Bindungswirkung der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG für die Festsetzung des Auszahlungsanspruchs gem. § 37 Abs. 5 KStG

In einem bei dem 1. Senat des Finanzgerichts geführten Verfahren (Aktenzeichen 1 K 284/10) stritten die

Beteiligten darüber, ob das beklagte FA verpflichtet sei, den gegen die Klägerin bereits am 28. Februar

2003 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände des verwendbaren Eigenkapitals

zum 31. Dezember 2001 zu ändern und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals unter

Anwendung des § 36 Abs. 3 bis 6a n.F. zu ermitteln und entsprechend festzustellen. Mit Beschluss vom

17. November 2009 1 BvR 2192/05 (BGBl I 2010, 326, BVerfGE 125, 1) hatte das BVerfG die Umgliederungsvorschrift

des § 36 Abs. 3 KStG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als die Umgliederung des zum

Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren mit 45 % belasteten

Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK

02) zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte. Zugleich verpflichtete es den

Gesetzgeber, für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren eine Neuregelung zu treffen, die

den Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials

sicherstellte. Die Umsetzung durch den Gesetzgeber erfolgte durch § 36 Abs.

3 – 6a KStG i.d.F. des JStG 2010. Gem. § 34 Abs. 13 KStG ist die Neuregelung in allen Fällen anzuwenden,

in denen die Endbestände i.S.d. § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind.

Nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG (und vor Ergehen der gesetzlichen Neuregelung) beantragte

die Klägerin die Änderung des gegen sie ergangenen Bescheides über die gesonderte Feststellung der

Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen

auf den 31. Dezember 2001, der nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheide zum 31. Dezember

2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie des Bescheides über die Festsetzung des Anspruchs auf Aus5

zahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG. Sie sei durch die nunmehr als verfassungswidrig

erklärten Übergangsregelungen steuerlich belastet, weil ihr durch die beanstandeten Feststellungen

Körperschaftsteuerminderungspotenzial verloren gehe. Das FA lehnte eine Änderung der Bescheide

ab. Die Bescheide zum 31. Dezember 2001 seien bereits vor dem Ergehen des BVerfG-Beschlusses in

formelle und materielle Bestandskraft erwachsen und daher nicht mehr änderbar. Der ursprünglich gegebene

Vorbehalt der Nachprüfung sei mit dem Eintritt der Feststellungsverjährung am 31. Dezember 2006

gem. §§ 164 Abs. 4, 169 Abs. 2 Satz 1 AO entfallen. Das BVerfG habe ausdrücklich angeordnet, dass der

Gesetzgeber eine Neuregelung nur für noch offene Steuerverfahren zu treffen habe. Eine Änderung komme

nach dem Ablauf der Feststellungsfrist auch nicht gem. § 181 Abs. 5 AO in Betracht, denn diese Norm

begründe keine eigenständige Änderungsbefugnis.

Mit der Klage begehrte die Klägerin noch, das FA zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung

der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG zum 31. Dezember 2001 zu ändern. Hilfsweise sei jedenfalls

der Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2006 zu ändern und ein höheres KSt-Guthaben

zu ermitteln. Das System der Vergütung von KSt-Guthaben sei zum 31. Dezember 2006 tiefgreifend geändert

worden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Feststellung des „alten“

Guthabens Bindungswirkung für das „neue“ Guthaben zukommen solle.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Einzig denkbare Grundlage für eine Änderung des auf den 31.

Dezember 2001 ergangenen Feststellungsbescheides sei § 164 Abs. 2 AO. Dessen Anwendung komme

jedoch wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Feststellungsverjährung nicht in Betracht, weil mit Eintritt

der Feststellungsverjährung gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO auch der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen

sei. Dem stehe auch § 181 Abs. 5 AO nicht entgegen. Zwar sei der auf den 31. Dezember 2001 ergangene

Feststellungsbescheid für den Bescheid über die Festsetzung des Auszahlungsguthabens „von

Bedeutung“ im Sinne der Vorschrift, wenn man von einem Verhältnis Grundlagen-/Folgebescheid ausgehe.

Durch § 181 Abs. 5 AO werde jedoch weder eine eigenständige Änderungsmöglichkeit geschaffen,

noch werde der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt. Vielmehr ermögliche es die Norm lediglich, einen

Feststellungsbescheid mit eingeschränktem Regelungsinhalt zu erlassen, obwohl die Feststellungsfrist

bereits abgelaufen sei.

Die hilfsweise beantragte Änderung des auf den 31. Dezember 2006 ergangenen Feststellungsbescheides

komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Bescheid auf den 31. Dezember 2006 sei schon kein Grundlagenbescheid

im Verhältnis zu dem Bescheid betreffend die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des

KSt-Guthabens. Letzteres sei nämlich gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG letztmalig zum 31. Dezember 2005

festgestellt worden. Zum

31. Dezember 2006 werde es gem. § 37 Abs. 4 KStG nur „ermittelt“ und eben nicht festgestellt. Gem. §

179 Abs. 1 AO dürften Besteuerungsgrundlagen nur dann durch einen Feststellungsbescheid festgestellt

werden, wenn dies gesetzlich bestimmt sei. Da es hier an einer solchen Bestimmung gerade fehle, werde

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das KSt-Guthaben lediglich nachrichtlich ausgewiesen, aber nicht vom Tenor/Regelungsgehalt des Bescheides

umfasst.

Auch wenn der Hilfsantrag als Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides zum

31. Dezember 2005 ausgelegt werde, könne er keinen Erfolg haben. Einer Änderung stehe die Bindungswirkung

der vorausgegangenen Feststellungsbescheide entgegen. Die Feststellung der Teilbeträge des

verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 und zum

31. Dezember 2002 bis 2005 sei in § 36 Abs. 7 KStG bzw. in § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG ausdrücklich geregelt.

Die Feststellungen entfalteten als Grundlagenbescheide gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung

für die jeweiligen Folge(feststellungs)bescheide. Die Bindungswirkung sei aber auch bei der Ermittlung

des KSt-Guthabens und bei der Festsetzung dieses Guthabens als Auszahlungsanspruch zu beachten.

Das gelte, obwohl zum 31. Dezember 2001 und 2006 das KSt-Guthaben nicht festgestellt worden sei.

Materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt zur Ermittlung und Sicherung des Körperschaftsteuerguthabens

beim Übergang zum Halbeinkünfteverfahren sei der Feststellungsbescheid gem.

§ 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F. gewesen. Dieser sei Grundlagenbescheid für den Bescheid gem. § 36 Abs. 7

KStG gewesen. Letzterer wiederum bilde hinsichtlich der in ihm ausgewiesenen Endbestände der Teilbeträge

des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 die materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich

bindende Grundlage für die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG auf den 31.

Dezember 2001, für die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Guthabens zum 31. Dezember

2002 bis 2005 sowie für die Ermittlung des Guthabens zum 31. Dezember 2006. Dementsprechend könnten

Einwendungen gegen die Höhe des Endbestandes an EK 40 nur gegen den Feststellungsbescheid

gem. § 36 Abs. 7 KStG geltend gemacht werden, nicht aber im Verfahren betreffend die Ermittlung des

KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG. Diese erfolge allein durch eine mathematische Operation, nämlich

durch Anwendung eines Faktors von 1/6 auf den festgestellten Endbestand des EK 40; rechtliche Überlegungen

seien nicht anzustellen.

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 46/13 geführt.

Aufwendungen (Mietzahlungen) für eigenes Wohnen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

Mit Urteil vom 21. Juni 2013 (Aktenzeichen 3 K 148/09) hatte der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen

Finanzgerichts die Frage zu entscheiden, ob ein Teil der Mietaufwendungen für die selbstgenutzte Wohnung

Werbungskosten bei den nunmehr erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der bislang

selbst bewohnten Wohnung sein können. Der erkennende Senat hat diese Frage verneint.

Der Kläger bewohnte zunächst zusammen mit seiner Ehefrau und den Kindern die Dachgeschosswohnung

eines im Eigentum seiner Ehefrau stehenden Zweifamilienhauses zu eigenen Wohnzwecken (Wohnung

in A). Nach Auszug der Kinder beschlossen die Eheleute „ins Grüne“ zu ziehen und die freiwerdende

Wohnung zu vermieten. Einige Jahre nach dem Umzug machte die Ehefrau in den Einkommensteuererklärungen

der beiden Streitjahre einen Teil der Mietaufwendungen für die neue Wohnung (Wohnung in B)

als Werbungskosten (sog. „negative Eigenmiete“) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

geltend. Das Finanzamt versagte die Werbungskosten.

In der Begründung der Einsprüche führte die Ehefrau u. a. aus, dass durch die Vermietung des bisher

selbstgenutzten Teils des Hauses und gleichzeitige Anmietung eines Einfamilienhauses die Leistungsfähigkeit

i. S. des objektiven Nettoprinzips unverändert geblieben sei, da in Höhe der Mieteinkünfte nunmehr

gleichzeitig die gezahlte Miete für die Wohnung B abfließen würde. Bei bloßem Ansatz der Mieteinkünfte

ohne Abzug der „negativen Eigenmiete“ würde so getan, als wäre die Leistungsfähigkeit erhöht, was gerade

nicht der Fall sei. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das Finanzamt stützte seine ablehnenden Entscheidungen

insbesondere auf das seinerzeit von der Rechtsprechung noch in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG

gesehene Aufteilungsverbot.

Die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Zwar sei dem Kläger zuzubilligen, dass aufgrund des

Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II

2010, 672) die höchstrichterliche Rechtsprechung aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs-

und Abzugsverbot von gemischt veranlassten Kosten (mehr) herleite. Das Gebot der Steuergerechtigkeit

(Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) vermag, so der Große Senat, ein generelles

Aufteilungs- und Abzugsverbot, das auch einen zweifelsfrei nachgewiesenen beruflichen Kostenanteil

nicht zum Abzug als Betriebsausgabe oder Werbungskosten zulässt, nicht zu rechtfertigen; vielmehr

gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip die Berücksichtigung des beruflichen Anteils durch Aufteilung, notfalls

durch Schätzung.

Unter dieses von der Rechtsprechung entwickelte Gebot der Aufteilung gemischt veranlasster (privater/der

Einkünfteerzielung dienender) Aufwendungen könnten grds. auch Mietaufwendungen für eine selbstgenutzte

Wohnung fallen, die im Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

für die bisher bewohnte eigene Wohnung stehen. Einer – auch nur teilweisen – Berücksichtigung

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der Mietaufwendungen als Werbungskosten stehe jedoch entgegen, dass derartige Aufwendungen bereits

nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum

(Grundfreibetrag) von der Einkommensteuer freigestellt werden, so dass, um eine doppelte Berücksichtigung

zu vermeiden, der Anwendungsbereich des § 9 EStG nicht eröffnet sei. Nach der von dem Gesetzgeber

im Einkommensteuergesetz getroffenen Grundentscheidung sind Aufwendungen für das private

Wohnen – außerhalb der durch die berufliche Veranlassung überlagerten Fälle der doppelten Haushaltsführung

und des Arbeitszimmers – steuerlich nicht abzugsfähig (Trossen, Anmerkung zum Besprechungsurteil,

EFG 2013, 1396).

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. IX R 24/13 geführt.

Einheitlicher Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht

Leitsatz

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein einheitlicher, auf den Erwerb des bebauten Grundstücks gerichteter Erwerbsvorgang u.a. vor, wenn die Personen durch ihr abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss des Grundstückskaufvertrags und der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss.

 Gesetze

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 8
GrEStG § 9

 Instanzenzug

FG Düsseldorf vom 23. November 2011 7 K 417/10 GE (EFG 2012, 972) BFH II R 3/12

 Gründe

I.

[1 ] Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 21. März 2005 von der B-Bank ein näher bezeichnetes unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 24.750 €. Das Geschäft wurde von der B-GmbH vermittelt, einer Immobiliengesellschaft mehrerer Banken, u.a. der Verkäuferin.

[2 ] Am 4. April 2005 schloss der Kläger mit der C-GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf seinem Grundstück zum Festpreis in Höhe von 99.000 €. Das Gebäude wurde in der Folgezeit von der C-GmbH für 98.803,99 € errichtet. Gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) erklärte der Kläger, er habe sich das Grundstück und den Vertragspartner der Bebauung selbst ausgesucht. Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 setzte das FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung die Grunderwerbsteuer auf 866 € fest.

[3 ] Spätere Ermittlungen des FA ergaben, dass die B-GmbH mit der C-GmbH für das Objekt des Klägers einen Immobilienvermittlungsvertrag abgeschlossen hatte. Für die Vermittlung des Grundstücks berechnete die B-GmbH vereinbarungsgemäß eine Provision, die mit dem Verkauf der zweiten Doppelhaushälfte fällig wurde. Auf Rückfrage des FA erklärte der Kläger, er habe die C-GmbH beauftragt, weil sie ihm vom Architekten, einem Cousin seines Vaters, empfohlen worden sei. Mit der Planung habe er bereits eineinhalb Jahre vor dem Kauf des Grundstücks angefangen.

[4 ] Das FA erließ am 22. Oktober 2009 einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, bezog die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage ein und setzte die Grunderwerbsteuer auf 4.324 € fest.

[5 ] Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) bildet der Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes mit dem Kaufvertrag über den Erwerb des unbebauten Grundstücks kein einheitliches Vertragswerk, das darauf gerichtet gewesen sei, dem Kläger ein bebautes Grundstück zu verschaffen. Zwar hätten die C-GmbH und die B-GmbH, letztere handelnd für die Grundstückseigentümerin, durch ein abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss beider Verträge, Werkvertrag und Kaufvertrag, hingewirkt. Dieses Zusammenwirken auf der Veräußererseite sei für den Erwerber jedoch objektiv nicht erkennbar gewesen. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 972 veröffentlicht.

[6 ] Dagegen richtet sich die Revision des FA. Seiner Ansicht nach sei das abgestimmte Verhalten auf der Veräußererseite für den Kläger erkennbar gewesen. Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger in Ruhe mit dem Bauträger habe verhandeln können, ohne Gefahr zu laufen, das Grundstück an einen anderen Erwerber zu verlieren, und der zeitliche Ablauf sprächen für eine enge Absprache zwischen den Beteiligten auf der Veräußererseite.

[7 ] Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

[8 ] Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

[9 ] Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Auffassung des FG kommt es für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs bei mehreren Anbietern auf der Veräußererseite nur darauf an, dass diese objektiv zusammenwirken, ohne dass das Zusammenwirken für den Erwerber erkennbar sein muss.

[10 ] 1. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 29. Juli 2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63 , m.w.N.; vom 28. März 2012 II R 57/10, BFHE 237, 460 , BStBl II 2012, 920 ; vom 27. September 2012 II R 7/12, BFHE 239, 154 , BStBl II 2013, 86 ).

[11 ] a) Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 237, 460 , BStBl II 2012, 920, m.w.N.). Ein solcher Zusammenhang ist nicht nur gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob” und „Wie” der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (BFH-Urteil in BFHE 237, 460 , BStBl II 2012, 920, m.w.N.). Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird vielmehr auch indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 63 ; in BFHE 237, 460 , BStBl II 2012, 920, und in BFHE 239, 154 , BStBl II 2013, 86, jeweils m.w.N.).

[12 ] b) Für einen objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag ist es nicht erforderlich, dass das Angebot der Veräußererseite in einem Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis unterbreitet wird (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 63 , und in BFHE 237, 460 , BStBl II 2012, 920, jeweils m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, dass die Veräußererseite das Angebot zur Bebauung des Grundstücks bis zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags abgegeben und der Erwerber das Angebot später unverändert oder lediglich vom Umfang her mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändern, angenommen hat (BFH-Urteil in BFHE 237, 460 , BStBl II 2012, 920, m.w.N.).

[13 ] c) Auf der Veräußererseite können dabei auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (BFH-Urteile vom 23. November 1994 II R 53/94 , BFHE 176, 450 , BStBl II 1995, 331, und vom 21. September 2005 II R 49/04, BFHE 211, 530 , BStBl II 2006, 269, jeweils m.w.N.). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 72/87 , BFH/NV 1991, 344 ; vom 6. Dezember 1989 II R 145/87, BFH/NV 1991, 345 , und vom 23. August 2006 II R 42/04, BFH/NV 2007, 760 ) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 52/01 , BFH/NV 2004, 663 , und in BFHE 211, 530 , BStBl II 2006, 269, jeweils m.w.N.), insbesondere Angebote über Grundstück und Bebauung abgeben.

[14 ] d) In diesen Fällen hat der BFH in früheren Entscheidungen für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs gefordert, dass das Zusammenwirken für den Erwerber objektiv erkennbar war (vgl. BFH-Urteile vom 11. Mai 1994 II R 62/91 , BFH/NV 1994, 901 ; vom 28. Oktober 1998 II R 36/96, BFH/NV 1999, 667 ; vom 27. Oktober 1999 II R 3/97, BFH/NV 2000, 883 ). Ungeachtet dessen, dass in den zitierten Entscheidungen das Zusammenwirken tatsächlich anhand objektiver Merkmale für den Erwerber erkennbar war, handelt es sich dabei nicht um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs kommt es allein auf das objektiv vorliegende Zusammenwirken auf der Veräußererseite zur Abgabe eines einheitlichen Angebots an, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss (Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz , Kommentar, 4. Aufl., § 9 Rz 31). Ausreichend ist, wenn dieses Zusammenwirken anhand äußerer Merkmale objektiv festgestellt werden kann. Selbst wenn der Erwerber trotz des Zusammenwirkens auf der Veräußererseite davon ausgeht, ein unbebautes Grundstück zu erwerben und dieses eigenverantwortlich zu bebauen, erwirbt er das bebaute Grundstück, wenn er —unerkannt— das tatsächlich vorliegende, einheitliche Angebot der Veräußererseite auf Erwerb des bebauten Grundstücks annimmt.

[15 ] 2. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben. Die Vorentscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 FGO ). Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO ) ermöglichen keine abschließende Entscheidung über den Antrag des Klägers.

[16 ] Das durch Provisionsabreden abgesicherte Zusammenwirken auf der Veräußererseite war zwar nach den Feststellungen des FG darauf gerichtet, dem Kläger das Grundstück im bebauten Zustand mit aufstehender Doppelhaushälfte zu verschaffen. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Veräußererseite dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hat. Dafür spricht zwar der zeitliche Ablauf, denn der Werkvertrag wurde innerhalb von nur zwei Wochen nach Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück geschlossen. Zudem nimmt der Werkvertrag in der Anlage Bezug auf Planungen, die bereits vor Abschluss des Kaufvertrags datieren und möglicherweise den Schluss zulassen, dass die Bebauung des Grundstücks dem Kläger schon vor dem Abschluss des Kaufvertrags angeboten wurde. Konkrete Feststellungen des FG dazu fehlen jedoch. Der BFH ist an die Feststellungen des FG im Urteil gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO ) und kann nicht seine eigene Würdigung an die Stelle der Tatsachenwürdigung des FG setzen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 118 Rz 41).

 

Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft

Keine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher Unbilligkeit bei Entfallen der Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft durch unechte rückwirkende Änderung des zugrundeliegenden Gesetzes

 Leitsatz

1. Die Frage, ob die unechte Rückwirkung der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 durch das UntStRFoG gemäß der Übergangsvorschrift des § 54 Abs. 6 KStG 1996 i. d. F. des RVFinG verfassungsrechtlich zulässig und wie die Übergangsfrist ggf. zu bemessen ist, ist durch das BVerfG zu beurteilen und rechtfertigt keine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher Unbilligkeit für die Veranlagungszeiträume nach 1997.

2. Das auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gerichtete Begehren kann grundsätzlich ebenso wenig auf die Behauptung gestützt werden, es sei kein reiner Verlustmantel erworben worden.

3. Die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft entfällt auch vor Geltung des § 2 Abs. 2 StAuskV O ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden, bei rückwirkender Gesetzesänderung auch rückwirkend.

4. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft rechtfertigt deshalb nicht das Vertrauen darauf, das jeweilige Gesetz werde auch in Zukunft nicht geändert.

 Gesetze

AO § 163
AO § 207
AO § 227
KStG 1996 § 8 Abs. 4
KStG 1996 § 54 Abs. 6
Verfahrensstand:  Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt

 Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen.

Die am … 1998 durch Verschmelzung erloschene A GmbH & Co. KG (im Folgenden: A KG) erwarb mit Vertrag vom … 1996 rückwirkend zum 01.03.1996 von der B AG sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin, die seinerzeit noch als C … GmbH (im Folgenden: C GmbH) firmierte.

Mit Schreiben vom 13.05.1996 (Anlage K 1, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband) beantragte die Klägerin beim Finanzamt für Körperschaften Hamburg-1 (im Folgenden: FA Kö-1) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Sie teilte mit, dass geplant sei, ihren Geschäftsbetrieb gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf eine noch zu gründende neue Gesellschaft zu übertragen. Anschließend solle das Stammkapital der Klägerin mittels einer Sacheinlage der A KG erhöht werden; die A KG solle ihren Beteiligungsbesitz in die Klägerin einbringen. Schließlich solle die A KG im Wege der Realteilung aufgelöst werden. Die Klägerin vertrat dabei die Auffassung, dass die zu ihren Gunsten bis dahin festgestellten steuerlichen Verlustvorträge bei dieser Umstrukturierung nicht gemäß § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) a. F. untergehen würden, weil der Geschäftsbetrieb nicht eingestellt und wieder aufgenommen, sondern fortgeführt würde.

Mit Bescheid vom 18.06.1996 (Anlage K 2, FGA Anlagenband) erteilte das FA Kö-1 die verbindliche Auskunft antragsgemäß und stellte hierin Folgendes fest:

„Die wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz der C … GmbH (C) wird bezüglich eines verbleibenden Verlustabzugs (§ 10d Abs. 3 Einkommensteuergesetz ) infolge der Übertragung des gesamten Geschäftsbetriebs mit sämtlichen Beteiligungsgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die (noch zu gründende) D … GmbH (D GmbH) nicht verändert.

Die C bleibt zur Berücksichtigung der Verluste auch nach Übernahme des gesamten Beteiligungsbesitzes der A GmbH & Co. KG (A KG) – mit Ausnahme der Beteiligungen an der C selbst – mit allen Passiva im Wege der Sacheinlage sowie Änderung ihrer Firma in A GmbH berechtigt.

(…) Diese verbindliche Auskunft tritt außer Kraft, wenn eine Rechtsvorschrift, auf der die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert wird. Die Bindungswirkung erstreckt sich nicht auf die Höhe der Verlustvorträge.”

Am … 1996 übertrug die A KG sämtliche Anteile an der Klägerin auf die Konzernmuttergesellschaft E … GmbH (im Folgenden: E GmbH). Am selben Tag wurde eine Kapitalerhöhung bei der Klägerin um … DM im Wege der Sacheinlage (Einlage von Beteiligungen) beschlossen.

Die Klägerin brachte am … 1996 sämtliche Aktiva und Passiva mit Ausnahme der durch die E GmbH eingebrachten Beteiligungen im Wege der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage gegen Gewährung von Geschäftsanteilen in die mit Gesellschaftsvertrag vom … 1996 von der Klägerin und der A KG gegründete D … GmbH (im Folgenden: D GmbH) ein.

Die bis zum 11.11.1996 entstandenen körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge der Klägerin wurden in den Steuer- und Verlustfeststellungsbescheiden für die Jahre 1996 bis 1999 jeweils abgezogen bzw. festgestellt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Der nunmehr zuständige Beklagte führte ab 2000 für die Jahre 1996 bis 1999 eine Außenprüfung bei der Klägerin durch und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität auf der Grundlage der Neufassung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG vom 29.10.1997 durch die Umstrukturierungen vom … 1996 verloren habe. Nach dieser zum 01.11.1997 in Kraft getretenen Neuregelung sei nicht mehr nur die Wiederaufnahme, sondern auch die Fortführung des Geschäftsbetriebs schädlich, wenn mehr als drei Viertel der Anteile übertragen worden seien und überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden sei (Tz. 20 und 31 sowie Prüfungsanmerkung Nr. 1 nebst Anlage, Betriebsprüfungsbericht vom 14.12.2005, Betriebsprüfungsakten -BpA-).

Der Beklagte erließ daraufhin am 26.04.2006 geänderte Verlustfeststellungsbescheide zur Körperschaft- und Gewerbesteuer, jeweils auf den 31.12.1996, in denen er die bis zum 11.11.1996 entstandenen Verluste nicht mehr berücksichtigte. Ferner erließ er geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1996 bis 1998 (Körperschaftsteuer 1998: … €) und geänderte Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerbescheide für 1996 bis 1998 (Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 1998 jeweils 0 €).

Mit Schreiben vom 24.05.2006 legte die Klägerin Einspruch gegen die am 26.04.2006 geänderten Bescheide ein. Die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 und gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 1996 nahm die Klägerin zurück. Gegen den am 25.10.2006 nach einer weiteren Außenprüfung ebenfalls geänderten Körperschaftsteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid für 1999 legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.11.2006 Einspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden worden ist.

Für 1996 erließ der Beklagte am 15.12.2011 Abhilfebescheide (festgestellter verbleibender Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1996: … DM; festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31.12.1996: … DM). Am selben Tag erließ der Beklagte einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1997, in dem er von dem zum 31.12.1996 festgestellten Verlust nur einen Betrag von … DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzog und den überschießenden Betrag von … DM, nämlich den bis zum 11.11.1996 entstandenen Verlust, nach § 8 Abs. 4 KStG nicht berücksichtigte. Eine geänderte Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 führte der Beklagte nicht durch, weil er nach wie vor davon ausging, dass kein verbleibender Verlustabzug bestehe. In dem geänderten Verlustfeststellungsbescheid vom selben Tag stellte der Beklagte den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1997 in Höhe von … DM fest, wobei er den bis zum 11.11.1996 entstandenen Gewerbeverlust in Höhe von … DM als nicht abziehbar behandelte. Mit Änderungsbescheid vom selben Tag wurde die Körperschaftsteuer für 1999 auf … € festgesetzt. Der Gewerbesteuermessbetrag für 1999 wurde mit Bescheid vom selben Tag auf … € festgesetzt und die Gewerbesteuer auf … €.

Mit Schreiben vom 29.12.2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten, den Untergang des auf den 31.12.1996 festgestellten Verlustvortrags für die Jahre 1997 bis 1999 bei der Steuerfestsetzung im Billigkeitsweg nicht zu berücksichtigen bzw. die Körperschaft- und Gewerbesteuer 1997 bis 1999 einschließlich der Zinsen in Höhe der durch den Wegfall des Verlustvortrags eingetretenen Mehrbesteuerung zu erlassen. Die Klägerin berief sich auf das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot und auf einen Überhang des Tatbestands des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. über den Gesetzeszweck der Missbrauchsabwehr. Das Verfahren ruht hinsichtlich des Jahres 1997 bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvL 2/09. Ferner beantragte die Klägerin die Stundung der Steuerforderungen im Hinblick auf Liquiditätsprobleme.

Der Beklagte gewährte die beantragte Stundung der Körperschaftsteuerforderungen für 1998 und 1999 nebst Zinsen mit Bescheid vom 23.02.2012.

Mit Bescheid vom 11.04.2012 lehnte der Beklagte die Anträge auf abweichende Steuerfestsetzung hinsichtlich der Jahre 1998 und 1999 ab. Durch die Erteilung einer verbindlichen Auskunft erhalte ein Steuerpflichtiger Rechtssicherheit bzgl. der steuerrechtlichen Beurteilung eines Lebenssachverhaltes nach den zu dieser Zeit geltenden Vorschriften. Im Streitfall sei der Klägerin durch die verbindliche Auskunft bestätigt worden, dass ihr Geschäftsbetrieb vor der Anteilsübertragung nicht eingestellt und danach wieder aufgenommen worden sei. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelungen werde hierdurch nicht begründet. Da der Gesetzgeber eine Übergangsfrist von einem Jahr als ausreichend betrachte, um den Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen zu gewährleisten, komme eine abweichende Steuerfestsetzung für die Jahre 1998 und 1999 auch unter diesem Aspekt nicht in Betracht. Persönliche Billigkeitsgründe seien nicht vorgetragen worden.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.05.2012 Einspruch ein und wies darauf hin, dass im Streitfall eine im Vertrauen auf eine verbindliche Auskunft vorgenommene unumkehrbare Disposition mit einer unecht rückwirkenden Gesetzesänderung zusammentreffe und die Verfassungsmäßigkeit der typisierenden Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. durch Billigkeitsmaßnahmen in Einzelfällen zu gewährleisten sei.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.08.2012 als unbegründet zurück. Ein Erlass oder eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen kämen nicht in Betracht. Persönliche Billigkeitsgründe habe die Klägerin nicht vorgetragen und seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Erhebung bzw. Festsetzung der Steuern sei aber auch nicht sachlich unbillig. Die erteilte verbindliche Auskunft sei durch die Änderung des § 8 Abs. 4 KStG außer Kraft getreten. Ein Vertrauen auf den Fortbestand eines Missbrauchsausschlusses nach der alten Rechtslage sei durch die Auskunft nicht begründet worden. Wie der Übergangsvorschrift des § 54 Abs. 6 KStG 1996 zu entnehmen sei, habe der Gesetzgeber eine Übergangsfrist von einem Jahr für ausreichend gehalten, um dem Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der vorherigen gesetzlichen Regelung gerecht zu werden. Da es im Streitfall um die Veranlagungszeiträume 1998 und 1999 gehe, sei diese Übergangsfrist eingehalten. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Fall der Klägerin anders hätte regeln wollen, seien nicht ersichtlich; dies führte zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Empfänger verbindlicher Auskünfte. Der Situation der Klägerin sei im Übrigen bereits durch die gewährte Stundung der Steuerforderungen aus den Streitjahren ausreichend Rechnung getragen worden.

Die Klägerin hat am 07.09.2012 Klage erhoben. Die zunächst auch gestellten Anträge auf Verpflichtung des Beklagten zur abweichenden Festsetzung der Gewerbesteuer 1998 und zum Verzicht auf die Aussetzungszinsen hat die Klägerin zurückgenommen. Die diesbezüglichen Verfahren sind jeweils abgetrennt und eingestellt worden.

Die Klägerin trägt vor:

Sie habe einen Anspruch auf abweichende Steuerfestsetzung im Billigkeitswege in der Weise, dass die gemäß § 8 Abs. 4 KStG i. d. F. vom 29.10.1997 untergegangenen Verlustvorträge berücksichtigt würden. Das Ermessen sei wegen sachlicher Härte auf null reduziert.

Die sachlich unbillige Härte ergebe sich aus dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot und der überschießenden Wirkung des gesetzlichen Tatbestandes des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. als Norm zur Missbrauchsabwehr. Da sie, die Klägerin, auf der Grundlage der verbindlichen Auskunft eine nicht mehr änderbare Disposition vorgenommen habe, sei ihr Vertrauen in besonders hohem Maße schutzwürdig, so dass ihr der Verlustabzug nicht rückwirkend versagt werden könne. Nach der neuesten Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10 ) könne der Gesetzeszweck der typisierenden Missbrauchsabwehr im Einzelfall aufgrund einer atypischen Situation verfehlt und ein Steuererlass geboten sein. Die Situation sei im Streitfall ebenfalls atypisch, weil sie, die Klägerin, den Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft eigens gestellt habe, um sich zu versichern, nicht missbräuchlich zu handeln, und außerdem ein lebendes Unternehmen und kein bloßer Verlustmantel erworben worden sei.

Nach den früheren Verwaltungsanweisungen (s. BMF-Schreiben vom 24.09.1987 und vom 15.07.1998 zu § 207, jeweils Tz. 1), die bis 2000 gegolten hätten, seien im Einzelfall Billigkeitsmaßnamen in Betracht zu ziehen, wenn eine verbindliche Zusage wegen Änderung der Rechtsvorschriften außer Kraft trete (§ 207 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- ) und dies für den Steuerpflichtigen eine unbillige Härte mit sich bringe. Die zu einer verbindlichen Zusage i. S. des § 207 AO entwickelten Grundsätze seien aber nach allgemeiner Auffassung auch im Rahmen einer verbindlichen Auskunft anzuwenden.

Das eröffnete Ermessen sei vor dem Hintergrund der aufgrund der verbindlichen Auskunft getroffenen unumkehrbaren Disposition reduziert. Eine weitere Ermessensreduzierung ergebe sich aus dem Zusammenwirken dieser redlicherweise vorgenommenen Disposition mit der nicht vorher erkennbaren unecht rückwirkenden Gesetzesänderung. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des BVerfG die Steuer bei unecht rückwirkenden Gesetzesänderungen selbst ohne eine verbindliche Auskunft bei etwaigen Härten zu erlassen.

Darüber hinaus handele es sich bei § 8 Abs. 4 KStG um eine Norm mit überschießender Wirkung. Bei einer derartigen Norm der typisierenden Missbrauchsabwehr könne nach der Rechtsprechung des BFH ein Billigkeitserlass geboten sein, wenn die Norm nur deshalb einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalte, weil im Einzelfall die Möglichkeit bestehe, auftretenden Härten durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung zu tragen. Der Erlass sei danach eine flankierende Maßnahme zur Typisierung. Der BFH sehe die unechte Rückwirkung des § 8 Abs. 4 KStG zwar als verfassungsmäßig an, berücksichtige dabei aber, dass bei missbrauchsanfälligen Gestaltungen die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Steuerpflichtigen für den typischen Fall generell herabsetzt sei und die Möglichkeit bestehe, einzelnen Härtefällen im Erlasswege Rechnung zu tragen.

Vorliegend schließe die erteilte verbindliche Auskunft die Missbrauchsgefahr der Umstrukturierung jedoch aus; die typisierend unterstellte Missbräuchlichkeit sei durch die verbindliche Auskunft widerlegt worden. Sie, die Klägerin, habe durch die Einholung der verbindlichen Auskunft alles getan, um einen Missbrauch und somit einen für sie schädlichen nachträglichen Eingriff des Gesetzgebers zu verhindern. Demgegenüber sei ein Steuerpflichtiger, der allein im Vertrauen auf den Wortlaut der Vorschrift disponiert habe, weniger schutzwürdig. Denn die Vorschrift des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 a. F. enthalte lediglich Regelbeispielsfälle für den unbestimmten Rechtsbegriff der „wirtschaftlichen Identität” und sei nicht abschließend. Durch die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs mit einer Typisierung durch Regelbeispiele habe der Gesetzgeber die Finanzverwaltung zur Ausfüllung der Norm ermächtigt und ihr damit eine „gewaltenteilige” Rechtsetzungsmacht eingeräumt. Die Verwaltung habe den gesetzlichen Auftrag durch die Erteilung der verbindlichen Auskunft umgesetzt. Hierdurch werde der Gesetzgeber ebenso wenig in seiner Dispositionsbefugnis beeinträchtigt wie durch einen Billigkeitserlass nach einem Außerkrafttreten der Auskunft. Ein Steuerpflichtiger, der den u. U. von § 8 Abs. 4 KStG erfassten Sachverhalt lediglich im Rahmen seiner Steuererklärung mitteile, verzichte auf die vom Gesetzgeber vorgesehene Konkretisierung durch die Verwaltung mittels einer verbindlichen Auskunft und lasse ihn gegenüber einem Auskunftsinhaber in Bezug auf die Änderungsbefugnis des Gesetzgebers weniger schutzwürdig erscheinen. Eine verbindliche Auskunft in diesem Bereich begründe somit die Atypik eines solchen Falles gegenüber anderen Fällen.

Die Atypik beruhe des Weiteren darauf, dass sie, die Klägerin, die Verlustvorträge ohne die Umstrukturierungsmaßnahmen hätte nutzen können, weil sie in der Folgezeit aus ihrer ursprünglichen wirtschaftlichen Tätigkeit ausreichend Gewinne erwirtschaftet hätte, die mit den Vorträgen hätten verrechnet werden können (vgl. Schreiben des Wirtschaftsprüfers F vom 23.01.2013, Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 13.02.2013, FGA Anlagenband). Ein missbräuchlicher Mantelkauf liege auch deshalb nicht vor. Die Umstrukturierung sei unternehmerisch sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich gewesen und nur im Vertrauen auf die verbindliche Auskunft durchgeführt worden. Daher wäre es ohne das durch die verbindliche Auskunft begründete Vertrauen darauf, nicht missbräuchlich zu handeln, nicht zu der Umstrukturierung gekommen mit der Folge, dass die Verluste vollständig hätten genutzt werden können. Hierdurch unterscheide sich der Streitfall von den typischen Fällen, in denen die Verlustvorträge ohne Zuführung neuen Betriebsvermögens nicht genutzt werden könnten.

Ihrem, der Klägerin, Interesse werde durch die gewährte Stundung der Steuerforderungen nicht hinreichend Rechnung getragen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 11.04.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.08.2012 zu verpflichten, die Körperschaftsteuer für 1998 und für 1999 unter Berücksichtigung eines Verlustvortrages auf den 31.12.1997 in Höhe von … DM aus Billigkeitsgründen abweichend jeweils auf 0,00 € festzusetzen und

die Gewerbesteuer für 1999 unter Berücksichtigung eines zusätzlichen vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1997 in Höhe von … DM aus Billigkeitsgründen abweichend auf 0,00 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt zur Begründung auf den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor:

Die Versagung der Verlustnutzung in den Jahren 1998 und 1999 begründe keine sachliche Unbilligkeit. Dem Steuerpflichtigen stehe bei Wegfall einer verbindlichen Auskunft kein auf Ermessensreduzierung beruhender Anspruch auf Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen zu. Zwar könne in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger im Vertrauen auf eine verbindliche Zusage während ihrer Geltungszeit redlicherweise und unwiderruflich disponiert habe, eine abweichende Steuerfestsetzung in Betracht kommen, doch müssten auch in diesem Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163 AO vorliegen; dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall.

Auf die Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins vom 17.01.2013 und der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2013 wird Bezug genommen.

Dem Gericht haben je ein Band Körperschaft- und Gewerbesteuerakten, Betriebsprüfungsakten und Akten betreffend Billigkeitsmaßnahmen (St.-Nr. …/…/…) vorgelegen.

 Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Ablehnung einer abweichenden Steuerfestsetzung durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung -FGO- ).

1. Gemäß 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Zweck des § 163 AO ist, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 ).

Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur ausnahmsweise kann das Gericht eine Verpflichtung zur abweichenden Steuerfestsetzung aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO ), wenn der Ermessensspielraum so eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht sein kann (sog. Ermessensreduzierung auf null; BFH-Urteile vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 ; vom 26.08.2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401 ).

Der Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens wird durch den Begriff „unbillig” i. S. des § 163 AO abgegrenzt (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101 , BStBl II 1972, 603). Die Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (BFH-Urteil vom 21.10.2009 I R 112/08 , BFH/NV 2010, 606 ). Die Kriterien hierfür sind im Regelungsbereich des § 163 AO dieselben wie im Rahmen des § 227 AO , weil sich diese beiden Billigkeitsvorschriften im Wesentlichen nur in der Rechtsfolgeanordnung, nicht aber in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen unterscheiden (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 ).

2. Im Streitfall liegen weder sachliche noch persönliche Gründe für eine Unbilligkeit der Steuererhebung vor.

A)          In der wirtschaftlichen Situation der Klägerin liegende (persönliche) Billigkeitsgründe sind im Streitfall nicht geltend gemacht worden. Zwar hat die Klägerin im vorgerichtlichen Verfahren zur Begründung ihres Stundungsantrages auf wirtschaftliche Schwierigkeiten hingewiesen, die Geltendmachung persönlicher Billigkeitsgründe im hiesigen Verfahren jedoch ausdrücklich abgelehnt.

B)          aa) Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer vor allem dann, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteile vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 ; vom 14.07.2010 X R 34/08, BFHE 229, 502 , BStBl II 2010, 916).

B)          bb) Eine Billigkeitsentscheidung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 ). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 05.05.2011 V R 39/10 , BFH/NV 2011, 1474 ; vom 20.09.2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518 , BFH/NV 2013, 103 ).

B)          cc) Entspricht die Einziehung der Steuer zwar dem zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, hält dieser aber einer an den Grundrechten ausgerichteten verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand, ist bereits das Gesetz als solches verfassungswidrig. Dies kann nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen den betreffenden Steuerbescheid geltend gemacht werden und rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme (BVerfG-Beschluss vom 08.07.1987 1 BvR 623/86 , DStZ/E 1987, 277; BFH-Urteil vom 23.03.1998 II R 26/96 , BFH/NV 1998, 1098 ). Zur Wahrung der Grundrechte kann jedoch bei generalisierenden und typisierenden Steuertatbeständen ein Billigkeitserlass wegen sachlicher Härte geboten sein, wenn die Regelungen nur deshalb einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten, weil im Einzelfall oder in Gruppen von Einzelfällen die Möglichkeit besteht, auftretenden Härten durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung zu tragen (BVerfG-Beschluss vom 19.12.1978 1 BvR 335/76 u. a., BVerfGE 50, 57, BStBl II 1979, 308; für einen Verstoß gegen das Übermaßverbot nur im Einzelfall BVerfG-Beschluss vom 05.04.1978 1 BvR 117/73 , BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441 , 445 , m. w. N.; BFH-Urteil vom 23.03.1998 II R 26/96, BFH/NV 1998, 1098). Das ist etwa dann der Fall, wenn der Gesetzgeber Zahl und Intensität der von der typisierenden Regelung nachteilig betroffenen Fälle mit zumutbarem Aufwand nicht ermitteln kann. Die Billigkeitsmaßnahme erweist sich in diesem Zusammenhang als eine flankierende Maßnahme zur Typisierung, die in einem atypischen Einzelfall zu ergreifen ist (BFH-Urteile vom 20.09.2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103; IV R 36/10, BFHE 238, 429, BFH/NV 2013, 2481).

B)          dd) Unabhängig von einer etwaigen Verfassungswidrigkeit kann eine zur Missbrauchsverhinderung dienende, typisierende Vorschrift zu einer sachlichen Unbilligkeit im Einzelfall führen. Werden Missbrauchsfälle in typisierender Weise erfasst, ist eine Missbrauchsprüfung im Einzelfall zwar nicht erforderlich. Wird jedoch jenseits dieses Zwecks ein atypischer Einzelfall erfasst, in dem der Gesetzeszweck von vorneherein nicht greift, so stellt dies einen im Billigkeitswege zu korrigierenden Gesetzesüberhang dar (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 , für die Absenkung der Beteiligung unter die Wesentlichkeitsschwelle gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 in einer wirtschaftlichen Notlage).

C)          Im Streitfall hat der Beklagte eine abweichende Festsetzung der Steuern aus Billigkeitsgründen zu Recht abgelehnt, weil die Steuererhebung sachlich nicht unbillig ist. Da die Kriterien für eine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 163 AO dieselben sind wie für einen Steuererlass gemäß § 227 AO (s. oben unter 1.), hat der Beklagte auch einen Erlass zu Recht abgelehnt, so dass nicht entschieden werden muss, ob und inwieweit der Klageantrag als auf einen Erlass gerichtet auszulegen wäre (zum Verhältnis der beiden Rechtsinstitute vgl. Urteil des FG München vom 17.01.2006 6 K 2292/04 , juris; Loose in Tipke/Kruse, AO /FGO , § 163 AO Rz. 21, 30).

C)          aa) Der Beklagte hat die in der Zeit bis zum 11.11.1996 entstandenen Verluste der Klägerin entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes nicht zum 31.12.1997 und zum 31.12.1998 festgestellt und dementsprechend nicht gemäß § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10 d EStG , § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG) i. d. F. der Streitjahre vom jeweiligen Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. vom Gewerbeertrag abgezogen.

C)          aaa) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG i. d. F. vom 22.02.1996 (i. V. m. § 10a Satz 4 GewStG ) ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d EStG bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität liegt nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt. § 8 Abs. 4 KStG 1996 a. F. definiert die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist (BFH-Urteil vom 22.10.2003 I R 18/02 , BFHE 204, 273 , BStBl II 2004, 468).

C)          bbb) Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (UntStRFoG) vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590 ) wurde das Regelbeispiel in Satz 2 in zwei Punkten verschärft: Danach genügt es, wenn mehr als die Hälfte der Anteile übertragen werden und der Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt wird. Das UntStRFoG ist zwar auf verfassungswidrige Weise zustandegekommen, aber dennoch gültig (BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008 2 BvL 12/01 , BVerGE 120, 56, BGBl I 2008, 481 ). Nach § 54 Abs. 6 KStG 1996 i. d. F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997 (RVFinG; BGBl I 1997, 3121 ; nunmehr § 34 Abs. 6 KStG 1999 i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes) ist die Neuregelung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 06.08. eingetreten – am 05.08.1997 wurde das UntStRFoG im Bundestag verabschiedet -, gilt § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998. § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. gilt danach bereits im Veranlagungszeitraum 1997 auch für solche Körperschaften, die nach den Maßstäben der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 01.01.1997 verloren haben (BFH-Beschluss vom 08.10.2008 I R 95/04 , BFHE 223, 105 , DStR 2009, 161).

C)          ccc) Nach der nach dem Gesetzeswortlaut auf den Streitfall anzuwendenden Neuregelung hat die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität am … 1996 verloren, weil sämtliche Anteile an ihr übergegangen sind, ihr Betriebsvermögen auf die D GmbH übertragen wurde und ihr gleichzeitig vollständig neues Betriebsvermögenzugeführt wurden.

C)          bb) Zwar macht die Klägerin zu Recht geltend, dass die Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG durch das UntStRFoG in Verbindung mit der Übergangsregelung des § 52 Abs. 6 KStG i. d. F. des RVFinG eine unechte Rückwirkung beinhaltet. Diese unechte Rückwirkung rechtfertigt für sich genommen jedoch keine Billigkeitsmaßnahme.

C)          aaa) Die Neuregelung entfaltet eine sog. unechte Rückwirkung, weil hierdurch Verlustvorträge entwertet werden, die vor Verkündung des Gesetzes entstanden und ggf. bestandskräftig festgestellt worden waren (BFH-Beschluss vom 14.03.2011 I R 95/04 , BFH/NV 2011, 1192 ). Nach Auffassung des BFH verstößt die Übergangsregelung des § 54 Abs. 6 KStG 1996 n. F. insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG ), als die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität vor dem 01.01.1997 verloren haben, bereits ab 1997 gelten soll, obwohl diese Körperschaften nicht weniger schutzwürdig seien als die, die ihre wirtschaftliche Identität erst zwischen dem 01.01. und dem 06.08.1997 verloren haben. Denn insbesondere in Fällen, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität erst Ende 1996 eingetreten sei, hätten die Verluste regelmäßig noch nicht genutzt werden können (Vorlagebeschluss des BFH vom 08.10.2008 I R 95/04 , BFHE 223, 105 , DStR 2009, 161). Der übergangslose Wegfall eines im Einklang mit bisherigem Recht und bestandskräftig festgestellten Verlustabzugs sei unzulässig, wenn insoweit das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage schutzwürdig sei, denn dann müsse dem Steuerpflichtigen zumindest für einen Übergangszeitraum von einem Jahr die Nutzung des bislang festgestellten Verlusts möglich sein (BFH-Beschluss vom 14.03.2011 I R 95/04 , BFH/NV 2011, 1192 ).

C)          bbb) Die Frage, ob die unechte Rückwirkung der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 verfassungsrechtlich zulässig und wie die Übergangsfrist ggf. zu bemessen ist, ist allerdings allein durch das BVerfG zu beurteilen und kann für sich genommen keine abweichende Steuerfestsetzung rechtfertigen (s.o. 1.b)cc)).

C)          ccc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits im Jahr 1996 eine unumkehrbare Disposition vorgenommen hat. Für die vom BVerfG bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer unechten Rückwirkung zu prüfende Frage, inwieweit das Vertrauen der Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich geschützt ist, wird u. a. darauf abgestellt, ob und wann eine verbindliche Disposition vorgenommen wurde (BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 2 BvL 1/03 u. a., BVerfGE 127, 31 , BGBl I 2010, 1297 ). Die Situation der Klägerin ist insoweit nicht anders als die anderer Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität nach der Neuregelung vor dem 01.01.1997 verloren haben. Da ein Anteilskauf, der zum Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft führt, steuerrechtlich stets und zivilrechtlich regelmäßig unumkehrbar ist, ist der Streitfall gegenüber den anderen von der unechten Rückwirkung betroffenen Steuerpflichtigen nicht atypisch.

C)          cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Klägerin, es habe kein missbräuchlicher Mantelkauf vorgelegen, weil sie die Verluste in den Folgejahren ohne die Umstrukturierung mit eigenen Gewinnen hätte verrechnen können. Dabei kann offen bleiben, ob diese Behauptung zutreffend ist.

C)          Denn es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass § 8 Abs. 4 KStG 1996 eine überschießende Wirkung in dem Sinne hätte, dass der Gesetzgeber eigentlich nur sog. Verlustmäntel hätte erfassen wollen, also das äußere rechtliche Kleid einer Kapitalgesellschaft ohne nennenswertes Vermögen und ohne Geschäftsbetrieb (zum Begriff FG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2011 2 K 33/10 , EFG 2011, 1460 ; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 8 Abs. 4 a. F. Rz. 14). Das Gesetz stellt vielmehr auf die wirtschaftliche Identität der Körperschaft, die den Verlust erlitten hat, mit der Körperschaft, die den Verlustabzug geltend macht, ab, die bei Verwirklichung des in Satz 2 genannten Regelbeispiels stets verloren gehen soll.

C)          Ebenso wenig kommt es für die Tatbestandsverwirklichung auf die Gründe für die Anteilsübertragung an, z. B. darauf, ob aus anderen Gründen als der Verlustnutzung eine konzerninterne Umstrukturierung durchgeführt werden soll (BFH-Urteil vom 20.08.2003 I R 61/01 , BFHE 203, 135 , BStBl II 2004, 616).

C)          Dem Charakter des § 8 Abs. 4 KStG 1996 als Missbrauchsverhinderungsnorm wird (allein) dadurch Rechnung getragen, dass von der Rechtsprechung über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und der Betriebsvermögenszuführung verlangt wird und dass bei der Frage, ob überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wurde, einzelne Betriebsvermögensmehrungen daraufhin untersucht werden, ob sie die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft berühren, wie es bei Anlagevermögen i. d. R. der Fall ist (BFH-Urteil vom 01.07.2009 I R 101/08 , BFH/NV 2009, 1838 ). Im Streitfall bestand aber ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung auf die E GmbH und der Zuführung des vollständig neuen Betriebsvermögens.

C)          Gründe, die die sachliche Unbilligkeit der Anwendung der Missbrauchsverhinderungsvorschrift im Einzelfall begründen könnten, wie etwa, dass die Anteilsübernahme aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage erforderlich gewesen sei (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10 , BFH/NV 2013, 11 ; oben 2.b)dd)), macht die Klägerin nicht geltend.

C)          dd) Die Klägerin kann sich ebenso wenig darauf berufen, dass die begehrte Billigkeitsmaßnahme als eine flankierende Maßnahme zur Sicherstellung der Verfassungsmäßigkeit der typisierenden Norm erforderlich wäre (s. oben 2.b)cc)). Dabei kann offen bleiben, ob die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. flankierender Billigkeitsmaßnahmen bedarf, weil der Gesetzgeber Zahl und Intensität der von der typisierenden Regelung nachteilig betroffenen Fälle mit zumutbarem Aufwand nicht ermitteln konnte. Denn es ist nicht erkennbar, dass diese Regelung gerade im Fall der Klägerin zu einer verfassungswidrigen individuellen Härte führte, wie etwa zu einem Verstoß gegen das Übermaßverbot oder das Leistungsfähigkeitsprinzip.

C)          ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin begründet auch das Zusammentreffen der unechten Rückwirkung und der unumkehrbaren Disposition mit dem Entfallen der verbindlichen Auskunft keine sachliche Unbilligkeit der Steuererhebung.

C)          aaa) Nach § 2 Abs. 2 der aufgrund des § 89 Abs. 2 Satz 4 AO (eingeführt durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 05.09.2006, BGBl I 2006, 2098 ) erlassenen Steuer-Auskunftsverordnung vom 30.11.2007 (BGBl I 2007, 2783 ) entfällt die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden. Aber auch vor Einführung dieser Vorschriften war anerkannt, dass eine verbindliche Auskunft außer Kraft tritt, wenn sich die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften ändern (Seer in Tipke/Kruse, AO /FGO , § 89 Rz. 55: analoge Anwendung des § 207 Abs. 1 AO ). Bei einer rückwirkenden Gesetzesänderung entfällt auch die Auskunft rückwirkend, selbst wenn der relevante Sachverhalt bereits verwirklicht wurde. Eine gegenüber der zulässigen Rückwirkung von Gesetzen verstärkte Vertrauensbasis vermag auch eine verbindliche Auskunft nicht zu gewähren (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO /FGO, § 207 AO Rz. 10, für die verbindliche Zusage). Denn nach dem Gewaltenteilungsprinzip kann die Verwaltung weder versprechen, dass sich die zugrunde liegenden Gesetze nicht ändern werden, noch, dass anderenfalls zugunsten des Zusageadressaten weiterhin die günstigere alte Fassung angewandt werde (Seer in Tipke/Kruse, AO /FGO, § 207 AO Rz. 3; Frotscher in Schwarz, AO , Vor §§ 204-207 Rz. 15). Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass man mit Gesetzesänderungen rechnen muss und nicht auf den zeitlich unbegrenzten Fortbestand einer einmal geltenden Rechtslage vertrauen kann (BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 2 BvL 1/03 u. a., BVerfGE 127, 31 , BGBl I 2010, 1297 ). Dementsprechend hat das FA Kö-1 in der verbindlichen Auskunft vom 18.06.1996 ausdrücklich auf das Außerkrafttreten bei Änderung einer zugrundeliegenden Rechtsvorschrift hingewiesen.

C)          bbb) Zwar wird in der Literatur, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, z. T. vertreten, dass bei dem Entfallen einer verbindlichen Zusage wegen einer Gesetzesänderung Billigkeitsmaßnahmen in Betracht kommen (Seer in Tipke/Kruse, AO /FGO , § 207 AO Rz. 7: bei unwiderruflicher Disposition; Schallmoser in Hübschann/Hepp/Spitaler, AO /FGO, § 207 AO Rz. 10; Rüsken in Klein, AO , 11. Aufl., § 207 Rz. 1: allenfalls ausnahmsweise; Steinhauff, JurisPR-SteuerrR 8/2008 Anm. 4, allerdings für den Spezialfall der Rückführung einer steuerlichen Vergünstigung, die dem Bürger einen Anreiz zu einer bestimmten Investition geben sollte, wenn der Bürger diese Investition getätigt hat).

C)          Der Beklagte hat das ihm insoweit eröffnete Ermessen jedoch erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Er hat der Situation der Klägerin dadurch Rechnung getragen, dass er ihr die Stundung der Steuerforderungen für 1998 und 1999 gewährt hat. Darüber hinaus besteht keine Ermessensreduzierung auf null dahingehend, dass der Beklagte die aus dem Verlustuntergang resultierenden Steuerforderungen bzw. Messbeträge für die Streitjahre abweichend auf 0 € festzusetzen hätte. Eine sachliche Unbilligkeit liegt auch insoweit nicht vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Erlass der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 und der dazu ergangenen Übergangsvorschrift solche Körperschaften hätte ausnehmen wollen, denen in einer verbindlichen Auskunft die Nichtanwendbarkeit des § 8 Abs. 4 KStG 1996 in der vorherigen Fassung zugesagt worden war. Denn da sich die Verbindlichkeit einer Auskunft immer nur auf die zur Zeit ihrer Erteilung geltende Rechtslage beschränkt, rechtfertigt ihre Erteilung grundsätzlich nicht die Erwartung, das jeweilige Gesetz werde auch in Zukunft nicht geändert. In Bezug auf künftige Rechtsänderungen sind die Empfänger verbindlicher Auskünfte nicht schutzwürdiger als andere Steuerpflichtige. Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass sie aufgrund der verbindlichen Auskunft mehr als andere Steuerpflichtige darauf vertrauen konnte, den Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG 1996 a. F. nicht zu erfüllen, weil selbst die Steuerpflichtigen, die die Voraussetzungen des Regelbeispiels in Satz 2 eindeutig nicht erfüllten, nicht sicher ausschließen konnten, einen wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalt i. S. des Satzes 1 verwirklicht zu haben. Andererseits ist die Klägerin aufgrund der verbindlichen Auskunft aber nicht schutzwürdiger, als sie es bei einer bestandskräftigen und nicht mehr änderbaren Verlustfeststellung auf den 31.12.1996 gewesen wäre. Auch diese Fälle hat der Gesetzgeber indes nicht von der Neuregelung ausgenommen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er, hätte er insoweit ein Regelungsbedürfnis erkannt, die Empfänger verbindlicher Auskünfte von der Anwendung der Neuregelung ganz ausgenommen oder für sie eine länger als ein Jahr währende Übergangsfrist eingeräumt hätte.

C)          Das gilt entgegen der Auffassung der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Eigenschaft des § 8 Abs. 4 KStG 1996 a. F. als typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Eine verbindliche Auskunft in einem derartigen Bereich stellt sicher, dass nach geltendem Recht kein Missbrauch vorliegt, schützt aber nicht davor, dass der Gesetzgeber einen Missbrauch durch eine Neuregelung anders definiert, dass er eine Typisierung wählt, die von einem Missbrauch völlig abgekoppelt ist, oder dass er den Verlustvortrag in anderer Hinsicht beschränkt. Die Klägerin konnte durch die Einholung der verbindlichen Auskunft nur sicherstellen, dass die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 a. F. auf sie nicht angewendet wird, und nur hierauf berechtigterweise vertrauen. Einen Schutz gegenüber einer rückwirkenden Verschärfung der Norm durch den Gesetzgeber konnte die Klägerin über die Verwaltung dagegen nicht sicherstellen.

C)          Der erkennende Senat folgt der Klägerin im Übrigen nicht darin, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs und einer Typisierung in § 8 Abs. 4 KStG 1996 a. F. eine Konkretisierungsbefugnis auf die Finanzverwaltung delegiert und ihr auf diese Weise eine „gewaltenteilige” Rechtsetzungsmacht eingeräumt hätte. Der Gesetzgeber hat lediglich einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendet und diesen durch ein Regelbeispiel ausgefüllt. Die Auslegung des Gesetzes ist letztlich Aufgabe der Gerichte, die dabei keinen Beurteilungsspielraum der Verwaltung zu berücksichtigen haben. Eine irgendwie geartete Rechtsetzungsmacht der Verwaltung, die zu einer zumindest im Billigkeitswege zu gewährenden Rechtsanwendung entsprechend der verbindlichen Auskunft führen könnte, wurde der Verwaltung nicht eingeräumt.

C)          ff) Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klägerin auf die verbindliche Auskunft in besonderem Maße vertraut und daraufhin die Umstrukturierung vorgenommen hat und dass der Wegfall der erheblichen Verlustvorträge – nach dem Wortlaut des Gesetzes ab 1997, nach Auffassung des BFH, der sich der Beklagte durch den Erlass der Abhilfebescheide für 1996 angeschlossen hat, ab 1998 – für sie eine Härte bedeutet. Da die Klägerin jedoch keine persönlichen Billigkeitsgründe geltend macht, können ihre individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. Die für alle Körperschaften aus der Neuregelung resultierende Härte ist in der Rückwirkung der Neuregelung begründet, die jedoch, wie dargelegt, keine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigt, sondern im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsvorschrift zu würdigen ist. Eine sachliche Unbilligkeit im Einzelfall der Klägerin liegt damit nicht vor.

 

II.

1. Der erkennende Senat hat von einer Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvL 2/09 abgesehen, weil die Beteiligten diese nicht beantragt haben und weil sich der Vorlagebeschluss des BFH (vom 08.1.2008 I R 95/04 , BFHE 223, 105 , BFH/NV 2009, 500 ) auf die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 KStG 1996 i. d. F. des UntStRFoG für die betroffenen Körperschaften nur auf den Veranlagungszeitraum 1997 bezieht und nicht auf die folgenden Veranlagungszeiträume, die hier streitgegenständlich sind und von der Entscheidung des BVerfG daher voraussichtlich nicht betroffen sein werden. Im Übrigen ist die Entscheidung über die Steuerfestsetzung oder, wie hier, über eine Verlustfeststellung für vorangegangene Zeiträume nicht vorgreiflich für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO (Loose in Tipke/Kruse, AO /FGO, § 163 AO Rz. 31), sondern umgekehrt allenfalls die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO für die Steuerfestsetzung (BFH-Urteil vom 20.09.2007 IV R 32/06 , BFH/NV 2008, 569 ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

3. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor. Bei der Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG 1996 n. F. und der hierzu ergangenen Übergangsvorschrift handelt es sich um seit geraumer Zeit ausgelaufenes Recht. Der Senat geht nicht davon aus, dass bei den anderen Finanzgerichten eine erhebliche Zahl gleichgelagerter Fälle anhängig ist.

 

Vorfälligkeitsentschädigungen als nachträgliche Werbungskosten

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 545/13 E

Datum:
11.09.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 545/13 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Streitig ist die Abzugsfähigkeit einer Vorfälligkeitsentschädigung als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

3Die Klägerin veräußerte im Streitjahr 2010 das von ihr im Jahre 1999 erworbene Objekt „A“-Straße in „B“ für 155.000 EUR; die Klägerin war zur lastenfreien Übertragung des Grundstückes verpflichtet. Zur Ablösung einer Restschuld aus zwei Darlehen in Höhe von 48.773 EUR, die zur Finanzierung der Anschaffung aufgenommen worden waren, zahlte sie der kreditgebenden Bank insgesamt 3.479,07 EUR als Vorfälligkeitsentschädigung und machte diese in ihrer Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte berücksichtigte zunächst diese Aufwendungen in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Einkommensteuerbescheid vom 25.7.2012; der Verlust aus der Vermietung des Objektes betrug 4.914 EUR. Die Klägerin erhob hiergegen aus anderen als den hier streitigen Gründen Einspruch. Mit Schreiben vom 13.8.2012 teilte der Beklagte mit, die Vorfälligkeitsentschädigungen könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Mit Einspruchsentscheidung vom 17.1.2013 verringerte der Beklagte den Verlust aus Vermietung und Verpachtung auf 1.435 EUR und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 19ff der Gerichtsakten).

4Die Klägerin hat am 20.2.2013 Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens geltend macht, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, insbesondere dem Urteil vom 20.6.2012 (Az.: IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275) zur Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten, seien auch nach Beendigung der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen, deren ursprünglicher Grund in der Aufnahme von Darlehen zur Finanzierung eines Vermietungsobjektes liege, auch nach der Veräußerung des Objektes als Werbungskosten zu berücksichtigen. Diese Rechtsprechung sei auch auf Vorfälligkeitsentschädigungen anzuwenden, da derartige Zahlungen wirtschaftlich Vorauszahlungen auf in Zukunft fällig werdende Zinsen darstellten. Durch die Veräußerung werde der ursprünglich bestehende Veranlassungszusammenhang zwischen der Entstehung der Darlehensschuld und der Einkunftserzielung nicht aufgelöst.

5Die Klägerin beantragt,

6die Einkommensteuer für 2010 auf 23.303 EUR herabzusetzen.

7Der Beklagte beantragt,

8die Klage abzuweisen.

9Er vertritt die Ansicht, der für einen Anerkennung als Werbungskosten notwendige Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzinsen und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestehe nicht mehr, wenn das Objekt veräußert worden sei. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.6.2012 sei dahingehend zu verstehen, dass nach einer Veräußerung entstehende, nachträgliche Schuldzinsen nur dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt werden könnten, wenn die Voraussetzungen einer Versteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der maßgebliche Zeitraum von zehn Jahren seit Anschaffung im Zeitpunkt der Veräußerung abgelaufen gewesen sei.

10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.

11Entscheidungsgründe

12Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 25.7.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.1.2013 ist rechtmäßig. Die Vorfälligkeitsentschädigungen sind nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

13Nach der bisher ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellen Vorfälligkeitsentschädigungen keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar. Derartige Entschädigungen unterfallen dem ertragsteuerlichen Schuldzinsenbegriff mit der Folge, dass sie nur dann als Werbungskosten anzuerkennen sind, wenn sie im Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, d.h. durch die Erzielung steuerbarer Einnahmen veranlasst sind (vgl. BFH Urteile vom 14.1.2004 IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091 und vom 6.12.2005 VIII R 34/04 BFHE 212, 122, BStBl II 2006, 265). Der ursprünglich durch die Aufnahme eines Kredites zur Anschaffung einer Vermietungsobjektes bestehende Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wird durch die Veräußerung des Vermietungsobjektes unterbrochen, wenn die vorzeitige Rückführung des Kredits auf die Verpflichtung des Veräußerers zur lastenfreien Übereignung des Grundstücks zurückzuführen ist; die Vorfälligkeitsentschädigungen sind dann nicht den bis zur Veräußerung erzielten laufenden Einkünften, sondern dem Veräußerungsvorgang zuzurechnen (vgl. BFH Urteile vom 23.1.1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464, vom 23.9.2003 IX R 20/02, BFHE 203, 352, BStBl II 2004, 57 und vom  6.12.2005 VIII R 34/04 a.a.O.; Beschluss vom 9.8.2012 IX B 57/12, BFH/NV 2012, 2014). Da die Klägerin nach dem notariellen Kaufvertrag verpflichtet war, das Grundstück, mit Ausnahme einer Grunddienstbarkeit, lastenfrei auf den Erwerber zu übertragen, bestand ein Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen mit der Veräußerung, nicht aber den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

14Etwas anderes ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung zur Anerkennung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. In seiner Entscheidung vom 20.06.2012 lässt der Bundesfinanzhof den Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten in einem größeren Umfang zu als zuvor. Maßgebender Grund für die erweiterte Abzugsfähigkeit ist die Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücksveräußerungen durch § 23 Abs. 1 S. 1 EStG in seiner seit 1999 geltenden Fassung auf nunmehr 10 Jahre. Vor diesem Hintergrund, so der BFH, sei das bisher von der Rechtsprechung bemühte Argument, der Fortbestand eines den Verkaufserlös der veräußerten Einkunftsquelle übersteigenden (Rest –) Darlehens habe seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht steuerbaren Veräußerungsverlust, nicht länger ergiebig. Aus diesem Grund könnten nachträgliche Schuldzinsen auch im Bereich der Überschusseinkünfte der Finanzierung eines steuerrechtlich erheblichen Veräußerungs- oder Aufgabeverlustes dienen. Dies würde besonders an der Regelung des § 23 Abs. 3 S. 4 EStG deutlich, wonach im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 23 Abs. 3 S. 1 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines veräußerten Wirtschaftsgutes sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen minderten. Diese Regelung verknüpfe das private Veräußerungsgeschäft mit der bisherigen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks und bewirke, dass die Ermittlung des Gewinns aus einem nach § 23 Absatz 1 S. 1 EStG steuerbar bewahrten Veräußerungsgeschäfts, strukturell der Ermittlung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes im Betriebsvermögen gleichgestellt werde. Hieraus hat der BFH im entschiedenen Fall, in dem die Veräußerungsfrist noch nicht abgelaufen war, eine Ausweitung des nachträglichen Schuldzinsenabzugs bejaht. Ob darüber hinaus in anderen denkbaren Fallkonstellation, damit auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist, eine den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernde private Motivation den Schluss rechtfertigen könnte, dass nachträgliche Schuldzinsen nicht nur durch die ursprünglich zu Vermietungszwecken aufgenommenen Schulden ausgelöst sind, hat der BFH ausdrücklich offen gelassen. Ausgedehnt hat er die Rechtsprechung ausdrücklich nur auf die Fälle, in denen ein bisher zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienendes Wohngrundstück steuerbar veräußert wurde und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreichte, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, über die vom BFH hinaus erfolgte Erweiterung auch im hier zu entscheidenden Fall die nach der Beendigung der Vermietungsabsicht angefallenen Schuldzinsen anzuerkennen. Hier war die Veräußerungsfrist abgelaufen. Die Gründe, die den BFH im angesprochenen Urteil dazu bewogen haben, seine Rechtsprechung zur Anerkennung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung undVerpachtung auszudehnen, greifen nicht ein. Denn die Situation des Veräußerers, der nicht unter § 23 EStG fällt, ist der Situation des Veräußerers von Betriebsvermögen gerade nicht zu vergleichen.

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

16Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Reform des steuerlichen Reisekostenrechts – Grundsätze ab dem 01.01.2014

Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 285, BStBl I S. 188) wurden die bisherigen steuerlichen Bestimmungen zum steuerlichen Reisekostenrecht neu geregelt. Davon abweichende Regelungen der Lohnsteuer-Richtlinien 2013 sind nicht mehr anzuwenden.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde zugesagt, rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 das auch von der Wirtschaft gewünschte „einführende“ (erläuternde) BMF-Schreiben zu erstellen. Gemeinsam mit den obersten Finanzbehörden der Länder wurden zu allen neuen gesetzlichen Regelungen Erläuterungen sowie Beispiele erarbeitet. Der Entwurf dieses BMF-Schreibens wurde im Juli allen bereits im Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verbänden zur Information und mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übersandt. Von Mitte August bis Mitte September wurden die eingegangenen Vorschläge, Anregungen und Forderungen der Verbände gemeinsam mit den Ländern ausgewertet und nahezu vollständig in das einführende BMF-Schreiben aufgenommen. Eingang in das BMF-Schreiben haben darüber hinaus auch viele Erläuterungen und vereinfachende Regelungen gefunden, die von Seiten der Praktiker im Rahmen der bis August abgehaltenen Infoveranstaltungen und Multiplikatorenschulungen angeregt wurden. Nur wenige, weil den neuen gesetzlichen Reglungen zuwiderlaufende, Vorschläge konnten bzw. durften nicht berücksichtigt werden.

Das BMF-Schreiben vom 30. September 2013 enthält nunmehr die Grundsätze, die bei der Anwendung der am 1. Januar 2014 in Kraft tretenden gesetzlichen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zur steuerlichen Beurteilung von Reisekosten der Arbeitnehmer gelten. Das gibt Planungssicherheit für die betroffenen Steuerpflichtigen.

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2353 / 13 / 10004 vom 30.09.2013

Den Volltext des Schreibens finden Sie auf der Homepage des BMF.
Einen Rechner für die Reisekostenabrechnung finden Sie auf http://steuerrechner24.de/reisekostenabrechnung/

Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie kann zu steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen führen

BFH, Pressemitteilung Nr. 66/13 vom 02.10.2013 zum Urteil I R 109-111/10 vom 12.06.2013

Mit Urteil vom 12. Juni 2013 I R 109-111/10 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie in Deutschland zu beträchtlichen Einkommensteuerforderungen führen kann, nämlich dann, wenn die Immobilie einer spanischen Kapitalgesellschaft gehört und deren Gesellschafter als Nutzende der Immobilie in Deutschland wohnen.

Es entspricht wohl gängiger Praxis und Empfehlung einschlägiger Verkehrskreise, beim Ankauf einer spanischen Ferienimmobilie eine spanische Kapitalgesellschaft zu errichten und als Eigentümerin der Immobilie „vorzuschalten“, vorzugsweise, um spanische Wertzuwachs- und Erbschaftsteuern zu „ersparen“, aber auch aus Gründen der Haftungsbeschränkung sowie der Anonymität. Dieses Gestaltungsmodell kann jedoch in Deutschland „teuer“ werden, weil für die Immobiliennutzung meistens keine oder keine marktübliche Miete gezahlt wird und der Mietverzicht dann eine verdeckte Gewinnausschüttung der Gesellschaft an ihre Gesellschafter darstellt. Die Gesellschaft verzichtet nämlich in aller Regel nur aus Gründen des gesellschaftlichen Näheverhältnisses auf eine entsprechende „Vermögensmehrung“.

Konkret ging es um eine deutsche Familie – die Eltern und ihre beiden Kinder -, die im Jahre 2000 für rd. 2,4 Mio. DM ein 1.000 qm großes, in Porto Andratx auf Mallorca belegenes Grundstück mit einem 160 qm großen Einfamilienhaus und einem Schwimmbad erworben, „dazwischen“ aber eine spanische Sociedad Limitada, vergleichbar einer deutschen GmbH, „geschaltet“ hatte. Das Haus stand den Familienangehörigen ganzjährig zur Verfügung und wurde von ihnen zu Urlaubszwecken unentgeltlich genutzt. Das Finanzamt nahm an, dass die Nutzung steuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter nach sich zog. Im Einzelnen ging es für die Jahre 2001 bis 2005 um Beträge in Höhe einer geschätzten Kostenmiete zzgl. eines Gewinnzuschlags von rd. 78.000 Euro jährlich. Der BFH hat das im Grundsatz bestätigt.

Beim Kauf einer ausländischen Ferienimmobilie wird das Urteil zu beachten sein. Das gilt insbesondere für Objekte in Spanien. Allerdings ist die Gefahr einer Nachversteuerung in Deutschland insoweit von 2013 an eher gering, weil nach dem seitdem geltenden neuen deutsch-spanischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht für derartige Gewinnausschüttungen zumeist in Spanien liegen dürfte.

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.6.2013, I R 109-111/10; I R 109/10; I R 110/10; I R 111/10

Deutsches Besteuerungsrecht an verdeckter Gewinnausschüttung einer spanischen Sociedad Limitada an inländischen Anteilseigner infolge unentgeltlicher Nutzung einer Ferienimmobilie – Dividenden i.S. von Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Spanien 1966

Leitsätze

1. Die unentgeltliche Nutzung der in Spanien belegenen Ferienimmobilie einer spanischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad Limitada durch deren in Deutschland ansässige Gesellschafter kann bei den Gesellschaftern als verdeckte Gewinnausschüttung in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung zu behandeln sein.

 

2. Das Besteuerungsrecht an einer solchen verdeckten Gewinnausschüttung gebührt Deutschland –mit jeweils unterschiedlichen Folgen für die Anrechnung spanischer Ertragsteuern– entweder nach Art. 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 oder nach Art. 21 DBA-Spanien 1966, nicht aber Spanien nach Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966.

Tatbestand

1
I. Bei den Klägern und Revisionsbeklagten (Kläger) handelt es sich um die Eltern und um deren Sohn. Die Eltern, der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 2./3., sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Streitjahr 2001 wurde die Klägerin zu 2./3. antragsgemäß getrennt veranlagt. Streitjahre der Einkommensteuerveranlagungen des Sohnes, des Klägers zu 1., sind 2001 bis 2005.
2
Die Kläger hatten im Jahre 2000 –zusammen mit einem weiteren Sohn bzw. Bruder– je 25 Gesellschaftsanteile für jeweils 300.000 DM (= 153.387,56 EUR) an einer spanischen Kapitalgesellschaft (C-S.L.) erworben. In deren Eigentum stand ein 1.000 qm großes, in Porto Andratx auf Mallorca belegenes Grundstück, das von dem Voreigentümer der Gesellschaftsanteile mit einem 160 qm großen Einfamilienhaus mit Schwimmbad bebaut war. Im März und im April des Streitjahres 2002 verkauften die Kläger zu 2. ihre Anteile an der C-S.L. je zur Hälfte an ihre beiden Söhne. Nach Mitteilung des steuerlichen Beraters des Voreigentümers war die C-S.L. im Jahr 2001 von der spanischen Finanzbehörde geprüft und ihr im Ergebnis bestätigt worden, dass sie für die Jahre 1999 bis 2001 mangels angefallener Gewinne keine Steuern zu zahlen habe.
3
Das Grundstück stand den Klägern ganzjährig zur Verfügung. Sie nutzten es in den Streitjahren bei verschiedenen Aufenthalten zu eigenen Wohnzwecken. Ein Entgelt entrichteten sie dafür nicht. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) behandelte die unentgeltliche Nutzungsüberlassung der Immobilie als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Auch wenn die Gesellschaft in Spanien von Beginn an mangels auf Gewinnerzielung gerichteter Tätigkeit keiner Einkommensbesteuerung unterliegen möge, schließe dies eine Vorteilszuwendung an den Anteilseigner, die zu inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen führe, nicht aus. Bei der Bewertung des Vorteils sei nach der Lage und Ausstattung des Objekts die Kostenmiete in Höhe von 6 v.H. des notariell beurkundeten Kaufpreises in Höhe von 1.200.000 DM zzgl. eines Gewinnzuschlags in Höhe von 10 v.H., also rd. 8.000 DM, somit ein Jahresbetrag in Höhe von rd. 80.000 DM (= 40.903 EUR) anzusetzen. Für das Streitjahr 2001 entfalle damit auf den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2./3. ein Betrag in Höhe von jeweils [80.000 DM x ¼ x 9/12 =] 15.000 DM, für das Streitjahr 2002 auf den Kläger zu 1. ein Betrag in Höhe von ([40.903 EUR x ¼ x 3/12 =] 2.556 EUR + [40.903 EUR x ½ x 9/12 =] 15.338 EUR) = 17.894 EUR und auf die Klägerin zu 2./3. ein Betrag von [40.903 EUR x ¼ x 3/12 =] 2.556 EUR und für die Streitjahre 2003 bis 2005 auf den Kläger zu 1. in Höhe von jeweils [40.903 EUR x ½ =] 20.451 EUR. Dementsprechend wurden die Einkommensteuern für die Streitjahre unter Änderung der vorherigen Steuerbescheide festgesetzt; die geänderten Steuerbescheide des Klägers zu 1. für 2001 bis 2003 sowie der Klägerin zu 2./3. für 2001 ergingen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), im Übrigen nach § 164 Abs. 2 AO. Dagegen wandten die Kläger sich mit Einsprüchen.
4
Vorangegangen waren Außenprüfungen bei dem Voreigentümer der C-S.L. und sodann auch bei dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2./3., nachdem im Rahmen der Außenprüfung bei dem Voreigentümer die Veräußerung der Anteile bekannt geworden war. Auf entsprechende Aufforderung des FA hatten die Kläger daraufhin die bislang unterbliebenen Anzeigen gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 3 AO abgegeben. Der Prüfer, der den Voreigentümer geprüft hatte, äußerte aufgrund „vertraulicher Informationen“ den –allerdings nicht belegten– Verdacht, dass jener mit den Klägern zu 2. einen Kaufpreis vereinbart habe, der doppelt so hoch gewesen sei wie der tatsächlich beurkundete Kaufpreis. Der Differenzbetrag sei von einem Konto der Kläger zu 2. in der Schweiz auf ein ebenfalls in der Schweiz geführtes Konto des Voreigentümers überwiesen worden.
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Nach Eingang berichtigter Angaben zu den für 1997 bis 2006 erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen im Hinblick auf ein bei einem Züricher Bankhaus unterhaltenes Depot sah sich der Prüfer in seiner Annahme bestätigt. Dafür spreche zum einen ein deutlicher Rückgang der nacherklärten Zinserträge von 1999 bis 2001 um rd. 45.000 DM. Zum anderen habe die Klägerin zu 2./3. Schenkungen an ihre Söhne im März 2000 in Höhe von rd. 173.840 EUR und im März/April 2002 in Höhe von jeweils 153.387 EUR nacherklärt. Das FA teilte den Klägern daraufhin mit, dass es beabsichtige, im Rahmen der Einspruchsverfahren die Kostenmiete nunmehr mit einem Jahresbetrag in Höhe von 152.000 DM (6 v.H. von 2.400.000 DM zzgl. Gewinnzuschlags in Höhe von 8.000 DM) anzusetzen. Die vGA wurden auf dieser Basis gegenüber dem Kläger zu 1. für die Streitjahre 2004 und 2005 auf jeweils 38.858 EUR und gegenüber der Klägerin zu 2./3. für das Streitjahr 2002 auf 4.857 EUR erhöht. Für die Streitjahre 2001 (Kläger zu 1. und Klägerin zu 2./3.) sowie 2002 (Kläger zu 1.) blieb es bei den ursprünglich ermittelten Beträgen.
6
Die Klagen gegen die hiernach festgesetzten Einkommensteuern waren erfolgreich. Ihnen wurde vom Finanzgericht (FG) Düsseldorf durch Urteile vom 29. Oktober 2010  3 K 1342/09 E, 3 K 1347/09 E sowie 3 K 1239/09 E, letzteres abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 556, stattgegeben.
7
Das FA stützt seine –zunächst bis zum Jahre 2012 unter den Aktenzeichen VIII R 45/10, VIII R 46/10 und VIII R 47/10 beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen– Revisionen auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
8
Die Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9
II. Die –nach § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen– Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung an das FG. Dessen Einschätzung, die unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen seien bei den Klägern nicht als vGA zu erfassen, ist unzutreffend. Fraglich ist jedoch, ob der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) aus abkommensrechtlicher Sicht daran das Besteuerungsrecht uneingeschränkt zusteht oder ob eine etwaige in Spanien erhobene Steuer auf die Einkünfte anzurechnen ist. Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen insbesondere zum spanischen Steuerrecht lassen eine abschließende Entscheidung darüber durch den Senat nicht zu.
10
1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997/2002) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zu den sonstigen Bezügen gehören auch vGA.
11
a) Anteile im vorgenannten Sinne können auch an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden, die ihrem Typus nach einer entsprechenden deutschen Gesellschaft vergleichbar sind. Das ist bei der spanischen Sociedad (de Responsabilidad) Limitada der Fall; diese Rechtsform ist mit derjenigen einer GmbH vergleichbar. Den dazu getroffenen Feststellungen des FG zum spanischen Gesellschaftsrecht ist nichts hinzuzufügen, und das ist unter den Beteiligten auch nicht umstritten (ebenso Bascopé/Hering, GmbH-Rundschau 2005, 609, 615; Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 28. Februar 2007 S 2700 – 2 – StO 242, juris). Das gilt auch für die vom FA nicht beanstandeten Feststellungen des FG, dass sich Sitz wie Geschäftsleitung der C-S.L. in den Streitjahren in Spanien befanden.
12
b) An die Kläger als Gesellschafter der C-S.L. sind Gewinne i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 verdeckt ausgeschüttet worden. Der entgegenstehenden Rechtsauffassung der Vorinstanz ist nicht beizupflichten.
13
Das FG stützt seine Rechtsauffassung vor allem darauf, dass die C-S.L. vor, in und nach den Streitjahren tatsächlich keine Überschüsse erzielt habe. Das mag zutreffen, tut aber nichts zur Sache. Denn festgestellt wurde auch, dass die C-S.L. den Klägern das Ferienhaus unentgeltlich ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen und auf die Zahlung marktüblicher Entgelte verzichtet hat. Der Gewinnverzicht beruht so gesehen –aus Sicht der C-S.L.– auf einer verhinderten Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte, die nach der insoweit maßgebenden deutschen Regelungslage geeignet ist, bei der ausländischen Kapitalgesellschaft nach den auch insoweit einschlägigen Maßstäben des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1999/2002 eine vGA auszulösen (ständige Spruchpraxis des Senats, z.B. Urteile vom 5. März 2008 I R 45/07, BFH/NV 2008, 1534; vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 15. Mai 2002 I R 92/00, BFHE 199, 217; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 253, m.w.N.; s. auch Senatsurteile vom 16. Dezember 1992 I R 32/92, BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399, und vom 26. August 1993 I R 44/92, BFH/NV 1994, 318), und die bei den Klägern als Anteilseignern zu entsprechenden Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 (i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5) EStG 1997/2002 führt (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. August 2003  11 K 499/98, EFG 2004, 124). Dass es bei diesen an der –auch bei Kapitaleinkünften erforderlichen (ständige Spruchpraxis, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 2000 VIII R 77/97, BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660; vom 19. Januar 2010 X R 2/07, BFH/NV 2010, 1251)– Einkünfteerzielungsabsicht fehlt, ist indes nicht ersichtlich oder dargetan; es genügt dafür jede auch noch so geringe Ertragserwartung, auch die bloße Aussicht auf steuerbare Veräußerungsgewinne (z.B. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267; vom 30. März 1999 VIII R 70/96, BFH/NV 1999, 1323; BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 VIII B 43/98, juris).
14
Infolgedessen spielt es keine Rolle, ob die C-S.L. in den Streitjahren als ausländische Kapitalgesellschaft –abweichend von einer deutschen Kapitalgesellschaft (vgl. Senatsurteile in BFHE 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540; vom 8. August 2001 I R 106/99, BFHE 196, 173, BStBl II 2003, 487; in BFHE 199, 217; vom 31. März 2004 I R 83/03, BFHE 206, 58; vom 17. November 2004 I R 56/03, BFHE 208, 519, und vom 22. August 2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961)– über eine sog. außerbetriebliche Sphäre verfügt haben mag. Denn auch die prinzipielle Existenz einer solchen außerbetrieblichen Sphäre ist nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechtsverständnisses in casu unbeachtlich, wenn die Gewinnlosigkeit gerade darauf beruht, dass die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern auf ein angemessenes Entgelt verzichtet. So aber verhält es sich nach den tatrichterlichen Feststellungen in den Streitfällen. Die Absicht –so das FG–, „eine Ferienimmobilie ohne steuerliche Belastungen nutzen zu können“, widerspricht dem jedenfalls ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass „eine erwerbswirtschaftliche, auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit der (C-S.L.) durch Teilnahme am Marktgeschehen … weder bei ihrer Gründung noch später beabsichtigt“ gewesen sei. Ausschlaggebend ist allein, dass der konstatierte Gewinnverzicht auf letztlich in der Gesellschafterstellung der Eignerfamilie und deren persönlichen Freizeitinteressen wurzelnden Umständen gründet; Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch dargetan. Es erübrigen sich damit zugleich Überlegungen dazu, ob auch eine Kapitalgesellschaft, welche steuerrechtlich einen sog. Liebhabereibetrieb unterhält, Kapitaleinkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997/2002 vermitteln kann.
15
2. Deutschland ist durch abkommensrechtliche Vereinbarungen nicht gehindert, den Besteuerungszugriff auf die vGA wahrzunehmen. Ungewiss ist nach den bislang getroffenen Feststellungen des FG lediglich, ob dies uneingeschränkt oder aber infolge anteiliger Anrechnung einer in Spanien erhobenen Ertragsteuer in nur eingeschränkter Weise der Fall ist. Das hängt von der Besteuerungszuordnung nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) –DBA-Spanien 1966– ab.
16
a) Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, im anderen Staat besteuert werden. Dividenden bedeuten nach der in Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Spanien 1966 gegebenen abkommenseigenen (und Art. 10 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development –OECD– zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen –OECD-MustAbk– entsprechenden) Definition –erstens– Einkünfte aus Aktien, Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder –zweitens– Einkünfte aus anderen Rechten –ausgenommen Forderungen– mit Gewinnbeteiligung sowie –drittens– aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind.
17
aa) Unter den Gegebenheiten der Streitfälle unterfallen Gewinne, die von einer spanischen Sociedad Limitada als einer in Spanien ansässigen Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 1966) verdeckt an ihre Anteilseigner ausgeschüttet werden, weder der ersten noch der zweiten Untergruppe: Zu der ersten Untergruppe gehören sie nicht, weil die Ausschüttungen aus keiner der dort genannten Einkunftsquellen generiert werden. Der zweiten Untergruppe könnten die Gewinne zwar zuzuordnen sein, folgt man dem bloßen Regelungswortlaut; es ließen sich danach durchaus Einkünfte aus „anderen Rechten“ mit Gewinnbeteiligung annehmen. Doch widerspräche ein solches wortlautgetreues Regelungsverständnis der historischen und wohl auch systematischen Bedeutung jener Untergruppe. Nach der Regelungshistorie werden davon nur in Wertpapieren verbriefte Beteiligungsrechte erfasst, welche Anteile an einer GmbH oder –hier– einer Sociedad Limitada indessen nicht verkörpern. Bei richtiger Lesart kommt der zweiten Untergruppe sonach weniger die Umschreibung einer eigenen Definition von Dividenden im Abkommenssinne zu; vielmehr werden bloß deklaratorisch Beteiligungsrechte gegenüber (Zins-)Forderungen abgegrenzt und die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Gewinnbeteiligung als Kernmerkmal solcher Rechte aus Gewinnanteilen herausgestellt (zutreffend Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz 198; Schönfeld in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 10 Rz 172). Dieses Verständnis wird durch die in Nr. 24 des OECD-Musterkommentars (OECD-MustKomm) zu Art. 10 OECD-MustAbk aufgelisteten Beispielsfälle bestätigt.
18
bb) Einschlägig ist nach allem also die dritte definitorische Untergruppe: VGA führen danach nur dann zu Dividendeneinkünften, wenn sie nach dem Steuerrecht Spaniens als desjenigen Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, als aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte entsprechenden Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind (z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA Rz 140; Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 159 ff., 159/4; Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, Art. 10 Rz 157; im Ergebnis auch Schönfeld in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 10 Rz 136; s. abgrenzend für den Fall einer Schweizer Aktiengesellschaft, deren Ausschüttungen der ersten Untergruppe unterfallen, Senatsurteile in BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399, und in BFH/NV 1994, 318; ferner Senatsurteil vom 6. Juni 2012 I R 6, 8/11, BFHE 237, 346, BStBl II 2013, 111; unklar Gradel in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 80.1 ff.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, 2. Aufl., Art. 10 MA Rz 129 f.).
19
Die Vorinstanz geht unter Zitierung von Herlinghaus (in Wassermeyer, a.a.O., Anhang Spanien Rz 35) davon aus, dass eine solche Gleichstellung bei einer vGA in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung nach spanischem Steuerrecht nicht erfolgt, hat das aber nicht weiter geprüft, was nachzuholen sein wird. Zweierlei gilt es dabei zu beachten: Zum einen kommt es für die spanische Besteuerung auf die allgemeine Rechtslage nach den spanischen Steuergesetzen an, nicht aber darauf, ob diese Gesetze mit entsprechenden Rechtsfolgen auch konkret auf die C-S.L. angewandt und wie die vGA bei dieser konkret behandelt worden sind (vgl. z.B. Kaeser/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 116, 149). Zum anderen –und vor allem– hält es der Senat unbeschadet der nach Maßgabe der dritten definitorischen Untergruppe in Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 angeordneten Qualifikationsverkettung (und entgegen der erwähnten Rechtsmeinung von Herlinghaus) nicht für ausschlaggebend, ob die spanischen Steuergesetze eine vGA in ihrer konkreten Ausprägung der verhinderten Vermögensmehrung kennen. Aus abkommensrechtlicher Sicht reicht es aus, wenn eine vGA als Rechtsinstitut mit der hiermit verbundenen Rechtsfolge der Einkommenserhöhung qualifiziert wird. Nationalrechtliche Besonderheiten bleiben unbeachtlich (in vergleichbarer Weise ebenso einschränkend wie verallgemeinernd auch Aigner, Internationales Steuerrecht 2003, 154).
20
cc) Liegen in diesem Sinne Dividenden nach Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 vor, steht das Besteuerungsrecht daran wegen der Ansässigkeit der Kläger Deutschland zu.
21
aaa) Der Umstand, dass eine vGA in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung im tatsächlichen Wortsinne nicht „gezahlt“, vielmehr „erspart“ wird, schadet nicht. Der Begriff des Zahlens i.S. von Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 (und damit Art. 10 Abs. 1 OECD-MustAbk) ist weit zu begreifen und umschreibt sämtliche Formen der Erfüllung des Dividendenanspruchs („Zahlung ist die Zuwendung jeden Vorteils, der nach Abs. 3 (OECD-MustAbk) als Dividende zu qualifizieren ist“ so Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz 22; ebenso z.B. Kaeser/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 45 f.; Schönfeld/ Ditz, a.a.O., Art. 10 Rz 61 ff., jeweils m.w.N.). Dem entspricht das einschlägige Verständnis des OECD-Musterkommentars, dort Nr. 7 zu Art. 10 OECD-MustAbk.
22
bbb) Bei den in Rede stehenden vGA handelt es sich nicht um Nutzungsentgelte, welche unter Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966 fallen und deswegen nach Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 eine gegenüber Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 vorrangige Besteuerungszuordnung an Spanien als sog. Belegenheitsstaat begründen.
23
Nach Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966 gelten Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, die in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Folgt man erneut nur dem Regelungswortlaut, ließen sich durchaus auch die Gewinnanteile einer zwischengeschalteten Immobiliengesellschaft als derartige Nutzungseinkünfte auffassen; der Anteilseigner einer solchen Gesellschaft wäre dann dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts gleichzustellen (so denn auch Reimer in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 6 Rz 8, 98). Überwiegend wird eine solche Lesart jedoch abgelehnt. Dass sich die tatsächliche Nutzung auf das Grundstück bezieht, soll nicht genügen (umfassend z.B. Wassermeyer, a.a.O., Art. 6 MA Rz 22; Kaeser/Wassermeyer, ebenda, Art. 10 MA Rz 115; Kerssenbrock in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 6 OECD-MA Rz 15), und das entspricht wohl auch dem einschlägigen Verständnis der OECD jedenfalls in deren Musterkommentar. Der Senat schließt sich dem an (s. zu einem engen Verständnis des Unmittelbarkeitserfordernisses in Art. 6 Abs. 3 OECD-MustAbk auch Senatsurteil vom 28. April 2010 I R 81/09, BFHE 229, 252). Denn die von Art. 6 Abs. 3 DBA-Spanien 1966 verlangte unmittelbare Nutzung der Immobilie ist systematisch auf jene Person zu beziehen, welche gemäß Abs. 1 der Abkommensvorschrift aus der spezifischen Immobiliennutzung Einkünfte bezieht. Das aber ist bei Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft nicht der Gesellschafter, sondern ausschließlich die Gesellschaft als solche.
24
Dass Spanien sich im Jahre 1992 –bei Neufassung des OECD-Musterkommentars– einen entsprechenden Besteuerungsanspruch für die Immobiliennutzung durch eine „vorgeschaltete“ Immobilien-Kapitalgesellschaft ausdrücklich vorbehalten hat (s. Nr. 7 zu Art. 6 Abs. 3 OECD-MustKomm), ändert daran nichts. Womöglich verfügt das spanische Steuerrecht infolgedessen zwar über entsprechende Rechtsregeln; dafür spricht nicht zuletzt, dass die Nutzung der Immobilie „über“ eine Immobilien-Kapitalgesellschaft nach Maßgabe der gegenwärtigen Fassung des DBA-Spanien 2011, dort von Art. 6 Abs. 4, explizit den Rechtsfolgen des Art. 6 unterworfen wird. Letzteres offenbart aber im Gegenteil, dass es einer konstitutiv wirkenden Anordnung im Abkommen bedarf, um jene Rechtsfolgen auszulösen, woran es im DBA-Spanien 1966 jedoch gerade fehlte. Die Qualifizierung der betreffenden Einkünfte nach innerstaatlichem spanischen Steuerrecht ist also unbeachtlich, auch wenn sich nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien 1966 der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ nach dem Recht des Vertragsstaats bestimmt, in dem das Vermögen liegt (insoweit anders Wassermeyer, ebenda; Kerssenbrock in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 6 OECD-MA Rz 16; Galke in Haase, a.a.O., Art. 6 MA Rz 17).
25
dd) Vorausgesetzt, das spanische Steuerrecht qualifiziert eine vGA als Einkünfte aus Kapitalvermögen und stellt diese den Einkünften aus Aktien gleich, bleibt es sonach dabei, dass Deutschland das Besteuerungsrecht an diesen Ausschüttungen gebührt. Auf die deutschen Einkommensteuern, welche auf die so verstandenen Dividendenzahlungen entfallen, wären allerdings etwaige auf die Dividendeneinkünfte in Spanien erhobene Ertragsteuern anzurechnen, Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Spanien 1966 i.V.m. § 34c Abs. 1 und Abs. 6 Satz 2 EStG 1997/2002; auch dazu wären ggf. weitere Feststellungen zu treffen.
26
b) Scheidet indessen eine Qualifikation als Dividende im vorgenannten Sinne mangels einschlägiger steuergesetzlicher Vorschriften im spanischen Recht aus, ergibt sich das deutsche Besteuerungsrecht an den vGA aus Art. 21 DBA-Spanien 1966, wonach die in den vorstehenden Artikeln –also in Art. 6 bis 20 DBA-Spanien 1966– nicht ausdrücklich erwähnten Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person nur in diesem Staat besteuert werden können (ebenso Wassermeyer, ebenda; s. auch in anderem Zusammenhang Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263). In diesem Fall entfiele eine (anteilige) Anrechnung etwaiger spanischer Ertragsteuern, § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG 1997/2002.
27
3. Die Feststellungen, derer es aus den beschriebenen Gründen für eine abschließende Besteuerung bedarf, sind –unter Umständen unter Einholung eines Sachverständigengutachtens über die spanische Regelungslage– im zweiten Rechtsgang zu treffen, weshalb die angefochtenen Urteile aufzuheben und die nicht spruchreifen Sachen an das FG zurückzuverweisen sind. Im Zuge dessen wird dann ggf. auch zu prüfen sein, ob die vom FA angesetzten und als Einkünfte behandelten Werte für die Nutzungsüberlassungen (einschließlich der hierfür gebotenen Gewinnzuschläge) marktgerecht und angemessen sind, und auch, ob es sich bei den besteuerungsauslösenden Umständen betreffend die geänderten Steuerbescheide des Klägers zu 1. für 2001 bis 2003 sowie der Klägerin zu 2./3. für 2001 um sog. neue Tatsachen handelt, welche nach Maßgabe von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung der ursprünglich erlassenen Steuerbescheide ermöglichen.

Einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

IV C 1 – S 2253/07/10004
DOK 2013/0822518

Inhaltsübersicht
Rz.
A. Allgemeines
I. Zurechnung von Einkünften 1
II. Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts zugunsten naher Angehöriger 2-5
III. Obligatorische Nutzungsrechte und „fehlgeschlagener“ Nießbrauch 6-8
IV. Sicherungsnießbrauch 9
B. Zurechnung von Einkünften im Einzelnen
I. Zugewendete Nutzungsrechte
1. Zuwendungsnießbrauch
a) Abgrenzung zwischen entgeltlicher, teilweise entgeltlicher und unentgeltlicher Bestellung 10-13
b) Allgemeine Grundsätze 14-17
c) Unentgeltlich bestellter Nießbrauch
aa) Behandlung beim Nießbraucher 18-22
bb) Behandlung beim Eigentümer 23-25
d) Entgeltlich bestellter Nießbrauch
Seite 2
aa) Behandlung beim Nießbraucher 26-27
bb) Behandlung beim Eigentümer 28-30
e) Teilweise entgeltlich bestellter Nießbrauch 31
2. Vermächtnisnießbrauch 32
3. Zugewendetes dingliches Wohnrecht 33-34
4. Zugewendetes obligatorisches Nutzungsrecht
a) Allgemein 35
b) Behandlung beim Nutzenden 36
c) Behandlung beim Eigentümer 37-38
II. Vorbehaltene Nutzungsrechte
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemeines 39-40
b) Behandlung beim Nießbraucher 41-44
c) Behandlung beim Eigentümer 45-48
2. Vorbehaltenes dingliches Wohnrecht 49-50
3. Vorbehaltenes obligatorisches Nutzungsrecht
a) Allgemeines 51
b) Behandlung beim Nutzenden 52
c) Behandlung beim Eigentümer 53-54
C. Ablösung von Nutzungsrechten
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemein 55
b) Ablösung im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe
aa) Allgemeines 56
bb) Behandlung beim Eigentümer 57
cc) Behandlung beim Nießbraucher 58
c) Ablösung im Zusammenhang mit sonstigen Vermögensübertragungen
aa) Behandlung beim Eigentümer 59
bb) Behandlung beim Nießbraucher 60
2. Zuwendungsnießbrauch
a) Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 61-62
b) Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 63-64
3. Vermächtnisnießbrauch 65
4. Dingliches Wohnrecht 66
5. Obligatorisches Nutzungsrecht 67
D. Anwendungsregelung 68-74
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Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wie folgt Stellung:
A. Allgemeines
I. Zurechnung von Einkünften
1 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklicht und dadurch Einkünfte erzielt (BFH-Urteil vom 7. April 1987 – BStBl II S. 707 m. w. N.). Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht derjenige, der Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1989 – BStBl II 1992 S. 506 m. w. N.) und mit diesen Rechten und Pflichten Sachen und Rechte i. S. d. § 21 Abs. 1 EStG an andere zur Nutzung gegen Entgelt überlässt (BFH-Urteil vom 26. April 1983 – BStBl II S. 502). Einem Nutzungsberechtigten sind bei Vermietung des Grundstücks die Einkünfte im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen, wenn ihm die volle Besitz- und Verwaltungsbefugnis zusteht, er die Nutzungen tatsächlich zieht, das Grundstück in Besitz hat und es verwaltet. Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt auch der am Gesellschaftsanteil einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Nießbrauchsberechtigte, wenn ihm kraft seines Nießbrauchs eine Stellung eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters entspricht. Hierfür genügt die bloße Einräumung eines Anspruchs auf Gewinnbezug nicht (BFH-Urteil vom 9. April 1991 – BStBl II S. 809).
II. Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts zugunsten naher Angehöriger
2 Bürgerlich-rechtliche Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen sind steuerrechtlich nur dann anzuerkennen, wenn sie klar vereinbart, ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt werden.
3 Aus der Bestellung eines Nießbrauchs oder eines anderen dinglichen Nutzungsrechts zugunsten naher Angehöriger können somit steuerrechtliche Folgerungen nur gezogen werden, wenn ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet worden ist und die Beteiligten die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich durchführen (BFH-Urteil vom 11. März 1976 – BStBl II S. 421 und vom 16. Januar 2007 – BStBl II S. 579 m. w. N.). An der tatsächlichen Durchführung fehlt es, wenn äußerlich alles beim Alten bleibt und etwa nur die Erträge an den Nutzungsberechtigten abgeführt werden.
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4 Räumen Eltern ihren minderjährigen Kindern einen Nießbrauch an einem Grundstück ein, bedarf es in der Regel der Mitwirkung eines Pflegers, weil das mit dem Nießbrauch regelmäßig verbundene gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher neben Rechten auch Pflichten des Nießbrauchers begründet und der Nießbraucher daher nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 297). Insbesondere der Eintritt des Nießbrauchers in die Vermieterstellung ist insoweit als rechtlich nachteilig anzusehen. Daher ist auch in den Fällen des Bruttonießbrauchs (Rz. 14) die Mitwirkung des Ergänzungspflegers erforderlich, wenn der Nießbraucher in bestehende Mietverhältnisse eintreten oder zur Vermietung verpflichtet sein soll. Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist nur für die Bestellung, nicht für die Dauer des Nießbrauchs erforderlich (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 295).
5 Die Bestellung des Nießbrauchs ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers ist in diesen Fällen einkommensteuerrechtlich jedoch anzuerkennen, wenn das Familiengericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für entbehrlich gehalten hat).
III. Obligatorische Nutzungsrechte und „fehlgeschlagener“ Nießbrauch
6 Den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann auch ein obligatorisch Nutzungsberechtigter erfüllen, wenn er eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat und tatsächlich selbst die Stellung des Vermieters oder Verpächters einnimmt. Eine gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn der Eigentümer dem Nutzenden den Gebrauch des Grundstücks für eine festgelegte Zeit nicht entziehen kann (BFH-Urteil vom 29. November 1983 – BStBl II 1984 S. 366).
7 Obligatorische Nutzungsrechte zugunsten naher Angehöriger sind nur anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen der Rz. 2 bis 5 erfüllt sind. Ein unentgeltlich begründetes Nutzungsrecht kann regelmäßig nur anerkannt werden, wenn der Überlassungsvertrag schriftlich abgeschlossen und das Nutzungsrecht für einen festgelegten Zeitraum vereinbart worden ist. Bei einem teilweise entgeltlich begründeten Nutzungsrecht ist grundsätzlich ein schriftlicher Mietvertrag erforderlich. Die Befristung eines dinglichen Nutzungsrechts führt zu dessen Erlöschen kraft Gesetzes, die des schuldrechtlichen Nutzungsrechts zur Beendigung der Rechtswirkungen dieses Rechtsgeschäfts. Dies gilt nicht, wenn ein Fortbestehen des schuldrechtlichen Nutzungsrechts ausdrücklich oder konkludent auch für den Zeitraum nach Ablauf der (Bedingungs-)Frist vereinbart wird (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 – BStBl II S. 579).
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8 Ist ein Nießbrauch mangels Eintragung im Grundbuch bürgerlich-rechtlich nicht wirksam bestellt worden, sind die Grundsätze zu den obligatorischen Nutzungsrechten (Rz. 35 bis 38 und 51 bis 54) anzuwenden.
IV. Sicherungsnießbrauch
9 Ein Nießbrauch, der lediglich zu Sicherungszwecken eingeräumt wird, ist, soweit er nicht ausgeübt wird, einkommensteuerrechtlich unbeachtlich. Ein Sicherungsnießbrauch liegt vor, wenn die Vereinbarung des dinglichen Nutzungsrechts lediglich dazu bestimmt ist, die dem Berechtigten versprochenen Leistungen dinglich abzusichern, ohne dass der Berechtigte selbst auf Art und Umfang Einfluss nehmen kann (zum Sicherungsnießbrauch vgl. auch Rz. 81 ff. des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – BStBl I S. 227 i. V. m. Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 16. September 2004 – BStBl I S. 922).
B. Zurechnung von Einkünften im Einzelnen
I. Zugewendete Nutzungsrechte
a) Abgrenzung zwischen entgeltlicher, teilweise entgeltlicher und unentgeltlicher Bestellung
10 Ein Nießbrauch, der vom Eigentümer dem Berechtigten bestellt ist (Zuwendungsnießbrauch), ist als entgeltlich bestellt anzusehen, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Beim Vergleich von Leistung und Gegenleistung sind die von den Vertragsparteien jeweils insgesamt zu erbringenden Leistungen gegenüberzustellen.
11 Ist zwischen Personen, die nicht durch verwandtschaftliche oder sonstige enge Beziehungen miteinander verbunden sind, ein Nießbrauch gegen Entgelt vereinbart worden, ist davon auszugehen, dass der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen sind.
12 Sind der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgewogen, ist von einem teilweise entgeltlich bestellten Nießbrauch auszugehen. Der Vorgang ist in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Dabei berechnen sich der entgeltlich und der unentgeltlich erworbene Teil des Nießbrauchs nach dem Verhältnis des Entgelts zu dem Kapitalwert des Nießbrauchs.
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13 Ist der Wert der Gegenleistung im Verhältnis zum Wert des Nießbrauchs so bemessen, dass bei Zugrundelegung einer zwischen Fremden üblichen Gestaltung nicht mehr von einer Gegenleistung ausgegangen werden kann, liegt ein unentgeltlich bestellter Nießbrauch vor. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als 10 v. H. des Werts des Nießbrauchs beträgt.
b) Allgemeine Grundsätze
14 Nach § 567 BGB tritt der Nießbraucher in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter ein. Die Ausgestaltung eines Nießbrauchs als Bruttonießbrauch beeinträchtigt die Vermieterstellung eines Nießbrauchers grundsätzlich nicht (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 299). Es handelt sich dabei um einen Nießbrauch, bei dem sich der Nießbrauchbesteller verpflichtet, die den Nießbraucher nach §§ 1041, 1045, 1047 BGB treffenden Kosten und Lasten zu tragen, so dass dem Nießbraucher die Bruttoerträge verbleiben.
15 Mietzahlungen sind an den Nießbraucher zu leisten. Vertreten Eltern ihre minderjährigen Kinder, müssen die Willenserklärungen im Namen der Kinder abgegeben werden (BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 – BStBl II 1981 S. 295).
16 Bei einem Quotennießbrauch und einem Bruchteilsnießbrauch gelten für die Gemeinschaft von Nießbraucher und Eigentümer die Grundsätze in Rz. 14 und 15 entsprechend. Ein Quotennießbrauch liegt vor, wenn dem Nießbraucher ein bestimmter Anteil an den Einkünften des Grundstücks zusteht; ein Bruchteilsnießbrauch liegt vor, wenn der Nießbrauch an einem Bruchteil eines Grundstücks bestellt wird. Mietzahlungen auf ein gemeinsames Konto beeinträchtigen die Vermieterstellung des Quotennießbrauchers oder Bruchteilsnießbrauchers nicht, wenn sichergestellt ist, dass der anteilige Überschuss in die alleinige Verfügungsmacht des Nießbrauchers gelangt.
17 Hat der Nießbraucher das Gebäude oder eine Wohnung in Ausübung seines Nießbrauchsrechts an den Eigentümer vermietet, so kann darin die Rückgängigmachung des Nießbrauchs oder ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) liegen. Bestellen Eltern ihrem Kind einen befristeten Nießbrauch an einem Grundstück und vermietet das Kind den Grundbesitz anschließend an die Eltern zurück, stellt eine solche Gestaltung regelmäßig einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO dar (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 – BStBl II 1991 S. 205). Eine missbräuchliche Gestaltung kann auch in der Unkündbarkeit eines in zeitlichem Zusammenhang mit der Nießbrauchbestellung mit dem Nießbrauchbesteller vereinbarten
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Mietverhältnisses oder darin liegen, dass die Dauer eines befristeten Nießbrauchs auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Nießbrauchers abgestimmt ist.
c) Unentgeltlich bestellter Nießbrauch
aa) Behandlung beim Nießbraucher
18 Bei der Vermietung des nießbrauchbelasteten Grundstücks sind die Grundsätze der Rz. 14 bis 17 maßgebend.
19 AfA auf das Gebäude darf der Nießbraucher nicht abziehen (BFH-Urteil vom 24. April 1990 – BStBl II S. 888). Von den Herstellungskosten für in Ausübung des Nießbrauchs eingebaute Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB darf der Nießbraucher AfA in Anspruch nehmen. Ferner darf er AfA für Aufwendungen für Einbauten zu vorübergehendem Zweck im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB abziehen.
20 Auf das unentgeltlich erworbene Nießbrauchrecht darf der Nießbraucher keine AfA vornehmen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 – BStBl II 1982 S. 454).
21 Andere Werbungskosten darf der Nießbraucher abziehen, soweit er sie im Rahmen der Nießbrauchbestellung vertraglich übernommen und tatsächlich getragen hat oder – bei Fehlen einer vertraglichen Regelung – aufgrund der gesetzlichen Lastenverteilung getragen hat. Aufwendungen, zu denen der Nießbraucher nicht verpflichtet, aber nach § 1043 BGB berechtigt ist und die in seinem Interesse erfolgen, sind abzuziehen. Verzichtet der Nießbraucher jedoch gegenüber dem Eigentümer von vornherein auf den Ersatzanspruch nach § 1049 BGB oder steht schon bei der Aufwendung fest, dass der Ersatzanspruch nicht zu realisieren ist, ist von einer Zuwendung gemäß § 12 Nr. 2 EStG durch die Erhaltungsmaßnahme auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1989 – BStBl II 1990 S. 462 und vom 5. September 1991 – BStBl II 1992 S. 192).
22 Hat der Nießbraucher größeren Erhaltungsaufwand nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und endet der Nießbrauch vor Ablauf des Verteilungszeitraums (z. B. durch Tod des Nießbrauchers), darf der Nießbraucher den noch nicht berücksichtigten Teil des Erhaltungsaufwands nur noch im Jahr der Beendigung des Nießbrauchs abziehen. Die von einem Steuerpflichtigen geleisteten Aufwendungen sind nach seinem Tod in der für ihn durchzuführenden Veranlagung zu berücksichtigen; eine spätere Verteilung nach § 82b EStDV durch den Rechtsnachfolger ist ausgeschlossen.
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bb) Behandlung beim Eigentümer
23 Dem Eigentümer sind keine Einkünfte aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück zuzurechnen.
24 Der Eigentümer darf AfA auf das Gebäude und Grundstücksaufwendungen, die er getragen hat, nicht als Werbungskosten abziehen, da er keine Einnahmen erzielt.
25 Bei einem Bruchteilsnießbrauch darf der Eigentümer AfA auf das Gebäude nicht abziehen, soweit sie auf den mit dem Nießbrauch belasteten Eigentumsanteil entfallen. Entsprechendes gilt für den Abzug anderer Aufwendungen. Die Sätze 1 und 2 gelten beim Quotennießbrauch sinngemäß.
d) Entgeltlich bestellter Nießbrauch
aa) Behandlung beim Nießbraucher
26 Im Falle der Nutzung durch Vermietung sind Einmalzahlungen für die Einräumung eines Nießbrauchs als Werbungskosten im Zeitpunkt der Zahlung abzuziehen, sofern die Vorauszahlung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren geleistet wird. Auf die Vorausleistung des für mehr als fünf Jahre geltenden Nießbrauchrechts ist § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG anzuwenden und mithin auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den sie geleistet wird. Ist der Nießbrauch für die Lebenszeit des Berechtigten oder einer anderen Person eingeräumt, sind die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchs nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG auf die mutmaßliche Lebenszeit der betreffenden Person zu verteilen, sofern diese mehr als fünf Jahre beträgt (zur Lebenserwartung ist auf die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes abzustellen, § 14 Abs. 1 BewG, für Bewertungsstichtage ab 1. Januar 2011 siehe BMF-Schreiben vom 8. November 2010 – BStBl I S. 1288, für Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2012 siehe BMF-Schreiben vom 26. September 2011 – BStBl I S. 834 und für Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2013 siehe BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2012 – BStBl I S. 950). Leistet der Nießbraucher als Gegenleistungen für die Einräumung des Nießbrauchs ausschließlich gleichmäßige laufende Zahlungen, sind die laufend gezahlten Beträge für das Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.
27 Nutzt der Nießbraucher das Gebäude durch Vermietung, darf er Aufwendungen, die er aufgrund vertraglicher Bestimmungen getragen hat, als Werbungskosten abziehen. Haben die Vertragsparteien bei Einräumung des Nießbrauchs keine besonderen Regelungen getroffen, sind Aufwendungen des Nießbrauchers als Werbungskosten zu berücksichtigen,
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soweit er sie nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 1041, 1045, 1047 BGB) getragen hat. Zur Abziehbarkeit der Aufwendungen im Einzelnen vgl. Rz. 21.
bb) Behandlung beim Eigentümer
28 Beim Eigentümer ist das für die Bestellung des Nießbrauchs gezahlte Entgelt grundsätzlich im Jahr des Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Das gilt unabhängig davon, ob beim Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anfallen. Bei Vorausleistung des Entgelts durch den Nießbraucher für mehr als 5 Jahre können die Einnahmen auf den Zeitraum verteilt werden, für den die Zahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 EStG).
29 (weggefallen)
30 Der Eigentümer ist – da ihm Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind – zur Vornahme von AfA berechtigt. Daneben darf er die von ihm aufgrund vertraglicher Vereinbarungen, bei fehlenden Vereinbarungen die aufgrund der gesetzlichen Lastenverteilung (§§ 1041, 1045, 1047 BGB), getragenen Aufwendungen für das belastete Grundstück abziehen.
e) Teilweise entgeltlich bestellter Nießbrauch
31 Bei einem teilweise entgeltlich bestellten Nießbrauch sind die Grundsätze der Rz. 26 bis 30 anzuwenden. Rz. 30 ist nicht anzuwenden, soweit der Nießbrauch unentgeltlich bestellt worden ist. Zur Aufteilung der Aufwendungen vgl. Rz. 12.
2. Vermächtnisnießbrauch
32 Ein Vermächtnisnießbrauch liegt vor, wenn aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Grundstückseigentümers durch dessen Erben einem Dritten der Nießbrauch an dem Grundstück eingeräumt worden ist. Für den Vermächtnisnießbrauch gelten die Ausführungen zum unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch (Rz. 18 bis 25) entsprechend. Der Vermächtnisnehmer ist nicht berechtigt, die AfA für das vom Erblasser hinterlassene Gebäude in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteil vom 28. September 1993 – BStBl II 1994 S. 319).
3. Zugewendetes dingliches Wohnrecht
33 Ist das Grundstück in der Weise belastet, dass an einer Wohnung ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht zugunsten eines anderen begründet worden ist, sind die für einen
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Zuwendungsnießbrauch geltenden Grundsätze insoweit entsprechend anzuwenden. Zur Abgrenzung von unentgeltlich, entgeltlich und teilentgeltlich zugewendeten dinglichen Wohnrechten vgl. Rz. 10 bis 13. Die Übertragung eines Grundstücks gegen die Verpflichtung, dieses mit einem Wohngebäude zu bebauen und dem Veräußerer ein dingliches Wohnrecht an einer Wohnung zu bestellen, stellt keine entgeltliche Überlassung des Wohnrechts, sondern ein auf die Anschaffung des Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft dar.
34 Der Eigentümer darf AfA auf den mit dem Wohnrecht belasteten Gebäudeteil nur in Anspruch nehmen, soweit das Wohnrecht entgeltlich zugewendet worden ist. Entsprechendes gilt für den Abzug anderer Aufwendungen.
4. Zugewendetes obligatorisches Nutzungsrecht
a) Allgemeines
35 Zur Abgrenzung zwischen der entgeltlichen, teilweise entgeltlichen und unentgeltlichen Einräumung eines Nutzungsrechts vgl. Rz. 10 bis 13.
b) Behandlung beim Nutzenden
36 Vermietet der Nutzungsberechtigte das Grundstück, hat er die erzielten Einnahmen zu versteuern. Er darf die vertraglich übernommenen und von ihm getragenen Aufwendungen einschließlich des an den Eigentümer gezahlten Entgelts als Werbungskosten absetzen. Bei bereits bestehenden Nutzungsverträgen kann der Nutzungsberechtigte nur durch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme in die Vermieterstellung eintreten (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1983 – BStBl II S. 502). Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 14 bis 22, 26 bis 27 und 31 entsprechend.
c) Behandlung beim Eigentümer
37 Beim Eigentümer ist das für die Einräumung eines Nutzungsrechts gezahlte Entgelt im Jahr des Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 14 bis 17, 23 bis 25, 28 bis 31 entsprechend.
38 Nutzt der Berechtigte eine ihm unentgeltlich überlassene Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition, darf der Eigentümer AfA auf das Gebäude nicht in Anspruch nehmen, soweit sie auf den Gebäudeteil entfallen, auf den sich das Nutzungsrecht erstreckt. Entsprechendes gilt für den Abzug anderer Aufwendungen.
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II. Vorbehaltene Nutzungsrechte
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemeines
39 Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt vor, wenn bei der Übertragung eines Grundstücks gleichzeitig ein Nießbrauchrecht für den bisherigen Eigentümer an dem übertragenen Grundstück bestellt wird. Einem Vorbehaltsnießbraucher ist ein Schenker gleichzustellen, der mit dem Beschenkten im Voraus eine klare und eindeutige Schenkungsabrede über den Erwerb eines bestimmten Grundstücks und die Bestellung eines Nießbrauchrechts an diesem Grundstück trifft (BFH-Urteil vom 15. Mai 1990 – BStBl II 1992 S. 67). Gleiches gilt für einen vorläufigen Erben, der die Erbschaft mit der Maßgabe ausgeschlagen hat, dass ihm ein Nießbrauchrecht an den zum Nachlass gehörenden Gegenständen eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 4. Juni 1996 – BStBl II 1998 S. 431).
40 Die Bestellung des Nießbrauchs ist keine Gegenleistung des Erwerbers (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 – BStBl II 1982 S. 378, vom 10. April 1991 – BStBl II S. 791 und vom 24. April 1991 – BStBl II S. 793), unabhängig davon, ob das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird.
b) Behandlung beim Nießbraucher
41 Ist das mit dem Vorbehaltsnießbrauch belastete Grundstück vermietet, erzielt der Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dies gilt auch, wenn der Nießbraucher das Grundstück dem Grundstückseigentümer entgeltlich zur Nutzung überlässt.
42 Der Vorbehaltsnießbraucher darf im Falle der Nutzung durch Vermietung die AfA für das Gebäude wie zuvor als Eigentümer in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 – BStBl II 1982 S. 380, vom 24. September 1985 – BStBl II 1986 S. 12 und vom 30. Januar 1995 – BStBl II S. 281). Rz. 25 ist entsprechend anzuwenden.
43 Der Vorbehaltsnießbraucher ist berechtigt, die von ihm getragenen Aufwendungen auf das Grundstück nach Maßgabe der Rz. 21 und 22 als Werbungskosten abzuziehen.
44 Ist das Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs entgeltlich übertragen worden, ist die Bemessungsgrundlage für die AfA nicht um die Gegenleistung des Erwerbers zu kürzen.
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c) Behandlung beim Eigentümer
45 Sind dem Eigentümer aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück keine Einnahmen zuzurechnen, darf er Aufwendungen auf das Grundstück nicht als Werbungskosten abziehen. Sind dem Eigentümer Einnahmen aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück zuzurechnen, ist Rz. 25 entsprechend anzuwenden.
46 Nach Erlöschen des Nießbrauchs stehen dem Eigentümer die AfA auf das gesamte Gebäude zu.
47 Ist das Grundstück entgeltlich unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen worden, bemessen sich die AfA nach den Anschaffungskosten des Eigentümers. Der Kapitalwert des Nießbrauchs gehört nicht zu den Anschaffungskosten. Die AfA-Bemessungsgrundlage erhöht sich um die zusätzlichen Herstellungskosten, die der Eigentümer getragen hat (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 – BStBl II S. 927). Das AfA-Volumen ist um die AfA-Beträge zu kürzen, die von den Anschaffungskosten des Eigentümers auf den Zeitraum zwischen Anschaffung des Grundstücks und dem Erlöschen des Nießbrauchs entfallen.
48 Ist das Grundstück unentgeltlich unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen worden, führt der Eigentümer nach Erlöschen des Nießbrauchs die AfA nach § 11d EStDV fort. Bei teilentgeltlichem Erwerb gelten die Grundsätze der Tz. 14 des BMF-Schreibens vom 26. Februar 2007 (BStBl I S. 269) und 15 des BMF-Schreibens vom 13. Januar 1993 – BStBl I S. 80 entsprechend.
2. Vorbehaltenes dingliches Wohnrecht
49 Ist das Grundstück gegen Einräumung eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts übertragen worden, sind die für den Vorbehaltsnießbrauch geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden.
50 Der Eigentümer darf AfA auf das entgeltlich erworbene Gebäude nur in Anspruch nehmen, soweit sie auf den unbelasteten Teil entfällt (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 – BStBl II S. 927). In diesen Fällen ist die AfA-Bemessungsgrundlage nur für den unbelasteten Gebäudeteil zu ermitteln, und zwar wie folgt: Die Einräumung des Wohnrechts stellt kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar. Der Übernehmer erhält lediglich das von vornherein um das Nutzungsrecht geminderte Vermögen. Der Kaufpreis zuzüglich der Nebenkosten ist auf die beiden Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Gebäude nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen. Da sich das Wohnrecht nicht auf den Grund und Boden bezieht, ist nur der Verkehrswert des Gebäudes um den kapitalisierten Wert des Wohnrechts zu mindern. Der Anteil des unbelasteten Gebäudeteils an den tatsächlichen
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Gebäudeanschaffungskosten ergibt sich dann aus dem Verhältnis des Verkehrswerts des unbelasteten Teils zum Verkehrswert des gesamten Gebäudes abzüglich des kapitalisierten Werts des Nutzungsrechts (BFH-Urteil vom 31. Mai 2000 – BStBl II 2001 S. 594). Eine von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter ist grundsätzlich – auch in den Fällen einer gemischten Schenkung – der Besteuerung zu Grunde zu legen, soweit der Verkehrswert des jeweiligen Wirtschaftsguts nicht überschritten wird (BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 – BStBl II 2006 S. 9).
Beispiel 1:
V überträgt sein Zweifamilienhaus gegen Übernahme der Verbindlichkeiten in Höhe von 175.000 € an K. Dabei behält V sich ein lebenslängliches dingliches Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoss vor (Kapitalwert des Wohnrechts im Erwerbszeitpunkt 75.000 €). Die Erdgeschosswohnung ist weiterhin vermietet. Beide Wohnungen sind gleich groß. Die Verkehrswerte betragen für das Gebäude 250.000 € und für den Grund und Boden 50.000 € (ohne Berücksichtigung des Wohnrechts). Im notariellen Vertrag erfolgte keine konkrete Zuordnung der Schuldübernahme als Kaufpreis auf die Wohnungen sowie den Grund und Boden.
Die AfA-Bemessungsgrundlage für die unbelastete Wohnung ist wie folgt zu ermitteln:
1. Schritt: Aufteilung der Anschaffungskosten in Höhe von 175.000 € auf Grund und Boden und Gebäude im Verhältnis der Verkehrswerte:
Verkehrswert Grund und Boden 50.000 € = 22,22 v. H.
Verkehrswert Gebäude 250.000 €
abzügl. Kapitalwert Nutzungsrecht 75.000 €
175.000 € = 77,78 v. H.
Damit entfällt der Kaufpreis von 175.000 € auf 22,22 v. H.
den Grund und Boden von 175.000 € 38.885 €
77,78 v. H.
das Gebäude von 175.000 € 136.115 €
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2. Schritt: Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage:
wohnrechts-
unbelastete belastete
Wohnung Wohnung
(50 v. H.) (50 v. H.)
Verkehrswert Gebäude 250.000 € 125.000 € 125.000 €
abzügl. Kapitalwert Nutzungsrecht 75.000 € ________ 75.000 €
175.000 € 125.000 € 50.000 €
Kaufpreisanteil 175/175 125/175 50/175
Gebäude 136.115 € 97.230 € 38.885 €
Da es sich hier um einen teilentgeltlichen Erwerb handelt, ist § 11d EStDV auf den unentgeltlich erworbenen und unbelasteten Anteil anzuwenden.
Beispiel 2 (Abwandlung):
Sachverhalt wie Beispiel 1, allerdings ist im Kaufvertrag folgendes vereinbart: Die wohnrechtsbelastete Wohnung geht unentgeltlich über. Als Kaufpreis werden für den Grund und Boden 50.000 € und für die vermietete Wohnung 125.000 € bestimmt. Die Kaufpreiszahlung erfolgt durch Schuldübernahme in entsprechender Höhe.
Lösung: Die im Kaufvertrag vorgenommene Kaufpreiszuordnung ist steuerlich anzuerkennen, wenn sie weder zum Schein getroffen noch missbräuchlich vorgenommen wurde (BFH-Urteil vom 1. April 2009 – BStBl II S. 663). Die AfA-Bemessungsgrundlage für die vermietete Wohnung beträgt hiernach 125.000 €.
3. Vorbehaltenes obligatorisches Nutzungsrecht
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a) Allgemeines
51 Behält sich der bisherige Eigentümer bei der Übertragung des Grundstücks ein obligatorisches Nutzungsrecht vor, stellt die Einräumung des Nutzungsrechts keine Gegenleistung des Erwerbers dar.
b) Behandlung beim Nutzenden
52 Der Nutzungsberechtigte hat bei Vermietung des Grundstücks die Einnahmen zu versteuern. Er darf die von ihm getragenen Aufwendungen einschließlich des an den Eigentümer gezahlten Entgelts als Werbungskosten absetzen. Der Nutzende darf wie zuvor als Eigentümer die AfA für das Gebäude in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 28. März 1995 – BStBl II 1997 S. 121).
c) Behandlung beim Eigentümer
53 Die für den Eigentümer geltenden Grundsätze des Vorbehaltsnießbrauchs nach Rz. 45 bis 48 sind entsprechend anzuwenden.
54 Zur AfA-Berechtigung des Eigentümers auf das Gebäude und zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage vgl. Rz. 50.
C. Ablösung von Nutzungsrechten
1. Vorbehaltsnießbrauch
a) Allgemeines
55 Unbeachtlich ist, ob der Nießbrauch anlässlich einer entgeltlichen oder einer unentgeltlichen Grundstücksübertragung vorbehalten wurde. Bei der Ablösung ist zu unterscheiden zwischen Vermögensübertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge (Vermögensübergabe) und sonstigen Vermögensübertragungen. Zur Abgrenzung der Vermögensübergabe von sonstigen Vermögensübertragungen vgl. Rz. 2, 3, 5 und 57 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
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b) Ablösung im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe
aa) Allgemeines
56 Zum Begriff der vorweggenommenen Erbfolge und den Arten der Vermögensübertragung durch vorweggenommene Erbfolge vgl. BMF-Schreiben vom 13. Januar 1993 – BStBl I S. 80.
bb) Behandlung beim Eigentümer
57 Einmalige Zahlungen zur Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs sind Abstandszahlungen an den Vermögensübergeber und erhöhen die Bemessungsgrundlage für die AfA des Grundstückseigentümers (BFH-Urteil vom 28. November 1991 – BStBl II 1992 S. 381, vom 21. Juli 1992 – BStBl II 1993 S. 484 und vom 21. Juli 1992 – BStBl. II 1993 S. 486). Zur Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs durch wiederkehrende Leistungen vgl. Rz. 85 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
cc) Behandlung beim Nießbraucher
58 Die Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs gegen Einmalzahlung ist beim Nießbraucher eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung (für den Fall eines vorbehaltenen Wohnrechts vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1990 – BStBl II S. 1026). Zur Beurteilung der zur Ablösung empfangenen wiederkehrenden Leistungen vgl. Rz. 85, 89 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
c) Ablösung im Zusammenhang mit sonstigen Vermögensübertragungen
aa) Behandlung beim Eigentümer
59 Eine Einmalzahlung führt in voller Höhe, wiederkehrende Leistungen führen mit ihrem Barwert (§§ 13, 14 BewG i. V. m. Anlage 9, 9a zum BewG) zu Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 9. Februar 1994 – BStBl II 1995 S. 47 und vom 18. Oktober 1994 – BStBl II 1995 S. 169 – für dauernde Lasten -). Ist die Einmalzahlung bzw. der Barwert der wiederkehrenden Leistungen höher als der Wert des übertragenen Vermögens, ist Entgeltlichkeit in Höhe des angemessenen Kaufpreises anzunehmen. Der übersteigende Betrag ist eine Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG. Ist der Barwert der wiederkehrenden Leistungen mehr als doppelt so hoch wie der Wert des übertragenen Vermögens, liegt insgesamt eine Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG vor. Wiederkehrende Leistungen in Zusammenhang mit einer privaten Vermögensumschichtung dürfen weder als Rente noch als dauernde Last abgezogen werden (BFH-Urteil vom 25. November 1992 – BStBl II 1996 S. 663 m. w. N.). Der in den
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wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil, der in entsprechender Anwendung der Ertragsanteilstabellen der §§ 22 EStG, 55 EStDV zu ermitteln ist, ist im Falle der Vermietung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen.
bb) Behandlung beim Nießbraucher
60 Die Ablösung eines vorbehaltenen Nießbrauchs gegen Einmalzahlung ist eine beim Nießbraucher nicht steuerbare Vermögensumschichtung. Wiederkehrende Leistungen, die nicht als Versorgungsleistungen im Rahmen einer Vermögensübergabe erbracht werden, sind mit ihrem Zinsanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder bei Veräußerungsleibrenten mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG steuerbar (vgl. Rz. 75 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.).
2. Zuwendungsnießbrauch
a) Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
61 Zahlungen zur Ablösung eines unentgeltlich eingeräumten Zuwendungsnießbrauchs sind grundsätzlich als Zuwendungen i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG zu beurteilen (vgl. bei fehlender tatsächlicher Änderung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse BFH-Urteil vom 13. Oktober 1993 – BStBl II 1994 S. 451 und beim Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO BFH-Urteil vom 6. Juli 1993 – BStBl II 1998 S. 429). Sie gehören daher beim Nießbraucher nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Eigentümer kann sie nicht als Werbungskosten abziehen; sie erhöhen auch nicht seine Anschaffungskosten für das Grundstück. Ein anstelle des bisherigen Nießbrauchs eingeräumter Ersatznießbrauch ist als neu bestellter unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch zu behandeln.
62 Rz. 61 gilt nicht für die Fälle, in denen der ablösende Eigentümer das Grundstück selbst bereits mit der Belastung des Nießbrauchs erworben hat (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 – BStBl II 1993 S. 488). In einem solchen Fall vollzieht sich die Ablösung im Rahmen eines entgeltlichen Veräußerungsgeschäfts. Eine Einmalzahlung ist in voller Höhe, wiederkehrende Leistungen sind mit ihrem Barwert Anschaffungskosten.
b) Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
63 Zahlungen zur Ablösung eines entgeltlich bestellten Zuwendungsnießbrauchs sind beim Eigentümer im Jahr der Zahlung als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Ist das für die Bestellung des Nießbrauchs gezahlte Entgelt
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nach § 11 Absatz 1 Satz 3 EStG auf mehrere Jahre verteilt worden, ist der noch nicht versteuerte Restbetrag beim Eigentümer als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Besteht die Abfindung in wiederkehrenden Leistungen, sind diese jeweils im Jahr der Zahlung als negative Einnahmen anzusetzen.
64 Die Ablösungszahlungen sind beim Nießbraucher grundsätzlich der privaten Vermögensebene zuzuordnen (BFH-Urteil vom 9. August 1990 – BStBl II S. 1026).
3. Vermächtnisnießbrauch
65 Aufwendungen zur Ablösung eines zugewendeten Vermächtnisnießbrauchs sind nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers (BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 – BStBl II 1993 S. 484). Die Ablösung eines Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung ist eine beim Nießbraucher nicht steuerbare Vermögensumschichtung. Zur Ablösung gegen wiederkehrende Leistungen vgl. Tz. 85, 86 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 – a. a. O.
4. Dingliches Wohnrecht
66 Für die Behandlung von Ablösungszahlungen des Eigentümers an den dinglich Wohnberechtigten sind die für die Ablösung von Nießbrauchrechten geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden. Aufwendungen zur Ablösung eines vom Rechtsvorgänger eingeräumten dinglichen Wohnrechts entfallen, soweit sie nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers sind, in vollem Umfang auf das Gebäude (BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 – BStBl II 1993 S. 484).
5. Obligatorisches Nutzungsrecht
67 Für die Behandlung von Aufwendungen für die Ablösung obligatorischer Nutzungsrechte gelten die Grundsätze zur Ablösung eines Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauchs (Rz. 55 bis 64) entsprechend.
D. Anwendungsregelung
68 Dieses BMF-Schreiben tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 24. Juli 1998 – BStBl I S. 914. Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Die BMF-Schreiben vom 9. Februar 2001 – BStBl I S. 171 und vom 29. Mai 2006 – BStBl I S. 392 werden aufgehoben.
69 Die Grundsätze in Rz. 4 und 5 sind in allen Fällen anzuwenden, in denen der Nießbrauch nach dem 30. Juni 1992 notariell beurkundet oder der Überlassungsvertrag nach dem 30. Juni 1992 abgeschlossen worden ist. Ist der Nießbrauch vor dem 1. Juli 1992 beurkundet oder der
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Überlassungsvertrag vor dem 1. Juli 1992 abgeschlossen worden, ist Rz. 4 bzw. Rz. 53 des BMF-Schreibens vom 15. November 1984 – BStBl I S. 561 weiter anzuwenden.
70 Die Grundsätze in Rz. 26 und 28 sind erstmals auf Vorausleistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2003 geleistet wurden. Auf vor dem 1. Januar 2004 getätigte Vorausleistungen finden die Rz. 26 und 28 sowie die Billigkeitsregelung gem. Rz. 29 des BMF-Schreibens vom 24. Juli 1998 – BStBl I S. 914 weiter Anwendung.
71 Die Grundsätze in Rz. 32 sind in den Fällen anzuwenden, in denen der Vermächtnisnießbrauch nach dem 31. Mai 1994 notariell beurkundet worden ist. Ist der Vermächtnisnießbrauch vor dem 1. Juni 1994 notariell beurkundet worden, ist der Nießbraucher weiterhin zum Abzug der Gebäude-AfA nach Maßgabe der Rz. 51, 41 des BMF-Schreibens vom 15. November 1984 -BStBl I S. 561- berechtigt.
72 Die Grundsätze der Rz. 33 sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Soweit die Anwendung der Randziffer zu einem Nachteil gegenüber der bisherigen Verwaltungsauffassung führt, sind die Grundsätze erstmals anzuwenden, wenn die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts gegen Übertragung eines Grundstücks im privaten Bereich nach dem 31. Mai 2006 erfolgt ist.
73 Wurden wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit der Ablösung eines Zuwendungsnießbrauchs vor dem 1. Januar 2008 vereinbart, können diese als Sonderausgaben nach § 10 Absatz 1 Nummer 1a EStG abgezogen werden, soweit die übrigen Voraussetzungen für eine begünstigte Vermögensübergabe vorliegen (Rz. 81 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 a. a. O.; BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 – BStBl II 2008 S. 16).
74 In Fällen der Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten gelten die Rz. 68 bis 75 des BMF-Schreibens vom 24. Juli 1998 – a. a. O. fort.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik – Themen – Steuerarten – Steuern – Einkommensteuer – zum Download bereit.
Im Auftrag

Ermessenerwägungen zum „Ob“ der Prüfung im Falle der Auftragsprüfung

Im Falle der Auftragsprüfung sind Ermessenerwägungen zum „Ob“ der Prüfung und zur Frage der Beauftragung eines anderen Finanzamtes ausschließlich von dem den Auftrag erteilenden Finanzamt anzustellen

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 1 K 64/09 vom 19.03.2013 (rkr)

Mit Urteil vom 19. März 2013 hat der 1. Senat in dem Verfahren 1 K 64/09 entschieden, dass in Fällen, in denen gemäß § 195 Satz 2 AO ein anderes Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragt wird, ausschließlich das für die Besteuerung zuständige Finanzamt befugt ist, die Entscheidung darüber zu treffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und durch welches Finanzamt geprüft werden soll. Erlässt das beauftragte Finanzamt die Prüfungsanordnung und entscheidet daher auch über den gegen die Prüfungsanordnung erhobenen Einspruch, hat das beauftragte Finanzamt in dem gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruchsverfahren nicht die Befugnis, zur Frage der Auftragserteilung eigene Ermessenerwägungen anzustellen oder die Erwägungen des beauftragenden Finanzamtes zu ergänzen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das für die Besteuerung einer GmbH zuständige Finanzamt (K) hatte gegenüber dem für die Besteuerung des Gesellschafter-Geschäftsführers zuständigen Finanzamt (E) telefonisch angeregt, einen Auftrag zur Durchführung einer Außenprüfung an das Finanzamt K zu erteilen. Dieser Anregung folgte das Finanzamt E und übersandte dem Finanzamt K einen Prüfungsauftrag. Beigefügt war ein bereits vor der telefonischen Kontaktaufnahme erstelltes Schreiben der Veranlagungsdienststelle E an die Betriebsprüfungsstelle E, in welchem die Durchführung einer Außenprüfung angeregt wurde. Zu der Entscheidung, mit der Durchführung der Prüfung das Finanzamt K zu beauftragen, ergab sich aus dem Prüfungsauftrag und dem beigefügten Schreiben der Veranlagungsdienststelle nichts.

Im gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruchsschreiben wurden durch den Betriebsprüfer des Finanzamtes K die Gründe erläutert, die für die Auftragserteilung maßgeblich gewesen seien. Ob und inwieweit diese Überlegungen von dem Finanzamt E stammten bzw. sich das Finanzamt E diese Erwägungen bei Auftragserteilung zueigen gemacht hatte, ließ sich den Akten nicht entnehmen. Während des Einspruchsverfahrens wurde die Außenprüfung bei der GmbH durchgeführt und abgeschlossen. Der Einspruch des Klägers gegen die Prüfungsanordnung wurde ohne vorherige Beteiligung des Finanzamtes E als unbegründet zurückgewiesen.

Der 1. Senat hat seine Entscheidung maßgeblich auf zwei Gesichtspunkte gestützt: Zum einen ist er davon ausgegangen, dass Ermessenerwägungen zur Auftragserteilung ausschließlich von dem Finanzamt E anzustellen gewesen wären, zum anderen hat das Gericht darauf abgestellt, dass es für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung auf den Sachstand im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung ankomme. Daher sei, wenn sich der Sachverhalt während des Einspruchsverfahrens maßgeblich verändert habe, das den Auftrag erteilende Finanzamt vor einer abschließenden Entscheidung zu beteiligen, um festzustellen, ob und ggf. mit welchen ergänzenden Ermessenerwägungen an der bisherigen Entscheidung festgehalten werden solle.

Da eine rechtswidrige Prüfungsanordnung, die später aufgehoben oder deren Rechtswidrigkeit festgestellt wird, nicht Grundlage für eine nach § 171 Abs. 4 AO eintretende Ablaufhemmung sein kann, können sich aus einer unzureichenden Ermessensbetätigung weitreichende Konsequenzen ergeben. Darf die beauftragte Behörde keine eigenen Ermessenerwägungen – auch nicht ergänzende – anstellen, so sind die Finanzämter gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass das den Auftrag erteilende Finanzamt im Einspruchsverfahren beteiligt wird und seine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bestehenden Sachlage treffen kann.

Im Hinblick auf die nicht eindeutige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) hat der 1. Senat die Revision zugelassen, diese ist jedoch nicht eingelegt worden, so dass das Urteil rechtskräftig geworden ist.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Bindungswirkung der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG für die Festsetzung des Auszahlungsanspruchs

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 1 K 284/10 vom 21.05.2013 (nrkr – BFH-Az. I R 46/13)

In einem bei dem 1. Senat des Finanzgerichts geführten Verfahren (Az. 1 K 284/10) stritten die Beteiligten darüber, ob das beklagte FA verpflichtet sei, den gegen die Klägerin bereits am 28. Februar 2003 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 zu ändern und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals unter Anwendung des § 36 Abs. 3 bis 6a n. F. zu ermitteln und entsprechend festzustellen. Mit Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05 (BGBl I 2010, 326, BVerfGE 125, 1) hatte das BVerfG die Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 3 KStG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als die Umgliederung des zum Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren mit 45 % belasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK 02) zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte. Zugleich verpflichtete es den Gesetzgeber, für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren eine Neuregelung zu treffen, die den Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials sicherstellte. Die Umsetzung durch den Gesetzgeber erfolgte durch § 36 Abs. 3 – 6a KStG i. d. F. des JStG 2010. Gem. § 34 Abs. 13 KStG ist die Neuregelung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Endbestände i. S. d. § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind.

Nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG (und vor Ergehen der gesetzlichen Neuregelung) beantragte die Klägerin die Änderung des gegen sie ergangenen Bescheides über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auf den 31. Dezember 2001, der nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheide zum 31. Dezember 2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie des Bescheides über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG. Sie sei durch die nunmehr als verfassungswidrig erklärten Übergangsregelungen steuerlich belastet, weil ihr durch die beanstandeten Feststellungen Körperschaftsteuerminderungspotenzial verloren gehe. Das FA lehnte eine Änderung der Bescheide ab. Die Bescheide zum 31. Dezember 2001 seien bereits vor dem Ergehen des BVerfG-Beschlusses in formelle und materielle Bestandskraft erwachsen und daher nicht mehr änderbar. Der ursprünglich gegebene Vorbehalt der Nachprüfung sei mit dem Eintritt der Feststellungsverjährung am 31. Dezember 2006 gem. §§ 164 Abs. 4, 169 Abs. 2 Satz 1 AO entfallen. Das BVerfG habe ausdrücklich angeordnet, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung nur für noch offene Steuerverfahren zu treffen habe. Eine Änderung komme nach dem Ablauf der Feststellungsfrist auch nicht gem. § 181 Abs. 5 AO in Betracht, denn diese Norm begründe keine eigenständige Änderungsbefugnis.

Mit der Klage begehrte die Klägerin noch, das FA zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG zum 31. Dezember 2001 zu ändern. Hilfsweise sei jedenfalls der Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2006 zu ändern und ein höheres KSt-Guthaben zu ermitteln. Das System der Vergütung von KSt-Guthaben sei zum 31. Dezember 2006 tiefgreifend geändert worden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Feststellung des „alten“ Guthabens Bindungswirkung für das „neue“ Guthaben zukommen solle.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Einzig denkbare Grundlage für eine Änderung des auf den 31. Dezember 2001 ergangenen Feststellungsbescheides sei § 164 Abs. 2 AO. Dessen Anwendung komme jedoch wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Feststellungsverjährung nicht in Betracht, weil mit Eintritt der Feststellungsverjährung gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO auch der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen sei. Dem stehe auch § 181 Abs. 5 AO nicht entgegen. Zwar sei der auf den 31. Dezember 2001 ergangene Feststellungsbescheid für den Bescheid über die Festsetzung des Auszahlungsguthabens „von Bedeutung“ im Sinne der Vorschrift, wenn man von einem Verhältnis Grundlagen-/Folgebescheid ausgehe. Durch § 181 Abs. 5 AO werde jedoch weder eine eigenständige Änderungsmöglichkeit geschaffen, noch werde der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt. Vielmehr ermögliche es die Norm lediglich, einen Feststellungsbescheid mit eingeschränktem Regelungsinhalt zu erlassen, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen sei.

Die hilfsweise beantragte Änderung des auf den 31. Dezember 2006 ergangenen Feststellungsbescheides komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Bescheid auf den 31. Dezember 2006 sei schon kein Grundlagenbescheid im Verhältnis zu dem Bescheid betreffend die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des KSt-Guthabens. Letzteres sei nämlich gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG letztmalig zum 31. Dezember 2005 festgestellt worden. Zum 31. Dezember 2006 werde es gem. § 37 Abs. 4 KStG nur „ermittelt“ und eben nicht festgestellt. Gem. § 179 Abs. 1 AO dürften Besteuerungsgrundlagen nur dann durch einen Feststellungsbescheid festgestellt werden, wenn dies gesetzlich bestimmt sei. Da es hier an einer solchen Bestimmung gerade fehle, werde das KSt-Guthaben lediglich nachrichtlich ausgewiesen, aber nicht vom Tenor/Regelungsgehalt des Bescheides umfasst.

Auch wenn der Hilfsantrag als Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides zum 31. Dezember 2005 ausgelegt werde, könne er keinen Erfolg haben. Einer Änderung stehe die Bindungswirkung der vorausgegangenen Feststellungsbescheide entgegen. Die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 und zum 31. Dezember 2002 bis 2005 sei in § 36 Abs. 7 KStG bzw. in § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG ausdrücklich geregelt. Die Feststellungen entfalteten als Grundlagenbescheide gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung für die jeweiligen Folge(feststellungs)bescheide. Die Bindungswirkung sei aber auch bei der Ermittlung des KSt-Guthabens und bei der Festsetzung dieses Guthabens als Auszahlungsanspruch zu beachten. Das gelte, obwohl zum 31. Dezember 2001 und 2006 das KSt-Guthaben nicht festgestellt worden sei. Materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt zur Ermittlung und Sicherung des Körperschaftsteuerguthabens beim Übergang zum Halbeinkünfteverfahren sei der Feststellungsbescheid gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F. gewesen. Dieser sei Grundlagenbescheid für den Bescheid gem. § 36 Abs. 7 KStG gewesen. Letzterer wiederum bilde hinsichtlich der in ihm ausgewiesenen Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 die materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich bindende Grundlage für die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 2001, für die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Guthabens zum 31. Dezember 2002 bis 2005 sowie für die Ermittlung des Guthabens zum 31. Dezember 2006. Dementsprechend könnten Einwendungen gegen die Höhe des Endbestandes an EK 40 nur gegen den Feststellungsbescheid gem. § 36 Abs. 7 KStG geltend gemacht werden, nicht aber im Verfahren betreffend die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG. Diese erfolge allein durch eine mathematische Operation, nämlich durch Anwendung eines Faktors von 1/6 auf den festgestellten Endbestand des EK 40; rechtliche Überlegungen seien nicht anzustellen.

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 46/13 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin