Einkommensteuererklärung 2012: Abgabefrist 31. Mai 2013

Stichtag zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2012 ist Freitag der 31. Mai 2013.

Einkommensteuererklärung 2012 Abgabefrist 31. Mai 2013 – gilt auch für Rentner

Stichtag zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2012 ist für alle, die nach dem Einkommensteuergesetz zur Abgabe verpflichtet sind (so genannte Pflichtveranlagungsfälle),Freitag, 31. Mai 2013.

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer und Pensionäre von dieser Frist nicht betroffen. Sie leisten durch den monatlichen Lohnsteuerabzug quasi Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer (Abzüge für Lohn-, ggf. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom Bruttolohn). Arbeitnehmer sind aber berechtigt, eine Einkommensteuererklärung (so genannte Antragsveranlagung) abzugeben. Mit der Antragsveranlagung für 2012 kann man sich bis zu vier Jahre Zeit lassen, also bis zum 31. Dezember 2016. Da regelmäßig mit einer Erstattung zu rechnen ist, ist dies nicht empfehlenswert.

Bei bestimmten Konstellationen ist eine Steuernachzahlung aber auch bei Arbeitnehmern oder Pensionären nicht auszuschließen. Für sie gilt auch die Abgabefrist 31. Mai 2013.

Zum Beispiel ist dies der Fall, wenn

  • ein Freibetrag z. B. für erhöhte Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen auf der Lohnsteuerkarte eingetragen bzw. als elektronisches Lohnsteuerabzugsmerkmal gespeichert wurde,
  • beide Ehegatten Arbeitslohn bezogen haben und einer nach der Steuerklasse fünf oder sechs besteuert wurde,
  • bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig Arbeitslohn nach Steuerklasse sechs abgerechnet wurde,
  • Arbeitslosen-, Krankengeld oder andere Lohnersatzleistungen von über 410 Euro im Jahr bezogen wurden,
  • Nebeneinkünfte von über 410 Euro im Jahr erzielt wurden, für die keine Lohnsteuer einbehalten wurde, z B. wenn ein Ehegatte Arbeitslohn erzielt und der andere erhält bereits eine Rente.

Auch Rentner, deren Einkünfte mehr als 8.004 Euro (Alleinstehende) bzw.
16.008 Euro (Verheiratete) betragen, sind zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung grundsätzlich verpflichtet. Erich Nöll, Geschäftsführer des BDL: „Wer den Termin nicht einhalten kann, sollte bei seinem Finanzamt formlos einen Fristverlängerungsantrag mit Angabe der wichtigen Gründe stellen, damit kein Verspätungszuschlag festgesetzt wird.“

Fertigt ein Lohnsteuerhilfeverein oder ein Steuerberater die Erklärung, gilt eine automatische Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2013.

(Quelle: BDL Pressemeldung 6/2013)

 

Der Weg zur Arbeit mindert die Steuerlast

Immer mehr Menschen pendeln. Die Gründe dafür sind vielfältig: Häufigere Jobwechsel gehören ebenso dazu wie fehlender bezahlbarer Wohnraum in den Ballungszentren. „Steuerrechtlich gesehen ist jedoch jeder ein Pendler, der zwischen seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte eine Strecke zurücklegen muss“, erläutert Gudrun Steinbach, Vorstand der Lohi (Lohnsteuerhilfe Bayern e. V.), „ganz egal, ob diese Strecke nun fünf oder fünfzig Kilometer beträgt.“ Unerheblich ist dabei zunächst auch, ob der Arbeitnehmer zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem eigenen Auto unterwegs ist oder öffentliche Verkehrsmittel nutzt.

Wer läuft, mit dem eigenen Auto oder einem Geschäftswagen zur Arbeit fährt, kann pro Kilometer Anfahrt 30 Cent als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Die Höhe der abziehbaren Werbungskosten lässt sich leicht errechnen: Dabei wird die Zahl der Arbeitstage pro Jahr (bei Vollzeitbeschäftigung sind es in der Regel 220) mit der einfachen Fahrtstrecke in Kilometern und 0,30 Euro Kilometerpauschale multipliziert. Bei einer Strecke von beispielsweise 50 Kilometern kommen so jährlich 3300 Euro Werbungskosten zusammen. Bei einem persönlichen Steuersatz von 30 Prozent ergibt sich darauf eine Steuererstattung von 990 Euro.

„Wird das eigene oder ein zur Nutzung überlassenes Fahrzeug verwendet, sind der Pendlerpauschale nach oben hin keine Grenzen gesetzt“, betont die Steuerexpertin. Anders bei Fahrgemeinschaften. Zwar können hier alle Mitglieder der Fahrgemeinschaft gleichermaßen die Entfernungspauschale geltend machen, es muss jedoch zwischen eigenen Fahrten und Mitfahrten unterschieden werden. Eigene Fahrten sind in der Summe nach oben hin nicht gedeckelt, bei Mitfahrten gilt aber ein Höchstbetrag von 4500 Euro. Der Steuerzahler muss angeben, an wie vielen Tagen er mit dem eigenen Auto gefahren ist und an wie vielen Tagen er Mitfahrer in der Fahrgemeinschaft war. Entsprechendes gilt für Ehepaare, die gemeinsam zur Arbeit fahren.

Wer den Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestreitet, kann die „Pendlerpauschale“ bis zu einer Höhe von 4500 Euro geltend machen. Er kann aber auch die realen Kosten für Fahrscheine ansetzen, falls diese höher sind. Dies ist häufig dann der Fall, wenn Wohnung und Arbeitsstätte nicht weit voneinander entfernt liegen. Interessant: „Pendler müssen nicht zwingend den kürzesten Weg nehmen“, erklärt Gudrun Steinbach von der Lohi. Kann durch einen vermeintlichen „Umweg“ Fahrzeit eingespart werden (etwa durch die Umfahrung von Verkehrsbrennpunkten oder großen Baustellen oder den Verzicht auf Fährverbindungen), können auch längere Wegstrecken geltend gemacht werden.

Einkommensteuererklärung: Wer online einreicht, kann doppelt gewinnen

Ab 1. März starten die Finanzämter in NRW mit der Veranlagung der Steuerklärungen 2012. Die Finanzverwaltung wirbt dafür, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Vorteile einer elektronischen Abgabe nutzen. Arbeitnehmer können die Formulare aber nach wie vor auch in Papierform ausfüllen und einreichen. Das Bundesfinanzministerium bietet die Formulare auf seiner Internetseite zum Ausdrucken an ( www.bundesfinanzministerium.de ). Nach Wegfall des Vordruckversandes ab 2013 versenden die Finanzämter in begründeten Einzelfällen die Vordrucke auch per Post. Zudem liegen die Vordrucke auch bei Städten und Gemeinden  aus.

Wer sich für die elektronische Lohnsteuererklärung mit der kostenlosen Finanzverwaltungs-Software Elster oder mit anderen Steuerprogrammen entscheidet, kann Zeit und Geld sparen sowie Fehler über eine Plausibilitätsprüfung vermeiden. Ein weiterer Pluspunkt: Das Finanzministerium verlost drei Notebooks und 50 stylische Trinkbecher unter den Einsendern, die ihre Steuererklärung für das Veranlagungsjahr 2012 bis zum 31. Mai 2013 elektronisch einreichen. Nähere Informationen und Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels finden Sie in den Anlagen.

Freiberufler oder Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, einem Gewerbebetrieb oder einer anderen selbständigen Arbeit sind verpflichtet, ihre Einkommensteuererklärung für 2012 elektronisch einzureichen. Sie können dazu die kostenlose Software der Finanzverwaltung oder andere zur Verfügung stehende Programme nutzen. Das gilt für Berufstätige wie für Rentnerinnen und Rentner mit zusätzlichen Gewinneinkünften. Ausführliche Informationen, wer die Steuererklärung elektronisch abgeben muss, stehen auf der ersten Seite der Anleitung zur Einkommensteuererklärung 2012.

 

http://www.ofd-rheinland.de/ Düsseldorf, den 01.03.13

Anlage

Zu den Teilnahmebedingungen [PDF]

FG Düsseldorf zur Absetzbarkeit von Kosten eines Prozesses zur Erlangung eines Studienplatzes

Aufwendungen für Kosten aus verwaltungsgerichtlichen Prozessen als außergewöhnliche Belastung.

 Leitsatz

  1. 1.           Auch Aufwendungen für Kosten aus verwaltungsgerichtlichen Prozessen können aufgrund der neuen Rechtsgrundsätze des BFH in seinem Urteil vom 12.05.2011, VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, eine außergewöhnliche Belastung darstellen.
  2. 2.           Erstreiten Eltern ihrer Tochter im Rechtswege die Zulassung zum Studium, sind die hierfür aufgewendeten Gerichts- und Anwaltskosten als typische Aufwendungen für die Berufsausbildung im Sinne von § 33 EStG zu qualifizieren, so dass nach § 33 a Abs. 4 EStG eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG nicht in Betracht kommt.
  3. 3.           Infolge der typisierenden Pauschalregelung zur Berücksichtigung von Ausbildungskosten gilt die „Sperrwirkung” des § 33 a Abs. 4 EStG unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG im konkreten Fall vorliegen (vgl. BFH-Rspr.).

 Gesetze

EStG § 33 Abs. 1
EStG § 33 Abs. 2 Satz 1
EStG § 33 a Abs. 1
EStG § 33 a Abs. 4

 Tatbestand

Streitig bei der Einkommensteuerfestsetzung 2010 ist die Höhe der zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastung.

In ihrer Steuererklärung machten die Kläger unteranderem einen Betrag i.H.v.

6383,00 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Bei diesem Betrag handelt es sich laut Vortrag der Kläger um Prozess– und Anwaltskosten, die den Klägern dadurch entstanden sind, dass sie für ihre Tochter „A”, geboren im Juni 1990, einen Studienplatz im Fach Psychologie für das Wintersemester 2010/2011 erkämpfen mussten. Aufgrund der durchgeführten Maßnahmen konnte erreicht werden, dass die Tochter „A” an der Universität „B” einen Studienplatz im Fach Psychologie erhalten hat.

Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 09.11.2011 erkannte das Finanzamt diese Kosten unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 09.11.1984, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 1985 Seite 135 , nicht als außergewöhnliche Belastung an.

Der rechtzeitig gegen die Steuerfestsetzung eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 04.04.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zwar habe der Bundesfinanzhof unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung mit Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses – unabhängig von dessen Gegenstand – bei den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz –EStG- berücksichtigungsfähig sind. Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 20.12.2011 IV C 4– S 2284/07/0031:002 sei das Urteil des Bundesfinanzhofs jedoch über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.

Mit ihrer am 25.04.2012 eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Das BFH-Urteil aus dem Jahr 1984 sei durch die vielen Gesetzesänderungen in der Zwischenzeit nicht mehr anzuwenden. Die rechtliche Situation habe sich erheblich verändert. Es gebe keinen Ausbildungsfreibetrag mehr. Lediglich dann, wenn die Kinder zur Berufsausbildung auswärtig untergebracht seien, gewähre der Gesetzgeber noch einen geringfügigen steuerlichen Freibetrag von 924,00 €.

Der BFH habe mit seinem Urteil vom 12.05.2011 entschieden, dass Kosten eines Prozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Er habe ausgeführt, dass außergewöhnliche Belastungen dann vorliegen, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes entstehen. Die Kosten eines Prozesses zur Erlangung eines Studienplatzes entstünden der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen jedoch nicht. Deshalb seien diese Kosten als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Kläger zur Erreichung des Studienplatzes gerichtlich vorgehen mussten. Das staatliche Gewaltmonopol lasse keinen anderen Weg zu.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 09.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.04.2012 dahingehend abzuändern, dass weitere Aufwendungen i.H.v. 6383,00 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (siehe BFH-Urteil vom 09.11.1984, VI R 40/83 , BStBl. II 1985, Seite 135) seien Prozesskosten, die Eltern aufwenden, um für ihre Kinder einen Studienplatz in einem Numerus–Clausus–Fach zu erstreiten, Aufwendungen für die Berufsausbildung und deshalb keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz EStG .

Aufwendungen für die Berufsausbildung der Kinder seien grundsätzlich mit dem Freibetrag für den Betreuungs–, Erziehungs– oder Ausbildungsbedarf des Kindes nach § 32 Abs. 6 EStG bzw. mit dem Kindergeld abgegolten. Zur Abdeckung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindlichen auswärtig untergebrachten Kindes bestehe zusätzlich ein Anspruch auf den Freibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG .

Aufgrund der in den letzten Jahren vorgenommenen Gesetzesänderungen sei beim Familienleistungsausgleich der „alte” Ausbildungsfreibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG nunmehr im (doppelten) Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG (Freibetrag für das sächliche Existenzminimum und Freibetrag für Betreuungs–, Erziehungs– oder Ausbildungsbedarf) und dem erhöhten Kindergeld berücksichtigt. Insoweit bestünden keine Bedenken, das BFH-Urteil vom 09.11.1984 in seinen Grundsätzen weiterhin anzuwenden, denn der Gesetzgeber gewähre nunmehr in § 32 Abs. 6 EStG einen Freibetrag für Ausbildungsbedarf, welcher den „alten” Ausbildungsfreibetrag nach § 33 a Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG ersetze.

Eine Berücksichtigung der Prozesskosten zur Erlangung eines Studienplatzes der Tochter als außergewöhnliche Belastung komme somit zum einen nicht in Betracht, weil es sich um Berufsausbildungskosten eines Kindes handele und zum anderen werde von der Finanzverwaltung das BFH-Urteil vom 12.05.2011 zu Prozesskosten nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewendet.

In Bezug auf die Angemessenheit der Anwaltsvergütungen ist der Klägervertreter mit Schreiben des Berichterstatters vom 20.12.2012 um Übersendung der zu Grunde liegenden Honorarvereinbarung/Vergütungsvereinbarung und um Mitteilung der Höhe der gesetzlichen Anwaltsgebühren gebeten worden. Auf das Antwortschreiben vom 09.01.2013 und die damit überreichten Unterlagen wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2013 Bezug genommen.

 Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO ). Die geltend gemachten Kosten können nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden.

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG ). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 S. 1 EStG ).

Zwar steht aufgrund des anwaltlichen Schreibens vom 09.01.2013 zur Überzeugung des Senates fest, dass die geltend gemachten Anwaltskosten nicht unangemessen im Sinne von § 33 Abs. 2 S. 1 EStG sind. Aufgrund der Vielzahl der eingeleiteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren und der schlüssig dargelegten Gebühren in Höhe von knapp 490 € pro Eilverfahren geht der Senat davon aus, dass die gesetzlichen Gebühren höher gewesen wären als die Gebühren, die von Seiten des Anwalts kraft Honorarvereinbarung für die Verfahren der Tochter in Rechnung gestellt wurden.

Auch der Umstand, dass die getätigten Aufwendungen Kosten aus Verwaltungsprozessen sind, welche nach der bisherigen Rechtsprechung regelmäßig keine außergewöhnliche Belastung darstellen (vergleiche BFH–Beschluss vom 17.09.1999 III B 38/99 , in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2000, 315), würde aufgrund der neuen Rechtsgrundsätze des BFH in seinem Urteil vom 12.05.2011, VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, von der Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus mit einem Nichtanwendungserlass belegt (BMF-Schreiben vom 20.12.2011 , BStBl. I 2011, 1286) einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich nicht entgegenstehen. Das vom BFH in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 betonte staatliche Gewaltmonopol, nach dem strittige Ansprüche nur mit Hilfe der Gerichte durchzusetzen oder abzuwehren sind, gilt auch bei der Durchsetzung von Ansprüchen im öffentlich-rechtlichen Bereich (für eine Gleichbehandlung der Kosten für Zivilprozesse und verwaltungsgerichtliche Prozesse nach der neuen BFH-Rechtsprechung ebenfalls Schmieszek in Bordewin- Brandt, § 33 EStG Rz. 370; vgl. ferner auch Trossen, Anmerkung zum Urteil des FG Hamburg 24.09.2012 – 1 K 195/11 , Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2013, 41 ).

b) Die Anwendung des § 33 EStG ist aber durch § 33 a Abs. 4 EStG ausgeschlossen, weil es sich um Aufwendungen für die Berufsausbildung der Tochter im Sinne des § 33 a Abs. 1 EStG handelt. Nach § 33 a Abs. 4 EStG kann in den Fällen der Absätze 1 und 2 wegen der in diesen Vorschriften bezeichneten Aufwendungen der Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung nach § 33 nicht in Anspruch nehmen. Der Begriff der Berufsausbildung i.S. des § 33 a Abs.1 und 2 EStG ist weit, was sich schon daraus ergibt, dass er z.B. die gesamte Schulbildung mit umfasst (Urteil des BFH vom 10. Februar 1961 VI 182/60 U , BStBl III 1961, 160). Berufsausbildung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn das Kind des Steuerpflichtigen nach Schulabschluss und der dadurch erlangten Hochschulreife ein Erststudium absolviert. Zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung gehören ferner vorab entstandene Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen zu dem Zweck getätigt werden, dem Kind die von ihm gewünschte Art der Berufsausbildung zu ermöglichen. Als Kosten dieser Art sind die hier streitigen Gerichts- und Anwaltskosten zu qualifizieren, weil die Kläger sie aufgewendet haben, um ihrer Tochter im Rechtswege die Zulassung zum Studium zu erstreiten (BFH–Urteil vom 09.11.1984 VI R 40/83 , BStBl. II 1985, 135).

Unerheblich ist, ob die sonstigen Voraussetzungen von § 33 a Abs. 1 EStG in Bezug auf den dort für abziehbar erklärten Aufwand für eine etwaige Berufsausbildung vorliegen, was im Streitfall aufgrund der Regelung von § 33 a Absatz 1 S. 4 EStG zu verneinen ist, da die Kläger Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG haben. Infolge der typisierenden Pauschalregelung zur Berücksichtigung von Ausbildungskosten gilt die „Sperrwirkung” des § 33 a Abs. 4 EStG unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG im konkreten Fall vorliegen (BFH – Beschluss vom 17.04.1997 III B 216/96 , BStBl. II 1997, 752 – damals zu § 33 a Abs. 5 Einkommensteuergesetz ).

c) Die Anwendbarkeit des § 33 EStG neben § 33 a Abs. 1 EStG ist auch nicht mit dem Argument zu bejahen, bei den Prozesskosten handele es sich nicht um typische Kosten der Ausbildung. Zwar hat die Rechtsprechung außergewöhnliche Unterhaltskosten

als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG angesehen (BFH–Urteil vom 09.11.1984, BStBl. II 1985, 135 mit weiterem Nachweis; vgl. zur Nichtanwendbarkeit von § 33 EStG auf typische Berufsausbildungskosten als typischer Unterhaltsaufwand BFH-Urteil vom 17.12.2009 VI R 63/08 , BStBl. II 2010, 341 mit weiteren Nachweisen). Der Senat schließt sich jedoch der bisherigen Rechtsprechung an, nach der die hier entstandenen Kosten ihrer Art nach nicht so ungewöhnlich sind, dass sie aus dem Rahmen der durch die Pauschalregelung des § 33 a Abs. 1 EStG abgegoltenen Ausbildungskosten fallen würden (BFH-Urteil vom 09.11.1984, BStBl. II 1985, 135).

d) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Zum einen wird die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum erleichterten Abzug von (Zivil) Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung kritisch gesehen (vergleiche Schmitz–Herscheidt, Neue Wirtschafts-Briefe – NWB – 3/2013, 112; FG Hamburg, Urteil vom 24.09.2012 – 1 K 195/11 , EFG 2013, 41 mit Anmerkung Trossen, Revision eingelegt (Az. des BFH: X R 34/12)].

Zum anderen halten Teile des Schrifttums und der FG–Rechtsprechung entgegen der BFH Entscheidung vom 09.11.1984 verwaltungsgerichtliche Verfahrenskosten wegen Zulassung zum Studium nicht für typische laufende Unterhaltsaufwendungen, die von § 33 a Abs. 1 und 2 EStG erfasst werden; die Kosten lebenswichtiger Prozesse seien unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf und einkommenssteuerrechtlich entsprechend ungewöhnliche Aufwendungen, die nicht durch § 33 a Abs. 4 (früher Abs. 5) EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen sind (vergleiche Kanzler in Herrmann Heuer Raupach, EStG Kommentar, Lieferung 173 Juni 1993, § 33 EStG , Rn. 127 mit weiteren Nachweise).

BITKOM lehnt Alleingang der Finanzverwaltung bei der elektronischen Buchführung ab

  • Dringend notwendige Aktualisierung der Buchführungsgrundsätze sollte gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet werden
  • Unternehmen drohen zusätzliche Kosten und neue Bürokratie
Berlin, 10. Mai 2013 – Der Hightech-Verband BITKOM lehnt die Pläne des Bundesfinanzministeriums zu neuen Anforderungen an die EDV-Buchführung in den Unternehmen entschieden ab. Der vorliegende Entwurf eines Schreibens über „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ stellt die Anforderungen allein aus Sicht der Finanzverwaltung dar und ist nicht praxistauglich. „Zwar müssen die geltenden Grundsätze für die EDV-Buchführung, die GoBS, aktualisiert und an den modernen Stand der Technik angepasst werden. Der hierzu vorgelegte Entwurf der Finanzverwaltung kann aber von uns nicht akzeptiert werden“, sagt BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. Er ergänzt: „Die Anforderungen müssen die Wertungen des Handelsrechts und die Arbeitsweise moderner Buchführungssysteme berücksichtigen und dürfen nicht durch Verschärfungen der bisherigen Verwaltungspraxis zusätzliche bürokratische Lasten bei den Unternehmen abladen.“

Der BITKOM kritisiert an dem Entwurf der Finanzverwaltung eine teilweise veraltete Sichtweise auf die Arbeitsweise von elektronischen Buchführungssystemen. Aufgrund vieler unklarer, nicht systematisch erläuterter Begriffe und sehr abstrakter und weit gefasster Vorgaben bietet der Entwurf keine Praxissicherheit für die Unternehmen hinsichtlich der Organisation ihrer Buchführung. Somit bleiben die Unternehmen weitgehend im Unklaren darüber, wie sie bei Prüfungen durch die Finanzverwaltung Beanstandungen ihrer Buchführung vermeiden können. Soweit die Anforderungen der Finanzverwaltung dagegen deutlich werden, wird ihre Umsetzung vielfach zusätzliche Kosten bei den Buchführungspflichtigen verursachen. Obwohl das Gesetz davon ausgeht, dass die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung in erster Linie durch das Handelsrecht bestimmt werden, sind die Besonderheiten des Handelsrechts im Entwurf der Finanzverwaltung kaum berücksichtigt.„Wir halten es für besonders bedauerlich, dass die Finanzverwaltung den Entwurf der Wirtschaft zur Überarbeitung der GoBS komplett ignoriert“, sagt Kempf. Die Wirtschaft hatte ihre Vorstellungen zu den Grundätzen ordnungsmäßiger IT-Buchführung im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AVW) erarbeitet und in einem Entwurf für „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim IT-Einsatz“ (GoBIT) zur Diskussion gestellt. Darin werden vor allem die handelsrechtlichen Vorschriften mit Hinblick auf die zeitgemäße Organisation einer EDV-Buchführung interpretiert. Es werden so zum Beispiel die Anforderungen an digitale Belege formuliert oder Erläuterungen zur Verantwortung bei der Auslagerung von IT-Buchführungssystemen gegeben. Das Konzept der von der Wirtschaft entwickelten GoBIT besteht in der behutsamen Fortentwicklung der GoBS und deren Anpassung an die neuen Technologien, so dass keine grundlegende Umstellung der aktuellen Buchführungssysteme erforderlich wird.

Von der Unsicherheit, die der BMF-Entwurf hinterlässt, sind in besonderem Maße auch Unternehmen betroffen, die Dienstleistungen rund um die Buchführung erbringen, etwa Wirtschaftsprüfer oder Anbieter von Software für die Buchführung. Der BITKOM fordert deshalb die Finanzverwaltung auf, die lange Jahre erfolgreiche und konstruktive Zusammenarbeit mit allen Beteiligten fortzusetzen und an dem vorliegenden GoBIT-Entwurf gemeinsam mit der AVW weiterzuarbeiten. Ein Alleingang der Finanzverwaltung ist dazu keine Alternative. „Das wäre eine Abkehr von der bisherigen bewährten Praxis, dass Wirtschaft und Verwaltung solche Grundsätze gemeinsam erarbeiten und dann auch gemeinsam tragen“, so Kempf.

Zum Hintergrund: Unternehmen, die für ihre Buchführung Informationstechnologie (IT) einsetzen, haben bestimmte Standards zu beachten, die derzeit in den „Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS)“ niedergelegt sind. Die aktuelle Fassung der GoBS stammt aus dem Jahr 1995 und ist dringend aktualisierungsbedürftig, da sie nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Vertreter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden haben daher die GoBS zu „Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung beim IT-Einsatz (GoBIT)“ fortentwickelt. Trotz wiederholter Einladungen haben sich Vertreter der Finanzverwaltung an dieser Aktualisierung leider nicht beteiligt. Dennoch fanden  fachliche Vorbehalte und Änderungswünsche der Finanzverwaltung weitgehend Berücksichtigung in den GoBIT.

Am 9. April 2013 veröffentlichte die Finanzverwaltung einen eigenen Vorschlag zur Überarbeitung der GoBS, die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“. Darin stellt die Finanzverwaltung ihre Anforderungen an die Buchführung zusammen, die aus steuerrechtlicher Sicht erforderlich sein sollen. Die Neuregelung soll bisherige Verlautbarungen der Finanzverwaltung zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und zum elektronischen Datenzugriff nach § 127 Abs. 6 AO zusammenfassen und ersetzen.

BITKOM begrüßt Investitionszuschuss Wagniskapital

  • Neues Förderprogramm startet morgen
  • Zuschuss muss steuerfrei sein und Antragstellung darf nicht bürokratisch werden
Berlin, 14. Mai 2013 – Der Hightech-Verband BITKOM begrüßt das neue Förderprogramm „Investitionszuschuss Wagniskapital“, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium von morgen (15. Mai) an Investitionen in junge innovative Unternehmen unterstützt. Investoren erhalten für Beteiligungen ab 10.000 Euro auf Antrag 20 Prozent der Investitionssumme zurückerstattet, sofern sie bestimmte Bedingungen erfüllen und die Beteiligung für mindestens drei Jahre gehalten wird. „Alle Zahlen zeigen, dass es in Deutschland an Wagniskapital für Start-ups fehlt. Der Investitionszuschuss kann dazu führen, dass von privaten Investoren mehr Geld für IT- und Internet-Start-ups zur Verfügung gestellt wird“, sagt BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. Im vergangenen Jahr flossen nur 240,8 Millionen Euro Venture Capital in IT-Gründungen, mehr als die Hälfte davon an Start-ups in Berlin. 2011 waren es noch 255,5 Millionen Euro gewesen.Jeder Investor kann pro Jahr maximal Investitionen in Höhe von 250.000 Euro bezuschussen lassen. Die maximale Investitionssumme, die gefördert wird, beträgt pro Unternehmen 1 Million Euro. Sowohl Investoren als auch das Unternehmen, in das investiert wird, müssen eine Reihe von Kriterien erfüllen. So muss das Start-up unter anderem einer innovativen Branche angehören, unabhängig sein und weniger als 10 Millionen Euro Umsatz pro Jahr generieren. „Entscheidend für den Erfolg des Programms wird sein, dass die Abwicklung nicht zu bürokratisch wird“, so Kempf. „Außerdem muss der gezahlte Zuschuss an die Investoren steuerfrei sein, da sich sonst der Anreiz für Beteiligungen wieder reduziert.“ Die Steuerfreiheit ist bislang noch nicht endgültig geklärt.

Insgesamt stehen für den Zeitraum 2013 bis 2016 für das Förderprogramm 150 Millionen Euro zur Verfügung, pro Jahr entspricht das 37,5 Millionen Euro. „Wird die Fördersumme ausgeschöpft, würden damit Investitionen in Höhe von fast 200 Millionen Euro angeschoben. Damit könnte Deutschland zwar noch lange nicht zu Nationen wie den USA oder Israel aufschließen, die sich beim Wagniskapital in ganz anderen Größenordnungen bewegen, aber es wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so Kempf.
Anträge für den Investitionszuschuss Wagniskapital können ab 15. Mai online gestellt werden: http://www.bafa.de/bafa/de/

Einkommensteuer – An Arbeitgeber ausbezahle Eingliederungszuschüsse

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch, die dem Arbeitgeber gewährt werden, sind nicht nach § 3 Nr. 2 b EStG steuerfrei, sondern als zusätzliche Betriebseinnahmen zu erfassen. Nachträgliche Erkenntnisse im Rahmen einer Betriebsprüfung sind grundsätzlich verwertbar, wenn kein sog. Verwertungsverbot vorliegt. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az.: 4 K 1346/11).

Geklagt hatte ein Bilanzbuchhalter, der ein Buchhaltungsbüro betreibt und daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielte. Bei einer Betriebsprüfung hatte das Finanzamt festgestellt, dass dem Kläger auf einem privaten Konto Eingliederungszuschüsse für zwei Arbeitnehmerinnen gutgeschrieben worden waren, die dieser nicht als Betriebseinnahmen erfasst hatte. Deshalb erhöhte das Finanzamt den Gewinn um die erhaltenen Eingliederungszuschüsse. Außerdem hatte das Finanzamt festgestellt, dass auf Ausgangsrechnungen des Klägers an einen Kunden eine Bankverbindung angegeben war, die nicht in den Unterlagen  des Buchhaltungsbüros erfasst worden war. Zudem waren von einem weiteren Bankkonto hohe Privateinlagen getätigt worden. Dies führte zur Einleitung eines Strafverfahrens und zur Anforderung von Kontoauszügen bei den Kreditinstituten durch die Buß- und Strafsachenstelle des Finanzamtes.

Das Hessische Finanzgericht wies die Klage ab. Bei den Eingliederungszuschüssen handele es sich um Betriebseinnahmen des Arbeitgebers. Die Eingliederungszuschüsse seien auch nicht nach § 3 Nr. 2 b EStG steuerfrei, weil sie dem Kläger als Arbeitgeber gezahlt worden seien. Der Gesetzgeber mache im Gesetzestext durch den Verweis auf die Leistungen nach dem SGB II dagegen deutlich, dass er die Steuerfreistellung nur für Leistungen an Arbeitnehmer vorsehen wolle. Mit § 3 Nr. 2 b EStG solle ausschließlich die mit dem SGB II bezweckte Grundsicherung für Arbeitssuchende steuerlich unterstützt werden.

Selbst wenn man von der Steuerfreiheit der gewährten Eingliederungszuschüsse nach § 3 Nr. 2 b EStG ausgehe, verbleibe es in jedem Falle bei der Erfassung als weitere Betriebseinnahmen. Denn die den beiden Arbeitnehmerinnen gezahlten Löhne, die betragsmäßig höher seien als die Eingliederungszuschüsse und die als solche Betriebsausgaben darstellten, könnten dann in Höhe der entsprechenden Beträge gemäß § 3 c Abs. 1 Satz 1 EStG nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, weil insoweit ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen bestehe. Ferner führe die Anforderung der Kontoauszüge durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht zu einem Verwertungsverbot zusätzlicher Betriebseinnahmen im Besteuerungsverfahren. Diese Ermittlungsmaßnahme im strafrechtlichen Verfahren sei weder zeitnah durch die dafür  trafprozessual vorgesehenen Rechtsbehelfe angefochtenen worden noch sei die Rechtswidrigkeit im Laufe des weiteren Verfahrens festgestellt worden. Vielmehr habe Kläger erst nach Auswertung der bereits mehr als 8 Monate zuvor übersandten Kontoauszüge und nach Ergehen der geänderten Einkommensteuerbescheide einen dafür gesetzlich nicht vorgesehenen Einspruch bei der Bußgeldund Strafsachenstelle eingelegt.

Letztlich würde aber auch die strafprozessuale Rechtswidrigkeit der Anforderung der Kontoauszüge nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren führen, weil nach der Rechtsprechung des BFH allein ein Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensnormen nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren führten. Schließlich habe die Anforderung der Kontounterlagen bei den Banken, nachdem diese von dem Kläger nicht vorgelegt worden seien, auch nicht zu massiven Grundrechtverletzungen geführt, die ein qualifiziertes Besteuerungsverbot im Besteuerungsverfahren nach sich zögen.

Das Hessische Finanzgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung gegen sein Urteil vom 13.02.2013 die Revision zugelassen. Aktenzeichen des BFH: VIII R 17/13.

 

HESSISCHES FINANZGERICHT
Geschäftsnummer: 34117 Kas s e l
Königs tor 35
4 K 1346/11 34017 Kas s e l
Pos t f a ch 10 17 40
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
1.
-Kläger-
Prozessbev. zu 1. und 2.:
g e g e n
Finanzamt
-Beklagterw
e g e n
Einkommensteuer 2006-2008
hat der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 13. Februar 2013
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht
des Richters am Hessischen Finanzgericht
des Richters
– 2 –
sowie des
und des
als ehrenamtliche Richter
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) auch dann gemäß § 3 Nr. 2b des Einkommensteuergesetzes
in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) steuerfrei
sind, wenn sie Arbeitgebern gewährt werden bzw. ob die von dem Finanzamt
erlangte Kenntnis über solche Leistungen und andere Zahlungen im vorliegenden
Falle einem Verwertungsverbot unterliegen.
Der Kläger ist Bilanzbuchhalter und betreibt ein Buchhaltungsbüro, die daraus
erzielten Einkünfte werden von den Beteiligten als Einkünfte aus selbstständiger
Arbeit behandelt. Er ermittelt seinen Gewinn durch Überschussrechnung
gem. § 4 Abs. 3 EStG. Die Kläger wurden für die Veranlagungszeiträume 2006
bis 2008 zunächst erklärungsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 erging unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung.
Aufgrund eines Prüfungsvorschlags des Innendienstes des Finanzamts wurde
bei dem Kläger am 10.02.2010 um 8.30 Uhr mit einer die Jahre 2006 bis 2008
– 3 –
betreffenden Außenprüfung für sein Buchhaltungsbüro begonnen. Mit Prüfungsanfrage
vom selben Tag bat der Prüfer u.a. um die Vorlage der Kontoauszüge
eines Kontos bei der Bank 1 mit der Nummer xx1 für den Zeitraum vom
01.01.2006 bis 31.12.2008. Grund für die Anforderung war, dass diese Bankverbindung
insbesondere auf Ausgangsrechnungen an die Firma A-AG angegeben,
aber nicht in den Unterlagen des Buchhaltungsbüros erfasst war. Anschließend
setzte er die Außenprüfung in der Zeit vom 11.02.2010 bis
15.02.2010 fort. Am 12.02.2010 und 15.02.2010 richtete er weitere, nicht die
im gerichtlichen Verfahren streitigen Prüfungsfeststellungen betreffende,
schriftliche Prüfungsanfragen an den Kläger.
Im Verlauf der weiteren Prüfung stellte der Prüfer dann fest, dass von dem
Konto mit der Nummer xx2 bei der Bank2. im kompletten Prüfungszeitraum,
insbesondere aber in den Jahren 2007 und 2008, hohe Privateinlagen getätigt
worden waren. Daraufhin, und weil ihm die erbetnen Kontoauszüge des Kontos
bei der Bank 1 nicht ausgehändigt worden waren, besprach der Prüfer seine
weitere Vorgehensweise am 17.02.2010 mit dem zuständigen Sachgebietsleiter.
Das Ergebnis der Unterredung sei nach Angabe des Prüfers gewesen, dass im
Hinblick auf die Weigerung der Vorlage der Kontoauszüge und der ungeklärten
Einlagen davon habe ausgegangen werden müssen, dass weitere steuerrelevante
Zahlungsvorgänge vorlägen, die nicht in den Unterlagen des Klägers erfasst
worden seien. Er übersandte am 19.02.2010 einen „Aktenvermerk über den
Verdacht einer Steuerstraftat“ an die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts
Stadt A, in dem die bisher festgestellten Sachverhalte geschildert
worden waren.
Daraufhin leitete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Stadt A
mit Schreiben vom 22.02.2010 ein Strafverfahren ein, wogegen der Kläger mit
Schreiben vom 08.03.2010 eine „Gegenvorstellung“ erhob. In dem Schreiben
vom 22.02.2010 forderte die Bußgeld- und Strafsachenstelle den Kläger auf,
die Kontoauszüge für die Jahre 2006 bis 2008 hinsichtlich der bei der Bank2.
und bei der Bank 1 unterhaltenen Konten vorzulegen. Da der Kläger dem nicht
– 4 –
nachkam, richtete die Bußgeld- und Strafsachenstelle am 12.04.2010 u.a. an
die Bank 1 und an die Bank 2. Auskunftsersuchen gemäß § 161a der Strafprozessordnung
(StPO), in denen sie auch diese Kontoauszüge anforderte. Die ersuchten
Banken legten im April des Jahres 2010 die angeforderten Kontoauszüge
vor. Gegen die Anforderung der Kontoauszüge bei den Kreditinstituten
legte der Kläger bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Stadt
A mit Schreiben vom 06.12.2010 Einspruch ein.
Zwischenzeitlich war der Prüfer unter Einbeziehung der von den Kreditinstituten
vorgelegten Kontounterlagen zu folgenden nunmehr noch streitigen Prüfungsfeststellungen
gelangt: Es waren in den Jahren 2006 bis 2008 einzelne
Zahlungen auf Ausgangrechnungen an die A-AG nicht im Rahmen der Gewinnermittlung
berücksichtigt worden (2006: 7120,–EUR, 2007: 1472,62 EUR
und 2008: 133,88 EUR; Tz. 12, 22 und 24 des Prüfungsberichts vom
29.09.2010). Diese rechnete er dem Gewinn des Klägers ebenso hinzu, wie einzelne
dem Kläger in den Jahren 2007 und 2008 im Zusammenhang mit seiner
selbstständigen Tätigkeit bezahlte, aber bisher nicht als Betriebeinnahmen berücksichtigte,
Versicherungsprovisionen (2007: 2.3841,48 und 2008:
388,97 EUR; Tz. 22 und 26 des Prüfungsberichts vom 29.09.2010).
Darüber hinaus stellte der Prüfer fest, dass in den Jahren 2007 und 2008 dem
Kläger Eingliederungszuschüsse für zwei Arbeitnehmerinnen gezahlt worden
waren, die nicht als Betriebseinnahmen berücksichtigt bzw. einem privaten
Konto des Klägers gutgeschrieben worden waren. Für die Arbeitnehmerin AN1
betrugen die Eingliederungszuschüsse in 2007: 2.880,00 € und in 2008: 360 €.
Der Kläger seinerseits hatte Frau AN1 Bruttolöhne in Höhe von 6.241,50 Euro
(in 2007) und 6.018,75 Euro (in 2008) gezahlt. Die Eingliederungszuschüsse
für die Arbeitnehmerin AN2 beliefen sich in 2007 auf 9.072 € und in 2008 auf
16.848 €. Frau AN2 waren von dem Kläger Bruttolöhne in Höhe von 11.986,45
Euro (in 2007) und 21.470,55 Euro (in 2008) gezahlt worden. Der Prüfer vertrat
die Ansicht, dass der Gewinn um sämtliche in den Jahren 2007 und 2008
erhaltenen Eingliederungszuschüsse zu erhöhen sei, weil diese Zuschüsse bei
– 5 –
Gewährung an den Arbeitgeber nicht nach § 3 Nr. 2b EStG steuerfrei seien (Tz.
22 und 23 des Prüfungsberichts vom 29.09.2010). Im Anschluss an die
Schlussbesprechung und den Prüfungsbericht vom 29.09.2010 machte der Kläger
durch Schreiben vom 11.10.2010 diverse Einwendungen gegen die Prüfungsfeststellungen
geltend. Er vertrat insbesondere die Ansicht, der Kläger sei
nicht verpflichtet gewesen Kontenunterlagen aufzubewahren. Auch seien Eingliederungszuschüsse
gemäß § 3 Nr. 2b EStG steuerfrei.
Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ am
26.10.2010 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume
2006 bis 2008, in denen es die Prüfungsfeststellungen berücksichtigte.
Die Änderung der Einkommensteuerbescheide stützte es für die Jahre 2006 und
2007 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und für das Jahr 2008
auf § 164 Abs. 2 AO. Den dagegen erhobenen Einspruch wies das Finanzamt
durch Einspruchsentscheidung vom 13.05.2011 als unbegründet zurück
(Bl. 7 ff. der Finanzgerichtsakte).
Zur Begründung ihrer Klage bringen die Kläger vor, die Betriebsprüfung habe
ergeben, dass keine weiteren Einnahmen von der Firma A-AG erzielt worden
seien, als die, die zu Beginn der Betriebsprüfung am 10.02.2010 in den vorgelegten
Ausgangsrechnungen an die Firma A-AG ersichtlich gewesen seien.
Drei Rechnungen an diese Firma über insgesamt 6.130 € seien im Jahre 2006
versehentlich nicht gebucht worden, weil wegen Zahlungsschwierigkeiten der
Firma A-AG diese Rechnungen erst weit nach Erteilung der Ausgangsrechnungen
bezahlt worden seien und die angestellte Buchhalterin, Frau AN2, davon
ausgegangen sei, dass sie schon früher gebucht worden waren. Die Rechnung
mit der Nummer 2007/06/05 über netto 1.237,50 € sei in 2007 nicht gebucht
worden, obwohl sie den handschriftlichen Vermerk mit dem „Buchungssatz“
und dem Zusatz „geb“ mit Namenszeichen der Buchhalterin enthalten habe.
Eine Erklärung für diesen Fehler könne selbst die Buchhalterin nicht geben.
– 6 –
Die auf dem Bankkonto bei der Bank 1 eingegangenen Provisionseinnahmen
seien regelmäßig auf das betriebliche Bankkonto überwiesen und als Betriebseinnahmen
gebucht worden. Dabei seien Beträge von 2.381,47 € in 2007
und von 388,97 € in 2008 übersehen worden. Diese Fehler seien aber ebenso
entschuldbar wie der Fehler des Betriebsprüfers, der in Textziffer 3 seiner Prüfungsfeststellungen
zu Unrecht die Rechnung Nr. 2007/06/04 in Höhe von
737,56 € netto zweimal als Betriebseinnahmen erfasst habe.
Die von dem Prüfer entdeckten Einlagen hätten leicht erklärt werden können,
wenn der Prüfer dem Kläger gegenüber diese überhaupt erwähnt hätte. Denn
diese Einnahmen hätten nur Versicherungsprämien von der Firma B-GmbH, die
auf das betriebliche Bankkonto umgebucht worden seien, betroffen. Eine Bestätigung
über sämtliche Provisionsansprüche im Prüfungszeitraum wäre leicht
und vor allem kostenfrei durch eine Anfrage bei der Firma B-GmbH zu beschaffen
gewesen. Es träfe auch nicht zu, dass der Kläger auf die Aufforderung
zur Vorlage der Bankkontoauszüge hinsichtlich des Kontos bei der
Bank 1 nicht reagiert habe. Der Kläger habe dem Prüfer vielmehr bedeutet,
dass er die Bankkontenauszüge wegen fehlender Aufbewahrungspflicht nicht
mehr vorliegen habe.
Die Eingliederungszuschüsse für die Arbeitnehmerin AN1 seien gebucht und
wegen Steuerfreiheit durch außerbilanzielle Abrechnung erfolgsneutral behandelt
worden. Der Eingliederungszuschuss für die Buchhalterin Frau AN2 sei
gleich privat auf dem Konto Nr. xx2 der Bank 2 vereinnahmt worden, weil die
Buchhalterin nicht die Höhe des Zuschusses im Rahmen der Buchführung habe
erfahren sollen.
Hinsichtlich der Kontoauszüge sei darauf hinzuweisen, dass es bei der Gewinnermittlung
nach § 4 Abs. 3 EStG keine Bestandkonten gäbe. Die Bankbewegungen
müssten nicht verbucht werden. Somit handele es sich um Privatkonten,
für die keine Aufbewahrungspflicht bestehe. Darüber hinaus dürfe eine
Mitwirkung auch nur verlangt werden, wenn sie zur Feststellung des steuer-
7 –
erheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig und zumutbar sei. Das
Finanzamt habe in seiner Ermessensentscheidung den Besonderheiten des vorliegenden
Falles nicht ausreichend Rechnung getragen. So hätten die Ausgangsrechnungen
der Firma A-AG vollständig vorgelegen. Darüber hinaus sollten
andere Personen (z.B. Banken) als die Beteiligten erst dann zur Auskunft
angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten
nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche (unter Hinweis auf § 93
Abs. 1 Satz 3 AO).
Der Betriebsprüfer habe dem Kläger nicht mitgeteilt, warum er die Kontoauszüge
der Bank 1 hätte vorgelegt haben wollen. Eine in einem solch verdeckten
Verfahren durchgeführte Betriebsprüfung verletzte § 199 Abs. 2 AO. Letztlich
sei auch zu berücksichtigen, dass Auskunftsverlangen im Rahmen von Rasterfahndungen
und ähnlichen Ermittlungen unzulässig seien. Ins Blaue hinein dürfe
die Finanzbehörde Auskunftsverlangen nicht stellen. Die an beide Banken
im April 2010 gerichteten Auskunftsersuchen des Finanzamts Stadt A seien
deshalb nicht zulässig. Deshalb sei auch gegen diese Maßnahme mit Schreiben
vom 06.12.2010 bei dem Finanzamt Stadt A Einspruch eingelegt worden.
Die Kläger sind darüber hinaus der Ansicht, es bestünde ein Verwertungsverbot
wegen einer Prüfung im verdeckten Strafverfahren. Im Streitfall liege ein
schwerwiegender Verstoß gegen grundrechtlich geschützte Rechtspositionen
vor, weil ohne Belehrung über die Mitwirkungspflicht die Mitwirkung der
Steuerpflichtigen trotz des Verdachts des Betriebsprüfers auf Steuerhinterziehung
mehrfach gefordert worden sei und eine Mitwirkung deshalb auch erfolgt
sei. Den Verdacht auf Steuerhinterziehung habe der Betriebsprüfer wohl bereits
am ersten Prüfungstag wegen der nicht vollständigen Verbuchung der Ausgangsrechnungen
an die Firma A-AG und den erheblichen Einlagen von dem
Konto Nr. xx2 bei der Bank 2 gehabt. In der Anforderung der Kontoauszüge
durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Stadt A liege eine
Instrumentalisierung des Steuerpflichtigen. Dies habe ein Verwertungsverbot
zur Folge, weil zuerst der Betriebsprüfer durch gezielte Nichtbenennung des
– 8 –
Verdachts auf Steuerhinterziehung und daran anschließend auch die Strafsachenstelle
den Grund für das Verlangen auf Vorlage der Bankkontoauszüge
nicht benannt hätten. Der Vorwand der Strafsachenstelle, vom Prüfer hätten
nicht alle Rechnungs- und Erlösbuchungen nachvollzogen werden können, stelle
angesichts des geschilderten Geschehensablaufs bei der Betriebsprüfung eine
untaugliche Schutzbehauptung dar. Schwerwiegende Verstöße wie z.B. grundgesetzwidrige
Aufklärungsmethoden i.S.d. § 199 Abs. 2 AO würden zu einem
endgültigen materiell-rechtlichen Verwertungsverbot hinsichtlich der Ermittlungsergebnisse
führen. Eine geeignete Rechtsgrundlage für ein Verwertungsverbot
stelle auch der § 136a StPO dar. Trotz des seit Prüfungsbeginn bestehenden
Verdachts auf Steuerhinterziehung habe der Prüfer weder die Bankkontoauszüge
betreffend das Konto Nr. xx2 bei der Bank 2 verlangt noch eine Belehrung
nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO im Besteuerungsverfahren ausgesprochen,
obwohl er die Kontoauszüge der Bank 1 wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung
verlangt habe.
§ 10 Abs. 1 der Betriebsprüfungsanordnung (BpO) verpflichte den Prüfer im
Falle tatsächlicher Anhaltspunkt für eine Straftat (sog. strafrechtlicher Anfangsverdacht)
die Prüfung abzubrechen und die zuständige Straf- und Bußgeldstelle
unverzüglich zu unterrichten. Darüber hinaus sei der Steuerpflichtige
gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 BpO über sein Mitwirkungsverweigerungsrecht zu
belehren. Diese Verpflichtung bestehe nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BpO auch dann,
wenn lediglich die Möglichkeit bestehe, dass ein Steuerstrafverfahren durchgeführt
werden müsse. § 10 Abs. 1 Satz 2 BpO gebe damit den Zeitpunkt des Prüfungsabbruchs
auf die vor dem Stadium des strafrechtlichen Anfangsverdachts
im Sinne des § 152 StPO liegende Phase der bloßen Möglichkeit der Durchführung
eines Strafverfahrens an. Somit komme im vorliegenden Falle ein materielles
Verwertungsverbot in Betracht, da der Prüfer bewusst die zum Schutz
des Steuerpflichtigen explizierenden Normen umgangen und quasi „mit geschlossenem
Visier“ agiert habe. Die unter dem Deckmantel des Besteuerungsverfahrens
bei bewusster Täuschung des Steuerpflichtigen gewonnenen Er-
9 –
kenntnisse unterlägen analog § 136a StPO einem steuerlichen Verwertungsverbot.
Darüber hinaus seien die dem Kläger gezahlten Eingliederungszuschüsse steuerfrei,
denn seit dem 01.01.2005 seien gemäß § 3 Nr. 2b EStG Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II steuerfrei. Bis zum Jahre 2004 sei
die Steuerbefreiung für Eingliederungszuschüsse in § 3 Nr. 2a EStG in der
Weise geregelt gewesen, dass nur Zuschüsse steuerfrei gewesen seien, soweit
sie Arbeitnehmern gewährt worden seien. Nachdem diese einschränkende Regelung
in der Literatur stark kritisiert worden sei, sei diese Einschränkung
durch die Einführung des neuen § 3 Nr. 2b EStG bewusst beseitigt worden. Der
Beschluss des BFH vom 25.09.2002 IV B 139/00 sei noch zur Rechtslage des
§ 2a EStG bis 2004 ergangen.
Die Kläger beantragen,
1. die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 vom
26.10.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2011
dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für die einzelnen
Veranlagungszeiträume wie folgt festgesetzt wird:
für 2006: 5.530 €,
für 2007: 2.159 € und
für 2008: 3.211 €;
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für erforderlich
zu erklären;
3. die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt vertritt die Ansicht, die Änderung der Einkommensteuerbescheide
für die Jahre 2006 bis 2008 sei zu Recht erfolgt. Sowohl die Erhöhung
der Einnahmen des Klägers für die Jahre 2006 bis 2008 um nicht gebuchte
– 10 –
Zahlungen auf Rechnungen als auch die Berücksichtigung von Eingliederungszuschüssen
für die Jahre 2007 und 2008 als steuerpflichtige Einnahmen seien
rechtmäßig gewesen. Entgegen der Ansicht der Kläger läge auch kein steuerrechtliches
Verwertungsverbot vor. Die im Rahmen der Betriebsprüfung durch
das Finanzamt Stadt B erlangten Erkenntnisse seien verwertbar, da sich das
Finanzamt rechtsstaatlich unbedenklicher Ermittlungsmethoden bedient habe.
Dass kein Verwertungsverbot hinsichtlich der Auswertung der Kontenunterlagen
eingreifen könne, ergebe sich bereits daraus, dass der Kläger weder auf die
Anfrage des Prüfers vom 10.02.2010 noch auf die Anforderung der Bußgeldund
Strafsachenstelle des Finanzamts Stadt A vom 22.02.2010 die angeforderten
Unterlagen eingereicht habe. Der Kläger sei auch rechtzeitig belehrt worden
im Sinne des § 393 Abs. 1 Satz 4 AO. Für den Prüfer hätten sich Anhaltspunkte
für eine Straftat erst im Laufe der Betriebsprüfung ergeben, weshalb der
Betriebsprüfer am 19.02.2010 einen Aktenvermerk über den Verdacht einer
Steuerstraftat angefertigt und diesen an die Bußgeld- und Strafsachenstelle
Stadt A übersandt habe.
Nach der Rechtsprechung des BFH (unter Hinweis auf Urteil vom 23.01.2002
XI R 10-11/10) bestünden Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren
grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Die Frage nach einem Verwertungsverbot
sei folglich im Steuerstrafverfahren nach strafprozessualen und im Besteuerungsverfahren
nach abgabenrechtlichen Vorschriften zu beantworten. Der
Steuerpflichtige bleibe auch nach Einleitung des Strafverfahrens weiter zur uneingeschränkten
wahrheitsgemäßen Mitwirkung im Besteuerungsverfahren verpflichtet.
Diese Mitwirkung könne allerdings nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO
nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Da nicht versucht worden sei,
die Mitwirkung des Klägers mit Zwangsmitteln durchzusetzen, komme im vorliegenden
Fall auch kein Verwertungsverbot in Betracht.
Eine Situation im Sinne des § 136a StPO sei zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen.
Es liege auch keine Instrumentalisierung des Steuerpflichtigen vor. Der
– 11 –
Prüfer habe im vorliegenden Fall die Prüfung unterbrochen, als tatsächliche
Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat bestanden hätten. Wie oben dargestellt,
habe der Prüfer einen Aktenvermerk an die Bußgeld- und Strafsachenstelle
übersandt, welche dann das Steuerstrafverfahren eingeleitet und den Kläger
auch auf seine Rechte hingewiesen habe. Eine Verletzung der Artikel 1 und 2
des Grundgesetzes (GG) liege daher nicht vor.
Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die Kontoauszüge für die Kalenderjahre
2006 bis 2008 durch die Bank 1 und die Bank 2 im April 2010 aufgrund eines
Auskunftsersuchen der Bußgeld- und Strafsachenstelle im Rahmen des eröffneten
Strafverfahren übersandt worden seien. Der Prüfer selbst sei nicht nach
§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO vorgegangen und habe die Kreditinstitute nicht um Vorlage
der Kontoauszüge gebeten. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle habe aber
ihrerseits die Kreditinstitute im Rahmen des Steuerstrafverfahrens um Vorlage
der Kontoauszüge bitten dürfen, sie habe im Steuerstrafverfahren das Recht
gemäß § 161a, 51 StPO i.V.m. §§ 386 Abs. 2, 399 AO Zeugen zu befragen.
Die in den Jahren 2007 und 2008 für die Arbeitnehmerinnen AN1 und AN2
dem Kläger gutgeschriebene Eingliederungszuschüsse seien nicht steuerfrei
gemäß § 3 Nr. 2b EStG. Nach diesen Vorschriften seien Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts sowie zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II
steuerfrei. Soweit durch die Verweisung in § 16 Abs. 1 SGB II auf Vorschriften
im SGB III aber auch Leistungen erfasst würden, die Arbeitgebern gewährt
würden, komme eine Steuerfreiheit nicht in Betracht. Dies würde dem Sinn und
Zweck der Regelung widersprechen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zahlreichen im
Klageverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts hatte den Rechtsstreit durch Beschluss
vom 16.05.2012 zunächst dem Einzelrichter zur Entscheidung übertra-
12 –
gen. Dieser hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 17.10.2012 auf den Senat
zurück übertragen.
Dem Gericht haben vier Bände Steuerakten, die den Kläger betreffende Strafakte
der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Stadt A und zwei Fallhefte
des Prüfers über die bei dem Kläger durchgeführte Außenprüfung im Jahre
2010 vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist unbegründet, weil das Finanzamt in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden
für die Jahre 2006 bis 2008 vom 26.10.2010 zutreffend
sowohl die bisher im Rahmen der Gewinnermittlung nicht berücksichtigten
Zahlungen auf Rechnungen der A-AG und Versicherungsprovisionen als
auch die für die Arbeitnehmerinnen AN1 und AN2 gewährten Eingliederungszuschüsse
als zusätzliche Betriebseinnahmen erfasst hat und weil das Finanzamt
auch nicht durch ein Verwertungsverbot an der Berücksichtigung dieser
Prüfungsfeststellungen gehindert war.
Der Kläger erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1
Nr. 3 EStG. Er ermittelt seinen Gewinn, auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 Satz
1 EStG durch Überschussrechnung, da er nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben
verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu machen und
dies auch nicht freiwillig tut
a) Insoweit hat das Finanzamt zu Recht in den Jahren 2006 bis 2008 einzelne
Zahlungen auf Rechnungen der A-AG ( ) in 2006 in Höhe von 7.120,08 €, in
2007 in Höhe von 1.472,62 € und in 2008 in Höhe von 133,88 € über den bisher
erklärten Gewinn hinaus als Betriebseinnahmen erfasst, weil diese Zahlungen
bisher nicht in der Gewinnermittlung des Klägers für die entsprechenden
Veranlagungszeiträume berücksichtig worden waren. Diese unstreitig der be-
13 –
trieblichen Tätigkeit des Klägers zuzuordnenden Einnahmen waren auf dem als
privates Girokonto behandelten Konto mit der Nummer xx3 bei der Bank 1
gutgeschrieben worden. Aus dem gleichen Grund hat das Finanzamt in den Jahren
2007 und 2008 zutreffend einzelne Zahlungen auf an die B-GmbH gerichtete
Rechnungen, es handelte sich um Provisionserlöse aus Versicherungen, entsprechend
den Prüfungsfeststellungen in Tz. 22 und 26 des Betriebsprüfungsberichts
vom 29.09.2010 als weitere Betriebseinnahmen erfasst. In seinem
Klageschriftsatz vom 24.05.2011 hat der Kläger eingeräumt, dass sowohl die
Zahlungen der A-AG als auch die bezeichneten Versicherungsprovisionen versehentlich
nicht im Rahmen der Gewinnermittlung berücksichtigt worden seien.
b) Darüber hinaus hat das Finanzamt zur Recht die für die Arbeitnehmerinnen
AN1 und AN2 in den Jahren 2007 und 2008 an den Kläger als Arbeitgeber gezahlten
Eingliederungszuschüsse entsprechend Tz. 22 und 23 des Prüfungsberichts
vom 29.09.2010 (für Frau AN1 in 2007 2.880 € und in 2008 360 € und
für Frau AN2 in 2007 9.072 € und in 2008 16.848 €) als Betriebseinnahmen
dem erklärten Gewinn des Klägers hinzugerechnet, weil diese Zahlungen dem
Kläger als Arbeitgeber im Rahmen seiner gewerblichen Betätigung im Bereich
der Lohnsteuerhilfe und Buchführungsarbeiten zugeflossen sind. Diese Zahlungen
waren in den von dem Kläger eingereichten Gewinnermittlungen im
Ergebnis unstreitig für die beiden Veranlagungszeiträume nicht als Betriebseinnahmen
berücksichtigt worden. Entgegen der Ansicht des Klägers waren
die Eingliederungszuschüsse im vorliegenden Falle auch nicht gemäß § 3
Nr. 2b EStG steuerfrei, weil sie dem Kläger als Arbeitgeber gezahlt wurden.
Nach § 3 Nr. 2b EStG sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und
zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II steuerfrei. Die Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit waren in den Veranlagungszeiträumen in den §§ 14
bis 18a SGB II in unterschiedlichen Fassungen geregelt. Die Vorschriften umfassen
neben Geldleistungen nach dem SGB II und der Zahlung von Einstiegs-
14 –
geld bei Annahme einer Erwerbstätigkeit auch Sachleistungen in Gestalt von
Beratungen, Betreuung von Angehörigen, Schaffung von Arbeitsgelegenheiten.
Der Wortlaut des §§ 3 Nr. 2b EStG unterscheidet hinsichtlich der Steuerfreiheit von
Eingliederungshilfen zwar nicht ausdrücklich danach, ob sie an Arbeitnehmer oder
Arbeitgeber gezahlt werden. Gleichwohl macht der Gesetzgeber in dem Gesetzestext
durch den Verweis auf die Leistungen nach dem SGB II hinreichend deutlich, dass er
die Steuerfreistellung nur für Leistungen an Arbeitnehmer vorsehen wollte. Denn bei
den Reformen des Arbeitsmarktes und der Zusammenführung der Leistungssysteme
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hat der Gesetzgeber das Sozialgesetzbuch neu geordnet
und im SGB II die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende zusammengefasst
(§§ 1,4 SGB II, vgl. Eichler/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, vor
§ 1 Rn. 1 SGB II).
Des weiteren ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus dem ursprünglich bei Einführung
des § 3 Nr. 2b EStG verfolgten Zweck, als Folgeänderung zu § 3 Nr. 2 EStG
sowie dem systematischen Zusammenhang mit dieser Regelung, die nach dem Gesetzestext
ausdrücklich nur Leistungen an Arbeitnehmer steuerfrei stellt, dass auch die
ergänzende Regelung des § 3 Nr. 2b EStG nur Leistungen an Arbeitnehmer steuerfrei
stellen soll. Mit Nr. 2b soll ausschließlich die mit dem SGB II bezweckte Grundsicherung
für Arbeitssuchende steuerlich unterstützt werden. Das Gericht folgt insoweit der
einhelligen Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum (vgl. nur, statt vieler, v. Beckenrath
in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Rn. B 2b/41 zu § 3 Nr. 2b EStG mit
ausführlicher Begründung und Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und
KStG – Kommentar, 31. Aufl. 2012, § 3 Nr. 2b EStG Anm. 2).
Darüber hinaus wären Beträge in Höhe der in den Jahren 2007 und 2008 gewährten
und zwischen den Beteiligten streitigen Eingliederungszuschüsse im
Ergebnis auch dann korrigierend als weitere Betriebseinnahmen zu berücksichtigen,
wenn die gewährten Eingliederungszuschüsse als solche gem. § 3 Nr. 2b
EStG steuerfrei wären, weil dann die den beiden Arbeitnehmerinnen gezahlten
Löhne, die betragsmäßig höher sind als die Eingliederungszuschüsse und die
– 15 –
als solche Betriebsaugaben darstellen, in Höhe entsprechender Beträge gem.
§ 3c Abs. 1 S. 1 EStG nicht als Betriebausgaben abgezogen werden könnten.
Nach § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen
in unmittelbarem wirtschaftliche Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben
oder Werbungskosten abgezogen werden. Ein unmittelbarer
wirtschaftlicher Zusammenhang in diesem Sinne ist immer dann gegeben,
wenn Einnahmen und Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind.
Dies ist erfordert eine klar abgrenzbare Beziehung zwischen diesen Tatbestandsmerkmalen
im Sinne einer unlösbaren wirtschaftlichen Verbindung (vgl.
nur BFH-Urteil vom 20.10.2004 I R 11/03, BStBl II 2005, 581). Im vorliegenden
Falle besteht bereits deswegen zwischen den gewährten Eingliederungszuschüssen
und den an die beiden Arbeitnehmerinnen gezahlten Löhnen ein unmittelbarer
wirtschaftlicher Zusammenhang, weil beide Vorgänge durch die
Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen für den Kläger veranlasst sind. Darüber hinaus
werden die gewährten Eingliederungszuschüsse gerade auch dem Grunde
und der Höhe nach von der Zahlung eines entsprechenden Arbeitentgelts abhängig
gemacht. Insoweit kann auch auf den in dem Fallheft des Prüfers abgehefteten
Bewilligungsbescheid betreffend die Arbeitnehmerin AN2 verwiesen
werden.
c) Das Finanzamt ist an der Berücksichtigung der noch streitigen zusätzlichen
Betriebseinnahmen (Zahlungen auf Rechnungen an die A-AG, Versicherungsprovisionen
und Eingliederungszuschüsse) auch nicht durch ein Verwertungsverbot
gehindert. Ein solches kann entgegen der Ansicht der Kläger weder aus
einer von ihnen behaupteten verspäteten Einleitung des Strafverfahrens noch
aus der Auswertung der von den Kreditinstituten zur Verfügung gestellten und
von der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Stadt A übermittelten
Kontenunterlagen abgeleitet werde,
Nach § 393 Abs. 1 Satz 1 AO sind im Besteuerungs- und im Strafverfahren die
für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften anzuwenden. Besteuerungs-
16 –
und Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig
nebeneinander. Nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO sind im Besteuerungsverfahren
jedoch Zwangsmittel mit Sinne der § 328 AO gegen den Steuerpflichtigen unzulässig,
wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm
begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt
stets, soweit gegen ihn wegen einer solchen Tat das Strafverfahren eingeleitet
worden ist. Nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO ist der Steuerpflichtige hierüber zu
belehren, soweit dazu Anlass besteht.
Nach § 10 BpO ist dann, wenn sich während einer Außenprüfung zureichende
tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO), deren Ermittlung
der Finanzbehörde obliegt, ergeben, so ist die für die Bearbeitung dieser
Straftat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten. Dies gilt auch dann,
wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt
werden muss. Richtet sich der Verdacht gegen den Steuerpflichtigen, dürfen
hinsichtlich des Sachverhalts, auf den sich der Verdacht bezieht, die Ermittlungen
(§ 194 AO) bei ihm erst fortgesetzt werden, wenn ihm die Einleitung
des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist. Der Steuerpflichtige ist dabei, soweit
die Feststellungen auch für Zwecke des Strafverfahrens verwendet werden
können, darüber zu belehren, dass eine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren
nicht mehr erzwungen werden kann. Dementsprechend bestimmt § 201 Abs. 2
AO im Anschluss an § 201 Abs. 1 AO im Zusammenhang mit einer Schlussbesprechung,
dass dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass aufgrund der Prüfungsfeststellungen
ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt werden
muss, der Steuerpflichtige darauf hingewiesen werden soll, dass die straf- oder
bußgeldrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorenthalten bleibt.
aa) Der mit der Außenprüfung befasste Prüfer selbst hat keine Verfahrenshandlungen
vorgenommen oder Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet, die zu einem
Verwertungsverbot führen könnten
– 17 –
Insoweit kann entgegen der Ansicht der Kläger dahinstehen, ob sich dem Prüfer
bereits am 10.02.2010 der Verdacht hätte aufdrängen müssen, dass eine
Steuerstraftat vorliegt, mit der weiteren Folge, dass er der Handlungsanweisung
des § 10 BpO verspätet nachgekommen wäre. Dies deswegen, weil nicht
feststellbar ist, dass der Prüfer bis zur Eröffnung des Strafverfahrens weitere
Prüfungsmaßnahmen hinsichtlich der zusätzlich berücksichtigten und nunmehr
in Klageverfahren noch streitigen Betriebseinnahmen vorgenommen hätte. Die
Prüfungsanfragen vom 12.02.2010 und 15.02.2010 betreffen vielmehr andere
Prüfungsgebiete. Die Prüfungsanfrage vom 10.02.2010 hinsichtlich der Vorlage
von Kontoauszügen hat der Prüfer selbst nicht weiterverfolgt. Auch hat diese
letztlich nicht zur Vorlage der streitrelevanten Kontounterlagen geführt. Insofern
ist auch nicht feststellbar, dass der Prüfer die Unterrichtungspflichten
i.S.d. § 199 Abs. 2 AO, die im Übrigen auch keine zeitlichen Vorgaben enthalten,
verletzt hätte. Vielmehr hat er nach dem vorliegenden Fallheft und dem
gewechselten Schriftverkehr den Kläger bzw. seinen Bevollmächtigten über die
jeweiligen Prüfungsfeststellungen informiert. Eine Verletzung des § 199 Abs. 2
AO wäre auch spätestens durch die Durchführung der Schlussbesprechung am
19.08.2010 geheilt worden (vgl. § 126 Abs. Nr. 3 AO).
Darüber hinaus sind die gegen den Prüfer erhobenen Vorwürfe auch deswegen
nicht nachvollziehbar, weil das Vorbringen der Kläger selbst insoweit widersprüchlich
ist. Sie wenden sich zum einen in ihrer Gegenvorstellung gegen die
Einleitung des Strafverfahrens dagegen, dass ein solches eingeleitet worden ist,
zum anderen erheben sie aber im Besteuerungsverfahren den Vorwurf, der Prüfer
hätte bereits am ersten Prüfungstag, dem 10.02.2010, ein Strafverfahren
einleiten müssen.
Bei der Aufforderung des Prüfers an den Kläger, die Kontoauszüge des Kontos
bei der Bank 1 vorzulegen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der auch
im Falle einer Rechtswidrigkeit (wofür es keine Anhaltspunkte gibt) bereits
deswegen nicht zu einem Verwertungsverbot führen würde,
– 18 –
weil er weder durch einen Rechtsbehelf angefochten wurde noch seine Rechtswidrigkeit
festgestellt wurde. Denn für die Frage, ob ggf. rechtswidrig ermittelte
Tatsachen einem Verwertungsverbot unterliegen, ist nach der Rechtsprechung
zwischen einem materiell-rechtlichen und einem formellen Verwertungsverbot
zu unterscheiden. Insoweit führen einfache verfahrensrechtliche
Mängel grundsätzlich nicht zu einem endgültigen Verwertungsverbot, während
qualifizierte materiell-rechtliche Verwertungsverbote ggf. endgültig sein können.
Insofern gibt es im Steuerrecht kein generelles Verwertungsverbot. Ein
qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot liegt nur vor, wenn die
Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des
Steuerpflichtigen verletzt. Die so ermittelten Tatsachen sind schlechthin und
ohne Ausnahme unverwertbar. Der Verstoß kann auch nicht durch zulässige,
erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden. Handelt es sich hingegen nur
um formelle Verstöße gegen Verfahrensvorschriften – wie sich dies im Regelfall
im Steuerrecht darstellen wird – so kann es lediglich zu einem „einfachen“
Verwertungsverbot kommen, sofern die jeweiligen Prüfungsmaßnahmen erfolgreich
angefochten oder nach Beendigung der Prüfung zumindest ihre Rechtswidrigkeit
gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO festgestellt worden ist. Fehlt es an
einer Prüfungsanordnung oder stellen die beanstandeten Prüfungsmaßnahmen
keine Verwaltungsakte dar, so ist die Rechtmäßigkeit indizent im Rahmen der
Anfechtung der Steuerbescheide mit zu prüfen. Dabei ist ein Mitwirkungsverlangen
im Rahmen von Außenprüfungen in aller Regel als selbständig anfechtbare
Verwaltungsakte zu qualifizieren (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom
04.10.2006 VIII R 53/04, BStBl II 2007, 227 m.w.N.).
Maßnahmen des Prüfers oder auch später der Bußgeld und Strafsachenstelle,
die zu einem qualifizierten materiell-rechtliche Verwertungsverbot führen
könnten, werden weder von Kläger substantiiert vorgetragen noch ergeben sie
sich aus den Akten. Insbesondere sind auch entgegen der Ansicht der Kläger
keine die Freiheit der Willensentschließung oder Willenbetätigungen beeinträchtigenden
Maßnahmen des Prüfers i.S.d. § 136a Abs. 1 StPO erkennbar.
– 19 –
Der Prüfer hat auch nicht unter Missachtung des § 393 Abs. 1 Satz 2 AO versucht
Ermittlungsmaßnahmen mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Vielmehr hat
er, nachdem die erbetenen Kontounterlagen auch nach mehreren Tagen nicht
vorgelegt worden waren, die Bußgeld- und Strafsachenstelle eingeschaltet.
Soweit die Kläger im Übrigen die Verletzung des § 393 Abs. 1 Satz 4 AO oder
des § 10 BpO rügen, verkennen sie, dass die Verletzung dieser Vorschriften
bereits deswegen nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren
führen kann, weil es sich bei diesen Normen um Schutznormen zugunsten
Steuerpflichtigen für das Strafverfahren handelt.
Insoweit hat der BFH, dem sich das erkennende Gericht anschließt, mehrfach
entschieden, dass auch eine Verletzung der Belehrungspflicht des § 393 Abs. 1
Satz 4 AO im Besteuerungsverfahren grundsätzlich zu keinem Verwertungsverbot
führt. Die Frage, ob das Unterlassen einer Belehrung nach § 393 Abs. 1
Satz 4 AO im Strafverfahren zu einem Verwertungsverbot führt, ist gemäß
§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO für das Besteuerungsverfahren unerheblich. Auch insoweit
ist der Grundsatz zu berücksichtigen, dass Besteuerungs- und Strafverfahren
sich nach unterschiedlichen Verfahrensnormen richten (vgl. dazu nur
BFH-Urteil vom 23.01.2002 XI R 10,11/01, BStBl II 2002, 328 und zuletzt
BFH-Urteil vom 19.12.2011 V B 37/11, BFH/NV 2012, 956).
bb) Letztlich kann auch die spätere Anforderung der Kontoauszüge durch die
Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren
führen. Insofern liegen bereits keine Anhaltspunkte oder Feststellungen
dafür vor, dass diese Anforderung rechtswidrig war. Denn diese im
Rahmen des strafrechtliche Ermittlungsverfahrens durchgeführte Ermittlungsmaßnahme
ist nach ihrer Durchführung (am 12.04.2010) weder zeitnah durch
die dafür strafprozessual vorgesehenen Rechtsbehelfe angefochten worden
noch ist die Rechtswidrigkeit im Laufe des weiteren Verfahrens festgestellt
worden. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erst nach
Auswertung der bereits im April 2010 übersandten Kontoauszüge, nach Durchführung
der Schlussbesprechung am 19.08.2010 und nach Ergehen der geänder-
20 –
ten Einkommensteuerbescheide am 26.10.2010 im Dezember 2010 einen dafür
gesetzlich nicht vorgesehenen „Einspruch“ bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle
des Finanzamts Stadt A eingelegt. Letztlich würde aber auch die strafprozessuale
Rechtwidrigkeit der Anforderungen unabhängig von der Zulässigkeit
des acht Monate nach Übermittlung der Bankunterlage durch die Kreditinstitute
eingelegt Einspruchs nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren
führen, weil nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der
erkennende Senat anschließt, allein ein Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensnormen
nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren führt
(vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 23.01.2002 XI R 10,11/01, BStBl II 2002, 328
und zuletzt BFH-Urteil vom 19.12.2011 V B 37/11, BFH/NV 2012, 956). Entgegen
der Ansicht der Kläger führte die Anforderung der Kontenunterlagen bei
den Banken, nach dem diese von dem Kläger nicht vorgelegt worden waren
auch nicht zu massiven Grundrechtsverletzungen, die ein qualifiziertes Verwertungsverbot
im Besteuerungsverfahren nach sich ziehen würden.
d) Dass die Änderungen der Einkommensteuerbescheide durch die angegebenen
Änderungsvorschriften (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 164 Abs. 2 AO) gerechtfertigt
waren, ist offensichtlich und wird auch durch die Kläger nicht angezweifelt.
Die Tatsachen, die in den Veranlagungszeiträumen 2006 und 2007
zur Zurechnung weiterer Betriebseinnahmen bei dem Kläger geführt haben,
waren dem zuständigen Veranlagungsbezirk nicht bekannt. Der ursprüngliche
Einkommensteuerbescheid für 2008 enthielt einen Vorbehalt der Nachprüfung,
so dass die Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 AO gegeben waren.
e) Soweit das Finanzamt in dem Termin zur mündliche Verhandlung die Steuerfreiheit
eines dem Kläger im Jahre 2006 gewährten Überbrückungsgeldes angezweifelt
hat, kann dies unabhängig von der Frage der Steuerfreiheit im gerichtlichen
Verfahren bereits verfahrensrechtlich nicht zu einer verbösernden
Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für 2006 führen.
Das Gericht ist insoweit an einer Verschlechterung des vor Klageerhebung be-
21 –
stehenden Zustandes durch das aus der Rechtsschutzfunktion des gerichtlichen
Verfahrens folgenden Verböserungsverbot gehindert.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da bisher keine höchstrichterliche
Rechtsprechung zu der Frage existiert, ob Eingliederungszuschüsse i.S.d. § 3
Nr. 2b EStG auch dann steuerfrei sind, wenn sie Arbeitgebern gewährt werden.

Einkommen­steuerer­klärung 2012 – Abgabefrist 31. Mai 2013 gilt auch für Rentner

Stichtag zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2012 ist für alle, die nach dem Einkommensteuergesetz zur Abgabe verpflichtet sind (sog. Pflichtveranlagungsfälle), Freitag, 31. Mai 2013.

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer und Pensionäre von dieser Frist nicht betroffen. Sie leisten durch den monatlichen Lohnsteuerabzug quasi Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer (Abzüge für Lohn-, ggf. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom Bruttolohn). Arbeitnehmer sind aber berechtigt, eine Einkommensteuererklärung (sog. Antragsveranlagung) abzugeben. Mit der Antragsveranlagung für 2012 kann man sich bis zu vier Jahre Zeit lassen, also bis zum 31. Dezember 2016. Da regelmäßig mit einer Erstattung zu rechnen ist, ist dies nicht empfehlenswert.

Bei bestimmten Konstellationen ist eine Steuernachzahlung aber auch bei Arbeitnehmern oder Pensionären nicht auszuschließen. Für sie gilt auch die Abgabefrist 31. Mai 2013.

Zum Beispiel ist dies der Fall, wenn

  • ein Freibetrag z. B. für erhöhte Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen auf der Lohnsteuerkarte eingetragen bzw. als elektronisches Lohnsteuerabzugsmerkmal gespeichert wurde,
  • beide Ehegatten Arbeitslohn bezogen haben und einer nach der Steuerklasse V oder VI besteuert wurde,
  • bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig Arbeitslohn nach Steuerklasse VI abgerechnet wurde,
  • Arbeitslosen-, Krankengeld oder andere Lohnersatzleistungen von über 410 Euro im Jahr bezogen wurden,
  • Nebeneinkünfte von über 410 Euro im Jahr erzielt wurden, für die keine Lohnsteuer einbehalten wurde, z B. wenn ein Ehegatte Arbeitslohn erzielt und der andere erhält bereits eine Rente.

Auch Rentner, deren Einkünfte mehr als 8.004 Euro (Alleinstehende) bzw. 16.008 Euro (Verheiratete) betragen, sind zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung grundsätzlich verpflichtet. Wer den Termin nicht einhalten kann, sollte bei seinem Finanzamt formlos einen Fristverlängerungsantrag mit Angabe der wichtigen Gründe stellen, damit kein Verspätungszuschlag festgesetzt wird.

Fertigt ein Lohnsteuerhilfeverein oder ein Steuerberater die Erklärung, gilt eine automatische Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2013.

(Aus einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine e. V.)

Zugriff des Finanzamtes auf Daten einer Apotheke im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung

Führt ein Apotheker über die nach der Rechtsprechung zulässige Ermittlung der Tageseinnahmen durch Tagesendsummenbons hinaus freiwillig eine von seiner PC-Kasse erstellte Datei mit Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe, ist er in der Regel nicht verpflichtet, diese Datei dem Finanzamt bei einer Betriebsprüfung vorzulegen.
Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az.: 4 K 422/12).

Geklagt hatte eine Apothekerin, die die Bareinnahmen ihrer Apotheke mit einer sog. PC-Kasse erfasste. Die baren Tageseinnahmen stellte sie durch fortlaufende Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung des Kassenspeichers fest. Die Summe der täglichen Bareinnahmen wurde manuell in das Kassenbuch übertragen, das Grundlage der Buchführung war. Der Aufforderung des Betriebsprüfers, auch die elektronische Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, kam sie nicht nach. Zwar legte sie dem Betriebsprüfer eine CD mit Daten aus ihrem Kassensystem vor; die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe hatte sie dabei jedoch entfernt.

Das Hessische Finanzgericht entschied, dass für die Aufforderung des Finanzamtes, auch die Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, keine Rechtsgrundlage bestehe. Denn für die Klägerin, die nicht an andere gewerbliche Unternehmen, sondern an Endverbraucher liefere, habe aufgrund der Größe und der Einzelumsatzhäufigkeit weder nach dem Handelsgesetzbuch noch nach der Abgabenordnung oder nach berufsrechtlichen Bestimmungen eine Verpflichtung bestanden, die einzelnen Barverkäufe manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen. Die Klägerin könne sich dabei auch auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stützen, wonach es aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität für eine ordnungsgemäße Buchführung auch im Computerzeitalter nicht erforderlich sei, Einzelaufzeichnungen zu führen, wenn der Unternehmer – wie die klagende Apothekerin – gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl von
Kunden im offenen Ladengeschäft verkaufe. Ausreichend sei in solchen Fällen, auf Einzelaufzeichnungen zu verzichten und die festgestellten Tagesendsummen täglich-fortlaufend in ein Kassenbuch zu übertragen. Die Führung des Kassenbuchs solle die streitigen Einzelaufzeichnungen gerade ersetzen.

Dass die Klägerin gleichwohl zusätzlich die einzelnen Barverkäufe freiwillig und programmgesteuert in einer gesonderten Datei mitgeschrieben und gespeichert habe, ändere hieran nichts und führe nicht zu einer Vorlagepflicht bei der Betriebsprüfung. Denn die Datei sei grundsätzlich nicht Bestandteil der nach § 147 Abgabenordnung aufzubewahrenden Grundaufzeichnungen. Dass die Datei für das Finanzamt bei einer Verprobung der Pflichtaufzeichnungen hilfreich und interessant sein könne, sei unerheblich.
Für den Betrieb der Apothekerin sei die gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs und der Einnahmen gerade nicht  rforderlich. Dem Gesetzgeber stehe es allerdings frei, nach österreichischem Vorbild ein gesetzliches Zugriffsrecht auch für die außerhalb einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht vom Steuerpflichtigen geschaffenen Daten zu schaffen.

Das Hessische Finanzgericht hat abschließend und durchaus praxisrelevant aber auch klargestellt, dass die hier streitige Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht nach § 147 AO von der Frage einer im Übrigen erkennbaren Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung und der dadurch eröffneten Schätzungsbefugnis des Finanzamtes nach § 162 AO strikt zu trennen sei. So ließen nicht ordnungsgemäße Kassenaufzeichnungen (z.B. Differenzen zwischen den Tagessummen laut Z-Bons und den Eintragungen im Kassenbuch oder die nicht zeitgerechte Führung des Kassenbuchs) den Schluss zu, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind und berechtigten das Finanzamt zu Zuschätzungen.

Das Urteil vom 24.04.2013 ist vorläufig nicht rechtskräftig.

 

HESSISCHES FINANZGERICHT
Geschäftsnummer: 34117 Kas s e l
Königs tor 35
4 K 422/12 34017 Kas s e l
Pos t f a ch 10 17 40
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
-Klägerin-
Prozessbev.:
g e g e n
Finanzamt
-Beklagterw
e g e n
Datenanforderung bei Betriebsprüfung
hat der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 24. April 2013
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht
des Richters am Hessischen Finanzgericht
des Richters am Hessischen Finanzgericht
sowie des
und des
als ehrenamtliche Richter
– 2 –
für Recht erkannt:
1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.10.2011 über die Anforderung
der Dateien …… und …… in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 03.02.2012 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird
für notwendig erklärt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Umfang der Verpflichtung der Klägerin zur
Gewährung des Datenzugriffs im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung. Die
Klägerin betreibt eine Apotheke. Mit dieser erzielt sie nach § 180 Abs. 1 Nr. 2
lit. b AO vom Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ‚FA’) gesondert festzustellende
Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie durch Betriebsvermögensvergleich
ermittelt. Aus den von der Klägerin mit den Feststellungserklärungen
der Jahre 2007 bis 2009 beim FA eingereichten Jahresabschlüssen ergab sich
nach Erträgen und Aufwendungen im jeweils sechsstelligen Bereich zum
31.12.2007 ein Bilanzgewinn von 87.479,47 Euro, zum 31.12.2008 von
80.696,99 Euro und zum 31.12.2009 von 87.048,52 Euro.
Aufgrund eines Prüfungsvorschlags der Veranlagungsstelle des FA mit der Erwägung
„noch nicht geprüfter M-Betrieb“ ordnete das FA gegenüber der Klä-
3 –
gerin am 29.08.2011 für die Zeiträume 2007 bis 2009 eine steuerliche Außenprüfung
betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer an, zu
deren Vorbereitung es mit Schreiben vom 12.09.2011 unter anderem die „Einzeldaten
der Registrierkasse (Journal der EDV-Kasse sowie Daten der ZBons)“
und die „Einzeldaten des Warenverkaufs“ anforderte. Dieses Schreiben
enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die bei Prüfungsbeginn am 26.10.2011
in einem Fragebogen vom Prüfer erbetenen Auskünfte zur Beschaffenheit der
Kassenführung beantwortete die Klägerin am 31.10.2011 wie folgt: Die Tageseinnahmen
würden im Betrieb der Klägerin über eine modulare PC-Kasse
der Firma A mit zwei Kassen erfasst, sodann durch Tagesendsummenbons (ZBons)
mit anschließender Nullstellung ausgewertet und als Summe in ein manuell
geführtes Kassenbuch eingetragen. Ein Testat über die Unveränderlichkeit
der Kassensoftware liege nicht vor. Ferner erläuterte die Klägerin mündlich,
dass eine gesonderte Fakturakasse wegen des geringen Umfangs der Lieferungen
auf Rechnung nicht existiere und die diesbezüglichen Aufzeichnungen
manuell geführt würden. Hochpreisige Medikamente an Privatpatienten
würden nicht verkauft. Die Auslage an frei verkäuflicher Ware sei deshalb sehr
gering, weil sich in der Nähe ein Drogeriemarkt befinde. Neben den zwei Bedienkassen
werde ein PC mit Scanner zur Erfassung des Wareneingangs genutzt.
Der Warenbestand werde nicht automatisch überprüft. Warenbestellungen
würden manuell vorgenommen. Auf das Schreiben vom 12.09.2011 erhielt
der Prüfer vom steuerlichen Berater der Klägerin eine CD mit von der Firma A
bereitgestellten Daten aus dem Kassensystem der Klägerin, unter denen der
steuerliche Berater jedoch die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe
entfernt hatte, da er die Auffassung vertrat, dass das FA ein entsprechende
Zugriffsrecht nicht habe.
Mit Schreiben vom 28.10.2011 forderte das FA die Klägerin auf, „die von der
Firma A gelieferten Daten über die Warenverkäufe (vk _ rechnungen …csv und
vk _ verkaeufe …csv) bis zum 11.11.2011 bereitzustellen“ und drohte für den
Fall der verspäteten Erfüllung die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes an.
Entgegen der Ansicht des steuerlichen Beraters seien die genannten Dateien als
– 4 –
Bestandteil der Grundaufzeichnungen nach § 147 Abs. 6 AO vorzulegen. Auch
dieses Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Am 03.11.2011 teilte
der steuerliche Berater mit, dass eine Datei „VK-Rechnungen“ nicht existiere,
da die Klägerin das entsprechende Kassenmodul nicht erworben habe. Die Datei
„VK-Verkäufe“ sei vom Datenzugriffsrecht des FA nach § 147 Abs. 6 AO
nicht umfasst, da die Klägerin keine entsprechende Einzelaufzeichnungspflicht
habe. Gegen die „Anforderungen von Daten“ legte die Klägerin am 24.11.2011
Einspruch ein, den das FA nach Einholung einer Weisung der Mittelbehörde
und Gewährung der beantragten Vollziehungsaussetzung durch Einspruchsentscheidung
vom 03.02.2012 als unbegründet zurückwies.
Mit ihrer am 23.02.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren
weiter. Die Anforderung der Datei „VK Rechnungen“ sei bereits deshalb
rechtswidrig, weil eine solche Datei mangels Erfassung der Rechnungsumsätze
über die PC-Kasse nicht existiere. Hinsichtlich der Datei „VK Verkäufe“
habe das FA kein Zugriffsrecht, da die Klägerin gesetzlich nicht verpflichtet
sei, die Verkäufe einzeln aufzuzeichnen, es damit an einer Aufbewahrungspflicht
i.S.d. § 147 Abs. 1 AO und folglich auch an einem Zugriffsrecht des FA
auf die aufbewahrten Unterlagen bzw. Dateien nach § 147 Abs. 6 AO fehle
(Verweis auf BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452 sowie
Bellinger StBp 2011, 272 ff. u. 305 ff. und Mack Stbg. 2012, 116 ff.). Die Aufzeichnungspflicht
nach § 144 AO greife nicht, da die Klägerin Einzelhändlerin
sei. Eine Einzelaufzeichnungspflicht für den Warenverkauf ergebe sich auch
nicht aus den in § 145 AO getroffenen allgemeinen Regeln für die Führung von
Büchern. Das belege bereits der Ausnahmecharakter des § 144 AO. Soweit die
ältere Rechtsprechung zur Situation vor der Einführung von PC-Kassen die
Auffassung vertreten habe, dass der Einzelhandel nur aus Zumutbarkeitsgründen
von der Einzelaufzeichnungspflicht befreit sei (BFH vom 12.05.1966 –
IV 472/60, BStBl. III 1966, 372), sei diese Aussage durch die klaren Aussagen
des BFH im Urteil vom 24.06.2009 überholt. Im Ergebnis unterlägen damit die
freiwillig geführten und aufbewahrten Unterlagen bzw. Dateien nicht dem
Zugriffsrecht nach § 147 Abs. 6 AO. Mangels Aufbewahrungspflicht dürften
– 5 –
solche Medien vom Steuerpflichtigen auch jederzeit vernichtet bzw. gelöscht
werden. Bei der vom FA verlangten Verkaufsdatei handele es sich auch nicht
i.S.v. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO um „sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung
von Bedeutung sind“. Denn diese Vorschrift komme nur zum Tragen,
soweit der Gesetzgeber nicht auf eine Aufzeichnungspflicht verzichtet habe.
Dies sei bezüglich des Warenausgangs bei Einzelhandelsunternehmen jedoch
im Unkehrschluss zu § 144 AO gerade der Fall. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO
könne nicht den Zweck haben, als Auffangvorschrift („Blanko-Scheck“) für
durch den Gesetzgeber nicht geregelte Aufzeichnungspflichten herzuhalten.
Insoweit wäre auch der Vorbehalt des Gesetzes verletzt. Theoretisch könne alles
irgendwie einmal „von Bedeutung“ sein. Dem Bürger sei es nicht möglich,
anhand dieser Vorschrift im Vorhinein zu erkennen, welche Unterlagen er für
Steuerzwecke aufbewahren müsse. Anders als in Österreich sei eine (zweifelsfrei
wünschenswerte) klarstellende gesetzliche Regelung in der AO bisher unterblieben.
Eine solche könne nicht im Verwaltungswege hergestellt werden.
Dass nach der neuen Kassenrichtlinie (BMF vom 26.11.2010 – BStBl. I 2010,
1342) sämtliche steuerlich relevanten Daten einzeln aufzubewahren seien, sei
für den Streitfall ohnehin nicht von Belang, da diese Verwaltungsanweisung
erst ab dem 01.01.2011 anwendbar sei. Selbst insoweit könnten jedoch aus den
darin lediglich enthaltenen Aufbewahrungsvorschriften keine Aufzeichnungspflicht
abgeleitet werden.
Auch die berufsrechtlichen Vorschriften (hier: §§ 17, 22 ApoBetrO) begründeten
keine steuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten, zumal nach diesen Vorschriften
die Preise nicht zu dokumentieren seien. § 22 UStG zwinge nur zur
Dokumentation der Entgelte, nicht aber zur kombinierten Aufzeichnung von
Waren und Preisen. Die vom BMF zusammengefassten Grundsätze ordnungsgemäßer
DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) (BMF vom 07.11.1995,
BStBl. I 1995, 738, Anhang 64 zum AO-Handbuch 2012) begründeten selbst
keine Aufzeichnungspflicht und seien damit für Datenverarbeitungsanwendungen,
die nicht Teil des betrieblichen Rechnungswesens seien, nicht verbindlich.
Gleiches gelte für die Empfehlungen des IDW. Die These des FA, aus der
– 6 –
Funktionalität eines vorhandenen PC-Systems (z.B. eines Warenwirtschaftssystems)
auf eine bestimmte Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht des Steuerpflichtigen
zu schließen, sei rechtsdogmatisch nicht haltbar, da dann der Umfang
der Aufzeichnung- und Aufbewahrungspflicht vom jeweils eingesetzten
PC-System und von der individuell eingesetzten Software abhinge. Die Klägerin
schulde nur den Nachweis, dass die Tagesendsummenbons zutreffend ermittelt
wurden. Dieser Nachweis sei nicht einzeln, sondern auf der Systemebene
zu führen. Die Anforderung des FA gehe über die stichprobenartige Überprüfung
des entsprechenden Verfahrens weit hinaus. Der BFH habe es im Urteil
vom 24.06.2009 gerade für unzulässig erachtet, seitens der Betriebsprüfung
ohne gesetzliche Aufbewahrungspflicht zur Verprobung überzugehen. Die Firma
A habe auch nie in Verdacht gestanden, ihre Software mit Manipulationsmöglichkeiten
auszustatten.
Im Übrigen verfüge die Kasse nicht über die vom FA gemutmaßte Funktionalität.
Es handele sich um das Modell der Firma A. Betriebswirtschaftliche
Auswertungen habe es damit nicht gegeben. Ein Trainingsspeicher existiere
nicht. Gleiches gelte für bedienerbezogene Tagesendsummenbons. Eine Bedienungsanleitung
(Benutzerhandbuch) habe vorgelegen und hätte auf Anfrage
jederzeit vorgelegt werden können. Umprogrammierungen der Software seien
nicht möglich gewesen und hätten daher auch nicht stattgefunden.
Die Klägerin beantragt,
den Datenanforderungsbescheid des Beklagten vom 28.10.2011 in Form
der Einspruchsentscheidung vom 03.02.2012 aufzuheben sowie die Zuziehung
eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
– 7 –
Das FA vertritt die Auffassung, dass die Klägerin bereits nach § 144 AO zur
gesonderten Aufzeichnung des Warenausgangs verpflichtet sei. Ferner ergebe
sich die Verpflichtung zur Führung entsprechender Einzelaufzeichnungen für
jedes Handelsunternehmen grundsätzlich auch aus § 238 Abs. 1 Satz 3 HGB
und § 145 Abs. 1 Satz 2 AO (Verweis auf BFH vom 12.05.1966 – IV 472/60,
BStBl. III 1966, 372). Auf die Unzumutbarkeit der Führung von Einzelaufzeichnungen
könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie die fraglichen Aufzeichnungen
(d.h. die Einzelverkäufe) tatsächlich geführt habe. Bei der von der
Klägerin verwendeten PC-Kasse handele es sich um ein Erlöserfassungssystem
mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung. Die mit einem solchen System
bewältigte Dokumentation des Warenausgangs sei gerade bei Apotheken zur
Aktualisierung des Warenbestandes („permanente Inventur“) und zur Einhaltung
der strengen und vielfältigen berufsrechtlichen Vorschriften (z.B. zur
Kennzeichnung der Rezeptpflichtigkeit und der Rezeptart, zur Zuzahlungspflicht
bei gesetzlicher Krankenversicherung und zur abgegebenen Menge) erforderlich
(Verweis auf §§ 17, 22 ApoBetrVO und § 13 Abs. 3 BtMG). Ferner
zwängen § 22 UStG und § 4 Abs. 5 EStG zur gesonderten Aufzeichnung. Die
im Bescheid vom 28.10.2011 angeforderten Dateien seien im Ergebnis Teil der
nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzubewahrenden „Grundaufzeichnungen“. Somit
habe die Klägerin die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme
nach § 146 Abs. 5 AO zu beachten, gegen die eine Beschränkung
der Archivierung der Tagesaufzeichnungen auf die Tagesendsummenbons widerspreche.
Selbst Kostenstellenrechungen unterlägen dem Datenzugriff (Verweis
auf FG Rheinland-Pfalz vom 13.06.2006 – 1 K 1743/06, EFG 2006,
1634). Das FG Sachsen-Anhalt habe die Rechtsauffassung des FA bestätigt,
wonach die Verkaufsdaten nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufzubewahren seien
(Beschluss vom 15.01.2013 – 1 V 580/12, n. v., Kopie Bl. 110 ff. der Klageakte).
Dessen ungeachtet stehe dem FA der Zugriff auf die angeforderten Dateien
auch zum Zwecke der allgemeinen Verprobung zu. So sei eine Verprobung des
Aufschlagssatzes einzelner Warengruppen, des erklärten Gesamtumsatzes mit-
8 –
tels Kassenabrechnungen, der Falscherfassung von Privatrezepten, eine Mengenverprobung
des Warenbestandes sowie die Prüfung der Verwendung von
Manipulationssoftware ohne Zugriff auf die Verkaufsdatei nicht möglich. Da
ein Programmierprotokoll nicht vorgelegt worden sei, könne die Angabe der
Klägerin, dass nach der Aufstellung keine Änderungen vorgenommen worden
seien, nicht verifiziert werden. Auch die Organisationsunterlagen und die
betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Kasse habe die Klägerin nicht vorgelegt.
Die Intensität und die Ausgestaltung der Prüfung lägen nach § 194 AO
im Ermessen des FA. Der Prüfer habe bei der Klägerin erhebliche Mängel in
der Kassenbuchführung festgestellt (Verweis auf einen checklistenartig ausgefüllten
und weder datierten noch unterschriebenen Aktenvermerk des Prüfers,
sowie auf einen Aktenvermerk vom 26.10.2011). Die Klägerin habe den Nachweis
der Vollständigkeit der Einnahmen daher durch Vorlage der „Kassenstreifen“
(Papierjournalrolle) zu führen. Da dieser nicht existiere, sei die Verkaufsdatei
vorzulegen.
Auf die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten wird ergänzend Bezug genommen.
Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Darüber hinaus wird auf die
zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und
das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2013 ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der wegen des vorherigen Streits der Beteiligten um
den Umfang der Datenzugriffsrechte des FA als Verwaltungsakt i.S.d. § 118
Satz 1 AO zu wertende Bescheid des FA vom 28.10.2011 (BFH vom
08.04.2008 – VIII R 61/06, BStBl. II 2009, 579) ist in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 03.02.2012 in Ermangelung einer die Datenanforderung
stützenden gesetzlichen Grundlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20
Abs. 3 GG rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Auf den
– 9 –
Umstand, dass die ebenfalls angeforderte Datei „vk _ rechnungen …csv“ nach
den Angaben der Klägerin gar nicht existiert, kam es nicht an.
1. Die Anforderung des FA vom 28.10.2011 kann nicht auf § 147 Abs. 6 AO
gestützt werden, da die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift im
Streitfall nicht erfüllt sind.
a) Sind Unterlagen nach § 147 Abs. 1 AO mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems
erstellt worden, so hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung
das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem
zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen (§ 147 Abs. 6
Satz 1 AO). Sie kann im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass Daten
nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder ihr die gespeicherten Unterlagen
und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger
zur Verfügung gestellt werden (§ 147 Abs. 6 Satz 2). Diese Befugnisse stehen
der Finanzbehörde nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur
in Bezug auf Daten zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren
hat (BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452 unter
II. 1. a. b. aa.). Die in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflichten
setzen wiederum eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht des Steuerpflichtigen
voraus und bestehen grundsätzlich nur im Umfang dieser Aufzeichnungspflicht
(BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452 unter II. 1. a. b.
cc.).
b) Im Streitfall hatte die Klägerin, der aufgrund der Größe und der Einzelumsatzhäufigkeit
ihres Geschäfts zweifelsfrei die Kaufmannseigenschaft nach § 1
Abs. 1 HGB i.V.m. § 238 Abs. 1 HGB zukommt, keine gesetzliche Verpflichtung,
die von ihr getätigten Einzelverkäufe (d.h. die im Einzelnen verkauften
Waren und die hierfür im Einzelnen vereinnahmten Kaufpreise) im Einzelnen
manuell oder auf einem Datenträger (§ 146 Abs. 5 AO) aufzuzeichnen und diese
manuellen oder elektronischen Aufzeichnungen nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren.
– 10 –
aa) Da die Klägerin ihre Waren nach der Art ihres Geschäftsbetriebes nicht regelmäßig
an anderer gewerbliche Unternehmer, sondern an Endverbraucher
liefert, ist sie zweifelsfrei nicht nach § 144 Abs. 1 bis 4 AO zur gesonderten
Aufzeichnung des Warenausgangs einschließlich des Warenpreises (§ 144
Abs. 3 Nr. 4 AO) verpflichtet. Entgegen der Ansicht des FA ergibt sich eine
entsprechende Verpflichtung auch nicht aus den allgemeinen Vorschriften nach
§ 238 Abs. 1 Satz 3 HGB und § 145 Abs. 1 Satz 2 AO. Zur Erfüllung des in
diesen Vorschriften geregelten Gebotes der Gewährleistung der eindeutigen
Identifizierbarkeit und Nachprüfbarkeit der einzelnen Handelsgeschäfte ist der
Kaufmann ungeachtet der Eigenart seines Unternehmens zwar grundsätzlich
verpflichtet, seine Kassenvorgänge (seien es Barausgaben oder Bareinnahmen)
einzeln aufzuzeichnen (vgl. BFH vom 12.05.1966 – IV 472/60, BStBl. III
1966, 372 zur Herleitung dieses Gebotes aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung). Es entspricht jedoch der gefestigten und auch im „Computerzeitalter“
aufrecht erhaltenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die
in § 238 Abs. 1 HGB und § 145 AO zum Ausdruck kommenden Grundsätze
ordnungsmäßiger Buchführung derartige Einzelaufzeichnungen aus Zumutbarkeits-
und Praktikabilitätsgründen regelmäßig nicht verlangen, wenn der Unternehmer
gegen Barzahlung Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte
Vielzahl von Kunden im offenen Ladengeschäft verkauft (BFH vom
12.05.1966 – IV 472/60, BStBl. III 1966, 37; BFH vom 01.10.1969 –
I R 73/66, BStBl. II 1970, 45; BFH vom 26.02.2004 – XI R 25/02, BStBl. II
2004, 599; BFH vom 07.02.2008 – X B 189/07, n. v. Juris; BFH vom
14.12.2011 – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921 unter II. 1 a.). Soweit hiernach
auf Einzelaufzeichnungen verzichtet werden darf, sind die Tagessummen der
Kasseneinnahmen und Kassenausgaben in Form von Kassenberichten oder mit
Hilfe eines Kassenbuchs täglich festzuhalten (BFH vom 01.10.1969 –
I R 73/66, BStBl. II 1970, 45; BFH vom 20.06.1985 – IV R 41/82, BFH/NV
1985, 12). Die aus der Tageskasse ausgezählte Summe der Tagesein- und Ausgaben
ist in das in Form aneinandergereihter Kassenberichte geführte Kassenbuch
zu übertragen (BFH vom 07.07.1977 – IV R 205/72, BStBl. II 1978, 307;
– 11 –
BFH vom 21.02.1990 – X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Die zugehörigen
Tagesendsummensbons (Z-Bons) sind als sonstige Unterlagen i.S.d. § 147
Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 AO aufzubewahren (FG Bremen vom 24.09.1996 –
2 94 085 K 2, EFG 1997, 449; FG Hamburg vom 04.12.1990 – II 104/88,
EFG 1991, 507).
Nach diesen Grundsätzen war auch die Klägerin i.S.v. § 238 Abs. 1 Satz 3
HGB und § 147 Abs. 1 Satz 2 AO als Einzelhändlerin von der Verpflichtung
befreit, die einzelnen „Verkäufe“ über die Ladentheke (d.h. den jeweiligen Warenausgang
in Verbindung mit dem vereinnahmten Kaufpreis) einzeln aufzuzeichnen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin (wie der Bevollmächtigte
in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat) sämtliche mit den Trägern
der gesetzlichen Krankenversicherung anfallenden Geschäftsvorfälle mit diesen
unbar abwickelt, da dies am grundsätzlichen und zusätzlichen Anfall von
anonymen (da rezeptfreien) Bargeschäften „über die Ladentheke“ in erheblichem
Umfang nichts ändert. Die Klägerin konnte ihre Pflicht zur Gewährleistung
der eindeutigen Identifizierbarkeit und Nachprüfbarkeit der einzelnen Geschäfte
mithin grundsätzlich dadurch erfüllen, dass sie – wie sie dies zu Beginn
der Betriebsprüfung dargestellt und erläutert hatte – die festgestellten Tagesendsummen
fortlaufend in ein Kassenbuch übertrug. Dass sie die einzelnen
Barverkäufe gleichwohl freiwillig und programmgesteuert in einer gesonderten
Datei („VK Verkäufe“) mitschrieb und speicherte, ändert hieran nichts. Zwar
stellt dies die von der Rechtsprechung zur Begründung der Erleichterung angeführten
Kriterien der Praktikabilität und Zumutbarkeit in Frage. Für die Tragfähigkeit
dieser Kriterien kann es jedoch nicht auf den einzelnen (sich z.B.
durch den Einsatz einer besonders ausgestalteten Kasse möglicherweise überobliagtionsmäßig
verhaltenden) Steuerpflichtigen, sondern allein auf den Typus
eines in größerem Umfang Barumsätze erzielenden Einzelhandelsbetriebes
ankommen. Eine Apotheke gleich welcher Größe kann insoweit nicht anders
behandelt werden als z.B. ein Betrieb der Kleingastronomie. Andenfalls würde
der Umfang der Aufzeichnungspflicht vom Umfang der vom Steuerpflichtigen
– 12 –
tatsächlich getätigten Aufzeichnungen abhängen, was mit der abstraktgenerellen
Intention der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und dem
Regelungszweck des § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB und des § 145 Abs. 1 Satz 2 AO
und überdies auch mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vorrangs
und Vorbehalts des Gesetzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG)
nicht zu vereinbaren wäre (vgl. BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II
2010, 452 unter II. 1. b. cc. unter Verweis auf das Volkszählungs-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts, BVerfG vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a.,
BVerfGE 65, 1 unter C. II. 2. a.). Für Steuerzwecke (d.h. ungeachtet des dargestellten
handelsrechtlichen Auslegungsergebnisses) führt darüber hinaus eine
am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung des § 144 AO zu dem Ergebnis,
dass die von dieser Vorschrift nicht betroffenen Unternehmer (wie im Streitfall
die Klägerin) im Umkehrschluss ihren Warenausgang nicht einzeln aufzeichnen
müssen.
Entgegen der Ansicht des FA handelt es sich bei der angeforderten Datei „VK
Verkäufe“ daher nicht um einen Bestandteil der nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO
aufzubewahrenden „Grundaufzeichnungen“. Das gilt auch für die Datei „VK
Rechnungen“, bei der es sich nach den Mutmaßungen des FA ebenfalls um einen
Datensatz mit Einzelverkäufen handeln soll. Insoweit kann dahinstehen,
dass diese Datei nach den (vom FA nicht widerlegten) Angaben der Klägerin
überhaupt nicht existiert, weil gegenüber den Kunden nur geringe Rechnungsumsätze
angefallen und diese manuell dokumentiert worden seien.
bb) In Bezug auf die im Bescheid vom 28.10.2011 angeforderten Dateien ergibt
sich eine Aufbewahrungspflicht auch nicht aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.
Nach dieser Vorschrift sind auch „sonstige Unterlagen“ gesondert aufzubewahren,
soweit sie „für die Besteuerung von Bedeutung sind“. Zwar lässt der weite
Wortlaut der Norm die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungspflicht
sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen
aufzubewahren sind. Eine solche Auslegung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung
jedoch zu Recht verworfen. Vielmehr ist § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO un-
13 –
ter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht
zu einer bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflicht dahingehend einschränkend
auszulegen, dass nur solche sonstigen (d.h. nicht unter § 147 Abs.
1 Nr. 1 bis 4a AO fallenden) Unterlagen oder Daten (etc.) aufbewahrt werden
müssen, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich
vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind
(BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452 unter II. 1. b. cc.;
BFH vom 14.12.2011 – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921 unter II. 2. a. bb.).
Nach dieser Maßgabe ist der von der Klägerin aufbewahrte Datensatz „VK
Verkäufe“ zum Verständnis und zur Überprüfung des von ihr aufzubewahrenden
Kassenbuchs und der aufzubewahrenden Tagesendsummensbons (Z-Bons)
nicht „von Bedeutung“. Für die Beantwortung der Frage, ob bestimmte Unterlagen
oder Daten nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen „im Einzelfall“
zum Verständnis oder zur Überprüfung vorgeschriebener Aufzeichnungen „bedeutsam“
sind, kann es – mit Blick auf die gleichzeitig geforderte einschränkende
Auslegung der gesetzlichen Aufbewahrungs- und Zugriffstatbestände
unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – ebenfalls nicht auf die
Verhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen ankommen. Vielmehr ist entscheidend,
ob die fraglichen Unterlagen oder Daten zum Verständnis und zur
Überprüfung der jeweils aufzuzeichnenden Geschäftsvorfälle bei abstraktgenereller
Betrachtung typischerweise von Bedeutung sind. Denn nur so ist
sichergestellt, dass der Steuerpflichtige im Vorhinein erkennen kann, welche
Unterlagen und Daten er zur Gewährleistung der Ordnungsmäßigkeit seiner
Buchführung innerhalb der gesetzlichen Fristen zwingend aufbewahren muss.
Es wäre mit dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren,
wenn sich eine Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO allein
aus dem Umstand ergäbe, dass der Steuerpflichtige freiwillig (z.B. zu internen
Kontrollzwecken) bestimmte Aufzeichnungen fertigt, die sich im Rahmen einer
Betriebsprüfung für eine Verprobung der verpflichtend erstellten Aufzeichnungen
später als hilfreich erweisen könnten.
– 14 –
Der Streitfall ist unter Berücksichtigung dieser Vorgabe zu entscheiden. Die
von der Klägerin freiwillig und programmgesteuert gespeicherten Einzeldaten
der Verkäufe sind aus der Perspektive des FA für eine rückschauende Verprobung
des Kassenbuchs und der Z-Bons zwar zweifellos von großem Interesse.
Die Bejahung einer hierauf gestützten generellen Aufzeichnungspflicht würde
jedoch den Grundsatz ad absurdum führen, dass für den Betrieb der Klägerin
nach § 145 Abs. 1 Satz 2 AO eine gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs
und der Einnahmen gerade nicht erforderlich ist. Bei abstrakt-genereller
Betrachtung sind die Einzeldaten auch für das „Verständnis“ der Z-Bons und
des Kassenbuchs nicht erforderlich, da letztere die fraglichen Einzelaufzeichnungen
gerade ersetzen sollen. Diese Erwägungen gelten vorliegend sowohl für
die Datei „VK Verkäufe“ als auch für die Datei „VK Rechnungen“ (soweit
überhaupt vorhanden).
Der Streitfall ist insoweit auch mit der vom BFH entschiedenen Konstellation
vergleichbar, in der ein in größerem Umfang bar abrechnender Betreiber einer
Kraftfahrzeugwerkstatt über die Führung des Kassenbuchs hinaus seine Kundenaufträge
dadurch einzeln festhält, dass er jeweils eine Kopie des Fahrzeugscheins
des zu reparierenden Fahrzeugs anfertigt und hierauf handschriftlich
den Arbeitsumfang, die zu beschaffenden Ersatzteile und die geleisteten Arbeitsstunden
notiert. Trotz der unbestreitbaren Tatsache, dass diese zusätzlichen
Aufzeichnungen bei der Überprüfung der Richtigkeit des Kassenbuches
durch die Finanzbehörde äußert hilfreich wären, besteht hierfür nach der
Rechtsprechung (BFH vom 07.12.2010 – III B 199/09, BFH/NV 2011, 411)
ersichtlich keine Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO. Soweit das FA
der angeführten Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz etwas anderes entnimmt
(FG Rheinland-Pfalz vom 13.03.2006 – 1 K 1743/05, EFG 2006, 1550), sind
die dort zu Grunde gelegten Erwägungen jedenfalls durch die Entscheidung des
BFH vom 24.06.2009 (VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452) überholt. Den neuerlichen
Erwägungen des FG Sachsen-Anhalt im summarischen Aussetzungsverfahren
(FG Sachsen-Anhalt vom 15.01.2013 – 1 V 580/112, n. v. ist mit den
hier vertretenen Argumenten nicht zu folgen.
– 15 –
cc) Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich eine gesetzliche Pflicht zur
gesonderten Aufzeichnung des Warenausgangs nebst den im Einzelnen vereinnahmten
Warenpreisen auch nicht aus den für die Klägerin geltenden sonstigen
(berufs-) rechtlichen Bestimmungen. Die aufgrund § 21 des Apothekengesetzes
erlassene Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) und das Betäubungsmittelgesetz
(BtMG) enthalten zwar einzelne Aufzeichnungs- und Bestandsdokumentationspflichten.
Eine Verpflichtung zur Dokumentation der für den Verkauf einzelner
Warenstücke vereinnahmten Preise (d.h. der „Verkäufe“, wie sie sich
aus der Datei „VK Verkäufe“ ergeben sollen) findet sich hier jedoch nicht.
§ 17 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ApoBetrO betrifft nur die Angabe des Preises auf der
vom Bezieher vorgelegten und wieder an sich genommenen Verschreibung. Die
besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 17 Abs. 6a u. Abs. 6b ApoBetrO
und die Aufbewahrungspflichten nach § 22 ApoBetrO sehen eine Berücksichtigung
des Preises nicht vor. Gleiches gilt für die Anzeigepflicht nach § 12
Abs. 2 BtMG und die Aufzeichnungspflicht nach § 17 BtMG. Auch die Regelungen
nach § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff. UStDV beinhalten lediglich die Pflicht
zur Aufzeichnung der Entgelte i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG. Eine Verpflichtung
zur kombinierten Einzelaufzeichnung von Waren und Preisen ergibt sich
hieraus nicht.
Sofern das FA die Auffassung vertritt, dass es nach § 147 Abs. 6 AO zumindest
die Herausgabe der nach der ApoBetrO und dem BtMG geführten Aufzeichnungen
bzw. die Gewährung des Zugriffs auf die entsprechenden Daten
verlangen könne, ist der Bescheid vom 28.10.2011 jedenfalls deshalb rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da das FA sein dort formuliertes
Vorlageersuchen nicht auf die entsprechenden Aufzeichnungen beschränkt,
sondern vielmehr Zugriff auf die Daten zu sämtlichen „Verkäufen“
und „Rechnungen“ (d.h. Rechungsverkäufen) verlangt hat (vgl. BFH vom
24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452 unter II. 1. c.). Gleiches gilt
hinsichtlich der Entgeltaufzeichnungspflichten nach § 22 UStG. Eine diesbezügliche
Umdeutung des Anforderungsbescheides ist nicht möglich, da damit
– 16 –
i.S.v. § 128 Abs. 1 AO ein anderes Ziel verfolgt werden würde, welches vom
FA wegen des weitergehenden Vorlagebegehrens i.S.v. § 128 Abs. 2 AO nicht
gewollt war. Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht möglich, im Anforderungsbescheid
des FA insoweit ein „wesensgleiches Minus“ zu erblicken.
2. Der streitgegenständliche Bescheid kann auch nicht hilfsweise auf die allgemeine
Verpflichtung der Klägerin nach § 200 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei
der Betriebsprüfung in Gestalt der Unterstützung des Prüfers beim Datenzugriff
gestützt werden. Denn § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verweist in diesem Zusammenhang
ausdrücklich auf § 147 Abs. 6 AO, weshalb die Pflichten der Klägerin
nach § 200 Abs. 1 AO nicht weiter reichen können als ihre Pflichten nach
§ 147 Abs. 6 AO (BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II 2010, 452
unter II. 1. b. aa.). Weitere in Betracht kommende Rechtsgrundlagen für den
Bescheid 28.10.2011 sind nicht erkennbar. Im Übrigen ist zu berücksichtigen,
dass der Gesetzgeber den Umfang des Datenzugriffs durch § 147 Abs. 6 AO
und § 200 Abs. 1 Satz 2 AO unter Verzicht auf die Einführung weitergehender
Befugnisse der Finanzbehörden einer eindeutigen und in sich abgeschlossenen
Regelung zugeführt hat. Diese Gesetzeslage mag – wie die Klägerin selbst einräumt
– aus prüfungspraktischer Sicht zwar ausgesprochen misslich sein. Dem
Gesetzgeber stünde es jedoch jederzeit frei, nach dem (von der Klägerin beschriebenen)
österreichischen Vorbild Abhilfe zu schaffen und ein gesetzliches
Zugriffsrecht auch für die außerhalb einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht
vom Steuerpflichtigen geschaffenen Daten zu schaffen.
3. Bei diesem Ergebnis würde es auch dann bleiben, wenn die (allerdings nicht
weiter belegte) Behauptung des FA zuträfe, nach der die bei der Klägerin gesichteten
Z-Bons formelle Fehler aufwiesen oder sich hieraus Differenzen ergäben
und aus diesen Gründen Zweifel an der Richtigkeit des manuell geführten
Kassenbuches bestünden. Die Frage des Bestehens einer Vorlageverpflichtung
i.S.v. § 147 Abs. 6 AO ist von der Frage der im Übrigen erkennbaren
Ordnungsmäßigkeit der klägerischen Buchführung und der dadurch eröffneten
Schätzungsbefugnis des FA nach § 162 AO strikt zu trennen. Nicht ordnungs-
17 –
mäßige Kassenaufzeichnungen (z.B. Differenzen zwischen den Tagessummen
laut Z-Bons und den Eintragungen im Kassenbuch, nicht zeitgerechte Führung
des Kassenbuchs oder mangelnde Sturzfähigkeit der Kasse) lassen den Schluss
zu, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind (BFH vom 02.02.1982
– VIII R 65/80, BStBl. II 1982, 409) und berechtigen die Betriebsprüfung gegebenenfalls
zu Zuschätzungen (vgl. bei mangelhaftem Kassenbuch z.B. FG
Hamburg vom 04.12.1990 – II 104/88, EFG 1991, 507). Soweit betont wird,
dass das Zustandekommen der Tagessummen durch die einzelnen Kassenzettel
und Bons (etc.) „nachgewiesen“ werden muss, wenn die Eintragungen im Kassenbuch
oder die Tagesendsummenbons keine Gewähr für die Vollständigkeit
bieten (Drüen in Tipke / Kruse, AO / FGO, Stand 09/2009, § 147 AO Rn. 24
m.w.N.), handelt es sich hierbei nicht um eine Verpflichtung im Sinne einer
(wiederauflebenden) Aufzeichnungspflicht, sondern um eine Obliegenheit des
Steuerpflichtigen zur Widerlegung der Schätzungsbefugnis des FA durch anderweitige
Glaubhaftmachung der Richtigkeit der Buchführung. Ob dies bei
der Klägerin der Fall ist (d.h. ob die Tagesendsummenbons und das Kassenbuch
ordnungsgemäß geführt wurden), kann im Streitfall dahinstehen, da dies
an der fehlenden Rechtsgrundlage für die Anforderung des FA im Bescheid
vom 28.10.2011 nichts ändert. Dass die Klägerin im Falle der Feststellung der
fehlenden Ordnungsmäßigkeit ihrer (Kassen-) Buchführung die vom FA angeforderten
Einzelverkaufsdaten zur Entkräftung einer entsprechenden Schätzung
des FA möglicherweise freiwillig vorlegen wird, belegt allenfalls die fehlende
Praxisnähe der in § 147 Abs. 6 AO und § 200 Abs. 1 Satz 2 AO vom Gesetzgeber
getroffenen Regelungen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung
über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren
auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO und die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor. Der Umfang der gesetzlichen
Aufzeichnungspflichten und die gesetzliche Reichweite der Datenzugriffsrechte
der Betriebsprüfung sind durch die höchstrichterliche Recht-
18 –
sprechung hinreichend geklärt (BFH vom 24.06.2009 – VIII R 80/06, BStBl. II
2010).

Regionalisierte Steuerschätzung für Schleswig-Holstein

Erscheinungsdatum: 13.05.2013

Heinold: Steuerschätzung bestärkt Landesregierung in verlässlichem Konsolidierungskurs

Kiel. Das Finanzministerium hat heute (10.5.2013) die Ergebnisse der regionalisierten Steuerschätzung für Schleswig-Holstein bekannt gegeben.

Für 2013 ist Vorsorge getroffen

Das Land muss für das laufende Haushaltsjahr 2013 mit 14 Mio. Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als im Oktober 2012 erwartet. Dazu erklärte Finanzministerin Monika Heinold: „Wir haben im Haushalt 2013 Vorsorge in Höhe von rund 40 Millionen Euro getroffen. Deshalb müssen weder Ausgaben gekürzt noch muss die Verschuldung erhöht werden. Im Gegenteil, es ist sogar noch etwas Luft.“

Landesregierung bleibt auf Konsolidierungskurs

Die Prognose für das nächste Jahr liegt 84 Mio. Euro unter der Erwartung der letzten Steuerschätzung. Finanzministerin Monika Heinold wertete die Zahlen als Beleg dafür, dass Schleswig-Holstein auf dem eingeschlagenen Konsolidierungskurs bleiben muss: „Die Steuereinnahmen wachsen nicht in den Himmel. Umso richtiger ist, dass sich die Landesregierung nicht auf konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen verlässt, sondern eine langfristig ausgerichtete Konsolidierungspolitik betreibt. Wir senken das strukturelle Haushaltsdefizit jedes Jahr um 10 Prozent, egal ob die Steuern sprudeln oder plätschern. Deshalb führen veränderte Steuerschätzungen bei uns weder zur Verschärfung des Sparkurses, noch zum Aufweichen der Zielvorgaben. Wir bleiben im vorgesehenen Konsolidierungstakt und setzen auf Verlässlichkeit statt Aktionismus.“

Schwierige Entscheidungen der Koalition waren notwendig

Zum Konsolidierungskurs der Landesregierung sei bisher keine tragfähige Alternative aufgezeigt worden, so Heinold weiter: „In den letzten Wochen musste die Koalition einige schwierige Entscheidungen treffen. Wir erhöhen die Grunderwerbssteuer und übernehmen die Tarifergebnisse für die Beamten nicht vollständig. Wer diese zweifellos schmerzhaften Maßnahmen kritisiert, muss sagen, wie es anders gehen soll. Finanzielle Machbarkeitsillusionen bringen Schleswig-Holstein nicht weiter.“

Um die Vorgaben der schleswig-holsteinischen Schuldenbremse zu erfüllen, muss das Land bis 2020 noch ein strukturelles Defizit von rund 780 Millionen Euro abbauen.

Steuerschätzung ab 2014 wirkt auf erwartete Neuverschuldung

Anders als andere Bundesländer plant Schleswig-Holstein die Ausgabenhöhe seiner Haushalte nicht auf der Grundlage aktueller Steuerschätzungen, sondern nach den Regeln des Ausführungsgesetzes zur schleswig-holsteinischen Schuldenbremse langfristig mit einer sog. „Trendsteuereinnahme“.[1] Der Abstand zwischen dieser Trendsteuereinnahme und den realen Steuereinnahmen beeinflusst allerdings direkt die Höhe der Neuverschuldung. Je höher die realen Steuereinnahmen über der Trendsteuereinnahme liegen, desto weniger Kredite darf das Land aufnehmen. Wenn dieser Abstand geringer wird oder die realen Steuereinnahmen die Trendsteuereinnahme sogar unterschreiten, steigt die Neuverschuldung entsprechend an.

Auch nach der neuen Steuerschätzung liegen die Steuereinnahmen über der Trendsteuereinnahme. Der Abstand zur Trendsteuereinnahme ist aber nach der neuen Schätzung geringer geworden. Entsprechend steigt die erwartete Neuverschuldung rechnerisch an. Wie hoch sie am Ende jedoch wirklich liegt, ist von den tatsächlichen Steuereinnahmen und verschiedenen Faktoren des Haushaltsvollzugs abhängig.

Anlage:  Daten der regionalisierten Steuerschätzung für das Land Schleswig-Holstein (PDF, 33 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Debatte um Unterfinanzierung der öffentlichen Hand ist richtig

Mit Blick auf die langfristige finanzielle Situation von Bund und Ländern erklärte die Finanzministerin: „Die konjunkturelle Hochphase der letzten Jahre darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Haushalte in Bund, Ländern und vielen Kommunen gemessen an den berechtigten Leistungsansprüchen der Bürgerinnen und Bürger an die öffentliche Hand immer noch unterfinanziert sind. Deshalb ist es richtig, dass die Forderungen nach Steuererhöhungen und die Kritik an Steuerhinterziehung einen so breiten Raum in der bundespolitischen Debatte einnehmen.“

Die regionalisierten Daten der Steuerschätzung für die schleswig-holsteinischen Kommunen werden derzeit noch berechnet und in der kommenden Woche veröffentlicht.

[1] Das bedeutet: Das Land legt beim Aufwuchs der Steuereinnahmen über die gesamten zehn Jahre der Finanzplanung einen Durchschnittswert („Trendsteuereinnahme“) zugrunde. Nach dieser Einnahmeerwartung berechnet sich, wie hoch die Ausgaben des Landes sein dürfen. Die realen Steuereinnahmen unterscheiden sich von der Trendsteuereinnahme, können also darüber oder darunter liegen. Diese Differenz wird „Konjunkturkomponente“ genannt. Die Steuerschätzung zeigt also auf, wie groß die Konjunkturkomponente ist, und bestimmt zusammen mit der gesetzlich zulässigen Verschuldung die Höhe der Nettokreditaufnahme.

 Medieninformation vom 10. Mai 2013 zum Herunterladen (PDF, 100 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

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