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Einkommensteuerveranlagungen 2002 bis 2004

§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F. ist auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden. Die rückwirkende Geltungsanordnung der Vorschrift verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (BFH, Urteil v. 17.1.2013 – VI R 32/12; veröffentlicht am 27.3.2013).

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.1.2013, VI R 32/12

Rückwirkende Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007

Leitsätze

1. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden.

 

2. Die in § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelte rückwirkende Geltungsanordnung der Vorschrift verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 noch Einkommensteuerveranlagungen durchzuführen sind.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erwirtschaftete er nach den Angaben in seinen Einkommensteuererklärungen, die am 28. Dezember 2009 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) eingingen, Überschüsse der Werbungskosten über die Mieteinnahmen aus der langfristigen Vermietung einer Doppelhaushälfte in Höhe von 2.833 EUR (2002), in Höhe von 2.348 EUR (2003) und in Höhe von 2.030 EUR (2004). Mit Bescheiden vom 18. Februar 2010 lehnte das FA die Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen ab, weil für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
3
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Jahr 2006 entschieden, dass eine Veranlagung von Amts wegen auch dann durchzuführen sei, wenn die negative Summe der Nebeneinkünfte den Betrag von 410 EUR übersteige. Danach habe der Kläger vorliegend einen Anspruch auf Abgabe der Einkommensteuererklärungen innerhalb der Festsetzungsfrist und Durchführung der Amtsveranlagungen erworben. Dieser Anspruch sei bereits mit Ablauf der jeweiligen Kalenderjahre und nicht erst mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen entstanden und nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Auch sei die Rechtslage für die Streitjahre nicht durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) wirksam geändert worden. Zwar habe der Gesetzgeber die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) inzwischen dahingehend geändert, dass nur weitere positive Einkünfte von mehr als 410 EUR zu einer Amtsveranlagung führen, diese Änderung des Einkommensteuergesetzes wirke jedoch nicht auf die Streitjahre zurück.
4
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007.
5
Es beantragt,das angefochtene Urteil des Niedersächsischen FG vom 31. Januar 2012  8 K 196/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).
8
1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist die Amtsveranlagung nur durchzuführen, wenn, was hier nicht der Fall ist, die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, mehr als 410 EUR beträgt (zur früheren Rechtslage s. BFH-Urteile vom 21. September 2006 VI R 47/05, BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47; VI R 52/04, BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45). § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist gemäß § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (früher § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des JStG 2007) auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 und damit die Streitjahre anzuwenden. Wortlaut und Gesetzeszweck der Vorschriften sind insoweit eindeutig.
9
a) Der Gesetzgeber wollte mit den Neuregelungen die bisherige Verwaltungspraxis, nach der eine Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bezieht, deren positive Summe 410 EUR bzw. 800 DM übersteigt, fortgesetzt wissen (Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 46 Rz 12). Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Neuregelungen lediglich eine klarstellende Bedeutung beigemessen hat (BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.; BTDrucks 16/3036, S. 22 „Zu Nummer 17“). Zum anderen macht die rück(be)wirkende Geltungsanordnung deutlich, dass der Gesetzgeber an seiner Lesart der bisherigen Fassung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nur zukünftig, sondern auch für die Vergangenheit festhalten wollte (vgl. Paetsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 46 Rz 26b). Nach der durch die allgemeinen Regeln der Mathematik unterstützten wörtlichen Auslegung der Vorschrift sei eine negative Summe der Einkünfte niedriger als 0 und könne damit nicht mehr als 410 EUR bzw. 800 DM betragen (BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.).
10
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Klägers verstößt diese Auslegung des § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht gegen das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Gesetzgeber mit der rückwirkenden Geltungsanordnung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 tatsächlich in einen abgeschlossenen steuerlichen Sachverhalt ändernd eingegriffen hat. Denn selbst wenn ein solches Verhalten des Gesetzgebers vorläge, sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch –ohne dass dies abschließend wäre– Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) durchbrochen ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986  2 Bvl 2/83, BVerfGE 72, 200 <258 ff.>; vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <79 f.>; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 <263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 <272>) oder eine gefestigte Rechtsanwendungspraxis zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990  1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 14, 338, und vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, 393 f.).
11
Gemessen hieran durfte der Gesetzgeber für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (weiterhin) positive Nebeneinkünfte voraussetzen. Denn mit der Neuregelung hat er lediglich die Rechtslage wiederhergestellt, die bis zu den Entscheidungen des BFH vom 21. September 2006 (in BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47, und in BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45) der jahrzehntelangen Besteuerungspraxis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. Mai 2006 VI R 50/04, BFHE 214, 141, BStBl II 2006, 801; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. April 2006  1 K 1076/04, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2006, 1523; FG Köln, Urteil vom 10. Februar 2006  12 K 4601/05, EFG 2007, 593; FG Hamburg, Urteil vom 2. Juni 2005 VI 260/03, juris; Hessisches FG, Urteil vom 13. November 2003  5 K 2804/03, juris) und der nahezu einhelligen Meinung im Fachschrifttum (z.B. Schmidt/Glanegger, EStG, 24. Aufl., § 46 Rz 50 f.; Haase, Steuern und Bilanzen 2005, 157) entsprochen hat. Ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand der hiervon abweichenden Rechtslage und damit der Rechtsprechung des BFH vom 21. September 2006 konnte in der Zeit bis zum Erlass der Neuregelungen nicht entstehen (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. September 2010  12 K 478/08, 12 K 479/08, EFG 2011, 533). Denn der Gesetzgeber hat bereits am 29. September 2006 angekündigt, dass er zur bisherigen Rechtslage zurückkehren werde, nach der eine Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bezieht, deren positive Summe 410 EUR bzw. 800 DM übersteigt (BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.).
12
c) Ob und inwieweit anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47 und in BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am 13. Dezember 2006 bzw. der Verkündung des JStG 2007 am 18. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) oder jedenfalls bis zur entsprechenden Gesetzesinitiative (BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012  1 BvL 6/07, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2012, 2322, m.w.N.) –hier der Veröffentlichung der BRDrucks 622/1/06– gilt, kann vorliegend ebenfalls dahinstehen. Denn der Kläger hat seine Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erst am 28. Dezember 2009 abgegeben; etwaige im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der Zeit bis zum Erlass der Neuregelung stehen damit nicht zur Entscheidung. Im Übrigen genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, wenn –wie hier– keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfG-Beschluss in DStR 2012, 2322, m.w.N.).
13
2. Damit kommt vorliegend allein eine Veranlagung des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG n.F.) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) in Betracht. Danach wird eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt, wenn sie beantragt wird. Die –frühere zusätzliche– Voraussetzung, dass der Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres zu stellen war, ist entfallen.
14
a) § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. ist gemäß § 52 Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 (früher § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG n.F.) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und in Fällen, in denen am 28. Dezember 2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Letzteres trifft zu. Eine bestandskräftige Ablehnung des Antrags des Klägers auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es nicht erforderlich, dass der Antrag auf Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2005 bereits vor dem 28. Dezember 2007 bei den Finanzbehörden eingegangen ist (Senatsentscheidung vom 12. November 2009 VI R 1/09, BFHE 227, 97, BStBl II 2010, 406).
15
b) Im Streitfall steht der Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. i.V.m. § 52 Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 jedoch der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen.
16
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Einkommensteuer für 2002, 2003 und 2004 verjährte demnach mit Ablauf der Jahre 2006, 2007 und 2008. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger den erforderlichen Antrag durch Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (erst) im Jahre 2009 beim FA gestellt.
17
Der Ablauf der Festsetzungsfrist war nach der neuen Rechtsprechung des BFH nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung auf die Senatsentscheidung vom 14. April 2011 VI R 53/10 (BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746) verwiesen.
18
Nach alldem war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Bundesrat will Partnerschaften steuerlich mit Ehen gleichstellen

Ein Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 17/12858 – PDF, 223 KB) sieht dazu die Änderung der entsprechenden Bestimmungen des EStG sowie weiterer Nebengesetze zum EStG vor. Die Länder gehen von Steuermindereinnahmen im zweistelligen Millionenbereich aus, wenn das Ehegattensplitting auch eingetragenen Partnerschaften gewährt wird.

In der Begründung des Gesetzentwurfs erinnern die Länder an das 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz, das für gleichgeschlechtliche Paare das neue familienrechtliche Institut der eingetragenen Partnerschaft geschaffen habe. Allerdings seien die Partnerschaften bis heute gegenüber der Ehe insbesondere im Einkommensteuerrecht benachteiligt geblieben, da das die Anerkennung im Steuerrecht vorsehende Ergänzungsgesetz vom Bundesrat abgelehnt worden sei. Dadurch würden Lebenspartner bei der Einkommensteuerveranlagung nicht wie Ehegatten, sondern wie Ledige behandelt. „Darüber hinaus gibt es erhebliche Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Familien mit Kindern, die zu einer spürbaren Schlechterstellung in ihrer wirtschaftlichen Situation führen, unter der auch die Kinder leiden“, argumentiert der Bundesrat und erinnert: „Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als tragendes Prinzip des Einkommensteuerrechts gebietet die gleiche steuerliche Berücksichtigung der Belastungen, die sich aufgrund der Lebenspartnerschaft analog zur Ehe ergeben.“

Finanzverwaltung und Gerichte würden bei Einsprüchen und Klagen von Lebenspartnern gegen die Nichtgewährung des Splittingtarifs inzwischen wegen ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geltenden Besteuerungsregelung flächendeckend die Aussetzung der Vollziehung gewähren, schreibt der Bundesrat.

Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft

Legt eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – hier: eine GmbH & Co KG – eingezahltes Kommanditkapital verzinslich an, beteiligt sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und beginnt ihre werbende Tätigkeit mit der Folge, dass danach erzielte Erträge gewerbesteuerpflichtig sind.
Weitere Informationen zur Gewerbesteuerpflicht
Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. IV B 73/12 – Revision zugelassen
Revision eingelegt, BFH-Az. IV R 1/13

Niedersächsisches Finanzgericht 1. Senat, Urteil vom 23.03.2012, 1 K 275/09

§ 15 Abs 3 Nr 2 S 1 EStG, § 7 GewStG

Tatbestand

1
Streitig ist, wann der Gewerbebetrieb der Klägerin begonnen hat. Davon hängt es ab, ob und ggf. in welcher Höhe an Kommanditisten gezahlte Eigenkapitalvermittlungsprovisionen der Gewerbesteuer unterliegen.
2
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Beteiligungsgesellschaft, die als sog. Dachfonds Investoren anbietet, sich durch eine Kommanditeinlage bei der Klägerin an insgesamt sechs Ein-Schiffs-Kommanditgesellschaften (sog. Zielfonds) mittelbar zu beteiligen. Den Zielfonds gehören je ein neu hergestelltes Container- oder Schwergutschiff.
3
Der Gesellschaftszweck der Klägerin besteht darin, Kommanditbeteiligungen an den Zielfonds zu erwerben und zu verwalten. Die Klägerin kann sich auch an anderen Unternehmungen gleicher oder ähnlicher Branchen beteiligen sowie eigenes oder fremdes Vermögen verwalten (§ 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin – im Folgenden: Gesellschaftsvertrag). Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ohne Kapitaleinlage ist die … Beteiligungs-GmbH, die zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet ist (§§ 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag), Gründungskommanditisten sind die Herren X und Y. Die Komplementärin ist berechtigt, das Kommanditkapital durch die Aufnahme weiterer Kommanditisten nach der Maßgabe des Investitions- und Finanzierungsplanes zu erhöhen (§ 8 Abs. 2 Gesellschaftsvertrag). Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Gestaltungen wird auf den am Ende des Beteiligungsprospekts abgedruckten Gesellschaftsvertrag der Klägerin in der Fassung vom …und als Beispiel für den Gesellschaftsvertrag der Zielfonds auf den der …Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS… verwiesen. Die Klägerin wurde am 7. September 2005 in das Handelsregister eingetragen.
4
Aus dem Beteiligungsprospekt ergibt sich, dass alle sechs Zielfonds bereits bei der Infahrtsetzung zur sog. Tonnagebesteuerung nach § 5a Einkommensteuergesetz (EStG) optieren werden. Im Jahresabschluss teilt die Klägerin mit, dass dies geschehen sei.
5
Die Klägerin setzte für die Beteiligungserwerbe ausschließlich Eigenkapital ein, das ihr von den Investoren als Kommanditeinlagen zur Verfügung gestellt worden war. Für die Beschaffung ihres Eigenkapitals bediente sich die Klägerin mehrerer ihrer Kommanditisten, die hierfür Vermittlungsprovisionen erhielten. Schriftliche Vereinbarungen mit den Vermittlern gibt es nicht. Sie vermitteln bereits seit 19.. Fondsanteile für die Reederei.
6
Die Einwerbung des Kommanditkapitals erfolgte vom 28. Januar bis zum 10. Mai 2006. Die Platzierung der Kommanditanteile war nicht garantiert. Die Klägerin trat den Zielfonds im Zeitraum 2. bis 13. Februar 2006 bei. Das erste Schiff … wurde am 24. März 2006 von der Werft abgeliefert.
7
Die Klägerin weist in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2006 auch Zinseinnahmen aus, und zwar „Zinserträge Termingeld“ in Höhe von 14.861,36 EUR und „Zinserträge Kontokorrent“ in Höhe von 2.494,20 EUR für Guthaben auf dem Kontokorrentkonto… bei der Volksbank …(VB). Das Kontokorrentkonto wurde am 18. August 2005 eröffnet. In den Beitrittserklärungen verpflichten sich die Anleger, ihre Kommanditeinlagen auf dieses Konto einzuzahlen. Guthaben auf dem Konto sind von der VB… verzinst worden, und zwar zunächst mit 1,5 v. H., ab Oktober 2006 mit 1,75 v. H.
8
Am 14. März 2006 legte die Klägerin erstmalig „Termingeld“ an. Das Guthaben von 850.000 EUR wurde vom Kontokorrentkonto überwiesen. Die Klägerin konnte jederzeit über das Guthaben verfügen. Bis zur nächsten Verfügung am 21. März 2006 erzielte die Klägerin für sieben Tage 165,28 EUR Zinsen.
9
Nach dem Konto 470000 „Zinserträge Kontokorrent“ der Buchführung sind auf dem Kontokorrentkonto u.a. unter dem Belegdatum 12. Juni 2006 bei einem Buchungstext „29.08.05 – 22.03.06“ in drei Teilbeträgen Erträge von 581,45 EUR angefallen. Die VB hatte zunächst vergessen, den Zinssatz in ihr Buchhaltungsprogramm einzugeben, und dies am 22. März 2006 nachgeholt. In dem Beteiligungsprospekt der Klägerin werden keine Einkünfte aus Kapitalanlagen erwähnt.
10
Die Provisionszahlungen an Gesellschafter führten zu einem positiven Sonderbetriebsergebnis, das die Klägerin in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung auch erfasste, nicht aber in ihrer Gewerbesteuererklärung. Die Klägerin war der Meinung, insoweit liege ein Sonderbetriebsergebnis vor Abschluss der Betriebseröffnungsphase vor, das nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen sei. Der Beklagte (das Finanzamt) folgte dem nicht. Es legte dem angefochtenen Bescheid vom 12. März 2008 in der Fassung des geänderten Bescheids vom 13. Mai 2008 einen auf … EUR erhöhten Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde. Im Übrigen blieb das Einspruchsverfahren erfolglos (Einspruchsbescheid vom 12. Oktober 2009). Hiergegen richtet sich die Klage.
11
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, die Provisionszahlungen seien vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit der Klägerin bzw. der Ingangsetzung des Gewerbebetriebs erfolgt und damit nicht gewerbesteuerbar. Auch bei gewerblich geprägten Personengesellschaften sei auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen, die wie bei anderen Unternehmen von bloßen Vorbereitungshandlungen abzugrenzen sei. Die Klägerin sei nicht originär gewerblich tätig. Es sei zunächst strittig, ob angesichts der steuerlichen Transparenz von Mitunternehmerschaften das Eingehen der Beteiligungen an den Zielfonds überhaupt eine Tätigkeit im steuerrechtlichen Sinne sei. Nicht bereits der Beteiligungserwerb, sondern erst der Zeitpunkt, in dem die Zielfonds ihre Vorbereitungsphase durch Übernahme der Schiffe abgeschlossen und Leistungen am Markt angeboten hätten, sei als Beginn der Gewerbesteuerpflicht der Klägerin anzusehen. Das sei im Streitfall erst am 24. März 2006 mit der Ablieferung des ersten Schiffes der Fall gewesen.
12
Sollte das Halten der Anteile trotz steuerlicher Transparenz als eigenständige vermögensverwaltende Tätigkeit zu beurteilen sein, könne sie gewerbesteuerlich frühestens mit dem Abschluss der Vorbereitungshandlungen bei der Klägerin beginnen. Nach dem Konzept der Klägerin könne die Beteiligung erst dann erworben werden, wenn das Eigenkapital der Klägerin eingeworben sei, da der Beteiligungserwerb ausschließlich aus Eigenkapital erfolge. Sein Einwerben sei daher systematisch und zeitlich eindeutig den Vorbereitungsmaßnahmen zuzuordnen und liege somit vor dem „Beginn des Gewerbebetriebs“.
13
Das Finanzamt gehe zu Unrecht davon aus, mit dem Abschluss der Einwerbemaßnahmen und dem anschließenden zivilrechtlichen Erwerb der Beteiligungen an den Zielfonds beginne die vermögensverwaltende Tätigkeit.
14
Dem stehe nicht die Eintragung der Klägerin im Handelsregister als Mitgesellschafter der Zielfonds entgegen. Wirtschaftlich sei der Beteiligungserwerb nur dann tatsächlich erfolgt, wenn das Eigenkapital der Klägerin zum Erwerb der Beteiligung ausreiche. Bei nicht erfolgreichem Platzierungsverlauf hätte die Beteiligung reduziert werden müssen. Der Beteiligungserwerb sei daher erst mit der Einwerbung des letzten Kommanditisten der Klägerin und der Einzahlung des Kommanditkapitals der Klägerin bei den Zielfonds und nicht schon mit der Eintragung als Gesellschafterin der Zielfonds abgeschlossen. Der Erwerb der Beteiligungen an den Zielfonds könne nicht den Beginn der gewerblichen Tätigkeit auslösen (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2011 IV R 44/07, BStBl II 2012, 136).
15
Die Zahlungsempfänger seien bei den Vermittlungen selbst zweifellos gewerblich tätig geworden. Das Einwerben von Kommanditkapital sei aber nicht Gesellschaftszweck der Klägerin.
16
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 26. Mai 2005 C-465/03, Beilage zu BFH/NV 2005, 306), wonach die Ausgabe neuer Aktien genauso wie die Aufnahme eines Personengesellschafters in eine Personengesellschaft keine Lieferung oder sonstige Leistung darstelle, könne auch für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls herangezogen werden. Die Klägerin habe mit dem Einwerben des Kommanditkapitals lediglich Anstrengungen zur Aufbringung von Kapital unternommen. Ihr Ziel sei der Erwerb von Kapital und nicht die Erbringung einer Dienstleistung gewesen. Eine gewerbliche Tätigkeit liege nicht vor.
17
Die Verzinsung des laufenden Geschäftskontos stelle keine Tagesgeld- oder Termingeldanlage dar. Darin liege keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und damit auch kein Ende der Betriebseröffnungsphase. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 23. Februar 2011 (I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354) seine alte Rechtsprechung, wonach die Anlage von eingezahltem Stammkapital noch keine Betriebseröffnung darstelle (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 98/78, BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073), nicht aufgehoben.
18
Sollte die Ingangsetzung des Gewerbebetriebs auf einen Zeitpunkt vor dem Erbringen der Vermittlungsleistungen angenommen werden, müssten die Anlaufkosten der Klägerin in Höhe von … EUR, die bisher fast vollständig bei den Zielfonds als zu aktivierende Anschaffungskosten in Ergänzungsbilanzen für die Schiffsbeteiligungen der Anleger erfasst worden seien, nach welchem Maßstab auch immer zumindest anteilig auch den Zinserträgen zugeordnet werden. In Betracht komme insoweit eine Verteilung nach der Investitionssumme oder nach Zeit- und Wertanteilen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25. November 2011 nebst Anlagen verwiesen.
19
Die Klägerin beantragt,
20
unter Änderung des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag 2006 vom 13. Mai 2008 den Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR herabzusetzen.
21
Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Er ist der Auffassung, die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin habe mit dem Einwerben der Kommanditisten begonnen. Das Einsammeln von Kapital sei grundsätzlich eine gewerbliche Tätigkeit und löse unabhängig von der späteren vermögensverwaltenden Tätigkeit – dem Erwerb und Halten der Beteiligungen – die Gewerbesteuerpflicht aus. Sobald das Unternehmen Erlöse erwirtschafte, beginne die sachliche Gewerbesteuerpflicht. Da die Vermittlungsprovisionen nicht den Gewerbebetrieben der Vermittler zuzurechnen seien, sondern Sonderbetriebseinnahmen der Kommanditisten im Rahmen der Mitunternehmerschaft darstellten, seien sie dem Betrieb der Klägerin zuzurechnen. Dass das Einwerben der Kommanditisten nicht als Gesellschaftszweck im Gesellschaftsvertrag erwähnt sei, sei unschädlich. Maßgeblich sei die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin.
24
Auf den Zeitpunkt der Aufnahme der originären gewerblichen Tätigkeit der Zielfonds komme es nicht an. Die Klägerin betreibe keine Seeschifffahrt, sondern sei lediglich vermögensverwaltend tätig. Es liege gerade in der Fiktion der gewerblich geprägten Personengesellschaft, dass keine gewerblichen Einkünfte erzielt, sondern Einkünfte aus Vermögensverwaltung in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert würden.
25
Die Klägerin habe mit der Verzinsung der Konten Einnahmen erzielt und somit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Die Verwaltung des eigenen Vermögens ist als Gesellschaftszweck im Gesellschaftsvertrag erwähnt.
 

Entscheidungsgründe

26
Die Klage ist unbegründet.
27
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Gewinne im Sonderbetriebsvermögen der als Vermittler tätig gewordenen Kommanditisten sind in der Höhe, in der sie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG berücksichtigt worden sind, auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) zu erfassen. Die Vermittlungsprovisionen sind im Streitjahr angefallen. Zu diesem Zeitpunkt war der Gewerbebetrieb der Klägerin bereits in Gang gesetzt.
28
1. Die Klägerin hat spätestens seit dem 30. November 2005 und damit auch im Streitjahr einen Gewerbebetrieb unterhalten. Maßgeblich ist in zeitlicher Hinsicht der Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht. Sie beginnt – abweichend von der einkommensteuerlichen Beurteilung – erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist. Während die Einkommensteuer als Personensteuer sämtliche betrieblichen Vorgänge von der ersten Vorbereitungshandlung zur Eröffnung eines Betriebs an erfasst, ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, sodass das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann. Der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit kann nicht weiter gehend generell definiert werden. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten ebenfalls unterschiedlich zu bestimmen sein. Diese Rechtsgrundsätze gelten gleichermaßen für Einzelgewerbetreibende wie für Personengesellschaften, und zwar unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter (BFH-Urteile vom 14. April 2011 IV R 52/09, BFH/NV 2011, 1247; vom 5. März 1998 IV R 23/97, BFHE 186, 142, BStBl II 1998, 745, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).
29
Die werbende Tätigkeit der Klägerin hat schon vor dem Streitjahr 2006 mit der erstmaligen verzinslichen Anlage von Kapital auf dem Kontokorrentkonto bei der VB begonnen. Dies dürfte zwischen dem 7. September und dem 30. November 2005 geschehen sein. Dem Senat ist es nicht gelungen, den Zeitpunkt genau zu bestimmen. Die Klägerin hat die vom Gericht angeforderten Kontoauszüge der VB nicht vorgelegt. Daher ist aufgrund geminderten Beweismaßes von dem Sachverhalt auszugehen, der die größtmögliche Wahrscheinlichkeit hat.
30
Die Klägerin hat danach spätestens seit dem 30. November 2005 Kapital verzinslich angelegt. Ausweislich der in dem Beteiligungsprospekt (S. 27) abgedruckten Eröffnungsbilanz auf den 7. September 2005 und der Zwischenbilanz auf den 30. November 2005 haben die Gründungskommanditisten einen Teil ihrer Kommanditeinlagen in Höhe von 1.000 EUR nach dem 7. September 2005 und vor dem 30. November 2005 eingezahlt. Da die Klägerin nach Aktenlage nur über das Kontokorrentkonto bei der VB verfügt hat und dieses Konto in den Beitrittserklärungen auch für die Einzahlung der Kommanditeinlagen benannt ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die 1.000 EUR zwischen dem 7. September und 30. November 2005 auf das VB-Konto eingezahlt und die jeweiligen Guthaben entsprechend der besonderen Zinsvereinbarung mit der VB mit 1,5 v. H. verzinst worden sind. Soweit nach den Unterlagen zum Buchführungskonto 470000 Zinserträge sogar seit dem 29. August 2005 erwirtschaftet worden sein könnten, wird dieser frühere Termin durch die Eröffnungsbilanz auf den 7. September 2005 nicht bestätigt. Sie weist keine Bankguthaben aus.
31
Diese verzinsliche Kapitalanlage gilt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in dessen für 2006 geltenden Fassung als Gewerbebetrieb, was auch für das Gewerbesteuerrecht (§ 2 Abs. 1 GewStG) maßgeblich ist (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464). Nach der genannten Vorschrift gilt in vollem Umfang die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind, als Gewerbebetrieb. Diese Voraussetzungen liegen spätestens seit dem 30. November 2005 vor. Die Klägerin übt keine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus. Nur die … Beteiligungs-GmbH – eine Kapitalgesellschaft – haftet persönlich und ist zur Führung der Geschäfte der Klägerin befugt. Die bis dahin andauernde unbeschränkte Haftung auch der Gründungskommanditisten wurde durch die Eintragung beendet (§ 161 Handelsgesetzbuch – HGB; vgl. dazu BFH in BFH/NV 2011, 1247).
32
Die Klägerin ist aber spätestens am 30. November 2005 auch mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden. Sie hat der VB auf dem Kontokorrentkonto Kapital gegen Entgelt zur Nutzung überlassen und dadurch – vorbehaltlich der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Im Streitfall ist für das Kontokorrentkonto eine besondere Zinsvereinbarung mit der VB getroffen, in der die VB der Klägerin ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals zugesagt hat. Die Zinsen sind auch tatsächlich geleistet worden, wie der Ausweis entsprechender Zinserträge in der Buchführung der Klägerin für den Zeitraum seit dem 29. August 2005 belegt.
33
Zwar trifft es zu, dass ein Gewerbebetrieb grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Unternehmer erstmals zu seiner gewerblichen Betätigung zählende Tätigkeiten aufnimmt. Dazu ist ein äußerlich erkennbares Anbieten einer entgeltlichen Tätigkeit gegenüber einem nicht abgeschlossenen Kreis von Personen erforderlich; vorbereitende Maßnahmen auf der Beschaffungsseite reichen regelmäßig nicht aus (BFH-Urteile vom 17. April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527; vom 22. November 1994 VIII R 44/92, BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900). Jedoch hat sich die Klägerin bereits 2005 nicht mehr auf solche Maßnahmen beschränkt, sondern zum Zweck der Erzielung von Entgelten Kapital angelegt. Diese Tätigkeit war infolge der gewerblichen Prägung der Klägerin deren Gewerbebetrieb zuzuordnen, weshalb sie zur Aufnahme dieses Betriebs genügt. Dass die Kapitalanlage als solche – jenseits der gewerblichen Prägung – zum Bereich der Vermögensverwaltung gehört, ist insoweit unschädlich (ebenso BFH-Urteil in BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464; vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354). Diese Tätigkeit der Klägerin ist von dem in § 2 Gesellschaftsvertrag niedergelegten Unternehmenszweck, eigenes Vermögen zu verwalten, gedeckt.
34
Ein Widerspruch zwischen den BFH-Urteilen vom 23. Februar 2012 (in BFH/NV 2011, 1354) und vom 18. Juli 1990 (I R 98/87, BFHE 162, 107; BStBl II 1990, 1073) besteht nicht. Allerdings hat der Bundesfinanzhof im letztgenannten Urteil entschieden, dass die verzinsliche Anlage des eingezahlten Stammkapitals seitens einer „Vorgesellschaft“ (GmbH im Gründungsstadium) mangels Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr die Gewerbesteuerpflicht noch nicht auslöse (ähnlich BFH-Urteile vom 8. April 1960 III 129/57 U, BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319, und vom 13. März 1981 III R 132/79, BFHE 133, 306, BStBl II 1981, 600). Den genannten Entscheidungen liegt jedoch die Vorstellung zugrunde, dass die – von der Art der Tätigkeit unabhängige – Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft erst dann einsetzt, wenn diese ins Handelsregister eingetragen ist. Die Vorgesellschaft wird zwar mit der später eingetragenen Gesellschaft als identisch angesehen; solange es jedoch an der Eintragung fehlt, soll es sich nicht um einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform im Sinne des § 2 Abs. 2 GewStG handeln. Demgegenüber unterliegt bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft die vermögensverwaltende Tätigkeit von dem Zeitpunkt ab der Gewerbesteuer, zu dem nicht mehr von bloßen Vorbereitungshandlungen gesprochen werden kann (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464).
35
2. Die Höhe des Gewerbesteuermessbetrags ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Er bemisst sich nach dem Gewerbeertrag (§ 14 GewStG). Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrags wiederum ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um hier nicht einschlägige Beträge (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG).
36
Der Gewinn ist im Streitfall zutreffend ermittelt worden. Die Aufwendungen für die Eigenkapitalprovisionen sind zwar betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Aufwendungen eines in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Schiffsfonds für die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption, die Platzierung des Eigenkapitals, die Geschäftsbesorgung, die Prospekterstellung, die Finanzierungsvermittlung sowie für die Kontrolle der Mittelverwendung sind aber in der Steuerbilanz der Kommanditgesellschaft in voller Höhe als Anschaffungskosten des Schiffs zu behandeln, wenn sich die Kommanditisten aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligen (BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 233, 226, BStBl II 2011, 709). Dies gilt gleichermaßen, wenn – wie im Streitfall – die Beteiligung nur mittelbar über eine zwischengeschaltete Obergesellschaft erfolgt.
37
Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des Bundesfinanzhofs werden alle Aufwendungen, die von Anlegern eines Bauherrenmodells geleistet worden sind, als Anschaffungskosten und nicht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt (BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299), wenn sich die Anleger aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks beteiligen. Diese Beurteilung hat der IX. Senat gleichermaßen zu Grunde gelegt, wenn sich die Anleger zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Kommanditgesellschaft zusammengeschlossen haben und die Initiatoren zu den Gesellschaftern gehören (BFH-Urteile vom 7. August 1990 IX R 70/86, BFHE 161, 526, BStBl II 1990, 1024, und vom 8. Mai 2001 IX R 10/96, BFHE 195, 310, BStBl II 2001, 720). Dementsprechend hat der IX. Senat auch die Verträge, die der Errichtung eines Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft zu Grunde lagen, als einheitliches Vertragswerk behandelt und sämtliche Aufwendungen des Fonds als Anschaffungskosten des von ihm erworbenen Grundstücks angesehen (BFH-Urteil vom 11. Januar 1994 IX R 82/91, BFHE 174, 127, BStBl II 1995, 166). Diese Rechtsprechung stützt sich auf die Erwägung, dass die steuerliche Beurteilung der Aufwendungen für den Erwerb eines Grundstücks nicht davon abhängen kann, ob die Gegenleistung für den Erwerb aufgrund eines Vertrages in einer Summe gezahlt wird oder aufgrund mehrerer Verträge, in die der einheitliche Vorgang aus steuerlichen Gründen aufgespalten wird, in Teilbeträgen zu zahlen ist.
38
Dieser Rechtsprechung hat sich der IV. Senat des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 28. Juni 2001 (IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717) unter ausdrücklicher Aufgabe der zuvor im Vorlagebeschluss dargelegten abweichenden Rechtsauffassung (Beschluss vom 29. April 1999 IV R 40/97, BFHE 188, 374, BStBl II 1999, 828) auch für Immobilienfonds in der Rechtsform einer gewerblich geprägten Kommanditgesellschaft mit folgenden Erwägungen angeschlossen: „Zwar sind im Fall einer solchen Personengesellschaft (hier gewerblich geprägte Personengesellschaft) für die handelsrechtliche Bilanzierung die Aufwendungen des Fonds aus der Perspektive der Gesellschaft zu betrachten. Ob Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder aber sofort den Gewinn mindernde Betriebsausgaben vorliegen, kann danach nicht davon abhängen, inwieweit sich die Aufwendungen für den Gesellschafter oder künftigen Gesellschafter als Bestandteil eines von ihm zu tragenden Gesamtaufwands darstellen. Aus dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) ergibt sich andererseits aber auch nicht, dass steuerlich der handelsrechtlichen Behandlung von Aufwendungen als laufende Betriebsausgabe aus der Perspektive der Gesellschafter gefolgt werden muss. Die einheitliche Betrachtung des Vertragswerks für Zwecke der Besteuerung beruht nämlich auf § 42 Abgabenordnung (AO), wonach der Besteuerung anstelle einer wirtschaftlich unangemessenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse diejenige Rechtsgestaltung unterworfen wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen gewesen wäre. Die angemessene Gestaltung bestände hier in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für die Immobilie, so dass die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts vereinbarten Provisionen oder ‚Gebühren‘ wie Anschaffungskosten zu werten sind … Denn das wirtschaftliche Ziel der Fonds-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter, in gesamthänderischer Verbundenheit hier ein Grundstück zu erwerben, zu bebauen und zu verwalten und dabei aus wohnungsbaupolitischen Gründen eingeräumte Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, kann und soll nur in der Zusammenfassung der verschiedenen Teile des Vertragswerks erreicht werden. Die einzelnen Teilverträge haben keine selbständige Bedeutung und lassen sich nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Ausgaben erklären … Für die steuerrechtliche Beurteilung eines geschlossenen Immobilienfonds mit gewerblichen Einkünften (kommt es nicht darauf an), wie die betreffenden Vorgänge in der Handelsbilanz der KG behandelt worden sind. § 42 AO geht als spezielle Regelung dem Grundsatz des § 5 Abs. 1 EStG vor …, denn die Handelsbilanz bildet in Ermangelung einer handelsrechtlichen Regelung nach Art des § 42 AO nur die tatsächliche Zivilrechtslage ab.“
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Die für den geschlossenen Immobilienfonds entwickelten Grundsätze sind gleichermaßen auf den Fall eines geschlossenen Schiffsfonds zu übertragen. Die Anschaffung, Verwaltung und Vercharterung eines Schiffs unterscheidet sich insoweit weder rechtlich noch wirtschaftlich von der Anschaffung, Verwaltung und Vermietung einer Großimmobilie. Vergleichbar dem Immobilienfonds ist das Konzept von Dach- und Zielfonds darauf ausgerichtet, in gesamthänderischer Verbundenheit sechs Schiffe zu erwerben, zu verchartern und dabei eingeräumte steuerliche Vergünstigungen (hier insbesondere nach § 5a EStG) in Anspruch zu nehmen. Dieses Ziel kann und soll nach dem wirtschaftlichen Fondskonzept durch die Bündelung verschiedener, bereits vor der Aufnahme zukünftiger Gesellschafter abgeschlossener Verträge erreicht werden. Der einzelne den Zielfonds mittelbar über die Klägerin beitretende Gesellschafter hatte mithin im Zeitpunkt des Eintritts in die Gesellschaft keinerlei (unternehmerischen) Einfluss mehr auf das wirtschaftliche Konzept, welches die Fondsinitiatoren und Gründungsgesellschafter im Einzelnen ausgearbeitet hatten. Aus der Sicht der beitretenden Gesellschafter stehen die Aufwendungen für die einzelvertraglich vereinbarten Dienstleistungen, z. B. für die Eigenkapitalbeschaffung, aufgrund der modellimmanenten Verknüpfung aller diesbezüglichen Verträge in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung des Eigentums an den Schiffen. Den von den Initiatoren und Gründungsgesellschaftern abgeschlossenen einzelnen Verträgen kam daher jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht der der Klägerin beitretenden Gesellschafter keine selbständige Bedeutung zu. Die einzelvertraglichen Abreden lassen sich auch bei dem hier zu beurteilenden Schiffsfonds nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Ausgaben erklären. Ein Abzug von Aufwendungen als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben kommt insoweit nur in Betracht, als ein Erwerber eines Schiffs außerhalb der modellhaften Vertragsgestaltung diese ebenfalls sofort als Betriebsausgaben abziehen könnte. Dies ist bei den zuvor genannten Aufwendungen nicht der Fall.
40
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Vercharterung eines Schiffs, die grundsätzlich auch die Gestellung der Schiffsbesatzung umfasst, eine gewerbliche und keine vermögensverwaltende Tätigkeit darstellt. Denn die Frage der Einordnung einer Tätigkeit unter die Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 EStG ist nicht relevant für die Zuordnung verschiedener Aufwendungen zu den Anschaffungskosten einerseits oder den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben andererseits. Es entspricht vielmehr gefestigter Rechtsprechung, dass die Zuordnung von Aufwendungen zu den Anschaffungskosten für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte übereinstimmend nach der Definition des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs erfolgt (vgl. allgemein Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, zu C.III.1.c dd).
41
Die zu den geschlossenen Immobilienfonds ergangene Rechtsprechung und deren Übertragung auf den vorliegenden Schiffsfonds steht auch nicht im Widerspruch zu den Beschlüssen des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1980 GrS 1/79 (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) und vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Zwar folgt aus der Rechtsprechung des Großen Senats, dass die Personengesellschaft/Gemeinschaft Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte und der Gesellschafter/Gemeinschafter Subjekt der Einkünfteerzielung ist (vgl. auch Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679). Dem Gedanken der Einheit der Gesellschaft/Gemeinschaft folgend, sind deshalb grundsätzlich dem Gesellschafter nicht die einzelnen von der Gesellschaft verwirklichten Geschäftsvorfälle, sondern lediglich das Ergebnis der gemeinschaftlichen Tätigkeit (Gewinn oder Überschuss) anteilig zuzurechnen (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.2.b aa). Daraus folgt zugleich, dass für die Zuordnung der Aufwendungen zu den Anschaffungskosten oder zu den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben grundsätzlich auf die Sicht der Gesellschaft abzustellen ist. Diese gesellschaftsbezogene, dem Grundsatz der Einheit der Gesellschaft geschuldete Beurteilung muss jedoch gegenüber dem Gedanken der Vielheit der Gesellschaft zurücktreten, wenn andernfalls eine sachlich zutreffende Besteuerung des Gesellschafters nicht möglich wäre (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.3.).
42
Auch vorliegend hat die Anwendung des § 42 AO zur Folge, dass die gesellschaftsbezogene Betrachtung gegenüber der gesellschafterbezogenen Betrachtung zurücktritt, um die auf der Ebene der Gesellschafter zutreffende Besteuerung zu erreichen. Anders als in dem Fall eines gewerblichen Grundstückshandels, der dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 zu Grunde lag, führt jedoch die gesellschafterbezogene Betrachtung – dort die Einbeziehung der gewerblichen Aktivitäten des Gesellschafters – nicht erst zu einer Umqualifizierung der Aufwendungen im Rahmen der Einkünftezurechnung auf der Gesellschafterebene. Denn die Frage des Vorliegens von Anschaffungskosten oder von sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben kann nur einheitlich beantwortet werden. Die einzelnen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Schiffs angefallenen Aufwendungen sind daher auch bei einem geschlossenen Schiffsfonds der hier vorliegenden Art bereits auf der Ebene der Gesellschaft den Anschaffungskosten zuzuordnen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteile vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 233, 226, BStBl II 2011, 709; 50/08, BFH/NV 2011, 1364; IV R 36/08, BFH/NV 2011, 1361).
43
Diese gesellschafterbezogene Betrachtung muss gleichermaßen für den Fall gelten, dass die Gesellschafter nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar über eine zwischengeschaltete Obergesellschaft an einem Schiffsfonds beteiligt sind. Dem steht nicht entgegen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allein die Obergesellschaft, hier die Klägerin als Dachfonds, Mitunternehmerin der Untergesellschaften, hier der Zielfonds, ist (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691). Denn auch insoweit hat die Anwendung des § 42 AO zur Folge, dass die Einstufung der Aufwendungen als Anschaffungskosten oder als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben aus der Sicht der der Beteiligungs-Kommanditgesellschaft beitretenden Gesellschafter zu beurteilen ist. Aus deren Sicht stehen die hier streitigen Aufwendungen aber in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung des Eigentums an den sechs Schiffen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufwendungen an einen Dritten oder den Initiator des Schiffsfonds, der zugleich Gesellschafter der Fondsgesellschaft ist, gezahlt worden sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717; in BFH/NV 2011, 1361).
44
Nach diesen Grundsätzen sind die bisher aktivierten Eigenkapitalvermittlungsprovisionen und sonstigen Anlaufkosten nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu beurteilen. Bei der gebotenen gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise stellen die Provisionen auch im Streitfall Anschaffungskosten für die Schiffe dar. Die Aufwendungen der Klägerin stehen aus Sicht der Kommanditisten aufgrund der von ihnen nicht beeinflussbaren Projekt- und Vertragsgestaltung allein mit dem Erwerb der Schiffe in wirtschaftlichem Zusammenhang.
45
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wie die Anlaufkosten zwischen den Anschaffungskosten der Schiffsbeteiligungen und den Zinserträgen aufzuteilen sind, stellt sich daher nicht. Die gesellschafterbezogene Betrachtungsweise schließt es aus, den nur auf Ebene der Gesellschaft gegebenen Veranlassungszusammenhang zwischen den Zinserträgen und den Eigenkapitalvermittlungsprovisionen steuerlich zu berücksichtigen.
46
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. 

Neue Bundesfinanzrichter kommen aus Köln und Freiburg

Die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht Köln Ellen Siegers und der Richter am Finanzgericht Köln Dr. Christian Levedag wurden in der Bundesrichterwahl in Berlin zum Bundesfinanzhof (BFH) gewählt.

Ellen Siegers wurde 1961 in Osnabrück geboren. Nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau studierte sie Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo sie später auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht tätig war. 1993 trat sie in die Finanzverwaltung des Landes Hessen ein und arbeitete dort zuletzt im hessischen Finanzministerium. Im März 1996 begann sie ihre Tätigkeit als Richterin beim Finanzgericht Köln. Hier ist sie seit dem 1. Januar 2010 Vorsitzende des 11. Senats. Frau Siegers ist verheiratet und wohnt mit ihrem Mann in Bonn.

Dr. Levedag ist 41 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist seit 2004 Richter am Finanzgericht Köln. Von 2008 bis Ende 2011 war Dr. Levedag als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Bundesfinanzhof abgeordnet. Vor dem Eintritt in das Finanzgericht Köln arbeitete er als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Steuerabteilung einer international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Düsseldorf. Er hat zahlreiche Beiträge im Bereich des Unternehmenssteuerrechts veröffentlicht und ist darüber hinaus auch in der Steuerberater-Fortbildung tätig.

Der Präsident des Finanzgerichts Köln, Benno Scharpenberg, ist davon überzeugt, dass der Bundesrichterwahlausschuss die richtige Wahl getroffen hat: “Mit Frau Siegers und Herrn Dr. Levedag wird der BFH durch äußerst kompetente und leidenschaftliche Steuerrechtler verstärkt. Auch wenn ich ihren Weggang menschlich wie fachlich sehr bedaure, verstehe ich ihre Wahl auch als generelle Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit des Finanzgerichts Köln, das als eines der größten Finanzgerichte Deutschlands den Bürgerinnen und Bürgern umfassend und kompetent Rechtsschutz in Steuersachen gewährt. Ich wünsche Frau Siegers und Herrn Dr. Levedag alles Gute und viel Erfolg für ihre verantwortungsvolle Aufgabe.“

Der Bundesrichterwahlausschuss setzt sich aus den 16 zuständigen Landesministerinnen und Landesministern sowie 16 vom Bundestag gewählten Mitgliedern zusammen. Er entscheidet in geheimer Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Wahlvorschläge können von den Mitgliedern des Bundesrichterwahlausschusses und der für das entsprechende Bundesgericht jeweils zuständigen Bundesministerin oder dem zuständigen Bundesminister gemacht werden.

Auch Herrn Richter am Finanzgericht Baden-Württemberg Andreas Treiber hat der Richterwahlausschuss zum Richter am Bundesfinanzhof gewählt. “Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe in München und danke den Mitgliederinnen und Mitgliedern des Richterwahlausschusses für das in mich gesetzte Vertrauen”, so der dreifache Familienvater in einer ersten Stellungnahme.

Der 1971 in Heidelberg geborene Andreas Treiber ist in Plankstadt aufgewachsen. Nach seinem Zweiten juristischen Staatsexamen im April 1997 war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Herrn Prof. Dr. Holger Stadie am Lehrstuhl für Steuerrecht und Öffentliches Recht der Universität Leipzig tätig, bevor er im Mai 2000 in die Finanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz eintrat. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Sachgebietsleiter bei den Finanzämtern Ludwigshafen und Landau in der Pfalz wurde er von August 2002 bis Oktober 2006 an den Bundesfinanzhof als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgeordnet.

Seit November 2006 ist Andreas Treiber als Richter beim Finanzgericht Baden-Württemberg tätig. Er gehört dem u.a. für Körperschaftsteuer zuständigen 3. Senat bei den Außensenaten Freiburg an.

Andreas Treiber ist verheiratet und hat drei Kinder.

Finanzgericht Köln
Finanzgericht Baden-Württemberg

Entscheidungen des FG Niedersachsen (20.03.2013)

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen mit Datum von gestern (20.03.2013) veröffentlicht:

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.03.2012 – 1 K 275/09 (Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft Legt eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – hier: eine GmbH & Co KG – eingezahltes Kommanditkapital verzinslich an, beteiligt sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und beginnt ihre werbende Tätigkeit mit der Folge, dass danach erzielte Erträge gewerbesteuerpflichtig sind. Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. IV B 73/12 – Revision zugelassen Revision eingelegt, BFH-Az. IV R 1/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.05.2012 – 2 K 250/11 (Einkommensteuer 2010 Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG fristgebunden? Revision eingelegt, BFH-Az.: VIII R 14/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 16.01.2013 – 2 K 239/12 (Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen Für empfangene Sachleistungen, die ein Altenteiler als wiederkehrende Bezüge versteuert, kann er die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Haushalt geltend machen, soweit sie auf seinen Haushalt entfallen und in der Person des die Sachleistungen erbringenden Altenteilsverpflichteten alle Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen. Revision eingelegt, BFH-Az.: VI R 8/13);

– FG Niedersachsen Beschluss vom 28.11.2012 – 2 K 240/12 (Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind (Prozesskostenhilfe) Eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung. Rechtskräftig, da Klage nach diesem Beschluss zurückgenommen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 318/10 (Zurechnung von Umsätzen bei einem Bordellbetrieb: Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Steuerpflichtiger als Betreiber (Unternehmer) eines Bordellbetriebs angesehen werden kann. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 281/11 (Umsätze aus Pensionspferdehaltung: Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist. Revision zugelassen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 12.12.2012 – 7 K 122/09 (Grunderwerbsteuer: Anteilsvereinigung, Rückgängigmachung, Nichtbeachtung bestimmter Anzeigepflichten Die anteilsvereinigende Übertragung eines Geschäftsanteils an einer grundbesitzenden GmbH kann auch dann mit Grunderwerbsteuer belastet bleiben, wenn sich bei der Rückgängigmachung herausstellen sollte, dass bestimmte Anzeigepflichten nicht beachtet worden sind. Revision zugelassen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 03.07.2012 – 8 K 121/11 (Kindergeld: Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus. Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr. Revision eingelegt, BFH-Az.: III R 6/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.01.2013 – 9 K 293/11 (Einkünftequalifikation bei Verpachtung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen: Der Erwerber von land- und forstwirtschaftlich genutzten einzelnen Wirtschaftsgütern (im Streitfall: Acker- und Wiesenflächen), der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, erzielt im Falle der sofortigen Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter grundsätzlich nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.01.2013 – 9 K 43/12 (Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung: 1. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden, soweit die Änderung reicht. 2. Die Honorar-Tätigkeit einer Redakteurin in einem Übergangszeitraum von 2 Monaten zwischen einer angestellten Redakteurstätigkeit (Schwangerschaftsvertretung) und dem geplanten Antritt einer Planstelle als Angestellte bei dem gleichen Verlag kann als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sein, auch wenn bei Krankheit und Urlaub in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltsfortzahlung bestanden hat. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 17.01.2013 – 14 K 399/11 (Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf Zu den gem. § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Gestaltung seines individuellen Wohnumfeldes erforderlich sind, gehören auch Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 10.05.2012 – 16 K 281/11 (Besteuerung eines Lebensmittels: Zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines diätetischen Lebensmittels. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az. VII B 176/12).

Finanzgericht Niedersachsen

FG Köln zum gleichzeitigen Kindergeldbezug in mehreren EU-Staaten

FG Köln Urteil vom 30.01.2013 – 15 K 47/09
FG Köln Urteil vom 30.01.2013 – 15 K 930/09
FG Köln Urteil vom 30.01.2013 – 15 K 2058/09

Pressemitteilung des Gerichts:

“Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, können auch dann in Deutschland kindergeldberechtigt sein, wenn sie weiterhin in das Sozialsystem ihres Heimatlandes eingegliedert bleiben und auch dort Kindergeld beziehen. In diesen Fällen ist das deutsche Kindergeld allerdings um die ausländischen Leistungen zu kürzen. Dies hat der 15. Senat des Finanzgerichts Köln in drei Urteilen vom 30.01.2013 für niederländische und polnische Arbeitnehmer entschieden (15 K 47/09, 15 K 930/09 und 15 K 2058/09). Der Senat stützt sich hierin auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12.06.2012 (RS C-611/10 und C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak). Gegenstand des EuGH-Urteils waren die Kindergeldansprüche eines von Polen nach Deutschland entsandten Arbeitnehmers und eines polnischen Saisonarbeiters. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass entsandte Arbeitnehmer und Saisonarbeiter aus Polen und anderen EU-Ländern nicht deshalb gänzlich vom Kindergeld in Deutschland ausgeschlossen werden dürften, weil sie in ihrem Heimatland vergleichbare Familienleistungen erhielten. Dies verstoße gegen die im EU-Vertrag garantierten Freizügigkeitsrechte.

Der 15. Senat vertritt in seinen Urteilen die Auffassung, dass der Anwendungsbereich dieser EuGH-Entscheidung nicht auf die entschiedenen Fallkonstellationen beschränkt sei, sondern dass diese Grundsätze auch und erst Recht für andere als entsandte oder nur saisonal beschäftigte Arbeitnehmer gelten, wenn diese von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nach Deutschland verlegt haben. § 65 des Einkommensteuergesetzes, der einen inländischen Kindergeldanspruch im Falle des Bezuges ausländischer Familienleistungen ausschließt, verstoße nach Auffassung des Senats gegen die im EU-Vertrag garantierten Freizügigkeitsrechte. Diese Vorschrift sei daher dahingehend auszulegen, dass das deutsche Kindergeld lediglich um die ausländischen Familienleistungen gekürzt werden dürfe.

Der 15. Senat hat gegen die Urteile die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen.”

Finanzgericht Köln

Außergewöhnliche Absetzung: Rentabilitätsminderung reicht nicht aus

Nicht jede eklatante Ertragsminderung eines vermieteten Objekts rechtfertigt Absetzungen für eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung (AfaA), entschied das FG Münster.

Die Klägerin vermietete ein Ladenlokal an ein Discounthandelsgeschäft und zwei kleinere Ladenlokale im selben Objekt an andere Mieter. Nachdem der Mietvertrag mit dem Hauptmieter beendet wurde, machte die Klägerin eine AfaA geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte. Die Klägerin trug vor, dass es ihr erst nach einem Jahr gelungen sei, das größere Ladenlokal wieder zu vermieten, allerdings unter Mieteinbußen von etwa 80 %. Wegen der Größe, der Lage und des Zuschnitts sei eine höhere Miete nicht erzielbar. Das Objekt sei auf die Bedürfnisse des Hauptmieters zugeschnitten gewesen und sei wegen der veränderten Anforderungen des Marktes nicht mehr für eine Vermietung an einen Discounter bzw. Verbrauchermarkt geeignet.

Das Gericht wies die Klage ab. Selbst erhebliche Rentabilitätsminderungen rechtfertigten grundsätzlich keine AfaA. Die geänderten Anforderungen an den Discounthandel stellten kein außergewöhnliches Ereignis dar, das zu einer Nutzungseinschränkung des Objekts führe, da sich in allen Branchen typischerweise die Anforderungen änderten. Zudem sei jedes Mietobjekt in seiner Gestaltung auf einen bestimmten Kundenkreis zugeschnitten. Die Mieteinbußen, die teilweise aus Lage und Zuschnitt des Objekts selbst und teilweise aus der Entwicklung des Marktes resultierten, reichten für eine AfA nicht aus. Tatsächlich habe die Klägerin das Objekt auch wieder vermieten können, wenn auch zu einem deutlich niedrigeren Preis.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 15.3.2013 zum Urteil 11 K 4248/10 vom 24.1.2013

BFH-Urteile vom 13.03.2013

Folgende Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (13.03.2013) veröffentlicht:

– BFH-Urteil vom 10.01.2013 – V R 31/10 (Umsatzsteuer bei der Veranstaltung einer “Dinner-Show” – Komplexe Leistung – Keine Bindung des BFH an widersprüchliche Sachverhaltswürdigung des FG);

– BFH-Urteil vom 20.11.2012 – IX R 7/11 (Abgrenzung der Änderungsbefugnisse nach § 165 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO – Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Vorläufigkeit – Reichweite eines Vorläufigkeitsvermerks – Rechtmäßigkeit eines Bescheids);

– BFH-Urteil vom 22.01.2013 – IX R 1/12 (Keine Berufung auf Treu und Glauben nach unterlassenem Untätigkeitseinspruch oder Antrag nach § 171 Abs. 3 AO – Ablaufhemmung durch Untätigkeitseinspruch);

– BFH-Urteil vom 19.02.2013 – II R 47/11 (Geltendmachung des Pflichtteils nach Tod des Verpflichteten durch dessen Alleinerben – Abziehbarkeit des Pflichtteilsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit);

– BFH-Beschluss vom 19.12.2012 – V B 71/12 (Haftung für Steuerschulden einer GbR: Geltendmachung von Verfahrensfehlern, Erwiderungsfrist, Sachaufklärungsmangel, Einholung von Sachverständigengutachten, Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung, Beweis des ersten Anscheins);

– BFH-Beschluss vom 18.12.2012 – I B 48/12 (Entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde – Beurteilung einer unzulässig gebildeten Tantieme-Rückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung);

– BFH-Urteil vom 14.11.2012 – I R 53/11 (Anwendungsbereich und Wirkung einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO – Keine periodenbezogene einschränkende Auslegung des “bestimmten Sachverhalts”);

– BFH-Urteil vom 20.12.2012 – III R 29/12 (Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs nach § 31 Satz 4 EStG – Keine Bindungswirkung eines Kindergeldablehnungsbescheides – Verfassungsmäßigkeit des § 31 Satz 4 EStG);

– BFH-Beschluss vom 23.01.2013 – X B 84/12 (Keine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage bei fehlender Klärungsfähigkeit – Feststellungslast für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht – Unterbliebene Beweisaufnahme);

– BFH-Beschluss vom 06.02.2013 – III B 116/12 (Zulagenrechtliche Einordnung der Bearbeitung von Getreide);

– BFH-Beschluss vom 27.11.2012 – X B 14/12 (Verwertung von Ergebnissen einer Durchsuchung im Strafverfahren; Überraschungsentscheidung; verspätetes Vorbringen im Beschwerdeverfahren);

– BFH-Beschluss vom 13.12.2012 – X B 209/11 (Veräußerungsrente oder Unterhaltsleistungen i.S.d. § 12 Nr. 2 EStG – Vertragsauslegung – schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge – Rüge eines Verstoßes gegen den Inhalt der Akten);

– BFH-Beschluss vom 31.01.2013 – X B 21/12 (Vorliegen von Scheinrechnungen – Geltendmachung von Verfahrensfehlern wegen Verstoßes gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht und wegen Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens);

– BFH-Beschluss vom 06.12.2012 – I B 8/12 (Bindung an tatsächliche Verständigung – Rüge der unterbliebenen Beiziehung von Akten – Beweisantrag);

– BFH-Beschluss vom 20.12.2012 – I B 38/12 (Zulässigkeit der Klage – Erfordernis der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift);

– BFH-Beschluss vom 07.02.2013 – II B 109/12 (Kein Grundsteuererlass wegen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung);

– BFH-Beschluss vom 04.02.2013 – III B 49/12 (Nichtzulassungsbeschwerde – Divergenz);

– BFH-Beschluss vom 29.01.2013 – II B 111/11 (Ermittlung der üblichen Miete nur ausnahmsweise durch Sachverständigengutachten);

– BFH-Beschluss vom 10.01.2013 – XI B 33/12 (Rechnungsberichtigung setzt zuvor erteilte (erstmalige) Rechnung voraus).

Bundesfinanzhof (BFH)

Verlängerung der Spekulationsfrist für Wertpapiere verfassungswidrig

Pressemitteilung vom 1. März 2013

Die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von 6 Monaten auf ein Jahr ist für Wertpapiergeschäfte verfassungswidrig, bei denen bereits am 31.3.1999 die bisher geltende 6-monatige Spekulationsfrist abgelaufen war.

Vor dem Finanzgericht Köln klagte ein Ehepaar, das am 8.1.1998 Fondsanteile erworben und am 7.1.1999 mit einem Gewinn von 10.000 Euro veräußert hatte. Die Klage richtete sich gegen dessen Besteuerung durch das Finanzamt als Spekulationsgewinn. Der 4. Senat gab den Eheleuten mit seinem am 23.1.2013 verkündeten Urteil Recht. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die auf das gesamte Jahr 1999 rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist durch das am 31.3.1999 verkündete Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 insoweit gegen den verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutz verstoße. Die Grundsätze aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücksgeschäften von 2 auf 10 Jahre(2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05)  seien entsprechend auch auf Wertpapiergeschäfte anzuwenden.

Der 4. Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

 

 

Weitere Informationen zur Spekulationsfrist bei Wertpapieren

Steuervorteile mit Fotovoltaik

Steuervorteile mit Fotovoltaik

Trotz dunkler Wolken am Förder-Himmel bei den alternativen Energien bieten sich für Inhaber von Fotovoltaik-Anlagen noch immer beachtliche Steuervorteile. Darauf weist der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hin.

So können Inhaber von „Solarzellen“ – schon vor Anschaffung der Technik – bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungskosten steuermindernd abziehen. Dieser Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Einkommensteuergesetz lohnt sich insbesondere dann, wenn die Einkünfte des Steuerpflichtigen im Jahr des Abzugs besonders hoch sind. Die Investition muss sodann in den folgenden drei Jahren erfolgen. Anderenfalls hebt das Finanzamt den früheren Steuervorteil rückwirkend und zuzüglich Zinsen wieder auf.

Ist die Anlage angeschafft winkt zusätzlich eine Sonderabschreibung von bis zu 20 Prozent. Der Abzug kann beliebig auf das laufende und die folgenden vier Jahre verteilt werden. Hinzu kommt die reguläre Abschreibung über 20 Jahre auf den dann noch verbleibenden Wert.

Grundsätzlich darf bei Anwendung des Investitionsabzugsbetrags der geförderte Gegenstand nicht zu mehr als 10 Prozent privat genutzt werden. Nach einer neuen Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen (Az. S 2183b-42-St 226) soll dabei aber ein Eigenverbrauch von mehr als 10 Prozent nicht schaden. So muss der Strom nicht mehr ganz überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist werden. Eine erhebliche Hürde bei der steuerlichen Förderung von Fotovoltaik ist damit beseitigt.

Betreiber von Solaranlagen sind steuerliche Unternehmer. Daher müssen sie zu Beginn einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ausfüllen und jährlich für ihren Betrieb eine Einnahme-Überschuss-Rechnung oder eine Bilanz beim Finanzamt abgeben.

PM 15/12 | 14.09.2012 Der Deutsche Steuerberaterverband e.V., Berlin, 13. September 2012

 

Siehe auch:

Abschreibung

Investitionsabzugsbetrag

Sonderabschreibungen