EU-Kommission fordert fünf Mitgliedstaaten zur Anwendung wesentlicher EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung auf

Die Kommission hat am 20.06.2013 Belgien, Griechenland, Finnland (Provinz Åland), Italien und Polen mit Gründen versehene Stellungnahmen übermittelt, in denen sie diese Länder auffordert, ihr die Umsetzung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden in nationales Recht zu melden.

Mit dieser Richtlinie sollen Transparenz, Informationsaustausch und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die grundlegende Instrumente zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung sind (siehe IP/12/1376), verbessert und verstärkt werden. Die Mitgliedstaaten sind rechtlich verpflichtet, die Richtlinie seit dem 1. Januar 2013 anzuwenden. Belgien, Finnland (in Bezug auf die Provinz Åland), Griechenland, Italien und Polen haben die Kommission noch nicht über die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht unterrichtet.

Erhält die Kommission binnen zweier Monate keine zufriedenstellende Antwort, kann sie diese fünf Mitgliedstaaten beim Gerichtshof der EU verklagen.

Hintergrund

Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden enthält zahlreiche Bestimmungen, die für die wirkungsvolle Aufspürung von Steuerhinterziehung durch die nationalen Verwaltungen entscheidend sind. Sie verhindert, dass Mitgliedstaaten Auskunftsersuchen ablehnen mit der Begründung, dass sich die Daten im Besitz eines Finanzinstituts befinden. Sie legt klare Fristen für den spontanen Informationsaustausch (bei mutmaßlicher Steuerhinterziehung) und für den Informationsaustausch auf Ersuchen fest. Außerdem sieht sie Standardformblätter, elektronische Formate und Standardverfahren vor, um Qualität und Geschwindigkeit des Datenaustauschs zwischen den nationalen Behörden zu verbessern.

Zudem wird der automatische Austausch von Informationen zwischen Steuerbehörden im Rahmen der Richtlinie in Zukunft erheblich ausgedehnt. Gemäß der bereits erlassenen Richtlinie werden ab 1. Januar 2015 automatisch Informationen über Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, Eigentum an unbeweglichem Vermögen, Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälter und Lebensversicherungsprodukte ausgetauscht.

Am 12. Juni schlug die Kommission eine Änderung der Richtlinie vor, um den automatischen Informationsaustausch auf andere Einkunfts- und Vermögensarten auszudehnen (siehe IP/13/530).

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.06.2013

EU-Richtlinienvorschlag zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen

Die WPK hinterfragt die Prüfbarkeit verschiedener neuer Lageberichtsangaben in Bezug auf Umwelt, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte, Antikorruptionsmaßnahmen und Bestechungsaspekte und befürchtet eine Vergrößerung der „Erwartungslücke“ bei den Empfängern des Bestätigungsvermerks.

Diese Befürchtungen hat die WPK in ihrer Stellungnahme vom 5. Juni 2013 gegenüber dem Bundesministerium der Justiz zum Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick auf die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Gesellschaften und Konzerne geäußert.

Die Stellungnahme finden Sie auf der Homepage der WPK.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 19.06.2013

SEPA: Die Zeit drängt

Bundesfinanzministerium, Bundesbank, Kreditwirtschaft und Verbraucherschutz fordern zügige Umstellung im Zahlungsverkehr

„Wenn Unternehmen und Vereine bisher noch nie von SEPA gehört haben, kann es sie Anfang nächsten Jahres kalt erwischen. Denn dann drohen Liquiditätsengpässe und Kosten durch fehlerhafte Zahlungsabwicklung“, sagt Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank. Ab dem 1. Februar 2014 dürfen Kreditinstitute gemäß der EU-Verordnung Nr. 260/2012 („SEPA (Single Euro Payments Area) -Verordnung“) Überweisungen und Lastschriften von Unternehmen und Vereinen nur noch als SEPA-Zahlung im SEPA-Datenformat annehmen und ausführen.

Bis dahin verbleiben nur noch rund sieben Monate. Für Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es zwar bis Februar 2016 gewisse Übergangsregelungen, die den Wechsel erleichtern. Trotzdem müssen sich alle Nutzer von Überweisungen und Lastschriften in Euro auf die SEPA-Umstellung unmittelbar einstellen. Denn von der Umstellung auf die SEPA-Verfahren werden grundsätzlich alle Überweisungen und Lastschriften in Euro erfasst – nicht nur grenzüberschreitende, sondern auch jede inländische.

„Vor allem Unternehmen und gemeinnützige Organisationen müssen sich jetzt aktiv um die SEPA-Umstellung kümmern, um zukünftig von den Vorteilen eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums profitieren zu können. Für den Bürger ändert sich hingegen nicht viel. Er muss sich im Wesentlichen auf die IBAN als die neue Angabe zur Kontoverbindung einstellen und diese setzt sich ganz einfach aus der bisherigen Kontonummer, der bisherigen Bankleitzahl, plus zwei Zahlen und zwei Buchstaben zusammen“, erklärt Hartmut Koschyk, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.

Umfrageergebnisse, die auch im aktuellen SEPA-Migrationsplan des Deutschen SEPA-Rates auf www.sepadeutschland.de veröffentlicht sind, zeigen, dass der Vorbereitungsstand noch unbefriedigend ist und erheblicher Handlungsbedarf bei vielen Nutzern besteht. „Manche Kunden wollen uns einfach nicht glauben, dass es eine gesetzliche Vorgabe ist, die den Umstieg auf SEPA zum 1. Februar 2014 anordnet“, berichtet Ludger Gooßens, Mitglied des Vorstands des DSGV als diesjähriger Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft.

Der mit der SEPA-Einführung verbundene zeitliche Aufwand – insbesondere bei großen Unternehmen und Lastschriftnutzern – wird oft unterschätzt. Je eher mit der SEPA-Umstellung begonnen wird, desto besser sind die Möglichkeiten, frühzeitig Fehlerquellen zu identifizieren und zu bereinigen. Im Laufe der nächsten Jahre werden v.a. Unternehmen von einem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum profitieren können.

SEPA ist aber auch in manchen Bereichen schon Wirklichkeit. So werden zum Beispiel bereits Renten und Kindergeld per SEPA-Überweisung ausgezahlt. Renten- und Kindergeldanträge stellen daher auch ausschließlich auf die IBAN ab. Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren vor allem von neuen Rechten bei Lastschriften. Sie können zukünftig einzelne Lastschrifteinzüge und Mandate besser kontrollieren.

„Bisher sind die Verbraucher noch nicht viel mit SEPA in Kontakt gekommen, sie sollten aber die Veränderungen und vor allem die neuen rechtlichen Möglichkeiten kennen. Die Verbraucherzentralen sind auf jeden Fall auf Anfragen zu SEPA vorbereitet“, erläutert Frank-Christian Pauli, Finanzexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V. (vzbv).

Die Deutsche Bundesbank, das Bundesministerium der Finanzen, die Deutsche Kreditwirtschaft und der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) haben heute gemeinsam angekündigt, dass sie ihre jeweiligen SEPA-Informationsmaßnahmen weiter verstärken werden. So soll auf den notwendigen Handlungsbedarf hingewiesen werden und die Bekanntheit von SEPA in der breiten Öffentlichkeit erhöht werden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Bundesbank.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 18.06.2013

Kein ermäßigter Steuersatz für Umsätze mit einer sog. „Coaster-Bahn“ (Schlittenbahn)

Mit Urteil vom 20.02.2013 XI R 12/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die mit einer sog. „Coaster-Bahn“ erbrachten Umsätze umsatzsteuerrechtlich keine Beförderungsleistungen sind und daher nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Bei einer sog. „Coaster-Bahn“ fahren die Kunden auf schienengebundenen Schlitten zu Tal, wobei diese im Streitfall eine Fahrstrecke von 2,9 km bei einem Höhenunterschied von ca. 400 m zurücklegten. Die Bergstation als Startpunkt der ganzjährig betriebenen „Coaster-Bahn“ konnten die Kunden mit der ebenfalls von der Klägerin betriebenen Sesselbahn erreichen.

Die Klägerin war im Unterschied zum Finanzamt der Meinung, es handele sich bei dem Betrieb der „Coaster-Bahn“ um eine schienengebundene Personenbeförderung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung, für die anstelle des seinerzeit geltenden Regelsteuersatzes von 16 % der ermäßigte Steuersatz von 7 % anwendbar sei.

Der BFH bestätigte demgegenüber die Vorentscheidung, wonach die Klägerin lediglich den Fahrgästen ein Beförderungsmittel überlassen, aber nicht selbst eine Personenbeförderungsleistung erbracht habe. Zwar steht es der Beurteilung als Beförderungsleistung nicht entgegen, wenn das Motiv für die Inanspruchnahme der Leistung in der sportlichen Betätigung oder in anderen Gründen der Freizeitgestaltung oder des Tourismus liegt. Der Begriff der Beförderung ist aber erst erfüllt, wenn eine der Raumüberwindung dienende (aktive) Tätigkeit entfaltet wird, wobei die Art des Beförderungsmittels keine Bedeutung hat. Im Streitfall haben die Fahrgäste die ihnen überlassenen Schlitten hingegen selbst jeweils mittels ihres eigenen Körpergewichts zu Tal gebracht und konnten auch die Fahrgeschwindigkeit bestimmen.

Ähnlich hatte jüngst der V. Senat des BFH entschieden, dass die Überlassung von Draisinen zur selbständigen Nutzung durch die Fahrgäste ebenfalls als Vermietung eines Beförderungsmittels und nicht als Beförderung zu qualifizieren ist (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2012 V R 36/11, BFH/NV 2013, 944).

BFH, Pressemitteilung Nr. 32/13 vom 19.06.2013 zum Urteil XI R 12/11 vom 20.02.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.2.2013, XI R 12/11

Kein ermäßigter Steuersatz für Umsätze mit einer sog. „Coaster-Bahn“ (Schlittenbahn) – Beförderungsleistung

Leitsätze

Die mit einer sog. „Coaster-Bahn“, bei der die Fahrtkunden auf schienengebundenen Schlitten zu Tal fahren, erbrachten Umsätze sind umsatzsteuerrechtlich keine Beförderungsleistungen und unterliegen daher nicht dem ermäßigten Steuersatz.

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Sesselbahn und ein schienengebundenes Fahrgeschäft –eine sog. „Coaster-Bahn“– mit der jeweils bis zu zwei Personen auf schienengeführten Schlitten von der Berg- zur Talstation fahren können. Die Schlitten legen hierbei eine Fahrstrecke von 2,9 km und einen Höhenunterschied von ca. 400 m zurück. Die Bergstation, an der die Fahrt beginnt, kann u.a. mit der Sesselbahn erreicht werden. Mit dieser werden auch die leeren Schlitten wieder zur Bergstation hinauf transportiert. Das Fahrgeschäft ist ganzjährig geöffnet. Fahrten mit der Sesselbahn und der „Coaster-Bahn“ sind unabhängig voneinander möglich. Es gibt Einzel- und Kombitickets.
2
Die „Coaster-Bahn“ wird in einem Werbeflyer der Klägerin als „… Bahn …!“ bezeichnet und wie folgt beschrieben:

3
Die Klägerin erklärte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2005 die Umsätze aus der Schlittenbahn in Höhe von ca. … EUR –als schienengebundene Personenbeförderung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung (UStG)– mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Die übrigen Umsätze unterwarf sie dem allgemeinen Steuersatz.
4
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) wandte dagegen auf alle Umsätze der Klägerin den seinerzeit geltenden allgemeinen Steuersatz von 16 % (§ 12 Abs. 1 UStG) an und setzte die Umsatzsteuer für 2005 entsprechend fest. Auf den Einspruch der Klägerin änderte das FA mit Bescheid vom 7. Februar 2007 die Umsatzsteuerfestsetzung für 2005 und berechnete die festgesetzte Umsatzsteuer neu. Im Streitpunkt wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2007 als unbegründet zurück.
5
Die anschließend erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) handelt es sich bei der Fahrt mit der „Coaster-Bahn“ nicht um die Beförderung von Personen. Denn die Klägerin überlasse Personen das Beförderungsmittel. Die temporäre Überlassung eines Gegenstands zur Nutzung, wie im Streitfall eines schienengebundenen Schlittens, unterliege nicht dem Regelungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG.
6
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 185 veröffentlicht.
7
Zur Begründung der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
8
Im Streitfall sei entgegen der Auffassung des FG jeweils ein Beförderungsvertrag –zivilrechtlich ein Werkvertrag– vereinbart worden. Denn die geschuldete Leistung habe sich nicht in der bloßen Überlassung eines Beförderungsmittels erschöpft. Vielmehr sei sie, die Klägerin, verpflichtet gewesen, die zu befördernde Person körperlich unversehrt von der Berg- bis zur Talstation zu transportieren, was dem geschuldeten Erfolg im Rahmen eines Werkvertrags entspreche.
9
Der vom FA in diesem Zusammenhang bemühte Vergleich mit einer Achterbahnfahrt, einem Karussell oder einem Autoscooter gehe daher fehl. Ein wie auch immer geartetes Freizeitvergnügen, für das sie nicht einzustehen habe, sei weder für die zivilrechtliche noch für die steuerrechtliche Einordnung von Belang. Unerheblich sei außerdem, dass nach der Darstellung des FA „… die Fahrten von den Kunden in wesentlichem Umfang aufgrund eigener Initiative unternommen wurden“ und dass „… ein Beginn der Fahrten von ihrer Zustimmung abhängt, deren Geschwindigkeit selbst bestimmt werden kann und damit entsprechendes für den Zeitpunkt des Fahrtbeginns und des -endes gilt …“. Dass die beförderte Person den Beginn der Fahrt –in gewissem Umfang– selbst bestimmen könne, widerspreche der Annahme eines Beförderungsvertrags nicht. Im Übrigen verkenne das FA, dass der Beginn einer Beförderung immer von der Zustimmung der beförderten Person abhängig sei, da es mit der Vertragsautonomie nicht vereinbar wäre, wenn die beförderten Personen zum Fahrtantritt gezwungen würden. Weshalb die Möglichkeit des Leistungsempfängers im Streitfall, durch die Benutzung der Bremse die Geschwindigkeit selbst zu regulieren, einem Beförderungsvertrag entgegenstehen solle, sei nicht ersichtlich.
10
Ferner sei in ihren „Beförderungsbestimmungen“ vom 24. November 2005 von der sog. „Coasterbeförderung“ die Rede. Diese Bezeichnung indiziere, dass der Kunde hier keinen Schlitten miete, sondern eine Beförderung erwarte.
11
Hinzu komme, dass der Schlitten ohne die Schienen gar nicht „überlassen“ werden könne. Der Schlitten könne, nachdem er durch den Kunden besetzt worden sei, nicht einmal mehr von den Schienen genommen werden, denn er sei mit den Schienen fest verbunden –gewissermaßen „eingefädelt“– und könne nur dann von den Schienen isoliert werden, wenn er am Ende des Schienensystems wieder ausgeklinkt werde. Da demnach ein Beförderungsvertrag vorliege, handele es sich folglich auch um eine Personenbeförderung i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG.
12
Dem Tatbestandsmerkmal der Personenbeförderung stehe auch nicht entgegen, dass sie ihre Beförderungsleistung mittels eines unbemannten Beförderungsmittels erbringe. Denn der werkvertraglich geschuldete Erfolg könne auch mit einem unbemannten Beförderungsmittel bewirkt werden – nur darauf komme es an. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass aufgrund der technologischen Entwicklung heutzutage U-Bahnen, Flughafenshuttle und Straßenbahnen häufig voll automatisch –d.h. ohne Fahrer– bewegt würden.
13
Soweit das FG festgestellt habe, die Schlitten der Klägerin würden durch deren Fahrgäste „selbst bewegt“, widerspreche diese Feststellung Naturgesetzen und sei daher für den Bundesfinanzhof (BFH) nicht bindend. Denn die Schlitten bewegten sich tatsächlich aufgrund der durch die „bauliche Anlage der Schienen geschaffenen Ausnutzung von Abfall der Steigung und [durch die] Erdanziehungskraft.“
14
Ferner handele es sich im Streitfall um eine Beförderung von Personen „im Schienenbahnverkehr“ i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG. Denn die Schlitten liefen auf Schienen, die fest mit dem Erdreich verbunden seien und auf denen sie sich spurgetreu bewegten. Außerdem verkehrten sie das ganze Jahr über auf der Strecke und sorgten für die Beförderung der Personen von der Berg- zur Talstation.
15
Schließlich sei die „Coaster-Bahn“ auch keine dem Regelsteuersatz unterliegende Bergbahn.
16
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2007 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 7. Februar 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer in Höhe von … EUR festgesetzt wird,

hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

17
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
18
Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

19
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
20
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die von der Klägerin mit der „Coaster-Bahn“ ausgeführten Umsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz, sondern dem allgemeinen Steuersatz unterliegen.
21
1. Nach § 12 Abs. 1 UStG betrug die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16 % der Bemessungsgrundlage (allgemeiner Steuersatz).
22
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ermäßigte sich die Steuer auf 7 % u.a. für „die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr mit Ausnahme der Bergbahnen, … wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt.“
23
§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG beruht auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, einen ermäßigten Steuersatz auf die „Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks“ anzuwenden.
24
Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG gibt den Mitgliedstaaten lediglich einen Rahmen vor, den diese nicht überschreiten dürfen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist auch eine selektive Anwendung der Ermächtigung zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes erlaubt (EuGH-Urteile vom 8. Mai 2003 C-384/01 –Kommission/ Frankreich–, Slg. 2003, I-4395, BFH/NV Beilage 2003, 161, Rz 27; vom 6. Mai 2010 C-94/09 –Kommission/Frankreich–, Slg. 2010, I-4261, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2010, 454, Rz 29), wenn die nationale Regelung insoweit –wie hier mit der Beschränkung der Ermäßigung auf kurze Strecken der Personenbeförderung– den in der Richtlinie vorgegebenen Rahmen nicht überschreitet. Ferner ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu beachten, dass die Bestimmungen zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes als Ausnahmeregelung eng auszulegen sind (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 3. März 2011 C-41/09 –Kommission/ Niederlande–, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2011, 492, UR 2012, 114, Rz 58; vom 17. Januar 2013 C-360/11 –Kommission/Spanien–, HFR 2013, 269, Rz 18).
25
2. Die vom FG vorgenommene Würdigung, wonach die von der Klägerin mit der Sesselbahn und die mit der „Coaster-Bahn“ erbrachten Leistungen umsatzsteuerrechtlich als jeweils eigenständige Leistungen anzusehen sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
26
Die erforderliche Gesamtbetrachtung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2005 C-41/04 –Levob Verzekeringen und OV Bank–, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Rz 19 f.; BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, und vom 2. März 2011 XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, sowie EuGH-Urteil vom 17. Januar 2013 C-224/11 –BGZ Leasing–, HFR 2013, 270, Deutsches Steuerrecht 2013, 193, Rz 30 ff., jeweils m.w.N.) zu der Frage, ob mehrere zusammenhängende Leistungen als eine einheitliche Leistung zu behandeln sind, ist im Wesentlichen das Ergebnis der tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet. Gründe gegen die insoweit vorgenommene Würdigung des FG sind von der Klägerin nicht vorgebracht worden; das vom FG gefundene Ergebnis wird vielmehr von den Beteiligten geteilt.
27
3. Der Senat folgt auch der Auffassung des FG, dass die Klägerin mit dem Betrieb ihrer „Coaster-Bahn“ keine Beförderungsleistung i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG erbracht, sondern lediglich Schlitten als Beförderungsmittel überlassen hat, so dass für die entsprechenden Umsätze der allgemeine Steuersatz gilt.
28
a) § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG setzt eine auf die räumliche Fortbewegung von Personen gerichtete Leistung (Beförderungsleistung) voraus.
29
aa) Der Begriff der Beförderung ist erfüllt, wenn eine der Raumüberwindung dienende Tätigkeit entfaltet wird (BFH-Urteil vom 19. Juli 1961 II 202/57 U, BFHE 73, 502, BStBl III 1961, 450; vgl. auch BFH-Urteile vom 8. September 2011 V R 5/10, BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 14, und in BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, jeweils m.w.N.). Die Art des Beförderungsmittels ist nicht von Belang (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 14, m.w.N.).
30
bb) Keine Beförderungsleistung liegt hingegen vor, wenn ein Beförderungsmittel bemannt oder unbemannt zur Verfügung gestellt wird (so auch Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 774, und Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG Rz 16, jeweils unter Bezugnahme auf BFH-Urteil in BFHE 73, 502, BStBl III 1961, 450).
31
cc) Dementsprechend hat der BFH die Überlassung von Draisinen zur selbständigen Nutzung durch die Fahrtkunden als Vermietung eines Beförderungsmittels und nicht als Beförderung qualifiziert (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2012 V R 36/11, nicht veröffentlicht –n.v.–, juris).
32
Der BFH hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass einer Beförderungsleistung seitens der Beförderten ein passives Element zugrunde liege. Besorge der Kunde die Beförderung hingegen selbst, spreche dies gegen eine Beförderungsleistung des Unternehmers (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2012 V R 36/11, n.v., juris, Rz 17). Ferner hat der BFH erneut klargestellt, dass es der Beurteilung als Beförderungsleistung nicht entgegensteht, wenn das Motiv für die Inanspruchnahme der Leistung nicht in der wirtschaftlichen Nutzung einer Beförderung zu sehen ist, sondern in der sportlichen Betätigung oder in anderen Gründen der Freizeitgestaltung oder des Tourismus (vgl. Urteile vom 6. Dezember 2012 V R 36/11, n.v., juris, Rz 17, und in BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, Orientierungssatz 1 und Rz 20 zum Hochseeangeln; vom 30. Juni 2011 V R 44/10, BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Leitsatz 1 und Rz 19 zu Stadtrundfahrten).
33
b) Das FG hat im Streitfall ausgehend von diesen Grundsätzen zutreffend maßgeblich darauf abgestellt, dass die Klägerin bzw. ihr Personal den Fahrtkunden die Schlitten jeweils zur Nutzung überlassen hat. Denn die Klägerin hat –vergleichbar dem Sachverhalt, der dem BFH bei seiner Entscheidung zur Nutzung der Draisinen (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2012 V R 36/11, n.v., juris) zugrunde lag– im Streitfall lediglich die schienengebundenen Schlitten zur Verfügung gestellt. Die Fahrtkunden haben diese anschließend jeweils mittels ihres eigenen Körpergewichts zu Tal gebracht und konnten dabei die Fahrgeschwindigkeit selbst bestimmen.
34
c) Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.
35
aa) Der Senat folgt nicht der Ansicht der Klägerin, im Streitfall sei ein Beförderungsvertrag in Form eines Werkvertrags vereinbart worden, weil sie verpflichtet gewesen sei, den Fahrgast körperlich unversehrt den Berg hinab an den Bestimmungsort zu bringen. Denn die Kunden haben die Schlitten –wie ausgeführt– selbst den Berg hinab befördert. Dass die Klägerin dabei die körperliche Unversehrtheit der Fahrgäste zu gewährleisten hatte, ist lediglich eine vertragliche Nebenpflicht und gibt ihrer Leistung nicht das Gepräge.
36
bb) Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach die Bezeichnung „Coasterbeförderung“ in ihren dem FG vorgelegten „Beförderungsbestimmungen“ vom 24. November 2005 indiziere, dass der Kunde keinen Schlitten miete, sondern eine Beförderung erwarte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass im Streitjahr 2005 auch vor November 2005 von der Klägerin erbrachte Leistungen zu beurteilen sind, hängt die umsatzsteuerrechtliche Qualifikation ihrer Leistungen nicht davon ab, wie die Klägerin diese einseitig selbst bezeichnet hat.
37
cc) Soweit die Klägerin einen Verstoß des FG gegen Naturgesetze rügt, weil die Schlitten sich lediglich aufgrund der Ausnutzung des Gefälles und der Erdanziehungskraft bewegt hätten, lässt sie außer Betracht, dass das entscheidende Element für die Fortbewegung der Schlitten zu Tal das Körpergewicht der Fahrtkunden selbst darstellt.
38
dd) Der Hinweis der Klägerin auf den Umstand, die Fahrtkunden seien nicht in der Lage gewesen, die Schlitten selbst von den Schienen zu entfernen, führt gleichfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn der BFH hat eine entsprechende Schienenbindung bei einer Draisine zutreffend ebenfalls nicht für entscheidungserheblich erachtet (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2012 V R 36/11, n.v., juris).
39
ee) Auch der Einwand der Klägerin, wonach heutzutage aufgrund der technologischen Entwicklung auch mittels unbemannter U-Bahnen, Flughafenshuttle und Straßenbahnen Beförderungsleistungen erbracht werden, ist im Streitfall unbeachtlich. Denn entscheidend ist, dass die Schlitten den Fahrtkunden zur Nutzung überlassen wurden.
40
ff) Ferner kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, ob im Streitfall ein „Schienenbahnverkehr“ i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG vorliegt, da es sich –wie dargestellt– schon nicht um eine Beförderungsleistung im Sinne dieser Vorschrift handelt.
41
gg) Soweit die Klägerin schließlich beanstandet, das FG habe unter Bezugnahme auf den von der Klägerin erstellten Werbeflyer auch den besonderen Erlebniswert einer Schlittenfahrt im Vergleich zu einer Talfahrt mit der Sesselbahn in die Gesamtwürdigung einbezogen, fällt dies im Hinblick auf die zutreffende Abgrenzung einer Beförderung zu einer Gebrauchsüberlassung durch das FG nicht entscheidend ins Gewicht.
42
d) Aus den Beschlüssen des BFH vom 10. Juli 2012 XI R 22/10 und XI R 39/10 (BFHE 238, 551 und BFHE 239, 164), mit denen der BFH dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ob Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 98 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Kategorie 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unter Beachtung des Neutralitätsprinzips einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Beförderung von Personen im Verkehr mit Taxen im Nahverkehr den ermäßigten Umsatzsteuersatz vorsieht, wohingegen für die Beförderung von Personen mit sog. Mietwagen im Nahverkehr der Regelsteuersatz gilt, ergeben sich für die Begünstigung im Streitfall keine anderen Gesichtspunkte.
43
4. Demnach kann im Ergebnis offenbleiben, ob es sich bei der von der Klägerin betriebenen „Coaster-Bahn“ außerdem um eine Bergbahn handelt, die kraft Gesetzes im Streitjahr 2005 vom Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes ausgeschlossen war (vgl. dazu BFH-Urteile vom 16. Mai 1974 V R 109/72, BFHE 113, 72, BStBl II 1974, 649; vom 26. August 1976 V R 55/73, BFHE 120, 419, BStBl II 1977, 105).

Wohnungsbau/Abschreibungen: Der Fiskus setzt falsche Anreize

Die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Wohnimmobilien in Deutschland sind deutlich zu niedrig angesetzt. Das führt dazu, dass weniger als möglich gebaut und saniert wird. Dadurch wiederum verschärft sich die Wohnungsnot vor allem in den Ballungsgebieten.

Diesem Ergebnis kommt eine heute in Frankfurt vorgelegte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Danach muss der Abschreibungssatz auf 4 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Häusern oder Wohnungen steigen, damit technische Abnutzung, Alterung und Inflation angemessen berücksichtigt werden können. Derzeit gewährt der Fiskus aber lediglich 2 Prozent. Durch diese unzureichende Regelung werden Investitionen in Immobilien gegenüber anderen Kapitalanlagen – zum Beispiel Investitionen in Maschinen – steuerlich benachteiligt. Daher sinkt für potenzielle Investoren der Anreiz, neue Wohnungen zu bauen. Angesichts des ohnehin knappen Wohnungsangebots in den Metropolregionen trägt der Staat damit also indirekt zu steigenden Mieten bei.

Ein weiterer negativer Effekt betrifft vor allem ältere Immobilien. Nach der geltenden Abschreibungspraxis ist es für Eigentümer attraktiver, diese lediglich instand zu halten, anstatt sie umfassend zu sanieren oder, falls nötig, abzureißen und neu zu bauen. Diese Weichenstellung führt gerade mit Blick auf Themen wie energetische Sanierung, Klimaschutz oder altersgerechtes Wohnen in die völlig falsche Richtung.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des IW Köln.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Pressemitteilung vom 19.06.2013

Hochwasser: Hilfsangebote für Betroffene im Überblick

Langsam entspannt sich die Lage in den Hochwassergebieten, die Pegelstände gehen vielerorts zurück. Ziel der Bundesregierung ist es, den Betroffenen möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen. Hier gibt es Informationen für betroffene Bürger und Unternehmen zu Soforthilfen, Hotlines und mehr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Bundesinnenministerium damit beauftragt, die Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Dort ist der Stab „Fluthilfe“ eingerichtet worden, um die Aufbauhilfen des Bundes mit den Ländern abzustimmen.

Soforthilfen vor Ort
Mit Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen hat das Innenministerium bereits Abkommen über Soforthilfen für private Haushalte vereinbart. Weitere werden in den nächsten Tagen folgen. Sie schaffen die Basis, um die Bundesländer finanziell bei der Soforthilfe zu unterstützen. Zu jedem Euro, den ein Land zur Verfügung stellt, gibt der Bund einen Euro dazu. So soll unbürokratische und schnelle Hilfe vor Ort ermöglicht werden.

Die Soforthilfen werden bereits seit mehreren Tagen ausgezahlt. Sie sollen vor allem die erste Not der Betroffenen lindern und sind zum Beispiel für neue Kleider oder Möbel gedacht. Anträge auf Soforthilfe und sonstige Ansprüche zur Hilfeleistung können Betroffene bei den kommunalen Einrichtungen stellen. Die meisten der betroffenen Kommunen haben Bürger-Hotlines eingerichtet und stellen Informationen ins Internet.

Rat in Versicherungsfragen
Die zentrale Anlaufstelle für Hochwassergeschädigte ist die gebührenfreie Telefonnummer 0800-100 37 11. Hier erhalten Betroffene besonders zu vertrags- und versicherungsrechtlichen Fragen Unterstützung. Die Hotline ist montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr erreichbar. Sie wurde von den Verbraucherzentralen mit Unterstützung des Bundesverbraucherministeriums eingerichtet.

Hilfe für Betriebe
Betriebe, die von hochwasserbedingten Arbeitsausfällen betroffen sind, können für ihre Beschäftigten und Auszubildenden Kurzarbeitergeld beantragen. Außerdem übernimmt der Bund bei Kurzarbeit in unmittelbar von der Flut betroffenen Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge. Bei Fragen zum Thema Kurzarbeitergeld können sich Betriebe an die bundesweite kostenfreie Servicenummer 0800-455 55 20 wenden.

Auch die KfW Förderbank hat eine kostenlose Hotline für Unternehmen eingerichtet. Sie ist unter 0800-539 90 01 zu erreichen. Informationen zu Schäden an Wohnhäusern gibt die Bank unter 0800-539 90 02, kommunale oder soziale Einrichtungen können sich an die 0800-539 90 08 wenden. Die KfW stellt in ihrem „Aktionsplan Hochwasser“ privaten Haushalten, Unternehmen und Kommunen Kredite in einem Gesamtvolumen von zunächst 100 Millionen Euro zu besonders günstigen Konditionen zur Verfügung.

Schnelle Unterstützung mit der 115
Wichtige Auskünfte erhalten Bürgerinnen und Bürger auch über die einheitliche Behördennummer 115, sofern ihre Region an die Nummer angeschlossen ist (zum Beispiel Dresden oder Magdeburg). Zahlreiche Institutionen haben hierfür Informationen bereit gestellt, darunter der Bund, das Technische Hilfswerk und die KfW Förderbank.

Anrufer können sich zum Beispiel über Hochwasservorhersagen, Maßnahmen zur Soforthilfe oder steuerliche Erleichterungen für Hochwassergeschädigte informieren. Die 115 ist montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr aus dem Festnetz und mehreren Mobilfunknetzen zum Ortstarif erreichbar.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 19.06.2013

Bund und Länder einigen sich auf die Finanzierung des Fluthilfefonds – Bundesrat wird dem Fiskalvertrag zustimmen

Bundesfinanzminister Schäuble und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich am 19. Juni 2013 auf die Finanzierungsdetails des Fonds Aufbauhilfe für die Bewältigung der Schäden der Hochwasserkatastrophe wie auch auf die Zustimmung des Bundesrats zum Fiskalvertrag geeinigt.

Dr. Wolfgang Schäuble: „Ich freue mich, dass wir heute eine überzeugende Lösung haben finden können. Die Verunsicherung der Bürger hat ein Ende, jetzt können wir die Gelder für die Opfer der Flutkatastrophe schnell bereitstellen. Dass sich die Länder obendrein verpflichtet haben, dem Fiskalvertrag im Bundesrat zuzustimmen, ist auch positiv zu bewerten, wird damit doch ein wichtiges Anliegen Deutschlands finalisiert.“

Bund und Länder haben Ihre Einigung auf einen Aufbaufonds von bis zu 8 Milliarden Euro bekräftigt, an dem sie sich hälftig beteiligen werden. Der Bund wird den Fonds im Rahmen seines normalen Schuldenmanagements vorfinanzieren. Die Länder werden ihre Hälfte an den Kosten des Aufbaufonds, also Tilgung und Zinsen, über einen Zeitraum von 20 Jahren erbringen. Der Bund wird die Kosten für den Wiederaufbau der zerstörten Bundesinfrastruktur in Höhe von circa 1,5 Milliarden Euro alleine tragen.

Die Bundesländer haben sich außerdem verpflichtet, dem Umsetzungsgesetz zum Fiskalvertrag im Bundesrat zuzustimmen. Zudem vereinbarten Bund und Länder, dass die Entflechtungsmittel bis zum nach dem Grundgesetz vorgeschriebenen Auslaufen derselben im Jahr 2019 auf dem aktuellen Stand festgesetzt werden. Der Bund wird wie bisher die fiktive Tilgung des 2005 aufgelösten Fonds Deutsche Einheit fortsetzen. Sollte sich auf dieser Grundlage eine vollständige Tilgung vor 2019 ergeben, werden die Länder ihre Teilkompensation hierzu einstellen.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 19.06.2013

Bund übernimmt bei Kurzarbeit in von Hochwasser betroffenen Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge

Betriebe, die von hochwasserbedingten Arbeitsausfällen betroffen sind, können für ihre Beschäftigten und Auszubildenden Kurzarbeitergeld beantragen. Über die gesetzlichen Regelungen und die besonderen Bestimmungen bei unabwendbaren Ereignissen hinaus wird es mit sofortiger Wirkung eine weitere zentrale Erleichterung geben: Wie bei der Hochwasserkatastrophe 2002 werden Unternehmen, die von der Flut unmittelbar betroffen sind und in Kurzarbeit gehen müssen, nun zusätzlich komplett von den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Kurzarbeit ist damit nicht nur unbürokratisch und schnell möglich, sondern entlastet diese Betriebe auch finanziell wesentlich.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen:

„Die Flut geht uns alle an. Hunderttausende helfen an den Deichen oder spenden für die Betroffenen. Die Bundesregierung und die Länder sind mit Soforthilfen zur Stelle. Wichtig ist, dass die Unterstützung punktgenau wirkt. Deshalb stützen wir nun in Not geratende Unternehmen schnell und wirksam, indem wir zusätzlich die Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten in Kurzarbeit übernehmen. Betriebe sollen ihre Beschäftigten einfach und günstig kurzarbeiten lassen können und sie so an Bord halten.“

Überblick über die Kurzarbeitergeld-Regelungen für Unternehmen, die wegen der Flut von Arbeitsausfällen betroffen sind:

  • Die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen gilt für Unternehmen, die unmittelbar vom Hochwasser betroffen sind.
  • Die Übernahme erfolgt für längstens drei Monate im Zeitraum Juni bis Dezember 2013.
  • Um Kurzarbeitergeld zu erhalten und Sozialversicherungsbeiträge erstattet zu bekommen, muss der Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit am Sitz des Betriebes schriftlich angezeigt werden.
  • Die Leistungen werden von dem Monat an erstattet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist.
  • Anzeigen mit Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge müssen spätestens bis zum 30. September 2013 eingegangen sein.
  • Kurzarbeitergeld und eine mögliche Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge können unbürokratisch beantragt werden. Das geht für den jeweiligen Monat, in dem Kurzarbeit durchgeführt wurde, bis zu drei Monate nachträglich.

Hochwasser und die resultierenden Schäden sind laut Gesetz ein unabwendbares Ereignis, das zu Arbeitsausfällen führen kann. Im Gegensatz zum konjunkturell bedingten Kurzarbeitergeld gibt es für solche Krisenfälle auch die folgenden regulären Erleichterungen:

  • Arbeitnehmer, in deren Betrieb die Arbeit wegen Hochwasser ausfällt, können bei Aufräumarbeiten in ihrem Betrieb helfen, ohne dass sie den Anspruch auf Kurzarbeitergeld verlieren.
  • In diesem Fall ist es auch nicht notwendig, dass vor der Zahlung von Kurzarbeitergeld Arbeitszeitkonten ausgeglichen oder Urlaubstage genommen werden müssen.
  • Auch Betriebe, die von ihrem Zulieferer wegen des Hochwassers kein Material erhalten, können Kurzarbeitergeld beantragen. Dies gilt genauso im umgekehrten Fall, wenn ein Zulieferer seine Waren nicht an seinen Abnehmer übergeben kann, weil dieser vom Hochwasser betroffen ist.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat am 19.06.2013 im Bundeskabinett über die Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Kurzarbeit wegen hochwasserbedingten Arbeitsausfällen berichtet. Die formelle Entscheidung des Kabinetts ist für den 26. Juni vorgesehen. Die Maßnahme wird über eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Bundesagentur für Arbeit umgesetzt. Sie erfolgt vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.

Bei Fragen zum Thema Kurzarbeitergeld können sich Betriebe über die bundesweite kostenfreie Servicenummer an einen Ansprechpartner ihrer Arbeitsagentur wenden. Über diese Rufnummer ist auch dann der Ansprechpartner erreichbar, wenn die örtliche Arbeitsagentur wegen des Hochwassers geschlossen werden musste. Die Rufnummer für Betriebe lautet: 0800 – 455 55 20.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 19.06.2013

Bekanntmachung des Vordruckmusters für die Wohnungsbauprämien-Anmeldung ab 01.07.2013

Nach § 4a Absatz 2 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Oktober 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 2678), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes zur bestätigenden Regelung verschiedener steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 5. April 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 554), ist die Wohnungsbauprämie nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zur Auszahlung anzumelden (Wohnungsbauprämien-Anmeldung). Das Vordruckmuster ab dem 1. Juli 2013 wird hiermit bekannt gemacht.

Der Vordruck der Wohnungsbauprämien-Anmeldung ab dem 1. Juli 2013 kann maschinell hergestellt werden, wenn er sämtliche Angaben in der gleichen Reihenfolge wie im amtlich vorgeschriebenen Vordruck enthält.

Übersteigt der ursprünglich angemeldete Betrag den berichtigten Betrag oder übersteigen die geleisteten Rückforderungsbeträge die anzumeldende Prämie, so ist der Rotbetrag unverzüglich an die Bundeskasse Trier, Dienstsitz Kiel (BIC: MARKDEF1210, IBAN: DE42 2100 0000 0021 0010 30) zu zahlen.

Das BMF-Schreiben vom 26. November 2001 – IV C 5 – S-1961-33 / 01 – (BStBl I Seite 895) wird mit Wirkung ab 1. Juli 2013 ersetzt.

Quelle: BMF, Schreiben IV C 5 – S-1961 / 12 / 10004 vom 17.06.2013

Steuerminderung in Deutschland durch endgültige Verluste im EU-Ausland

Kosten eines fehlgeschlagenen Versuchs, in Belgien Ferienwohnungen zu kaufen, können in Deutschland steuermindernd berücksichtigt werden. Dies hat der 10. Senat des Finanzgerichts Köln mit Urteil vom 13.03.2013 (10 K 2067/12) entschieden.

Die Klägerin, eine deutsche GmbH, wollte in Belgien 21 Ferienpark-Chalets zum Preis von über einer Million Euro zur Vermietung an Feriengäste kaufen. Sie musste dafür im Jahr 2006 eine Anzahlung von 300.000 Euro leisten. Die Anzahlung verfiel, als Ende 2006 feststand, dass es nicht zu dem beabsichtigten Kauf kommen wird. Das Finanzamt versagte der GmbH die Berücksichtigung der verlorenen Anzahlung bei der Festsetzung der inländischen Körperschaftsteuer. Da die Gewinne aus der beabsichtigten Geschäftstätigkeit nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien in Deutschland steuerfrei gewesen wären, vertrat es die Auffassung, dass auch die letztlich erzielten Verluste bei der deutschen Besteuerung nicht berücksichtigt werden könnten.

Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte Erfolg. Der 10. Senat berücksichtigte den Anzahlungsbetrag im Jahr 2006 steuermindernd. Er stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Berücksichtigung grenzüberschreitender finaler Verluste. Der EuGH habe in seinem aktuellen Urteil vom 21.02.2013 in der Rechtssache A Oy (C-123/11) im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit noch einmal bestätigt, dass finale Auslandsverluste im Ansässigkeitsstaat des (Mutter)Unternehmens berücksichtigt werden müssten. Im Streitfall sei der Verlust definitiv und „final“ im Jahr 2006 entstanden. Die Klägerin habe diesen Verlust auch aus tatsächlichen Gründen nicht in einem anderen Jahr in Belgien berücksichtigen können, weil sie weder vorher dort geschäftlich tätig gewesen sei, noch die Absicht gehabt habe später dort tätig zu werden.

Der Senat hat gegen das Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof in München wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 17.06.2013 zum Urteil 10 K 2067/12 vom 13.03.2013

 

Finanzgericht Köln, 10 K 2067/12

Datum:
13.03.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 2067/12
Tenor:

Unter Änderung des Körperschaftsteueränderungsbescheids für 2006 vom 18.4.2011 wird die Körperschaftsteuer 2006 auf 0,00 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

1Tatbestand

2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob vergebliche Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb von Ferienwohnungen in Belgien in Deutschland steuermindernd zu berücksichtigen sind.

3Die Klägerin ist eine im Inland ansässige GmbH. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.

4Die Klägerin schloss am 15. August 2006 mit der Firma A BV, Niederlande (im Folgenden „BV“ abgekürzt) einen Vertrag über den Kauf von 21 Ferienpark-Chalets in Belgien zum Preis von insgesamt über 1 Mio. EUR. Die Wohnungen sollten an Feriengäste vermietet werden. Wegen des diesem Kauf zugrunde liegenden Konzepts wird auf den Konzeptbericht der niederländischen Steuerverwaltung vom 25.1.2010, der in Übersetzung dem Protokoll über die mündliche Verhandlung beigefügt ist, Bezug genommen.

5Nach Nr. 6 des Kaufvertrags musste spätestens am 25. August 2006 eine Anzahlung von 300.000 EUR erfolgen. Spätestens am 31. Oktober 2006 musste die notarielle Beurkundung in Bezug auf die Übertragung der Chalets erfolgen und die Restsumme von über 1 Mio. EUR auf das Bankkonto der Verkäuferin überwiesen werden. In Nr. 7 wurde bestimmt, dass bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der Vertrag nicht mehr gültig sein sollte. Die Anzahlung von 300.000 EUR verfiel und konnte nicht zurückgefordert werden bzw. war als Schadensersatz zu leisten. Wegen der Einzelheiten wird auf den in niederländischer Sprache vorliegenden Vertrag Bezug genommen (Bl. 136 ff. der Prüferhandakten).

6Die Klägerin zahlte am 25. August 2006 300.000 EUR an die Verkäuferin. Den Betrag erfasste sie in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2006 unter der Position „geleistete Anzahlungen auf Vorräte“.

7Die Klägerin nahm in der Folge Abstand von dem Erwerb der Ferienwohnungen, so dass es nicht zur notariellen Beurkundung des Übertragungsvertrags kam. Im Jahresabschluss 2007 buchte sie die 300.000 EUR über „außerordentliche Aufwendungen“ aus.

8Der Beklagte führte bei der Klägerin für die Jahre 2006-2008 eine Außenprüfung durch. Dabei wurde der vorstehende Sachverhalt festgestellt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Aufwendungen nicht steuermindernd zu berücksichtigen und der Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheid 2007 entsprechend zu ändern seien.

9Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und erließ im Anschluss hieran Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2006-2008, gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2007 und 31.12.2008, Gewerbesteuermessbescheide 2007 und 2008 sowie gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 und 31.12.2008.

10Die hiergegen von der Klägerin eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.6.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:

11Dem Betriebsausgabenabzug der strittigen Aufwendungen stehe § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 3c Abs. 1 EStG entgegen. Die Klägerin habe die Aufwendungen als Anzahlung für Ferienwohnungen in Belgien getätigt. Im Falle einer erfolgreichen Umsetzung des Projektes hätte Belgien das Besteuerungsrecht für die Vermietungseinkünfte zugestanden. In Deutschland wären die Einkünfte unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gewesen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs führe auch eine sich aus einem DBA ergebende Steuerfreiheit zu Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG.

12Die Nichtberücksichtigung des Verlustes stelle keinen Verstoß gegen europäisches Recht dar. Im Streitfall sei die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls (die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung und die Steuerfluchtgefahr) gerechtfertigt. Es stehe der Klägerin frei, in Belgien eine Verlustfeststellung zu beantragen und gegebenenfalls eine Verrechnung mit späteren Gewinnen aus einer etwaigen dortigen Investition vornehmen zu lassen.

13Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

14Sie habe weder vorher noch nachher die Absicht gehabt, in Belgien geschäftlich tätig zu werden. Deshalb scheide eine Berücksichtigung der Verluste in Belgien aus. Sollten die Verluste nicht in Deutschland berücksichtigt werden, stelle dies einen Verstoß gegen Unionsrecht dar.

15Die Klägerin beantragt,

16die Zahlung von 300.000 EUR (Anzahlung Ferienwohnungen) in 2006 bei der Körperschaft– und Gewerbesteuer steuermindernd zu berücksichtigen,

17hilfsweise in 2007 zu berücksichtigen,

18äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.

19Der Beklagte beantragt,

20die Klage abzuweisen.

21Entscheidungsgründe

22Die zulässige Anfechtungsklage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

23Der Körperschaftsteueränderungsbescheid für 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten, vergleiche § 100 Absatz ein S. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–.

24Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Anzahlung in 2006 körperschaftsteuermindernd zu berücksichtigen (dazu nachfolgend unter 2.). Im Übrigen ist die Klage unbegründet (dazu nachfolgend unter 1.).

251. Die Berücksichtigung der 300.000 EUR im Jahre 2006 führt dazu, dass der Beklagte diesen Betrag zu Recht aus der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens der Klägerin für 2007 herausgenommen hat, da es ansonsten zu einer doppelten Berücksichtigung käme. Auf die Körperschaftsteuerfestsetzung des Jahres 2008 hat die Streitfrage keinen Einfluss.

26Die Berücksichtigung in 2006 führt in diesem Jahr zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin. Da sie aber keine Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2006 beantragt hat und eine solche auch wegen des bisher positiven Gesamtbetrags der Einkünfte nicht erfolgt ist, kann keine Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2007 und 2008 erfolgen, da die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2006 Grundlagenbescheid für Feststellungen der Folgejahre ist, § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V. mit § 10d Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für 2006 und 2007 geltenden Fassung (kein Vortrag ohne Feststellung, vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl. 2007, § 10d Rz. 46). Ob eine solche Feststellung noch erfolgen kann, ist für den vom Gericht zu entscheidenden Streitfall unerheblich.

27Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Gewerbesteuer bzw. die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes entsprechend.

282. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2006 ist entgegen der Auffassung des Beklagten der streitige Betrag jedoch einkünftemindernd zu berücksichtigen.

29a) Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass nach § 3c Abs. 1 EStG Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Diese Vorschrift gilt auch bei aufgrund eines DBA steuerfreien Einkünften und vergeblichen vorweggenommenen Betriebsausgaben (Bundesfinanzhof –BFH-, Urteile vom 28.4.1983 IV R 122/79, Bundessteuerblatt –BStBl- II 1983, 566 und vom 11.2.2008 I R 25/08, BStBl II 2010, 536; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 11.3.1998 II 582/94, juris; FG München, Urteil vom 26.11.1993 10 K 3763/90, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 1995, 247). Hätte die Klägerin die Ferienwohnungen gekauft und konzeptgemäß vermietet, wären die hieraus erzielten Einkünfte aus der belgischen Betriebsstätte nach Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien in Deutschland steuerfrei gewesen. Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat von einer weitergehenden Begründung ab.

30b) Die Nichtberücksichtigung des finalen Verlusts aus der beabsichtigten Eröffnung einer Betriebsstätte in Belgien verstößt aber gegen die im Unionsrecht verankerte Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 i.V. mit Art 48 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft –EGV– nach der Zählung des Vertrags von Amsterdam, heute Art. 49 i.V. mit Art. 54 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union –AEUV–; aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts folgt deshalb, dass die Aufwendungen in Deutschland zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil vom 9.6.2010 I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744, Deutsches Steuerrecht –DStR- 2010, 1611).

31aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union –EuGH– hat mit Urteil vom 21.2.2013, Rs. C‑123/11, A Oy, unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 13.12.2005, Rs. C‑446/03, Marks & Spencer (Sammlung 2005, I-10837) entschieden, dass finale Auslandsverluste im Ansässigkeitsstaat der „Mutter“ berücksichtigt werden müssen (vgl. zur Bedeutung der Niederlassungsfreiheit auch EuGH, Urteil vom 6.9.2012, Rs. C-18/11, Philips Electronics UK Ltd). Er ist ausdrücklich nicht den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott vom 19.7.2012 in dieser Rechtssache gefolgt. Der erkennende Senat folgt der Auffassung des EuGH und des BFH und verweist zur Begründung auf diese.

32bb) Der Verlust ist auch definitiv im Jahr 2006 eingetreten. Dies ist das sog. Finalitätsjahr. Dadurch, dass die Klägerin den Termin zur Zahlung des Restbetrags und zur notariellen Beurkundung des Kaufvertrags nicht eingehalten hat, ist der Vertrag hinfällig geworden und der Verlust entstanden. Die Klägerin konnte diesen Verlust auch aus tatsächlichen Gründen nicht in einem anderen Jahr in Belgien berücksichtigen, da sie weder vorher dort geschäftlich tätig gewesen war, noch die Absicht hatte, später dort tätig zu werden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats zum einen aus der glaubhaften Bekundung der Klägerin, zum anderen aus dem weiteren tatsächlichen Geschehen bis zur mündlichen Verhandlung. Dabei dürfen nach Auffassung des Senats an die Frage, wann ein finaler Verlust vorliegt, keine nicht erfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Allein die theoretische Möglichkeit, dass später erneut eine Betriebsstätte in dem ausländischen Staat gegründet wird und in dieser die früheren Verluste berücksichtigen könnten, kann nicht dazu führen, die Verluste nicht zu berücksichtigen. Stellt die Muttergesellschaft sämtliche Tätigkeiten in dem betreffenden Staat ein bzw. kommt es erst gar nicht zu solchen Tätigkeiten und erklärt sie glaubhaft, dort nicht (mehr) tätig werden zu wollen, sind die Verluste zu berücksichtigen. Bei nicht erfüllbaren Anforderungen würde gleich gegen zwei unionsrechtlich und national geltende allgemeine Rechtsgrundsätze verstoßen, nämlich die „effet utile Klausel“ des Unionsrechts (Effektivitätsgrundsatz, vgl. nur EuGH, Urteil vom 17.6.2004, Rs. C-30/02, Recheio – Cash & Carry SA, Slg. 2004, I-6051) und die Grundsätze „nemo potest ad impossibile obligari“ bzw. “impossibilium nulla obligation”.

33Das Verfahrensrecht bietet in Zweifelsfällen die Möglichkeit, die Bescheide unter Berücksichtigung der Verluste vorläufig zu erlassen.

343. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

354. Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin