BFH-Urteile vom 17.04.2013

Folgende weitere Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (17.04.2013) veröffentlicht:

– BFH-Beschluss vom 12.03.2013 – XI B 14/13 (Die besondere Zugangsvoraussetzung in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO gilt auch für Anträge auf Aufhebung der Vollziehung);

– BFH-Urteil vom 24.01.2013 – V R 34/11 (Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG – Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen aus Restaurants und Großküchen ist keine “landwirtschaftliche Dienstleistung” – Keine Anwendbarkeit von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bei Erstbescheiden – Verfassungsmäßigkeit der gesetzmäßigen Besteuerung – Prüfung einer Schätzung durch den BFH);

– BFH-Urteil vom 08.11.2012 – V R 15/12 (Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Überlassung von Grundstücken im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen nach dem BNatSchG – Begriff der “Vermietung von Grundstücken”);

– BFH-Urteil vom 13.12.2012 – IV R 51/10 (Durchschnittssatzgewinnermittlung nach § 13a EStG nicht für reinen Weinbaubetrieb);

– BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09 (Ende der Nutzung eines fremden Wirtschaftsguts zur Einkunftserzielung, auf das eigene Aufwendungen geleistet worden waren – Typisierte Verteilung von Aufwendungen – Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen – Anwendung des § 20 UmwStG 1977);

– BFH-Beschluss vom 21.02.2013 – X B 53/11 (Überraschungsentscheidung – Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten – Unterhalt als Sonderausgaben);

– BFH-Beschluss vom 08.03.2013 – III S 2/12 (Erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in derselben Sache vor dem BFH);

– BFH-Beschluss vom 08.03.2013 – III B 24/12 (Divergenz bei mehreren tragenden Urteilsgründen);

– BFH-Beschluss vom 19.09.2012 – X B 40/11 (NZB: Sachaufklärungsmängel);

– BFH-Beschluss vom 05.03.2013 – X B 98/11 (Liebhaberei);

– BFH- Beschluss vom 06.03.2013 – X B 14/13 (Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens – Anspruch auf Akteneinsicht – Voraussetzungen für In-camera-Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO – Prüfung der etwaigen Unwirksamkeit von Grundlagenbescheiden im Verfahren gegen die Folgebescheide – Keine Nichtigkeit des Feststellungsbescheids bei Nichtexistenz der GbR);

– BFH-Beschluss vom 06.03.2013 – III B 113/12 (Keine Anwendung der Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrens über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten auf die Kindergeldfestsetzung nach dem EStG – Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Übermittlung von Unterlagen nur an den Prozessbevollmächtigten – Zureichender Grund für das Hinausschieben einer Einspruchsentscheidung im Rahmen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO);

– BFH-Beschluss vom 14.02.2013 – III B 133/12 (Anforderungen an einen Anspruch des Jugendhilfeträgers auf Erstattung des Kindergelds durch die Familienkasse);

– BFH-Beschluss vom 01.03.2013 – IX B 144/12 (Prozessurteil statt Sachurteil als Verfahrensmangel);

– BFH-Beschluss vom 25.01.2013 – V B 95/12 (Teiloption bei Grundstücksvermietung).

Bundesfinanzhof (BFH)

Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft

Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft:

Das BMF-Schreiben regelt den Voranmeldungszeitraum für eine Organgesellschaft nach deren Ausscheiden aus dem Organkreis und Bestehen als selbständiges Unternehmen.

“Nach Beendigung der Organschaft wird die bisherige Organgesellschaft selbst Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Zur Bestimmung des Voranmeldungszeitraums der bisherigen Organgesellschaft nach Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft bzw. nach dem Ausscheiden der Organgesellschaft aus einer Organschaft wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn grundsätzlich auf die Steuer des vorangegangenen Kalenderjahrs des bisherigen Organkreises abgestellt wird. Soweit die bisherige Organgesellschaft einen davon abweichenden Voranmeldungszeitraum begehrt, ist eine fiktive anteilige Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr durch die bisherige Organgesellschaft zu ermitteln. […]“

Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft (PDF, 38,4 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

Divergenz bei mehreren tragenden Urteilsgründen

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 08.03.2013
Streitjahr: 2008
Aktenzeichen: III B 24/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 105 Abs 5 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 31 S 4 EStG 2002, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 70 Abs 2 EStG 2002, Art 10 EWGV 574/72
Divergenz bei mehreren tragenden Urteilsgründen

Leitsatz

NV: Stützt das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere tragende Gründe, kann die Revision wegen Divergenz nur dann zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Gründe eine Divergenz gegeben ist. Der weitere tragende Grund kann sich auch aus einer vom FG nach § 105 Abs. 5 FGO zu eigen gemachten Begründung der Einspruchsentscheidung ergeben (Rn.11)(Rn.12).

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang

vorgehend FG München, 2. Januar 2012, Az: 5 K 2629/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
im Text BFH, 19. April 2012, Az: III R 87/09
im Text BFH, 12. Oktober 2011, Az: III B 56/11
im Text FG München, 4. Mai 2011, Az: 9 K 2928/10
im Text BFH, 3. März 2011, Az: III R 11/08
Vergleiche BFH, 11. Juli 2008, Az: IV B 121/07
im Text BFH, 17. April 2008, Az: III R 36/05
im Text BFH, 28. Juni 2006, Az: III R 13/06
im Text BFH, 25. März 2003, Az: VIII R 95/02
Vergleiche BFH, 30. August 2000, Az: III B 62/98

Gründe

1
Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

 

2
1. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178).

 

3
a) Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) –der Kindsvater– vorträgt, die Vorentscheidung weiche von dem Urteil des FG München vom 4. Mai 2011 9 K 2928/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2173) ab, liegt keine Divergenz vor.

 

4
In der vorgeblichen Divergenzentscheidung wird zwar ausgeführt, dass die Entscheidung der ausländischen Behörde, soweit sie die Anwendung deren innerstaatlicher Rechtsvorschriften betreffe, Tatbestandswirkung für die deutschen Behörden habe. Das FG hat aber keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, insbesondere nicht entschieden, dass eine derartige Bindungswirkung nicht bestehe. Es hat vielmehr ausgeführt, die Entscheidung der österreichischen Behörde, der Kindsmutter nach dem überstaatlichen Gemeinschaftsrecht österreichische Familienleistungen zu gewähren, binde weder die deutschen Behörden noch Gerichte. Damit fehlt es an voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätzen.

 

5
b) Soweit der Kläger behauptet, das FG sei von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. März 2003 VIII R 95/02 (BFH/NV 2003, 1306) abgewichen, ist ebenfalls keine Divergenz gegeben.

 

6
Der Kläger führt zwar in seiner Beschwerdebegründung aus, der BFH habe in dem zitierten Urteil zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, der dem Steuerpflichtigen nach den §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) zustehende Kindergeldanspruch sei aufgrund der im Ausland dem anderen Elternteil gezahlten Familienleistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen gewesen. Das FG-Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung betreffen jedoch unterschiedliche Rechtsfragen.

 

7
Der BFH hat in dem zitierten Urteil entschieden, dass ein in Deutschland lebender und Unterhalt zahlender Vater bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1998 keinen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG 1997 abziehen kann, wenn die in Österreich lebende Mutter dort für das gemeinsame Kind Kindergeld erhält, das nicht niedriger ist als die Steuerersparnis des Vaters bei Abzug eines Kinderfreibetrages (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1306). Die vorgebliche Divergenzentscheidung betraf daher nicht die Rechtsfrage, ob dem Steuerpflichtigen ein Kindergeldanspruch zustand, sondern ob er einen Kinderfreibetrag abziehen konnte. Für diese Zwecke war im Rahmen der sog. Günstigerrechnung nach § 31 Satz 4 EStG 1997 zu prüfen, ob für den Steuerpflichtigen das Kindergeld oder die durch den Kinderfreibetrag bedingte Steuerentlastung vorteilhafter waren. Zur Ermittlung dieser Vorteilhaftigkeit wurde jedoch nach der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Rechtslage nicht ein bestehender Kindergeldanspruch einbezogen, sondern das tatsächlich gezahlte Kindergeld, und zwar unabhängig davon, wer Empfänger dieser Zahlungen war (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1306; s. dazu auch Blümich/Selder, § 31 EStG Rz 54). Das FG-Urteil und die vermeintliche Divergenzentscheidung betreffen daher unterschiedliche Rechtsfragen.

 

8
Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass die Rechtsausführungen des BFH zur Frage des Kindergeldanspruchs des Steuerpflichtigen entscheidungserheblich gewesen sind, wenn –wie dargelegt– nach damaliger Rechtslage auf das tatsächlich gezahlte Kindergeld abzustellen war.

 

9
c) Soweit der Kläger vorträgt, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zu den Senatsurteilen vom 28. Juni 2006 III R 13/06 (BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714) und vom 3. März 2011 III R 11/08 (BFHE 233, 41, BStBl II 2011, 722), kommt eine Zulassung wegen Divergenz ebenfalls nicht in Betracht.

 

10
aa) Der beschließende Senat hat in dem zitierten Urteil in BFHE 233, 41, BStBl II 2011, 722 zwar entschieden, § 70 Abs. 2 EStG betreffe den Fall, dass eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Kindergeldanspruch erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Verhältnisse nachträglich unrichtig werde. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass sich in der Vorentscheidung die Aussage findet, für die Anwendung des § 70 Abs. 2 EStG komme es nicht darauf an, ob der zu ändernde Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei. Bei isolierter Betrachtung dieser Urteilspassage könnte daher eine entscheidungserhebliche Abweichung von der zitierten Senatsrechtsprechung vorliegen.

 

11
bb) Im Ergebnis hat das FG die Entscheidung aber auf einen weiteren selbständig tragenden Grund (sog. kumulative Begründung) gestützt, so dass sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der genannten Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung ausschließen lässt. In einem solchen Fall kann die Revision wegen Divergenz nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Gründe eine Divergenz zu einer Entscheidung eines anderen Gerichts gegeben ist (Senatsbeschluss vom 30. August 2000 III B 62/98, BFH/NV 2001, 455). Hieran fehlt es.

 

12
(1) Der weitere selbständig tragende Grund ergibt sich aus der durch das FG erfolgten Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung. Es hat nach § 105 Abs. 5 FGO auf die (nach seiner Ansicht) zutreffenden Ausführungen der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) „in der Einspruchsentscheidung bezüglich der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften, insbesondere zu Art. 76 bis 79 der Verordnung (EWG) 1408/71 und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72“ verwiesen (s. II. Buchst. d der Gründe). Damit hat sich das FG die diesbezüglichen Gründe der Einspruchsentscheidung zu eigen gemacht (s. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2008 IV B 121/07, BFH/NV 2008, 2002). Hiernach war jedoch die zu ändernde Kindergeldfestsetzung rechtmäßig und nicht rechtswidrig.

 

13
Nach der dort vertretenen Rechtsauffassung sei die im Streitfall bestehende Konkurrenz zwischen dem Kindergeldanspruch des Klägers nach dem EStG und dem Anspruch der Kindsmutter auf österreichische Familienleistungen nach dem dem § 65 EStG vorgehenden Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 574/72) aufzulösen. Dies bedeute: Bestehe, wie im Streitfall für die Kindsmutter, ein Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder, der nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhänge, und ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsland –hier: Deutschland–, wie für den Kläger, so sei das deutsche Kindergeld erst dann bis zur Höhe der im Wohnland geschuldeten Familienleistungen auszusetzen, wenn der Anspruchsberechtigte im Wohnland der Kinder eine Berufstätigkeit ausübe. Diese Situation sei im Streitfall erst im Laufe des Monats November 2008 eingetreten, nachdem die Kindsmutter am 10. November 2008 in Österreich eine Beschäftigung aufgenommen habe.

 

14
Nach dieser Rechtsauffassung schließt daher ein im Wohnland der Kinder bestehender Anspruch auf Familienleistungen, der betragsmäßig über dem deutschen Kindergeld liegt, einen deutschen Kindergeldanspruch erst dann aus, wenn der andere Elternteil im Wohnland der Kinder eine Beschäftigung ausübt. Dem Umstand, ob im Wohnland der Kinder Familienleistungen bezogen werden, kommt keine Bedeutung zu.

 

15
Somit ist nach dieser rechtlichen Beurteilung, die sich das FG zu eigen gemacht hat, die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung zu Recht erfolgt; sie war –entgegen der Ansicht des Klägers– nicht wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtswidrig.

 

16
(2) Dass das FG mit dieser Beurteilung von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, ist nicht geltend gemacht worden. Abgesehen davon wären die Rechtsausführungen zu Art. 10 der VO Nr. 574/72 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (s. dazu Senatsurteile vom 17. April 2008 III R 36/05, BFHE 221, 50, BStBl II 2009, 921; vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150).

 

17
2. Mit dem Vortrag, im Streitfall bestünde Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtsfragen, ob erstens eine Bindung der Familienkasse an eine zeitlich frühere positive Entscheidung der ausländischen (österreichischen) Behörde bestehe, aufgrund derer das deutsche Kindergeld übersteigende Familienleistungen gezahlt würden, ob zweitens eine Kindergeldfestsetzung, die in positiver Kenntnis von im Ausland gezahlten Familienleistungen erfolge, wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtswidrig sei, und ob drittens die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 2 EStG von der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der zu ändernden Festsetzung abhänge, kann die begehrte Revisionszulassung, gleich welcher Zulassungsgrund damit gemeint sein soll, nicht erreicht werden.

 

18
3. Ob die Entscheidung des FG möglicherweise insoweit rechtsfehlerhaft ist, als es auch die Aufhebung der Festsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG für den Monat November 2008 als rechtmäßig beurteilt hat, obwohl sich die tatsächlichen Verhältnisse erst im Laufe des Monats November 2008 (Beschäftigungsaufnahme durch die Kindsmutter am 10. November 2008) zuungunsten des Klägers geändert haben (s. § 66 Abs. 2 EStG), kann dahinstehen, weil es insoweit bereits an der Darlegung eines Zulassungsgrundes fehlt.

 

19
4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 06.03.2013
Streitjahre: 2000, 2004
Aktenzeichen: X B 14/13
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 74 FGO, § 78 FGO, § 86 Abs 3 FGO, § 175 Abs 1 Nr 1 AO, § 351 Abs 2 AO, § 124 AO, § 125 Abs 1 AO
(Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens – Anspruch auf Akteneinsicht – Voraussetzungen für In-camera-Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO – Prüfung der etwaigen Unwirksamkeit von Grundlagenbescheiden im Verfahren gegen die Folgebescheide – Keine Nichtigkeit des Feststellungsbescheids bei Nichtexistenz der GbR)

Leitsatz

1. NV: Ist ein Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber angefochten worden, ist die Aussetzung eines Klageverfahrens gegen einen Folgebescheid zwar nicht zwingend, stellt im Rahmen der erforderlichen Ermessungsentscheidung aber den Regelfall dar. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren gegen den Grundlagenbescheid bereits seit längerer Zeit anhängig ist, das dortige Gericht aber mitteilt, dass in absehbarer Zeit mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

 

2. NV: Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht nur in Bezug auf solche Akten, die dem Gericht vorliegen.

 

3. NV: Die Einleitung eines In-camera-Verfahrens nach § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, dass das FG die Vorlage bestimmter Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften angefordert hat und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Anordnung nachzukommen.

Orientierungssatz

1. NV: Eine etwaige Unwirksamkeit von Grundlagenbescheiden könnte auch im Verfahren gegen die Folgebescheide geprüft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 25.03.1986 III B 6/85).

 

2. NV: Die Nichtexistenz einer GbR führt nur zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des entsprechenden Feststellungsbescheids (vgl. BFH-Beschluss vom 27.03.1986 I S 16/85).

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 4. Januar 2013, Az: 5 K 5076/06, Beschluss
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
im Text BFH, 12. April 2012, Az: X B 190/11
Vergleiche BFH, 14. Januar 2011, Az: VIII B 56/10
Vergleiche BFH, 18. September 2007, Az: III S 31/07
Vergleiche BFH, 18. Juli 2006, Az: X B 65/06
Vergleiche BFH, 29. Januar 1998, Az: IX B 118/97
Vergleiche BFH, 17. Mai 1995, Az: X R 64/92
Vergleiche BFH, 27. März 1986, Az: I S 16/85
Vergleiche BFH, 25. März 1986, Az: III B 6/85

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners (Schuldner), der gemeinsam mit einem Mitgesellschafter (M) einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hatte.

 

2
In dem Klageverfahren, das Ausgangspunkt der vorliegenden Beschwerde ist, geht es um die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) gegen den Schuldner erlassenen Einkommensteuerbescheide 2000 und 2004. Die in diesen Bescheiden angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat das FA aus (Grundlagen-)Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns einer GbR übernommen. Das für die Gewinnfeststellung zuständige Betriebs-FA hat angenommen, zwischen dem Schuldner und M habe eine einheitliche GbR bestanden, die drei Mietshäuser erworben, saniert, deren Aufteilung in Wohnungs- bzw. Teileigentum betrieben und die künftigen Miteigentumsanteile noch vor Durchführung der Aufteilung an verschiedene Erwerber veräußert habe. Nach Auffassung des Schuldners –die der Kläger übernommen hat– sollen hingegen drei getrennte Objekt-GbR bestanden haben. Der Schuldner und M sind zwischenzeitlich zerstritten.

 

3
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das Betriebs-FA für die nach seiner Auffassung existierende einheitliche GbR am 23. Juni 2005 einen Gewinnfeststellungsbescheid für 2004 und am 29. September 2005 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2000. In den vorliegenden Akten befindet sich nur der Feststellungsbescheid für 2000; dieser ist an den Schuldner adressiert und trägt den Hinweis, dass M einen Bescheid gleichen Inhalts erhalten habe.

 

4
Der Schuldner erhob gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 vor dem damaligen Finanzgericht (FG) Berlin (heute FG Berlin-Brandenburg) sowohl eine Anfechtungsklage als auch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit. Über diese Klagen hat das FG Berlin-Brandenburg bisher nicht entschieden. Der Kläger hat darüber hinaus vorgetragen, das FG Berlin-Brandenburg habe auch über die zur Feststellungsklage gehörenden Eilverfahren –einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung– nicht entschieden.

 

5
Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 2004 legte der Schuldner beim Betriebs-FA Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren ruht bis zur Entscheidung über die gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 anhängigen Klageverfahren.

 

6
Unter dem 24. November 2005 erließ das FA gegen den Schuldner Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2004. Der Schuldner legte auch hiergegen Einspruch ein, begründete diesen zwar nicht, bat in seinem Einspruchsschreiben aber um Übersendung der Gewinnfeststellungsbescheide. Im März 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem der Kläger den vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen widersprochen hatte, nahm das FA das Einspruchsverfahren wieder auf. Mit der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 stellte es die Einkommensteuerforderungen –in geringfügig niedrigerer Höhe als in den Einkommensteuerbescheiden, was nicht näher begründet wurde– gemäß § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung als Insolvenzforderungen fest. Die Einspruchsentscheidung weist als Einspruchsführer den Schuldner aus; der Kläger wird als „Bevollmächtigter“ bezeichnet.

 

7
Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, Einkommensteuer sei nicht festzusetzen, weil die Gewinnfeststellungsbescheide nichtig, zumindest aber rechtswidrig seien. Die vom Betriebs-FA angenommene GbR habe niemals bestanden. Die Feststellungsbescheide seien an die GbR bekanntgegeben worden, was wegen der Nichtexistenz der GbR unwirksam sei. M habe sich die GbR gemeinsam mit dem Betriebs-FA „ausgedacht“. Die Bescheide seien „dem Kläger“ nicht bekanntgegeben worden.

 

8
Im Klageverfahren lässt sich der Kläger von einer Steuerberatungs-GmbH (S-GmbH) vertreten, die zuvor bereits den Schuldner vertreten hatte. Mehrere unter dem Briefkopf der S-GmbH erstellte und beim FG eingereichte Schriftsätze sind nicht von den Vertretern dieser Gesellschaft, sondern vom –nicht postulationsfähigen– Schuldner persönlich unterschrieben worden. Die S-GmbH hat lediglich für ein vorgelagertes Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), nicht aber für das Klage- oder Beschwerdeverfahren eine vom Kläger unterschriebene Prozessvollmacht vorgelegt.

 

9
Mit Beschluss vom 22. Januar 2010 setzte das FG das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim FG Berlin-Brandenburg bzw. beim Betriebs-FA anhängigen Klage- bzw. Einspruchsverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2000 und 2004 aus. Zur Begründung führte es aus, der Kläger erhebe ausschließlich Einwendungen gegen die Grundlagenbescheide. Der Aussetzung stehe nicht entgegen, dass der Kläger auch die Existenz der GbR in Frage stelle, weil auch diese Frage im anhängigen Klageverfahren auf Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids für 2000 geklärt werden könne. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten.

 

10
Am 17. Oktober 2012 hat der Kläger beantragt, das ausgesetzte Klageverfahren fortzuführen. Er behauptet, ein Abschluss der Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 und der entsprechenden Eilverfahren sei nicht absehbar. Alle Versuche, das FG Berlin-Brandenburg zur Bearbeitung dieser Verfahren zu bewegen, seien ohne Erfolg geblieben. Zudem seien die Gewinnfeststellungsbescheide offenkundig nichtig. So habe das Kammergericht in einem von M geführten Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von PKH ausgeführt, zwischen M und dem Schuldner habe zu keinem Zeitpunkt eine „Grundstückshandelsgesellschaft“ bestanden, sondern allein eine „Modernisierungsgesellschaft“ für eines der drei Mietshäuser (Beschluss vom … September 2011 …). Auch habe das zuständige Amtsgericht den Schuldner in einem Steuerstrafverfahren mit Urteil vom … Januar 2012 freigesprochen, weil nicht habe geklärt werden können, ob in den Jahren 2000 und 2001 überhaupt Gewinne „in steuerlich verwertbarer Weise“ hätten realisiert werden können.

 

11
Auf Anfrage des FG hat das FG Berlin-Brandenburg am 23. November 2012 mitgeteilt, dass in den Klageverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide „leider erst“ mit einer Entscheidung im ersten Halbjahr 2013 zu rechnen sei.

 

12
Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss vom 4. Januar 2013 hat das FG den Antrag des Klägers auf Fortführung des Verfahrens abgelehnt. Die Gründe für die Aussetzung des Verfahrens bestünden fort. Der Umstand, dass die Dauer der Verfahren gegen die Grundlagenbescheide sehr lange sei, zwinge nicht zur Fortführung des ausgesetzten Klageverfahrens gegen die Folgebescheide, zumal das FG Berlin-Brandenburg mitgeteilt habe, dass im ersten Halbjahr 2013 eine Entscheidung ergehen werde.

 

13
Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, vertritt der Kläger die Auffassung, ein Fortdauern der Aussetzung sei mit der Prozessförderungspflicht des FG nicht vereinbar. Vor allem werde die Aufnahme des Verfahrens aber begehrt, um Einsicht in drei sog. „Hinweisakten“ des Betriebs-FA zu erlangen. Das Betriebs-FA habe diese Akten dem FG Berlin-Brandenburg bisher nicht vorgelegt. Dies sowie die fortwährende Untätigkeit des FG Berlin-Brandenburg begründe den Verdacht, dass sich in diesen „Hinweisakten“ Unterlagen befinden, die dem Fortgang des Verfahrens dienen könnten. Außerdem habe „der Antragsteller“ ein Rehabilitationsinteresse, nachdem er im Strafverfahren freigesprochen worden sei.

 

14
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des FG Köln vom 4. Januar 2013 5 K 5076/06 anzuordnen, dass das dortige Klageverfahren fortzuführen sei,
Akteneinsicht in die drei „Hinweisakten“ des Betriebs-FA zu gewähren,
hilfsweise, diese Akten im Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO dem Bundesfinanzhof (BFH) vorzulegen.

 

Entscheidungsgründe

15
II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet.

 

16
Der angefochtene Beschluss des FG, den Antrag des Klägers auf Fortführung des ausgesetzten Verfahrens abzulehnen, weist keinen Rechtsfehler auf.

 

17
a) Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.

 

18
Ist ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen, ist ein Klageverfahren gegen den Folgebescheid zwingend auszusetzen (Senatsurteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640, unter II.4.); das Ergehen eines Endurteils würde in einem solchen Fall einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellen. Ist –wie hier– der Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber gleichfalls angefochten, ist eine Aussetzung des Verfahrens gegen den Folgebescheid zwar nicht zwingend, stellt im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung aber den Regelfall dar (BFH-Beschluss vom 29. Januar 1998 IX B 118/97, BFH/NV 1998, 869).

 

19
b) Vorliegend hat das FG zwar in seinen schriftlichen Hinweisen, die dem angefochtenen Beschluss vorangegangen sind, –insoweit rechtlich unzutreffend– formuliert, eine Fortführung würde einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellen. Diese Formulierung hat es im angefochtenen Beschluss aber nicht wiederholt, sondern deutlich gemacht, dass ihm bei der Entscheidung Ermessen zukommt.

 

20
c) Die Ermessenserwägungen des FG zur Fortdauer der Aussetzung lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

 

21
Es hat zutreffend erkannt, dass die Gründe für eine Aussetzung des Verfahrens –das Fehlen rechtskräftiger Entscheidungen über die Grundlagenbescheide, die für den Ausgang des Klageverfahrens maßgebend sind– fortbestehen, zumal auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid bereits ergangen ist, die Aussetzung eines Klageverfahrens gegen den Folgebescheid den Regelfall darstellt und eine Fortsetzung des Verfahrens besonders zu begründen wäre (siehe oben a).

 

22
Die Erwägung des FG, trotz der bereits sehr langen Dauer der vor dem FG Berlin-Brandenburg geführten Verfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 sei die Fortdauer der Aussetzung im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass das FG Berlin-Brandenburg eine Entscheidung für das erste Halbjahr 2013 angekündigt habe, ist jedenfalls vertretbar. Der Kläger muss seine –angesichts der bereits erreichten Verfahrensdauer nachvollziehbaren– Bemühungen um eine Beschleunigung der Verfahren in erster Linie gegenüber dem FG Berlin-Brandenburg entfalten. Dass er in jenen Verfahren bereits von den Rechtsbehelfen der §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes Gebrauch gemacht hätte, die ihm zur Erreichung einer Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung stehen, hat er nicht vorgetragen.

 

23
Die Entscheidung des FG erweist sich zudem auch deshalb als ermessensgerecht, weil es dem Kläger auch im vorliegenden Verfahren gegen die Folgebescheide offenbar in erster Linie darum geht, Einsicht in Akten des Betriebs-FA zu nehmen. Dieses Begehren muss er aber vorrangig in den Verfahren des FG Berlin-Brandenburg verfolgen, an denen das Betriebs-FA –anders als im vorliegenden Klageverfahren– selbst beteiligt ist.

 

24
d) Zwar weist der Kläger im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass eine etwaige Unwirksamkeit der Grundlagenbescheide auch im Verfahren gegen die Folgebescheide geprüft werden könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 1986 III B 6/85, BFHE 146, 225, BStBl II 1986, 477, unter 2.). Sein bisheriges Vorbringen zur Unwirksamkeit der Grundlagenbescheide ist aber –auch unter Berücksichtigung des jetzigen Verfahrensstands– so unsubstantiiert, dass das FG es bei seiner Entscheidung über die Fortdauer der Aussetzung außer Betracht lassen durfte.

 

25
aa) Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Gewinnfeststellungsbescheide seien deshalb nichtig, weil die GbR, deren Gewinne in diesen Bescheiden festgestellt würden, niemals existiert habe, hat er dem FG bisher keine nachvollziehbare Sachverhaltsdarstellung unterbreitet, aus der sich im Klageverfahren gegen die Folgebescheide ausnahmsweise die Notwendigkeit einer eigenständigen Prüfung der Wirksamkeit der Grundlagenbescheide ergeben könnte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtexistenz der GbR nur zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des entsprechenden Feststellungsbescheids führt (BFH-Beschluss vom 27. März 1986 I S 16/85, BFH/NV 1986, 632, unter 1.b).

 

26
bb) Auch zu den vermeintlichen Bekanntgabemängeln fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.

 

27
(1) Soweit der Kläger behauptet, die Bekanntgabe sei unwirksam, weil die Bescheide an die GbR gerichtet gewesen seien, hat er diese Behauptung nicht belegt. Jedenfalls der dem erkennenden Senat vorliegende Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 weist als Bekanntgabeadressaten –in rechtlich zutreffender Weise– den Schuldner aus. Dass es sich bei dem –nicht in den vorgelegten Akten enthaltenen– Gewinnfeststellungsbescheid für 2004 anders verhalten könnte, hat der Kläger nicht dargelegt.

 

28
(2) Soweit der Kläger rügt, die Bescheide seien ihm selbst nicht bekanntgegeben worden, übersieht er, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet war. Für eine Bekanntgabe an den Kläger gab es daher seinerzeit keine Veranlassung.

 

29
(3) Soweit der Kläger bestreitet, dass der Schuldner die Gewinnfeststellungsbescheide erhalten habe, ist auch dies unsubstantiiert.

 

30
Der Schuldner persönlich hat gegen beide Gewinnfeststellungsbescheide Einspruch eingelegt. Dafür hätte es keinen Grund gegeben, wenn er die Bescheide nicht erhalten hätte.

 

31
Jedenfalls der Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 –der Bescheid für 2004 liegt dem erkennenden Senat nicht vor– war an den Schuldner adressiert; der Kläger selbst hat diesen Bescheid dem FG vorgelegt. Da der Kläger sich nicht dazu geäußert hat, wie er in den Besitz dieses Bescheids gelangt sein könnte, ist davon auszugehen, dass dieser sich in den Unterlagen des Schuldners befunden hat, die der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter in Besitz genommen hat.

 

32
2. Der Antrag auf Einsicht in die drei „Hinweisakten“ des FG Berlin-Brandenburg wird abgelehnt.

 

33
Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht nur in Bezug auf solche Akten, die dem Gericht vorliegen (BFH-Beschluss vom 14. Januar 2011 VIII B 56/10, BFH/NV 2011, 630). Die drei „Hinweisakten“ liegen dem erkennenden Senat aber nicht vor.

 

34
3. Die Voraussetzungen für das vom Kläger hilfsweise begehrte Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO liegen nicht vor.

 

35
a) Zu den Grundvoraussetzungen für ein solches „In-camera-Verfahren“ gehört, dass das FG die Vorlage bestimmter Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften angeordnet hat und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Anordnung nachzukommen (BFH-Beschlüsse vom 18. Juli 2006 X B 65/06, BFH/NV 2006, 1699, unter II.2.b, und vom 18. September 2007 III S 31/07, BFH/NV 2008, 83, unter II.2.a).

 

36
Daran fehlt es. Weder hat das FG im vorliegenden Klageverfahren die drei „Hinweisakten“ des Betriebs-FA angefordert noch hat das Betriebs-FA sich einer solchen Anordnung des FG widersetzt.

 

37
b) Im Übrigen wäre der Antrag auf Durchführung eines Verfahrens nach § 86 Abs. 3 FGO nicht beim Rechtsmittelgericht, sondern beim FG als dem „Gericht der Hauptsache“ zu stellen (§ 86 Abs. 3 Satz 2 FGO). Solange das dortige Klageverfahren indes ausgesetzt ist, wäre die Prozesshandlung, die in einem Antrag nach § 86 Abs. 3 FGO zu sehen ist, „ohne rechtliche Wirkung“ (§ 249 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

 

38
4. Es wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer künftigen Fortführung des Klageverfahrens Anlass bestehen könnte, ausnahmsweise eine Prozessvollmacht anzufordern (zu den hierfür geltenden Maßstäben vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2012 X B 190-196/11, BFH/NV 2012, 1164, m.w.N.).

 

39
Für das Klageverfahren hat die als Prozessbevollmächtigte auftretende S-GmbH ausschließlich eine vom Schuldner –nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen– unterzeichnete Prozessvollmacht vorgelegt. Diese ist im vorliegenden Verfahren indes unbeachtlich, da der Schuldner nicht am Verfahren beteiligt ist. Eine Vollmacht des Klägers ist nur im vorgelagerten Verfahren über die Gewährung von PKH vorgelegt worden, war aber ausdrücklich auf jenes Verfahren beschränkt.

 

40
Tatsächlich scheint der Schuldner das Verfahren in erheblichen Umfang selbst zu führen. Er hat zahlreiche an das FG gerichtete Schriftsätze unter Verwendung des Briefbogens der als Prozessbevollmächtigte auftretenden S-GmbH persönlich unterschrieben. Auch soweit die auf den Briefbogen der S-GmbH gefertigten Schriftsätze nicht vom Schuldner, sondern von für die S-GmbH vertretungsbefugten Personen unterschrieben worden sind, sind sie inhaltlich teilweise so gefasst, dass zu vermuten ist, dass ihr Inhalt nicht von einer der in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Personen stammt, sondern vom –nicht postulationsfähigen– Schuldner persönlich. Hierfür spricht auch, dass in diesen Schriftsätzen die Bezeichnung „Kläger“ oder „Antragsteller“ häufig nicht für den tatsächlichen Kläger dieses Verfahrens –den Insolvenzverwalter–, sondern für den nicht am Verfahren beteiligten Schuldner verwendet wird.

 

41
Hinzu kommt, dass der IV. Senat des BFH im –parallel gelagerten– Verfahren IV S 1/13 erfolglos eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht angefordert hat und daraufhin die Kosten des dortigen Verfahrens der als vollmachtloser Vertreterin aufgetretenen S-GmbH auferlegen musste.

 

Überraschungsentscheidung – Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten – Unterhalt als Sonderausgaben

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 21.02.2013
Streitjahr: 2004
Aktenzeichen: X B 53/11
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle:
Normen: § 10 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 76 Abs 1 FGO, § 76 Abs 2 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 119 Nr 3 FGO
Überraschungsentscheidung – Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten – Unterhalt als Sonderausgaben

Leitsatz
1. NV: Eine Überraschungsentscheidung kann nur vorliegen, wenn der Beteiligte die Umstände, auf die er meint, nicht hingewiesen worden zu sein, nicht bereits anderweit hat kennen können und müssen.

2. NV: Es stellt einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten dar, wenn das FG sich entweder auf vermeintliche Äußerungen stützt, die tatsächlich nicht existieren, oder auf vermeintlich fehlende Äußerungen stützt, die aber tatsächlich existieren.

3. NV: Der Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt die tatsächlichen vorhandene Zustimmung des Unterhaltsempfängers voraus. Ein etwaiger Anspruch auf eine Zustimmung genügt nicht und ist daher im finanzgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfen (Anschluss an ständige Rechtsprechung).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 17. März 2011, Az: 10 K 345/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 23. Februar 2012, Az: X B 91/11
Vergleiche BFH, 19. Januar 2012, Az: X B 4/10
Vergleiche OLG Oldenburg (Oldenburg), 28. Oktober 2010, Az: 14 UF 141/10
Vergleiche BFH, 17. März 2010, Az: X B 95/09
Vergleiche BFH, 12. Dezember 2007, Az: XI R 36/05
Vergleiche BFH, 14. April 2005, Az: XI R 33/03
Vergleiche BFH, 2. Juli 2003, Az: XI R 8/03
im Text BFH, 31. August 2000, Az: VIII R 33/00
Vergleiche BFH, 25. Juli 1990, Az: X R 137/88

Tatbestand
1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war mit der Beigeladenen verheiratet. Seit wann die Eheleute nicht mehr zusammenlebten, war streitig. Sie waren im Streitjahr 2004 zunächst zusammen veranlagt worden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) führte, nachdem er neue Erkenntnisse erlangt hatte, eine Einzelveranlagung durch.

2
Einspruch und Klage des Klägers richteten sich zunächst nur gegen die Einzelveranlagung und auf Aufhebung des Bescheides. Im Laufe des Klageverfahrens beantragte er, Unterhaltsleistungen für seine getrennt lebende Ehefrau (Beigeladene) in Höhe von insgesamt … € (= 12 x … €) als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Hierfür legte er eine Anlage U mit der Unterschrift der Beigeladenen vor. Im Kopf dieser Anlage sind als Jahreszahlen 2003 und 2004 genannt. In der für den Betrag vorgesehenen Zeile ist handschriftlich zunächst „monatlich“, anschließend der Betrag von … € eingetragen. Es ist streitig, ob die Jahreszahl 2004 und der Zusatz „monatlich“ vor oder nach dem Zeitpunkt, zu dem die Beigeladene die Unterschrift geleistet hat, eingefügt worden sind.

3
In der mündlichen Verhandlung begehrte der Kläger im Hauptantrag wieder die Zusammenveranlagung, im Hilfsantrag die Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben.

4
Das Finanzgericht (FG) hielt den Hauptantrag für möglicherweise unzulässig, da es sich um eine Klageänderung handeln könnte, mangels Nachweises der Voraussetzungen der §§ 26, 26b EStG für jedenfalls unbegründet. Dem Hilfsantrag gab es hinsichtlich eines Teilbetrages von … € für das gesamte Jahr statt. Die Zustimmung der Beigeladenen reiche nur gerade so weit. Die Daten seien nach den glaubhaften Angaben der Beigeladenen nachträglich eingefügt worden. Die Jahreszahl sei ihr zuzurechnen, da sie insoweit blanko unterschrieben habe. Der Zusatz „monatlich“ sei ihr hingegen nicht zuzurechnen, da sie insoweit ihre Zustimmung auf einen Jahresbetrag beschränkt habe.

5
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger Verfahrensmängel und Divergenz.

6
Das FG habe in der Verhandlung einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der im Wesentlichen seinem Hilfsantrag entsprochen habe. Diesen Vorschlag habe er als sachgerecht empfunden. Weder die Beigeladene noch das FA hätten dem Erledigungsvorschlag widersprochen, so dass er sich sicher gewähnt habe, das FG werde dem Hilfsantrag entsprechen. Daher habe er auf den Hinweis, der Hauptantrag sei wohl unzulässig, aus prozessökonomischen Gründen nicht mehr näher vorgetragen, insbesondere keine Beweisanträge oder Anträge auf Protokollierung gestellt.

7
Das FG habe in keiner Weise erkennen lassen, dass es beabsichtige, die als Urkundsbeweis präsente Anlage U gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut sowie die zu Protokoll erklärten Aussagen der Beigeladenen als betragsmäßige Begrenzung auf … € pro Jahr auszulegen. Stattdessen widerspreche das Urteil dem Gesamtergebnis des Verfahrens. Das FG habe den Grundsatz rechtlichen Gehörs gemäß § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt, und es liege mangelnde Sachaufklärung vor (§ 76 FGO).

8
Wollte das FG dem Hilfsantrag nicht stattgeben, hätte es den Sachverhalt hinsichtlich des Hauptantrags von Amts wegen umfassend ermitteln müssen, zumal er vorgetragen habe, dass die Beigeladene in einer Einkommensteuererklärung noch im Jahre 2004 erklärt habe, nicht dauernd getrennt zu leben. Zumindest aber hätte es auf die Änderung seiner Rechtsauffassung hinweisen müssen. In diesem Falle hätte er, der Kläger, Zeugenbeweis für die tatsächlichen Voraussetzungen der Zusammenveranlagung angetreten.

9
Hinsichtlich des Hilfsantrags gehe das FG von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, habe auf dieser Grundlage seinen Ermittlungspflichten nicht genügt und hätte im Übrigen auf sein Verständnis hinweisen müssen, um ihn, den Kläger, instand zu setzen, sachgerechte Anträge zu stellen.

10
Das FG stütze sein Urteil darauf, die Beigeladene habe nur der Berücksichtigung eines Betrages von … € als Jahresbetrag zugestimmt. Dies ergebe sich aus der Aussage der Beigeladenen, dass zum Zeitpunkt ihrer Unterschriftsleistung zwar die betragsmäßige Begrenzung von … €, nicht jedoch die Jahreszahl eingetragen gewesen sei.

11
Tatsächlich habe die Beigeladene aber zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sie den Betrag von … € als Beschränkung auf einen Jahresbetrag verstanden wissen wollte. Sie habe nämlich gerade nicht erklärt, dass auch die Angabe „monatlich“ nicht eingetragen gewesen sei. Die Reduzierung des Abzugsbetrages auf einen Jahresbetrag wäre nur in Betracht gekommen, wenn der Eintrag „monatlich“ zum Zeitpunkt der Unterzeichnung tatsächlich gefehlt hätte und/oder die Beigeladene den Abzug der Unterhaltsleistungen tatsächlich habe begrenzen wollen. Dazu habe das FG aber keinerlei Beweise erhoben. Es gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Für seine Schlussfolgerung gebe es keine Sachverhaltsgrundlage.

12
Das FG habe die aus seiner Sicht unklaren Umstände des Zusatzes „monatlich“ –ob vorab oder nachträglich eingetragen– im Sinne einer Begrenzung auf einen Jahresbetrag ausgelegt, ohne den wahren Willen der Beigeladenen und den tatsächlichen Sachverhalt zu ermitteln. Dazu habe jedoch dringend Anlass bestanden.

13
Er, der Kläger, habe vorgetragen, dass die fraglichen Einträge von einer Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten stammten und die Anlage U ihm zur weiteren Vereinbarung mit der Beigeladenen ausgehändigt worden sei. Er habe ferner vorgetragen, dass die Beigeladene zwei Anlagen U unterzeichnet habe, neben der hier streitigen Anlage U für 2003 und 2004 auch die Anlage U für 2005. Beide Anlagen enthielten den Betrag von … €. Obwohl in der Anlage U für 2005 der Zusatz „monatlich“ sogar fehle, hätten Kläger und Beigeladene für dieses Jahr den Eintrag einvernehmlich als Monatsbetrag verstanden und in den jeweiligen Veranlagungen die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen gezogen. Kein Verfahrensbeteiligter habe während des Verfahrensverlaufes geäußert, dass er dieser Regelung nicht auch für das Jahr 2004 zustimmen würde.

14
Dieses Vorbringen habe das FG deutlich erkennbar nicht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung nicht erwogen, obwohl es entscheidungserheblich sei. Ferner hätte das FG erwägen müssen, ob zur Ermittlung des wahren Willens der Beigeladenen der Anlage U für 2005 indizielle Wirkung auch für das Streitjahr 2004 zukomme.

15
Stattdessen habe das FG die Schilderungen der Beigeladenen als nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei behandelt, an ihrer Glaubwürdigkeit keinerlei Zweifel geäußert, obwohl sich aus der Verhandlungsniederschrift ergebe, dass sich die Beigeladene mehrfach sprunghaft und widersprüchlich geäußert habe. So habe sie zunächst erklärt, sie habe nur einmal eine Anlage U unterzeichnet, und dies erst im Verlauf der Verhandlung korrigiert.

16
In einer späteren Verhandlung vor dem Strafrichter gegen den wegen Urkundenfälschung (im Zusammenhang mit einer Unterschrift unter der Steuererklärung, nicht der Anlage U) angeklagten Kläger habe die Beigeladene denn auch unmissverständlich ausgesagt, der Betrag auf der Anlage U für 2003 und 2004 sei als Monatsbetrag verstanden.

17
Das FG hätte auch in Bezug auf den Hilfsantrag darauf hinweisen müssen, dass es beabsichtige, die Klage abzuweisen. In diesem Falle hätte er, der Kläger, beantragt,

die anwesende Beigeladene zu befragen, ob sie den Eintrag von … € auf der Anlage U für 2003 und 2004 als Monats- oder als Jahresbetrag gemeint habe,

in letzterem Falle die anwesende Beigeladene zu befragen, warum sie für das Jahr 2004 im Gegensatz zu 2005 lediglich einem Abzug von … € pro Jahr zustimme,

die Kanzleimitarbeiterin als Zeugin zum Zeitpunkt der Einträge auf der Anlage U zu vernehmen,

das Verfahren auszusetzen, damit er den Anspruch auf Zustimmung auf dem Zivilrechtswege durchsetzen könne,

hilfsweise, Unterhaltsleistungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG anzuerkennen,
sofern das FG dies nicht schon von Amts wegen hätte tun müssen.

18
Das FG weiche ferner von anderen Gerichtsurteilen ab.

19
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in dem Urteil vom 12. Dezember 2007 XI R 36/05 (BFH/NV 2008, 792, unter II.1.a) den Rechtssatz aufgestellt, dass die Zustimmung des Unterhaltsempfängers auch nachträglich als Genehmigung erteilt werden könne, während das FG meine, dass die Anlage U lediglich mit dem vorgegebenen Inhalt auszulegen sei, obwohl die Beigeladene die Anlage U auch für das Streitjahr in der mündlichen Verhandlung explizit genehmigt habe.

20
In dem Urteil vom 14. April 2005 XI R 33/03 (BFHE 210, 235, BStBl II 2005, 825) gehe der BFH davon aus, dass die Zustimmung nicht durch behördliche oder gerichtliche Wertungen ersetzt werden könne, während das FG davon ausgehe, dass die Zustimmung in Form der Anlage U durch Auslegung und Wertungen des Gerichtes zu ermitteln sei.

21
Schließlich gehe das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 14 UF 141/10 (Forum Familienrecht –FF– 2011, 123, dort Rz 24) davon aus, dass die Zustimmungserklärung nicht zwingend durch Unterzeichnung der Anlage U, sondern auf jedwede Weise erfolgen könne, die die Anerkennung als Sonderausgabe ermögliche. Gegebenenfalls sei allerdings die Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung zu ersetzen. Das FG meine hingegen, die Zustimmung liege im freien Ermessen der Unterhaltsempfängerin, so dass es auf die Frage, ob die Beschränkung rechtsmissbräuchlich sei, nicht mehr ankomme.

22
Das FA tritt der Beschwerde entgegen und trägt insbesondere vor, die von dem FG vorgeschlagene Einigung sei deswegen gescheitert, weil der Kläger nicht bereit gewesen sei, die aus der Versteuerung der Unterhaltsleistungen folgende Steuerbelastung der Unterhaltsempfängerin zu übernehmen. Darauf habe die Beigeladene den Vorschlag des FG mit der Begründung abgelehnt, sie könne diese Steuernachzahlung nicht aufbringen. Sie habe in der mündlichen Verhandlung die Anlage U gerade nicht genehmigt. Es sei nicht nachvollziehbar, wie vor diesem Hintergrund der Kläger den Eindruck gewonnen habe, das FG werde im Sinne des Hilfsantrags entscheiden.

Entscheidungsgründe
23
II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten vor. Da das FG erneut –nunmehr auf zutreffender Tatsachengrundlage– eine Beweiswürdigung wird vornehmen müssen, verweist der Senat gemäß § 116 Abs. 6 FGO bereits im Beschwerdeverfahren den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

24
1. Allerdings stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass das FG in Bezug auf den Hauptantrag keine weitere Aufklärung betrieben hat.

25
Eine Verpflichtung zur (weiteren) Sachaufklärung von Amts wegen ohne Antrag gemäß § 76 Abs. 1 FGO setzt unter anderem voraus, dass sich diese dem FG aufdrängen musste (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150). Das war nicht der Fall. Die Beigeladene hatte in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie habe mit dem Kläger schon im Streitjahr nicht mehr zusammen gelebt. Wie diese Angabe zu bewerten war, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und auch dann, wenn sie fehlerhaft wäre, keinen Verfahrensfehler darstellt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76). Ob es weitere Beweismöglichkeiten in Gestalt weiterer Zeugen gab, konnte nur der Kläger, nicht das FG wissen.

26
2. Ebenso liegt ein Verfahrensfehler nicht bereits in einem fehlenden Hinweis des FG darauf, dass es dem Hilfsantrag trotz seines Verständigungsvorschlags nicht ohne weiteres stattzugeben beabsichtige.

27
Eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 76 Abs. 2 FGO, die wenn sie vorläge, als Überraschungsentscheidung eine Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. von § 119 Nr. 3 FGO (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2012 X B 4/10, BFH/NV 2012, 958) sein könnte, liegt nicht vor. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, inwieweit das Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren zu dem Inhalt der Gespräche in der mündlichen Verhandlung überhaupt berücksichtigt werden kann, obwohl ein derartiger Vorschlag –entgegen § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)– nicht in das Protokoll aufgenommen ist. In der Sache vermag der Senat auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags insoweit keine Verletzung der Hinweispflicht festzustellen. Denn sie setzt denknotwendig voraus, dass der Beteiligte die Umstände, auf die er meint nicht hingewiesen worden zu sein, nicht bereits anderweit hat sehen können und müssen. An einer solchen Überraschung fehlt es.

28
Eine entsprechende Hinweispflicht kommt nur in Betracht, wenn der Verfahrensverlauf dem Kläger die Gewissheit vermitteln konnte, der Hilfsantrag werde nicht abgewiesen. Entsprechende Tatsachen vermag der Senat nicht festzustellen. Insbesondere konnte der Kläger eine derartige Gewissheit nicht aus dem Umstand folgern, dass das FG einen Erledigungsvorschlag unterbreitet hat, der im Kern dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen hätte. Der Senat geht davon aus, dass die Darstellung des FA zu Inhalt und Schicksal dieses Erledigungsvorschlags zutrifft, dass es nämlich die fehlende Bereitschaft des Klägers zur Übernahme einer etwaigen steuerlichen Mehrbelastung seitens der Beigeladenen war, an der die Erledigung gescheitert ist. Der Gang des Verfahrens lässt auch und insbesondere nach den Angaben des Klägers selbst keine andere Annahme zu.

29
a) Tatsächlich ist es zu der vorgeschlagenen Erledigung nicht gekommen. Das bedeutet, dass entweder das FA oder der Kläger dem Vorschlag nicht gefolgt sind. Die prozessuale Zustimmung der Beigeladenen zu einer Änderung des Bescheides und einer beidseitigen Hauptsacheerledigungserklärung nach § 138 FGO (zu unterscheiden von der materiell-rechtlichen Zustimmung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) wäre nicht erforderlich gewesen, da der Beigeladene über den Streitgegenstand nicht verfügen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 2000 VIII R 33/00, BFH/NV 2001, 320). Abgesehen davon hat der Kläger sogar vorgetragen, die Beigeladene sei mit dem Vorschlag einverstanden gewesen. Der Kläger hat aber außerdem erklärt, das FA sei mit der vorgeschlagenen Erledigung einverstanden gewesen. Die Erledigung kann also nur an der fehlenden Zustimmung des Klägers selbst gescheitert sein.

30
b) Hätte das FG den Beteiligten mitgeteilt, ein Anspruch auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestehe bereits, weil die Beigeladene mit der Anlage U eine wirksame Zustimmung zum Sonderausgabenabzug in Höhe von … € erklärt habe, wäre es aus Sicht des Klägers gänzlich unsinnig gewesen, dem Vorschlag nicht zuzustimmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn er –wie er vorträgt– eine Entscheidung im Sinne des Hilfsantrags für sachdienlich erachtete.

31
Die einzig plausible Erklärung für die fehlende Zustimmung entspricht der Darstellung des FA, dass nämlich der Kläger nicht bereit war, eine Erklärung über die Übernahme der steuerlichen Belastung der Beigeladenen abzugeben. Das bedeutet aber, dass Gegenstand der Gespräche über eine etwaige Erledigung in der mündlichen Verhandlung nicht etwa die Abhilfe auf Grund eines durch die Anlage U bereits begründeten Anspruchs auf den begehrten Sonderausgabenabzug gewesen sein konnte. Vielmehr muss Gegenstand dieser Gespräche die Frage gewesen sein, ob durch entsprechende Erklärungen des Klägers und der Beigeladenen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Anspruchs erstmals begründet werden könnten.

32
c) Der Kläger musste also davon ausgehen, dass das FG ohne derartige zusätzliche Erklärungen in der mündlichen Verhandlung den Sonderausgabenabzug verwehren würde. Er konnte gerade nicht mehr wie selbstverständlich auf ein –hinsichtlich des Hilfsantrags– stattgebendes Urteil hoffen.

33
3. Bei der Behandlung des Hilfsantrags hat das FG jedoch entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen.

34
Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2010 X B 95/09, BFH/NV 2010, 1827).

35
So verhält es sich hier. Ob hierin gleichzeitig eine Verletzung rechtlichen Gehörs lag, ist nicht maßgebend.

36
a) Das FG hat seine Entscheidung wesentlich auf eine Äußerung der Beigeladenen gestützt, die ausweislich des Protokolls so nicht gefallen ist, ferner auf vermeintlich fehlenden Vortrag der Klägerseite, der tatsächlich aber existiert.

37
Es heißt in dem Urteil (S. 5, zweiter Absatz), der Senat folge auch insoweit [dies bezieht sich auf die nachträgliche Einfügung der Jahreszahl] der Darstellung der Beigeladenen, dass dieser Zusatz [dies bezieht sich auf den Zusatz „monatlich“] nachträglich, das heißt nachdem die Beigeladene unterschrieben hatte, eingefügt worden ist. Weder der Kläger noch der Prozessbevollmächtigte hätte einen anderen Sachverhalt substantiiert geschildert.

38
aa) Den Akten ist Folgendes zu entnehmen:

39
Das FA hat in seiner Klageerwiderung geäußert, es sei möglich, dass das Wort „monatlich“ erst nach Unterschrift der Beigeladenen ergänzt worden sei. In der Replik hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, die Anlage U für die Jahre 2003 und 2004 habe seine Mitarbeiterin hinsichtlich der Angaben „Steuernummer“, „monatlich“ und „Jahreszahlen“ vorbereitet und dem Kläger ausgehändigt.

40
In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene ausweislich des Protokolls verschiedene Angaben zu der Frage gemacht, welche Anlage U sie unterschrieben habe, schließlich nach Unterbrechung der Sitzung erklärt, sie habe beide Anlagen U (für 2003/2004 sowie für 2005) unterschrieben. Allerdings seien zum Zeitpunkt der Unterschrift die Jahreszahlen noch nicht eingetragen gewesen. Äußerungen zu der Frage, ob der Zusatz „monatlich“ bereits zum Zeitpunkt ihrer Unterschrift vorhanden gewesen sei, hat sie nach dem Protokoll nicht abgegeben.

41
bb) Nach alledem ist das FG zum Beleg seiner Annahme, der Zusatz „monatlich“ sei nachträglich eingefügt worden, in zweierlei Hinsicht von einem unzutreffenden Akteninhalt ausgegangen.

42
aaa) Dies betrifft bereits die Aussage, es gebe keine abweichende substantiierte Schilderung des Klägers oder des Prozessbevollmächtigten.

43
Zwar ist es eine Wertungsfrage, von welcher Darstellungsgenauigkeit an eine Schilderung als substantiiert zu bezeichnen ist. Indes ist dem Senat nicht klar, inwiefern die Schilderung des Prozessbevollmächtigten zu der Vorbereitung der Anlage U durch die Mitarbeiterin nicht substantiiert gewesen sein soll. Der Vortrag war klar. Der Senat nimmt an, dass das FG dieser Schilderung nicht folgen wollte, da es –den Darstellungen der Beigeladenen folgend– von einem nachträglichen Einfügen der Jahreszahl ausging. Da ausweislich des klägerischen Vortrags sowohl die Jahreszahl als auch der Zusatz „monatlich“ vorbereitet gewesen sein soll, war es möglicherweise für das FG naheliegend, auch hinsichtlich des Zusatzes „monatlich“ von einem nachträglichen Einfügen auszugehen. Das betrifft aber nicht die Substantiierung, sondern die Glaubhaftigkeit des Vortrags.

44
bbb) Es betrifft weiter und insbesondere die Aussage, nach Darstellung der Beigeladenen sei der Zusatz „monatlich“ nachträglich eingefügt worden. Eine solche Darstellung hat es nach dem Protokoll nicht gegeben.

45
Selbst das FA hat dies nicht ausdrücklich behauptet, sondern nur als möglich angesehen.

46
Sollte die Beigeladene eine derartige Aussage gemacht, das FG sie lediglich nicht protokolliert haben, berührt dies nach den o.g. Maßstäben den Verstoß gegen den klaren Akteninhalt nicht, zumal es nicht verizifierbar wäre.

47
b) Des Weiteren hat das FG übersehen, dass in Gestalt der Anlage U für 2005 ein Beweismittel vorhanden war, das für die Frage hätte herangezogen werden können, wie der Kläger und die Beigeladene ihre Erklärungen in der Anlage U für 2003 und 2004 gemeint haben.

48
Das FG hat lediglich die Existenz der Anlage U für 2005, nicht aber deren grundsätzliche Beweiseignung für die Interpretation der Anlage U für 2003 und 2004 gesehen. Zwar verbieten sich zwingende Schlüsse von einem Veranlagungszeitraum auf den anderen. Zum einen beweist allein der Umstand, dass die Beteiligten die Anlage U für 2005 in bestimmter Weise verstanden haben und das zuständige Finanzamt dem gefolgt ist, nicht, dass diese Sachbehandlung richtig war. Zum anderen war gerade der Zusatz „monatlich“ nur in der einen Anlage U vorhanden, wenn er auch ausgerechnet dort fehlte, wo alle Beteiligten die Angabe in diesem Sinne verstanden haben. Jedenfalls aber hätte das FG die Anlage U für 2005 in seine Erwägungen einbeziehen müssen.

49
c) Bei der Auslegung der Zustimmungserklärung der Beigeladenen wird das FG schließlich auch zu prüfen haben, ob bereits die Formulierung unter Teil B der Anlage U, der Empfänger stimme dem Antrag „dem Grunde nach“ zu, eine Begrenzung der Zustimmung auf eine bestimmte Höhe ausschließt.

50
4. Obwohl es im Verfahren betreffend die Nichtzulassung der Revision nicht darauf ankommt, weist der Senat mit Blick auf das Beschwerdevorbringen in rechtlicher Hinsicht auf Folgendes hin:

51
a) Die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG setzt nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift einen Antrag voraus.

52
b) Von den Rechtsgrundsätzen des Urteils in BFH/NV 2008, 792 ist das FG nicht abgewichen. Es ist gerade nicht festzustellen, dass die Beigeladene die Anlage U auch für das Streitjahr nachträglich genehmigt habe.

53
c) Auch eine Abweichung von dem Urteil in BFHE 210, 235, BStBl II 2005, 825 ist nicht erkennbar. Das FG ist gerade von dem dort genannten Rechtssatz ausgegangen, dass der Sonderausgabenabzug von der tatsächlich erteilten Zustimmung des Unterhaltsempfängers abhängt. Da allerdings die Zustimmung –wie sich ebenfalls aus dieser Entscheidung ergibt– eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist, war das FG befugt und verpflichtet, den Inhalt der Erklärung der Beigeladenen zu ermitteln und auszulegen. Das ist nicht die Ersetzung einer fehlenden Willenserklärung.

54
d) Ebenso wenig divergiert das FG von den Grundsätzen, die das OLG Oldenburg in seinem Beschluss in FF 2011, 123 aufgestellt hat.

55
Das OLG ist davon ausgegangen, dass nicht unbedingt die Unterzeichnung der Anlage U zu fordern sei, sondern auch eine formfreie, wenn auch nachprüfbare, Zustimmung des Unterhaltsempfängers ausreiche. Davon ist das FG gerade nicht abgewichen. Andernfalls hätte es nicht den Vorschlag unterbreiten können, den Rechtsstreit durch entsprechende Zustimmung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung und darauf folgende Anerkennung des Sonderausgabenabzugs zu beenden.

56
Soweit das OLG im Übrigen ausgeführt hat, unter welchen Umständen ein ggf. gerichtlich durchzusetzender Anspruch auf Erteilung der Zustimmung besteht, ist das FG hiervon ebenfalls nicht abgewichen. Insbesondere meinte das FG nicht, die Beigeladene als Unterhaltsempfängerin dürfe nach Belieben –ggf. auch rechtsmissbräuchlich– über die Zustimmung entscheiden. Das FG hat sich hierzu zutreffend nicht geäußert, denn auf die Frage, ob die Beigeladene die Zustimmung erteilen musste oder verweigern durfte, kommt es im finanzgerichtlichen Verfahren nicht an. Hier ist lediglich zu beurteilen, ob eine Zustimmung vorliegt, nicht aber die vorgeschaltete Frage, ob ein Anspruch auf Zustimmung besteht. Letzterer Streit gehört nach § 33 FGO nicht vor die Finanzgerichte. Davon geht übrigens der Kläger auch selbst aus, wenn er im Rahmen seiner Verfahrensrügen beanstandet, das FG hätte ihm durch Aussetzung des Verfahrens Gelegenheit geben müssen, die Zustimmung der Beigeladenen zivilgerichtlich durchzusetzen. Dieser Zuständigkeitsspaltung entspricht es, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG gerade der Antrag des Unterhaltsleistenden war, den Unterhaltsberechtigten zur Zustimmung zu verurteilen. Die in Rz 29 genannte Ersetzung der Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung folgt erst aus § 894 Satz 1 ZPO mit Rechtskraft der Entscheidung im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens.

57
e) Der Vollständigkeit halber weist der Senat auf sein Urteil vom 25. Juli 1990 X R 137/88 (BFHE 161, 517, BStBl II 1990, 1022) hin, wonach im finanzgerichtlichen Verfahren selbst eine etwaige missbräuchliche Verweigerung der Zustimmung nicht zu prüfen und daher nicht entscheidungserheblich ist (Bestätigung durch Urteil des BFH vom 2. Juli 2003 XI R 8/03, BFHE 202, 544, BStBl II 2003, 803). Dem FG fällt daher kein Versäumnis zur Last, wenn es diese Frage nicht näher geprüft hat.

Für das Kindergeld gelten die Vorschriften der Abgabenordnung und und nicht §§ 44 ff. SGB X analog

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 06.03.2013
Streitjahre: 2007, 2008, 2010
Aktenzeichen: III B 113/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 62 EStG 2002, § 62 EStG 2009, §§ 62ff EStG 2002, §§ 62ff EStG 2009, § 31 S 3 EStG 2002, § 31 S 3 EStG 2009, § 44 SGB 10, §§ 44ff SGB 10, § 46 Abs 1 S 1 FGO, § 155 Abs 4 AO, § 1 Abs 1 S 1 AO, Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71, Art 1 Buchst u EWGV 1408/71, § 172 AO, §§ 172ff AO, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, EStG VZ 2010
(Keine Anwendung der Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrens über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten auf die Kindergeldfestsetzung nach dem EStG – Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Übermittlung von Unterlagen nur an den Prozessbevollmächtigten – Zureichender Grund für das Hinausschieben einer Einspruchsentscheidung im Rahmen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO)

Leitsatz

1. NV: Es ist bereits geklärt, dass auf das nach dem EStG zu gewährende Kindergeld die Vorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind und die diesen gegenüber günstigeren Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB X auch nicht analog herangezogen werden können.

 

2. NV: Das FG genügt der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es entscheidungserhebliche Unterlagen dem Prozessbevollmächtigten des Beteiligten übermittelt. Eine zusätzliche Übermittlung an den Beteiligten persönlich ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Orientierungssatz

1. NV: Zu Leitsatz 1: Nichts anderes ergibt sich insoweit daraus, dass das Kindergeld dem sachlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfällt. Welche nationalen Verfahrensvorschriften auf die vom jeweiligen Mitgliedstaat gewährten Familienleistungen Anwendung zu finden haben, bestimmt sich nach den nationalen Vorschriften (hier: nach § 31 Satz 3 EStG, §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 155 Abs. 4 AO).

 

2. NV: Das FG darf es i.S.d. § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO als zureichenden Grund für das Hinausschieben einer Einspruchsentscheidung ansehen, dass die Familienkasse zunächst die Entscheidung des FG zu einem bereits anhängigen Zeitraum abwarten wollte, wenn sich insoweit für beide Zeiträume im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen stellen.

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang

vorgehend FG Hamburg, 5. Juli 2012, Az: 5 K 77/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
im Text BFH, 6. Juli 2012, Az: III B 240/11
im Text BFH, 28. Februar 2012, Az: III B 55/10
im Text Landessozialgericht Hamburg, 2. Februar 2012, Az: L 2 EG 6/10 B PKH
im Text BFH, 22. Dezember 2011, Az: III R 41/07
im Text BFH, 20. April 2011, Az: III B 124/10
Vergleiche BVerfG, 6. April 2011, Az: 1 BvR 1765/09
im Text BFH, 16. Juni 2010, Az: X B 91/09
im Text BFH, 30. März 2010, Az: VII B 170/09
Vergleiche BFH, 19. November 2008, Az: III R 108/06
im Text BFH, 30. Mai 2008, Az: IX B 216/07
Vergleiche BFH, 3. April 2008, Az: I B 77/07
im Text EuGH, 12. Februar 2008, Az: C-2/06
im Text BFH, 29. November 2007, Az: III S 30/06 (PKH)
im Text BFH, 20. April 2006, Az: III R 64/04
Vergleiche BFH, 24. Februar 2005, Az: IX B 179/03
im Text EuGH, 13. Januar 2004, Az: C-453/00
im Text BFH, 7. Juli 1999, Az: VI R 203/98

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist bulgarische Staatsangehörige. Sie ist die Mutter eines im September 2006 geborenen Sohnes. Im Zeitraum vom 11. Mai 2006 bis 29. Mai 2009 war die Klägerin mit dem Vater des Kindes, einem deutschen Staatsangehörigen, verheiratet. Mit Datum vom 3. Mai 2007 meldete die Klägerin den Sohn und sich in Deutschland ab, da sie mit diesem nach Bulgarien zog.

 

2
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) setzte zunächst mit Bescheid vom 8. November 2006 Kindergeld zugunsten der Klägerin fest. Nachdem die Klägerin die Familienkasse über den Wohnsitzwechsel mit E-Mail vom 23. September 2007 informiert und die Weiterzahlung des Kindergelds an sich begehrt hatte, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 5. Oktober 2007 rückwirkend ab Juni 2007 auf und forderte das für Juni bis September 2007 bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 616 € von der Klägerin zurück. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2007 zurück. Eine Klage erhob die Klägerin hiergegen nicht.

 

3
Mit Schreiben vom 27. April 2009 begehrte die Klägerin erneut Kindergeld ab Juni 2007. Diesen Antrag lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 18. Mai 2009 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 23. März 2010 als unbegründet zurück.

 

4
Mit der am 26. April 2010 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Klage wandte sich die Klägerin gegen den Bescheid vom 18. Mai 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 23. März 2010.

 

5
Im Laufe des Klageverfahrens lehnte die Familienkasse einen erneuten Kindergeldantrag der Klägerin vom 23. September 2010 mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 ab Mai 2010 ab. Für das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren ordnete die Familienkasse das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens an.

 

6
Das FG gab der Klage für den Zeitraum April 2008 bis einschließlich März 2010 statt und wies sie im Übrigen ab. Zur Begründung der teilweisen Klageabweisung verwies das FG im Wesentlichen darauf, dass es der Klägerin hinsichtlich des Zeitraums ab April 2010 an der Klagebefugnis mangele, weil die Familienkasse in den angegriffenen Bescheiden insoweit noch keine ablehnende Regelung des Kindergeldanspruchs getroffen habe. Für den Zeitraum von Juni 2007 bis einschließlich Januar 2008 sei die Klage unbegründet, da über diesen Zeitraum bereits durch Bescheid vom 5. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2007 bestandskräftig entschieden worden sei. Für die Monate Februar und März 2008 scheide ein Kindergeldanspruch der Klägerin aus, da der Kindsvater kein Arbeitnehmer i.S. des Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung gewesen sei und er daher der Klägerin keinen Kindergeldanspruch nach dieser Vorschrift vermitteln könne.

 

7
Mit ihrer gegen die teilweise Klageabweisung gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) und wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

 

Entscheidungsgründe

8
II. Der Senat konnte ohne weitere Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Beiordnung eines anderen Prozessbevollmächtigten über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters ist nach § 142 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe möglich. Diese hat die Klägerin nicht beantragt.

 

9
Da in dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Vertretungszwang besteht (§ 62 Abs. 4 FGO), würde ein etwaiger Widerruf der Vollmacht des bisherigen Prozessbevollmächtigten nach § 87 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO erst durch die Bestellung eines anderen Vertreters i.S. des § 62 Abs. 4 FGO Wirksamkeit erlangen (BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 VI R 203/98, BFH/NV 2000, 59).

 

III.

10
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

 

11
1. Die Revision ist nicht zuzulassen, soweit sich die Klägerin gegen die Ablehnung des Kindergeldanspruchs für die Monate Juni 2007 bis einschließlich Januar 2008 wendet.

 

12
a) aa) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob auf nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) ergangene Kindergeldbescheide die Regelung des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuwenden ist, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auf Grund dessen eine Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht wurde, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

 

13
Diese setzt u.a. voraus, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und in einem Revisionsverfahren auch geklärt werden kann. An der Klärungsfähigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung erforderlich machen (z.B. BFH-Beschluss vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445).

 

14
bb) Danach kommt eine Zulassung hier nicht in Betracht. Denn diese Rechtsfrage ist bereits geklärt. So geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auf das nach dem EStG zu gewährende Kindergeld die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) anzuwenden sind und die diesen gegenüber günstigeren Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB X auch nicht analog herangezogen werden können (z.B. Senatsurteil vom 19. November 2008 III R 108/06, BFH/NV 2009, 357, m.w.N.). Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. April 2011 1 BvR 1765/09, zu § 44 SGB X, BFH/NV 2011, 1277) verstößt die verfahrensrechtliche Schlechterstellung bei der Gewährung von Kindergeld nach dem EStG gegenüber einer Kindergeldleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da sie durch Praktikabilitätserwägungen sachlich gerechtfertigt ist. Diese sprechen dafür, für das nach dem EStG festzusetzende Kindergeld die Anwendung des steuerlichen Verfahrensrechts der AO vorzuschreiben, denn die für die Streitigkeiten aus dem EStG zuständigen FG sind mit der Anwendung dieses Verfahrensrechts besonders vertraut.

 

15
Nichts anderes ergibt sich insoweit daraus, dass das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung ihrem sachlichen Geltungsbereich unterfällt. Denn die VO Nr. 1408/71 enthält keine Bestimmungen darüber, welche nationalen Verfahrensvorschriften auf die vom jeweiligen Mitgliedstaat gewährten Familienleistungen Anwendung zu finden haben. Dies bestimmt sich nach den nationalen Vorschriften, mithin hier nach § 31 Satz 3 EStG, §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 155 Abs. 4 AO.

 

16
b) aa) Soweit die Klägerin die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob ein bestandskräftiger Kindergeldaufhebungsbescheid im Hinblick auf seinen gegen EU-Recht verstoßenden Inhalt aufzuheben ist, genügt der Vortrag der Klägerin bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Zu einer Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehört u.a. eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Normen und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2010 X B 91/09, BFH/NV 2010, 1844).

 

17
bb) Insoweit setzt sich die Klägerin aber insbesondere nicht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auseinander, wonach ein Verstoß gegen Unionsrecht nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Aufhebung oder Abänderung einer bestandskräftig gewordenen Verwaltungsentscheidung zwingt (EuGH-Urteile vom 13. Januar 2004 C-453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837; vom 12. Februar 2008 C-2/06, Willy Kempter, Slg. 2008, I-411). Zu diesen Voraussetzungen zählt u.a., dass die Behörde nach nationalem Recht zur Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts befugt ist, was im Hinblick auf Steuerbescheide nur unter bestimmten Umständen der Fall ist (§ 172 Abs. 1 AO).

 

18
2. Eine Revisionszulassung scheidet ebenso aus, soweit sich die Klägerin gegen die Ablehnung des Kindergeldanspruchs für die Monate Februar und März 2008 wendet.

 

19
a) Soweit die Klägerin die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob das FG den Kindsvater im betreffenden Zeitraum zu Unrecht nicht als in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehend angesehen hat, wurden die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht hinreichend dargelegt.

 

20
aa) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt voraus, dass eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausgestellt wird, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat.

 

21
bb) Die Klägerin hat diesbezüglich weder eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausgestellt noch hat sie ausgeführt, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen diese Rechtsfrage umstritten ist und deshalb einer höchstrichterlichen Klärung bedarf. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Subsumtion des FG angreift, rügt sie im Grunde nur eine falsche Rechtsanwendung. Hierdurch lässt sich aber die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510).

 

22
b) Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) sind nicht gegeben, soweit die Klägerin geltend macht, das FG weiche in der angegriffenen Entscheidung von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Februar 2012 (Az. L 2 EG 6/10 B PKH) ab.

 

23
aa) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt u.a. voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist (z.B. Senatsbeschluss vom 6. Juli 2012 III B 240/11, BFH/NV 2012, 1601, m.w.N.).

 

24
bb) Im vorliegenden Fall weicht die angegriffene Entscheidung nicht von der von der Klägerin genannten Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg ab. Das Landessozialgericht hat in den von der Klägerin genannten Teilen der Entscheidungsgründe (S. 12 oben und S. 14) die Frage, ob der Kindsvater in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand, nicht beantwortet, sondern im Hinblick auf eine weitere Prüfung im Hauptsacheverfahren offen gelassen.

 

25
c) Die Revision ist ebenso nicht wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

 

26
aa) Die Klägerin macht geltend, das FG habe ihr Unterlagen der Rentenversicherung R und der Krankenkasse K, auf die es seine Entscheidung gestützt habe, nicht zur Kenntnis gegeben.

 

27
Insoweit erfordert es die Pflicht des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) zwar u.a. auch, den Beteiligten entscheidungserhebliche Fakten und Unterlagen zur Kenntnis zu übermitteln (BFH-Beschluss vom 24. Februar 2005 IX B 179/03, BFH/NV 2005, 1128). Dieser Pflicht hat das FG jedoch genügt, da es die betreffenden Unterlagen gemäß den richterlichen Verfügungen vom 11. und 12. Januar 2012 dem Klägervertreter übersandt hat. Da sich die Beteiligten gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 FGO in jeder Lage des finanzgerichtlichen Verfahrens durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen können –was die Klägerin durch Bevollmächtigung ihres anwaltlichen Vertreters getan hat–, genügt es, dass diesem durch Übersendung von Schriftsätzen rechtliches Gehör gewährt wird (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 278). Das FG musste daher die betreffenden Unterlagen nicht zusätzlich an die Klägerin persönlich übermitteln.

 

28
bb) Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel, das FG habe Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil es kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union an den EuGH gerichtet habe, liegt schon deshalb nicht vor, weil das FG als Instanzgericht hierzu nicht verpflichtet war (Senatsbeschluss vom 29. November 2007 III S 30/06 (PKH), BFH/NV 2008, 777, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 30. März 2010 VII B 170/09, BFH/NV 2010, 1669, m.w.N.).

 

29
3. Die Revision ist auch insoweit nicht zuzulassen, als sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Kindergeldanspruchs für den Zeitraum ab April 2010 wendet.

 

30
a) aa) Der Frage, wie weit der Regelungsgegenstand eines Kindergeldaufhebungs- oder -ablehnungsbescheides reicht und inwieweit eine Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) bei dem Adressaten eines solchen Bescheides ausgelöst wird, kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH zu dieser Frage. Denn die Frage ist bereits in dem Sinne, wie sie das FG unter Punkt II.1. Buchst. a der Entscheidungsgründe zutreffend dargelegt hat, durch die Rechtsprechung des BFH geklärt (z.B. Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II 2012, 681, m.w.N.). Zureichende Gründe, weshalb diese Frage einer erneuten Klärung durch den BFH bedürfte, hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt.

 

31
bb) Ebenso wenig hat die Klägerin dargelegt, weshalb die unmittelbar aus § 44 Abs. 1 FGO zu beantwortende Frage, wonach ein Bescheid –wie hier der erst im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangene Ablehnungsbescheid vom 7. Oktober 2010– erst nach Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens mit der Klage angegriffen werden kann, einer weiteren Klärung bedürfte.

 

32
b) Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe die Klage für den Zeitraum ab April 2010 zu Unrecht durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, kann zwar einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. April 2011 III B 124/10, BFH/NV 2011, 1110). Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall aber nicht vor.

 

33
Das FG hat die Klage insoweit zu Recht als unzulässig verworfen. Denn im Zeitpunkt der Klageerhebung lag für einen Teil des betreffenden Zeitraums noch keine ablehnende Entscheidung der Familienkasse vor (Kindergeld für April 2010). Zudem lagen für den weiteren Teil dieses Zeitraums (ab Mai 2010) weder eine Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 44 Abs. 1 FGO) noch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO vor. Insbesondere durfte es das FG i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO als zureichenden Grund für das Hinausschieben der Einspruchsentscheidung ansehen, dass die Familienkasse zunächst die Entscheidung des FG zu dem bereits anhängigen Zeitraum abwarten wollte, da sich insoweit für beide Zeiträume im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen stellten.

 

34
4. Auch aus den weiteren Ausführungen der Klägerin ergeben sich keine Revisionszulassungsgründe.

 

35
a) Soweit die Klägerin Fragen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs formuliert, fehlt es an der hinreichenden Auseinandersetzung mit der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Soweit sie die Frage aufgreift, welche Behörde richtige Beklagte des Rechtsstreits sein müsste, mangelt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Regelung des § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO.

 

36
b) Soweit die Klägerin die Frage einer Verzinsung des Kindergeldanspruchs für grundsätzlich bedeutsam hält, setzt sie sich nicht mit der Senatsrechtsprechung auseinander, wonach der Anspruch auf Verzinsung eines Steuervergütungsanspruchs auch nicht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gestützt werden kann (Senatsurteil vom 20. April 2006 III R 64/04, BFHE 212, 416, BStBl II 2007, 240).

 

37
c) Soweit die Klägerin Revisionszulassungsgründe im Zusammenhang mit einer ihrer Ansicht nach unrichtigen Kostenentscheidung des FG geltend macht, übersieht sie, dass nach § 145 FGO die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig ist, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Aus dieser Vorschrift folgt, dass die Revision wegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO, der allein die Kostenentscheidung betrifft, nicht zuzulassen ist, wenn der Nichtzulassungsbeschwerde –wie im vorliegenden Fall– in der Hauptsache der Erfolg zu versagen ist (Senatsbeschluss vom 28. Februar 2012 III B 55/10, BFH/NV 2012, 972, m.w.N.).

 

Liebhaberei: Einstellung der Tätigkeit beweist nicht Gewinnerzielungsabsicht

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 05.03.2013
Streitjahre: 2004, 2005, 2006
Aktenzeichen: X B 98/11
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, § 2 Abs 1 EStG 2002, 15 Abs 2 EStG 2002
Liebhaberei

Leitsatz
NV: Allein der Umstand, dass eine verlustbringende Tätigkeit während der Anlaufphase wieder eingestellt wird, beweist nicht, dass sie von Beginn an mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde (Anschluss an das Senatsurteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 18. Mai 2011, Az: 3 K 451/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 31. Juli 2012, Az: X B 164/11
im Text BFH, 19. Mai 2011, Az: X B 164/10
Vergleiche BFH, 23. Mai 2007, Az: X R 33/04
Vergleiche BFH, 29. März 2007, Az: IV R 6/05
Vergleiche BFH, 21. Juli 2004, Az: X R 33/03
im Text BFH, 10. September 2003, Az: X B 132/02

Tatbestand
1
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren die Berücksichtigung von Verlusten, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) unter Berufung auf fehlende Gewinnerzielungsabsicht verwehrt hat.

2
Der Kläger hatte gemeinsam mit einem Dritten seit 2003 einen damals 13 oder 14 Jahre alten Sportler finanziell unterstützt, mit … € im Jahre 2004 und mit … € im Jahre 2006. Er hätte dafür gemäß mündlicher Absprache im Erfolgsfalle an Werbe- und Preisgeldern beteiligt werden sollen. Diese blieben aus. Nach einer Verletzung des Sportlers 2007 stellte der Kläger die Förderung ein. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, da von Beginn der Förderung an weder eine positive Ergebnisprognose zu stellen gewesen sei noch der Kläger diese Förderung zum Zwecke der Erzielung eines Totalüberschusses betrieben habe.

3
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger Divergenzen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie Verfahrensmängel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt mangelnder Sachaufklärung und unzureichender Hinweise geltend.

Entscheidungsgründe
4
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Weder die geltend gemachten Abweichungen zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) noch die behaupteten Verfahrensmängel liegen vor.

5
1. Die Kläger sehen Divergenzen zu den Urteilen des BFH vom 23. Mai 2007 X R 33/04 (BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874), vom 21. Juli 2004 X R 33/03 (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) und vom 29. März 2007 IV R 6/05 (BFH/NV 2007, 1492). Die abstrakten Rechtsgrundsätze, von denen das FG ausgegangen ist, weichen jedoch von den tragenden Rechtsausführungen der genannten BFH-Urteile nicht ab (vgl. zu den Voraussetzungen der Divergenz Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53 ff.).

6
a) In der Entscheidung in BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874 hatte der BFH (dort unter II.2.b dd) ausgeführt, solange der Anlaufzeitraum noch nicht abgeschlossen sei, könne einer unternehmerischen Tätigkeit, selbst wenn sie von Beginn an nur Verluste eingebracht habe und nach der Art, wie sie betrieben werde, auch auf Dauer gesehen nicht geeignet sei, Gewinne abzuwerfen, nur in Ausnahmefällen die steuerliche Anerkennung versagt werden. Der Anlaufzeitraum wiederum sei regelmäßig mit fünf Jahren zu bemessen (unter II.2.b cc).

7
aa) Dies bedeute, so meinen die Kläger, dass von der Ausübung einer verlustbringenden Tätigkeit aus im Bereich der privaten Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen nur dann ausgegangen werden könne, wenn diese verlustbringende Tätigkeit über einen längeren Zeitraum fortgesetzt werde. Erst nach einer betriebsspezifischen Anlaufzeit würden größere Korrektur- und Umstrukturierungsmaßnahmen notwendig.

8
Das FG gehe hingegen davon aus, dass trotz Einstellung der Tätigkeit nach einem (noch als Anlaufphase anzusehenden) Zeitraum von zwei Jahren bei Eintreten der Erkenntnis, dass keine Überschüsse erzielt werden könnten, nicht von einer Tätigkeit zur Erzielung eines Totalüberschusses, sondern einer Tätigkeit aus im Bereich der persönlichen Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen (Liebhaberei) auszugehen sei.

9
bb) Mit dieser Gegenüberstellung verkennen die Kläger den Inhalt sowohl des BFH-Urteils als auch des FG-Urteils.

10
aaa) Die Kläger verstehen das BFH-Urteil so, als ob die Anlaufphase eine Art Schonfrist sei, vor deren Ablauf einer Tätigkeit die steuerliche Anerkennung niemals versagt werden könne. Dies ergibt sich aus ihrer Formulierung „nur dann ausgegangen“. Eine derartige Aussage ist der Entscheidung allerdings gerade nicht zu entnehmen. Der BFH hat ausdrücklich ausgeführt, in derartigen Fällen könne der Tätigkeit nur in Ausnahmefällen die steuerliche Anerkennung versagt werden. In Ausnahmefällen ist dies also möglich.

11
bbb) Ebenfalls missverstanden haben die Kläger das FG-Urteil.

12
Das FG hat ausgeführt, dass die Beendigung des finanziellen Engagements nach lediglich zwei Verlustjahren für die Erfolgsorientierung gesprochen habe. Es hat aus weiteren Umständen, nicht zuletzt der unzureichenden Durchsetzbarkeit der Forderungen, geschlossen, dass im konkreten Fall trotz der schnellen Beendigung von einer Tätigkeit im Bereich der allgemeinen Lebensführung in Gestalt des Sportmäzenatentums auszugehen sei.

13
Danach liegt dem FG-Urteil der Rechtssatz zugrunde, dass unter bestimmten Umständen trotz Einstellens der verlustbringenden Tätigkeit nach zwei Jahren bei Eintreten entsprechender Erkenntnis von Liebhaberei ausgegangen werden könne.

14
cc) Da der BFH in Ausnahmefällen auch bei Beendigung der Tätigkeit innerhalb der regelmäßigen Anlaufphase die Annahme von Liebhaberei für möglich hält, steht ein derartiger Rechtssatz dazu nicht in Widerspruch.

15
Es trifft nicht zu, wie die Kläger meinen, dass das FG anders als der BFH nicht von einer Regel-Ausnahme-Konstellation ausgegangen wäre und auf diese Weise von den abstrakten Aussagen des BFH abgewichen wäre. Das FG hat tatsächlich einen derartigen Ausnahmefall bejaht. Unerheblich ist, ob es den entschiedenen Sachverhalt ausdrücklich als „Ausnahmefall“ bezeichnet hat. Maßgebend ist nicht die Wortwahl, sondern die Sache. Das FG hielt die Beendigung innerhalb der Anlaufphase im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung für ein starkes Indiz zu Gunsten der Gewinnerzielungsabsicht und hat so den Ausnahmecharakter der Konstellation verdeutlicht.

16
b) In dem in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 veröffentlichten Urteil hatte der BFH (dort unter II.3.b) ausgeführt, da eine Betriebsführung, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt sei, mit Gewinn zu arbeiten, ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht darstelle, könne aus der Vornahme betriebswirtschaftlich sinnvoller Umstrukturierungen bzw. dem Bemühen um eine Betriebsbeendigung nach Erkennen der fehlenden Eignung des Betriebs zur Erzielung eines Totalgewinns auf das Vorhandensein von Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden.

17
Die Kläger sehen in dieser Entscheidung den abstrakten Rechtssatz, aus dem Bemühen um eine Betriebsbeendigung nach Erkennen der fehlenden Eignung des Betriebs zur Erzielung eines Totalgewinns könne auf das Vorhandensein von Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden. Sie stellen denselben abstrakten Rechtssatz des FG gegenüber, den sie bereits im Rahmen der vorangehenden Divergenzrüge formuliert haben.

18
Abgesehen davon, dass der vermeintliche divergente Rechtssatz dem FG-Urteil nicht zu entnehmen ist (s.o.), haben die Kläger aber auch die Aussage des BFH in der vermeintlichen Divergenzentscheidung in unzutreffender Weise verkürzt. Der BFH hat hier den –wiederum nur möglichen („kann“) und nicht zwingenden– Schluss von der Umstrukturierung oder der Betriebsbeendigung auf die Gewinnerzielungsabsicht unter die Voraussetzung gestellt, dass es sich um einen Betrieb handelt, der dem Grunde nach geeignet ist, mit Gewinn zu arbeiten. Das FG ist hingegen zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche positive Erfolgsprognose objektiv nicht zu stellen war.

19
c) Das Urteil in BFH/NV 2007, 1492 schließlich enthält die Aussage, das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, spreche für sich schon dafür, dass langjährige, stetig ansteigende Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (dort unter II.2.c).

20
Hieraus leiten die Kläger im Umkehrschluss den Rechtssatz ab, dass das Ergreifen geeigneter Bemühungen, Verluste zu unterbinden (zumal in der Anlaufphase, nach wenigen Jahren, und nicht erst nach langjährigen, stetig ansteigenden Verlusten) ein wichtiges Beweisanzeichen dafür sei, dass die Tätigkeit nicht aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven betrieben werden.

21
Dem stellen die Kläger den bereits genannten abstrakten Rechtssatz gegenüber, den sie dem FG-Urteil meinen entnehmen zu können.

22
Diese Divergenz liegt schon deswegen nicht vor, weil der von den Klägern abgeleitete Umkehrschluss nicht zwingend ist. Selbst wenn der BFH davon ausgegangen wäre, dass eine fehlende Verhaltensänderung nach Erkennen fehlender Erfolgsaussicht für sich genommen ein nicht widerlegbarer Beweis für fehlende Gewinnerzielungsabsicht wäre –was er nicht getan hat–, so hieße das nicht unbedingt, dass eine Verhaltensänderung ein Beweis für vorhandene Gewinnerzielungsabsicht ist. Es heißt nur, dass der positive Beweis für das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

23
Im Übrigen haben die Kläger selbst ihren Umkehrschluss so formuliert, dass Korrekturmaßnahmen innerhalb der Anlaufphase nicht zwingend für eine von Beginn an vorhandene Gewinnerzielungsabsicht sprächen, sondern lediglich ein wichtiges Beweisanzeichen seien. Dies hat das FG nicht in Abrede gestellt.

24
2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Der Senat kann daher offenlassen, inwieweit im Einzelnen den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt ist.

25
a) Die Kläger meinen, das FG habe seiner Hinweispflicht sowie damit zusammenhängend seiner Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 und 2 FGO nicht genügt.

26
Das FG hätte auf seine Zweifel hinweisen müssen, die es an der Tragfähigkeit der bisherigen sportlichen Erfolge, der Belastbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit, der Eignung des Sportlers als Sympathieträger zu Werbezwecken und schließlich der Bindungswirkung hege, die die Vertragsparteien der mündlich geschlossenen Vereinbarung über die Beteiligung an etwaigen künftigen Erträgen beigelegt hätten. Es hätte so Gelegenheit geben müssen zu erläutern, auf Grund welcher Tatsachen der Kläger die sportlichen und damit finanziellen Erfolgsaussichten meinte abschätzen zu können, so dass die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf der Erhebung der Beweise hätten bestehen können.

27
Hätte das FG –wie beantragt– den Sportler sowie den diesen ebenfalls fördernden Dritten als Zeugen vernommen, hätte es sowohl zu einer positiven Erfolgsprognose als auch zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht kommen können. Der Sportler hätte die Zweifel ausräumen können. Der Dritte hätte den Eindruck geschildert, den er damals von dem Sportler gewonnen hatte.

28
In der mündlichen Verhandlung habe zu einer Rüge kein Anlass bestanden, da das FG seine Zweifel erstmals im Urteil und damit überraschend geäußert habe.

29
b) Eine Verletzung der Hinweispflicht liegt nicht vor.

30
Gemäß § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Einerseits darf das FG nicht ohne vorherigen Hinweis eine Klage wegen fehlender Substantiierung abweisen, obwohl der Beteiligte konkrete und unstreitige Angaben gemacht hat, die für die Ausfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der entscheidungserheblichen Rechtsnorm sprechen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2011 X B 164/10, BFH/NV 2011, 1706). Andererseits ist das FG nicht verpflichtet, seine vorläufige Beweiswürdigung oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung zahlreicher Einzelumstände offenzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495).

31
Das FG hat die Klage nicht etwa abgewiesen, weil es den Sachvortrag für unzureichend (unsubstantiiert) gehalten, sondern weil es aus den Tatsachen (überdurchschnittliche regionale Erfolge, Bezirksförderung) andere Schlussfolgerungen als die Kläger gezogen hat. Dies ist Bestandteil der Gesamtwürdigung, auf deren Ergebnis es nicht hinweisen musste.

32
Soweit das FG ausgeführt hat, der Kläger habe nichts dafür vorgetragen, inwiefern er auf Grund bestimmter Tatsachen zu einer Abschätzung künftiger finanzieller Erfolge in der Lage gewesen sei, hat es damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass weitere oder andere Tatsachen, die einen anderen Schluss hätten rechtfertigen können, nicht erkennbar waren. Denn diese Aussage steht im Kontext der objektiven Erfolgsprognose, nicht der subjektiven Erfolgsorientierung. Damit handelte es sich nicht um eine Frage unzureichender Substantiierung, sondern um die einfache Frage, ob die vorhandenen Tatsachen ausreichen. Die Kläger haben im Übrigen auch im Rahmen ihrer Beschwerde nicht dargestellt, welche konkreten Tatsachen sie auf entsprechenden Hinweis zu diesem Punkt noch hätten vortragen wollen.

33
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob, wie das FA vorträgt, das FG bereits in der mündlichen Verhandlung seine Rechtsauffassung mitgeteilt hat und ob es überdies den voraussichtlichen Entscheidungsinhalt angedeutet hat.

34
c) Auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 FGO –soweit die Kläger überhaupt deren Voraussetzungen in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt haben– liegt jedenfalls nicht vor.

35
Nach § 76 Abs. 1 FGO ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt zu erforschen. Ist das geschehen, erübrigen sich weitere Aufklärungsmaßnahmen. Daher muss das FG selbst einem ausdrücklich gestellten Beweisantrag nicht nachgehen, wenn es eine unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt. Soweit kein Beweisantrag gestellt ist, verletzt das FG seine Sachaufklärungspflicht nur, wenn sich die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2012 X B 164/11, BFH/NV 2012, 1985).

36
Nach diesen Maßstäben brauchte das FG keine weiteren Beweise zu erheben.

37
aa) Alle konkreten Tatsachen, auf die sich die Kläger für ihr Begehren berufen haben, hat das FG zur Kenntnis genommen und als zutreffend zugrunde gelegt. Auf die Frage, ob die Kläger eine unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung hätten rügen müssen, kommt es daher nicht an.

38
Das betrifft zunächst die bereits genannten Faktoren, die zum damaligen Leistungsbild des Sportlers gehörten (Erfolge, Bezirksförderung). Das FG hat diese Umstände bei der Prüfung der objektiven Erfolgsprognose im Rahmen seiner Gesamtbewertung berücksichtigt. Welches Gewicht ihnen beizumessen war, ist keine zu beweisende Tatsache. Es betrifft aber auch die Absprache über die Gewinnbeteiligung des Klägers, die das FG im Rahmen der Prüfung der subjektiven Erfolgsorientierung gewürdigt hat. Dass diese Vereinbarung lediglich mündlich getroffen wurde, ist unstreitig. Welche Folgerungen daraus zu ziehen waren, ist wiederum eine Frage der Beweiswürdigung.

39
bb) Die voraussichtliche Belastbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit und die voraussichtliche Eignung des Sportlers als Sympathieträger zu Werbezwecken sind Umstände in dessen Person, die ihrerseits nur durch Hilfstatsachen bewiesen werden könnten.

40
Der Senat erkennt nicht, was das FG hierzu noch ermitteln oder was es sonst hätte aufklären können und sollen. Auch die Kläger haben nicht mitgeteilt, welche konkreten Tatsachen im Wissen des Sportlers sowie des ebenfalls fördernden Dritten stehen sollten, die sie als Zeugen hätten bekunden können und die Grundlage einer abweichenden Gesamtwürdigung hätten sein können. Dies ist auch nicht von Amts wegen ersichtlich. Beide konnten ebenso wie der Kläger zum damaligen Zeitpunkt lediglich den damaligen sportlichen Auftritt kennen. Alles andere beschränkte sich auf Mutmaßungen. Ob beide zum damaligen Zeitpunkt die Erfolgsaussichten positiv eingeschätzt haben, worauf sich die Kläger berufen, ist weder für die objektive Erfolgsprognose noch für die subjektive Erfolgsorientierung des Klägers erheblich.

41
Das FG hat vielmehr im Rahmen seiner Gesamtbewertung aus dem unbestritten jugendlichen Alter des Sportlers sowie der ebenfalls unbestrittenen Tatsache, dass der Sportler bis dato noch keine finanziellen Ergebnisse vorzuweisen hatte, gefolgert, dass die Erfolgsaussicht bei objektiver Betrachtung fehlte. Soweit die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung eingehend geschildert haben, inwiefern die Umstände für eine auch finanziell erfolgreiche Karriere des geförderten Sportlers sprachen, haben sie diesen Umständen lediglich höheres Gewicht beigemessen als das FG.

42
Unerheblich wäre schließlich eine Zeugenaussage auch zu dem das FG-Urteil maßgeblich tragenden Gesichtspunkt, dass die Vereinbarung über die Gewinnbeteiligung lediglich mündlich abgeschlossen worden war. Das FG hat nicht bezweifelt, dass die Parteien der mündlichen Vereinbarung dieser Bindungswirkung beigemessen haben und sich auch daran halten wollten. Nichts anderes hätte der Sportler auch nach dem Vortrag der Kläger aussagen sollen und können. Eine Aussage, wie er sich mit gutem Willen verhalten hätte und verhalten wollte, kann aber naturgemäß nicht beweisen, wie es um die rechtliche Durchsetzbarkeit einer Forderung bestellt ist, wenn dieser gute Wille nicht mehr vorhanden ist.

43
Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im Falle von ernstlichen Meinungsverschiedenheiten die Forderungen des Klägers mangels schriftlicher Fixierung rechtlich kaum durchsetzbar gewesen wären. Die Zeugenaussage des Kompagnons wäre ein denkbar schlechtes Beweismittel gewesen. Hieraus hat es gefolgert, dass dem Kläger die finanziellen Aussichten der Angelegenheit von zweitrangiger Bedeutung waren. Dies alles sind keine streitigen oder unklaren Tatsachen, zu denen der Sportler als Zeuge Aussagen hätte treffen können, sondern Schlussfolgerungen aus unstreitigen Tatsachen.

44
Der ebenfalls für das FG-Urteil tragende Umstand, dass der Kläger selbst nach der von ihm dargestellten mündlichen Vereinbarung keine rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf Art und Ausmaß des sportlichen Engagements hatte, ist in gleicher Weise unbestritten und wäre selbst durch eine Zeugenaussage des Inhalts, dass entsprechende Bereitschaft vorhanden war, nicht widerlegbar.

45
cc) Nach alledem beschränken sich die Differenzen zwischen den Klägern und dem FG auf eine unterschiedliche Bewertung der vorliegenden unstreitigen Tatsachen. Selbst wenn die Beweiswürdigung auch anders hätte vorgenommen werden können oder gar fehlerhaft wäre, was der Senat nicht zu beurteilen hat, läge darin allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.

46
Vielmehr hat das FG in einem Grenzfall, den es offenkundig auch selbst als Grenzfall bewertet hat, durch Abwägung der für und wider die Kläger sprechenden Umstände eine Entscheidung getroffen, die im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht anzugreifen ist.

47
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Nichtzulassungsbeschwerde: Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 19.09.2012
Streitjahre: 2003, 2004, 2005
Aktenzeichen: X B 40/11
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO
NZB: Sachaufklärungsmängel

Leitsatz
1. NV: Falsche Rechtsanwendung allein ist kein Revisionszulassungsgrund(Rn.8).

2. NV: Betrifft ein Verfahrensmangel eine verzichtbare Verfahrensvorschrift, so geht das Rügerecht durch Unterlassen rechtzeitiger Rüge verloren(Rn.15)(Rn.16).

3. NV: Wenn der ordnungsgemäß geladene Beteiligte zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erscheint, verzichtet er auf die Wahrnehmung des Rügerechts(Rn.16).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 9. Februar 2011, Az: 3 K 287/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 23. Februar 2012, Az: X B 91/11
Vergleiche BFH, 7. Juni 2011, Az: X B 212/10
Vergleiche BFH, 4. August 2010, Az: X B 198/09
Vergleiche BFH, 23. Oktober 2006, Az: I B 173/05
Vergleiche BFH, 2. März 2005, Az: VII B 142/04

Tatbestand
1
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wenden sich gegen Bescheide, die nach einer Betriebsprüfung erlassen wurden. Der Kläger betrieb in den Streitjahren eine Spedition, die Klägerin eine Gaststätte. Die Kläger hielten unter anderem bei der Gaststätte den Ansatz des Eigenverbrauchs angesichts geringer Gesamtumsätze für unzulässig. Ferner begehrten sie nunmehr die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen für den Kläger und boten zum Nachweis für dessen Abwesenheit im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage von Fahrtenschreiberaufzeichnungen an, ohne diese indes tatsächlich vorzulegen.

2
Nach Eingang der Ladung hatten die Kläger auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Das Finanzgericht (FG) hat gleichwohl die mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der weder die Kläger noch ein Vertreter erschienen waren. Das FG hat ohne Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Der Eigenverbrauch sei angemessen angesetzt. Die Fahrtenschreiber bewiesen nicht, dass tatsächlich der Kläger (und nicht einer seiner mehreren Angestellten) mit dem betreffenden Fahrzeug unterwegs gewesen sei.

3
Die Kläger meinen, die Entscheidung des FG verstoße hinsichtlich der Entnahmen aus der Gaststätte gegen § 162 der Abgabenordnung (AO). Nachdem der Prüfbericht festgestellt habe, dass die Buchführung materiell richtig und formell ordnungsgemäß sei, fehle eine Verprobung, die Voraussetzung für eine Ermittlung der Einkünfte im Schätzungswege sei. Dem Prüfer hätte auffallen müssen, dass der formalisierte Ansatz des Eigenverbrauchs nach der Richtsatzsammlung zu einer Abweichung von den Normwerten über die darin genannten Schranken hinaus führe und daher ermessensfehlerhaft sei. Die Berücksichtigung fiktiver Teilwerte führe zu einer Verletzung von Art. 14 des Grundgesetzes (GG).

4
Hinsichtlich der Reisekosten des Klägers seien ebenfalls die Ermessensgrenzen überschritten und möglicherweise wegen der Selbstbindung der Verwaltung der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es wäre bereits in der Betriebsprüfung und noch im gerichtlichen Verfahren möglich gewesen, die Richtigkeit seiner Angaben durch Überprüfung der Namen der Kunden und der Fahrziele wenigstens auf Plausibilität zu untersuchen, statt die Beweislast dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen und ohne Anhaltspunkte vorsätzliche Falschangaben zu unterstellen. Angesichts der strengen Anforderungen für das Vorhalten der Fahrtenschreiberaufzeichnungen hätte das FG insbesondere dem ausdrücklichen Angebot folgen müssen, diese einzusehen.

5
In Hinblick auf den entsprechenden Vortrag mit Schreiben vom 26. März 2010 (hinsichtlich der Entnahmen) sowie vom 20. Januar 2011 (hinsichtlich der Reisekosten) lägen darin Verletzungen rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG, in Verbindung mit der Nichtzulassung der Revision ein Versagen effektiven Rechtsschutzes.

6
Das FG stelle zu Unrecht § 162 AO über § 6 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies müsse im Berufungsverfahren überprüft werden, damit nicht aus formaljuristischen Gründen Verfahrensfehler sanktioniert werden.

Entscheidungsgründe
7
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger haben entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht dargelegt.

8
1. Mit den Einwänden, die Entnahmen der Klägerin aus der Gaststätte sowie die Reisekosten des Klägers seien falsch beurteilt worden, stellen die Kläger lediglich eine nach ihrer Auffassung falsche Rechtsanwendung dar. Das ist nach § 115 Abs. 2 FGO kein Revisionszulassungsgrund. Anders kann es sich lediglich verhalten, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102, sowie vom 7. Juni 2011 X B 212/10, BFH/NV 2011, 1709).

9
Umstände, die diese Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht dargelegt. Soweit die Kläger die Schätzung als solche für unzulässig erachten, machen sie einen reinen Rechtsfehler im genannten Sinne geltend. Das FG geht im Ausgangspunkt davon aus, dass jedenfalls Entnahmen –in welcher Höhe auch immer– vorgelegen haben, schließt auf dieser Grundlage auf einen Aufzeichnungsmangel und leitet hieraus die Schätzungsbefugnis ab. Der Ausgangspunkt, es müsse Entnahmen gegeben haben, ist ungeachtet der Frage, ob er zutrifft, nach der Lebenserfahrung zumindest nachvollziehbar und damit nicht willkürlich.

10
Im Übrigen wird nicht deutlich, was die Kläger mit Normwerten und fiktiven Teilwerten meinen und über welche Schranken die Richtsätze hinausgegangen sein sollen. Ermessensfehler können nicht vorliegen, da die Schätzung keine Ermessensentscheidung ist.

11
Ebenso wenig ist nachvollziehbar, welche Ermessensgrenzen hinsichtlich der Reisekosten überschritten sein sollen. Auch insoweit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine Entscheidung nach der Feststellungslast getroffen worden.

12
2. Soweit die Kläger meinen, das FG hätte zur Überprüfung der geltend gemachten Reisekosten die Fahrtenschreiberaufzeichnungen einsehen müssen, machen sie einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 FGO geltend.

13
Zur Darlegung eines Sachaufklärungsmangels gehören Ausführungen, dass entweder der Mangel gegenüber dem FG erfolglos gerügt wurde oder welche Aufklärungsmaßnahme sich dem FG aus welchen Gründen auch ohne ausdrückliche Rüge aufdrängen musste (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 23. Oktober 2006 I B 173/05, BFH/NV 2007, 724).

14
An beidem fehlt es. Der Senat lässt dahingestellt, ob die Kläger hinsichtlich der Fahrtenschreiberaufzeichnungen, die sie im finanzgerichtlichen Verfahren zwar mehrfach angeboten, aber nicht von sich aus vorgelegt haben, wirksam Beweis angetreten haben. § 420 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach der Beweisantritt zum Urkundsbeweis (erst) durch Vorlegung der Urkunde angetreten wird, ist gemäß § 82 FGO im Finanzprozess nicht entsprechend anwendbar. Der Senat verkennt nicht, dass das FG die weitere Sachaufklärung durch Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen wohl nicht von vornherein mit der Begründung hätte ablehnen dürfen, dass sich hieraus die Person des Fahrers nicht ergebe. Die eigentlich außersteuerlichen Zwecken –namentlich der Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften– dienenden Fahrtenschreiber besitzen Beweiswert nur auf Grund und in Verbindung mit dem Namen des jeweiligen Fahrers, so dass nicht anzunehmen war, dass die Aufzeichnungen keine Auskunft über den Namen des Fahrers geben würden. Ob das FG diesen Aufzeichnungen wiederum Glauben schenken will, kann es erst beurteilen, wenn es sie gesehen hat.

15
Die Kläger haben jedoch die fehlende Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt und dadurch ihr Rügerecht verloren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Kläger in der Verhandlung niemand erschienen war.

16
Ein Verfahrensmangel kann jedenfalls bei sachkundig vertretenen Steuerpflichtigen nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Dazu gehört auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Das Rügerecht geht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (Senatsbeschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150, m.w.N.). Wenn der ordnungsgemäß geladene Beteiligte zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erscheint, verzichtet er auf die Wahrnehmung seiner diesbezüglichen Rechte (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 2005 VII B 142/04, BFH/NV 2005, 1576).

17
3. Worin die Verletzung rechtlichen Gehörs liegen soll, die, wenn sie vorläge, ein Revisionsgrund nach § 119 Nr. 3 FGO wäre, ist nicht dargelegt. Das FG hat sich ausdrücklich mit dem Vortrag zu den Abwesenheitszeiten des Klägers und mit den Fahrtenschreiberaufzeichnungen auseinandergesetzt, lediglich nicht in der von den Klägern gewünschten Weise. Effektiver Rechtsschutz wird durch die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO gewährleistet.

18
4. Die Ausführungen der Kläger zu dem Konkurrenzverhältnis von § 162 AO zu § 6 Abs. 1 EStG und der Sanktionierung von Verfahrensfehlern aus formaljuristischen Gründen sind nicht verständlich.

19
5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Gründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Anforderungen an einen Anspruch des Jugendhilfeträgers auf Erstattung des Kindergelds durch die Familienkasse

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 14.02.2013
Streitjahr: 2011
Aktenzeichen: III B 133/12
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle:
Normen: § 74 Abs 2 EStG 2009, § 104 Abs 1 S 4 SGB 10, § 104 Abs 2 SGB 10, §§ 91ff SGB 8, § 91 SGB 8, EStG VZ 2011
Anforderungen an einen Anspruch des Jugendhilfeträgers auf Erstattung des Kindergelds durch die Familienkasse

Leitsatz
1. NV: Ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 2 SGB X setzt nur voraus, dass ein in § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X genannter Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten bestandskräftig Aufwendungsersatz geltend gemacht oder einen Kostenbeitrag erhoben hat und der Kindergeldberechtigte diesen nicht oder nicht in vollem Umfang geleistet bzw. erbracht hat (Rn.12).

2. NV: Der Familienkasse steht bei der Entscheidung über den kraft Gesetzes entstehenden Erstattungsanspruch kein Ermessen zu. Etwaige eigene Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Sozialleistungen beziehende Kind können daher allenfalls in dem Verfahren Berücksichtigung finden, in dem der Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten einen Aufwendungsersatzanspruch geltend macht oder einen Kostenbeitrag erhebt (Rn.12)(Rn.13).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 11. September 2012, Az: 12 K 1/12, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 19. April 2012, Az: III R 85/09
im Text BFH, 3. November 2010, Az: I B 102/10
im Text BFH, 21. April 2010, Az: IV B 32/09
im Text BFH, 19. Mai 2008, Az: V B 29/07
im Text BFH, 22. Januar 2008, Az: X B 185/07
im Text BFH, 7. September 2005, Az: IV B 67/04
im Text BFH, 17. August 2004, Az: III B 121/03
im Text BFH, 27. Januar 2004, Az: IV B 135/01
im Text BFH, 22. Oktober 2003, Az: III B 59/03
im Text BFH, 28. Januar 2003, Az: VI B 161/00

Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter der im August 1992 geborenen T. T ist seit dem 2. August 2010 in einer vollstationären Jugendhilfeeinrichtung auf Kosten des Beigeladenen untergebracht. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hat zugunsten der Klägerin Kindergeld für T festgesetzt.

2
Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 begehrte der Beigeladene wegen der im Rahmen der Eingliederungshilfe erbrachten Aufwendungen die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Dem Schreiben war ein Bescheid vom 1. September 2010 beigefügt, wonach die Klägerin ab dem 1. August 2010 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu leisten habe. Mit Bescheid vom 3. August 2011 entschied die Familienkasse, dass das Kindergeld für den Zeitraum März bis Juli 2011 an den Beigeladenen ausgezahlt wird.

3
Mit weiterem Bescheid vom 3. August 2011 erklärte die Familienkasse gegenüber der Klägerin, dass deren Kindergeldanspruch im Hinblick auf den durch den Beigeladenen geltend gemachten Erstattungsanspruch (§ 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes –EStG– i.V.m. §§ 104, 107 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch –SGB X–) für den Zeitraum von März bis Juli 2011 als erfüllt anzusehen sei, jedoch von einer Rückforderung des für den Monat März 2011 bereits ausbezahlten Kindergeldes abgesehen werde. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2012).

4
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass der Beigeladene gegenüber der Klägerin bestandskräftig einen Kostenbeitrag in Höhe des vollen monatlichen Kindergeldbetrages (184 €) geltend gemacht habe und ihm nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse zustehe, da die Klägerin den Kostenbeitrag nicht geleistet habe.

5
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe
6
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

7
1. Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.

8
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, u.a. BFH-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, BFH/NV 2010, 1469, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder wenn sie bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783).

9
Um den Darlegungsanforderungen für diesen Zulassungsgrund zu genügen, muss sich die Beschwerdebegründung mit den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603, und vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501). Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, ist darzulegen, weshalb eine erneute oder weitere Entscheidung für erforderlich gehalten wird (z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 III B 59/03, BFH/NV 2004, 166). Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (z.B. Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46, m.w.N.). Dagegen reicht es zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht aus, im Stil einer Revisionsbegründung Einwände gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und die von dem FG vorgenommene Einzelfallwürdigung geltend zu machen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234).

10
b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht.

11
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit ergebe sich daraus, dass geklärt werden müsse, ob bei der durch einen Jugendhilfeträger erfolgenden Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 SGB X und § 94 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung berücksichtigt werden müsse, welche eigenen Aufwendungen (z.B. für Fahrten, Telefonate, Geschenke, Bereitstellung von Wohnraum für Besuche und für Zusatzversicherungen) dem Kindergeldberechtigten im Zusammenhang mit der Unterstützung des Kindes entstanden sind.

12
Mit diesem Vortrag macht die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Die Klägerin hat sich insbesondere nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH auseinandergesetzt. Danach ist Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 SGB X nur, dass ein in § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X genannter Sozialleistungsträger –mithin insbesondere ein Träger der Sozial- oder Jugendhilfe– gegenüber dem Kindergeldberechtigten bestandskräftig Aufwendungsersatz geltend gemacht oder einen Kostenbeitrag erhoben hat und der Kindergeldberechtigte diesen nicht oder nicht in vollem Umfang geleistet bzw. erbracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2012 III R 85/09, BFHE 237, 145, BStBl II 2013, 19, m.w.N.). In diesem Zusammenhang hat der BFH bereits geklärt, dass der Familienkasse bei der Entscheidung über den Erstattungsanspruch kein Ermessen eingeräumt wird. Vielmehr hat die Familienkasse, da der Erstattungsanspruch kraft Gesetzes entsteht, das Kindergeld entsprechend dem Umfang des jeweils nicht geleisteten Aufwendungsersatzes bzw. nicht erbrachten Kostenbeitrags an den Sozialleistungsträger zu erstatten.

13
Damit ergibt sich aber auch ohne Weiteres aus dem Gesetz, dass etwaige eigene Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Sozialleistungen beziehende Kind in dem Verfahren geltend gemacht werden müssen, in dem der Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten einen Aufwendungsersatzanspruch geltend macht oder einen Kostenbeitrag erhebt. Insoweit ist etwa für den Fall, dass Träger der Jugendhilfe für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen gegenüber den Eltern der geförderten Kinder Kostenbeiträge erheben, in den §§ 91 bis 94 SGB VIII im Einzelnen geregelt, inwieweit eine Heranziehung erfolgen darf. Dabei sieht etwa § 94 Abs. 4 SGB VIII bei vom Jugendhilfeträger über Tag und Nacht erbrachten Leistungen nur in ganz bestimmten Fällen eine Anrechnung von tatsächlichen Betreuungsleistungen des Kostenbeitragspflichtigen auf den Kostenbeitrag vor. Soweit der Kindergeldberechtigte seine diesbezüglichen Einwendungen im Verfahren über die Erhebung des Kostenbeitrags nicht geltend gemacht hat oder mit diesen nicht durchgedrungen ist, kann er sie nicht (erneut) im Verfahren über die Erstattung des Kindergeldanspruches geltend machen.

14
2. Die Revision ist auch nicht wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen. Denn der Vortrag der Klägerin, das Urteil des FG beruhe auf einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, genügt nicht den hierbei zu beachtenden Darlegungserfordernissen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

15
a) Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend gemacht, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ferner muss dargelegt werden, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2003 VI B 161/00, BFH/NV 2003, 793; vom 3. November 2010 I B 102/10, BFH/NV 2011, 808).

16
b) Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie macht lediglich geltend, das FG habe nicht ermittelt, wie sich die finanzielle Lage der Klägerin dargestellt habe, aus welchen –nicht familieninternen– Gründen Maßnahmen der Jugendhilfe notwendig geworden seien, welche eigenen Aufwendungen die Familie im Zusammenhang mit der Tochter T getragen habe und in welchem Umfang auch unvorhersehbare Kosten entstehen könnten.

17
Aus diesem Vortrag wird indessen nicht deutlich, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, obgleich es diesen Gesichtspunkten nach dessen materiell-rechtlichem Standpunkt keine Entscheidungserheblichkeit beimaß.

Teiloption bei Grundstücksvermietung

Gericht: BFH 5. Senat
Entscheidungsdatum: 25.01.2013
Streitjahre: 1996, 1997, 1998, 1999, 2000
Aktenzeichen: V B 95/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 4 Nr 12 UStG 1993, § 4 Nr 12 UStG 1999, § 9 Abs 2 UStG 1993, § 9 Abs 2 UStG 1999
Teiloption bei Grundstücksvermietung

Orientierungssatz
NV: Der Verzicht auf Steuerfreiheit einer nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung ist nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Für den Vermieter besteht die Möglichkeit einer sog. Teiloption, nach der sich der Verzicht auf einen „abgrenzbaren Teil“ beschränkt. Die Teiloption setzt die ausschließliche Verwendung von Grundstücksteilen für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze voraus.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend FG Nürnberg, 31. Juli 2012, Az: 2 K 539/2009, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 15. Februar 2012, Az: IV B 126/10
im Text BFH, 1. Dezember 2011, Az: I B 80/11
im Text BFH, 10. Juni 2011, Az: IX B 13/11
im Text BFH, 10. Februar 2010, Az: IX B 163/09
Vergleiche BFH, 22. November 2007, Az: V R 43/06
Vergleiche BFH, 28. September 2006, Az: V R 43/03
im Text BFH, 7. Juli 2005, Az: IX B 13/05
im Text BFH, 11. Dezember 2002, Az: IX B 124/02
Vergleiche BFH, 26. Juni 1996, Az: XI R 43/90

Gründe
1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist nicht begründet.

2
1. Die Revision ist nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

3
a) Die Klägerin macht geltend, dass die Frage, „in welcher Höhe dem leistungsempfangenden Unternehmer der Vorsteuerabzug aus einem Mietvertrag zusteht, für den der Vermieter die Option nach § 9 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in größtmöglichem Umfang ausgeübt hat, … [wobei] der Leistungsempfänger das Grundstück teils steuerpflichtig selbst nutzt, teils steuerpflichtig vermietet und teils steuerfrei vermietet“ der Rechtsfortbildung dient.

4
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert die Zulassung der Revision wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts substantiierte und konkrete Angaben dazu, weshalb eine Entscheidung des BFH zu einer bestimmten, abstrakt formulierten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig und im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Juni 2011 IX B 13/11, BFH/NV 2011, 2074).

5
c) Im Streitfall fehlt es an der danach erforderlichen Klärungsfähigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage. Denn entscheidungserheblich ist im Streitfall nicht die Frage, in welchem Umfang die Klägerin –aus einer steuerpflichtig bezogenen Eingangsleistung– zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, sondern die dem vorgelagerte Frage, in welchem Umfang die Klägerin eine steuerpflichtige Leistung bezogen hat. Bei der von der Klägerin bezogenen Leistung handelte es sich um eine nach § 4 Nr. 12 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Vermietung, für die der Vermieter unter den Bedingungen des § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten konnte. Der Verzicht ist dabei gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG „nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen“. Maßgeblich für den Verzicht des Vermieters gegenüber der Klägerin ist daher, „inwieweit“ die Klägerin das Grundstück –z.B. bei der durch sie erfolgten Weitervermietung an mehrere „Untermieter“– für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug verwendete.

6
Insoweit hat der BFH bereits entschieden, dass für den Vermieter die Möglichkeit einer sog. Teiloption besteht, nach der sich der Verzicht auf einen „abgrenzbaren Teil“ beschränkt, wobei der BFH von einer „Aufteilung nach räumlichen Gesichtspunkten (nicht dagegen eine bloße quotale Aufteilung) für möglich“ gehalten hat (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 XI R 43/90, BFHE 181, 191, BStBl II 1997, 98).

7
Unabhängig von der Frage, ob am Ausschluss der sog. quotalen Aufteilung im Hinblick auf die spätere BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417, und vom 22. November 2007 V R 43/06, BFHE 219, 450, BStBl II 2008, 770) festzuhalten ist, steht nach dieser Rechtsprechung jedenfalls fest, dass die Teiloption die ausschließliche Verwendung von Grundstücksteilen für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze voraussetzt. Die Bestimmung, in welchem Umfang eine derart ausschließliche Verwendung eines Teils eines Grundstücks vorliegt, kann dabei entgegen der Auffassung der Klägerin weder unmittelbar noch in Analogie zu § 15 Abs. 4 UStG erfolgen, da diese Vorschrift im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 UStG eine „gemischte“ Verwendung der Eingangsleistung für Zwecke, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, und für Zwecke, bei denen dieses Recht nicht besteht, voraussetzt, so dass nach dieser Vorschrift nicht bestimmbar ist, wann eine ausschließliche Verwendung für eine dieser beiden Zweckbestimmungen vorliegt.

8
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Es liegt auch kein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung vor, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495; vom 10. Februar 2010 IX B 163/09, BFH/NV 2010, 887). Dabei reichen unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031, und vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774).

9
3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

10
Die Klägerin macht geltend, dass das FG gegen Denkgesetze und damit gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen habe. Bei einem Verstoß gegen Denkgesetze handelt es sich aber um einen materiell-rechtlichen Fehler, der nicht zur Revisionszulassung berechtigt, nicht aber um einen Verfahrensfehler (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2011 I B 80/11, BFH/NV 2012, 954).

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin