DBA Spanien | Absprache über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (BMF)

Deutsch-spanisches Doppelbesteuerungsabkommen; Absprache über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen:

“Am 3. Oktober 2012 haben die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Spanien die als Anlage beigefügte Absprache über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen unterzeichnet. Mit der Absprache werden die Bestimmungen der Protokollziffer VIII des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 3. Februar 2011 umgesetzt. […]“

Deutsch-spanisches Doppelbesteuerungsabkommen; Absprache über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (PDF, 45,5 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

Deutsch-spanisches Doppelbesteuerungsabkommen;
Absprache über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen
ANLAGEN 1
GZ IV B 3 – S 1301-ESP/08/10003
DOK 2013/0325984
(bei Antwort bitte GZ und DOK angeben)
Am 3. Oktober 2012 haben die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Spanien die
als Anlage beigefügte Absprache über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen
unterzeichnet. Mit der Absprache werden die Bestimmungen der Protokollziffer VIII des
Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 3. Februar 2011 umgesetzt.
Die Absprache ist am 18. Oktober 2012 in Kraft getreten und ist ab dem 1. Januar 2015
anzuwenden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Im Auftrag
Dieses Dokument wurde elektronisch versandt und ist nur im Entwurf gezeichnet.
www.bundesfinanzministerium.de Anlage
ABSPRACHE

ÜBER

DIE GEGENSEITIGE AMTSHILFE IN STEUERSACHEN

Zur Umsetzung der Bestimmungen der Ziffer VIII des Protokolls (zu den Artikeln 17 und 25)
des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 3. Februar 2011 (im Folgenden
„das Abkommen“) oder jedes sonstigen Abkommens, das das Abkommen ändert oder ersetzt,
und angesichts des beiderseitigen Wunsches nach einer Intensivierung der gegenseitigen
Amtshilfe,
sind das Bundesministerium der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland und das
Finanzministerium des Königreichs Spanien wie folgt übereingekommen:
Artikel 1

Automatischer Auskunftsaustausch

(1) Die zuständige Behörde jedes Staates erteilt der zuständigen Behörde des anderen
Staates ohne besonderes Ersuchen automatisch Auskünfte über Vergütungen im Sinne des
Artikels 17 Absätze 2 und 3 des Abkommens.
(2) Ist die erteilte Auskunft unrichtig oder unvollständig, teilt der empfangende
Vertragsstaat dies dem anderen Vertragsstaat so bald wie möglich mit. Eine umgehende
Mitteilung erfolgt auch im Falle von Schwierigkeiten oder technischen Problemen bei der
Umwandlung der erhaltenen Daten.
(3) Die Auskünfte sollen möglichst bald nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres erteilt
werden, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember des Kalenderjahres, das dem Kalenderjahr
folgt, in dem die Einkünfte bezogen wurden.
Artikel 2

Geheimhaltung und Begrenzung des Auskunftsaustauschs

Im Hinblick auf die Geheimhaltung und die Begrenzung des Auskunftsaustauschs gelten die
Bestimmungen des Abkommens. – 2 ­
Artikel 3

Form des Auskunftsaustauschs

(1) Die in Artikel 1 bezeichneten Auskünfte werden in einem der von der OECD
empfohlenen Standardformate – Standard Magnetic Format (SMF) oder Standard
Transmission Format (STF) – oder in einem anderen von den beiden zuständigen Behörden
gegebenenfalls vereinbarten Format übermittelt.
(2) Die nach Artikel 1 auszutauschenden Auskünfte beinhalten den Namen, die Anschrift
und das Geburtsdatum des Steuerpflichtigen, die jeweilige Steuernummer (Tax Identification
Number – TIN) des Vergütungsempfängers im Wohnsitzstaat und im Quellenstaat sowie den
Bruttobetrag der Vergütungen. Die Auskünfte sollten einen Hinweis enthalten, ob es sich um
Vergütungen gemäß Absatz 2 oder gemäß Absatz 3 des Artikels 17 des Abkommens handelt.
Artikel 4

Spontaner Auskunftsaustausch

Auskünfte über die in Artikel 17 des Abkommens genannten Vergütungen, die nicht unter
Artikel 1 fallen, können spontan ausgetauscht werden.
Artikel 5

Anwendung und Auslegung

(1) Die Anwendung dieser Absprache erfolgt
in der Bundesrepublik Deutschland durch:
Bundeszentralamt für Steuern
Referat St III 2
53221 Bonn
Deutschland
im Königreich Spanien durch:
Agencia Estatal de Administración Tributaria
Oficina Nacional de Investigación del Fraude – 3 ­
Equipo Central de Información
Paseo de la Castellana nº 147
28046 Madrid
España
(2) Die zuständigen Behörden konsultieren einander, wann immer dies zur Anwendung
oder Auslegung dieser Absprache erforderlich ist.
Artikel 6
Inkrafttreten, Kündigung und Überprüfung
Diese Absprache tritt zugleich mit dem Abkommen in Kraft und ist ab dem 1. Januar 2015
anzuwenden. Sie kann jederzeit in gegenseitigem Einvernehmen geändert werden. Diese
Absprache wird für eine unbestimmte Zeit getroffen. Sie kann durch schriftliche Mitteilung
des Bundesministeriums der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland oder des
Finanzministeriums des Königreichs Spanien gekündigt werden. Die zuständigen Behörden
können die Absprache fünf Jahre nach ihrer erstmaligen Anwendung überprüfen.
Geschehen zu Madrid am 3. Oktober 2012 in zwei Urschriften, jede in deutscher und
spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Bei Unterschieden in
der Auslegung der beiden Wortlaute werden diese gemäß dem Verfahren nach Artikel 5
Absatz 2 behoben.

FG Berlin-Brandenburg: Wahlprüfungskosten eines Abgeordneten als Werbungskosten abzugsfähig

“Ein Abgeordneter, dem Aufwendungen für ein Wahlprüfungsverfahren entstehen, kann diese als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus der Tätigkeit als Abgeordneter in voller Höhe steuerlich geltend machen. Das geht aus einem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2012 (Aktenzeichen 12 K 12096/09) hervor. Das zuständige Finanzamt hatte die Kosten nur teilweise anerkennen wollen, weil Abgeordnete einerseits steuerpflichtige Bezüge und andererseits eine steuerfreie Kostenpauschale für Fahrt-, Telefon-, Portokosten und ähnliche Aufwendungen erhalten. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, können nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden; deshalb meinte das Finanzamt, die Aufwendungen für das Wahlprüfungsverfahren seien im Verhältnis der steuerpflichtigen Bezüge zu der steuerfreien Kostenpauschale aufzuteilen.Dem schlossen sich die Richter des Finanzgerichts nicht an, sondern stellten darauf ab, dass die Kostenpauschale nur für ganz bestimmte Aufwendungen – nämlich insbesondere Fahrt-, Telefon- und Portokosten – gezahlt wird. Derartige Kosten kann ein Abgeordneter steuerlich nur geltend machen, wenn sie die Pauschale nachweislich übersteigen. Völlig anders geartete Aufwendungen, und dazu gehören nach Auffassung des Finanzgerichts auch die Kosten eines Wahlprüfungsverfahrens, sind hingegen in voller Höhe steuerlich zu berücksichtigen.

Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt, die dort unter dem Aktenzeichen IX R 33/12 anhängig ist.”

FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.06.2012 – 12 K 12096/09

Presseerklärung des Gerichts: Finanzgerichts Berlin-Brandenburg

 

Abzugsfähigkeit der Kosten für die Durchführung eines Wahlprüfungsverfahrens (= Kosten der Erlangung des Abgeordnetenmandats) nach § 3c Abs. 1 EStG

 Leitsatz

1. Der vollständigen Abzugsfähigkeit der Aufwendungen eines sonstige Einkünfte erzielenden Abgeordneten für ein Wahlprüfungsverfahren als Werbungskosten steht nicht gem. § 3c Abs. 1 EStG die Vereinnahmung einer für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrkosten gezahlten steuerfreien Kostenpauschale entgegen.

2. Auch wenn die Aufwendungen für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrkosten nur exemplarisch benannt werden und die Aufwandspauschale für die typischerweiser mit der Wahrnehmung des Mandates im Abgeordnetenhaus verbundenen Kosten gezahlt wird, sind die mit der Erlangung des Mandats zusammenhängenden Kosten für ein Wahlprüfungsverfahren davon abzugrenzen.

3. Die Gewährung pauschaler Einnahmen, die bestimmte Aufwendungen abgelten sollen, kann nicht den Werbungskostenabzug hinsichtlich anderer, von der gewährten Pauschale nicht erfasster Aufwendungen, begrenzen.

 Gesetze

EStG § 3c Abs. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 22 Nr. 4

 Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Werbungskosten des Klägers teilweise einem Abzugsverbot unterfallen, weil sie mit steuerfreien Einkünften im Zusammenhang stehen.

Der Kläger erzielte im Streitjahr und dem folgenden Jahr sonstige Einkünfte als Abgeordneter. Er erhielt im Jahre 2007 eine steuerpflichtige Entschädigung in Höhe von EUR … und eine steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von EUR …. Der Anteil steuerfreier Einnahmen an den Gesamteinnahmen des Klägers in Höhe von EUR … betrug somit 22,77 %. Die Kostenpauschale wird nach § 7 Abs. 2 des Gesetzes …für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrkosten gezahlt.

Im Streitjahr wendete der Kläger EUR … für eine Schadensersatzklage mit dem Ziel der Erlangung eines Mandats für die … Wahlperiode des … und EUR … für die Anstrengung eines Wahlprüfungsverfahrens zwecks Erhalts eines Mandats für die … Wahlperiode auf. Der Beklagte berücksichtigte die Kosten des Schadensersatzprozesses nur teilweise und die Kosten des Wahlprüfungsverfahrens zunächst überhaupt nicht als Werbungskosten. Gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid vom …. November 2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom … Dezember 2007 legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er die vollständige Anerkennung der Kosten des Schadensersatzanspruchs nicht mehr weiterverfolgte, aber die Auffassung vertrat, dass die Kosten des Wahlprüfungsverfahrens als Werbungskosten anzuerkennen seien. Mit seiner Einspruchsentscheidung vom … März 2009 änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid dahingehend, dass er die Kosten des Wahlprüfungsverfahrens in Höhe von EUR … (77,23 % von EUR …) berücksichtigte. Im Übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg, weil der Beklagte meinte, die Aufwendungen des Klägers stünden anteilig, nämlich zu 22,77 %, im Zusammenhang mit der ihm steuerfrei gewährten Kostenpauschale und seien daher nach § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) insoweit nicht abzugsfähig.

Der Kläger ist der Auffassung, dass es an einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Kosten des Wahlprüfungsverfahrens und der steuerfreien Kostenpauschale fehle.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2006 vom … November 2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom … Dezember 2007 und der Einspruchsentscheidung vom … März 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von EUR … berücksichtigt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ). Der Beklagte hat die Werbungskosten des Klägers zu Unrecht um EUR … gekürzt.

a) Bei den Aufwendungen des Klägers für die Durchführung eines Wahlprüfungsverfahrens handelt es sich, was auch der Beklagte nicht bezweifelt, um Werbungskosten des Klägers bei seinen sonstigen Einkünften.

b) Die Aufwendungen stellen sich nicht deshalb als teilweise nicht abzugsfähig dar, weil sie in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Einnahmen des Klägers stehen.

aa) Gemäß § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Von dem Abzugsverbot umfasst sind bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen auch vorweggenommene Werbungskosten (Erhard in Blümich, EStG , KStG , GewStG , § 3c Rn. 42; Heinicke in L. Schmidt, EStG , Kommentar, 31. Auflage 2012, § 3c Rn. 10). Das Abzugsverbot hat den Zweck, eine Doppelbegünstigung des Steuerpflichtigen dadurch, dass er steuerfreie Einnahmen erhält, aber die damit im Zusammenhang stehenden Ausgaben steuermindernd geltend machen kann, zu verhindern (Urteile des Bundesfinanzhofes [BFH] vom 26. März 2002 – VI R 26/00, Bundessteuerblatt [BStBl] II 2002, 823, unter II.3.e)aa) der Gründe; vom 11. Februar 1993 – VI R 66/91, BStBl II 1993 , 450 ; Heinicke aaO. Rn. 1). Ein finaler Zusammenhang zwischen steuerfreier Einnahme und den Ausgaben wird nach allgemeiner Ansicht nicht gefordert, wohl aber eine eindeutig feststellbare, klar abgrenzbare Beziehung zwischen beiden (BFH in BStBl II 2002, 823, aaO.; Heinicke aaO. Rn. 2). Demzufolge muss die Ausgabe nicht getätigt werden, um die steuerfreien Einnahmen zu erlangen. Es sollen vielmehr solche Ausgaben vom Abzug ausgeschlossen werden, die nach ihrer Entstehung oder Zweckbestimmung mit den steuerfreien Einnahmen in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, d.h. ohne diese nicht angefallen wären (BFH in BStBl II 2002, 823, aaO.).

Daraus folgt, dass pauschal gewährte steuerfreie Einnahmen jedenfalls den Abzug von Aufwendungen ausschließen, zu deren Ausgleich sie bestimmt sind (Heinicke aaO. Rn. 3). Nach Auffassung des Senats gilt aber auch umgekehrt, dass bei Gewährung pauschaler Einnahmen, die bestimmte Aufwendungen abgelten sollen, der Werbungskostenabzug hinsichtlich anderer, von der gewährten Pauschale nicht erfasster Aufwendungen, nicht begrenzt sein kann (ebenso Desens in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG , KStG , § 3c EStG Anm. 39). Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH. Danach kann einerseits ein hauptamtlicher Bürgermeister, dem eine Dienstaufwandsentschädigung zum Ausgleich bestimmter amtstypischer Aufwendungen gewährt wird, die normalen, also nicht amtstypischen Werbungskosten in voller Höhe geltend machen (BFH-Urteil vom 09. September 1989 – VI R 154/86 , BStBl II 1990, 121, unter 2. der Gründe). Andererseits sind Werbungskosten im Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Einnahmen aufzuteilen, wenn der Steuerpflichtige neben seinen Dienstbezügen als Beamter eine Aufwandsentschädigung für seine Tätigkeit im Beitrittsgebiet erhält, die als allgemeine Stellenzulage zu werten ist und demzufolge nicht der Abdeckung bestimmter Kosten dient (BFH in BStBl II 2002, 823). Maßgeblich ist also, ob und inwieweit durch die Erstattung Werbungskosten ausgeglichen werden sollen (BFH-Urteile vom 27. April 2006 – IV R 41/04 , BStBl II 2006, 755, unter II.2.a)aa) der Gründe; vom 27. April 1993 – IX R 26/92, BStBl II 1993, 784, unter 1.a) der Gründe).

bb) Hier wurde die steuerfreie Kostenpauschale nach dem eindeutigen Wortlaut des LAbgG zur Abgeltung von Kosten für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten geleistet. Kosten für die Durchführung eines Wahlprüfungsverfahrens fallen demzufolge nicht darunter. Dabei verkennt der Senat nicht, dass man das Gesetz durchaus so verstehen kann, dass eine abschließende Regelung nicht getroffen werden sollte, sondern exemplarisch die typischerweise mit der Wahrnehmung eines Mandates im Abgeordnetenhaus verbundenen Kosten gemeint sind. Demzufolge wird man die Ansicht vertreten können, dass auch Kosten für elektronische Einrichtungen, die ein Abgeordneter typischerweise nutzt, wie z.B. einen Internetanschluss, mobile internetfähige Geräte etc. bei verständiger Auslegung von der Abgeltungswirkung der steuerfrei gewährten Pauschale erfasst werden und nicht mehr gesondert – auch nicht teilweise – als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Auch bei extensiver Auslegung kann man dem Gesetz aber nicht den Sinn entnehmen, dass Kosten abgegolten werden sollen, die nicht mit der Wahrnehmung, sondern mit der Erlangung des Mandats zusammenhängen.

2. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO) .

 

Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung

Gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung nach § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO (PDF, 44 KB)

Mit BMF-Schreiben vom 16. Juli 2012 – IV A 3 – S 0361/12/10001 – werden die Anweisungen zur gesonderten Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung aktualisiert.

Gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung nach § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO (PDF, 44 KB)

BMF-Schreiben vom 16. Juli 2012 – IV A 3 – S 0361/12/10001 – Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung
nach § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO
BEZUG TOP 11 der Sitzung AO II/2012
GZ IV A 3 – S 0361/12/10001
DOK 2012/0653652
(bei Antwort bitte GZ und DOK angeben)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der
Länder gilt für gesonderte Feststellungen nach § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO Folgendes:
I. Allgemeines
Setzt ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 2004 Ansprüche aus einer vor dem
1. Januar 2005 abgeschlossenen Lebensversicherung i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchstaben bb, cc und dd EStG (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) während der Dauer der Versicherung im Erlebensfall zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen
ein, deren Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, gehören die
Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung i. V. m. § 52
Abs. 36 Satz 5 EStG). In diesen Fällen muss das Versicherungsunternehmen bei Verrechnung
oder Auszahlung von Zinsen (z. B. bei Fälligkeit der Versicherung) Kapitalertragsteuer einbehalten (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Nach § 29 EStDV haben der Sicherungsnehmer,
das Versicherungsunternehmen und der Versicherungsnehmer dem zuständigen Finanzamt
unverzüglich die Fälle anzuzeigen, in denen Ansprüche aus Versicherungsverträgen zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen eingesetzt werden. Seite 2
II. Gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen
Nach § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach
§ 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (V zu § 180 Abs. 2 AO) ist die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen
enthaltenen Sparanteilen gesondert festzustellen. Der Feststellungsbescheid ergeht gegenüber
dem Versicherungsnehmer als Steuerschuldner. Außerdem ergeht an das Versicherungsunternehmen eine Mitteilung über die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer. Mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheids ist die Entscheidung
über die künftige Steuerpflicht der Zinserträge für den Steuerpflichtigen, das Versicherungsunternehmen und die Finanzbehörden verbindlich. Dies gilt nicht nur für die Einbehaltung
und Abführung der Kapitalertragsteuer, sondern auch für die spätere Festsetzung der Einkommensteuer. Eine Korrektur des Feststellungsbescheides ist nur nach Maßgabe der §§ 129, 164,
165, 172 – 175 AO zulässig.
III. Regelungsinhalt des Feststellungsbescheids
Gegenstand der gesonderten Feststellung nach § 9 der V zu § 180 Abs. 2 AO ist die verbindliche Entscheidung über die aus einer bestimmten Verwendung der Ansprüche aus der Lebensversicherung sich ergebenden steuerlichen Folgen hinsichtlich der rechnungsmäßigen und
außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Sparanteilen.
Die Steuerpflicht umfasst grundsätzlich sämtliche Zinsen für die gesamte Vertragslaufzeit. In
diesem Fall ergeht nur ein Feststellungsbescheid, der die uneingeschränkte Steuerpflicht aller
Zinsen feststellt.
In den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden
Fassung) sind nur die anteiligen Zinsen für bestimmte Kalenderjahre steuerpflichtig. Insoweit
ist die Regelung des Feststellungsbescheids auf die Feststellung der Steuerpflicht der anteiligen Zinsen für das betroffene Kalenderjahr beschränkt. Deshalb können bei „partieller“ Steuerpflicht mehrere Feststellungsbescheide, jeweils bezogen auf die anteiligen Zinsen für die im
Einzelnen benannten Kalenderjahre, ergehen.
IV. Gesonderte Feststellung bei steuerunschädlicher Verwendung
Soweit die Zinsen aufgrund einer bestimmten Verwendung der Ansprüche aus der Lebensversicherung nicht steuerpflichtig sind, liegen die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nach § 9 der V zu § 180 Abs. 2 AO nicht vor. In diesen Fällen ist auf Antrag ein negativer Feststellungsbescheid zu erteilen. Das Finanzamt ist bei der späteren Einkommensteuer-Seite 3
veranlagung an die Entscheidung im negativen Feststellungsbescheid gebunden. Seine Bindungswirkung wird nur eingeschränkt, wenn er nach §§ 129, 164, 165 oder 172 ff. AO berichtigt, aufgehoben oder geändert wird und ein Feststellungsbescheid über die steuerschädliche Verwendung ergeht oder wenn aufgrund einer anderen, steuerschädlichen Verwendung
ein Feststellungsbescheid ergeht. Hat der Steuerpflichtige einen Feststellungsbescheid erfolgreich angefochten oder wurde er aus anderen Gründen aufgehoben, steht der Aufhebungsbescheid einem negativen Feststellungsbescheid gleich.
V. Änderung der Verwendung nach zunächst steuerunschädlicher Verwendung
Bei zunächst steuerunschädlicher Verwendung kann sich aus einer späteren anderweitigen
Verfügung (z. B. erneute Beleihung oder Umwidmung des begünstigt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgutes) eine erstmalige partielle oder umfassende Steuerpflicht der Zinsen ergeben. In diesem Fall ist der negative Feststellungsbescheid bzw. der entsprechende
Aufhebungsbescheid im Hinblick auf die Rückwirkung der materiellrechtlichen Folgen des
neu hinzugetretenen Sachverhaltes nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und
zugleich ein (neuer) Feststellungsbescheid zu erlassen.
VI. Überschreitung des Drei-Jahres-Zeitraums
Überschreitet die Verwendung der Ansprüche aus der Lebensversicherung den Drei-JahresZeitraum nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden
Fassung), führt dies zur umfassenden Steuerpflicht aller Zinsen für die gesamte Laufzeit des
Versicherungsvertrages. In diesem Fall sind die bisher ergangenen Feststellungsbescheide
über die partielle Steuerpflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und ein Feststellungsbescheid über die umfassende Steuerpflicht zu erteilen.
VII. Unterschreitung des Drei-Jahres-Zeitraums
Ist ein Feststellungsbescheid über die umfassende Steuerpflicht der Zinsen ergangen, weil der
Einsatz der Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherung eines Betriebsmittelkredits
zunächst für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren (z. B. unbefristet) vereinbart war, kann
die vorzeitige Beendigung dieses Einsatzes (z. B. bei Kündigung des Darlehensvertrages oder
bei Sicherheitentausch innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums) zu einer rückwirkenden Änderung des Umfangs der Steuerpflicht der Zinsen führen. In diesem Fall sind der Feststellungsbescheid über die umfassende Steuerpflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben
und zugleich neue Feststellungsbescheide über die partielle Steuerpflicht zu erlassen.Seite 4
VIII. Örtliche Zuständigkeit
Die gesonderte Feststellung nach § 9 der V zu § 180 Abs. 2 AO obliegt dem für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers örtlich zuständigen Finanzamt. Dies gilt auch für
den Erlass eines negativen Feststellungsbescheides.
IX. Schlussbestimmungen
Dieses Schreiben tritt mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2005 an die Stelle des BMFSchreibens vom 27. Juli 1995 – IV A 4 – S 0361 – 10/95 -.

959 Millionen Euro Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer

Der Bund hat im Jahr 2011 rund 959 Millionen Euro aus der Luftverkehrsteuer eingenommen. Dies geht aus einer Unterrichtung durch die Bundesregierung (BT-Drucks. 17/10225) hervor. Auch für dieses Jahr erwartet die Regierung daraus Einnahmen in Höhe von rund 960 Millionen Euro.

Die Einführung der Luftverkehrsteuer habe zu einer Nachfragedämpfung beim Passagieraufkommen von bis zu zwei Millionen Passagieren (rund 1,1 Prozent) geführt, heißt es weiter. Davon seien rund 750.000 Passagiere auf ausländischen Flughäfen oder ausländischen Drehkreuzen und rund 1,25 Millionen Passagiere auf andere Verkehrsträger ausgewichen oder hätten auf die Reise verzichtet. Diese Nachfragedämpfung habe sich vorrangig auf Flughäfen mit hohem Low-Cost-Anteil sowie auf einigen Regionalflughäfen niedergeschlagen.

Der durchschnittliche Anteil der Luftverkehrsteuer an den Kosten der Luftverkehrsunternehmen betrage nominal bis zu 2,3 Prozent, schreibt die Regierung. Insgesamt würden bei den deutschen Luftverkehrsunternehmen dadurch Kosten in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro entstehen, die nicht auf die Passagiere übergewälzt werden könnten.

Durch den Dämpfungseffekt der Luftverkehrsteuer seien die CO2-Emissionen 2011 um 0,21 Millionen Tonnen reduziert worden. Das entspreche rund 0,6 Prozent der gesamten CO2-Emission des deutschen Luftverkehrs im vergangenen Jahr. Weiterhin seien aufgrund der Einführung die Luftverkehrssteuer die externen Kosten für die vom deutschen Luftverkehr ausgehenden Umweltschäden um rund 60 Millionen Euro gemindert worden, heißt es in der Unterrichtung weiter.

Bundesregierung

Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes

Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes zum 1. Januar 2013

Mit Verkündung des Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes sowie zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes am 11. Dezember 2012 (BGBl. I Nr. 57, S. 2436) ist zum 1. Januar 2013 das Luftverkehrsteuergesetz mit folgenden Anpassungen in Kraft getreten:

Wegfall der Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Beauftragten für Luftverkehrsunternehmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Das Erfordernis, dass Luftverkehrsunternehmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterhin einen steuerlichen Beauftragten mit Sitz im Inland benennen müssen, entfällt.

Am 1. Januar 2013 endete die Umsetzungsfrist für die EU-Amtshilferichtlinie (RL 2011/16/EU) und das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG). Damit können auch bezüglich der Luftverkehrsteuer Ersuchen in Steuersachen in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union gestellt werden und der Austausch von Informationen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird erleichtert.

Darüber hinaus endete zum 1. Januar 2012 die Umsetzungsfrist für die EU-Beitreibungsrichtlinie (RL 2010/24/EU) und das Gesetz über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-Beitreibungsgesetz – EUBeitrG) ist in Kraft getreten. Seitdem besteht grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen der Amtshilfe Beitreibungsersuchen in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu stellen.
Dadurch ist bei Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union nunmehr der Vollzug der Luftverkehrsteuer und die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen auch im EU-Ausland rechtlich sichergestellt, so dass bei diesen Unternehmen auf die Benennung eines steuerlichen Beauftragten künftig verzichtet werden muss.
Allerdings steht es allen Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zukünftig frei, sich – wie Unternehmen mit Sitz im Inland – weiterhin eines steuerlichen Beauftragten nach § 8 Luftverkehrsteuergesetz zu bedienen, der dann auch die Pflichten des Luftverkehrsunternehmen nach dem Luftverkehrsteuergesetz als eigene zu erfüllen hat und Steuerschuldner wird.

Daneben besteht die Möglichkeit der Vertretung durch einen Bevollmächtigten nach § 80 Abs. 1 Abgabenordnung.

Anpassung der Steuersätze nach § 11 Abs. 1 Luftverkehrsteuergesetz

Die durch die Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2012 festgelegten Steuersätze werden dauerhaft in § 11 Abs. 1 Luftverkehrsteuergesetz verankert:

Zielort ab 01.01.2013 bis 31.12.2012
in einem Land der Anlage 1 7,50 Euro 8,00 Euro
in einem Land der Anlage 2 23,43 Euro 25,00 Euro
in anderen Ländern 42,18 Euro 45,00 Euro

Hintergrund dieser Festschreibung ist, dass sich ein begrenzter Handlungsspielraum zur dauerhaften Absenkung der Ausgangssteuersätze auf Grund der seit 2011 stetig ansteigenden Passagierzahlen im gewerblichen Luftverkehr ergeben hat.

Eine Absenkung der Steuersätze nach dem Verfahren des § 11 Abs. 2 Luftverkehrsteuergesetz (neu) erfolgt für das Jahr 2013 nicht und ist erst wieder mit Wirkung für das Jahr 2014 vorgesehen.

Weitere Anpassungen

Aufgrund des Wegfalls der Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Beauftragten für Luftverkehrsunternehmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren rechtliche Anpassungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit erforderlich, die gewährleisten, dass auch beim Wegfall eines steuerlichen Beauftragten von Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Zuständigkeit beim bisher örtlich zuständigen Hauptzollamt verbleibt.

Zudem wurde die Haftungsschuldregelung für Eigentümer oder Flugzeughalter nach § 6 Abs. 2 Luftverkehrsteuergesetz auf Drittländer begrenzt.

Die Gesetzesänderungen werden in deutscher und englischer Sprache mit entsprechenden Erläuterungen baldmöglichst im Internet der Zollverwaltung veröffentlicht.

Luftverkehrsteuer

Internet-Luftverkehrsteueranmeldung (ILA)

Mit der Internet-Luftverkehrsteueranmeldung (ILA) stellt die Zollverwaltung seit der Echtbetriebsaufnahme des IT-Verfahrens AVIATA den Beteiligten eine Anwendung zur Verfügung, die es ihnen ermöglicht, alternativ zum Papierverfahren das Formular zur Luftverkehrsteueranmeldung auch online auszufüllen und anschließend elektronisch an das zuständige Hauptzollamt zu übermitteln.

Für die Authentifizierung gegenüber der ILA sowie für die Signatur der Daten zur Übermittlung an das IT-Verfahren AVIATA ist neben der Luftverkehrsteuernummer ein gültiges ELSTER-Zertifikat zwingend erforderlich. Sofern nicht ein bereits vorhandenes ELSTER-Zertifikat verwendet werden soll, muss das
ELSTER-Zertifikat rechtzeitig vor der ersten Nutzung der elektronischen Luftverkehrsteueranmeldung beim ElsterOnline-Portal beantragt werden.

Derzeit sind nur die folgenden ELSTER-Zertifikate zugelassen:

ELSTER-Basis (Software-Zertifikat)
Das ELSTER-Basis-Zertifikat ist in Form einer Datei erhältlich, die auf Festplatte, CD-ROM, Memory-Stick oder Diskette gespeichert werden kann. Diese Registrierungsart ist kostenlos.

ELSTER-Spezial (Sicherheitsstick)
Bei dieser Registrierungsart handelt es sich um einen Sicherheitsstick, der an den USB-Anschluss eines Computers angeschlossen wird. Der Sicherheitsstick kann gesondert käuflich erworben werden.

HinweisFür die Verwendung im Login-Bereich der ILA sind nur
ELSTER-Zertifikate zulässig, die im Rahmen einer Registrierung über eine Steuernummer ausgestellt wurden.
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BFH: Kosten für Regatta-Begleitfahrt mit Geschäftspartnern anlässlich der Kieler Woche nicht abziehbar

“Lädt ein Unternehmer Geschäftspartner zu einer Schiffsreise ein, sind die Aufwendungen für die Reise und hiermit zusammenhängende Bewirtungen in der Regel nicht abziehbar. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 2. August 2012 IV R 25/09.

Geklagt hatte ein mittelständisches Unternehmen, das anlässlich der Kieler Woche mit Geschäftspartnern und eigenen Mitarbeitern aus dem Vertriebs- und Servicebereich eine sog. Regatta-Begleitfahrt unternommen hatte. Dazu war ein historisches Segelschiff gechartert worden, auf dem die Mitreisenden auch bewirtet wurden. Das Unternehmen war der Meinung, es müsse die Kosten der Reise und der Bewirtung in gleicher Weise als Betriebsausgabe abziehen können, wie es die Finanzverwaltung bei der Nutzung von sog. VIP-Logen an stationären Sportstätten zulasse. Schließlich lasse sich Segelsport nicht stationär, sondern nur vom Schiff aus beobachten.

Der BFH folgte dieser Argumentation nicht. Das Einkommensteuergesetz schließe Kosten für Schiffsreisen und damit zusammenhängende Bewirtungen bewusst vom Abzug aus, weil es darin Kosten einer unangemessenen Repräsentation sehe, die nicht „auf die Allgemeinheit abgewälzt“ werden sollten. Nur wenn ein Zusammenhang mit der Unterhaltung der Geschäftspartner oder der Repräsentation des Unternehmens ausgeschlossen werden könne, sei ein Abzug der Kosten möglich. Auf Verwaltungsanweisungen zur Behandlung von Kosten für VIP-Logen könne sich das Unternehmen nicht berufen. Diese seien einerseits für die Gerichte nicht unmittelbar bindend und beträfen andererseits auch nur den hier nicht gegebenen Fall, dass ein Leistungsbündel von dem Sportveranstalter selbst bezogen werde.”

BFH-Urteil vom Urteil 02.08.2012 – IV R 25/09

Pressemeldung Nr. 65 des Bundesfinanzhofs (BFH)

 

Kosten für Schiffsreise mit Geschäftspartnern grundsätzlich nicht abziehbar

 Leitsatz

Lädt der Unternehmer Geschäftspartner zu einer Schiffsreise ein, sind die Aufwendungen für die Reise und hiermit zusammenhängende Bewirtungen ungeachtet ihrer betrieblichen Veranlassung nicht abziehbar, wenn ein Zusammenhang mit der Unterhaltung der Teilnehmer oder der Repräsentation des Unternehmens nicht ausgeschlossen werden kann.

 Gesetze

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4

 Instanzenzug

Schleswig-Holsteinisches FG vom 27. Mai 2009 2 K 40112/08 (EFG 2009, 1368 )BFH IV R 25/09

 Gründe

I.

1  Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die im Streitjahr 2006 einen Umsatz von ca. 28,5 Mio. € erzielt hat. Für Geschäftspartner und eigene Mitarbeiter aus dem Vertriebs- und Servicebereich charterte die Klägerin ein historisches Segelschiff für eine sog. Regatta-Begleitfahrt anlässlich der Kieler Woche 2006. Dafür sowie für die Bewirtung der ca. 50 Teilnehmer (davon 13 Mitarbeiter der Klägerin) wendete die Klägerin 10.959,88 € zuzüglich 1.753,58 € Umsatzsteuer auf. Als abziehbare Betriebsausgabe behandelte sie davon nur 7.317,28 €, weil sie davon ausging, die Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. August 2005 IV B 2 -S 2144- 41/05 (BStBl I 2005, 845) und vom 11. Juli 2006 IV B 2 -S 2144- 53/06 (BStBl I 2006, 447) zur ertragsteuerlichen Behandlung von Aufwendungen für VIP-Logen in Sportstätten seien auf die Kosten der Regatta-Begleitfahrt entsprechend anzuwenden.

2  Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) unter Hinweis auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Kiel vom 20. September 2000 S 2145 A – St 231 (Finanz-Rundschau 2000, 1296 ) die Auffassung, die Kosten seien insgesamt als nicht abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln. Die gegen den entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 2006 vom 30. Mai 2008 gerichtete Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1368 abgedruckt.

3  Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Kosten seien nicht für von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannte „ähnliche Zwecke” entstanden, weil es sich nicht um Freizeitgestaltung oder sportliche Betätigung, sondern um eine Kundenveranstaltung anlässlich eines Sportereignisses gehandelt habe. Da die Regatta nur von einem Begleitschiff aus angemessen verfolgt werden könne, sei die Schiffsanmietung der Anmietung einer Loge in einer festen Sportstätte vergleichbar und müsse deshalb ebenso behandelt werden.

4  Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Vorentscheidung den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 30. Mai 2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben von 7.317,28 € abgezogen werden.

5  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

6  Die Revision ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ). Die Kosten der Regatta-Begleitfahrt sind insgesamt nicht abziehbare Betriebsausgaben.

7  1. a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG dürfen Aufwendungen für Jagd und Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern, soweit die damit verfolgten Zwecke nicht selbst Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG ). Die Regelung betrifft nach dem Einleitungssatz des § 4 Abs. 5 EStG Betriebsausgaben, also Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG ).

8  b) Das Abzugsverbot wurde geschaffen, weil der Gesetzgeber die genannten Ausgaben „ihrer Art nach als überflüssige und unangemessene Repräsentation” ansah und „im Interesse der Steuergerechtigkeit und des sozialen Friedens” den Aufwand „nicht länger durch den Abzug…vom steuerpflichtigen Gewinn auf die Allgemeinheit abgewälzt” wissen wollte (Begründung zum Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 1960 , BTDrucks III/1811, S. 8; in Bezug auf den damaligen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 (heute Nr. 4) EStG bestätigt durch die Stellungnahme des Finanzausschusses, zu BTDrucks III/1941, S. 3). Ungeachtet ihrer betrieblichen Veranlassung dürfen die Ausgaben danach bei der Ermittlung des Gewinns nicht abgezogen werden. Eines konkret feststellbaren Zusammenhangs mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen bedarf es dafür nicht. Vielmehr stellt das Gesetz auf den Zusammenhang der Aufwendungen mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung der Geschäftsfreunde des Steuerpflichtigen ab und unterstellt diesen typisiert bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG . Deshalb gilt das Abzugsverbot auch für Körperschaftsteuersubjekte, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine außerbetriebliche Sphäre haben können (vgl. etwa BFH-Urteile vom 3. Februar 1993 I R 18/92 , BFHE 170, 537 , BStBl II 1993, 367, und vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFHE 216, 536 , jeweils betreffend GmbH). Soweit in der Versagung des Abzugs der Ausgaben ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip liegt, ist dieser jedenfalls durch den typisiert angenommenen Zusammenhang mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen oder seiner Geschäftsfreunde gerechtfertigt.

9  c) Vor diesem Hintergrund hat der BFH § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG einschränkend dahingehend ausgelegt, dass das Abzugsverbot nur für solche Aufwendungen gelten soll, die eine Berührung zur Lebensführung und zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung der durch sie begünstigten Geschäftsfreunde des Steuerpflichtigen haben (BFH-Urteil in BFHE 170, 537 , BStBl II 1993, 367, unter II.2.). Scheidet danach etwa die Verwendung eines Schiffs zu Unterhaltungs- oder sportlichen Zwecken oder zur unangemessenen Repräsentation aus tatsächlichen Gründen aus, weil das Schiff als „schwimmender Besprechungsraum” oder reines Transportmittel genutzt wird, erstreckt sich das Abzugsverbot auf die betreffenden Aufwendungen nicht (BFH-Urteil in BFHE 170, 537 , BStBl II 1993, 367). Auch Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem Schiff sind nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG insgesamt vom Abzug ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 10. Mai 2001 IV R 6/00 , BFHE 195, 323 , BStBl II 2001, 575).

10  Lässt sich ein Zusammenhang mit der Lebensführung der begünstigten Geschäftsfreunde indessen nicht ausschließen, weil die Aufwendungen für ein Segel- oder Motorschiff für Zwecke der Unterhaltung oder der Repräsentation geleistet werden, handelt es sich um Ausgaben für „ähnliche Zwecke” i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG , so dass die Aufwendungen dem Abzugsverbot unterliegen. Welche Größe oder welches Alter das Schiff hat, ist dafür ohne Bedeutung. Dem Begriff „Jacht” lassen sich diesbezügliche Abgrenzungskriterien nicht entnehmen. Er bringt vielmehr den Unterhaltungs- oder Repräsentationszweck des Schiffs zum Ausdruck. Dementsprechend hat der BFH nicht auf die Art des Wasserfahrzeugs, sondern dessen bestimmungsgemäße Verwendung abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 195, 323 , BStBl II 2001, 575, unter 1.b).

11  d) Die der Klägerin entstandenen Kosten für die Regatta-Begleitfahrt unterliegen danach dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG . Der Einsatz des Schiffs für Zwecke der Unterhaltung und Repräsentation ist hier nicht nur nicht auszuschließen, sondern steht nach den Feststellungen des FG und dem eigenen Vorbringen der Klägerin fest. Angemessenheitserwägungen im konkreten Einzelfall sind nicht anzustellen. Zweck der gesetzlichen Regelung ist es vielmehr gerade, die zum Ausschluss vom Abzug führende Unangemessenheit von Aufwendungen typisiert zu bestimmen.

12  2. Die Klägerin kann sich nicht zu ihren Gunsten auf die BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 845 und in BStBl I 2006, 447 berufen. Einerseits handelt es sich um sog. norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, an die die Rechtsprechung schon dem Grunde nach nicht gebunden ist. Andererseits werden auch die Voraussetzungen für die von der Verwaltung zugelassene pauschale Aufteilung von Kosten nicht erfüllt. Zwar ist die Aufteilung nicht auf die Kosten für die Anmietung von sog. VIP-Logen in Sportstätten beschränkt (BMF-Schreiben in BStBl I 2006, 447, Tz. 6). Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass der Steuerpflichtige von einem Veranstalter ein Leistungspaket erhält, das neben dem eigentlichen Besuch der Unterhaltungs- oder Sportveranstaltung zusätzliche Bestandteile wie Werbung und Bewirtung enthält. Um ein derartiges Paket eines auf Sponsoring zielenden Veranstalters geht es im Streitfall aber nicht. Deshalb kommt auch der von der Klägerin geltend gemachte Gesichtspunkt einer auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ) gründenden Selbstbindung der Verwaltung im Hinblick auf die Behandlung von sog. VIP-Logen nicht zum Tragen.

 

BFH zur steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung bei einem Steuerberater

“Veräußert ein Steuerberater ein Beratungsbüro (bestehend aus dem zu diesem Büro gehörenden Mandantenstamm, der sachlichen und personellen Ausstattung), kann eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung vorliegen, auch wenn der Steuerberater seine Tätigkeit in einem anderen Büro fortsetzt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 26. Juni 2012 VIII R 22/09 entschieden.

Geklagt hatte ein Steuerberater, der zeitweilig an drei verschiedenen Orten Beratungsbüros betrieb. Zwei Büros lagen nur 22 km voneinander entfernt. Diese beiden Büros hatte der Steuerberater von verschiedenen Steuerberatern erworben und nach seinem Vortrag im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Das dritte und weiter entfernt liegende Büro hatte er selbst gegründet.Von den beiden näher beieinander liegenden Büros hatte der Steuerberater eines veräußert und daraus einen Gewinn erzielt, für dessen Besteuerung er die Tarifermäßigung beanspruchte. Finanzamt und Finanzgericht hatten die Voraussetzungen hierfür unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH verneint.

Der BFH hatte in der Vergangenheit geurteilt, bei einem Freiberufler komme eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung nur in zwei Fallgruppen in Betracht. Entweder müsse eine von zwei verschiedenartigen Tätigkeiten vollständig aufgegeben werden oder es müsse – bei gleichartigen Tätigkeiten – die Tätigkeit in einem von mehreren räumlich abgegrenzten Wirkungskreisen zumindest vorübergehend vollständig eingestellt werden. Im Streitfall überschnitten sich die räumlichen Wirkungskreise der beiden nah beieinander liegenden Steuerberatungsbüros. Hiervon ausgehend, hat der BFH nun die erforderliche Selbständigkeit des veräußerten Vermögensteils (Teilbetriebs) über die bisherige Rechtsprechung hinaus auch dann für möglich gehalten, wenn der veräußerte Teilbetrieb in seinem ursprünglich beim Erwerb vorhandenen Zuschnitt bis zu seiner Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden ist. Die fehlende vollständige räumliche Trennung zwischen den beiden Teilbetrieben ist dann unbeachtlich. Das Finanzgericht muss nun noch prüfen, ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen.”

 

BFH-Urteil vom 26.06.2012 – VIII R 22/09

 

Presseerklärung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 66

 

 „Selbständiger Teil des Vermögens” i.S. des § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG eines Steuerberaters

 Leitsatz

Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung kann vorliegen, wenn ein Steuerberater eine Beratungspraxis veräußert, die er (neben anderen Praxen) als völlig selbständigen Betrieb erworben und bis zu ihrer Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat.

 Gesetze

EStG § 18 Abs. 3
EStG § 34 Abs. 1

 Instanzenzug

FG Rheinland-Pfalz vom 29. April 2008 5 K 2457/05 (EFG 2009, 1113 )BFH VIII R 22/09

 Gründe

I.

1  Streitig ist, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer Steuerberatungspraxis als Veräußerung eines Teilbetriebs steuerlich begünstigt ist. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Einkünfte aus selbständiger Arbeit; Klägerin und Revisionsklägerin ist seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau.

2  Der Kläger betrieb Büros in A und B. Beide Orte sind etwa 22 km voneinander entfernt. Die Praxis in A hatte der Kläger 1983 von einem Steuerberater erworben. Die Praxis in B erwarb er von einem anderen Steuerberater jeweils zur Hälfte in den Jahren 1988 (Gründung einer Sozietät) und 1991 (vollständige Übernahme). Der Kläger setzte die Tätigkeit seiner Vorgänger fort. 1991 gründete der Kläger außerdem eine weitere Praxis in C. Alle drei Praxen führte der Kläger unter seinem Namen allein.

3  Mit Vertrag vom 19. Dezember 1997 veräußerte der Kläger die Praxis in B mit Wirkung zum 2. Januar 1998 an vier Erwerber (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer). Zugleich verpflichtete sich der Kläger, noch bis zum 30. Juni 1998 für die Erwerber tätig zu sein, um den Übergang der bestehenden und mitveräußerten Steuerberatungsmandate zu gewährleisten. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 900.000 DM für den ideellen Wert (Mandantenstamm) und 30.000 DM für die Einrichtung. Dem Kaufvertrag war eine Liste der veräußerten Mandate beigefügt. Nach dem Vortrag des Klägers handelte es sich dabei im Wesentlichen um den historisch gewachsenen Mandantenstamm der Praxis in B, den er bereits von seinem Vorgänger erworben hatte. Im Oktober 1998 setzten die Vertragsparteien den Kaufpreis einvernehmlich auf 720.000 DM für den ideellen Praxiswert und 30.000 DM für das Inventar herab. Nicht alle Mandate hatten sich für die Erwerber als werthaltig erwiesen. Für diesen Fall u.a. hatten die Vertragspartner eine Anpassung des Kaufpreises vorgesehen.

4  Im Praxisübertragungsvertrag verpflichtete sich der Kläger außerdem, innerhalb von vier Jahren nach dem Übertragungsstichtag weder in B noch in einem Umkreis von 20 km um B als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer tätig zu werden. Von dem Konkurrenzverbot ausgenommen waren die Orte X, Y, A und Z. Das Konkurrenzverbot sollte ferner nicht gelten für Mandanten, die dem Übergang des Mandats nicht zustimmen würden und für die deshalb der Kaufpreis zu mindern sei. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Konkurrenzverbot hatte der Kläger eine Vertragsstrafe von 150 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes des betreffenden Mandanten zu zahlen. Der Kläger hat unwidersprochen behauptet, er sei von den Erwerbern zu keiner Zeit wegen Verletzung des Konkurrenzverbots in Anspruch genommen worden.

5  Vor Veräußerung der Praxis in B hatte der Kläger seine Wirtschaftsprüfungsmandate gebündelt und auf eine GmbH unter seiner Leitung übertragen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob davon auch Mandate betroffen waren, die räumlich der Praxis in B zuzurechnen waren. Gegenstand der Praxisveräußerung war jedenfalls der Mandantenstamm der Praxis in B ohne Wirtschaftsprüfungsmandate.

6  Unstreitig hatte der Kläger in der Praxis B auch Mandate durch das dortige Personal bearbeiten lassen, die örtlich nicht B zuzurechnen waren. Dies betraf sowohl Mandate aus dem Raum A als auch Mandate aus C. Für diese in B „im Auftrag” erledigten Arbeiten nahm der Kläger jährliche Ergebnisabgrenzungen zwischen den einzelnen Büros vor. Diese sog. Auftragsmandate wurden nicht zusammen mit der Praxis in B veräußert. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob diese Auftragsmandate aufgrund der in B erledigten Zuarbeiten der dortigen Praxis „zugehörten” mit der Folge, dass der Kläger durch das „Zurückbehalten” dieser Mandate auch nach Veräußerung der Praxis B in deren räumlichem Wirkungskreis tätig geworden ist.

7  Die Umstrukturierung seiner Tätigkeit und den Verkauf der Praxis in B teilte der Kläger seinen Mandanten im Januar 1998 in einem Informationsschreiben mit. Darin erläuterte er auch, dass er seine Tätigkeit aufgrund von Änderungen im Standesrecht nicht wie bisher fortsetzen könne. Jede Zweigstelle müsse in Zukunft mit einem Berufsträger besetzt sein. Deshalb sei er gezwungen, die Praxis in B zu veräußern. Im März 1998 teilte der Kläger dem Finanzamt F mit, dass mit Wirkung zum 2. Januar 1998 der Teilbetrieb in B veräußert worden sei; für den Veräußerungsgewinn beantragte er die Tarifermäßigung gemäß § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr (1998) maßgeblichen Fassung (EStG ).

8  In der Vergangenheit waren die Einkünfte aus der Praxis in B vom Finanzamt F gesondert festgestellt worden. Dementsprechend stellte zunächst das Finanzamt F die Tarifbegünstigung des Veräußerungsgewinns unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

9  Nach einer bei dem Kläger durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Einschätzung, dass eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung nicht anzunehmen sei. In seinem abschließenden Bericht über die Außenprüfung stellte der Prüfer ergänzend fest, die Praxen in B und A hätten sich überschneidende örtliche Wirkungskreise. Außerdem hätten Mandanten aus C und A Rechnungen aus B erhalten, Mandanten aus B und C hätten aber auch Rechnungen aus A erhalten. Daraus zog der Prüfer den Schluss, die Praxen in A, B und C seien auch organisatorisch nicht ausreichend voneinander getrennt gewesen. Mandate seien aus Kapazitätsgründen dort bearbeitet worden, wo Personal zur Verfügung gestanden habe. Die bei ihrer Anschaffung noch zu bejahende Selbständigkeit der jeweiligen Praxen sei durch die Eingliederung in das einheitliche Unternehmen des Klägers aufgehoben worden. Außerdem habe der Kläger seine Tätigkeit im bisherigen Wirkungskreis fortgesetzt und nicht wie erforderlich vollständig eingestellt.

10  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) schloss sich dieser Würdigung an und versagte nach Aufhebung des Feststellungsbescheids im Einkommensteuerbescheid für 1998 die Anwendung der Tarifbegünstigung für den Veräußerungsgewinn.

11  Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

12  In der Einspruchsentscheidung wurde u.a. festgestellt, der Kläger habe diverse Mandate, die in B bearbeitet wurden, bei der Veräußerung „zurückbehalten”; dadurch sei die von der Rechtsprechung aufgestellte Bagatellgrenze von 10 % bei Weitem überschritten. Die veräußerten und die zurückbehaltenen Mandate seien zudem nicht streng nach örtlichen Kriterien bestimmt worden. Der Kläger habe auch durch die Art der Außendarstellung (zeitweilige Bezeichnung der Praxis in A als weitere Postanschrift des Büros B) zum Ausdruck gebracht, dass er einen einheitlichen Betrieb ohne organisatorische Trennung führe. Die vom Kläger vorgenommene Aufteilung seines einheitlichen Mandantenstamms genüge nicht für die Annahme eines Teilbetriebs.

13  Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, er habe die Praxis B mit ihrem historisch gewachsenen Mandantenstamm veräußert. Ebenso habe er die Praxis A in ihrem historisch gewachsenen Zuschnitt belassen und behalten. Die Mandanten seien den jeweiligen Büros über unterschiedliche DATEV-Zugangsnummern eindeutig zuzuordnen. An dieser Zuordnung habe er nichts geändert. Deshalb sei er nach der Veräußerung des Büros B mit jenen Mandanten seines Büros in A im Einzugsbereich des Büros B auch weiterhin tätig geworden, die bereits zuvor zum Steuerbüro A gehörten. Er habe davon abgesehen, die Mandate den Praxen in A und B nach örtlichen Kriterien neu zuzuordnen, weil er stets beabsichtigt habe, die Praxis in B —wie historisch gewachsen— wieder zu verkaufen. Nur für die Zukunft (Konkurrenzverbot) habe er mit den Erwerbern eine regionale Trennung der jeweiligen Wirkungskreise vereinbart.

14  Zu den für andere Büros in B erledigten Arbeiten hat der Kläger vorgetragen, es habe sich nur um büromäßige Hintergrundtätigkeiten gehandelt; zur Beratung seien die Mandanten stets in das für sie zuständige Büro gekommen. Der Erlös habe dem jeweiligen Stammbüro zugestanden; das Auftragsbüro habe lediglich seine Kosten und einen Teil des Gewinns beanspruchen dürfen. So habe er auch die Personalstruktur der von ihm erworbenen Praxen unverändert lassen können.

15  Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1113 ). Die Kläger haben erfolglos die Berichtigung des Tatbestands und des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragt.

16  Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 18 Abs. 3 , § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG) und erheben Verfahrensrügen.

17  Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. April 2008 5 K 2457/05 aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 17. September 2007 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Veräußerungserlös aus der Beratungsstelle B in Höhe von 720.000 DM nicht als laufender Gewinn, sondern als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn berücksichtigt wird.

18  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

19  Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO —). Das FG hat zu Unrecht den Vortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen, dass er zwei historisch gewachsene Betriebe übernommen und bis zur Veräußerung des einen unverändert fortgeführt habe. Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, ob die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers zutreffen.

20  1. Das FG hat angenommen, eine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung komme nur in Betracht, wenn entweder eine von mehreren verschiedenartigen Berufstätigkeiten aufgegeben werde oder —bei gleichartiger Tätigkeit— wenn die bisherige Tätigkeit in einer von mehreren räumlich und organisatorisch voneinander getrennten Tätigkeitsstätten vollständig eingestellt werde. Beides sei nicht der Fall.

21  a) Zu der ersten Fallgruppe hat das FG u.a. ausgeführt, der Kläger habe keine verschiedenartigen Tätigkeiten ausgeübt. Die Tätigkeiten als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer seien als Einheit zu behandeln, denn (auch) Wirtschaftsprüfer seien zur Steuerberatung befugt. Vielmehr habe der Kläger versucht, einen einheitlichen Mandantenstamm in Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsmandate aufzuteilen. Das sei vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass er die bisherige Berufstätigkeit in einem räumlichen Bereich vollständig einstellen müsse.

22  b) Aber auch die Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe lägen nicht vor. Ob das Büro in B organisatorisch hinreichend selbständig gewesen sei, könne dahinstehen, denn der Kläger habe seine Tätigkeit im bisherigen Wirkungskreis (von B) in nennenswertem Umfang fortgesetzt und nicht —wie erforderlich— zumindest vorübergehend vollständig eingestellt.

23  c) Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf die von der Rechtsprechung geschaffene Bagatellgrenze für das unschädliche Zurückbehalten einzelner Mandate berufen. Die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit durch den Kläger sei (wie dargelegt) jedenfalls nicht mehr geringfügig.

24  2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

25  a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehört nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. In diesem Fall gilt u.a. § 16 Abs. 2 bis 4 EStG entsprechend (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG ); der Veräußerungsgewinn wird, soweit er hiernach nicht steuerfrei bleibt, mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG besteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG ).

26  b) Der Ausdruck „selbständiger Teil des Vermögens” in § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG ist im Gesetz nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist er unter entsprechender Heranziehung der Voraussetzungen des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu bestimmen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465 , BStBl II 2000, 123). Ein Teilbetrieb ist danach ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der —für sich betrachtet— alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92 , BFHE 180, 278 , BStBl II 1996, 409, m.w.N.). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung beim Veräußerer zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 IV R 18/02 , BFHE 203, 47 , BStBl II 2003, 838, m.w.N.).

27  c) Dabei kann im Hinblick auf die Eigenart der selbständigen Arbeit, insbesondere die Bedeutung der persönlichen Betätigung, nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung die erforderliche Selbständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden- oder Patientenkreisen erstreckt (1. Fallgruppe) oder bei gleichartiger Tätigkeit in örtlich wie organisatorisch voneinander getrennten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).

28  Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige freiberufliche Tätigkeit, so kann regelmäßig ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erreicht hat, dass er einem Teilbetrieb im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1963 IV 198/62 S , BFHE 78, 303, BStBl III 1964, 120; vom 27. April 1978 IV R 102/74, BFHE 125, 249 , BStBl II 1978, 562; vom 29. Oktober 1992 IV R 16/91, BFHE 169, 352 , BStBl II 1993, 182, mit umfangreicher Zusammenstellung der Rechtsprechung, und zuletzt in BFHE 203, 47 , BStBl II 2003, 838). Danach führt insbesondere die Aufteilung eines einheitlichen Mandantenstamms nicht zur Annahme einer Teilpraxis.

29  d) Diese Rechtsprechung schließt es —entgegen der Auffassung des FG— nicht aus, bei der gebotenen Gesamtwürdigung auch den Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger im Streitfall zwei für sich genommen völlig selbständige und lebensfähige Steuerbüros von zwei verschiedenen Steuerberatern erworben und (nach seinem Vortrag) als solche fortgeführt hat. Die vom BFH in der Vergangenheit gebildeten alternativen Fallgruppen beschreiben nur indiziell (nicht tatbestandlich) die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit, und zwar für die besonders häufig auftretenden Sachverhalte. Dies schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände bei weniger typischen Sachverhalten nicht aus (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 2 BvR 802/90 , BStBl II 1996, 34 „Oderkonto”). Dementsprechend hat der BFH den Fall, dass eine dem Teilbetrieb ähnliche Verselbständigung zu verneinen ist, stets positiv umschrieben (einheitliche, gleichartige freiberufliche Tätigkeit). Und selbst für diesen Fall hat der BFH die Annahme der erforderlichen Selbständigkeit nur „regelmäßig” ausgeschlossen.

30  e) Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung kann auch dann vorliegen, wenn ein Steuerberater eine Beratungspraxis veräußert, die er (neben anderen Praxen) als selbständigen Betrieb erworben und bis zu ihrer Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat. Es kommt dann nicht entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt worden ist, vorausgesetzt die beim Erwerb zu bejahende Selbständigkeit der Büros ist beibehalten und nicht durch organisatorische (eingliedernde) Maßnahmen aufgegeben worden. Maßgeblich ist insoweit ebenfalls eine Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände.

31  3. Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann das Urteil der Vorinstanz keinen Bestand haben. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Kläger das bei seinem Erwerb völlig selbständige Steuerbüro in B nach seinem Vortrag bis zu dessen Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat.

32  4. Die Sache ist nicht spruchreif. Da das FG —von seinem Standpunkt aus zu Recht— bisher keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, dass er das Steuerbüro in B bis zu dessen Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Das FG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen und den Sachverhalt erneut umfassend würdigen. Dabei wird es in rechtlicher Hinsicht von Folgendem auszugehen haben.

33  a) Es ist nicht erforderlich, dass der Betrieb in B vom Erwerb bis zur Veräußerung völlig unverändert geblieben ist. Es genügt, wenn der Kläger die Praxis im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat.

34  aa) Das setzt insbesondere voraus, dass er die erworbenen Mandate keinem anderen Büro zugeordnet und auch keine in anderem Zusammenhang erworbenen Mandate dem Büro in B zugeordnet hat, denn der Mandantenstamm ist die wesentliche Betriebsgrundlage eines Steuerberatungsbüros. Dass zu den erworbenen Mandaten im Laufe der Jahre eventuell weitere vom Kläger akquirierte Mandate hinzugekommen sind, steht der Annahme der unveränderten Fortführung nicht entgegen, solange es sich um Mandanten handelt, die aus räumlichen Gründen das Büro in B (und kein anderes Büro des Klägers) aufgesucht haben. Ein Mandantenstamm ist keine statische, sondern eine sich stets verändernde Gesamtheit, was Zu- und Abgänge mit einschließt.

35  bb) Auch im Übrigen kommt es nur darauf an, ob der Kläger die Praxis personell und organisatorisch im Wesentlichen in dem Zustand belassen hat, in welchem er sie erworben hatte. Keine entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, wie der Kläger die Büros im Außenverhältnis bezeichnet hat. Zum einen hat der Kläger dadurch nach seinem unwidersprochenen Vortrag lediglich die vorübergehende Nichtbeachtung der standesrechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb eigenständiger Beratungsbüros kaschieren und keine beschreibende Aussage über die wahre Struktur der Praxen machen wollen. Zum anderen kommt der bloßen Bezeichnung schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, weil es auf die tatsächlichen Umstände ankommt. Ob ein Praxisteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit aufweist, ist nach objektiven Umständen zu beurteilen und unterliegt keinem Wahlrecht.

36  b) Eine (schädliche) Zuordnung von Mandaten anderer Büros zu B ist nicht anzunehmen, soweit der Kläger in B auch Arbeiten hat erledigen lassen für Mandanten aus anderen Büros. Hierdurch wird eine Neuzuordnung der Mandate nicht bewirkt. Die Nutzung freier Kapazitäten in einzelnen Büros durch Verlagerung von Tätigkeiten bewirkt für sich genommen auch keine organisatorische Integration bei ansonsten streng voneinander getrennt geführten Betriebsteilen. Durch die Erledigung solcher zusätzlicher Aufgaben wird insbesondere die im Ausgangspunkt anzunehmende Selbständigkeit des Büros in B nicht in Frage gestellt.

37  c) Soweit streitig ist, ob der Kläger den Mandantenstamm des Büros in B vollständig veräußert hat, kommt es neben der historischen auf die räumliche Zuordnung der (vom Kläger hinzuerworbenen) Mandate an. Entscheidend ist, ob der jeweilige Mandant aufgrund seiner räumlichen Nähe zur Beratung in das Büro in B gekommen ist oder ob er in einem anderen Büro beraten werden wollte. Denn der räumliche Wirkungskreis eines Steuerberaters wird im Wesentlichen bestimmt durch die Lage seines Büros, in das sich die Mandanten zu ihrer Beratung begeben (vgl. BFH-Urteile vom 24. August 1989 IV R 120/88 , BFHE 158, 257 , BStBl II 1990, 55, und in BFHE 203, 47 , BStBl II 2003, 838, jeweils zur Maßgeblichkeit der Lage des Schulungsraums für den örtlichen Wirkungsbereich einer Fahrschule). Welche Bedeutung der räumlichen Entfernung zwischen den einzelnen Beratungsbüros bei einem Steuerberater zukommt (offengelassen im BFH-Urteil vom 8. Mai 2000 IV R 63/99 , BFH/NV 2000, 1341 ), bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Unter den gegebenen Umständen (historisch gewachsener Betrieb) ist es jedenfalls unerheblich, wenn hinsichtlich nachträglich vom Kläger hinzugewonnener Mandate im Einzelfall eine eindeutige räumliche Zuordnung zu der Praxis in B nicht möglich sein sollte. Dies gilt zumindest, solange die Unbestimmtheit nur einen unwesentlichen Teil der veräußerten Mandate betrifft.

38  d) Hinsichtlich der weiteren Streitfrage, ob der Kläger seine bisherige Tätigkeit im örtlichen Wirkungskreis des Büros in B vollständig eingestellt hat, kommt es in erster Linie darauf an, ob er die nach den vorstehenden Grundsätzen zu dem Büro in B gehörenden Mandanten (oben unter II.4.c) nach der Veräußerung des Büros (und nach Ablauf der Übergangszeit) weiter beraten hat. Hiervon ist im Streitfall indiziell schon deshalb nicht auszugehen, weil der Kläger nach seinem unwidersprochenen Vortrag von den Erwerbern des Büros in B nicht wegen Verletzung des Konkurrenzverbots in Anspruch genommen worden ist.

39  Ob eine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung bei einem Steuerberater daneben auch voraussetzt, dass der Berater im bisherigen örtlichen Wirkungskreis des veräußerten Teilbetriebs keine neuen Mandate wirbt oder ihm angetragene neue Mandate aus diesem Bereich ablehnt, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Klärung. Das zwischen den Vertragsbeteiligten vereinbarte und offenbar auch durchgeführte Konkurrenzverbot gewährleistet insofern für die Zukunft eine hinreichend eindeutige räumliche Trennung der (sich in der Vergangenheit überschneidenden) örtlichen Wirkungsbereiche beider Praxen mit der Folge, dass der Kläger berechtigt war, neue Mandate aus den nicht dem Konkurrenzverbot unterliegenden Orten anzunehmen, ohne eine (schädliche) Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit im örtlichen Wirkungsbereich der veräußerten Praxis in B befürchten zu müssen. Das gilt auch für Mandanten aus den vom Konkurrenzverbot ausgenommenen Orten.

40  e) Die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger durch die Fortsetzung seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer im örtlichen Wirkungskreis von B auch nach der Veräußerung der Praxis tätig geworden ist, bedarf indes noch der Aufklärung. Zwar tritt der Senat der Ansicht des FG nicht bei, dass die Tätigkeiten als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer generell als gleichartig anzusehen sind. Der Umstand, dass auch Wirtschaftsprüfer zur Beratung in Steuersachen befugt sind, rechtfertigt diesen Schluss nicht. Diese Übereinstimmung verdeckt nicht, dass Wirtschaftsprüfer und Steuerberater unterschiedliche Aufgaben haben (vgl. § 2 der Wirtschaftsprüferordnung einerseits und §§ 1 , 3 des Steuerberatungsgesetzes andererseits) und deshalb im Regelfall auch unterschiedliche Tätigkeiten ausüben. Die Verschiedenartigkeit der Tätigkeiten reicht jedoch nicht hin, um insofern auch stets von selbständigen Teilpraxen ausgehen zu können. Hinzukommen muss eine hinreichende organisatorische Trennung der beiden Tätigkeiten. Daran fehlt es, wenn die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer ohne organisatorische Trennung im Rahmen einer einheitlichen Praxis als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ausgeübt wird. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei Anschaffung der Praxis in B vom Veräußerer keine Wirtschaftsprüfungsmandate erworben und sich die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer außerhalb der zunächst bestehenden Sozietät vorbehalten hatte. Nachdem der Kläger die Praxis in B vollständig übernommen hatte, ist es denkbar, dass er die Wirtschaftsprüfungsmandate, soweit sie räumlich dieser Praxis zugeordnet werden müssen, nicht getrennt von der Steuerberatung, sondern in einem einheitlich organisierten Betrieb ausgeübt hat. In diesem Fall wäre die vom Kläger vor der Veräußerung der Praxis in B vorgenommene Ausgliederung der Wirtschaftsprüfungsmandate als Zurückbehaltung einzelner Mandate aus einem einheitlichen Mandantenstamm zu bewerten. Für die Schädlichkeit käme es dann auf die in der Rechtsprechung entwickelte Bagatellgrenze an (vgl. nur BFH-Beschluss vom 20. Januar 2009 VIII B 58/08 , BFH/NV 2009, 756 , m.w.N.).

FG Niedersachsen: Kein Splitting-Verfahren für Alleinerziehende

“Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass Alleinerziehende keinen Anspruch auf die Anwendung des Ehegatten-Splittings oder eines Familien-Splittings haben (Az.: 7 V 4/12).

Hintergrund:

Die Antragstellerin ist verwitwet und hat zwei minderjährige Kinder. Im Hauptsacheverfahren (anhängig unter Az. 7 K 114/10) macht sie geltend, ihre Besteuerung als Alleinerziehende sei verfassungswidrig. Gegenüber einem zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehepaar (mit oder ohne Kinder) und gegenüber einem geschiedenen Ehepaar, das ein Real-Splitting in Anspruch nehme, zahle sie bei gleich hohen Einkünften mehrere tausend Euro mehr Einkommensteuer. Ein Familien-Splitting sei verfassungsrechtlich geboten.Im Übrigen seien die Grund- und Kinderfreibeträge und der Entlastungsbetrag zu niedrig und damit verfassungswidrig. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin, die von ihr nach Erhalt des Einkommensteuerbescheides nachgezahlte Einkommensteuer und die von ihr geleisteten Vorauszahlungen an sie zurückzuzahlen, soweit sie eine von ihr nach dem Modell eines Familien-Splittings errechnete Einkommensteuer übersteigen.

Das Gericht hat den Antrag mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

1. Die derzeitige Besteuerung nach der Grundtabelle sei nicht verfassungswidrig. Auch wenn die von einer Alleinerziehenden erzielten Einkünfte gleich hoch seien wie die zusammengerechneten Einkünfte eines Ehepaares und ein Alleinerziehende(r) mehrere tausend Euro mehr Einkommensteuer als das zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehepaar zu zahlen habe, liege kein verfassungswidriger Begünstigungsausschluss vor. Es handele sich um unterschiedliche Sachverhalte, die die steuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigten. Auch eine nach neuerer Rechtsprechung der Finanzgerichte denkbare bzw. verfassungsrechtlich gebotene Anwendung des Splitting-Verfahrens auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft führe nicht zu einem vergleichbaren Anspruch eines Alleinerziehenden.

2. Das Ehegatten-Splitting gewährleiste die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute zur Gestaltung ihrer ehelichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse und sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern verfassungsrechtlich geboten. Es diskriminiere nicht die Ehefrau bzw. den Partner mit dem niedrigeren Einkommen. Niedrigere Erwerbstätigkeitsquoten und niedrigere Durchschnittseinkommen von Frauen seien nicht Folge des Splitting-Verfahrens, sondern durch die wirtschaftlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt und die individuell aus vielfältigen Gründen getroffenen persönlichen Entscheidungen bedingt.

3. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, in systematisch unterschiedlicher Weise die Freiheit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgestaltung einerseits durch das Wahlrecht für die Zusammenveranlagung (mit Splitting-Verfahren) und die Kind bedingten Belastungen andererseits durch die Gewährung von Kindergeld bzw. den Abzug von Kinderfreibeträgen und nicht im Wege eines Familiensplittings zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung seien nicht die Gerichte, sondern der Gesetzgeber dazu berufen, diese Regelungen zu überprüfen und ggf. zu ändern.

4. Die Höhe der Grund- und Kinderfreibeträge und des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende im Jahr 2008 sei bei summarischer Prüfung nicht evident zu niedrig und damit nicht verfassungswidrig.

Das NFG hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Das Verfahren ist unter dem Az. III B 68/12 beim Bundesfinanzhof anhängig.”

 

Niedersächsisches FG Beschluss vom 28.03.2012 – 7 V 4/12

 

Pressemeldung des Gerichts: Niedersächsisches Finanzgericht

 

Aussetzung der Vollziehung – Kein Splitting-Verfahren für Alleinerziehende

 Leitsatz

  1. 1.            Die derzeitige Besteuerung Alleinerziehender nach der Grundtabelle ist nicht verfassungswidrig.
  2. 2.            Dass sowohl Eheleute (mit oder ohne Kinder) als auch Alleinerziehende unter den Begriff „Familie” fallen, führt nicht dazu, dass beide Gruppen trotz bestehender Unterschiede steuerlich gleich behandelt werden müssten.
  3. 3.            Zwischen Alleinerziehenden und Eheleuten (verheiratet oder geschieden mit Realsplitting, mit oder ohne Kindern) bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung – Splitting-Verfahren nur für zusammen zu veranlagende Eheleute, nicht für Alleinerziehende, Real-Splitting für Geschiedene – rechtfertigen können.
  4. 4.            Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es nicht, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen.
  5. 5.            Das Ehegatten-Splitting ist keine beliebig veränderbare Steuer-‚Vergünstigung‘, sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG ) orientierte sachgerechte Besteuerung.
  6. 6.            Das Ehegatten-Splitting gewährleistet die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute zur Gestaltung ihrer ehelichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse.
  7. 7.            Die Höhe der Grund- und Kinderfreibeträge und des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende im Jahr 2008 sind bei summarischer Prüfung nicht evident zu niedrig und daher verfassungsgemäß.

 Gesetze

EStG § 10 Abs 1 Nr 1
EStG § 22 Nr 1a
EStG § 24a
EStG § 25
EStG § 26
EStG § 32 Abs 6
§ 32a
FGO § 69
GG Art 20
GG Art 3 Abs 1
GG Art 6
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

 Tatbestand

I. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung, soweit sie nach ihrer Auffassung als Alleinerziehende mit zwei Kindern in verfassungswidriger Weise besteuert wird.

Die Antragstellerin ist Mutter zweier …und …geborener Kinder. Ihr Ehemann und Vater der Kinder verstarb im Jahr …. Seitdem ist die Antragstellerin verwitwet.

Die Antragstellerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus … als … in Höhe von rund € x. Des Weiteren erhielt sie Versorgungsbezüge in Höhe von rund € …. Ihre Kinder erhielten im Streitjahr Renten und Versorgungsbezüge (nach ihren Angaben in Höhe von jährlich € … und € …). In ihrer Gewinnermittlung und ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Antragstellerin keine Kinderbetreuungskosten geltend.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom … (gemäß § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung) und in dem (gemäß § 164 Abs. 2 AO geringfügig geänderten) Bescheid vom … setzte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer unter Zugrundelegung der Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG ) fest. Für die beiden Kinder zog es Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von gesamt € 11.616 ab und rechnete im Gegenzug der Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 4 EStG das Kindergeld in Höhe von € 3.696 hinzu. Ferner zog das FA den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG in Höhe von € 1.308 ab. Es veranlagte die Antragstellerin einzeln zur Einkommensteuer und setzte die Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen von rund € … nach der Grundtabelle mit € … an. Nach Berücksichtigung von Steuerermäßigungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen und Hinzurechnung des Kindergeldes ergaben sich eine festzusetzende Einkommensteuer in Höhe von € … und ein festgesetzter Solidaritätszuschlag in Höhe von € ….

Aufgrund der entsprechend ihren Angaben festgesetzten und von der Antragstellerin geleisteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen ergab sich aus dem Einkommensteuerbescheid vom … eine Einkommensteuer-Nachzahlung in Höhe von € … und aus dem Einkommensteuerbescheid in der Fassung vom … eine weitere Einkommensteuer-Nachzahlung in Höhe von € …, zusammen € …. Die Antragstellerin leistete die Nachzahlungen.

Mit Schreiben vom … legte die Antragstellerin gegen den „ESt-Solz-Bescheid vom …” Einspruch ein. Das FA legte das Schreiben als Einspruch gegen den Bescheid vom … aus. Mit Schreiben vom … begründete die Antragstellerin ihren Einspruch u.a. wie folgt:

Er richte sich gegen die Nichtgewährung des Splitting-Tarifs. Bei einem kinderlosen Ehepaar, bei dem einer der Ehepartner Einkünfte in der von ihr allein erzielten Höhe (rund € …) und der andere Ehepartner Einkünfte in Höhe von € 0 erzielt hätte, hätten nach den beigefügten Berechnungen die festgesetzte Einkommensteuer € … und der Solidaritätszuschlag € … betragen, mithin gesamt rund € 7…. weniger. Bei einem Ehepaar mit denselben Einkünften mit einem Kind (ebenfalls drei Personen) ergebe sich eine um gesamt rund € 7…. niedrigere Steuer. Das kinderlose Ehepaar habe einen Grenzsteuersatz von rund 3… %, das Ehepaar mit einem Kind von rund 3… %, während sie einen Grenzsteuersatz von rund 4… % habe, mithin auf jeden mehr verdienten Euro…% (incl. Solidaritätszuschlag) mehr Steuer bezahlen müsse als ein Ehepaar mit einem Kind, welches sich Haus- und Erziehungsarbeit teilen könne, nur ein Kind statt zweien zu erziehen und zu betreuen habe und auch nur für ein Kind eine Ausbildung zu finanzieren habe.

Das steuerliche Ehegattensplitting in Deutschland sei ein antiquierter „Klassiker” der staatlichen Instrumente zur Förderung des männlichen Ernährermodells. Es fördere die nicht unterstützungsbedürftige kinderlose Ehe. Das mit € 3.648 bewertete tatsächliche Existenzminimum eines Kindes (§ 32 Abs. 6 EStG ) bleibe weit hinter dem funktionsgleichen Grundfreibetrag für Erwachsene in Höhe von € 7.664 zurück. Dies sei analog dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1, 3, 4/09 BVerfGE 125, 175 ) verfassungswidrig. Unter Zugrundelegung der nach dem Sozialrecht angemessenen Wohnfläche entstünden ihr als drei-Personen-Haushalt sozialrechtlich angemessen höhere Kosten als einem kinderlosen Ehepaar. Verwitwete Steuerpflichtige erhielten weder Unterhaltsleistungen noch Unterhaltsersatzleistungen.

Neben der steuerlichen Benachteiligung sei sie dadurch benachteiligt, dass sie als Frau und allein erziehende Mutter von zwei Kindern ein deutlich geringeres Lebenseinkommen erreiche als Männer mit Kindern mit gleicher Bildung. Dadurch könne sie nur in einem deutlich geringeren Umfang für ihr Alter vorsorgen. Bei einem Ehepaar mit einem Kind werde der berufstätige Partner in der Regel von dem nicht oder nur teilweise berufstätigen Partner in der Haushaltsführung und Kinderbetreuung und -versorgung einschließlich Unterstützung bei Hausaufgaben der Kinder unterstützt. Durch diese von ihr allein zu erbringenden Tätigkeiten würden ihre Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt bzw. habe sie entsprechend eine überdurchschnittliche Personalkostenquote. Aufgrund des höheren Grenzsteuersatzes müsse sie einen noch höheren Gewinn erzielen als ein gleich verdienendes Ehepaar ohne oder mit einem Kind, um nach Steuern das gleiche verfügbare Haushaltseinkommen zu haben. Ferner müsse sie einen höheren Organisationsgrad unter Einschaltung von Fremdverpflegung und Nachhilfe mit entsprechenden Kosten bewerkstelligen.

Die Antragstellerin führte „allgemeine weitere Kritikpunkte am Ehegattensplitting” auf. Es fördere insbesondere die Ehen, in denen hohe Einkommen ungleich auf die Ehepartner verteilt seien, und zwar unabhängig davon, ob in dieser Familie Kinder lebten. Angesichts der gesellschaftlichen Realität, dass knapp 20 % der Jugendlichen in Deutschland bei einem alleinerziehenden Elternteil lebten und statistisch zur so genannten „traditionellen Familie” auch verheiratete Paare mit Kindern aus früheren Beziehung sowie mit Stief-, Pflege- und Adoptivkindern zählten, seien die erheblichen Mittel für das Ehegattensplitting (über 20 Milliarden Euro jährlich) nicht mehr gerechtfertigt.

Art. 3 Abs. 1 GG gebiete in seiner Ausprägung als horizontale Steuergleichheit, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern. Mit der Versagung des Splittingtarifs für verwitwete Alleinerziehende bevorzuge das Steuerrecht einseitig die Ehe, insbesondere die kinderlose Ehe und belaste die Familie mit Kindern, in der ein Ehegatte gestorben sei, unverhältnismäßig hoch. Hierdurch sei Art. 20 GG verletzt. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folge, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben müsse. Art. 6 Abs. 4 GG gebiete den Schutz der Mutter.

In sehr veralteten verfassungsrechtlichen Entscheidungen werde immer wieder auf eine Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1961 verwiesen (richtig: BVerfG, Urteil vom 3. November 1982, 1 BvR 620/78 1335/78, 1104/79, 363/80, BVerfGE 61,319, BStBl II 1982, 717). In den zwischenzeitlich ins Land gegangenen knapp 50 Jahren hätten sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen erheblich verändert. Das Unterhaltsrecht habe sich geändert. Die Ehe als Versorgungsinstitut habe ausgedient. Die Scheidungsraten, die Anzahl kinderloser Ehen und der ehelosen Eltern sei gestiegen.

Die der Begründung der Entscheidung des BVerfG vom 3. November 1982 zugrunde gelegte „intakte Durchschnittsehe” sei ein unbestimmter und durch die Realität überholter antiquierter Rechtsbegriff. Mit der Annahme, dass Eheleute als Erwerbsgemeinschaft gleichberechtigter Personen jegliche Einkünfte gleichmäßig und gerecht aufteilen und auch dementsprechend besteuert werden sollen, unterstelle der Staat ein Idealmodell, das empirisch häufig genug widerlegt worden sei. Geld sei auch in Ehen ein Machtfaktor. Wer das Einkommen erziele, bestimme letztendlich über die Art und Weise, wie es ausgegeben werde. Das Ehegattensplitting fördere diese Machtasymmetrie, in dem die Steuervergünstigung auch noch jenem zufließe, der das höhere Einkommen erziele – in der Regel immer noch dem Mann. Die OECD benenne diese Besonderheit des deutschen Steuersystems daher als einen wesentlichen Grund für die zu geringe Erwerbstätigkeit von Frauen und damit als steuerlichen Fehlanreiz. Darüber hinaus habe das Splittingverfahren nach seinem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Zweck u.a. „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter” bedeuten sollen. In einer kinderlosen Ehe gebe es begriffslogisch keine Mutter. Solange das Ehegattensplitting beibehalten werde, werde damit das Modell der traditionellen Arbeitsteilung perpetuiert. Statt endlich gleicher Bezahlung, Karrieremöglichkeiten und einem Ende der Frage für Frauen „Familie oder Beruf” verharre die Gesellschaft teilweise (im Steuerrecht) in einer 50er-Jahre-Realität, obwohl die Ansprüche und Wünsche junger Frauen und Männer deutlich in eine egalitäre Gesellschaft wiesen.

Das FA wies mit Bescheid vom … den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zurück. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob von verfassungswegen Alleinerziehenden mit Kindern das Splittingverfahren zu gewähren sei, sei durch ständige, bis in die jüngste Zeit bestätigte Rechtsprechung des BVerfG und des BFH geklärt. Die gesellschaftliche Entwicklung und die wachsende Zahl sogenannter Restfamilien mit Kindern führe zu keinem anderen Ergebnis.

Das Ehegattensplitting stelle eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG orientierte sachgerechte Besteuerung dar. Der Gleichheitssatz i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG gebiete es nicht, den Splittingvorteil auf Alleinerziehende auszudehnen. Zwischen Alleinerziehenden und ihren Kindern bestehe weder wirtschaftlich noch familienrechtlich eine Gemeinschaft des Erwerbs, die zu einer anteiligen Teilhabe am Familieneinkommen führe, sondern ein bloßes Unterhaltsverhältnis. Ebenso wenig komme für Alleinerziehende mit Kindern ein durch Art. 6 Abs. 1 GG zu schützendes Recht in Betracht, über die Aufgabenteilung partnerschaftlich zu entscheiden.

Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 3. November 1982 noch angenommen, der Splitting-Tarif erleichtere Eheleuten mit Kindern, ihre Lebensführung so einzurichten, dass ein zusätzlicher Betreuungsaufwand für die Kinder entweder nicht entstehe oder zumindest leichter getragen werden könne als bei Alleinerziehenden. Dies habe das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.11.1998 (2 BvR 1057/91, 1226/91, 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) modifiziert. Das BVerfG gehe nunmehr davon aus, dass der Betreuungsbedarf eines Kindes generell die Leistungsfähigkeit der Eltern mindere und als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben müsse. Die Abzugsfähigkeit eines Haushaltsfreibetrages und von Kinderbetreuungskosten nur bei Alleinstehenden benachteilige eheliche Erziehungsgemeinschaften. Diese Benachteiligung werde nicht dadurch gemindert, dass in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern zusammen veranlagt werden könnten. Die Zusammenveranlagung setze eine Ehe, nicht hingegen einen kindbedingten Bedarf voraus. Betreuungs- und Erziehungsbedarf müssten bei allen Erziehungsgemeinschaften und Alleinstehenden in gleicher Weise und unabhängig davon berücksichtigt werden, in welcher statusrechtlichen Beziehung die Eltern lebten. Das BVerfG sehe das Benachteiligungsverbot nur zu Lasten der Ehe, nicht jedoch zu Lasten anderer Lebensgemeinschaften.

Mit ihrer Klage im Hauptsacheverfahren, die unter dem Aktenzeichen 7 K 114/10 beim Niedersächsischen Finanzgericht geführt wird, begehrt die Antragstellerin, den Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsbescheid vom … abzuändern auf die festzusetzende Einkommensteuer, die sich unter Anwendung eines auf drei Personen angewendeten Splittingtarifs ergibt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen macht sie geltend: Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken zeichne sich auch auf der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Ebene ein Paradigmenwechsel ab. Hierzu legt die Antragstellerin im Einzelnen politische Meinungen und Bestrebungen zur Abschaffung des Ehegattensplittings und zur Einführung eines Familiensplittings dar. Interessant seien die Ansätze der CDU/CSU und der FDP, die steuerliche Berücksichtigung von Kindern auf den für Erwachsene geltend gemachten Freibetrag von € 8.004 anzuheben. Diese Vorstellung berücksichtige das Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 (a.a.O.) zur Verfassungswidrigkeit der abgeleiteten Höhe der Regelleistung für Kinder pauschal von der eines alleinstehenden Erwachsenen. Im Falle geschiedener Eheleute mit Realsplitting (insbesondere eines wieder verheirateten alleinverdienenden Unterhaltszahlers) falle die steuerliche Belastung für drei Erwachsene ohne Kinder sogar um über € 12.000 niedriger aus als für eine gleich verdienende Alleinerziehende mit zwei in Ausbildung befindlichen Kindern. Dies alles widerspreche dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dass die Zeit reif sei, sei auch dem Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010 zur Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften (1 BvR 611/07, 2464/07, BVerfGE 126, 400 ) zu entnehmen. Das BVerfG habe ausdrücklich verworfen, andere Lebensformen mit bloßem Verweis auf Art. 6 Abs. 1 GG zu benachteiligen.

Mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom … und … macht die Antragstellerin weitere Ausführungen zu dem vorgetragenen Verfassungsverstoß und zur Besteuerung von Eheleuten und Eltern / Alleinerziehenden mit Kindern in anderen europäischen Ländern (insbesondere der Schweiz). Es komme nicht allein auf die Vergleichbarkeit von Sachverhalten (Eheleute einerseits, Eheleute und Kinder andererseits) an, sondern auch auf die Versagung einer Begünstigung. Aus dem Gleichheitssatz folge das Verbot eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses. Das BVerfG habe mit seinem Beschluss vom 21. Juli 2010 den gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes bezüglich eingetragener Lebenspartner für alle noch offenen Verfahren aufgehoben und die dortigen Steuervorteile, die bislang nur Ehegatten erhielten, auf eingetragene Lebenspartner ausgedehnt. Nach dem (im Einzelnen dargestellten) Leistungsfähigkeitsprinzip und dem dualistischen Konzept „Erwerbseinkommen ./. private Abzüge” zur Messung der objektiven und subjektiven Leistungsfähigkeit würden Alleinerziehende benachteiligt. § 26 EStG stelle eine kinderlose Ehefrau ohne eigenes Erwerbseinkommen besser als ein oder mehrere in Schulausbildung befindliche Kinder. Das BVerfG habe bezüglich des Betreuungsbedarfs eines Kindes festgestellt, dass dieser generell die Leistungsfähigkeit der Eltern mindere. Die Leistungsfähigkeit einer Alleinerziehenden mit Kindern sei also anerkannt gemindert, dennoch bezahle sie mehr Steuern als ein Alleinverdiener-Ehepaar ohne Kinder. Da Alleinerziehende überwiegend weiblich seien, würden überwiegend Angehörige weiblichen Geschlechts benachteiligt und mittelbar diskriminiert. In über der Hälfte aller Haushalte lebten keine Kinder mehr. 43 % des Splittings kämen Kinderlosen zugute. Es fördere nicht die Familie, sondern die Alleinverdiener-Ehe. Die Entlastung falle zu ca. 93 % in den alten Bundesländern an. Für diese regionale Diskriminierung gebe es keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Die Argumentation des Einkommens-Poolings in Haushalten sei empirisch nicht haltbar bzw. gebe es hierzu keine fundierten Erkenntnisse. Die im Urteil des BVerfG vom 3. November 1982 zugrunde gelegte „intakte Durchschnittsehe” habe sich in den Jahren seit 1982 so weit gewandelt, dass die Grundlage für die Argumentation des BVerfG entfallen sei.

Es werde als verfassungswidrig gerügt, dass in einer kinderlosen Alleinverdiener-Ehe ein nicht erwerbstätiger Ehegatte einen ungleich höheren Grundfreibetrag erhalte als ein Kind, dass die Ehe zusätzlich durch die Verdoppelung von Sonderausgabenhöchstbeträgen begünstigt werde und dass die Alleinverdiener-Ehe einen um ca. 10 % günstigeren Grenzsteuersatz habe als eine verwitwete Alleinerziehende mit zwei Kindern. Dies widerspreche insgesamt eklatant dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Ergänzend und hilfsweise werde auf die Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 (a.a.O.) verwiesen. Der für das Jahr 2008 geltende Sechste als auch der aktuelle Siebente Existenzminimumbericht basierten auf für verfassungswidrig erklärten Grundnormen des SGB. Bei der Einelternfamilie führe das Fehlen eines Elternteils auf der Ausgabenseite kaum zu Einsparungen. Auf der Einkommensseite fehle der in unbezahlter Arbeit geleistete Beitrag.

Der geringe Alleinverdiener-Freibetrag werde nur für das erste Kind gewährt. Für weitere Kinder gebe es keine Entlastung. Ein Alleinerziehender könne erst mit mehr als 6 Kindern den gleichen steuerlichen Vorteil erreichen, den ein Spitzenalleinverdiener maximal als Splitting-Vorteil für eine nicht arbeitende Frau bekomme.

Jedes Kind beschränke zudem die Leistungsfähigkeit durch den berechtigten Anspruch auf Zeitressourcen (für Betreuung und Versorgung) und damit die für die Einkommenserzielung zur Verfügung stehende Zeit.

Die Antragstellerin beantragt im Hauptsacheverfahren (unter Einbeziehung der Einkünfte ihrer Kinder), „unter analoger Anwendung des Splittingtarifs die Einkommensteuer 2008 in der Weise festzusetzen, dass das zu versteuernde Einkommen gedrittelt wird (da drei Personen und von drei Personen das Einkommen enthalten ist), auf das Drittel in einem Zwischenschritt die Einkommensteuer ermittelt wird und das Dreifache der so ermittelten Steuer festgesetzt wird.” Auf die dem Schriftsatz vom … beigefügten Berechnungen wird Bezug genommen; hiernach ergebe sich eine Einkommensteuer in Höhe von € …. Es ergebe sich ein Nachteil bezüglich der Einkommensteuer in Höhe von € ….

Mit Schreiben vom … und … an das FA hat die Antragstellerin beantragt, „die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom … zur Steuernummer … aufzuheben, soweit durch den Bescheid die Antragstellerin gegenüber einem Alleinverdiener-Ehepaar benachteiligt wird (Euro…Einkommensteuer zzgl. entsprechendem Solidaritätszuschlag)”. Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im Hauptsacheverfahren verwiesen. Das FA hat den Antrag mit Bescheid vom … unter Verweis auf seine im Einspruchs- und Klageverfahren gefertigten Schriftsätze abgelehnt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom … zu Steuernummer … aufzuheben, soweit durch den Bescheid die Antragstellerin gegenüber einem Alleinverdiener-Ehepaar benachteiligt wird (Euro … Einkommensteuer zuzüglich entsprechender Solidaritätszuschlag).

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist auf seine Ausführungen im Hauptsacheverfahren und hält an seiner Auffassung fest. Im Hauptsacheverfahren weist er ergänzend darauf hin, dass der BFH mit Beschluss vom 28. Januar 2005 (III B 97/04, BFH/NV 2005, 1050 ) dazu Stellung genommen habe, dass Aufwendungen für die Betreuung von Kindern nicht durch das auf einer anderen Grundlage beruhende und anderen Zwecken dienende Ehegattensplitting steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Das BVerfG habe die gegen dieses Urteil eingereichte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 23. September 2005, 2 BvR 726/05, juris). Zudem habe der BFH mit Beschluss vom 17. August 2004 (III B 121/03, BFH/NV 2005, 46 ) entschieden, dass das Ehegattensplitting mit den Grundwerten des Familienrechts sowie mit Art. 6 Abs. 1 GG im Einklang stehe. Die Rechtsprechung zur einkommensteuerlichen Gleichstellung von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei mangels Vergleichbarkeit auf den Streitfall nicht anwendbar, denn die Gewährung des Splittingtarifs setze eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Partnern voraus.

Wegen des weiteren Sachverhaltes und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze, auch im Hauptsacheverfahren 7 K 114/10, Bezug genommen.

 Gründe

II. Der Antrag ist unbegründet.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz Finanzgerichtsordnung (FGO ) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für die Betroffene eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen – wie im Streitfall – tritt gemäß § 69 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 FGO an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des BFH vom 10. Februar 1984 III B 40/83 , BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

1) Das Gericht hat keine Zweifel an Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen der §§ 25 ff. EStG , nach denen die Antragstellerin als nicht verheiratete Alleinerziehende gemäß §§ 25 , 32a Abs. 1 EStG einzeln (unter Anwendung der Grundtabelle) und nicht gemäß §§ 26 ff., 32a Abs. 5 EStG wie Eheleute (unter Anwendung der Splitting-Tabelle) zur Einkommensteuer zu veranlagen ist. Die Voraussetzungen des § 32a Abs. 6 Nr. 1 EStG zur Anwendung des sog. Gnadensplitting zur Milderung von Härten sind im Streitjahr unstreitig nicht mehr erfüllt.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte verfassungswidrige Begünstigungsausschluss gegenüber einem kinderlosen Ehepaar oder einem Ehepaar mit einem Kind oder einem geschiedenen, ggf. teilweise wieder verheirateten Ehepaar, bei dem das Realsplitting (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG ) in Anspruch genommen wird, liegt nicht vor.

Prüfungsmaßstab ist Art. 3 Abs. 1 GG , wobei die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatzentscheidung für den Schutz der Familie mit zu beachten ist (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84 , 26/84, 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG „gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentliches Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen …. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. … Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Bevorzugung oder Benachteiligung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung, die ihren Anknüpfungspunkt in der Person findet, regelmäßig einer strengen Bindung …. Dabei kommt es hinsichtlich der Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. … Die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten …” (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 , a.a.O., m.w.N.).

Dass sowohl Eheleute (mit oder ohne Kinder) als auch Alleinerziehende unter den Begriff „Familie” fallen, führt nicht dazu, dass beide Gruppen trotz bestehender Unterschiede steuerlich gleich behandelt werden müssten. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Begünstigung für eine dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende Gruppe auf eine andere, ebenfalls dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende Gruppe auszudehnen, wenn zwischen den Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

Zwischen der alleinerziehenden Antragstellerin und Eheleuten (verheiratet oder geschieden mit Realsplitting, mit oder ohne Kindern) bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung – Splitting-Verfahren nur für zusammen zu veranlagende Eheleute, nicht für Alleinerziehende, Real-Splitting für Geschiedene – rechtfertigen können. Eheleute sind rechtlich gleichberechtigte Partner einer Lebensgemeinschaft, die untereinander bestimmen, wie sie ihre ehelichen, auch wirtschaftlichen Lebensverhältnisse gestalten und insbesondere auch, wer in welchem Umfang zum Familieneinkommen beiträgt und wie sie das Familieneinkommen verwenden. Die im Wege des Real-Splitting vom Unterhaltszahler abziehbaren, vom Unterhaltsempfänger zu versteuernden Unterhaltsleistungen sind eine Fortwirkung der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach Scheidung. Dagegen ist das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern dadurch geprägt, dass die Eltern zur Pflege und Erziehung (einschließlich der Unterhaltsgewährung) ihrer Kinder berechtigt und verpflichtet sind (Art. 6 Abs. 2 GG ). „Zwischen Alleinerziehenden und ihren Kindern besteht weder wirtschaftlich noch familienrechtlich eine Gemeinschaft des Erwerbs, die zu einer anteiligen Teilhabe am Familieneinkommen führt, sondern ein bloßes Unterhaltsverhältnis” (BFH, Beschluss vom 17. August 2004 , a.a.O., m.w.N.). Das BVerfG und entsprechend der BFH haben nicht nur in der nach Meinung der Antragstellerin überholten Entscheidung vom 3. November 1982, sondern auch fortlaufend entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG es nicht gebietet, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen (BFH, Urteil vom 27. Juni 1996, IV R 4/84 , BFHE 181,31 , hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 21. Dezember 1996, 2 BvR 2163/96, juris, BFH, Beschluss vom 20. September 2002, III B 40/02 , BFH/NV 2003, 157 , hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 26. Februar 2004, 2 BvR 1933/02; BFH, Beschluss vom 17. August 2004 , a.a.O., BFH, Beschluss vom 28. Januar 2005 , a.a.O., hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 23. September 2005, 2 BvR 726/05, juris). Das Gericht teilt diese Auffassung.

Eine sachlich nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt auch nicht deshalb vor, weil nach neueren Entscheidungen mehrerer Finanzgerichte den Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aus Gleichbehandlungsgründen die einkommensteuerliche Zusammenveranlagung und entsprechend die Anwendung des Splitting-Verfahrens zustehen muss. Für die eingetragene Lebenspartnerschaft gelten die gleichen Rechtsnormen wie für die Ehe, insbesondere im Bereich der Regelungen zur Gestaltung der partnerschaftlichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, des Unterhalts- und des Erbrechts. Der Unterschied eingetragener Lebenspartner zu den Partnern einer Ehe besteht lediglich darin, dass die Lebenspartner gleichen, die Eheleute unterschiedlichen Geschlechts sind; dieser Unterscheid rechtfertigt nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte die einkommensteuerliche Ungleichbehandlung nicht. Naturgemäß können Lebenspartner keine gemeinsamen leiblichen Kinder haben. Dieser Unterschied ist unbeachtlich, weil das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung Ehegatten unabhängig davon zusteht, ob sie Kinder haben. Zudem gibt es auch Lebenspartnerschaften, zu deren Familie ein Kind gehört (vgl. den Sachverhalt im Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. August 2011, 7 K 65/10 , juris).

Darüber hinaus wendet die Antragstellerin nicht den richtigen Vergleichsmaßstab an. Sie vergleicht die Besteuerung der von ihr als Erwachsene erzielten Einkünfte (rund € x) mit der Besteuerung eines Ehepaars, bei dem beide gemeinsam rund € x, d.h. durchschnittlich pro Erwachsenem jeweils ein Halb von € x erzielt haben, mithin mit einem wesentlich anderem Sachverhalt. Dass bei einem Einkommen pro erwachsenem Mitglied der Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft nur in Höhe der Hälfte des von der Antragstellerin erzielten Einkommens die Einkommensteuer und entsprechend der Grenzsteuersatz niedriger sind, liegt auf der Hand bzw. entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die Kinder der Antragstellerin sind nicht einem Ehegatten oder Lebenspartner gleich zu setzende Mitglieder einer gemeinsam bestehenden Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Die Vorstellung, dass Eltern mit ihren pflege- und erziehungsbedürftigen minderjährigen (überspitzt: wickelbedürftigen Klein-) Kindern gemeinsam partnerschaftlich die Erzielung und Verwendung des Familieneinkommens als Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft bestimmen und gestalten, ist nicht realitätsgerecht.

Die Einwendungen der Antragstellerin, das Ehegattensplitting sei nicht mehr zeitgemäß, trage auch im Vergleich zu Regelungen in anderen Ländern der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht mehr Rechnung, fördere nur die Alleinverdiener-Ehe, dies überwiegend in den alten Bundesländern, bestärke eine Machtasymmetrie und führe zur Diskriminierung von Frauen, sind politische Argumente, deren Berechtigung nicht im Besteuerungsverfahren zu überprüfen ist. Die Antragstellerin übersieht, dass nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht die Gerichte, sondern der Gesetzgeber berufen ist, im politischen Verfahren der Gesetzgebung einer ggf. geänderten gesellschaftlichen Realität entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen bzw. zu ändern (so bereits BVerfG, Urteil vom 3. November 1982 a.a.O., unter C II).

Die Antragstellerin übersieht ferner, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG als auch des BFH „das Ehegatten-Splitting keine beliebig veränderbare Steuer-‚Vergünstigung‘ ist, sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG ) orientierte sachgerechte Besteuerung (z.B. BVerfG-Beschluss vom 28. Juni 1993 1 BvR 132/89 , Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1993, 524; BVerfG-Urteil vom 3. November 1982 …, unter C.I.2. und C.I.4.)” (BFH, Beschluss vom 5. August 2011, III B 158/10 , BFH/NV 2011, 1870 ).

Das Gericht teilt diese Auffassung. Nachdem das BVerfG entschieden hat, dass Betreuungs- und Unterhaltskosten für Kinder unabhängig vom Status der Eltern bei allen Eltern zu berücksichtigen sind (Beschluss vom 10. November 1998, a.a.O.) gewährleistet das Splittingverfahren nicht mehr die Berücksichtigung kindbedingter Belastungen, sondern (nur noch) die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute untereinander, wie sie ihre ehelichen, auch wirtschaftlichen Lebensverhältnisse gestalten wollen und insbesondere wer in welchem Umfang zum Familieneinkommen beiträgt (vgl. BFH, Beschluss vom 17. August 2004 , a.a.O., Beschluss vom 28. Januar 2005, a.a.O., hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss a.a.O.). Bei der Zusammenveranlagung nach § 26 EStG mit der Folge der Ermittlung der Einkommensteuer im Splitting-Verfahren nach § 32a Abs. 5 EStG wird das Einkommen beider Eheleute zusammen gerechnet und dann geteilt. Die auf die Hälfte des gemeinsamen Einkommens entfallende Einkommensteuer wird sodann verdoppelt. Anders als die Antragstellerin (und ein Teil der hierzu ersichtlichen frauen- und steuerpolitischen Literatur) meinen, wird dadurch nicht derjenige Ehegatte mit dem niedrigeren Einkommen (i.d.R. die Frau) diskriminiert. Vielmehr macht es einkommensteuerlich gerade keinen Unterschied, ob einer der Eheleute allein (oder mehr) verdient als der andere, da die Einkommensteuer immer in gleicher Höhe festzusetzen ist, so als ob beide Ehegatten jeweils gleich hohe Einkünfte erzielen würden. Dass Frauen im Durchschnitt in der Regel weniger verdienen als Männer und häufiger Frauen, insbesondere im Fall der Kindererziehung, ganz oder teilweise nicht berufstätig sind, ist nicht Folge des Splittingverfahrens, sondern u.a. durch die wirtschaftlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt und durch die von den Individuen nach ihren persönlichen Verhältnissen aus vielfältigen Gründen getroffenen Entscheidungen bedingt.

Das BVerfG hat im Urteil vom 3. November 1982 entschieden, aus Art. 6 Abs. 1 GG folge „die Pflicht des Staates, die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren …. Die Ehegatten bestimmen in gleichberechtigter Partnerschaft … ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung …. Die Aufgabenverteilung in der Ehe unterliegt der freien Entscheidung der Eheleute …. Das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander wird insoweit verfassungsrechtlich geschützt.” Diese durch Art. 6 Abs.. 1 GG geschützte Entscheidungsfreiheit werde durch das Splitting für Ehegatten ermöglicht. (BVerfG, Urteil vom 3. November 1982 a.a.O., unter C I 4a, m.w.N.).

An der Auffassung, dass das Selbstbestimmungsrecht (von Eheleuten als auch Eltern) nach Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt ist, hält das BVerfG aktuell in seinen Beschlüssen zu Regelungen des Elterngeldes fest: „Art. 6 Abs. 1 GG garantiert … die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren.” (Beschluss vom 20. April 2011, 1 BvR 1811/08, m.w.N., juris). „Demgemäß können Ehepaare nach eigenen Vorstellungen zwischen einer Doppelverdiener- und einer Einverdienerehe wählen und dürfen Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen.” (Beschluss vom 9. November 2011, 1 BvR 1853/11, NJW 2012, 214 , juris). Das BVerfG spricht in diesen zum Elterngeld ergangenen Entscheidungen die zu gewährleistende Gestaltungsfreiheit nicht nur des familiären Zusammenlebens (einschließlich Kindern), sondern auch des ehelichen Zusammenlebens an.

2) Das Gericht hat keine Zweifel an Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen, nach denen die Antragstellerin nicht zusammen mit ihren Kindern im Wege eines Familiensplitting zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.

Anders als die Antragstellerin meint, ist eine Besteuerung im Wege eines Familiensplitting nicht durch das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verfassungsrechtlich geboten. Steuerlich freizustellen ist (nur) das Existenzminimum. „Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen …. Die somit von verfassungswegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen …. In einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis hierzu steht die Befugnis des Gesetzgebers, bei der Ordnung der steuerrechtlichen Massenverfahren die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen und auf dieser Grundlage typisierende Regelungen zu treffen …. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei allerdings Sorge zu tragen, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken” (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008, 2 BvL 1/06 , BVerfGE 120, 125 m.w.N.).

Bei der Besteuerung einer Familie gilt „das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Staat das Einkommen dem Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei belassen muss, als es Mindestvoraussetzung eines menschenwürdigen Daseins ist … unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG – für das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder …. Bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit muss der Staat daher den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem dieses zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich ist.” (BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 , a.a.O., m.w.N.). Zum Existenzminimum eines Kindes gehören auch der Betreuungsbedarf (BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 a.a.O.) und Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008 , a.a.O.).

Der Gesetzgeber hat sich nicht für ein Familiensplitting, sondern dafür entschieden, einkommensteuerlich das sächliche Existenzminimum sowie den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf eines Kindes durch den Abzug der in § 32 Abs. 6 EStG geregelten Freibeträge (soweit nicht das Kindergeld günstiger ist, § 31 EStG ) steuerfrei zu stellen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bei der Einkommensbesteuerung (nur) dass Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie freizustellen. Das darüber hinausgehende Einkommen darf der Besteuerung unterworfen werden (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 , a.a.O.). Das Kinderexistenzminimum muss in jedem Fall vor dem steuerlichen Zugriff verschont werden, „mehr gebietet das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG ) nicht” (BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2010, 2 BvR 2122/09 , NJW 2010, 3564 , juris). Der Gesetzgeber ist mithin nicht verpflichtet, über die steuerliche Freistellung des Existenzminimums hinaus sämtliche kindbedingten Aufwendungen bzw. zivilrechtlichen Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern in voller Höhe zu berücksichtigen oder gar die durch die kindbedingte verringerte Möglichkeit zur Einkommenserzielung entstehenden finanziellen Nachteile auszugleichen (so aber zur Ausgleichspflicht sog. „Negativeinkünfte” Prof. Dr. Leisner-Egensperger, „Kindergerechte Familienbesteuerung, Plädoyer für ein demographiegünstiges und sozial gerechtes Familiensplitting”, FR 2010, 865, anders BFH, Urteil vom 13. August 2002, VIII R 80/97 , BFH/NV 2002, 1456 , hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 4. August 2003, 2 BvR 1537/02, juris, BFH, Beschluss vom 17. August 2004 , a.a.O., BFH, Urteil vom 17. Juni 2010, III R 35/09 , BFHE 230, 523 BStBl 2011, 176, BFH, Beschluss vom 8. Juni 2011, X B 176/10 BFH/NV 2011, 1679 , jeweils m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, in systematisch unterschiedlicher Weise die Freiheit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgestaltung einerseits durch die Möglichkeit der Zusammenveranlagung mit Splitting-Verfahren zu gewährleisten und das Existenzminimum der Kinder des Steuerpflichtigen andererseits durch die Gewährung von Kindergeld bzw. den Abzug von Kinderfreibeträgen und nicht im Wege eines Familiensplitting zu berücksichtigen. Dies kann dazu führen, dass ein alleinerziehendes, d.h. einzeln zur Einkommensteuer zu veranlagendes Elternteil mit Kindern – im Streitfall eine Familie mit drei Personen – im Vergleich zu einem zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehepaar ohne oder mit einem Kind, bei dem beide Eheleute gemeinsam Einkünfte in derselben Höhe wie das alleinerziehende Elternteil erzielen, eine höhere Einkommensteuer (mit entsprechend höherem Grenzsteuersatz und der Notwendigkeit zur Erzielung höherer Einkünfte, um über den gleichen Betrag nach Steuern verfügen zu können) zu zahlen hat, wie von der Antragstellerin in ihren Berechnungen dargelegt. Der Gesetzgeber hat trotz der im Hinblick auf das Generationenproblem gesellschaftlich erwünschten höheren Kinderzahl die systematisch unterschiedliche Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse und der Lebensverhältnisse von Eltern (-teilen) mit Kindern nicht geändert.

Insoweit sind nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht die Gerichte, sondern ist der Gesetzgeber unter Wahrung der ihm durch die Verfassung vorgegebenen Parameter nach seiner politischen Überzeugung berufen, die derzeitige gesetzliche Systematik der Berücksichtigung der kindbedingten Aufwendungen beizubehalten, ggf. steuerlich oder anderweitig Familien mit Kindern mehr zu fördern oder ggf. geänderte gesetzliche Regelungen z.B. zur Einführung eines Familiensplitting zu schaffen.

3) Die Antragstellerin macht geltend, nach dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 sei es verfassungswidrig, dass der Freibetrag für Kinder niedriger als der Grundfreibetrag für Erwachsene sei. Damit macht sie konkludent geltend, Kinder hätten einen genauso hohen Bedarf wie ein Erwachsener. Dass dies so ist, hat die Antragstellerin weder im Einzelnen substantiiert dargelegt noch belegt. Weder das Sozial- noch das Unterhaltsrecht gehen davon aus, dass Erwachsene und Kinder der Höhe nach den gleichen existenznotwendigen Unterhaltsbedarf hätten. Die Regelungen im SGB II (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II ) bzw. zur Grundsicherung im SGB XII (Regelbedarfssätze gemäß der Anlage zu § 28 SGB XII , für das Streitjahr Regelbedarfsverordnungen auf der Grundlage des § 28 SGB XII ) gehen ebenso wie die familienrechtlich normierten Unterhaltspflichten (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB , 71. Aufl. 2012, Rdz. 19 Einführung vor § 1601 BGB , Düsseldorfer Tabelle) von einem höheren existenznotwendigen Unterhaltsbedarf eines Erwachsenen gegenüber einem Minderjährigen aus. Anders als die Antragstellerin meint, hat auch das BVerfG in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 nicht entschieden, dass Kinder einen gleich hohen Bedarf wie Erwachsene hätten. Das BVerfG hat im Gegenteil entschieden, dass Kinder „einen besonderen kinder- und altersspezifischen Bedarf” haben; „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen” (Orientierungssatz 4e.bb, II 6.1a der Entscheidung, Pressemitteilung des BVerfG vom 9. Februar 2010 , II.6). Die Methode des Gesetzgebers, den Bedarf eines Kindes pauschal an dem Bedarf eines Erwachsenen angelehnt festzulegen, sei nicht geeignet, den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln.

Das Gericht hat deshalb keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides und der zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen, soweit die für das sächliche Existenzminimum einschließlich des Betreuungs- und Ausbildungsbedarfs für die Kinder der Antragstellerin abgezogenen Beträge nicht entsprechend dem für die Antragstellerin abgezogenen Grundfreibetrag gemäß § 32a EStG mit jeweils € 7.664 abgezogen worden sind.

4) Das Gericht hat bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel daran, dass die kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin durch die im Bescheid angesetzten Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von jeweils € 5.808 ausreichend berücksichtigt ist. Die Bemessung des einkommensteuerlich freizustellenden Existenzminimums, d.h. die Höhe der Freibeträge, orientiert sich an dem im Sozialhilferecht anerkannten Mindestbedarf einschließlich des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs und ist für das Streitjahr unter Umrechnung des Bedarfs entsprechend den sozialrechtlichen Regelungen mit € 5.808 angesetzt worden (Sechster Existenzminimumbericht für das Jahr 2008, Bundestagsdrucksache 16/3265). Die Methode der Ermittlung des sozialrechtlich zu gewährleistenden kindbedingten existenznotwendigen Bedarfs ist, wie das BVerfG mit Urteil vom 9. Februar 2010 entschieden hat, nicht verfassungsgemäß. Da die Höhe der gemäß § 32 Abs. 6 EStG abzuziehenden Beträge aus der Höhe des sozialrechtlichen Bedarfs abgeleitet ist, wirkt sich die Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmethode auch auf die Ermittlung der einkommensteuerlich abzuziehenden Beträge aus.

Hieraus folgt jedoch nicht zwingend, dass die gemäß § 32 Abs. 6 EStG abgezogenen Beträge von jeweils € 5.808 nicht dem existenznotwendigen Bedarf entsprechen bzw. zu niedrig sind. Dass der existenznotwendige Bedarf eines Kindes höher ist, hat die Antragstellerin nicht im Einzelnen substantiiert dargelegt und belegt. Des Weiteren können nach dem EStG zusätzlich zu der Umrechnung des sozialrechtlich angesetzten Bedarfs in einkommensteuerliche Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG weitere kindbedingte Aufwendungen abzogen werden, insbesondere für Kinderbetreuungskosten (im Streitjahr bis zur Höhe von € 4.000 je Kind bis zum 14. Lebensjahr als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG bzw. wie Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten gemäß § 4f bzw. § 9 Abs. 5 EStG ); dies ist bei einem Vergleich der Höhe des sozialrechtlich festgelegten Bedarfs mit den einkommensteuerlichen Regelungen zu berücksichtigen. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 entschieden, dass die (den Freibeträgen gemäß § 32 Abs. 6 EStG zugrunde gelegten) sozialhilferechtlich als Bedarf eines Kindes angesetzten Beträge nicht „evident unzureichend” sind (Orientierungssatz 4b.aa. und bb., II.2 der Entscheidung, Pressemitteilung des BVerfG vom 9. Februar 2010 , II.2). Weil in der Rechtsprechung des BVerfG bislang nicht geklärt worden war, nach welchen verfassungsrechtlichen Maßstäben im Einzelnen sich die Bemessung der existenznotwendigen Sozialleistungen richtet, hat das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2010 gesetzt, um ihm die Schaffung einer Neuregelung zu ermöglichen. Eine rückwirkende Verpflichtung zur Neuregelung hat das BVerfG dem Gesetzgeber aus diesem Grund nicht auferlegt (Orientierungssatz 4h.aa, D I.1 bis 5 der Entscheidung).

Da die Höhe der gemäß § 32 Abs. 6 EStG abzuziehenden Beträge aus der Höhe des sozialrechtlichen Bedarfs abgeleitet ist, wirkt sich die nach Auffassung des BVerfG nicht „evident unzureichende” Bemessung des existenznotwendigen Bedarfs eines Kindes auch auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der Höhe der einkommensteuerlich abzuziehenden Beträge als nicht evident unzureichend aus. Das Gericht hat deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bezüglich der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG . Darüber hinaus hat das FA die Einkommensteuer u.a. hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 AO vorläufig festgesetzt; die Rechte der Antragstellerin insoweit sind dadurch gewahrt.

5) Das Vorstehende gilt auch für die Höhe des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG in Höhe von € 1.308. Das Gericht hat bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel daran, dass die durch die Alleinerziehung bedingte Minderung der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin durch diesen Freibetrag ausreichend berücksichtigt ist. Dass der durch die Alleinerziehung bedingte Bedarf höher ist, hat die Antragstellerin nicht im Einzelnen substantiiert dargelegt und belegt. Kinderbetreuungskosten hat sie nicht geltend gemacht. Die von Antragstellerin vorgetragene Notwendigkeit, in erhöhtem Umfang Fremdleistungen z.B. bei Verpflegung und Nachhilfe in Anspruch nehmen zu müssen, kann auch bei zusammenlebenden Eltern bestehen, z.B. wenn diese aufgrund niedriger Einkunftserzielungsmöglichkeiten beide berufstätig sein müssen. Dass aufgrund der für Kinder erforderlichen Zeit weniger Zeit für die Einkommenserzielung zur Verfügung steht, wirkt sich bereits dadurch aus, dass das in der nicht zur Verfügung stehenden Zeit nicht erzielte Einkommen nicht besteuert wird. Auch der vorgetragenen höheren Personalkostenquote würde bereits dadurch steuerlich Rechnung getragen, dass die Antragstellerin die Personalkosten als Betriebsausgaben abziehen kann. Die Höhe des Freibetrages gemäß § 24b EStG entspricht in etwa einem einkommensteuerlich umgerechneten Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II , wobei die Regelungen wegen der einkommensteuerlich unabhängig, nach § 21 Abs. 3 SGB II jedoch abhängig von Alter und Zahl der Kinder bestimmten Beträge nicht direkt vergleichbar sind. Zudem können einkommensteuerlich zusätzlich Kinderbetreuungskosten abgezogen werden. Das Gericht hat deshalb keine eine Aufhebung der Vollziehung rechtfertigenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bezüglich der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe des Freibetrages des § 24b EStG .

6) Bezüglich der von der Antragstellerin als verfassungswidrig gerügten unzureichenden Berücksichtigung der Sonderausgaben bzw. zum (Nicht-) Abzug der einkommensteuerlich zu verschonenden existenznotwendigen Versicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen für ihre unterhaltsberechtigten Kinder hat das BVerfG mit Urteil vom 13. Februar 2008 (a.a.O.) entschieden, dass die für das Streitjahr geltenden Regelungen in § 10 EStG nicht verfassungsgemäß sind. Es hat jedoch eine Fortgeltung der angegriffenen Vorschriften bis zum 31. Dezember 2009 angeordnet und damit dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist für eine verfassungsgemäße Neuregelung eingeräumt. Für das Streitjahr hat das Gericht deshalb keine Zweifel daran, dass die gesetzlichen Regelungen des § 10 EStG zum Sonderausgabenabzug für Eltern bzw. Alleinerziehende mit Kindern zu Recht der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegt worden sind.

7) Dass die Besteuerung den von der Antragstellerin erwähnten nach Art. 6 Abs. 4 GG geschützten Anspruch der Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft verletzt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8) Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO (entsprechend § 361 Abs. 2 Satz 4 AO ) sind bei Steuerbescheiden die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Aus den Bescheiden des FA vom … bzw. … ergab sich eine (geringe) Einkommensteuer-Nachzahlung in Höhe von € …. Die Antragstellerin möchte über die Höhe der Nachzahlung hinaus im Vorgriff auf eine von ihr für erforderlich gehaltene gesetzliche Neuregelung – die Einführung eines Familiensplittings bzw. die Anwendung der Splittingtabelle auf ihr zu versteuerndes Einkommen bzw. die Berücksichtigung höherer als der gesetzlichen Frei- bzw. Zusatzbeträge – eine Aufhebung der Vollziehung erreichen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Nach § 361 Abs. 2 Satz 4 AO , § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO sind die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich auf die Differenz zwischen der festgesetzten Jahressteuer und den anzurechnenden Abzugsbeträgen, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und den festgesetzten Vorauszahlungen beschränkt. Nach dem Zweck der Vorschrift soll eine vorläufige Erstattung von Vorauszahlungen ausgeschlossen werden (vgl. Koch in Gräber, Kommentar zur FGO , 7. Aufl. 2010, Rdz. 46 zu § 69 FGO ). Nach der Rechtsprechung des BFH sind im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 FGO „wesentliche Nachteile i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO … nur gegeben, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich bedroht sein würde” (vgl. Beschluss vom 22. November 2001, V B 100/01, BFH/NV 2002, 519 , ebenso BFH, Beschluss vom 26. Januar 2010, VI B 115/09 , BFH/NV 2010, 935 m.w.N.), nicht jedoch, wenn es sich lediglich um Nachteile handelt, die typischerweise mit der Pflicht zur Steuerzahlung verbunden sind (vgl. Koch in Gräber a.a.O., Rdz. 47 zu § 69 FGO mit weiteren Nachweisen). Dass § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO (entsprechend § 361 Abs. 2 Satz 4 AO ) verfassungswidrig seien, hat die Antragstellerin weder vorgetragen, noch ist dies ersichtlich (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Januar 2010 a.a.O. m.w.N., BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 30. Januar 2002 1 BvR 66/02 zum Beschluss des BFH vom 22. November 2001 , juris).

9) Die Aufhebung der Vollziehung ist auch nicht deshalb geboten, weil die erfolgte Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie die Antragstellerin substantiiert vorgetragen.

10) Das Gericht legt im Kosteninteresse der Antragstellerin den Antrag dahingehend aus, dass sie die Aufhebung der Vollziehung nur bezüglich der Einkommensteuer beantragt und nur nachrichtlich mitgeteilt hat, dass entsprechend der Solidaritätszuschlag ausgesetzt werden möge. Ein auch bezüglich des Solidaritätszuschlages gestellter Antrag wäre unzulässig. Eigenständige Einwendungen gegen dessen Festsetzung hat die Antragstellerin nicht erhoben. Sie begehrt dessen Aufhebung der Vollziehung als Folgewirkung aufgrund der begehrten Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuer, die hierfür die Grundlage bildet (§ 233 a Abs. 5 AO , § 1 Abs. 5 Satz 2 SolzG). Ein insoweit gestellter Antrag wäre unzulässig (vgl. Koch in Gräber, Kommentar zur FGO , 7. Aufl. 2010. Rdz. 55 zu § 69 FGO , Stichwort Folgebescheide).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Das Gericht lässt gemäß § 128 Abs. 3 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO die Beschwerde zu.

BFH zum Abzug von Kinderbetreuungskosten bei Schwangerschaft der Mutter

“Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 5. Juli 2012 III R 80/09 entschieden, dass die Kosten einer Tagesmutter nicht steuerlich geltend gemacht werden können, wenn ein Elternteil erwerbstätig und der andere Elternteil schwanger ist. Denn eine Schwangerschaft als solche stellt keine Krankheit im Sinne des Gesetzes dar.

Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt berufstätig. Die Klägerin befand sich zunächst in der Berufsausbildung, die sie allerdings nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 2004 unterbrach und die sie auch im Laufe des Streitjahres 2006 nicht wieder aufnahm. Im August dieses Jahres wurden die Kläger erneut Eltern. Das ältere Kind wurde u.a. in der Zeit der Schwangerschaft von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten hierfür machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung geltend.

Im Streitjahr 2006 konnten derartige Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) nur bei Vorliegen besonderer persönlicher Abzugsvoraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Lebten beide Elternteile zusammen, dann musste, wenn einer der Elternteile, wie der Kläger, erwerbstätig war, der andere Teil entweder ebenfalls erwerbstätig sein oder sich in Ausbildung befinden. Auch bei einer mindestens drei Monate andauernden Erkrankung oder einer Behinderung dieses Elternteils war der Abzug der Betreuungskosten zulässig. Lagen solche Gründe nicht vor, etwa weil sich ein Elternteil allein der Erziehung der Kinder widmete (sog. Alleinverdienerehe), dann waren Betreuungskosten – von einer Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abgesehen – nicht abziehbar.

Der BFH sah die persönlichen Abzugsvoraussetzungen in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Finanzgerichts nicht als erfüllt an. Seines Erachtens befand sich die Klägerin weder in Ausbildung, da sie diese bereits nach der Geburt des ersten Kindes unterbrochen hatte, noch war sie längerfristig erkrankt. Die Schwangerschaft konnte nicht als Krankheit gewertet werden, weil es sich hierbei nicht um einen regelwidrigen körperlichen Zustand handelt. Krank ist eine Frau nicht, wenn sie schwanger wird, sondern nur dann, wenn sie nicht schwanger werden kann (Empfängnisunfähigkeit). Treten während der Schwangerschaft gesundheitliche Komplikationen auf, dann ist der Krankheitsbegriff jedoch regelmäßig erfüllt. Davon konnte im Streitfall nach den Feststellungen des FG indes nicht ausgegangen werden. Da die Klägerin somit weder aus gesundheitlichen noch aus sonstigen (Erwerbstätigkeit u.ä.) Gründen an der persönlichen Betreuung ihres ältesten Kindes gehindert war, konnten die Kosten der Tagesmutter nach der gesetzlichen Konzeption nicht abgezogen werden.

Die von den Klägern geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Abzugsvoraussetzungen teilte der BFH nicht. Er erachtete sowohl die persönlichen Abzugsvoraussetzungen als auch die Abzugshöchstgrenzen als zulässige Typisierungen des Gesetzgebers. Auch in der Regelung des § 3 Nr. 33 EStG, wonach finanzielle Leistungen des Arbeitgebers zur Betreuung von Kindern seiner Arbeitnehmer steuerfrei sind, vermochte er keine ungerechtfertigte Privilegierung von Arbeitnehmern gegenüber Selbständigen zu erblicken.

In seinem Urteil ging der BFH schließlich kurz auf die aktuelle Rechtslage ein. Seit 2012 können Kinderbetreuungskosten abgezogen werden, ohne dass persönliche Abzugsvoraussetzungen bei den Eltern vorliegen müssen.”

Presseerklärung Nr. 68 des Bundesfinanzhofs (BFH) SEO Titel generieren

BFH-Urteil vom 05.07.2012 – III R 80/09

 

Verfassungsmäßigkeit des Abzugs von Kinderbetreuungskosten

Leitsatz

1. Es ist verfassungsgemäß, den Abzug von Kinderbetreuungskosten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvoraussetzungen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerfristige Erkrankung u.ä.) abhängig zu machen. Bei der Auswahl der maßgeblichen Gründe kommt dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu, den er mit §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091 ) noch nicht überschritten hat.

2. Die in diesen Vorschriften enthaltene Beschränkung des Abzugs erwerbsbedingter und privater Kinderbetreuungskosten auf zwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag von 4.000 € je Kind verstößt nicht gegen das Grundgesetz .

3. Eine Schwangerschaft stellt als solche keine Krankheit dar und berechtigt daher nicht zum Abzug privater Kinderbetreuungskosten.

4. Die Beschränkung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStG auf Arbeitnehmer verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG .

 Gesetze

EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 3 Nr. 33
EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 4f
EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 9 Abs. 5 Satz 1
EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 10 Abs. 1 Nr. 8
EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 § 32 Abs. 6

 Instanzenzug

FG Hamburg vom 23. Oktober 2009 6 K 123/09 BFH III R 80/09

BVerfG 20.02.2013 – 2 BvR 2454/12

 Gründe

I.

1  Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatten im Streitjahr 2006 zwei leibliche Kinder, nämlich die 2004 geborene T und die im August des Streitjahres (2006) geborene F.

2  Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt berufstätig. Die Klägerin befand sich bis zur Geburt von T in der Ausbildung zur Erzieherin. Die sodann unterbrochene Ausbildung konnte von ihr auch im Laufe des Streitjahres nicht wieder aufgenommen werden. Für die Betreuung ihrer Tochter T bei einer Tagesmutter hatten die Kläger 2.063,79 € zu zahlen.

3  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) versagte die steuerliche Berücksichtigung dieser Aufwendungen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

4  In ihrer Revision legen die Kläger zunächst ausführlich ihre persönliche und berufliche Lebenssituation im Streit- und in den Folgejahren dar. Sie rügen die Verletzung von Bundesrecht, weil das Finanzgericht (FG) eine verfassungskonforme Interpretation der gesetzlichen Regelungen zur Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nrn. 5 und 8, 35a des Einkommensteuergesetzes —EStG —) unterlassen habe. Die im Streitfall anzuwendenden Vorschriften bzw. deren Umsetzung liefen auf eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund hinaus und diskriminierten bestimmte Lebensmodelle heutiger Familien. Sie würden schon deshalb in ihren Grundrechten verletzt, weil ein Arbeitnehmer über die Vorschrift des § 3 Nr. 33 EStG unabhängig von sozialer Situation, Leistungsfähigkeit und Berufstätigkeit des Partners Kinderbetreuungskosten im Vorschulalter der Kinder jedenfalls dann unbegrenzt steuerlich freigestellt erhielte, wenn er lediglich den Zahlungsweg über den Arbeitgeber wähle. Ein sachlicher Grund, warum ein Arbeitnehmer die Kinderbetreuung unbegrenzt steuerfrei erhalten könne, ein Selbständiger jedoch nicht, sei nicht erkennbar. Darin liege zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 des Grundgesetzes (GG) . Darüber hinaus würden die gesetzlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten in Teilbereichen, aber auch in ihrer Gesamtheit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellt habe, nicht gerecht werden. Die Gesamtregelung sei schlicht willkürlich. Das zeige schon die wahllose Verteilung der Abzugsmöglichkeiten auf eine Vielzahl verschiedener Tatbestände. Dass die Abziehbarkeit auf zwei Drittel der Aufwendungen und eine Höchstgrenze beschränkt werden könne, sei den Ausführungen des BVerfG an keiner Stelle zu entnehmen. Dieses habe vielmehr schon die Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung als verfassungswidrig angesehen (BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005 2 BvL 7/00 , BVerfGE 112, 268 , BGBl I 2005, 1622 ). Die danach gebotene volle Abziehbarkeit der Kosten könne auch nicht durch das Vorhandensein anderer Freibeträge (§ 32 EStG ) gerechtfertigt werden. Soweit der Gesetzgeber für sich in Anspruch nehme, die Kinderbetreuung pauschal und nicht nach den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen, dürfe dies nicht willkürlich erfolgen. Es müssten dann die üblichen Kosten angesetzt werden, die jedenfalls an ihrem Wohnort Hamburg nicht unter 4.560 € im Jahr anzusetzen seien. Auch in der Festlegung der einzelnen Abzugsvoraussetzungen handele der Gesetzgeber willkürlich und halte sich nicht an die Vorgaben des BVerfG. So komme es z.B. in § 4f EStG auf die Frage der Erwerbstätigkeit an, obgleich es hierauf nicht ankommen dürfe. Es sei nicht erkennbar, warum nach den Verwaltungserlassen jede Erwerbstätigkeit, selbst eine geringfügige, ausreiche, auf der anderen Seite aber selbst eine vollzeitige Ausbildung nicht genüge. Der numerus clausus von sozialen Gründen, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG den Sonderausgabenabzug ermöglichten, sei sachlich nicht begründet. Kinderbetreuungskosten seien danach zwar abziehbar, wenn sie, die Klägerin, sich in Ausbildung befinde, nicht aber, wenn der Kinderbetreuungsplatz schlicht gehalten werden müsse, um die Ausbildung künftig überhaupt fortsetzen zu können. Betreuungskosten seien abziehbar, wenn sie (Klägerin) krank sei, sie seien nicht abziehbar, wenn sie schon Kinder habe, sich nach Schwangerschaft, Geburt und in der Stillzeit schonen müsse und deswegen auf eine Fremdbetreuung angewiesen sei. Der Hinweis des FG, Schwangerschaft sei keine Krankheit, sei zynisch. Auslegungsspielräume beim Merkmal der Krankheit würden von Rechtsprechung und Finanzverwaltung nicht genutzt. So seien die lebensbedrohlichen Umstände bei der Geburt von F nicht berücksichtigt worden. Andere Differenzierungsmöglichkeiten für den Sonderausgabenabzug würden dagegen vom Gesetzgeber nicht gewählt. So spiele z.B. die Anzahl der bereits vorhandenen Kinder und der damit einhergehende Betreuungsaufwand ebenso wenig eine Rolle wie die gesundheitliche und physische Leistungsfähigkeit der Mutter. Nach der Wertung des Art. 6 GG müsse es auch anerkannt werden, wenn Eltern die Fremdbetreuung „lediglich” aus pädagogischen Gründen für sinnvoll hielten. Maßstab für die Abzugsfähigkeit sei die freie Entscheidung der Eltern. Allein der Familie obliege die Bestimmung des Kindeswohls und die Entscheidung über die Kinderbetreuung. Eine Familie würde Kinderbetreuungskosten grundsätzlich nur dann veranlassen, wenn sie es für notwendig erachte. Die Tatsache des Geldeinsatzes indiziere unwiderleglich die Notwendigkeit der Kosten zur Sicherung der familiären Existenz. Dies alles zeige, dass Kinderbetreuungskosten in voller Höhe und unabhängig von bestimmten Gründen steuerlich anerkannt werden müssten, wie es bei Arbeitnehmern über § 3 Nr. 33 EStG geschehe. Bezogen auf ihre konkrete Lebenssituation sei festzustellen, dass das von ihnen gewählte Lebensmodell steuerlich und auch in anderen Rechtsbereichen, z.B. beim Elterngeld, diskriminiert werde.

5  Die Kläger beantragen, den Gerichtsbescheid des FG Hamburg vom 23. Oktober 2009 6 K 123/09 sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 8. Mai 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 so zu ändern, dass die Kinderbetreuungskosten vollständig zum Abzug zugelassen werden.

6  Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

7  Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung lässt den Abzug der bei den Klägern angefallenen Kinderbetreuungskosten nicht zu. Das Verfassungsrecht gebietet einen solchen Abzug nicht. Deshalb kommt weder eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage der Sache an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht noch besteht Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung.

8  1. Im Streitfall ist kein im Veranlagungszeitraum 2006 geltender Tatbestand des EStG , der den Abzug von Kinderbetreuungskosten ermöglicht, erfüllt.

9  a) § 4f EStG , der den Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten im Bereich der Gewinneinkunftsarten regelt, ist unanwendbar, weil die zusammenlebenden Kläger nicht beiderseits erwerbstätig waren (§ 4f Satz 2 EStG ).

10  b) § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist nicht einschlägig, weil die Kinder der Kläger im Streitjahr nicht zwischen drei und sechs Jahre alt waren.

11  c) Auch der Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG scheidet aus, weil die auf den Steuerpflichtigen bezogenen Abzugsvoraussetzungen nicht vorliegen.

12  aa) Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines haushaltszugehörigen Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, können dann abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige sich in Ausbildung befindet, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 EStG ). Erwachsen die Aufwendungen wegen Krankheit des Steuerpflichtigen, muss die Krankheit innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten bestanden haben, es sei denn, der Krankheitsfall tritt unmittelbar im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit oder eine Ausbildung ein (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 EStG ). Bei zusammenlebenden Eltern ist der Abzug nur zulässig, wenn bei beiden Elternteilen die Voraussetzungen nach Satz 1 vorliegen oder ein Elternteil erwerbstätig ist und der andere Elternteil sich in Ausbildung befindet, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 EStG ).

13  bb) Die persönlichen Abzugsvoraussetzungen lagen nur beim erwerbstätigen Kläger, nicht aber bei der Klägerin vor.

14  (1) Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin sich nicht —mehr— in Ausbildung befand, als sie diese nach der Geburt der ältesten Tochter unterbrach. Schon der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 EStG stellt mit der Formulierung „sich in Ausbildung befindet” nicht auf ein formales Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses ab, sondern darauf, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Es tritt grundsätzlich dann eine Unterbrechung der Ausbildung ein, sobald es an Maßnahmen fehlt, die geeignet sind, dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen im Hinblick auf die Ausübung des angestrebten Berufs zu dienen. Nach der zum Berufsausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ergangenen Senatsrechtsprechung befindet sich daher eine Person nicht in einer Ausbildung, wenn sie diese unterbricht, um ein eigenes Kind zu betreuen (Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH—vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106 , BStBl II 2003, 848; vom 24. September 2009 III R 79/06, BFH/NV 2010, 614 ). Gesichtspunkte für eine abweichende Beurteilung im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr entspricht es dem Zweck dieser Vorschrift, den Abzug der Kinderbetreuungskosten nur in solchen Fällen zuzulassen, in denen die Eltern wegen Erwerbstätigkeit, tatsächlich durchgeführter Ausbildung, längerer Erkrankung oder Behinderung an der persönlichen Betreuung ihres Kindes gehindert sind.

15  (2) Der Senat pflichtet dem FG auch darin bei, dass eine Schwangerschaft als solche keine Krankheit darstellt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. Februar 1975 3 RK 68/73 , BSGE 39, 167; Schütze in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 24b Rz 16, zur Rechtslage im Sozialversicherungsrecht; a.A. Steiner in Lademann, EStG , § 9c Rz 38). Denn der Begriff der Krankheit setzt einen anormalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand voraus, der den Betroffenen „in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen” derart beeinträchtigt, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05 , BFHE 218, 141 , BStBl II 2007, 871). Anormal ist der körperliche Zustand einer Frau nicht, wenn sie schwanger wird, sondern dann, wenn sie nicht schwanger werden kann (zur Empfängnisunfähigkeit als Krankheit vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 141 , BStBl II 2007, 871). Krank i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG ist eine Schwangere demnach nur in solchen Fällen, in denen während der Schwangerschaft länger als drei Monate andauernde gesundheitliche Komplikationen auftreten (schwangerschaftsbedingte Erkrankung, z.B. wochenlanger Krankenhausaufenthalt oder medizinisch indizierte Schonung zur Vermeidung einer Frühgeburt).

16  Dass die Klägerin, abgesehen von der Schwangerschaft, im Sinne des Gesetzestatbestands mehrmonatig krank gewesen ist, hat das FG als Tatsacheninstanz nicht festgestellt. Verfahrensrügen, etwa einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO oder gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO , haben die Kläger nicht erhoben. Ihr Revisionsvorbringen, wonach sich an die unter lebensbedrohlichen Umständen erfolgte Geburt von F eine mehrwöchige Erkrankung der Klägerin anschloss, kann daher nicht berücksichtigt werden.

17  d) Eine Steuerermäßigung gemäß § 35a EStG scheidet aus, weil die Dienstleistungen der Tagesmutter nicht im Haushalt der Kläger erbracht wurden (Schmidt/Krüger, EStG , 31. Aufl., § 35a Rz 4 f.).

18  2. Die im EStG vorgesehenen Einschränkungen für den Abzug von Kinderbetreuungskosten verstoßen nicht gegen Grundrechte der Kläger.

19  a) Das GG gebietet die einkommensteuerliche Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs eines Kindes nach folgenden Maßstäben:

20  aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteht der Betreuungsbedarf eines Kindes als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums unabhängig von Krankheit, Behinderung oder Erwerbstätigkeit der Eltern. Die auf diesem Bedarf beruhende Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit muss deswegen bei allen Eltern berücksichtigt werden, ohne dass danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird (BVerfG-Beschluss vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 23. November 1999 2 BvR 1455/98 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2000, 219 ).

21  Im Hinblick auf erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten hat das BVerfG nach Auffassung des Senats seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass das Gebot der horizontalen Steuergleichheit sowie das Benachteiligungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 GG es zumindest gebieten, die durch solche Kosten entstandene tatsächliche Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Denn Kinderlose mit gleichem Einkommen haben eine solche Einbuße an finanzieller Leistungsfähigkeit nicht. Bei der Umsetzung dieser Mindestanforderung steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, ob er solche Aufwendungen wegen ihrer Veranlassung durch die Erwerbstätigkeit den Werbungskosten und Betriebsausgaben zuordnet oder durch eine spezielle Norm, wie z.B. § 33c EStG 1997 , als außergewöhnliche Belastungen fingiert und damit die private (Mit-)Veranlassung —die elterliche Entscheidung für Kinder, die eine Betreuung erst erforderlich macht— systematisch in den Vordergrund stellt.

22  Der Gesetzgeber hat in jedem Fall aber zu beachten, dass Art. 6 Abs. 1 GG die elterliche Entscheidung für Kinder unter besonderen Schutz stellt und verbietet, erwerbstätigen Eltern bei der Einkommensbesteuerung die „Vermeidbarkeit” ihrer Kinder entgegenzuhalten. Erwerbsbedingt notwendige Kinderbetreuungskosten müssen daher zumindest als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein. Der Gesetzgeber ist allerdings berechtigt, mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festzulegen und damit zu bestimmen, wieweit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig sind (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268 , BGBl I 2005, 1622 ).

23  Bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltskosten, zu denen auch Aufwendungen für die Kinderbetreuung rechnen, ist schließlich die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Diese Befugnis erlaubt es ihm, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268 , BGBl I 2005, 1622 , m.w.N.).

24  bb) Ergänzend zur Rechtsprechung des BVerfG zur Berücksichtigung erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten ist es verfassungsrechtlich nach Auffassung des Senats auch geboten, Kinderbetreuungskosten, die aus anderen Gründen als der Erwerbstätigkeit eines alleinstehenden Elternteils oder der beiderseitigen Erwerbstätigkeit der zusammenlebenden Eltern notwendig sind, als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe zum Abzug zuzulassen. Denn auch alleinstehenden kranken oder behinderten Eltern oder zusammenlebenden Eltern, die wegen Erwerbstätigkeit des einen Elternteils und Behinderung, längerer Erkrankung oder Ausbildung des anderen Elternteils den Betreuungsbedarf ihrer Kinder nicht selbst abdecken können, erwachsen beim Fehlen kostenfreier Betreuungsmöglichkeiten (z.B. bei den Großeltern) zwangsläufige Aufwendungen für die Betreuung, die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit im Vergleich zu kinderlosen Steuerpflichtigen mindern. Daher sind neben erwerbsbedingten Betreuungskosten unter bestimmten Voraussetzungen auch zwangsläufige „private” Betreuungskosten in realitätsgerechter Höhe zum Abzug zuzulassen (gleicher Auffassung z.B. Schön, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1999, 1677; Tiedchen, Betriebs-Berater 1999, 1681; Krömker in Herrmann/ Heuer/Raupach —HHR—, Stand September 2010, § 9c EStG Rz 3; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u.a., BVerfGE 61, 319 ).

25  b) Die gesetzlichen Vorschriften zur Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs genügten im Streitjahr 2006 den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen.

26  aa) Dem Betreuungsbedarf von F und T wurde durch den Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung —BEA-Freibetrag— gemäß § 32 Abs. 6 EStG Rechnung getragen. Mit dem BEA-Freibetrag werden auch Fremdbetreuungskosten abgegolten (BFH-Urteile vom 29. Mai 2008 III R 108/07 , BFH/NV 2008, 1822 ; vom 23. April 2009 VI R 60/06, BFHE 225, 28 , BStBl II 2010, 267; BVerfG-Beschluss vom 20. Oktober 2010 2 BvR 2064/08 , HFR 2011, 208 ). Die von den Klägern im Streitjahr aufgewandten Beträge für die Tagesmutter blieben steuerlich demnach nicht unberücksichtigt.

27  bb) Soweit die mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091 ) eingeführten Tatbestände der §§ 4f , 9 Abs. 5 Satz 1 EStG (erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten) und § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG („private” Kinderbetreuungskosten) den Abzug auf zwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag beschränken, werden dadurch —entgegen der Meinung der Revision— Grundrechte von Steuerpflichtigen mit unterhaltsberechtigten Kindern nicht verletzt. Ein Abzug der Kosten in der tatsächlich angefallenen Höhe ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 9. Februar 2012 III R 67/09 (zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, DStR 2012, 1220).

28  cc) Auch die in §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG enthaltenen Beschränkungen des Abzugs dem Grunde nach —und damit der Ausschluss der Kläger von den über den BEA-Freibetrag hinausgehenden Entlastungen— sind verfassungsrechtlich noch hinnehmbar. Der Gesetzgeber war ausgehend von seiner Vereinfachungsbefugnis grundsätzlich berechtigt, den Abzug auf die typischen Fälle zu beschränken, in denen Kinderbetreuungskosten zwangsläufig anfallen. Die mit der Beschränkung verbundene Härte, dass im Einzelfall vom Gesetz nicht erfasste Umstände eintreten können, die eine Fremdbetreuung und die Entstehung entsprechender Aufwendungen ebenso unabweisbar machen, haben die davon betroffenen Steuerpflichtigen hinzunehmen.

29  (1) Bezogen auf die im Streitfall zur Beurteilung anstehende Personengruppe der zusammenlebenden Eltern mit Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ermöglichen die Tatbestände der §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG den Abzug von Kinderbetreuungskosten bei Vorliegen der Zwangsläufigkeitsgründe Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längere Erkrankung und Behinderung. In Person eines jeden Elternteils muss mindestens einer der Gründe verwirklicht sein. Liegt in der Person eines Elternteils ein solcher Grund nicht vor, dann geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass dieser Elternteil die Eigenbetreuung des Kindes übernehmen kann und Aufwendungen für die Kinderbetreuung nicht oder jedenfalls nicht zwangsläufig entstehen (vgl. HHR/Krömker, Stand September 2010, § 9c EStG Rz 3).

30  (2) Der Senat ist der Auffassung, dass sich der Gesetzgeber mit der Auswahl der rechtlich relevanten Zwangsläufigkeitsgründe noch innerhalb der Grenzen seiner Typisierungsbefugnis gehalten hat. Bei sämtlichen im Gesetz genannten Gründen handelt es sich zweifelsohne um Lebenssituationen, in denen eine Fremdbetreuung notwendig werden kann. Der Gesetzgeber knüpfte insoweit an eine längere Gesetzgebungstradition an. So enthielt bereits § 33c EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 vom 26. Juni 1985 (BGBl I 1985, 1153 ) dieselben „Zwangsläufigkeitsgründe”. Bereits in dieser Fassung war die Berücksichtigung des Krankheitsfalles an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft, dass diese innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Monaten bestanden haben muss. Der damit verbundene Ausschluss kürzerer Erkrankungen kann im Einzelfall zwar zu Härten führen, diese sind aber von den Steuerpflichtigen als unvermeidliche Folge jeder Typisierung hinzunehmen. Keine Willkür stellt es —entgegen der Auffassung der Revision— dar, dass der Gesetzgeber Schwangerschaft nicht erfasst hat. Denn die Erwägung, dass gesundheitliche Gründe der Eigenbetreuung bereits vorhandener Kinder durch die schwangere Mutter typischerweise nicht entgegenstehen, ist sachlich noch nachvollziehbar. Denn Schwangere sind, wie oben dargestellt, eben nicht per se krank. Der Gesetzgeber konnte zudem davon ausgehen, dass beim Auftreten von besonderen Erschwernissen und Beschwerden während der Schwangerschaft häufig der Krankheitsbegriff erfüllt sein wird. Allerdings erscheint es dem Senat durchaus zweifelhaft, ob nicht weitere Zwangsläufigkeitsgründe hätten einbezogen werden müssen. Ein Bedarf an Fremdbetreuung kann nämlich insbesondere auch dann unabweisbar entstehen, wenn bei Erwerbstätigkeit des einen Elternteils eine größere Zahl minderjähriger Kinder zu betreuen ist (vgl. Seiler, DStR 2006, 1631). Auch bei dem gesellschaftlich festzustellenden Trend zur Ein- oder Zwei-Kind-Familie dürfte es sich immer noch um einen typischen Lebenssachverhalt handeln. Eine „Hinwegtypisierung” dieser Fälle dürfte zudem mit Art. 6 GG schwerlich zu vereinbaren sein. Im Streitfall war eine solche Situation allerdings nicht gegeben. Vorliegend kumulierten nach dem Revisionsvorbringen der Kläger vielmehr Belastungen verschiedenster Art (Zöliakieerkrankung der älteren Tochter, unzureichende staatliche Betreuungsangebote, Schwangerschaft, Risikogeburt, nicht unbegrenzt zulässige Unterbrechung der Berufsausbildung der Klägerin, hohe berufliche Beanspruchung des Klägers u.ä.) zu einer Gesamtsituation, die die Kläger ohne Inanspruchnahme einer Tagesmutter nicht meistern zu können glaubten. Nach Auffassung des Senats handelte es sich hierbei allerdings um eine Härte des Einzelfalles, die die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht zu begründen vermag.

31  (3) Der vom Vorliegen bestimmter Zwangsläufigkeitsgründe unabhängige Abzug von Kinderbetreuungskosten, den die Kläger fordern und der mit Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131 , BStBl I 2011, 986; vgl. BTDrucks 17/5125, S. 37) Wirklichkeit geworden ist, ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Zwar werden Eltern Aufwendungen für die Kinderbetreuung typischerweise nur dann in nennenswertem Umfang tätigen, wenn dies aus beruflichen, gesundheitlichen, pädagogischen, familiären oder sonstigen Gründen notwendig ist, so dass die ab 2012 geltende Regelung rechtspolitisch begrüßenswert erscheint. Verfassungsrechtlich war der Gesetzgeber jedoch nur gehalten, zwangsläufige Aufwendungen für Kinderbetreuung zum Abzug zuzulassen, und ferner dazu berechtigt, die Zwangsläufigkeitsgründe typisierend und abschließend tatbestandlich zu erfassen.

32  3. Der Senat ist ferner nicht davon überzeugt, dass die Beschränkung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStG auf Arbeitnehmer gegen Verfassungsrecht verstößt.

33  a) Nach § 3 Nr. 33 EStG sind steuerfrei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen.

34  b) Die Kläger erfüllen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiungsnorm nicht. Sie sind keine Arbeitnehmer und bezogen im Streitjahr weder Arbeitslohn noch zusätzliche Leistungen für die Betreuung ihrer Kinder von einem Arbeitgeber. Die von ihnen begehrte Steuerbefreiung eines entsprechenden Teils der Einnahmen des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit kann ihnen auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht gewährt werden. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Grenzen werden der verfassungskonformen Auslegung durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogen. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde (z.B. BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44/92 , 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64, BGBl I 1997, 549 , m.w.N.). Vorliegend setzt der mögliche Wortsinn der —steuerrechtlich geklärten— Begriffe Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arbeitslohn der Auslegung klare Grenzen. Der Anwendungsbereich der Norm kann im Auslegungswege nicht auf die Kläger erstreckt werden.

35  c) Der Gesetzgeber war auch nicht von Verfassungs wegen aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG ) verpflichtet, die für die Betreuung der Kinder eingesetzten Teile des vom Kläger erzielten Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit steuerfrei zu belassen.

36  aa) Da mit dem BEA-Freibetrag und den Abzügen gemäß §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur steuerlichen Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs von Kindern bei allen Steuerpflichtigen —einschließlich derjenigen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen— bereits erfüllt werden, kommt der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStG lediglich eine ergänzende Funktion zu. Mit der Vorschrift wollte der Gesetzgeber erreichen, dass insbesondere Zuschüsse des Arbeitgebers für die Betreuung von Kindern in betriebsfremden Kindergärten —nach damaliger Rechtsprechung steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 25. Juli 1986 VI R 203/83 , BFHE 147, 357 , BStBl II 1986, 868)— und der Vorteil aus der kostenlosen Betreuung in Betriebskindergärten —nach früherer Rechtsprechung kein Arbeitslohn (so BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 242/71 , BFHE 114, 496 , BStBl II 1975, 340)— aus Gründen der Gleichbehandlung steuerlich nicht erfasst werden. Er erkannte zwar, dass sich die Gleichbehandlung auch durch Besteuerung erreichen lässt. Doch hielt er die Nichtbesteuerung beider Fallgruppen für eine sachgerechte soziale Maßnahme (BTDrucks 12/1466, S. 1). Demnach verfolgte der Gesetzgeber mit § 3 Nr. 33 EStG keine Fiskalzwecke, sondern Förderungs- und Lenkungszwecke (vgl. Seiler, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2006, 1717; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 3 Nr. 33 Rz B 33/14).

37  bb) Derartige Normen, mit denen der Gesetzgeber ein ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünschtes Verhalten der Bürger fördern will, müssen gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Der Förderungs- und Lenkungszweck muss zudem von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein. Allerdings kommt dem Gesetzgeber insbesondere hinsichtlich der sachgerechten Abgrenzung des Kreises der Begünstigten ein weiter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zu (vgl. BVerfG-Urteil vom 20. April 2004 1 BvR 1748/99 , 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 ; BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99 , BVerfGE 116, 164 , BGBl I 2006, 1857 ). Nach der Rechtsprechung des BVerfG erwächst aus Art. 3 Abs. 1 GG aus einer Steuervergünstigung für eine Gruppe grundsätzlich kein Anspruch einer anderen Gruppe auf eine andere Steuervergünstigung, die wirtschaftlich zu einer vergleichbaren Entlastung führt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274 ; BVerfG-Beschluss vom 20. April 2004 1 BvR 610/00 , HFR 2004, 696 ; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. September 2011 VI R 6/09 , BFHE 235, 252 , BStBl II 2012, 144).

38  cc) Der Gesetzgeber hat seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kläger haben aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine § 3 Nr. 33 EStG vergleichbare Entlastung. Es ist sachlich vertretbar, diese Steuervergünstigung auf Arbeitnehmer zu beschränken. Arbeitnehmer sind typischerweise in der Festlegung ihrer Arbeitszeiten fremdbestimmt und von daher besonders auf die arbeitsbegleitende Betreuung ihrer Kinder angewiesen. Nach der konkreten Ausgestaltung der Norm werden außerdem nur zusätzliche Arbeitgeberleistungen begünstigt. Mit dieser Regelung soll die Umwandlung von ohnehin geschuldetem Arbeitslohn in steuerfreie Kinderbetreuungszuschüsse ausgeschlossen werden (vgl. BTDrucks 12/5016, S. 85; vgl. auch Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. Juni 2011 11 K 192/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 556 , nicht rechtskräftig, Revision VI R 54/11 anhängig). Mit dem Angebot der Steuerfreiheit will der Gesetzgeber also einen Anreiz schaffen, dass der Arbeitgeber derartige arbeitsvertraglich nicht geschuldete Zusatzleistungen —Zuschüsse oder Zurverfügungstellung betrieblicher Betreuungsmöglichkeiten— überhaupt erst gewährt. Die damit beabsichtigte Verhaltenslenkung beim Arbeitgeber, die die Bereitstellung erheblicher Mittel zugunsten der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe „qualifizierte Kinderbetreuung” auslösen soll, ist bei der Gruppe der Selbständigen so nicht erreichbar. Gleichzeitig greift das vom Gesetzgeber gewählte Instrument bei dem sehr großen Personenkreis der abhängig Beschäftigten und lässt die Erwartung nachvollziehbar erscheinen, dass der gewünschte sozial- und bildungspolitische Effekt (Förderung des Kindergartenbesuchs, Einrichtung von Betriebskindergärten durch den Arbeitgeber und Inanspruchnahme dieser Leistung durch den Arbeitnehmer) in der Breite erreicht werden kann. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihre konkrete tatbestandliche Ausgestaltung, so wird deutlich, dass die Verfolgung dieses sozialen Förderzwecks auf einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung beruht. Unberechtigte Doppelbegünstigungen der Arbeitnehmer, die gegen die Norm ins Feld geführt werden könnten, sind ausgeschlossen. Denn soweit Arbeitnehmer gemäß § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Ersatz ihrer Aufwendungen erhalten, sind sie vom Abzug nach §§ 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG ausgeschlossen (Schmidt/Heinicke, EStG , 31. Aufl., § 9c Rz 4; Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4f Rz A 33).

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