Neue Unterhaltsleitlinien des OLG Köln ab 01.01.2015

Die Familiensenate des Oberlandesgerichts Köln haben ihre neuen Unterhaltsleitlinien bekannt gegeben. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Bedarfskontrollbeträge der Tabelle und die Selbstbehaltssätze und entsprechen den neuen Anmerkungen zur Düsseldorfer Tabelle 2015.

Die Unterhaltsleitlinien sind von den Familiensenaten des Oberlandesgerichts Köln erarbeitet worden, um Anwendungshilfen für häufig wiederkehrende unterhaltsrechtliche Fallgestaltungen zu geben und in praktisch bedeutsamen Unterhaltsfragen eine möglichst einheitliche Rechtsprechung im gesamten Gerichtsbezirk zu erzielen. Die Leitlinien können die Familienrichter allerdings nicht binden. Sie sollen die angemessene Lösung des Einzelfalls – dies gilt auch für die „Tabellen-Unterhaltssätze“ – nicht antasten.

Die neu gefassten Leitlinien stehen ab sofort auf der Homepage des Oberlandesgerichts Kölnunter der Rubrik „Rechts-Infos“ zur Verfügung. Über Links können dort zugleich die ebenfalls zum 1. Januar 2015 aktualisierte sog. Düsseldorfer Tabelle, die bundesweit als Orientierung bei der Festlegung von Kindesunterhalt dient, sowie die von den Familiensenaten der süddeutschen Oberlandesgerichte herausgegebenen und ebenfalls zum 1. Januar 2015 geänderten Süddeutschen Leitlinien aufgerufen werden.

Hinweis:
Auch das OLG Hamm hat am 05.01.2015 neue Leitlinien zum Unterhaltsrecht (Stand 01.01.2015) bekannt gegeben.

Quelle: OLG Köln, Pressemitteilung vom 07.01.2015

 

Zahl der Selbstanzeigen in Niedersachsen 2014 so hoch wie noch nie

Finanzminister Schneider: „Der Kampf gegen Steuerhinterziehung bleibt weiterhin wichtiges politisches Ziel.“

Hannover. Finanzminister Peter-Jürgen Schneider stellte am (heutigen) Mittwoch die regionalisierten Jahreszahlen 2014 der steuerlichen Selbstanzeigen und der Auswertung von Steuerdaten-CDs vor und erklärte: „Die Botschaft ist bei den Steuersündern angekommen. Seit diesem Jahr ist die Abgabe einer Selbstanzeige deutlich teurer und die Hürden liegen höher – viele haben dies erkannt und den Weg in die Steuerehrlichkeit rechtzeitig eingeschlagen.“ Es bleibe weiterhin eine wichtige politische Aufgabe, Steuerhinterziehung konsequent zu bekämpfen wie auch einer ungewollten internationalen Steuergestaltung zum Schaden der Allgemeinheit einen Riegel vorzuschieben, so Schneider weiter.

Im vergangenen Jahr sind in Niedersachsen insgesamt 3.797 Selbstanzeigen bei den Finanzämtern eingegangen. Zum Jahresende 2013 lagen 2.862 Selbstanzeigen vor. In den vorherigen Jahren wurden durchschnittlich rund 1.200 Selbstanzeigen registriert. Der überdurchschnittlich starke Anstieg bei den Selbstanzeigen in den vergangenen zwei Jahren ist laut Schneider zum einen auf die öffentliche Diskussion, insbesondere aber auch auf die ab diesem Jahr geltenden gesetzlichen Verschärfungen zur Selbstanzeige zurückzuführen. Die meisten Selbstanzeigen gab es bei den Finanzämtern in Hannover, Osnabrück, Gifhorn und Cloppenburg.

Druck erzeugt hat auch die Auswertung der Steuer-CDs. Die Staatseinnahmen aus den Ankäufen von Daten aus den Ländern Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein betrugen zum 31.12.2014 in Niedersachsen rund 261 Millionen Euro. Das Land hat sich an den Datenankäufen mit 855.000 Euro beteiligt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt schloss Schneider den Ankauf weiterer Steuerdaten nicht aus, er sei jedoch optimistisch, dass der automatisierte Datenaustausch zwischen den Staaten weitere Ankäufe in Zukunft entbehrlich mache. „Die Unterzeichnung einer multilateralen Vereinbarung von 50 Staaten im Rahmen der Berliner Tax Conference 2014 im vergangenen Oktober stellt hierbei einen wichtigen Teilerfolg dar“, so Schneider. Durch die unterzeichnete Vereinbarung wird der politisch vereinbarte OECD-Meldestandard zu Finanzkonten verbindlich umgesetzt.

Handlungsbedarf bestehe aber weiterhin auch im Kampf gegen eine ungewollte internationale Steuergestaltung zulasten der Allgemeinheit, sagte Schneider. „Alle Nationen sollten sich auf dauerhafte Grundregeln für eine angemessene Besteuerung in und zwischen den Staaten verständigen“, forderte Schneider. Hierbei übernehmen auch die Bundesländer eine wichtige Funktion. Sie bringen nicht nur ihre praktische Erfahrung über Bund-Länder-Arbeitsgruppen zur Vorbereitung internationaler Verhandlungen ein. Die Länder sind es auch, die sich tagtäglich mit sämtlichen Besteuerungsverfahren auseinandersetzen.

Herausgeber: Nds. Finanzministerium

Freiberufliche Tätigkeit selbständiger Ärzte trotz Beschäftigung angestellter Ärzte

Mit Urteil vom 16. Juli 2014 VIII R 41/12 hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass selbständige Ärzte ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich ausüben und damit freiberuflich und nicht gewerblich tätig werden, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, für den Einzelfall die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten.

Im Streitfall betreiben die Gesellschafter eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie in der Rechtsform einer GbR. Ihre Berufstätigkeit üben sie als mobiler Anästhesiebetrieb in der Praxis von Ärzten aus, die Operationen unter Narkose durchführen wollen. Jeweils einer der Gesellschafter führt eine Voruntersuchung durch und schlägt eine Behandlungsmethode vor. Die eigentliche Anästhesie führt sodann ein anderer Arzt aus. In den Streitjahren beschäftigte die GbR eine angestellte Ärztin, die solche Anästhesien nach den Voruntersuchungen der Gesellschafter in einfach gelagerten Fällen vornahm. Problematische Fälle blieben nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) den Gesellschaftern der GbR vorbehalten.

Das Finanzamt sah die Tätigkeit der GbR wegen Beschäftigung der angestellten Ärztin nicht als freiberufliche Tätigkeit der Gesellschafter an und ging deshalb von einer gewerblichen Tätigkeit aus.

Wie die Vorinstanz ist der BFH dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt. Die Mithilfe qualifizierten Personals ist für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers auch im Bereich der ärztlichen Tätigkeit unschädlich, wenn dieser bei der Erledigung der einzelnen Aufträge aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Diesen Anforderungen genügt schon eine patientenbezogene regelmäßige und eingehende Kontrolle der Tätigkeit des angestellten Fachpersonals. Die Auffassung des FG, diese notwendige – patientenbezogene – leitende Eigenverantwortlichkeit der Gesellschafter sei wegen der ausschließlich von ihnen geführten Voruntersuchungen bei den Patienten, der Festlegung der Behandlungsmethode sowie des Vorbehalts der Selbstbehandlung „problematischer Fälle“ gegeben, hat der BFH bestätigt. Würde man darüber hinaus die unmittelbare Ausführung der Anästhesietätigkeit durch die Gesellschafter verlangen -so aber die Finanzverwaltung-, würde man den Einsatz fachlich vorgebildeten Personals im Bereich der Heilberufe faktisch ausschließen und damit die Anforderungen des Gesetzes überdehnen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 3/15 vom 07.01.2015 zum Urteil VIII R 41/12 vom 16.07.2014

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.7.2014, VIII R 41/12

Leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit selbständiger Ärzte bei Beschäftigung angestellter Ärzte

Leitsätze

1. Selbständige Ärzte üben ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich aus, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen.

2. Voraussetzung dafür ist, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals –patientenbezogen– Einfluss nehmen, so dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt (Anschluss an BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509).

3. Führt ein selbständiger Arzt die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durch, legt er für den Einzelfall die Behandlungsmethode fest und behält er sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vor, ist die Erbringung der ärztlichen Leistung durch angestellte Ärzte regelmäßig als Ausübung leitender eigenverantwortlicher freiberuflicher Tätigkeit im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG anzusehen.

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie in der Rechtsform einer GbR und übt ihre Berufstätigkeit durch ihre Gesellschafter ohne Praxisräume als mobilen Anästhesiebetrieb in der Praxis von Ärzten aus, die Operationen unter Narkose durchführen wollen.
2
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) legen die Gesellschafter der Klägerin wöchentlich im Voraus fest, welcher Arzt bei welchem Operateur nach den von ihnen entwickelten standardisierten Behandlungsmethoden tätig werden soll. Jeweils einer der Gesellschafter führt eine Voruntersuchung durch und schlägt eine Behandlungsmethode vor. Die eigentliche Anästhesie führt sodann ein anderer Arzt aus.
3
In den Streitjahren 2004 und 2005 beschäftigte die Klägerin eine angestellte Ärztin, die solche Anästhesien nach den Voruntersuchungen der Gesellschafter der Klägerin in einfach gelagerten Fällen vornahm. Problematische Fälle blieben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG den Gesellschaftern der Klägerin vorbehalten.
4
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) ging aufgrund einer Außenprüfung davon aus, die Klägerin übe ihre ärztliche Tätigkeit wegen Beschäftigung der angestellten Ärztin nicht mehr leitend und eigenverantwortlich durch ihre Gesellschafter aus und sei deshalb gewerblich tätig. Die Gesellschafter der Klägerin seien zwar leitend tätig. Die angestellte Ärztin sei aber nach der „Berufsordnung für Ärzte“ zur eigenverantwortlichen und weisungsfreien Arbeit verpflichtet. Während einer Operation sei sie „auf sich allein gestellt“. Anders als bei einem angestellten Zahnarzt, für den der Praxisinhaber im Nebenzimmer jederzeit erreichbar sei, müsse die angestellte Anästhesistin bei Komplikationen während der Operation selbst entscheiden.
5
Gegen die daraufhin für die Streitjahre ergangenen Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide legte die Klägerin Einsprüche ein, die das FA als unbegründet zurückwies.
6
Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 129 veröffentlichten Urteil statt.
7
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
8
Zu Unrecht sehe das FG den Schwerpunkt einer Anästhesie in der Beratung und Aufklärung. Da die angestellte Anästhesistin eigenverantwortlich bei den jeweiligen Operationen –ohne Möglichkeit einer Rücksprache– tätig geworden sei, fehle die erforderliche eigenverantwortliche und leitende Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin.
9
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
12
1. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung, insbesondere zu Heilberufen oder heilberufsnahen Berufstätigkeiten, entschieden hat, ist die Mithilfe qualifizierten Personals für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers unschädlich, wenn er bei der Erledigung der einzelnen Aufträge aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.
13
Dabei ist für einen Arzt ebenso wie für Krankenpfleger zu berücksichtigen, dass sie eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schulden und deshalb einen wesentlichen Teil der Dienstleistungen selbst übernehmen müssen. Dafür reicht es aber aus, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals –patientenbezogen– Einfluss nehmen, so dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509, m.w.N.).
14
Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, obliegt der tatrichterlichen Würdigung, die vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen ist, ob sie gesetzliche Auslegungsregeln oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze missachtet (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 59/05, BFH/NV 2007, 1319, m.w.N., zur Tätigkeit eines Krankengymnasten mit einer Vielzahl von Mitarbeitern).
15
2. Nach diesen Maßstäben ist die tatsächliche Würdigung des FG entgegen der Auffassung des FA aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
16
Die Auffassung des FG, die notwendige –patientenbezogene– leitende Eigenverantwortlichkeit der Gesellschafter der Klägerin sei wegen der ausschließlich von ihnen geführten Voruntersuchungen bei den Patienten, der Festlegung der Behandlungsmethode sowie des Vorbehalts der Selbstbehandlung „problematischer Fälle“ gegeben, ist auf der Grundlage seiner umfangreichen tatsächlichen Feststellungen durch Vernehmung der tätig gewordenen Ärzte in jeder Hinsicht nachvollziehbar und deshalb als nach den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen mögliche Würdigung nach § 118 Abs. 2 FGO bindend.
17
Soweit das FA im Ergebnis die unmittelbare Ausführung der Anästhesietätigkeit durch die Gesellschafter als unverzichtbare Voraussetzung für die Annahme einer eigenverantwortlichen und leitenden ärztlichen Tätigkeit ansieht, überdehnt es die Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und würde damit den Einsatz fachlich vorgebildeten Personals im Bereich der Heilberufe im Ergebnis ausschließen, obwohl der Gesetzgeber keinen Bereich der freien Berufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift von dieser Möglichkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter hat ausschließen wollen.

 

Moderation von Werbesendungen keine freiberufliche, sondern gewerbliche Tätigkeit

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 16. September 2014 VIII R 5/12 entschieden, dass die selbständige Tätigkeit einer Moderatorin von Werbesendungen für einen Verkaufssender – im Streitfall Präsentation von Produkten aus den Bereichen Wellness, Kosmetik, Gesundheit sowie Reisen – nicht zu Einkünften aus selbständiger Arbeit, sondern zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt, die der Gewerbesteuer unterliegen.

Für eine (freiberufliche) schriftstellerische Tätigkeit fehlt es an einer berufstypischen schriftlichen Niederlegung eigener Gedanken „für die Öffentlichkeit“. Denn die jeweils von der Moderatorin erstellten Sendemanuskripte und ähnliche Vorbereitungsunterlagen waren nicht an die Öffentlichkeit gerichtet und zur Veröffentlichung bestimmt. Ebenso hat der BFH eine dem Berufsbild eines Journalisten ähnliche Tätigkeit verneint, da eine auf Informationen über gegenwartsbezogene Geschehnisse ausgerichtete Tätigkeit und eine darauf bezogene kritische Auseinandersetzung nicht erkennbar war. Die Werbemoderation war vielmehr ausschließlich – Marketing orientiert – auf die unmittelbare Verkaufsförderung nach den konkreten Vorgaben der Auftraggeber durch entsprechende Präsentation der jeweils vorgestellten Produkte geprägt. Einen Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung als Voraussetzung einer künstlerischen Tätigkeit sah der BFH aus diesem Grund nicht.

Wegen dieser detaillierten Vorgaben der Auftraggeber fehlte es auch an der für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit erforderlichen „eigenschöpferischen Ausrichtung“, so dass der Vortrag der Klägerin über die Notwendigkeit der Improvisation in den Live-Interviews bei Eintritt nicht vorhersehbarer Ereignisse als nicht ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung der gewerblichen von der freiberuflichen Tätigkeit angesehen werden konnte.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 2/15 vom 07.01.2015 zum Urteil VIII R 5/12 vom 16.09.2014

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.9.2014, VIII R 5/12

Gewerbliche Tätigkeit einer Moderatorin von Verkaufssendungen

Leitsätze

Eine Fernsehmoderatorin, die Produkte nach den Vorgaben des Auftraggebers in Verkaufssendungen präsentiert, übt keine freiberufliche, sondern eine gewerbliche Tätigkeit aus.

Tatbestand

1
I. Die Beteiligten streiten über die Abgrenzung gewerblicher von freiberuflicher Tätigkeit und damit über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags gegen die als Werbemoderatorin eines Verkaufssenders tätige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Streitjahr 2006.
2
Die Klägerin bezeichnet ihre im Rahmen von Verkaufssendungen in den Bereichen … im Fernsehen ausgeübte Tätigkeit für Verkaufssender als selbständige Werbemoderation. Daraus erzielte sie im Streitjahr Einkünfte, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) als solche aus Gewerbebetrieb und nicht aus selbständiger Arbeit behandelte.
3
Nach den Verträgen über die Durchführung der Verkaufssendungen arbeitet die Klägerin als Moderatorin selbständig. Ihre Tätigkeit umfasst die Präsentation verschiedener Produkte im Beisein der Anbieter bei Live-Shows des Auftraggebers. Als Aufgaben waren der Klägerin eine gewissenhafte Vorbereitung der Verkaufspräsentation anhand der vom Auftraggeber rechtzeitig zur Verfügung zu stellenden Produkte und Produktinformationen sowie die Teilnahme an notwendigen Produktionsbesprechungen zugewiesen. Für ihre Moderationen erhielt sie ein Honorar auf Stundenbasis (180 EUR bei Einzelstunden, 320 EUR bei Doppelstunden, jeweils zzgl. Mehrwertsteuer).
4
Nach der Grundsatzvereinbarung „Letter of Intent“ mit der S GmbH war die Klägerin mit der Moderation der Sendung „F TV“ beauftragt und erhielt eine Tagesgage von 300 EUR zzgl. 16 % Mehrwertsteuer.
5
In ihrer Einkommensteuererklärung 2006 erklärte die Klägerin unter den Berufsbezeichnungen „Moderatorin und Journalistin“ nur Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
6
Im Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 18. Oktober 2007 erkannte das FA lediglich zu einem geringen Teil in Höhe von 2.996 EUR Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit der Klägerin als Moderatorin an. Im Übrigen erfasste das FA den Gewinn der Klägerin aus ihrer Moderatorentätigkeit in Höhe von 56.915 EUR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und setzte auf dieser Grundlage nach Abzug des Freibetrags nach § 11 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 mit Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 18. Oktober 2007 auf 612 EUR fest.
7
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem Urteil vom 28. Juli 2011  5 K 2263/08 als unbegründet ab. Die selbständig ausgeübte Tätigkeit der Klägerin als Werbemoderatorin sei weder als künstlerisch, schriftstellerisch oder journalistisch zu beurteilen noch als eine Tätigkeit anzusehen, die dem Beruf des Schriftstellers/Journalisten i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ähnlich sei.
8
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
9
Entgegen der Ansicht des FG habe sie als Werbemoderatorin einen dem Werbeschriftsteller ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeübt. Dieser Beruf stelle eine Kombination von schriftstellerischer Tätigkeit und dem Berufsbild des nicht klassisch-journalistisch tätigen Fernsehmoderators dar, dessen Tätigkeit höchstrichterlich noch nicht hinsichtlich seiner Freiberuflichkeit beurteilt worden sei und sich nicht ohne Weiteres als journalistische oder künstlerische Tätigkeit einordnen lasse.
10
Die ständige Erweiterung des Katalogs der freiberuflichen Tätigkeiten in § 18 EStG zeige den Einfluss wirtschaftlicher Änderungen, die insbesondere auch zur Anerkennung von Fernsehmoderatoren als Freiberufler durch die Rechtsprechung geführt hätten. Mit Blick auf diese Entwicklung könne die Ähnlichkeit von Berufen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht mehr davon abhängig gemacht werden, dass eine Ähnlichkeit zu jeweils einem der Berufe aus dem Katalog der Vorschrift bestehe.
11
Vielmehr müssten auch Kombinationen dieser Berufe unter die Vorschrift subsumiert werden können. Dies müsse jedenfalls für die Tätigkeit von Werbemoderatoren gelten, soweit sie durch höchstpersönliche Dienstleistung, adäquate Vorbildung und die Ähnlichkeit zur journalistischen und künstlerischen Tätigkeit sowie zur Werbeschriftstellerei gekennzeichnet sei.
12
Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung als Betriebswirtin und als Journalistin. Vergleichbar mit anderen Journalisten und anders als Moderatoren reiner Unterhaltungssendungen betreibe sie vor den Sendungen Recherchen und eigne sich Hintergrundwissen zu den von den Interviewpartnern beworbenen Produkten an. Auf die kommerzielle Zielsetzung ihrer Tätigkeit könne es dabei nicht ankommen.
13
Im Übrigen erfüllten der Entwurf des Moderationsskripts sowie die Vorgabe des textlichen Konzepts vollumfänglich die Anforderungen an eine schriftstellerische Tätigkeit und die eines Werbeschriftstellers. In diesem Zusammenhang stelle das FG übertriebene Anforderungen an die Notwendigkeit eigenschöpferischer Tätigkeit mit Blick auf die von der Klägerin geführten einstündigen Live-Interviews mit allen Unwägbarkeiten zwischenmenschlicher Kommunikation.
14
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 18. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
15
Das FA beantragt unter Hinweis auf die bislang vertretene Rechtsauffassung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
17
Zu Recht hat das FG die Tätigkeit der Klägerin als Werbemoderatorin nicht als freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen und deshalb die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsbescheids bestätigt.
18
1. Die Berufstätigkeit der Klägerin kann weder einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezeichneten Berufe als „ähnlicher Beruf“ zugerechnet noch als künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit angesehen werden.
19
a) Dabei kann entgegen der Auffassung der Klägerin die Ähnlichkeit eines Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nach ständiger Rechtsprechung nicht berufsübergreifend nach Maßgabe einer sogenannten Gruppenähnlichkeit anhand gleicher charakteristischer Merkmale festgestellt werden, wie sie den Katalogberufen insgesamt oder überwiegend gemeinsam sind (wie etwa eine akademische oder eine andere besonders anspruchsvolle und zeitaufwändige Ausbildung oder ein mit der Berufsausübung nach allgemeiner Anschauung verbundener sozialer Status). Grund dafür ist nach ständiger Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber die Katalogberufe detailliert aufgezählt hat und die ähnlichen Berufe schon wegen der Unterschiedlichkeit der enumerativ aufgeführten Berufe speziell einem dieser Katalogberufe ähnlich sein müssen (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19. September 2002 IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27; vom 14. Mai 2014 VIII R 18/11, BFHE 246, 396). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht beanstandet (s. die Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27).
20
b) Eine schriftstellerische Tätigkeit kann in der Tätigkeit der Klägerin als Werbemoderatorin nicht gesehen werden.
21
Schriftstellerisch tätig wird nach der Rechtsprechung des BFH derjenige Steuerpflichtige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt (BFH-Urteile vom 25. April 2002 IV R 4/01, BFHE 199, 176, BStBl II 2002, 475; in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27).
22
Eine solche schriftstellerische Tätigkeit der Klägerin kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ihre Sendemanuskripte und ähnliche Vorbereitungsunterlagen für ihre Sendungen nicht selbst an die Öffentlichkeit gerichtet und ihr gegenüber zur Veröffentlichung bestimmt waren (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1958 IV 278/56 U, BFHE 67, 115, BStBl III 1958, 316), sondern lediglich der internen Arbeitsvorbereitung der Klägerin zur Erfüllung ihrer Moderationsverpflichtung dienten (vgl. zur fehlenden Bestimmung „für die Öffentlichkeit“ bei internen schriftlichen Ausarbeitungen BFH-Urteile vom 24. September 1998 IV R 16/98, BFH/NV 1999, 602; in BFHE 246, 396).
23
c) Auch eine Ähnlichkeit der Berufstätigkeit der Klägerin zum Beruf eines Journalisten hat das FG zu Recht verneint.
24
aa) Ein gesetzlich normiertes Berufsbild des Journalisten gibt es nicht. Ebenso wenig ist geregelt, wer die Berufsbezeichnung Journalist tragen darf (Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 149). Die Berufstätigkeit des Journalisten erfordert des Weiteren keine bestimmte Vorbildung (Hochschulstudium, Journalistenschule o.Ä.). Die Vorbildung kann deshalb allenfalls als Beweisanzeichen gewertet werden (vgl. Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 149).
25
Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Berufstätigkeit des Journalisten auf Informationen über gegenwartsbezogene Geschehnisse ausgerichtet, bei der die Sammlung und Verarbeitung von Informationen des Tagesgeschehens, die „kritische Auseinandersetzung“ mit diesen Informationen und die Stellungnahme zu den Ereignissen auf politischem, gesellschaftlichem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet das Berufsbild ausmacht. Dabei gehört es zum Wesen der selbständig ausgeübten journalistischen Tätigkeit, dass der Journalist sich mit den Ergebnissen seiner Arbeit unmittelbar oder mittelbar über ein Medium (Zeitung, Zeitschrift, Film, Rundfunk, Fernsehen oder Internet) schriftlich oder mündlich an die Öffentlichkeit wendet (BFH-Urteile vom 25. April 1978 VIII R 149/74, BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565; vom 8. Dezember 1983 IV R 126/82, juris; in BFH/NV 1999, 602) und damit an der Gestaltung des geistigen Inhalts publizistischer Medien (u.a. Fernsehen) mitwirkt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478).
26
bb) Ausgehend von der Definition der Rechtsprechung hat das FG zu Recht erkannt, dass die Klägerin diesen Anforderungen nicht entspricht.
27
Dabei bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob der im BFH-Urteil in BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565 enthaltenen Definition eine möglicherweise zu enge Beschränkung journalistischer Tätigkeit auf zeitbezogene Themen zu entnehmen ist (ebenfalls offengelassen im BFH-Urteil vom 22. November 1979 IV R 88/76, BFHE 129, 269, BStBl II 1980, 152, sowie im BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 602 unter Bezugnahme auf Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 203; Steinhauff in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 18 Rz 217).
28
Denn die Tätigkeit der Klägerin ist schon ihrer Funktion nach nicht durch die journalistentypische „kritische Auseinandersetzung“ mit Informationen und Stellungnahmen zu den Ereignissen auf politischem, gesellschaftlichem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet geprägt, sondern durch die auf unmittelbare Verkaufsförderung nach den konkreten Vorgaben des Auftraggebers gerichtete Präsentation der jeweils vorgestellten Produkte.
29
Für eine solche Tätigkeit, deren (vereinbarter) Hauptzweck es ist, zum Nutzen des jeweiligen Auftraggebers auf dem Gebiet der Vertrauenswerbung für eine Ware oder für ein sonstiges bestimmtes Anliegen gegen Entgelt zu arbeiten, hat der BFH das Merkmal „kritische Auseinandersetzung“ als Abgrenzungsmerkmal zur ausschließlich auftraggeberorientierten und deshalb gewerblichen Werbetätigkeit bestimmt (BFH-Urteil in BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565).
30
Danach scheidet die Annahme einer freiberuflichen journalistischen Tätigkeit, bei der neben der Lieferung von Ereignisberichten die Schilderung von Zuständen politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Natur typischerweise im Mittelpunkt der Berufsarbeit steht (BFH-Urteil vom 4. Februar 1971 IV 330/65, BFHE 102, 39, BStBl II 1971, 483), dann aus, wenn Art, Form und Darstellung nicht mehr auf das Ziel ausgerichtet sind, über ein die Allgemeinheit interessierendes Thema zu berichten, sondern darauf, zum Kauf eines bestimmten, von Kunden –wie hier des Senders– hergestellten, dargestellten und beschriebenen Erzeugnisses anzureizen (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1964 IV 238/61 U, BFHE 81, 315, BStBl III 1965, 114; vom 20. Dezember 1966 IV 100/62, BFHE 88, 245, BStBl III 1967, 371; zum Kennzeichen journalistischer Tätigkeit, die Öffentlichkeit über Sachverhalte oder Vorgänge von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung zu informieren und damit zum Prozess der öffentlichen Meinungsbildung beizutragen vgl. auch Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit unter berufenet.arbeitsagentur.de/berufe sowie Deutscher Fachjournalistenverband unter www.dfjv.de/beruf/journalismus-als-beruf/berufsbild).
31
Vor diesem Hintergrund hat das FG zu Recht ungeachtet der von der Klägerin erstellten Sendepläne und Interviewleitfäden eine selbständige freiberufliche Tätigkeit der Klägerin als Werbemoderatorin mangels eigener individueller Mitgestaltung verneint (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 22. April 2008 VIII B 96/07, BFH/NV 2008, 1472; BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478).
32
Dies folgt auch –worauf das FG zu Recht hingewiesen hat– daraus, dass in den von Auftraggebern erstellten Produktbüchern zu den Shows auch die notwendig zu präsentierenden Verkaufsargumente und Produkteigenschaften festgehalten wurden. Danach konnten eigene Recherchen der Klägerin über die Produkte ersichtlich nur von untergeordneter Bedeutung sein. Denn die Produktinformationen und die teilweise sogar ausformulierten Detailbeschreibungen ließen nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG keinen Raum für eigenschöpferische Leistungen der Klägerin. Sie erhielt ihre Vergütung insbesondere nicht für eine Berichterstattung über ein die Allgemeinheit interessierendes Thema, sondern dafür, über die jeweiligen Produkte nach den Vorgaben des Auftraggebers so zu informieren, dass ein Kaufanreiz entstand. Denn der Auftraggeber bestimmte, welche Produkte wie –z.B. in Kombination mit anderen Gegenständen– in der Sendung zu präsentieren waren; die Klägerin hatte sich an diese Vorgaben zu halten.
33
d) Schließlich hat das FG zu Recht eine künstlerische Tätigkeit der Klägerin in Ausübung ihrer Tätigkeit als Werbemoderatorin verneint.
34
aa) Eine künstlerische Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG übt ein Steuerpflichtiger nach ständiger Rechtsprechung des BFH –neben weiteren Voraussetzungen– nur dann aus, wenn er eine schöpferische Leistung mit einer gewissen Gestaltungshöhe vollbringt, d.h. eine Leistung, in der seine individuelle Anschauungsweise und seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommen (BFH-Urteile vom 23. September 1998 XI R 71/97, BFH/NV 1999, 460; vom 4. November 2004 IV R 63/02, BFHE 209, 116, BStBl II 2005, 362).
35
bb) An dieser eigenschöpferischen Ausrichtung fehlt es nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall, weil der Klägerin als Moderatorin eines Verkaufssenders im Rahmen der Produktpräsentationen die vorzustellenden Produkte und der mit dem Auftritt zu erreichende Aussagewert vorgegeben waren, sodass eigenschöpferische Leistungen durch Abstrahieren oder Verfremden nur in beschränktem Ausmaß möglich waren.
36
Die Auftritte können deshalb auch nicht im Hinblick auf schauspielerische Leistungen als künstlerische Tätigkeit eingeordnet werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465 zur Gewerblichkeit eines Schauspielerauftritts als Produktnutzer zu Werbezwecken; Urteil des FG Düsseldorf vom 15. Dezember 2006  1 K 3442/06, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1316; nachgehend BFH-Beschluss vom 22. November 2007 XI B 15/07, BFH/NV 2008, 370), weil auch insoweit angesichts der Vorgaben der Auftraggeber kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
37
Denn im Streitfall standen nach den Feststellungen des FG auch insoweit der sachliche Inhalt des gesprochenen Textes nebst Verkaufsargumenten, die Eigenschaften der Produkte sowie deren körperliche Präsentation im Vordergrund, sodass das FG zu Recht im Rahmen seiner Würdigung den Vortrag der Klägerin über die Notwendigkeit der Improvisation in den Live-Interviews bei Eintritt nicht vorhersehbarer Ereignisse als nicht ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung der gewerblichen von der freiberuflichen Tätigkeit angesehen hat.

Wirksame Übermittlung einer Einkommensteuererklärung per Fax

Mit Urteil vom 8. Oktober 2014 hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass eine Einkommensteuererklärung auch wirksam per Fax an das Finanzamt (FA) übermittelt werden kann.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2007 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Über den Inhalt der von ihrer Steuerberaterin erstellten Einkommensteuererklärung 2007 hatte sich die Klägerin ausschließlich telefonisch informiert und das ihr zugefaxte Deckblatt der Erklärung unterschrieben. Die Steuerberaterin übermittelte dem FA die Steuererklärung über das ELSTER-Portal ohne Zertifizierung. Beim FA ging am 30. Dezember 2011 die hierzu gehörende komprimierte Einkommensteuererklärung ein, deren erste Seite das zugefaxte Deckblatt mit der telekopierten Unterschrift der Klägerin war. Erst im Januar 2012 unterschrieb die Klägerin erneut das Deckblatt der Erklärung an Amtsstelle. Das FA lehnte den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2007 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt.

Der BFH bestätigt die Entscheidung des FG. Eine Einkommensteuererklärung kann danach auch wirksam per Fax an das FA übermittelt werden. Denn für die Einkommensteuererklärung gilt insoweit nichts anderes als für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze, für die höchstrichterlich bereits entschieden ist, dass eine Übermittlung per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98). Durch das Erfordernis der Schriftlichkeit soll sichergestellt werden, dass Person und Inhalt der Erklärung eindeutig festgestellt werden können und dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt. Diese Zwecke werden auch bei der Übermittlung einer Einkommensteuererklärung per Fax gewahrt.

Dabei ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Inhalt der Erklärung tatsächlich in vollem Umfang zur Kenntnis genommen hat. Denn mit der auf der Erklärung geleisteten Unterschrift macht sich der Steuerpflichtige deren Inhalt zu eigen und übernimmt dafür die Verantwortung.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 1/15 vom 07.01.2015 zum Urteil VI R 82/13 vom 08.10.2014

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 8.10.2014, VI R 82/13

Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG: Eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen auf der Einkommensteuererklärung

Leitsätze

Eine Einkommensteuererklärung kann auch wirksam per Fax an das FA übermittelt werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Inhalt der Einkommensteuererklärung tatsächlich in vollem Umfang zur Kenntnis genommen hat.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob ein wirksamer Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegt, wenn die Unterschrift des Steuerpflichtigen als Telefax eingereicht wird.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2007 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
3
Die Steuerberaterin der Klägerin übermittelte dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) für das Streitjahr über das ELSTER-Portal ohne Zertifizierung eine Einkommensteuererklärung für die Klägerin. Am 30. Dezember 2011 ging beim FA die hierzu gehörende komprimierte Einkommensteuererklärung ein. Die erste Seite (Deckblatt) dieser Erklärung war eine Telekopie (Fax) mit telekopierter Unterschrift der Klägerin.
4
Vor Einreichung der Steuererklärung hatte sich die Klägerin, die urlaubsbedingt ortsabwesend war, in einem Telefonat mit ihrer Steuerberaterin über den Inhalt der Erklärung und die darin angesetzten Beträge ausgetauscht. Ohne die Erklärung in körperlicher Form gesehen zu haben, hatte sie sich im Anschluss an dieses Telefonat mit der Einreichung der Erklärung beim FA einverstanden erklärt und zu diesem Zweck das ihr daraufhin zugefaxte Deckblatt der Erklärung unterschrieben.
5
Am 24. Januar 2012 unterschrieb die Klägerin erneut ein Deckblatt der Erklärung an Amtsstelle. Das FA lehnte den Antrag der Klägerin auf Veranlagung zur Einkommensteuer wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab.
6
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage beantragte die Klägerin, das FA zur Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr zu verpflichten.
7
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 2017 veröffentlichten Gründen statt.
8
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
9
Es beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

10
Die Klägerin beantragt,

 

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11
II. Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet, für 2007 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen.
12
1. Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150) nur durchgeführt, wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG).
13
2. Das Einkommensteuergesetz enthält keine Definition des Begriffs der Einkommensteuererklärung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verknüpft § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG aber die Wirksamkeit des Antrags auf Veranlagung mit den Anforderungen an eine formal wirksame Einkommensteuererklärung. Liegt eine ordnungsgemäße Einkommensteuererklärung vor, ist die Finanzbehörde deshalb verpflichtet, die Einkommensteuerveranlagung durchzuführen. Fehlt es daran, so ist der Antrag nicht wirksam gestellt (Senatsbeschluss vom 22. Mai 2006 VI R 49/04, BFHE 213, 508, BStBl II 2006, 808, m.w.N.).
14
Nach § 25 Abs. 3 EStG muss die Einkommensteuererklärung eigenhändig unterschrieben sein. Eigenhändigkeit der Unterschrift bedeutet, dass sie „von der Hand“ des Antragstellers bzw. des Steuerpflichtigen stammen muss (Senatsurteil vom 7. November 1997 VI R 45/97, BFHE 184, 381, BStBl II 1998, 54). Eine Blankounterschrift genügt diesen Anforderungen nicht. Denn die im bürgerlichen Recht zu § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entwickelten Grundsätze, nach denen Blankounterschriften zur Wahrung der Schriftform ausreichen, lassen sich weder unmittelbar noch analog auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung von Steuererklärungen übertragen. Dies folgt aus § 150 Abs. 2 und 3 der Abgabenordnung (AO), wonach abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage nicht nur eine Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung durch den Bevollmächtigten grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern der Steuerpflichtige auch persönlich schriftlich versichern muss, dass er die Angaben in der Einkommensteuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. Dementsprechend soll der Steuerpflichtige grundsätzlich erkennbar, d.h. durch seine eigenhändige Unterschrift, die Verantwortung für die tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung übernehmen. Darüber hinaus soll durch die unmittelbar auf dem Erklärungsvordruck geleistete Unterschrift sichergestellt werden, dass sich der Steuerpflichtige über die Lückenlosigkeit und Richtigkeit der ggf. von einer dritten Person, insbesondere seinem steuerlichen Berater, vorgenommenen Eintragungen und den Umfang der im Vordruck vorgesehenen Angaben vergewissern kann (Senatsurteile vom 8. Juli 1983 VI R 80/81, BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13; vom 20. Januar 1984 VI R 16/82, BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436, und VI R 15/82, juris; vom 10. Oktober 1986 VI R 208/83, BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77). Unter Heranziehung dieser Erwägungen hat der Senat bereits entschieden, dass eine eigenhändige Unterschrift dann nicht vorliegt, wenn der Steuerpflichtige auf einem Unterschriftsstreifen unterschreibt, der vom steuerlichen Berater nach Erstellung der Erklärung auf die für die Unterschriftsleistung vorgesehene Stelle des amtlichen Vordrucks für den Lohnsteuer-Jahresausgleich oder die Einkommensteuererklärung geklebt wird (Senatsurteil in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13). Der erkennende Senat hat des Weiteren klargestellt, dass es an einer eigenhändigen Unterschrift auch dann fehlt, wenn bei Verwendung von unterschriebenen Unterschriftszetteln dem Steuerpflichtigen vor Absendung der Steuererklärung an das FA eine „Vorausberechnung“ seines Steuerberaters, aus der die Besteuerungsgrundlagen ersichtlich sind, zugegangen ist, mit der Aufforderung, dem Steuerberater etwaige Änderungen unverzüglich mitzuteilen (Senatsurteil in BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436).
15
3. Die innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist eingegangene Einkommensteuererklärung der Klägerin ist wirksam. Sie stimmt mit der im ELSTER-Verfahren erzeugten komprimierten Einkommensteuererklärung überein und ist damit, wie § 150 Abs. 1 Satz 1 AO fordert, nach amtlichem Vordruck abgegeben worden. Sie enthält auch –was zwischen den Beteiligten nicht in Streit ist– die für die Durchführung der Veranlagung erforderlichen Mindestangaben (Auskunft über den Besteuerungstatbestand und seine Bemessungsgrundlagen, vgl. Senatsbeschluss in BFHE 213, 508, BStBl II 2006, 808; Senatsurteile vom 10. Juli 1987 VI R 160/86, BFHE 150, 543, BStBl II 1987, 827; vom 15. März 1974 VI R 108/71, BFHE 112, 345, BStBl II 1974, 590). Die Erklärung ist ferner eigenhändig unterschrieben. Denn es liegt eine Unterschrift „von der Hand“ der Klägerin vor. Dem steht nicht entgegen, dass das unterschriebene Deckblatt der Erklärung beim FA als Faxkopie eingereicht wurde. Denn sowohl die Steuererklärung als auch die Unterschrift des Steuerpflichtigen können per Fax an das FA übermittelt oder in Faxkopie beim FA vorgelegt werden. Das Formerfordernis des § 25 Abs. 3 EStG wird hierdurch gewahrt.
16
a) Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, m.w.N.). Dies gilt für Klagen und Rechtsmittel (vgl. BFH-Beschluss vom 26. März 1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463, m.w.N.) sowie im finanzgerichtlichen Verfahren für die Einreichung der Prozessvollmacht, wenn hierfür eine Ausschlussfrist gesetzt wurde (BFH-Urteil vom 19. Januar 1989 IV R 21-23/87, BFHE 156, 350, BStBl II 1989, 567, m.w.N.).
17
Für die Abgabe der Einkommensteuererklärung mit der hierfür erforderlichen Unterschrift kann nichts anderes gelten. Denn zum einen gehört zum Erfordernis der Schriftform auch die eigenhändige Unterschrift unter dem Schriftstück (BFH-Urteil vom 10. März 1982 I R 91/81, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Zum anderen treffen die Gründe für das Erfordernis der Schriftlichkeit fristgebundener Erklärungen auch auf die Einkommensteuererklärung zu. Nach ständiger Rechtsprechung soll das Schriftlichkeitserfordernis, soweit es durch prozessrechtliche Vorschriften zwingend gefordert ist, gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung und die erklärende Person hinreichend zuverlässig festgestellt werden können. Des Weiteren soll das aus dem Schriftformerfordernis abgeleitete Gebot einer Unterschrift des Erklärenden sicherstellen, dass das Schriftstück keinen Entwurf betrifft, sondern mit Wissen und Wollen des Erklärenden an das Gericht gesandt wurde (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, BGHZ 75, 340, BVerwGE 58, 359; BFH-Urteil vom 22. Juni 2010 VIII R 38/08, BFHE 230, 115, BStBl II 2010, 1017, m.w.N.). Dieselben Zwecke verfolgen die Formerfordernisse der Steuererklärung nach § 25 Abs. 3 EStG. Auch hier soll sichergestellt werden, dass Person und Inhalt der Erklärung eindeutig festgestellt werden können und dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt. So soll vermieden werden, dass Einkommensteuererstattungen von Nichtberechtigten beansprucht und falsche Erklärungen ohne Wissen und Wollen des Steuerpflichtigen abgegeben werden können. Ferner soll –wie bereits unter 2. ausgeführt– durch die eigenhändige Unterschrift sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige die Verantwortung für die Angaben in der Steuererklärung übernimmt und sich über deren Lückenlosigkeit und Richtigkeit vergewissern kann (Senatsurteile in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13; in BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436; in BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77). Diese Zwecke werden aber auch dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige die Einkommensteuererklärung unterschreibt und sie per Telefax an das FA schickt. So sind hierbei etwa Inhalt und Urheberschaft gleichermaßen anhand der gemachten Angaben eindeutig erkennbar (vgl. FG München, Urteil vom 1. Dezember 1994  10 K 1427/94, juris; FG Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2003  1 K 57/02, EFG 2003, 777; im Ergebnis auch Schmidt/Seeger, EStG, 33. Aufl., § 25 Rz 6; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 25 Rz 10; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 150 AO Rz 6; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 150 AO Rz 34). An die Abgabe einer Einkommensteuererklärung höhere Formanforderungen zu stellen als an bestimmende Schriftsätze, wäre nicht gerechtfertigt.
18
b) Unerheblich ist, ob die Klägerin tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Steuererklärung genommen oder ob ihr die Erklärung auch tatsächlich vorgelegen hat. Denn auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hat sie sich gleichwohl mit ihrer Unterschrift auf der Erklärung deren Inhalt zu eigen gemacht und die Verantwortung dafür übernommen. Diese Ungewissheit über den Umfang der Kenntnis des Steuerpflichtigen ist im Übrigen bei jeder Steuererklärung mit diversen Anlagen, aber einer nur einmal geforderten Unterschrift gegeben und ist auch im ELSTER-Programm angelegt, das bei der komprimierten Einkommensteuererklärung die Unterschrift des Steuerpflichtigen nur auf Seite 1 des Deckblatts vorsieht. Entscheidend ist, dass der die Unterschrift tragende Teil der Steuererklärung der eingereichten Steuererklärung insgesamt eindeutig zugeordnet werden kann. Dies unterliegt vorliegend aufgrund der sich deckenden Angaben in der Faxkopie des Deckblatts sowie der übrigen Erklärung mit der elektronisch übermittelten Steuererklärung keinem Zweifel.
19
c) Mit diesem Auslegungsergebnis setzt sich der erkennende Senat nicht zur BFH-Rechtsprechung betreffend Investitionszulagenanträge (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1998 III R 101/96, BFH/NV 1999, 967, und III R 87/96, BFHE 188, 182, BStBl II 1999, 313, und BFH-Beschluss vom 24. Juli 2003 III B 78/02, BFH/NV 2003, 1610) in Widerspruch. Denn diesbezüglich stand –anders als im Streitfall– die steuerstrafrechtliche Verantwortung des Steuerpflichtigen für den Inhalt des von ihm gestellten Antrags im Vordergrund.

Bundesregierung beschließt Aktienrechtsnovelle 2014

Klares Signal zur Bekämpfung von Terrorfinanzierung und Geldwäsche

Die Bundesregierung hat am 07.01.2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) beschlossen. Der von dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Gesetzentwurf setzt mit der Neuregelung der Ausgabe von Inhaberaktien ein deutliches Zeichen für eine effektive Bekämpfung von Terrorfinanzierung und Geldwäsche.

Dazu der Bundesjustizminister Heiko Maas: „Wir wollen die Beteiligungsstrukturen von nicht börsennotierten Aktiengesellschaften transparenter machen. Dieser Schritt ist notwendig, damit die zuständigen Ermittlungsbehörden bei Geldwäschedelikten über eine brauchbare Spur zur Ermittlung der Identität der Aktionäre verfügen. Das ist auch ein klares Signal zur noch besseren Bekämpfung von Terrorfinanzierung und Geldwäsche. Mit der Neuregelung kommen wir einer Forderung der Financial Action Task Force nach.“

Bei der Financial Action Task Force (FATF) – einer zwischenstaatlichen Organisation mit dem Ziel der effektiven Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, deren Mitglied die Bundesrepublik Deutschland ist – steht die deutsche Inhaberaktie bei nicht börsennotierten Unternehmen im Verdacht, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu begünstigen. Denn bisher ist es möglich, dass Änderungen im Gesellschafterbestand verborgen bleiben und die Gesellschaft nicht weiß, wer ihre Aktionäre sind. Dieser Verdacht trifft börsennotierte Unternehmen nicht, da diese bereits der engmaschigen kapitalmarktrechtlichen Beteiligungspublizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz unterliegen.

Als Lösung sieht der Gesetzentwurf vor, dass nicht börsennotierte Gesellschaften Inhaberaktien zukünftig nur ausgeben dürfen, wenn der Anspruch des Aktionärs auf Einzelverbriefung der Aktien ausgeschlossen und die Sammelurkunde über die Aktien bei einer regulierten Stelle hinterlegt wird. Man nennt das „Immobilisierung“ der Inhaberaktie – Übertragungsvorgänge sind durch entsprechende Kontenbuchungen nachvollziehbar und die zuständigen Ermittlungsbehörden können über die Ermittlungsspur „Wertpapiersammelbank“ bei Geldwäschedelikten regelmäßig über die Verwahrkette die Identität der Aktionäre ermitteln. Das Wahlrecht der nicht börsennotierten Gesellschaft zwischen Namens- und Inhaberaktien bleibt dabei gewahrt.

Zudem bringt die Aktienrechtsnovelle 2014 lang erwartete Verbesserungen im Aktienrecht. Neben zahlreichen nicht unbedeutenden, aber eher technischen Änderungen und Klarstellungen, die der Praxis das Leben erleichtern werden, ziehen wir auch die nötigen Lehren aus der Finanzkrise 2008 und gehen Hand in Hand mit der Finanzmarktregulierung:

  • Der Gesetzentwurf ermöglicht es den Aktiengesellschaften, sog. umgekehrte Wandelschuldverschreibungen auszugeben. Bislang sieht das Gesetz nur ein Wandlungsrecht der Anleihegläubiger vor. Künftig soll auch die Gesellschaft diese Möglichkeit haben. In der Krise erleichtert das den Unternehmen und insbesondere in Not geratenen Kreditinstituten eine Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital wesentlich.
  • Zudem soll die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne zwingenden Nachzahlungsanspruch auf ausgefallene Dividenden ermöglicht werden. Das erleichtert den Kreditinstituten die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Eigenkapitalvorgaben.

Quelle: BMJV, Pressemitteilung vom 07.01.2015

 

Entlastung kleiner Unternehmen bei der Rechnungslegung und neue Berichtspflichten im Rohstoffsektor

Die Bundesregierung hat am 07.01.2015 den Entwurf für ein Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz beschlossen. Mit dem von dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Gesetzentwurf, sollen kleinere Unternehmen von Vorgaben der Rechnungslegung entlastet werden.

Zudem sieht der Entwurf neue Berichtspflichten für bestimmte große Unternehmen des Rohstoffsektors über ihre Zahlungen an staatliche Stellen vor.

Dazu erklärt Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas:

„Wir wollen kleinere Unternehmen von bestimmten übermäßigen Anforderungen im Handelsbilanzrecht entlasten. Gerade diese Unternehmen brauchen Freiräume für die Entwicklung ihres Kerngeschäfts und keine unnötigen bürokratischen Hürden. Deshalb wollen wir die neuen Spielräume bei der Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie so weit wie möglich ausschöpfen. Künftig sollen deutlich mehr Unternehmen als bisher Erleichterungen und Befreiungen von den Vorgaben der Rechnungslegung nutzen können. Dies wird insgesamt zu einer Entlastung der Wirtschaft um jährlich rund 87 Mio. Euro führen.

Für größere Unternehmen des Rohstoffsektors wollen wir neue Berichtspflichten einführen. Diese Unternehmen sollen künftig ihre Zahlungen an alle staatlichen Stellen weltweit offenlegen. Die Zahlungsberichte werden die Verantwortlichkeit der Rohstoffindustrie stärken und die Einnahmen insbesondere ressourcenreicher Entwicklungs- und Schwellenländer sichtbar machen. Die neuen Transparenzanforderungen leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung und unterstützen eine gute Regierungsführung in diesen Ländern.“

Der Gesetzentwurf sieht insbesondere folgende Regelungen vor:

  • Ausweitung des Kreises der kleinen Kapitalgesellschaften durch erhebliche Anhebung der Schwellenwerte: Wir nutzen die Spielräume der neuen EU-Bilanzrichtlinie und erhöhen die Schwellenwerte (Bilanzsumme und Umsatzerlöse) für die Abgrenzung kleiner und mittelgroßer Kapitalgesellschaften um die maximal möglichen ca. 20 Prozent (nunmehr: Bilanzsumme 6 Mio. Euro, Umsatzerlöse 12 Mio. Euro). In Zukunft werden damit mehr Unternehmen bilanzielle Erleichterungen und Befreiungen in Anspruch nehmen können als heute. Gleichzeitig werden die Schwellenwerte für die Abgrenzung mittelgroßer und großer Kapitalgesellschaften sowie für die Konzernrechnungslegung entsprechend den Richtlinienvorgaben auf 20 Mio. Euro (Bilanzsumme) und 40 Mio. Euro (Umsatzerlöse) leicht erhöht. Damit können künftig mehr Unternehmen als bisher die Erleichterungen für die jeweils kleinere Größenklasse nutzen.
  • Straffung und Harmonisierung der bilanzrechtlichen Vorgaben: Für kleine Kapitalgesellschaften wird der Katalog der Mindestangaben im Anhang zum Jahresabschluss reduziert.
  • Entlastung von Kleinstgenossenschaften: Für Genossenschaften, die zwei der drei Schwellenwerte (Bilanzsumme 350.000 Euro, Umsatzerlöse 700.000 Euro, im Jahresdurchschnitt 10 Beschäftigte) nicht überschreiten, werden die bereits für vergleichbare Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) bestehenden Erleichterungen eingeführt.
  • Neue Berichtspflichten im Rohstoffsektor: Erstmalig werden große Unternehmen, die Erdöl, Erdgas, Kohle, Salze oder Erze fördern, Steine oder Erden abbauen oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben, verpflichtet, jährlich über ihre wesentlichen Zahlungen an staatliche Stellen zu berichten und die Berichte zu veröffentlichen. Erfasst werden alle Staaten, in denen große deutsche Kapitalgesellschaften selbst oder durch ihre Tochterunternehmen Rohstoffe gewinnen. Berichtspflichtig sind Kapitalgesellschaften, die „groß“ im bilanzrechtlichen Sinne sind (zwei von drei Schwellenwerten überschritten – Bilanzsumme 20 Mio. Euro, Umsatzerlöse 40 Mio. Euro, 250 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt). Berichtspflichtig sind auch alle kapitalmarktorientierten (vor allem börsennotierten) Unternehmen. Die Berichte müssen erkennen lassen, welche Zahlungen das Unternehmen bzw. der Konzern an jede einzelne staatliche Stelle weltweit geleistet hat und auf welches Projekt und welchen Zahlungsgrund (z. B. Steuern oder Konzessionsgebühren) die Zahlung gestützt ist.

Quelle: BMJV, Pressemitteilung vom 07.01.2015

 

Betriebliche Fahrten mit einem vom Arbeitgeber überlassenen Fahrzeug: Kein Betriebsausgabenabzug

Betriebliche Fahrten mit einem vom Arbeitgeber überlassenen Fahrzeug: Kein Betriebsausgabenabzug

Wird einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ein Fahrzeug überlassen, das sowohl für Privatfahrten als auch im Rahmen eines Gewerbebetriebs genutzt wird, sind die Fahrtkosten nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das hat das Finanzgericht Münster entschieden.

Hintergrund
Der Kläger war als Unternehmensberater tätig und erzielte sowohl Arbeitslohn als auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Arbeitgeber stellte dem Kläger einen Pkw zur Verfügung, die private Nutzung war erlaubt. Diese wurde nach der sog. 1 %-Regelung versteuert. Weil der Kläger das Fahrzeug auch für betriebliche Fahrten im Rahmen seines Gewerbebetriebs nutzte, machte er einen Teil des Sachbezugswerts als Betriebsausgaben in Form eines „fiktiven Aufwands“ geltend. Diesen Aufwand berücksichtigte das Finanzamt nicht. Die Begründung: Für die betriebliche Nutzung ist kein entsprechender Vorteil angesetzt worden.

Entscheidung
Das Finanzgericht versagte dem Kläger ebenfalls den Betriebsausgabenabzug und wies die Klage ab. Da nicht der Kläger die Kosten für das Fahrzeug getragen hat, sondern der Arbeitgeber, scheidet ein Betriebsausgabenabzug aus. Als fiktiver Aufwand kann der als Arbeitslohn erfasste Sachbezug ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Die 1 %-Regelung umfasst nur die Privatnutzung, nicht aber die Nutzung in einem Betrieb des Arbeitnehmers. Ein betrieblicher Verbrauch des Nutzungsvorteils kann einzig in Betracht kommen, wenn dafür eine zusätzliche Einnahme versteuert worden ist.

Ertragsteuerliche Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und von Reisekosten

unter Berücksichtigung der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 – Anwendung bei der Gewinnermittlung

Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 285, BStBl I S. 188) wurde die Abziehbarkeit von Reisekosten als Betriebsausgaben geändert. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die ertragsteuerliche Beurteilung von Reisekosten ab dem 1. Januar 2014 Folgendes:

  1. Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte
    1. Begriffsbestimmung Betriebsstätte

      Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG sind keine Reisekosten. Ihr Abzug richtet sich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nach den Regelungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 bis 6 EStG zur Entfernungspauschale. Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften im Regelungsbereich beider Vorschriften weicht der Begriff der Betriebsstätte vom Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab. Unter Betriebsstätte ist die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d. h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i. S. d. Rdnr. 3 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014 (IV C 5 – S-2353 / 14 / 10002, LEXinform 5235256) des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt wird. Eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist – im Unterschied zur Geschäftseinrichtung i. S. d. § 12 Satz 1 AO – nicht erforderlich.

      Rz 1 Dauerhaftigkeit liegt vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstätte unbefristet, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt werden soll. Für die Prognose der voraussichtlichen Dauer kann auf die Dauer des Auftragsverhältnisses abgestellt werden. Wird das Auftragsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt verlängert, ist die Prognoseentscheidung für zukünftige Zeiträume neu zu treffen; bereits vergangene Tätigkeitszeiträume sind bei der Prüfung des 48-Monatszeitraums nicht mit einzubeziehen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse, wie etwa Krankheit, politische Unruhen am Tätigkeitsort, Insolvenz des Kunden o. ä. von der ursprünglichen Prognose ab, bleibt die zuvor getroffene Prognoseentscheidung für die Vergangenheit bezüglich des Vorliegens einer Betriebsstätte maßgebend.

      Rz 2 Ein häusliches Arbeitszimmer ist keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Der Steuerpflichtige kann an mehreren Betriebsstätten tätig sein; für jeden Betrieb kann jedoch höchstens eine ortsfeste betriebliche Einrichtung Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (erste Betriebsstätte) sein.

      Rz 3 Als Betriebsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die vom Steuerpflichtigen aus betrieblichem Anlass zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitlichen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.

    2. Erste Betriebsstätte

      Rz 4 Übt der Steuerpflichtige seine betriebliche Tätigkeit an mehreren Betriebsstätten aus, ist die erste Betriebsstätte anhand quantitativer Merkmale zu bestimmen. Nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ist danach erste Betriebsstätte die Tätigkeitsstätte, an der der Steuerpflichtige dauerhaft typischerweise (im Sinne eines Vergleichs mit einem Arbeitnehmer) arbeitstäglich oder je Woche an zwei vollen Arbeitstagen oder mindestens zu einem Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden will. Treffen diese Kriterien auf mehrere Tätigkeitsstätten zu, ist die der Wohnung des Steuerpflichtigen näher gelegene Tätigkeitsstätte erste Betriebsstätte (entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 7 EStG). Die Fahrten zu weiter entfernt liegenden Tätigkeitsstätten sind als Auswärtstätigkeiten zu beurteilen.

      Beispiel 1
      Der Steuerpflichtige wohnt in A und betreibt in B ein Einzelunternehmen, das er arbeitstäglich z. B. während der Öffnungszeiten aufsucht. Bei den Fahrten handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte; die Aufwendungen sind in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben abziehbar.

      Beispiel 2
      Der Steuerpflichtige wohnt in A und betreibt ein Einzelunternehmen mit Filialen in B (Entfernung zur Wohnung 15 km) und C (Entfernung zur Wohnung 10 km), die Filiale in B sucht er arbeitstäglich z. B. während der Öffnungszeiten auf, die Filiale in C nur einmal wöchentlich. Erste Betriebsstätte nach Rdnr. 5 ist die Filiale in B. Bei den Fahrten handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte; der Abzug der Aufwendungen richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale). Die Betriebsstätte in C ist keine erste Betriebsstätte; die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte in C sind wie auch die Aufwendungen für die Fahrten zwischen den Betriebsstätten in voller Höhe abziehbar.

      Beispiel 3
      Der Steuerpflichtige wohnt in A und betreibt ein Einzelunternehmen mit Filialen in B (Entfernung zur Wohnung 15 km) und C (Entfernung zur Wohnung 10 km), die er beide arbeitstäglich z. B. während der Öffnungszeiten aufsucht. Erste Betriebsstätte nach Rdnr. 5 ist die Filiale in C. Bei den Fahrten zur Betriebsstätte in C handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte; der Abzug der Aufwendungen richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale). Die Betriebsstätte in B ist keine erste Betriebsstätte; die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte in B sind wie auch die Aufwendungen für die Fahrten zwischen den Betriebsstätten in voller Höhe abziehbar.

      Beispiel 4
      Der Steuerpflichtige wohnt in A und bereitet in seinem häuslichen Arbeitszimmer seine Dozententätigkeit vor, die er in den Volkshochschulen in B (Entfernung zur Wohnung 15 km) und C (Entfernung zur Wohnung 10 km) ausübt. Die Volkshochschule in B sucht er an drei Tagen und die in C an zwei Tagen auf. Die Tätigkeiten beruhen auf unterschiedlichen unbefristeten Auftragsverhältnissen. Liegen die Kriterien des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG für beide Tätigkeitsstätten vor, ist die der Wohnung näher gelegene Tätigkeitsstätte C als erste Betriebsstätte zu beurteilen. Die Aufwendungen für die Fahrten nach C sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale), die Fahrten nach B in voller Höhe abziehbar.

      Beispiel 5
      Der Steuerpflichtige wohnt in A und ist als Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen tätig. Bei der Fa. XY in B wird ihm ein Büro zur Verfügung gestellt, das er an zwei vollen Tagen wöchentlich nutzt. Das Auftragsverhältnis ist unbefristet. Die Bürotätigkeiten für die übrigen Auftraggeber wickelt er in seinem häuslichen Arbeitszimmer ab. Da das Büro in der Fa. XY eine Betriebsstätte des A i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG darstellt und der Steuerpflichtige dort dauerhaft i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG tätig wird, sind die Fahrten dorthin als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte zu beurteilen und die Aufwendungen nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) abziehbar.

      Beispiel 6
      Der Steuerpflichtige ist als Versicherungsmakler tätig und erledigt in seinem häuslichen Arbeitszimmer die anfallenden Bürotätigkeiten. Die Beratungsleistungen erbringt er regelmäßig beim Kunden. Der Steuerpflichtige hat keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG.

      Beispiel 7 (Bildungseinrichtung)
      Der Steuerpflichtige strebt eine selbständige Tätigkeit als Heilpraktiker an und besucht zur Vorbereitung der amtlichen Heilpraktikerprüfung für sechs Monate eine vollzeitige Heilpraktikerschule. Die Fahrten zur Heilpraktikerschule sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar (entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG; vgl. Rdnr. 4).

    3. Keine erste Betriebsstätte

      Rz 5 Eine Tätigkeitsstätte muss nicht Betriebsstätte sein. Wird der Steuerpflichtige typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten, die keine Betriebsstätten sind, oder an einer nicht ortsfesten betrieblichen Einrichtung (z. B. Fahrzeug, Flugzeug, Schiff) betrieblich tätig, sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

      Beispiel 8
      Der Steuerpflichtige erbringt Bauleistungen bei wechselnden Kunden. Die Büroarbeiten erledigt er im häuslichen Arbeitszimmer. Der Steuerpflichtige hat keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Die Aufwendungen für die Fahrten zu den Kunden oder zu deren Baustellen sind unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

      Rz 6 Hat der Steuerpflichtige keine erste Betriebsstätte und sucht er nach den Auftragsbedingungen dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet (vgl. hierzu Rdnrn. 40 bis 43 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014, a. a. O., und BFH vom 29. April 2014, BStBl II S. 777) typischerweise täglich auf, sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und diesem Ort oder die Fahrten zwischen der Wohnung und dem nächst gelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar (vgl. Rdnrn. 1 und 2). Rdnr. 5 ist beim Vorliegen mehrerer dauerhafter Auftragsverhältnisse oder weiträumiger Tätigkeitsgebiete entsprechend anzuwenden.

      Beispiel 9
      Der Steuerpflichtige ist selbständiger Paketzusteller und als Subunternehmer eines Paketdienstes tätig. Das zeitlich unbefristete Auftragsverhältnis mit dem Paketdienst sieht vor, dass der Paketzusteller den Zustellbezirk Landkreis B übernimmt. Der Paketzusteller wohnt in A, das 5 km von der Landkreisgrenze entfernt liegt. Der Lieferwagen wird auf dem Wohngrundstück abgestellt. Die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung in A zum Zustellbezirk Landkreis B (5 km) sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar. Die Aufwendungen für die Fahrten innerhalb des Zustellbezirks sind in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar.

  2. Reisekosten

    Rz 8 Die lohnsteuerlichen Regelungen zu den Reisekosten sind bei der Gewinnermittlung sinngemäß, unter Beachtung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG, anzuwenden. Reisekosten sind Fahrtkosten, Mehraufwendungen für Verpflegung, Übernachtungskosten und Reisenebenkosten.

    Rz 9 Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nur dann als Betriebsausgaben abziehbar, wenn der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig wird. Der Begriff des Mittelpunktes der dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG entspricht dem Begriff der ersten Betriebsstätte (vgl. Rdnrn. 1 bis 5).

    Rz 10 Der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen ist nach § 9 Abs. 4a EStG zu bestimmen. Nach Satz 6 ist der Abzug auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt (vgl. Rdnrn. 52 ff. des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014, a. a. O.)

    Beispiel 10
    Der Steuerpflichtige besucht eine eintägige Tagung. In der Mittagspause nimmt er in einem Restaurant eine Mahlzeit ein. Die Abwesenheit von der Wohnung und der ersten Betriebsstätte beträgt 9 Stunden. Dem Steuerpflichtigen steht zur Abgeltung seiner tatsächlich entstandenen betrieblich veranlassten Aufwendungen eine Verpflegungspauschale nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 i. V. m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG von 12 Euro zu. Ein Abzug der tatsächlichen Verpflegungskosten als Betriebsausgabe ist nicht zulässig.

    Rz 11 Wird durch Zahlungsbelege nur ein Gesamtpreis für Unterkunft und Verpflegung oder neben der Beherbergungsleistung nur ein Sammelposten für Nebenleistungen einschließlich Verpflegung nachgewiesen und lässt sich der Preis für die Verpflegung deshalb nicht feststellen (z. B. Tagungspauschale), so ist dieser Gesamtpreis zur Ermittlung der Übernachtungs- oder Reisenebenkosten zu kürzen. Als Kürzungsbeträge sind dabei

    – für Frühstück 20 Prozent,
    – für Mittag- und Abendessen jeweils 40 Prozent

    der für den Unterkunftsort maßgebenden Verpflegungspauschale bei einer Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheitsdauer von 24 Stunden anzusetzen.

    Beispiel 11
    Im Rahmen einer betrieblich veranlassten Auswärtstätigkeit übernachtet der Steuerpflichtige im Hotel. Das Hotel stellt (netto) 100 Euro für die Übernachtung und zusätzlich (netto) 22 Euro für ein Business- oder Servicepaket (inkl. Frühstück) in Rechnung. Der Steuerpflichtige kann für den An- und Abreisetag jeweils eine Verpflegungspauschale von 12 Euro als Betriebsausgabe abziehen. Daneben können die Übernachtungskosten i. H. v. 100 Euro und die Aufwendungen für das Business- oder Servicepaket i. H. v. 17,20 Euro (22 Euro abzgl. 4,80 Euro) abgezogen werden. Der Kostenanteil für das Frühstück (anzusetzen mit 4,80 Euro) ist vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen und mit der Verpflegungspauschale abgegolten.

    Rz 12 Die Verpflegungspauschalen sind nicht nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen, wenn von dritter Seite Mahlzeiten unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung gestellt werden oder wenn der Steuerpflichtige anlässlich einer betrieblich veranlassten Reise Bewirtungsaufwendungen i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG trägt.

  3. Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung

    Rz 13 Die für den Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern geltenden Regelungen zu den Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung sind dem Grunde und der Höhe nach entsprechend anzuwenden. Zu den Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung zählen Fahrtkosten aus Anlass der Wohnungswechsel zu Beginn und am Ende der doppelten Haushaltsführung sowie für wöchentliche Heimfahrten an den Ort des eigenen Hausstandes oder Aufwendungen für wöchentliche Familien-Ferngespräche, Verpflegungsmehraufwendungen, Aufwendungen für die Zweitwohnung und Umzugskosten.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2145 / 10 / 10005 :001 vom 23.12.2014

 

Nebenberufliche Dienstleistung im Wellness- und Schönheitsbereich: Kein Gewinn, keine gewerbliche Tätigkeit

Nebenberufliche Dienstleistung im Wellness- und Schönheitsbereich: Kein Gewinn, keine gewerbliche Tätigkeit

Dienstleistungen im Wellness- bzw. Schönheitsbereich, die nur nebenberuflich angeboten werden und über Jahre keine Gewinne abwerfen, stellen keine gewerblichen Tätigkeiten dar.

Hintergrund
Die Klägerin ist Bankkauffrau und war in diesem Beruf zunächst in Vollzeit und danach in Teilzeit nichtselbstständig beschäftigt. Zum 1.11.1995 hatte sie ein Gewerbe angemeldet und verschiedene Dienstleistungen rund um Gesundheit, Wellness und Schönheit angeboten (u. a. Schönheitspflege, Bodyforming- und Nagelstudio, Vertrieb von Kosmetik und Modeschmuck, Feng Shui, Qi Gong und Reiki). In den Jahren 1995 bis 2003 erwirtschaftete sie ohne Ausnahme Verluste (insgesamt fast 100.000 EUR). Erst ab 2004 stellten sich (geringfügige) Gewinne ein.

Das Finanzamt hatte die Verluste vorläufig anerkannt. Im Jahr 2005 versagte es den Verlustabzug endgültig. Der Grund: Bei den Nebenerwerbstätigkeiten der Klägerin handelt es sich um sog. Liebhaberei.

Entscheidung
Auch das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb wegen Liebhaberei nicht anzuerkennen sind.

Die in den Streitjahren ausgeübten Einzeltätigkeiten (Nageldesign, Sonnenstudio, Bodyforming, Feng Shui, Qi Gong usw.) sind jeweils gesondert für sich zu betrachten, und zwar u. a. deshalb, weil sie völlig unterschiedliche Kundenkreise bzw. Bedürfnisse ansprechen. Die steuerliche Berücksichtigung der Verluste scheitert deshalb zum einen daran, dass die Klägerin ihre Betriebsergebnisse nicht gesondert nach der jeweiligen Aktivität ermittelt hat. Vielmehr hat sie nicht danach differenziert, welche Ausgaben mit welchen Einnahmen in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang standen.

Zum anderen sind die Verluste auf die Art der Betriebsführung zurückzuführen. Für ihre Nebentätigkeiten hatte die Klägerin nur ein kleines Zeitfenster zur Erzielung von Umsätzen zur Verfügung, sodass sie nur geringe Erlöse erzielen konnte. Hinzu kommt, dass die Klägerin ihre Dienstleistungen nicht von einem Geschäftslokal aus (mit Schaufenster usw.) angeboten hat, sondern von Zuhause bzw. angemieteten Wohnräumen aus; wegen der abgelegen Lagen war die Gewinnung von Kundschaft kaum möglich gewesen. Darüber hinaus fehlte ein schlüssiges Betriebskonzept, wie mit den angebotenen Dienstleistungen Gewinne erzielen lassen.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin