 93 Abs. 3 S. 2 FGO kann das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen ist nach der Rechtsprechung auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung einer Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, so z.B. wenn der Vorsitzende seine Verpflichtung, auf die Beseitigung von Formfehlern oder auf die Stellung von klaren Anträgen hinzuwirken, oder den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzen würde oder wenn die Sachaufklärung noch nicht ausreicht (BFH-Urteil vom 04. April 2001 XI R 60/00, BFHE 195/9, BStBl II 2001, 726 m.w.N).
71
Nach diesen Grundsätzen war im Streitfall eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten.
72
Der Sachverhalt hat sich durch den Vortrag des Klägers nicht verändert. Vielmehr hat er seine bereits mehrfach vorgetragenen Argumente nochmals schriftlich dargelegt.
73
Hinsichtlich des Gesamtbetrags der entstandenen Erhaltungsaufwendungen hat der Kläger andere Endbeträge aufgeführt (Gesamtbetrag Aufwendungen häusliches Arbeitszimmer neu: x.xxx,xx Euro, Toiletten neu: x.xxx,xx Euro). Diese Beträge liegen unterhalb der bisher beantragten und bis zum Ende der mündlichen Verhandlung unstreitig angefallenen Erhaltungsaufwendungen. Insofern bestand für den Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis.
74
Zudem hat er seinen Antrag dahingehend geändert, dass er sein Wahlrecht nach § 82b EStDV dahingehend ausübt, die Aufwendungen für Toilette und Arbeitszimmer statt auf 2 Jahre auf 5 Jahre zu verteilen. Diese Antragsänderung wirkt sich auf die Entscheidung des Gerichts schon deswegen nicht aus, weil die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Arbeitszimmer und Toilette dem Grunde nach scheitern. Zudem hat der Vorsitzende des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2013 besonderen Wert auf die Stellung der richtigen Anträge durch den Kläger gelegt. Insbesondere zur Frage der Ausübung des Wahlrechts nach § 82b EStDV wurde der Kläger ausdrücklich befragt. Weitere Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich des Antrags waren nicht erforderlich, zumal der Kläger steuerlich ausgebildet ist und die Wahlrechte kennt.
75
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
76
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Revisionsgründe vorliegt. Eine Zulassung kam auch nicht im Hinblick auf das anhängige Verfahren vor dem BFH VIII R 10/12 (vorhergehend FG Düsseldorf vom 01. Februar 2012 7 K 87/11 EFG 2012, 1830 – 1833) in Betracht, da dem Kläger im vorliegenden Verfahren bereits die Abzugsfähigkeit des häuslichen Arbeitszimmer versagt bleibt und ein Abzug der Aufwendungen für die Toilette daher ebenfalls ausscheidet (vgl. oben „Erst-Recht-Schluss“).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gegen die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften

FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.2.2013, 1 K 2850/11

Tenor

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gegen die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Abs. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) zu gewähren ist.
2
Der Kläger ist Rentner, geschieden und – jedenfalls nach deutschem Recht – nicht wieder verheiratet. Er erwarb im Mai des Streitjahres (2005) ein Grundstück in X zum Kaufpreis von 40.000 EUR und veräußerte es noch im September des Streitjahres wieder, wobei er einen Veräußerungserlös von 82.500 EUR erzielte. Nachdem er für das Streitjahr trotz Aufforderung des beklagten Finanzamts (des Beklagten) keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, wurde der Kläger durch Bescheid vom 18. Juni 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer für 2005 veranlagt.
3
Unter dem 8. September 2009 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005, in dem er weitere Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften – nämlich erstmals resultierend aus dem Verkauf des Grundstücks in X – in Höhe von 42.500 EUR in Ansatz brachte und die Steuer entsprechend heraufsetzte. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte zugleich auf. Der Bescheid wurde automatisiert erstellt, an den Kläger unter dessen Anschrift in Y adressiert und noch am gleichen Tag zur Post gegeben.
4
Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 – beim Beklagten eingehend am gleichen Tag – legte der Kläger über seine damalige Steuerbevollmächtigte gegen den geänderten Bescheid Einspruch ein und bat zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu ließ er vortragen, er habe sich vom 20. August 2009 bis zum 14. Dezember 2009 in Z / Asien befunden und den Bescheid erst am 15. Dezember 2009 erhalten. Er habe einen Bekannten, nämlich Herrn B aus W, damit beauftragt, für die Zeit seiner Abwesenheit seine Post zu verwalten. Herr B habe einen Schlüssel zur Wohnung und zu seinem Briefkasten gehabt und ihn – den Kläger – regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche über den aktuellen Stand der Post informiert. Leider habe Herr B dabei die Post des Beklagten übersehen. Zum Nachweis seines Aufenthalts in Z / Asien legte der Kläger eine Farbkopie seines Reisepasses vor, aus der sich zwei auf den 17. November 2009 und auf den 14. Dezember 2009 datierte Stempel sowie ein weiterer Stempel mit den beiden Daten: „17. Nov. 2009“ und „16. Dec. 2009“ ersehen lassen.
5
Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens beantwortete der Kläger die Frage des Beklagten nach der Bedeutung der Stempelangaben auf den 17. November 2009 und auf den 16. Dezember 2009 nicht. Zugleich übergab er eine Stellungnahme des Herrn B, derzufolge dieser die Post für den Kläger überwacht und verwaltet haben will; ein Brief des Beklagten sei – so Herr B – während der Zeit, in der er in dieser Weise tätig geworden sei, „nicht dabei gewesen“. In der Sache selbst bezifferte der Kläger die „Grundsanierungs- und Renovierungskosten“ für das Objekt in X mit Schreiben vom 12. März 2010 auf „etwa 30 000 Euro“.
6
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erneut und behandelte weitere, ihm zwischenzeitlich bekannt gewordene Renteneinkünfte des Klägers als steuerpflichtig. Hiergegen legte der Kläger durch seine späteren Prozessbevollmächtigten am 16. November 2010 gleichfalls Einspruch ein. Durch die Bevollmächtigten ließ er zudem vortragen, er habe nicht mit einer Übersendung eines Einkommensteuerbescheids für 2005 während seines Aufenthalts in Z / Asien im Jahre 2009 rechnen müssen. Außerdem habe es sich bei Herrn B nicht um seinen Vertreter, sondern um eine bloße Hilfsperson gehandelt, deren mögliches Verschulden er sich nicht zurechnen lassen müsse. Der Bescheid vom 8. September 2009 habe sich mittlerweile „erledigt“.
7
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 behandelte der Beklagte den Einspruch vom 16. November 2010 als Gegenstand des bereits anhängigen Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009. Zugleich verwarf er den Einspruch „wegen Einkommensteuer 2005“ als unzulässig. Der Einspruch sei verspätet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Es stehe nicht fest, dass der Kläger sich tatsächlich in der Zeit von August 2009 bis Dezember 2009 durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe. Einen Einreisestempel in seinem Reisepass für seine Einreise nach Z / Asien habe der Kläger trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Auch die beiden Stempelaufdrucke auf den 17. November 2009 habe er – ebenfalls trotz Aufforderung – nicht erläutert.
8
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 9. August 2011 erhobene und beim Finanzgericht (FG) am 11. August 2011 eingegangene Klage. Mit ihr verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung lässt er ausführen, dass er in Z / Asien mit seiner von ihm nach z-ischen Recht geheirateten Ehefrau lebe, so dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass er sich im Herbst 2009 nicht durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe. An der auf dem Grundstück in X befindlichen Immobilie habe er – der Kläger – erhebliche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten durchgeführt.
9
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Einkommensteuer für 2005 unter Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 auf den Betrag herabzusetzen, der sich bei Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 12.500 EUR anstelle von 42.500 EUR ergibt.
10
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
11
Er beruft sich auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend meint er, auch in der Sache selbst habe der Kläger einen Nachweis der behaupteten Renovierungsarbeiten nicht erbracht.
12
Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids mit Beschluss vom 23. April 2012 – 1 V 238/12 (nicht veröffentlicht) abgelehnt. Mit Beschluss vom 4. Februar 2013 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

13
1. Das Gericht konnte in dem Rechtsstreit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 durch Urteil entscheiden, obwohl der Kläger im Termin nicht persönlich anwesend und auch nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war.
14
Der Kläger war über seine früheren Prozessbevollmächtigten  zur mündlichen Verhandlung mit Telefax vom 4. Februar 2013 gegen Empfangsbekenntnis unter Wahrung der zweiwöchigen Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –) ordnungsgemäß geladen worden. Die früheren Prozessbevollmächtigten hatten die Zustellung der Ladung unter Angabe des Empfangsdatums 6. Februar 2013 mit Telefax vom 7. Februar 2013 gegenüber dem Gericht bestätigt. Die spätere Mitteilung der früheren Prozessbevollmächtigten, der Kläger werde von ihnen nicht mehr vertreten, hatte auf die Wirksamkeit der Ladung keinen Einfluss, da sie dem Gericht gegenüber erst am 8. Februar 2013 und damit nach Bewirkung der Ladung zum Termin erfolgt ist  (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22. März 1994 – X R 66/93, BFH/NV 1994, 499, und vom 18. August 2009 – X B 14/09, Zeitschrift für Steuern und Recht – ZSteu – 2009, R1144). Darauf, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne, war die Klägerseite in der Ladung zum Termin vom 4. Februar 2013 auch ausdrücklich hingewiesen worden (§ 91 Abs. 2 FGO). Außerdem hat das Gericht den Kläger persönlich durch Schreiben vom 15. Februar 2013 – das ihm mit Postzustellungsurkunde am 20. Februar 2013 übermittelt worden ist – nochmals von dem bevorstehenden Termin und den Folgen des § 91 Abs. 2 FGO in Kenntnis gesetzt.
15
2. Die Klage ist unbegründet.
16
Der Einkommensteuerbescheid vom 25. Oktober 2010, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 8. September 2009 ersetzt hat, kann in dem hier streitbefangenen Punkt der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht zugunsten des Klägers geändert werden. Denn die Entscheidung des Beklagten, die Einkommensteuerfestsetzung vom 8. September 2009 als bestandskräftig zu behandeln und den gegen sie gerichteten Einspruch als unzulässig zu verwerfen (§ 358 Satz 2 AO), ist rechtmäßig. Der Einspruch war verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dem Kläger nicht zu gewähren.
17
a) Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der – wie vorliegend der Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009 – durch die Post im Inland übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am dritten Tage nach seiner Aufgabe zur Post bekanntgegeben. War der Einspruchsführer ohne sein Verschulden verhindert, die sich daraus ergebende Einspruchsfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO), wobei das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Dieser Wiedereinsetzungsantrag ist – wie auch die versäumte Einlegung des Einspruchs – nach § 110 Abs. 2 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
18
b) Dies vorausgeschickt, war der erst am 14. Januar 2010 eingegangene Einspruch offenkundig verspätet. Denn die Monatsfrist zu dessen Einlegung begann mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 8. September 2009 am Freitag, den 11. September 2009 und endete damit – weil der 11. Oktober 2009 auf einen Sonntag fiel – am Montag, den 12. Oktober 2009 (§ 108 Abs. 3 AO). Der erfolgten Bekanntgabe steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich – wie er vorträgt – während dieses Zeitraums durchgehend nicht in Y, sondern bei seiner Lebensgefährtin in Z / Asien aufgehalten haben will. Denn es genügt, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich ist und dass sie unter gewöhnlichen Umständen auch erwartet werden kann (vgl. Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 10. Aufl., § 122 Rz. 6). Diese Voraussetzungen sind regelmäßig erfüllt, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wird, und zwar insbesondere dann, wenn der in einem gewöhnlichen Brief enthaltene Bescheid – wie hier – in einen für den Adressaten – hier: den Kläger – bestimmten Briefkasten eingeworfen wird. Auch dass der Bekanntgabeempfänger am Ort der Bekanntgabe den räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat, erfordert eine wirksame Bekanntgabe nicht (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. März 1990 – VIII R 141/85, BFH/NV 1991, 71). Gleichfalls unerheblich ist, ob der Betroffene den Bescheidinhalt tatsächlich zur Kenntnis nimmt (Brockmeyer in Klein, a. a. O.).
19
c) Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies würde – wie dargelegt – sowohl ein fehlendes Verschulden des Klägers am Versäumen der Einspruchsfrist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO) als auch einen Wegfall des Hinderungsgrunds nicht vor dem 14. Dezember 2009 (§ 110 Abs. 2 AO) voraussetzen. Für beide Umstände war der Kläger darlegungs- und nachweispflichtig. Letzteres ist im gesamten Verlauf des Verwaltungs- und des Klageverfahrens nicht geschehen, obwohl die genannten Erfordernisse dem Kläger spätestens aufgrund des Senatsbeschlusses vom 23. April 2012 – 1 V 238/12 (über die Ablehnung der AdV) hinlänglich bekannt waren.
20
aa) Der Senat folgt dem Beklagten darin, dass die Behauptung allein, sich vom 20. August 2009 bis zum 14. Dezember 2009 in Z / Asien aufgehalten zu haben, nicht zur Widerlegung der Vermutung ausreicht, dass der Antragsteller seine Wohnung in Y in der Zwischenzeit nicht doch wenigstens einmal aufgesucht hat. War dies aber der Fall, so ist der Hinderungsgrund für das Versäumen der Einspruchsfrist bereits zu diesem Zeitpunkt fortgefallen, so dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet war (§ 110 Abs. 2 AO). Der Kläger hat trotz mehrfacher Aufforderung nicht erläutert, welche Aussage dem auf den 17. November 2009 datierten Stempelaufdruck in seinem Reisepass zuzumessen war. Auch hat er den Reisepass im gesamten Verfahren nicht im Original, sondern nur einzelne Seiten daraus in Fotokopie vorgelegt, so dass dem Beklagten wie auch dem Gericht ein lückenloses Nachvollziehen des vorgeblichen Auslandsaufenthalts im streitrelevanten Zeitraum nicht möglich war. Die damit einhergehende Beweisvereitelung hat der Kläger zu vertreten. Die beiläufige Bemerkung im Klageverfahren, es gebe wegen der Beziehung zu seiner thailändischen Lebensgefährtin keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich nicht durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe, ist zu unbestimmt, als dass sie zum Nachweis des Gegenteils ausreichen würde.
21
bb) Der Kläger hat daneben auch nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten.
22
Mit dem bloßen Hinweis, er habe sich auf einer viermonatigen Auslandsreise nach Z / Asien befunden, ist das Versäumnis nicht entschuldigt. Jedenfalls bei längerer Abwesenheit entspricht es dem allgemeinen Sorgfaltsgebot bei Teilnahme am Rechtsverkehr, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass man von behördlichen Zustellungen Kenntnis erhält und Fristen gewahrt werden (BFH-Beschluss vom 30. März 2006 – VIII B 197/05, BFH/NV 2006, 1487). Das trifft insbesondere für Personen zu, die sich – wie der Kläger – oft oder länger auf Auslandsreisen befinden und bei denen die Abwesenheit von der Wohnung zur Regel wird (BFH-Urteil vom 12. August 1986 – VII R 202/83, BFH/NV 1988, 89).
23
Zwar trägt der Kläger vor, durch Beauftragung des Herrn B mit der Verwaltung seiner im Abwesenheitszeitraum eingehenden Post eine solche Maßnahme getroffen zu haben. Auch ist ihm darin zu folgen, dass im Falle einer solchen Beauftragung das mögliche Verschulden des Herrn B ihm – dem Kläger – nicht über § 110 Abs. 1 Satz 2 AO als eigenes Verschulden zuzurechnen wäre, weil Herr B – der, anders als etwa ein Prozessbevollmächtigter, nicht aufgrund eines entgeltlichen Auftragsverhältnisses, sondern aus bloßer Gefälligkeit tätig geworden ist – insoweit nicht als „Vertreter“, sondern nur als eine sog. „Hilfsperson“ anzusehen gewesen wäre (BFH-Entscheidungen vom 11. Januar 1983 – VII R 92/80, BFHE 137, 399, BStBl II 1983, 334, und vom 23. Oktober 2001 – VIII B 51/01, BFH/NV 2002, 162). Darum geht es hier indessen nicht, da im Streitfall kein fremdes, sondern ein eigenes Verschulden des Klägers vorgelegen hat.
24
Dieses eigene Verschulden des Klägers ergibt sich aus der – nicht sachgerechten – Hinzuziehung einer dafür nicht geeigneten Hilfsperson. Ein solches Verschulden bei der Auswahl der Hilfsperson folgt daraus, dass der mit der Kontrolle der Eingangspost beauftragte Herr B nicht in der Wohnung in Y anwesend war. Weil der Beauftragte in W und nicht in Y wohnhaft gewesen ist, hätte es für eine sachgerechte Vorkehrung einer Vereinbarung bedurft, wonach die Hilfsperson die Wohnung in Y turnusmäßig aufsuchen sollte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 162). Eine solche Regelmäßigkeit der Kontrolle der Wohnung in Y auf eingegangene Postzustellungen ist aber nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar. Dies entnimmt das Gericht dem Umstand, dass der im September 2009 erstellte Einkommensteuerbescheid für 2005 während der Zeit, in der Herr B den Posteingang überwacht haben will, „nicht dabei gewesen“ ist und somit während des ganzen Zeitraums von Mitte September 2009 bis Mitte Dezember 2009 keine Nachschau durch Herrn B mehr erfolgt sein kann.
25
3. Die Klage war damit im Streitpunkt der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften abzuweisen. Davon unberührt bleibt die Frage, ob die zuletzt angefochtene Einkommensteuerfestsetzung vom 25. Oktober 2010, die den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 8. September 2009 ersetzt hat, daneben noch in einzelnen anderen Punkten zugunsten des Klägers abgeändert werden kann. Darüber war im Rahmen des hier anhängigen Klageverfahrens nicht zu entscheiden.
26
a) Denn anders als der Beklagte bei Abfassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 angenommen hat, ist der Bescheid vom 25. Oktober 2010 nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009 geworden.
27
Letzteres ist zwar nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass der vorher eingelegte Einspruch nicht – etwa, wie im Streitfall, wegen Verfristung – unzulässig war, denn die Norm verfolgt den Zweck zu verhindern, dass der Rechtsbehelfsführer ohne Einlegung eines erneuten Rechtsbehelfs aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hinausgedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird (Brockmeyer in Klein, a. a. O., § 365 Rz. 6). Dass § 365 Abs. 3 Satz 1 AO von einem zulässigen Einspruch gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt ausgeht, ergibt sich auch aus § 358 Satz 2 AO. Denn die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung, hinsichtlich derer der Finanzbehörde kein Ermessen eingeräumt ist. § 358 Satz 2 AO aber lässt auf einen „verfristeten“ Einspruch keine andere als die vorgeschriebene Entscheidung („ist als unzulässig zu verwerfen“) zu (BFH-Urteil vom 13. April 2000 – V R 56/99, BFHE 191, 491, BStBl II 2000, 490). Dies hat im Ergebnis im Übrigen auch der Beklagte noch mit Schreiben an die Bevollmächtigten des Klägers vom 24. Januar 2011 zutreffend so gesehen.
28
b) Daraus folgt, dass sich der Bescheid vom 8. September 2009 keineswegs – wie der Kläger meint – durch den nachfolgenden Bescheid vom 25. Oktober 2010 „erledigt“ hat. Die Einkommensteuerfestsetzung vom 8. September 2009 ist vielmehr, wie im Rahmen des hier anhängigen Klageverfahrens entschieden worden ist, bestandskräftig geworden. Zugleich wird der Beklagte – sofern noch nicht geschehen – über den (zulässigen) Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 25. Oktober 2010 noch in der Sache zu entscheiden haben. In diesem Einspruchsverfahren werden die Beteiligten indessen zu beachten haben, dass gemäß § 351 Abs. 1 AO Verwaltungsakte, die – wie der Bescheid vom 25. Oktober 2010 – unanfechtbare Verwaltungsakte – wie hier den Bescheid vom 8. September 2009 – ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht. Dies bedeutet, dass der Kläger mit seinem Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 25. Oktober 2010 auf die Einwendung beschränkt ist, die dort erstmals besteuerten Renteneinkünfte seien fehlerhaft erfasst oder die Änderungsnorm des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht zutreffend angewendet worden.
29
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

BMF: Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs

Das BMF hat die Gesamtübersicht über die Kaufkraftzuschläge zum 01.04.2013 (§ 3 Nr. 64 EStG) mit Zeitraum ab 01.01.2012 bekannt gegeben.

Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs; Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge – Stand: 1. April 2013

“Bekanntmachung über die Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs vom 5. April 2013 – IV C 5 – S 2341/12/10002 –

Das Auswärtige Amt hat für einige Dienstorte die Kaufkraftzuschläge neu festgesetzt. Die Gesamtübersicht wurde entsprechend ergänzt. […]“

Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs; Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge – Stand: 1. April 2013 (PDF, 115,2 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Abgeltungsteuer FAQ

Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Abgeltungsteuer

Zum 1. Januar 2009 wurde in Deutschland die Abgeltungsteuer eingeführt. Damit unterliegen Zinsen, Dividenden, Fondsausschüttungen sowie Kurs- und Währungsgewinne einem einheitlichen Pauschalsteuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.

Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer, d. h. sie wird vom Schuldner (z. B. Bank) vom Ertrag einbehalten und direkt an das Finanzamt abgeführt.

Wie vormals beim Zinsabschlag können Erträge in Höhe von 801 Euro bei Alleinstehenden bzw. 1.602 Euro bei Ehegatten steuerfrei gestellt werden.

-> Abgeltungssteuerrechner

 

1. Was ist unter „Abgeltungsteuer“ zu verstehen?

Die Abgeltungsteuer ist eine Form der Erhebung der Einkommensteuer durch Abzug an der Quelle.

Der Abgeltungsteuer unterliegen alle Kapitalerträge, die nicht in einem Unternehmen anfallen. Inländische Schuldner oder Zahlstellen (z.B. Banken) sind danach verpflichtet, einen Steuerabzug vorzunehmen und an die Finanzverwaltung abzuführen.

Mit dem Steuerabzug ist die Einkommensteuer des Gläubigers grundsätzlich abgegolten. Die Angabe der Kapitaleinkünfte in der Einkommensteuererklärung ist nicht mehr erforderlich.

Der Steuersatz beträgt einheitlich 25 Prozent. Hinzu kommen Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

 

2. Welche Einkünfte fallen unter die Abgeltungsteuer?

Unter die Regelungen der Abgeltungsteuer fallen grundsätzlich alle Einkünfte aus dem Kapitalvermögen, insbesondere Zinserträge aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten, Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren, Dividenden, Erträge aus Investmentfonds oder Termingeschäfte und auch Zertifikatserträge.

Weiterhin erfasst die Abgeltungsteuer Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften, insbesondere bei Wertpapieren, Investmentanteilen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, nicht jedoch Immobilien.

 

3. Ab wann gilt die Abgeltungsteuer?

Der Abgeltungsteuer unterliegen alle laufenden Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2008 zufließen.

Gleiches gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die nach dem 31.12.2008 gekauft werden, und zwar unabhängig von der Haltedauer. Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 erworben werden, können nach Ablauf eines Jahres steuerfrei veräußert werden.

Für Zertifikate gilt eine besondere Regelung. Diese können ab dem 1. Juli 2009 nur steuerfrei verkauft werden, wenn sie am 14. März 2007 – dem Kabinettsbeschluss zur Abgeltungsteuer – oder vorher erworben wurden. Mit dieser Sonderregelung sollen nicht hinnehmbare Steuerausfälle vermieden werden. Denn während sich der herkömmliche Zertifikatemarkt durch eine überwiegende Zahl von Produkten mit sehr begrenzter Laufzeit auszeichnete, war bereits kurz nach dem Kabinettsbeschluss das Bestreben erkennbar, eine „Schlussrallye“ mit sehr lang oder unbegrenzt laufenden Zertifikaten zu starten.

 

4. Dürfen Verluste, die bei der Veräußerung von Aktien entstehen, die ab dem Jahr 2009 gekauft werden, mit Zins- oder Dividendeneinkünften verrechnet werden?

Nein.
Grund der Einschränkung der Verlustverrechnung ist die Verhinderung von erheblichen Haushaltsrisiken.

Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass Kursstürze an den Aktienmärkten zu einem erheblichen Verlustpotential bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien führen. Denn viele Steuerpflichtige veräußerten während des Börsencrashs 2000-2002 ihre Aktien unter Verlust, so dass allein aus Veräußerungsgeschäften, die innerhalb der – bisher geltenden einkommensteuerrechtlichen – Jahresfrist vorgenommen wurden, bis Ende 2002 Verluste in Höhe von bundesweit 11,2 Mrd. Euro festgestellt wurden. Für das gesamte Steueraufkommen hatten diese gravierenden Verluste keine relevante Bedeutung, da Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften lediglich mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften, also z.B. nicht mit Zins- oder Dividendeneinkünften, verrechnet werden konnten.

Würde man zukünftig jedoch eine Verrechnung von Veräußerungsverlusten aus Aktien mit anderen Erträgen aus Kapitaleinkünften, insbesondere Zinsen und Dividenden, zulassen, bestünde die Gefahr, dass bei vergleichbaren Kursstürzen wie in der Vergangenheit innerhalb kürzester Zeit Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe entstehen.

 

5. Kann man die Abgeltungsteuer – ähnlich wie bisher – mit Nichtveranlagungsbescheinigungen und Freistellungsaufträgen vermeiden?

Ja.
Wer bisher die entsprechenden Anträge gestellt hat oder die Voraussetzungen hierfür erstmals erfüllt, kann dies auch zukünftig tun.

In unserer Rubrik Formulare finden Sie die Vordrucke für den Freistellungsauftragund für den Antrag auf Erteilung einer Nichtveranlagungsbescheinigung.

 

6. Welche Vorteile bringt die Abgeltungsteuer für die Steuerpflichtigen?

Der wichtigste und augenfälligste Vorteil ist die Vereinfachung der persönlichen Einkommensteuererklärung. Wer seine Konten und Depots im Inland unterhält, muss sich nicht mehr um die steuerlichen Folgen seiner Kapitalanlagen kümmern. Dies erledigt sein Kreditinstitut für ihn.

Gleichzeitig eröffnet die Veranlagungsoption ggf. eine niedrigere steuerliche Belastung mit dem individuellen Einkommensteuersatz.

Die Erklärungsvordrucke werden einfacher und verständlicher gestaltet. Dies bringt auch Erleichterungen für den Steuerpflichtigen, der die Veranlagung wählt.

Die einheitliche Behandlung von laufenden Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen bringt mehr Freiheit für Anlageentscheidungen. Umschichtungen können frei von steuerlichen Zwängen nach rein wirtschaftlichen Erwägungen jederzeit vorgenommen werden.

 

7. Müssen alle Steuerpflichtigen auf ihre Kapitaleinkünfte 25 % Einkommensteuer zahlen?

Nein.
Steuerpflichtige, die auf Grund ihrer geringen Einkünfte einen persönlichen Steuersatz (Grenzsteuersatz) von unter 25 % haben, können zu ihren Gunsten zur Veranlagung ihrer Einkünfte aus Kapitalanlagen optieren, d.h. sie können in der Einkommensteuererklärung ihre Kapitaleinkünfte angeben.

Stellt sich bei der Steuerfestsetzung auf Grund der eingereichten Erklärung heraus, dass die Veranlagung doch nicht günstiger ist als die Abgeltungsteuer, werden die Kapitaleinkünfte bei der Steuerfestsetzung ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt.

 

8. Kann ich bei diesen Kapitaleinkünften Werbungskosten, wie z.B. Depotgebühren, geltend machen?

Nein.
Die Bemessungsgrundlage entspricht den Bruttoerträgen, die nur durch den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 Euro, für Verheiratete in Höhe von 1.602 Euro reduziert werden. Damit werden typisierend Werbungskosten berücksichtigt, die meist weit unter diesem Beträgen liegen.

 

9. Wie wirkt sich die Abgeltungsteuer auf Riester- und Rürup-Verträge aus?

Die Leistungen aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen („Riester-Rente“) und von Basisrentenprodukten („Rürup-Rente“) werden erst in der Auszahlungsphase nachgelagert besteuert. Während der Ansparphase erfolgt keine Besteuerung von Erträgen und Wertsteigerungen.

Auch nach Einführung der Abgeltungsteuer wird bei der Besteuerung der Riester- und Rürup-Verträge der von der Höhe des zu versteuernden Einkommens abhängige persönliche Steuersatz und nicht der Abgeltungsteuersatz angewendet.

Zu den Riester-Produkten gehören sämtliche zertifizierten Altersvorsorgeverträge in Form einer Rentenversicherung, eines Fonds- oder eines Banksparplans. Die Regelungen in der Ansparphase gelten für jeden zertifizierten Altersvorsorgevertrag. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anleger im Rahmen der Riester-Rente förderberechtigt ist und ob er die Förderung in Anspruch nehmen wird. D. h., auch ein Selbständiger, der nicht förderberechtigt ist, kann einen entsprechenden zertifizierten Altersvorsorgevertrag abschließen und von den Regelungen profitieren.

Rürup-Produkte können ebenfalls von allen Steuerpflichtigen als private Rentenversicherungen und als fondsgebundene Basisrentenprodukte abgeschlossen werden.

 

10. Was ändert sich bei der Dividendenbesteuerung?

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer entfällt für Einkünfte des Privatvermögens natürlicher Personen das Halbeinkünfteverfahren. Dies bedeutet, dass Dividenden aus Aktien beim Anleger genauso besteuert werden wie Zinseinnahmen.

 

11. Gilt die Abgeltungsteuer auch bei Lebensversicherungen?

Teilweise ja.
Sowohl das geltende als auch das zukünftige Recht unterscheidet zwischen Versicherungsverträgen, die vor dem 01. Januar 2005 („Altverträge“) und solchen, die nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen wurden („Neuverträge“).

Bei Altverträgen gilt zeitlich unbeschränkt die Ermittlung des steuerpflichtigen Ertrags in Form der außerrechnungs- und rechnungsmäßigen Zinsen und die an bestimmte Voraussetzungen (insbes. Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren, mind. fünfjährige laufende Beitragszahlung, 60 % Mindesttodesfallschutz) geknüpfte Steuerbefreiung fort.

Bei Neuverträgen ist als steuerpflichtiger Ertrag der Unterschied zwischen der Versicherungsleistung und der auf sie entrichteten Beiträge zu ermitteln. Erfolgt die Auszahlung nach Vollendung des 60. Lebensjahrs (bei Vertragsabschlüssen nach dem 31.12.2011: nach Vollendung des 62. Lebensjahrs) des Steuerpflichtigen und nach Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss, ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen.

Allerdings fallen Leistungen aus Neuverträgen, bei denen die Voraussetzungen des hälftigen Unterschiedsbetrags vorliegen, nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 %. In diesen Fällen erfolgt eine Veranlagung gemeinsam mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten unter Anwendung des progressiven Einkommensteuertarifs. Die Ausnahme ist zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gerechtfertigt, da der Wertzuwachs – bei Anwendung des Abgeltungsteuersatzes – bei diesen Leistungen lediglich in Höhe von höchstens 12,5 % besteuert würde. Damit würde ohne sachlichen Grund eine steuerrechtliche Begünstigung von Lebensversicherungsleistungen gegenüber anderen Anlageprodukten erfolgen.

Bei der Erhebung der Steuer ist zu beachten, dass der Steuerabzug von 25 % auch bei Lebensversicherungen vorgenommen wird, die die Voraussetzung der hälftigen Freistellung erfüllen. Der Steuerpflichtige kann diese Freistellung in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen und damit eine Erstattung durch das Finanzamt erreichen. Diese Regelung ist zur Verifikation derartiger steuerpflichtiger Versicherungsleistungen geboten, da ansonsten die Gefahr besteht, dass in diesen Fällen – auf Grund fehlender zusätzlicher Kontrollmöglichkeiten durch die Finanzverwaltung – lediglich eine Besteuerung in Höhe von 12,5 % des Wertzuwachses erfolgt, wenn der Steuerpflichtige die Erträge nicht in seiner Einkommensteuererklärung angibt.

 

12. Wie werden Kapitalanlagen bei Kreditinstituten im Ausland behandelt?

Auf Erträge aus Kapitalanlagen bei Kreditinstituten im Ausland findet die Abgeltungsteuer keine Anwendung. Gleichwohl unterliegen diese Erträge ggf. der Einkommensteuer und müssen daher gegenüber dem Finanzamt angegeben werden.

 

13. Wie wird die Kirchensteuer auf die Kapitaleinkünfte erhoben?

Grundsätzlich sollen die Kreditinstitute die Kirchensteuer – wie die Einkommensteuer – bereits in der Form des Quellensteuerabzugs erheben. Hierfür ist jedoch eine gesonderte Datenbank beim Bundeszentralamt für Steuern notwendig, bei der die Kreditinstitute unter Wahrung des Datenschutzes der Betroffenen eine Abfrage starten können, ob ihre Kunden einer Konfession angehören, für die Kirchensteuer zu erheben ist.

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Datenbank ihre Arbeit aufnimmt, bestehen für den Steuerpflichtigen hinsichtlich der Kirchensteuererhebung zwei Alternativen:

  • Er kann einerseits bei seinem Kreditinstitut seine Konfession angeben. Dann nimmt das Kreditinstitut – ohne dass die Finanzverwaltung hiervon erfährt – die Erhebung der Kirchensteuer für ihn vor.
  • Er kann in seiner Steuererklärung angeben, in welcher Höhe Kapitalertragsteuer von seinem Kreditinstitut einbehalten wurde. Dann setzt das Finanzamt auf Grund der angegebenen Kapitalertragsteuer die zutreffende Kirchensteuer für ihn fest.
    Eine abweichende Regelung gilt in Bayern: Hier teilt das Finanzamt die maßgebende Kapitalertragsteuer dem zuständigen Kirchensteueramt mit, das dann die Kirchensteuer erhebt.

 

14. Wird zwischen inflationsbedingten und realen Wertänderungen unterschieden?

Nein.
Das Einkommensteuerrecht unterscheidet nicht zwischen realen und nominalen (inflationsbedingten) Wertänderungen. Das sog. Nominalwertprinzip steht auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang mit dem Grundgesetz.

 

15. Gibt es trotz der Abgeltungsteuer weiterhin den Kontenabruf der Finanzbehörden?

Für Fälle, in denen private Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne weiterhin nach altem Recht zu besteuern sind, besteht auch die Kontenabrufmöglichkeit nach altem Recht fort.

Soweit die Abgeltungsteuer Anwendung findet, besteht die Kontenabrufmöglichkeit nur noch für die Fälle, in denen ein Bürger

  • beantragt, seine Kapitaleinkünfte seinem niedrigeren persönlichen Einkommensteuersatz zu unterwerfen,
  • festgesetzte Steuern nicht zahlt,
  • einem steuerlichen Kontenabruf zustimmt,
  • bestimmte staatliche Leistungen beantragt, für die die Höhe des Einkommens von Bedeutung ist (z.B. BAFöG, Wohngeld) oder
  • in Veranlagungszeiträumen bis einschl. 2011 steuerliche Vergünstigungen (z.B. außergewöhnliche Belastungen) in Anspruch nehmen will oder Kindergeld beantragt und für die Höhe des Kindergelds die Einkünfte des Kindes von Bedeutung sind.

 

16. Was passiert mit Altverlusten aus privaten Veräußerungsgewinnen mit Wertpapieren? Kann ich diese weiterhin geltend machen?

Ja.
Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, d.h. Verluste, die nach dem bis 2008 geltenden Recht entstanden sind, können für eine Übergangszeit bis zum Jahr 2013 mit Einkünften aus der Veräußerung von Kapitalanlagen – z.B. Gewinnen aus Aktienverkäufen oder Fondsbeteiligungen – verrechnet werden.

Eine Verrechnung mit Zinseinkünften oder Dividendenausschüttungen ist dagegen nicht zulässig. Dies war auch nach dem bisherigen Recht nicht möglich.

Beispiel:

A hat beim Börsencrash im Jahr 2001 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 20.000 Euro erzielt, die er bisher noch nicht verrechnen konnte.

Im Jahr 2010 erzielt er Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 20.000 Euro. Hierbei entfallen 9.000 Euro auf Zinseinkünfte und Dividendenausschüttungen (Einkünfte nach § 20 Abs. 1 EStG). Die übrigen Einkünfte von 11.000 Euro stammen aus der Endfälligkeit von Zertifikaten, aus Einlösungsgewinnen bei Finanzinnovationen (z.B. Umtauschanleihen), aus Termingeschäften sowie aus Veräußerungsgewinnen aus Aktien, die er im Jahr 2009 angeschafft hat (Einkünfte nach § 20 Abs. 2 EStG).

A kann einen Verlust von 11.000 Euro verrechnen.

Eine Verrechnung der Altverluste mit den Gewinnen aus den Zinseinkünften und Dividendenausschüttungen ist ausgeschlossen.

Für A besteht allerdings die Möglichkeit, die Verluste noch in den Jahren 2011 bis 2013 geltend zu machen.

Hinweis:

Voraussetzung für die Berücksichtigung von Altverlusten ist, dass der Steuerpflichtige die Altverluste im Jahr ihrer Entstehung in seiner Steuererklärung angegeben hat und sie vom Finanzamt – z.B. durch Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides – berücksichtigt wurden.

Wie lässt sich der Erklärungsbedarf in der Anlage KAP reduzieren?

Seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 ist die Abgabe der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung für viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr erforderlich.

Seit dem 1. Januar 2009 hat der Steuerabzug bei Kapitalerträgen abgeltende Wirkung, das heißt, es besteht grundsätzlich keine Pflicht mehr, diese Erträge in der Steuererklärung anzugeben. Die Besteuerung erfolgt mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.

Die Abgeltungsteuer wird nur dann erhoben, wenn die Kapitaleinkünfte den Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro für Ledige oder 1.602 Euro für Verheiratete übersteigen oder wenn keine Nichtveranlagungs-Bescheinigung vorgelegt wird.

Veranlagungswahlrecht

Für die Abgeltungsteuer gilt aber das so genannte Veranlagungswahlrecht. Wer meint, dass die Veranlagung der Kapitaleinkünfte zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt, kann eine Einbeziehung seiner Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerveranlagung und damit die Besteuerung mit dem allgemeinen progressiven Einkommensteuertarif beantragen.

Die Höhe des allgemeinen Einkommensteuertarifes ist dabei nicht entscheidend, maßgebend ist allein, wie hoch die Steuerbelastung bei einer Einbeziehung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zu einer Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz ist.

Das Finanzamt prüft beide Alternativen und wendet die für den Steuerpflichtigen günstigere Variante an (sog. Günstigerprüfung).

Grenzbeträge

Für die weit überwiegende Zahl der Steuerpflichtigen dürfte sich die Ausübung des Veranlagungswahlrechts kaum lohnen, denn bereits ab einem zu versteuernden Einkommen von 15.721 Euro und 31.442 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten wird ein (Grenz-)Steuersatz von 25 % erreicht.

Vereinfachtes Beispiel, gerechnet ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer:

Eine steuerpflichtige Person erzielt (nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags) 5.000 Euro Kapitalerträge und 15.000 Euro Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten. Würde eine Veranlagung mit einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von 20.000 Euro durchgeführt, wären bei Anwendung des derzeit geltenden allgemeinen Einkommensteuertarifs 2.701 Euro Einkommensteuer zu zahlen; bei Anwendung des Tarifs auf 15.000 Euro zvE fallen 1.410 Euro Steuer in der Veranlagung und 1.250 Euro Abgeltungsteuer, also zusammen 2.660 Euro, an. Die Abgeltungsteuer führt also zu 41 Euro weniger Einkommensteuer.

Fälle mit Altersentlastungsbetrag oder Härteausgleich

Sind die genannten Grenzwerte überschritten, kann der Antrag dann vorteilhaft sein, wenn für die Kapitalerträge die Gewährung des Altersentlastungsbetrags oder eines Härteausgleichs in Betracht kommt.

Der Altersentlastungsbetrag wird ab dem Kalenderjahr gewährt, das auf die Vollendung des 64. Lebensjahrs folgt. Eine Steuerminderung für die Kapitalerträge ergibt sich allerdings nur, wenn der Altersentlastungsbetrag nicht bereits aufgrund anderer positiver Einkünfte vollständig ausgeschöpft ist. Zu beachten ist auch, dass bei der Bemessung des Altersentlastungsbetrags Renteneinkünfte und Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben.

Den Härteausgleich erhalten Bezieher von Arbeitslohn, deren Nebeneinkünfte aus anderen Einkunftsarten niedriger als 820 € sind.

Bitte berücksichtigen Sie daher, dass der Antrag auf Günstigerprüfung nur unter bestimmten Voraussetzungen zu einer niedrigeren Besteuerung führt. Liegen diese Voraussetzungen ganz offensichtlich nicht vor, kann auf den Antrag und eine vollumfängliche Erklärung der Kapitalerträge verzichtet werden.

Weitere Möglichkeiten

Sie haben aber auch noch weitere Möglichkeiten, die Angabe von Kapitaleinkünften in der Steuererklärung entbehrlich zu machen, wenn Sie

  • den kontoführenden Kreditinstituten Freistellungsaufträge bis zum Höchstbetrag von insgesamt 801 €, bei zusammenveranlagten Ehegatten bis zu 1 602 €, erteilen und das Freistellungsvolumen erforderlichenfalls der Entwicklung der Kapitalerträge anpassen. Ein Antrag beim Finanzamt auf Überprüfung des Steuereinbehalts zur Berücksichtigung eines beim Steuerabzug nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags wird dadurch entbehrlich.
  • als Mitglied einer kirchensteuerhebeberechtigten Religionsgemeinschaft bei den kontoführenden Kreditinstituten die Einbehaltung der Kirchensteuerbeantragen. Soweit die Kapitalerträge dem Kirchensteuerabzug unterlegen haben, sind Angaben in der Anlage KAP grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Anwalts- und Gerichtskosten im Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens angefallene Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen

Finanzgericht Düsseldorf, 10 K 2392/12 E

Datum: 19.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 10. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 10 K 2392/12 E
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 wird der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz weiterer 8.195 Euro als außergewöhnliche Belastungen zusätzlich zu den bisher bereits berücksichtigten 94 Euro sowie durch Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 114 Euro geändert.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:

2Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2010 Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen und ob Lohnkosten wegen der Montage einer ausgetauschten Einbauküche als Handwerkerleistungen steuerermäßigend zu berücksichtigen sind.

3Die Ehe der Klägerin wurde mit Urteil des Amtsgerichts A Familiengericht am ………….. 2010 geschieden (Az. …….. ). Gleichzeitig wurden im Urteil Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Klägerin begründet. Mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom gleichen Tag wurde der Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geregelt. Die Kosten des Verfahrens und die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Am 18. März 2010 erstellte die Prozessvertreterin der Klägerin in der Familiensache die Endabrechnung, die sich auf noch zu zahlende Anwalts- und Gerichtskosten von 8.195,13 Euro belief und von der Klägerin mit Wertstellung zum 15. April 2010 per Banküberweisung bezahlt wurde. Ebenfalls im Streitjahr 2010 ließ die Klägerin in der von ihr genutzten Wohnung eine neue Einbauküche montieren. Gemäß Rechnung vom 22. Juni 2010 betrug der Gesamtpreis einschließlich Lieferung und Montage insgesamt brutto 7.648 Euro. Der Rechnungsbetrag wurde von der Klägerin mittels Banküberweisung unter Anrechnung einer bereits 2010 geleisteten Anzahlung von 2.000 Euro mit Wertstellung 7. Juli 2010 bezahlt. Ausweislich einer Bescheinigung des Küchenlieferunten vom 28. März 2012 ist in der Rechnung ein Lohnkostenanteil von 572,39 Euro enthalten.

4In der Einkommensteuererklärung für 2010 machte die Klägerin u. a. Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.195 Euro und als Handwerkerleistung anlässlich der Erneuerung der Einbauküche einen Betrag von 1.530 Euro (20 v. H. des Rechnungsbetrages) geltend. Der Beklagte verweigerte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 insgesamt die steuerliche Berücksichtigung. In den Erläuterungen des Steuerbescheids heißt es dazu auszugsweise:

5„Als außergewöhnliche Belastungen können Prozesskosten für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich angesetzt werden. Aufwendungen für die Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens und Unterhaltsansprüche(n) sind nicht abzugsfähig. Aus den von Ihnen eingereichten Unterlagen ist eine Trennung der Aufwendungen nicht möglich. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen konnte nicht gewährt werden, weil die Arbeitskosten anhand der Angaben in der Rechnung nicht gesondert ermittelt werden konnten. Eine Aufteilung im Schätzwege ist nicht zulässig.“

6Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012).

7Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

8Der Beklagte habe die Prozesskosten entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 1015) nicht anerkannt. Sämtliche ihr im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren erwachsenen Kosten seien zwangsläufig entstanden. Ihre Rechtsverteidigung sei nicht mutwillig gewesen und habe von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt. Gemäß BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 (VI R 28/08, BStBl II 2010, 166) berechtige auch eine nachträgliche Rechnungsergänzung bei einer Handwerkerleistung zum Steuerabzug.

9Die Klägerin beantragt,

10              unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz von 8.195 Euro für Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (zusätzlich zu bisher bereits berücksichtigten Krankheitskosten in Höhe von 94 Euro) sowie durch Verminderung der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes um 114 Euro zu ändern.

11Der Beklagte beantragt,

12              die Klage abzuweisen, soweit sie nicht auf die Berücksichtigung der Handwerkerleistungen gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 114 Euro gerichtet ist.

13Er trägt vor:

14Prozesskosten seien grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 20. Dezember 2011 IV C 4-S 2284, BStBl I 2011, 1286). Bei berücksichtigungsfähigen Handwerkerleistungen müsse sich der Arbeitslohn aus der Rechnung selbst ergeben. Eine nachträgliche Aufgliederung durch Bestätigung des Rechnungsausstellers sei gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (IV C 4-S 2296-b, BStBl I 2010, 140) nicht mehr möglich.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist begründet.

17Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 sowie die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 sind weitere außergewöhnliche Belastungen von 8.195 Euro zu berücksichtigen und ist die tarifliche Einkommensteuer wegen Handwerkerleistungen um 114 Euro zu ermäßigen.

18Die Aufwendungen der Klägerin für die Montage der von ihr ausgetauschten Einbauküche sind mit 20 v. H. des Arbeitslohnes, also mit 114 Euro, gemäß § 35 a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der festzusetzenden tariflichen Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Gemäß Bescheinigung des Küchenlieferanten vom 28. März 2012 hat der Lohnkostenanteil der Rechnung vom 22. Juni 2010 insgesamt 572,39 Euro betragen. Der Austausch einer Einbauküche gehört gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (a. a. O.; dort Anlage 1) zu den begünstigten Handwerkerleistungen. Der Beklagte ist dem Abzug in seinem Klageantrag nicht mehr entgegen getreten. Insoweit ist dieser Verfahrensgegenstand nicht mehr streitig.

19Die insgesamt anlässlich des Ehescheidungsverfahrens geltend gemachten Aufwendungen von 8.195 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

20Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

21Der BFH hat mit Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten (stets) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskosten, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Vermögens bzw. mit dem Streit über den Zugewinnausgleich entstehen, sollen dagegen nach bisheriger Rechtsprechung nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein, da es die Eheleute in der Hand haben, die vermögensrechtliche Einigung ohne Inanspruchnahme der Gerichte herbeizuführen (BFH-Urteile vom 30. Mai 2005 III R 36/03, BStBl II 2006, 491; III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Dieser Begrenzung der Abzugsfähigkeit vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

22Das Recht der Ehe (Eheschließung und -scheidung einschließlich der daraus folgenden Unterhalts-, Vermögens- und Versorgungsfragen) unterliegt allein dem staatlich dafür vorgesehenen Verfahren. Ein anderes, billigeres Verfahren steht Eheleuten zur Beendigung einer Ehe nicht zur Verfügung; eine gewaltsame Konfliktlösung wird nicht gebilligt. § 623 der Zivilprozessordnung (ZPO) a. F. ordnet für den Fall, dass im Zusammenhang mit der Durchführung eines Scheidungsverfahrens die Regelung einer anderen Familiensache begehrt wird (sog. Folgesachen), einen Verhandlungs- und Entscheidungsverbund zwischen der Scheidungssache und der Folgesache an. Zweck der Vorschrift ist es, den Ehegatten deutlich vor Augen zu führen, welche Wirkungen die Scheidung für sie haben wird. Schließlich wird auch der schwächere Ehegatte, der sich der Scheidung nicht mit Erfolg widersetzen kann, durch den Verhandlungs- und Entscheidungsverbund geschützt. Er kann wenigstens sicher sein, dass die Ehe nicht geschieden wird, bevor die für ihn wichtigen Fragen geregelt sind. Der Verhandlungs- und Entscheidungsverbund bewirkt einen Zwang zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Ein unter Missachtung des Verbunds gefälltes Scheidungsurteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

23Diese nicht zuletzt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ‑ GG –) folgenden Erwägungen werden verletzt, wenn die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Ehescheidungskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) auf Fälle des sog. Zwangsverbundes zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich begrenzt wäre. Kausal für die insgesamt zu treffenden Regelungen einschließlich der vermögensrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Beziehungen ist die Beendigung der bisher bestehenden Ehe durch die begehrte Ehescheidung. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die die Ehescheidung Begehrenden letztere durch Urteil klären oder im Vergleichswege vom Gericht beurkunden lassen. Im Übrigen soll das Gericht in jeder Lage eines Verfahrens auf die vergleichsweise Regelung eines Rechtsstreits hinwirken (§ 278 Abs. 1, 2 und 6 der ZPO). Anders als bei einem nicht aus dem Scheidungsverfahren resultierenden Vergleich zur Regelung vermögensrechtlicher oder güterrechtlicher Ansprüche, der der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen ist, ist ein mit dem Scheidungsverfahren bestehender Veranlassungszusammenhang gegeben. Jeder Ehegatte könnte diese Fragen durch Antragstellung zum Verfahrensgegenstand der Scheidungssache machen, über die insgesamt dann durch Urteil zu entscheiden wäre. Unter Heranziehung der durch Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) geänderten Rechtsprechung, wonach Zivilprozesskosten Kläger wie Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen, sind die der Klägerin insgesamt mit der Ehescheidung erwachsenen Verfahrensaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig (im Ergebnis ebenso Urteil des Schleswig-Hosteinischen Finanzgerichts vom 21. Februar 2012

241 K 75/11, bisher nicht veröffentlicht).

25Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen betragen gemäß Anwaltsrechnung vom 18. März 2010 insgesamt 8.195 Euro. Die Anwalts- und Gerichtskosten sind entsprechend den Streitwerten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des Gerichtskostengesetzes (GKG) in zutreffender Höhe ermittelt worden.

26Das Gericht hat die Steuerfestsetzung wie erkannt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten übertragen. Dieser wird insbesondere die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) zu berechnen haben.

27Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

28Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen zum Abzug von Prozesskosten zugelassen. Zwar hat der BFH unter Änderung der Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen können und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig sind (Urteil vom 12. Mai 2011, a. a. O.). Mit Urteilen vom 30. Mai 2005 (a. a. O.) hat der BFH aber auch entschieden, dass die Kosten der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren keine außergewöhnlichen Belastungen sind. Es erscheint nach Änderung der Rechtsprechung im Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) angemessen, dem BFH Gelegenheit zu geben, diese einschränkende Rechtsprechung zu den Kosten eines Ehescheidungsverfahrens zu überprüfen. Im Übrigen sind weitere Revisionsverfahren zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme von Gerichten als außergewöhnliche Belastungen beim BFH anhängig (Az. X R 34/12, IX R 41/12, VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12). Die Frage der Abzugsfähigkeit erscheint daher insgesamt höchstrichterlich klärungsbedürftig.

Zur Frage der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 4455/11 E

Datum: 26.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 13. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 13 K 4455/11 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand:2Die Beteiligten streiten um die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung.

3Die Klägerin war von 1963 bis 1987 bei der Firma „N-GmbH“ als Auslandskorrespondentin beschäftigt. Mit Schreiben vom 08.09.1969 wurde ihr seitens der Arbeitgeberin für den Versorgungsfall eine Pension zugesagt. Das Arbeitsverhältnis wurde auf Veranlassung der Arbeitgeberin und gegen Zahlung einer Abfindung an die Klägerin aus betrieblichen Gründen zum 31.03.1987 einvernehmlich beendet. Da die Arbeitgeberin auch die Pensionsansprüche der Klägerin abfinden musste, schloss sie am 11.03.1987 zu Gunsten der Klägerin mit der „Versicherung“ einen Lebensversicherungsvertrag in Form einer Firmendirektversicherung. Zur Abgeltung der 24 Dienstjahre zahlte die Arbeitgeberin einen Betrag von 45.600 DM in die Lebensversicherung ein. Diese Einzahlung wurde gem. § 40b Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Einkommensteuersatz von 10% pauschal versteuert. Zur Verbesserung ihrer Altersversorgung zahlte die Klägerin zusätzlich aus ihrem versteuerten Einkommen einen Versicherungsbeitrag von 29.400 DM in Form eines Einmalbeitrags in den Lebensversicherungsvertrag ein. Mit Ablauf des Versicherung zum 01.03.2008 zahlte die „Versicherung“ einen Betrag von 144.103,52 € an die Klägerin aus. Darin enthalten waren rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen von 96.190,69 €.

4Diese Zinsen aus den Sparanteilen erklärten die Kläger nicht im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008.

5Der Beklagte erfuhr aufgrund einer Mitteilung über steuerpflichtige Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag oder aus einer betrieblichen Altersversorgung der „Versicherung“ von der Auszahlung aus dem Versicherungsvertrag und behandelte die Zinsen aus den Sparanteilen mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11.01.2011 als steuerpflichtige Leistung aus einem Lebensversicherungsvertrag.

6Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, dass die Leistungen aus der Lebensversicherung steuerfrei seien. Die von der Klägerin vereinnahmte Versorgungsleistung beruhe nicht auf der Erbringung eines Einmalbeitrags, sondern auf 24 Jahresleistungen der Arbeitgeberin zur Abgeltung der erteilten Pensionszusage. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG in der zum 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.) seien erfüllt.

7Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, die Leistung sei nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der zum 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.) steuerfrei. Es handele sich um keine Versicherung gegen laufende Beitragsleistung i. S. des 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG a. F.

8Die Kläger haben am 20.12.2011 Klage erhoben.

9Sie wiederholen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und machen außerdem geltend, die Altersvorsorgeleistungen der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin seien bereits vorgelagert besteuert worden. Die nachgelagerte Besteuerung der Zinsen bei Auszahlung der Versicherungssumme führe daher zu einer Doppelbesteuerung.

10Die Kläger beantragen,

11unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 11.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 die Einkommensteuer 2008 ohne Berücksichtigung des bislang erfassten Betrags von 96.190 € aus der Lebensversicherung festzusetzen.

12Die Beklagte beantragt,

13              die Klage abzuweisen.

14Er macht geltend, dass die Zahlung des Einmalbetrags durch die damalige Arbeitgeberin zur Abgeltung der Ansprüche aus der betrieblichen Versorgungszusage geleistet worden sei, führe nicht dazu, dass es sich um laufende Beitragsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG a. F. handele. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung erhalte und er diese in seine Altersversorgung investiere, indem er die Abfindung (als Einmalbeitrag) in eine Rentenversicherung einzahle.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist unbegründet.

17Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

18Der Beklagte hat zu Recht die der Klägerin zugeflossenen rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus Sparanteilen i. H. von 96.190,69 € als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a. F. i. V. m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG berücksichtigt.

191. Da vorliegend der Versicherungsvertrag am 11.03.1987 abgeschlossen worden war, ist nach § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG für die Frage der Steuerpflicht der aus diesem Versicherungsvertrag resultierenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. maßgeblich.

20Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F., die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden.

212. Im Streitfall sind die Zinsen aus den Sparanteilen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a. F. als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. sind nicht erfüllt.

22a) Zwar wurden im Streitjahr 2008 rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen aus einer Lebensversicherung mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall an die Klägerin ausgezahlt. In Anbetracht des Versicherungsscheins, nach dem der Ablauf der Versicherung auf den 01.03.2008 datierte, sind die Zinsen auch im Versicherungsfall i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. ausgezahlt worden.

23b) Es handelt sich bei der im Jahr 1987 abgeschlossenen Versicherung aber nicht um eine Versicherung i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F.

24Gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. sind Beiträge zu den folgenden Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall Sonderausgaben:

25aa) Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen,

26bb) Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,

27cc) Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgeübt werden kann,

28dd) Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.

29Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. kommt es lediglich darauf an, dass der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. begünstigen Vertragstypen gehört. Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. für Zinsen aus Versicherungen ist nicht an die weiteren Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 01.03.2005 VIII R 47/01, Bundessteuerblatt II 2006, 365, unter II.2.b).

30Die im Jahr 1987 abgeschlossene Lebensversicherung mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall gehört nicht zu den o. g. Risiko- und Rentenversicherungen. Sie gehört auch nicht zu den Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG a. F., da es sich nicht um eine Versicherung gegen laufende Beitragszahlungen handelt. Angesichts der Formulierung „zu den folgenden Versicherungen“ enthält die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. eine abschließende Aufzählung (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 16.06.2011 11 K 2096/09, Entscheidung der Finanzgerichte 2012, 115). Nach deren klaren Wortlaut in Doppelbuchst. dd werden nur Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung, nicht jedoch Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag erfasst. Im Streitfall haben aber die Arbeitgeberin der Klägerin einen Einmalbeitrag von 45.600 DM und die Klägerin selbst einen Einmalbeitrag von 29.400 DM erbracht. Es wurden keine laufenden Beitragsleistungen erbracht.

313. Die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen sind – soweit sie auf dem Einmalbeitrag der Arbeitgeberin beruhen – auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG a. F. steuerfrei.

32Eine analoge Anwendung der genannten gesetzlichen Bestimmungen ist nicht möglich. Es mangelt an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst nur laufende Beitragsleistungen an Kapitalversicherungen zum Sonderausgabenabzug zugelassen und nur Zinsen aus den Sparanteilen solcher Versicherungsverträge steuerfrei gestellt hat. Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag hat der Gesetzgeber bewusst sowohl vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen als auch die späteren Zinsen aus Sparanteilen solcher Verträge von der Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. ausgenommen.

33Die Sätze 1 und 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F. wurden im Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.1974 (Bundesgesetzblatt –BGBl– I 1974, 1769) in das Gesetz aufgenommen. Der Gesetzgeber führte in seiner Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache –BT-Drucks.– 7/1470, 273) aus, dass rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall mit Bausparzinsen vergleichbar seien. Gleichwohl seien solche von den Versicherungsgesellschaften erwirtschafteten Erträge auf die Sparanteile bisher nicht zur Einkommensteuer herangezogen worden. Die Bundesregierung halte diese steuerliche Nichterfassung bei solchen Lebensversicherungen nicht für gerechtfertigt, bei denen der Vorsorgezweck nicht im Vordergrund stehe und bei denen sich ohne wesentliches Risiko ein beachtlicher Vermögenszuwachs erzielen lasse. Deshalb würden rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen, die im Rahmen bestimmter nicht förderungswürdiger Lebensversicherungen anfielen, künftig steuerlich erfasst. Es handele sich dabei um den gleichen Versicherungskreis, für den Versicherungsbeiträge nach § 91 E-EStG (Anmerkung: später umgesetzt in § 10 Abs. 1 EStG a. F.) nicht begünstigt seien. In Satz 2 werde der Kreis der Zinsen aus Versicherungsverträgen umschrieben, die auch künftig nicht der Besteuerung unterlägen.

34Auch der Aufbau des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. ist geprägt durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.1974 (BGBl I 1974, 1769). Der Gesetzgeber führte in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 7/1470, 287) insoweit aus, dass dieser eine abschließende Aufzählung der als Vorsorgeaufwendungen begünstigten Versicherungsbeiträge enthalte. Die Begünstigung von Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall sei dahin eingeschränkt worden, dass Beiträge zu folgenden Versicherungen nicht mehr begünstigt seien, weil bei ihnen der Vorsorgezweck nicht im Vordergrund stehe:

35a)      Versicherungen gegen einmalige Beitragsleistung mit Ausnahme von Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,

36b)      Kapitallebensversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen, die Sparanteile enthalten, mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren,

37c)      Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen, bei denen das Kapitalwahlrecht vor Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss ausgeübt werden könne.

38Aufgrund der Gesetzesbegründung besteht im Streitfall für eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. kein Raum. Aus der abschließenden Aufzählung der als Vorsorgeaufwendungen begünstigten Versicherungsbeiträge ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur eine bestimmte Gruppe von Altersvorsorgeverträgen (Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen mit einer Vertragsdauer von mindestens zwölf Jahren, Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen oder Einmalbeitrag) steuerlich fördern wollte. Demgegenüber sollten andere Formen der Altersvorsorge (Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag, Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren, langfristige Sparpläne bei Banken) nicht steuerlich gefördert werden.

394. Die Besteuerung der Zinsen aus den Sparanteilen führt auch nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung. Denn der Beklagte hat zutreffend nur die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen von 96.190,69 € als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG erfasst. Die Rückzahlung der Versicherungsbeiträge, welche aus bereits versteuerten Einkommen der Klägerin stammen, hat der Beklagte nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen eingeordnet.

405. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.