Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

Mutterschutzzeiten in betrieblicher Zusatzversorgung zu berücksichtigen

Mutterschutzzeiten in betrieblicher Zusatzversorgung zu berücksichtigen

Kernfrage

Zusatzversorgungskassen im öffentlichen Dienst stellen eine umlagefinanzierte betriebliche Altersversorgung dar. Sind für einen bestimmten Zeitraum (Wartezeit) für einen Arbeitnehmer Umlagen gezahlt worden, hat dieser Anspruch auf eine Zusatzversorgung. Das Bundesverfassungsgericht hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob die Regelung einer Zusatzversorgungskasse, Mutterschutzzeiten, in denen keine Umlage gezahlt worden ist, im Rahmen der Bestimmung der Wartezeit außen vor zu lassen, verfassungsgemäß ist.

Sachverhalt

Die Klägerin war im öffentlichen Dienst beschäftigt und dort im Mutterschutz gewesen. Da Mutterschutzgeld steuerfrei ausgezahlt wird, wurde für diese Zeit keine Umlage zur Zusatzversorgung gezahlt; anders als für Krankheitszeiten, in denen kranke Arbeitnehmer Lohnfortzahlung und Zuschüsse zum Krankengeld erhielten. Die Statuten der Zusatzversorgung sahen vor, dass ein Anspruch nur dann bestand, wenn mindestens 60 Monate Umlage gezahlt worden war. Da für die Klägerin aufgrund der Mutterschutzzeiten lediglich 59 Monate Umlage gezahlt wurde, lehnte die Zusatzversorgungskasse den Leistungsantrag der Klägerin ab und unterlag vor dem Bundesverfassungsgericht.

Entscheidung

Die Satzungsregelung, Mutterschutzzeiten deshalb bei der Wartezeit für die Zusatzversorgung nicht zu berücksichtigen, weil in dieser Zeit keine Umlage gezahlt werde, stellt nach Ansicht der Richter eine den Gleichheitsgrundsatz verletzende geschlechterbezogene Diskriminierung dar. Nicht nur würden Mütter gegenüber männlichen Arbeitnehmern benachteiligt; eine ungerechtfertigte Benachteiligung liege auch gegenüber erkrankten Arbeitnehmern vor. Zwar stelle die Befreiung von der Umlage während des Mutterschutzes eine Erleichterung dar, die eigentlich dazu diene, Mütter im Arbeitsleben zu schützen, weil Mehrkosten (hier: der Umlage) vermieden würden, dies dürfe im Ergebnis aber nicht dazu führen, dass eine Diskriminierung bei den Beitragszeiten entstehe.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht. Sie hat über den konkreten Fall der Klägerin hinaus aber weitreichende Folgen. Denn jede im öffentlichen Dienst beschäftigte Frau mit Zusatzversorgung kann eine Nachberechnung ihrer Zusatzversorgung unter Einbeziehung von Mutterschaftszeiten verlangen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dies auch rückwirkend möglich.

Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur bei konkretem Verdacht

Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur bei konkretem Verdacht

Rechtslage

Die Videoüberwachung von Arbeitnehmern an ihrem Arbeitsplatz ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber einen besonderen sachlichen Grund nachweisen kann. Kommen Straftaten vor, setzt dies regelmäßig einen Verdacht gegenüber (konkreten) Arbeitnehmern voraus, der eine gewisse Stärke erreicht haben muss. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte nunmehr zu den Anforderungen an diesen Verdacht zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber ist Betreiber eines Brauhauses. 2 Arbeitnehmern warf er vor, die ausgeschenkten Biere nicht ordnungsgemäß abgerechnet zu haben und legte zum Beweis Videoaufzeichnungen vor, die er heimlich angefertigt hatte. Beide Arbeitnehmer obsiegten mit ihren gegen die daraufhin erfolgten Kündigungen gerichteten Klagen, weil das Arbeitsgericht die Videoaufzeichnungen als unzulässig einstufte und nicht verwertete.

Entscheidung

Der Arbeitgeber konnte vor Erstellung der Videoaufzeichnungen nur den abstrakten und pauschal gegen sämtliche Ausschenkende gerichteten Verdacht auf nicht ordnungsgemäße Abrechnung nachweisen. Diese pauschale Verdachtsstufe, die nicht weiter gegenüber einzelnen Arbeitnehmern konkretisiert war, reichte zur Videoüberwachung nicht aus. Erforderlich ist diese Konkretisierung im Hinblick auf die Person des Tatverdächtigen und die begangene Tat. Nur dann sind heimliche Videoaufzeichnungen zulässig.

Konsequenz

Ohne einen konkreten gegen einzelne Personen und Tatabläufe gerichteten Verdacht ist eine heimliche Videoüberwachung stets unzulässig. Erforderlich sind nachprüfbare Anhaltspunkte. Eine andere Entscheidung wäre wohl möglich gewesen, wenn der Arbeitgeber eine offene Videoüberwachung mit der Begründung durchgeführt hätte, angesichts der Kassenbefugnis im Ausschank sei ein sensibler Bereich betroffen.

Keine Gemeinnützigkeit bei fehlerhafter satzungemäßer Vermögensbindung

Keine Gemeinnützigkeit bei fehlerhafter satzungemäßer Vermögensbindung

Kernproblem

Gemeinnützigkeitsrechtlich begünstigte Mittel sind für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Bei Auflösung bzw. Aufhebung oder Wegfall steuerbegünstigter Zwecke bedingt dies die sog. satzungsmäßige Vermögensbindung. Danach ist der Zweck, für den das Vermögen in den obigen Fällen verwendet werden soll, in der Satzung so genau zu bestimmen, dass das Finanzamt allein auf Grund der Satzung prüfen kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist.

Sachverhalt

Nach der für die Streitjahre 1999 bis 2006 geltenden Satzung sollte das Vermögen des klagenden Vereins bei dessen Auflösung oder bei Wegfall des bisherigen Zwecks an einen als gemeinnützig anerkannten Verein fallen. Dieser hat der marokkanischen Kultur verpflichtet zu sein und muss das übertragene Vermögen unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke verwenden. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht sahen darin keine ordnungsgemäße satzungsmäßige Vermögensbindung.

Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei der obigen Formulierung hinreichend aus der Satzung ersichtlich, dass das Vermögen des Vereins auch bei seiner Auflösung oder beim Wegfall seines bisherigen Zwecks für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird. Es muss nicht der Satzung entnehmbar sein, wie der Satzungszweck „Förderung der marokkanischen Kultur“ konkret durch die begünstigte Körperschaft verwirklicht wird.

Konsequenzen

Die satzungsmäßigen Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts sind sehr formell – insoweit ist es immer empfehlenswert, Satzungen und auch Satzungsänderungen vorab mit dem Finanzamt aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht abzustimmen. Dies liegt im beiderseitigen Interesse, um Auslegungsstreitigkeiten von vornherein zu vermeiden. Seit 2009 sieht der Gesetzgeber vor, dass jede Satzung gesetzlich vorgegebene Formulierungen – auch in Bezug auf die satzungsmäßige Vermögensbindung – enthält. Dies führt zu einer weiteren Reduzierung von Auslegungsunterschieden.

Rechtskraft eines im Prozess gegen Gesellschafter ergangenen Urteils

Rechtskraft eines im Prozess gegen Gesellschafter ergangenen Urteils

Kernaussage

Die Rechtskraft eines im Prozess gegen die Gesellschafter ergangenen Urteils erstreckt sich nicht auf die Gesellschaft. Die Rechtskraft des Urteils wirkt grundsätzlich nur gegen die Gesellschafter, selbst wenn alle Gesellschafter am Vorprozess beteiligt waren.

Sachverhalt

Die Beklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichem Rechts (GbR). Ihre 4 Gesellschafter haben der Klägerin im Jahr 2003 ein notarielles Angebot zum Kauf einer noch zu vermessenden Grundstücksteilfläche – befristet bis zum Dezember 2006 – unterbreitet. Die Klägerin nahm das Angebot im Oktober 2005 an. Allerdings hatte die Beklagte das Objekt bereits zuvor an einen Dritten weiterveräußert. Die Klägerin nahm daraufhin die 4 Gesellschafter als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch, da ihr durch die Nichterfüllung des Grundstückskaufvertrages ein Gewinn entgangenen sei, den sie durch die Weiterveräußerung des Grundstücks hätte erzielen können. Das Berufungsgericht des Vorprozesses hat die Klage wegen fehlender Bestimmbarkeit der verkauften Grundstücksflächen rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin nimmt nunmehr die GbR in Anspruch. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage als unzulässig ab, da über denselben Streitgegenstand bereits im Vorprozess zu Lasten der Klägerin entschieden worden sei.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Klage statt. Die Rechtskraft eines Urteils wirkt grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits, in dem das Urteil ergangen ist. Parteien des Vorprozesses waren nur die Gesellschafter. Eine ausnahmsweise Erstreckung der Rechtskraft auf einen nicht am Verfahren beteiligten Dritten lässt sich nicht aus dem Gesetz herleiten. Zwar gilt die von der Unterinstanz herangezogene gesetzliche Vorschrift des HGB (§ 129 Abs. 1) entsprechend für die GbR. Allerdings regelt diese bloß Inhalt und Umfang der Bindungswirkung eines gegen die Gesellschaft ergangenen Urteils für und gegen die Gesellschafter, indem Einwendungen ausgeschlossen sind, die schon der Gesellschaft abgesprochen wurden. Auch ordnet die herangezogene Vorschrift der Zivilprozessordnung (§ 736 ZPO) keine Rechtskrafterstreckung an, sondern bestimmt nur, dass zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nicht zwingend ein Titel gegen die Gesellschaft erforderlich ist, sondern auch mit einem Titel gegen alle Gesellschafter vollstreckt werden kann. Der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme kann durch den Erfüllungseinwand oder mit der Vollstreckungsabwehrklage begegnet werden.

Konsequenz

Bei Zahlungsverpflichtungen einer GbR sind neben dieser grundsätzlich auch die Gesellschafter nach Maßgabe der akzessorischen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft verpflichtet. Die Klage ist daher regelmäßig gegen die Gesellschaft und gegen deren Gesellschafter zu erheben. Nur so kann die Vollstreckung auch in das Privatvermögen der Gesellschafter gesichert werden.

Sacheinlageverbot bei Neugründung einer UG (haftungsbeschränkt) durch Abspaltung

Sacheinlageverbot bei Neugründung einer UG (haftungsbeschränkt) durch Abspaltung

Kernaussage

Die Unternehmergesellschaft – UG – (haftungsbeschränkt) kann nur durch Neugründung entstehen. Hierbei besteht eine Bareinlageverpflichtung des betreffenden Gesellschafters. Auch bei der Neugründung im Wege der Abspaltung ist das gesetzliche Verbot der Sacheinlage (§ 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG) zu beachten.

Sachverhalt

Eine GmbH begehrt die Eintragung einer UG (haftungsbeschränkt) in das Handelsregister. Durch Abspaltung aus dem Vermögen der GmbH sollte die UG mit einem Stammkapital von 1 EUR neu gegründet werden. Entsprechend sollte nach dem Spaltungsplan auf die UG ein Betrag von 1 EUR gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen werden. Das Registergericht und das Beschwerdegericht wiesen den Eintragungsantrag wegen des Verstoßes gegen das Verbot von Sacheinlagen zurück.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück, weil die UG nicht ordnungsgemäß errichtet wurde. Die Neugründung einer UG im Wege der Umwandlung durch Abspaltung (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) verstößt gegen das Verbot der Sacheinlage. Bei der UG handelt es sich um keine neue Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, sondern um eine Variante der GmbH, so dass alle Regelungen bezüglich der GmbH auch auf die UG Anwendung finden. Die Regelungen sind aber im Lichte der besonderen gesetzlichen Bestimmungen für die UG (§ 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG) anzuwenden. Diese verbieten die Gründung einer UG durch Sacheinlage. Die Abspaltung eines Vermögensteils eines Rechtsträgers und Übertragung des Teils zur Neugründung einer GmbH auf diese stellt nach der gesetzlichen Konzeption zwingend eine Sachgründung dar. Überzeugende Anhaltspunkte für eine Verdrängung des Sacheinlageverbots durch umwandlungsspezifische Vermögensübertragungen lassen sich nicht finden. Insbesondere unterscheidet der Gesetzeswortlaut nicht nach der Entstehungsweise der Gesellschaft. Auch enthält die entsprechende Verweisungsnorm im Umwandlungsgesetz (§ 135 Abs. 2 Satz 1 UmwG) keine einschlägige Einschränkung.

Konsequenz

Eine Neugründung der UG durch Spaltung oder Ausgliederung ist nicht möglich. Das im GmbH-Gesetz verankerte Sacheinlageverbot lässt keinen Spielraum. Wegen des frei wählbaren Stammkapitals der UG von mindestens 1 EUR dürfte eine Sachgründung ohnehin kaum erforderlich werden.

Freigrenze Betriebsfeste: geplante oder teilnehmende Personen?

Freigrenze Betriebsfeste: geplante oder teilnehmende Personen?

Kernproblem

Kernpunkt vieler Lohnsteueraußenprüfungen ist die Überprüfung von geldwerten Vorteilen, die anlässlich von Betriebsveranstaltungen anfallen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehören Zuwendungen des Arbeitgebers zu Betriebsveranstaltungen als Leistungen im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse nicht zum Arbeitslohn, wenn es sich um herkömmliche (übliche) Betriebsveranstaltungen und übliche Zuwendungen handelt. Von einer Üblichkeit wird grundsätzlich ausgegangen, wenn nicht mehr als 2 Betriebsveranstaltungen im Jahr durchgeführt werden und die Aufwendungen des Arbeitgebers nicht mehr als 110 EUR brutto je Arbeitnehmer und Veranstaltung betragen. Wird die Freigrenze von 110 EUR überschritten, liegt in voller Höhe Arbeitslohn vor. Zuwendungen an den Ehegatten oder Angehörige des Arbeitnehmers sind diesem zuzurechnen. Kritik erfährt nicht nur die seit 1993 bestehende Freigrenze von 200 DM, die ab 2002 mit besagten 110 EUR zugrunde gelegt wird, sondern auch die Berechnungsmethode. Hier lässt eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf aufhorchen.

Sachverhalt

Die Lohnsteueraußenprüfung bei einer GmbH mit 340 Arbeitnehmern führte zur Nachversteuerung einer Betriebsveranstaltung. Die GmbH hatte erstmalig ein Betriebsfest durchgeführt und rechnete nach einer Umfrage mit 600 Teilnehmern einschl. Familienangehörigen. Dementsprechend wurden Speisen und Getränke bestellt sowie der äußere Rahmen mit Live-Musik, Zelt, Service, Toiletten und Kinderanimation geplant. Tatsächlich nahmen jedoch nur 348 Personen teil, davon 97 Arbeitnehmer mit einer oder mehreren Begleitpersonen. Die Kosten pro Teilnehmer beliefen sich bei 348 Teilnehmern nach Abzug einer Speisenpauschale für die Nichtteilnehmer auf 67,56 EUR. Würde man hingegen auf die ursprünglich geplante Teilnehmerzahl von 600 Personen abstellen, beliefen sich die Kosten auf 52,95 EUR je Teilnehmer. Im letztgenannten Fall würde nur die Teilnahme mit mind. 2 Begleitpersonen zum Arbeitslohn führen; dies entspricht jedoch nicht der Verwaltungsauffassung.

Entscheidung

Das FG Düsseldorf hielt es für gerechtfertigt, in diesem Fall auf den geplanten Teilnehmerkreis von 600 Personen abzustellen. Die teilnehmenden Arbeitnehmer hätten durch die Nicht-Teilnahme eines Großteils der angemeldeten Arbeitnehmer keine Bereicherung in Form von überzähligen Speisen und Getränken oder überdimensionierten sonstigen Sachleistungen für den äußeren Rahmen erfahren. Insoweit seien sämtliche Kosten der nicht teilnehmenden Arbeitnehmer aus der Durchschnittsberechnung auszuscheiden. Nicht rütteln will das FG an der Freigrenze von 110 EUR – zumindest im Streitjahr 2005.

Konsequenz

Nach dieser mutigen, aber richtigen Entscheidung hat das FG zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen. Die Verwaltung hat diese bereits eingelegt, so dass der Ausgang des Verfahrens beim BFH spannend bleibt. Bis dahin sollten unbedingt gleichartige Fälle offengehalten werden.

Mantelkaufregelung des § 8c KStG verfassungswidrig?

Mantelkaufregelung des § 8c KStG verfassungswidrig?

Kernproblem

Die Übertragung von GmbH-Anteilen führt nach § 8c KStG grundsätzlich zu einem anteiligen Untergang von Verlustvorträgen, wenn und soweit mehr als 25 % der Anteile übertragen werden. Werden mehr als 50 % der Anteile übertragen, gehen die Verlustvorträge sogar vollständig unter. Hierdurch soll der missbräuchliche Handel mit reinen Verlustgesellschaften verhindert werden, da es für Erwerber durchaus von Interesse sein kann, deren Verlustvorträge zu übernehmen, um sie mit eigenen Gewinnen zu verrechnen. Da die sog. Mantelkaufregelung des § 8c KStG aber nicht nur die missbräuchliche Übertragung solcher (meist „leeren“) Verlustgesellschaften betrifft, wird die Regelung seit jeher im Schrifttum stark kritisiert. Ob bzw. inwieweit die dabei vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken zutreffend sind, wird nunmehr vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden sein.

Sachverhalt

An einer im Jahr 2006 gegründeten GmbH waren 2 Gesellschafter mit einem Anteil von 13.000 EUR bzw. 12.000 EUR beteiligt. Nachdem die Gesellschaft in den ersten beiden Jahren Verluste von insgesamt ca. 600.000 EUR erlitt, konnte sie in 2008 einen Gewinn in etwa gleicher Höhe erzielen. Die Finanzverwaltung versagte indes teilweise den Ausgleich dieses Gewinns mit den vorgetragenen Verlusten, da der Minderheitsgesellschafter seinen Anteil von 12.000 EUR in 2008 an einen Dritten veräußerte. Aufgrund der Übertragung von 48 % der Anteile kürzte das Finanzamt den Verlustvortrag entsprechend, mit der Folge einer erheblichen Steuermehrbelastung in 2008. Hiergegen reichte die GmbH Klage beim Finanzgericht ein, mit der Begründung, die Regelung sei verfassungswidrig.

Entscheidung

Das FG Hamburg teilt die Bedenken der GmbH. Die Mantelkaufregelung verstoße im Fall eines Gesellschafterwechsels gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und das in ihm begründete Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Da jedoch die Befugnis, über den Verstoß einer Vorschrift gegen die Verfassung zu urteilen, einzig dem Bundesverfassungsgericht obliegt, hat das Finanzgericht den Richtern in Karlsruhe die Prüfung des § 8c KStG zur Entscheidung vorgelegt.

Konsequenzen

Aufgrund der Vielzahl der geäußerten Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 8c KStG, die wohl auch vom BFH geteilt werden, war es letztendlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurde. Zu beachten ist jedoch, dass die Vorlage den § 8c KStG in seiner ursprünglichen Fassung betrifft. Die Regelung des § 8c KStG ist indes zwischenzeitlich durch die Einführung einer Konzern- und Stille-Reserven-Klausel teilweise entschärft worden. Die ebenfalls eingeführte Sanierungsklausel ist nach einer Entscheidung der Europäischen Kommission indes europarechtswidrig und (vorerst) nicht mehr anzuwenden. Ob bzw. inwieweit durch die nachträgliche Einführung der genannten Klauseln verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt werden können, ist fraglich. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur ursprünglichen Fassung bleibt indes mit Spannung abzuwarten, entsprechende Fälle sollten in der Praxis offen gehalten werden.

Ein nur aus Ziffern bestehendes Zeichen kann Gemeinschaftsmarke sein

Ein nur aus Ziffern bestehendes Zeichen kann Gemeinschaftsmarke sein

Kernaussage

Laut EG-Verordnung über die Gemeinschaftsmarken können solche Marken alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich nunmehr damit zu befassen, ob auch ein ausschließlich aus Ziffern bestehendes Zeichen als Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig ist.

Sachverhalt

Ein polnischer Herausgeber von Rätsel- und Spielezeitschriften meldete 2005 beim Amt für Gemeinschaftsmarken (HABM) das Zeichen „1000“ als Gemeinschaftsmarke an. Das Amt wies die Anmeldung zurück und stützte dies darauf, dass das Zeichen den Inhalt der Veröffentlichungen des Herausgebers bezeichne und außerdem nicht unterscheidungskräftig sei. Es werde vom Verbraucher als Anpreisung der Veröffentlichung erkannt und nicht als Herkunftsbezeichnung. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung

Die Zurückweisung der Anmeldung des Zeichens „1000“ als Gemeinschaftsmarke war zu Recht erfolgt. Die einschlägige EG-Verordnung bezweckt folgende Sicherstellung: Zeichen, die Warenmerkmale oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, beschreiben, sollen von allen – diese Waren anbietenden – Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können. Hier war das allein aus Ziffern bestehende Zeichen mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden, weil es eine Menge bezeichnete und diese Bezeichnung in den Augen der beteiligten Verkehrskreise ein Charakteristikum der Waren darstellte, für die die Eintragung beantragt wurde. Nach Ansicht des EuGH bezog sich die streitige Anmeldung auf eine Warenkategorie, deren Inhalt typischerweise durch die Menge ihrer Bestandteile bezeichnet wird. Deshalb war vernünftigerweise davon auszugehen, dass das aus Ziffern bestehende Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen als Mengenbeschreibung erkannt und somit als Merkmal der betreffenden Ware identifiziert werde.

Konsequenz

Das Zeichen „1000“ konnte vom angesprochenen Publikum sofort als Beschreibung der Warenmerkmale, d. h. der Menge der Seiten und Werke, Angaben und Spiele in einer Sammlung verstanden werden. Ein solch beschreibendes Zeichen besitzt im Allgemeinen nicht die erforderliche Unterscheidungskraft in Bezug auf die vertriebenen Waren und Dienstleistungen.

„Zuvor-Beschäftigung“ kein Hindernis für sachgrundlose Befristung

„Zuvor-Beschäftigung“ kein Hindernis für sachgrundlose Befristung

Rechtslage

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen ist maximal bis zu einer Dauer von 2 Jahren (bei Unternehmensneugründungen 4 Jahren) zulässig. Sie ist aber ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über die Parameter einer „Zuvor-Beschäftigung“ zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war beim beklagten Arbeitgeber aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags für 2 Jahre angestellt worden, hatte jedoch in ihrem Studium (vor mehr als 5 Jahren) bereits für diesen Arbeitgeber gearbeitet. Mit ihrer Klage wollte sie die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses erreichen, unterlag jedoch schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung

Ziel der gesetzlichen Regelung, nach der sachgrundlose Befristungen nur dann zulässig sind, wenn zuvor kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, ist es nach Ansicht der Richter, die sachgrundlose Kettenbefristung von Arbeitsverhältnissen zu verhindern. Dieser Zweck sei in der Regel dann erreicht, wenn eine ausreichend lange Zeit zwischen einer „Zuvor-Beschäftigung“ und einer dann erfolgenden Befristung liege. Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung des ausreichend langen Zeitraums sei die gesetzliche Regelverjährung von 3 Jahren.

Konsequenz

Die bisherige strenge Rechtsprechung zur „Zuvor-Beschäftigung“ ist aufgeweicht. Gleichzeitig hat das Bundesarbeitsgericht einen klaren Beurteilungsmaßstab gesetzt. Sind seit der „Zuvor-Beschäftigung“ 3 Jahre vergangen, ist eine sachgrundlose Befristung zulässig.

Übergang des Arbeitsverhältnisses auf Betriebserwerber

Übergang des Arbeitsverhältnisses auf Betriebserwerber

Rechtslage

Geht ein Betrieb auf einen neuen Arbeitgeber über, finden auf die Arbeitsverhältnisse die gesetzlichen Regelungen zum Betriebsübergang Anwendung; unter anderem: zumindest zeitweise Garantie gleicher Arbeitsbedingungen, Information, Widerspruchsrecht. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu den Voraussetzungen zu entscheiden, unter denen die gesetzlichen Regelungen über den Betriebsübergang auch beim Übergang nur eines Teilbetriebes bzw. Betriebsteils auf einen neuen Arbeitgeber Anwendung finden.

Sachverhalt

Der Kläger war bei einem Unternehmen beschäftigt, das von 2 anderen Unternehmen gegründet worden war, die 2 ähnliche aber doch voneinander abgrenzbare Tätigkeitsbereiche hatten. So unterhielt der Arbeitgeber 2 selbstständige technische Abteilungen, aber eine gemeinsame Verwaltung und kaufmännische Abteilung. Durch Rechtsgeschäft wurde der Arbeitgeber schließlich wieder in seine beiden Betriebsbereiche aufgespalten, die wiederum von den Gründungsunternehmen fortgeführt wurden. Dabei wurden die technischen Arbeitnehmer durch das jeweilige Gründungsunternehmen übernommen. Aus der Verwaltung wurden jedoch nur einzelne Arbeitnehmer übernommen. Der nicht übernommene Kläger machte geltend, auch sein Arbeitsverhältnis sei auf ein Gründungsunternehmen übergegangen, weil er für dessen Sparte zu 80 % beim Arbeitgeber gearbeitet habe, unterlag aber zuletzt vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung

Die Richter entschieden, dass es einen selbstständigen Betriebsteil „Kaufmännische Verwaltung“ beim Arbeitgeber nicht als übertragbare Einheit gegeben habe. Dieser habe organisatorisch nur die beiden technischen Abteilungen getrennt. Damit liege kein Betriebsteil oder Teilbetrieb vor, der von einem der Gründungsunternehmen hätte übernommen werden können.

Konsequenz

Das Urteil lässt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Betriebsübergangsregelungen auf Teilbetriebe bzw. Betriebsteile unberührt, stellt aber klar, dass deren Anwendung nur dann in Frage kommt, wenn die übergehenden Elemente schon beim Veräußerer eine Einheit dargestellt haben und diese identitätswahrend fortgeführt wird. Zum Übergang eines Arbeitsverhältnis ist dann eine eindeutige Zuordnung zur übergehenden Einheit erforderlich.