BGH bestätigt Toleranzgrenze in Höhe von 20 % in Gebührenangelegenheiten

In einer anwaltlichen Gebührenangelegenheit hat der BGH entschieden, dass die Höhe einer festgesetzten Gebühr dann nicht zu beanstanden ist, wenn diese innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % über der in jedem Fall angemessenen Gebühr liegt.

BGH, Urteil vom 13. Januar 2011, IX ZR 110/10

 

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 110/10 Verkündet am:
13. Januar 2011
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 280 Abs. 1; ZPO §§ 704, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5; RVG § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, RVG VV Nr. 2300, Nr. 3309
Die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Erhebung einer Voll-streckungsabwehrklage löst die allgemeine Gebühr für das Betreiben des Geschäfts aus.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – IX ZR 110/10 – LG Magdeburg
AG Wernigerode
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landge-richts Magdeburg vom 15. Dezember 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Durch notariellen Vertrag vom 25. April 2001 erklärte der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch mit der Beklagten verheiratet war, dieser (umgerechnet) 70.046,98 € als Darlehen zu schulden. Wegen dieses Anspruchs unterwarf er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde. Ein Jahr später verkaufte er der Beklagten seinen ideellen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Hausgrundstück. In dem Vertrag vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte anstelle eines Kaufpreises auf die Darlehensforderung verzichtete. Der Vertrag wurde vollzogen.
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In Kenntnis dieser Umstände ließ die Beklagte den Kläger nach zwi-schenzeitlich erfolgter Scheidung am 26. Mai 2008 anwaltlich auffordern, das Darlehen nebst Zinsen, zusammen 75.674,10 €, zurückzuzahlen. In dem an die
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Rechtsanwälte des Klägers adressierten Aufforderungsschreiben wurde diesem unter Androhung der Zwangsvollstreckung eine Zahlungsfrist bis zum 10. Juli 2008 gesetzt. Der Kläger ließ die Forderung durch seine Anwälte unter Hinweis auf die Verrechnung im notariellen Kaufvertrag zurückweisen. Zugleich forder-ten seine Anwälte die Beklagte zur Abgabe einer Vollstreckungsverzichtserklä-rung auf und kündigten für den Fall der Weigerung eine negative Feststellungs-klage an. Die Beklagte gab daraufhin die gewünschte Verzichtserklärung ab und gestand zu, dass die Darlehensforderung erloschen sei.
Der Kläger fordert Ersatz der zur Abwehr der Darlehensforderung durch die Einschaltung seiner Rechtsanwälte entstandenen Kosten in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer.
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Das Amtsgericht hat nur den Gebührentatbestand Nr. 3309 VV RVG (Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung) als erfüllt angesehen und dem Kläger ein hälftiges Mitverschulden an der Schadensentstehung zugerechnet, weil er trotz klarer Rechtslage sogleich Rechtsanwälte beauftragt habe. Das Berufungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederher-stellung des erstinstanzlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Landgericht hat angenommen, dem Kläger stehe ein Schadenser-satzanspruch gemäß § 280 BGB dem Grunde nach zu. Die Beklagte habe ihre Pflichten aus dem Darlehensvertrag mit dem Kläger verletzt, indem sie mit einer sehr knapp bemessenen Frist die Rückzahlung des Darlehens trotz vorange-gangenen Verzichts eingefordert habe. Sie habe schuldhaft gehandelt, weil das Erlöschen der Forderung – auch für sie – offensichtlich gewesen sei. Den durch die Kosten der Verteidigung des Klägers gegen die unberechtigte Forderung entstandenen Schaden habe sie zu ersetzen. Ein Mitverschulden sei dem Klä-ger nicht anzulasten. Da die Beklagte ihr Forderungsschreiben an die im Schei-dungsverfahren für ihn tätig gewesenen Rechtsanwälte gesandt habe, hätte er diese sogleich einschalten dürfen. Überdies sei die Forderung hoch gewesen und die Beklagte habe über eine vollstreckbare Urkunde verfügt, deren Durch-setzung binnen kurzer Zeit sie angedroht habe. Der Höhe nach könnten die vom Kläger mit der Abwehr der Forderung beauftragten Rechtsanwälte eine 1,5-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG geltend machen; sie müssten sich nicht auf die nur 0,3-fache Verfahrensgebühr für eine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung gemäß Nr. 3309 VV RVG beschränken, weil sie nicht bloß die formellen Vollstreckungsvoraussetzungen, sondern auch die materielle Rechtslage hätten einbeziehen müssen. Hierbei seien mögliche Anfechtungs-ansprüche im Hinblick auf den am 25. April 2002 geschlossenen Grundstücks-übertragungs- und Verzichtsvertrag zu prüfen gewesen; dies rechtfertige ein Überschreiten der in Nr. 2300 VV RVG erwähnten Durchschnittlichkeitsgrenze von 1,3 Gebühren.
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II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
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1. Die Tätigkeit der vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte erfüllt den Gebührentatbestand der Nr. 2300 VV RVG. Sie hatten den Bestand des titulier-ten Anspruchs zu prüfen, über den die Parteien in der notariellen Kaufvertrags-urkunde eine Verrechnungsabrede getroffen hatten. Die hierzu entfalteten Tä-tigkeiten lösten die Geschäftsgebühr aus.
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a) Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG entsteht gemäß Vor-bemerkung 2.3 Abs. 3 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der In-formation. Aus der systematischen Stellung im zweiten Teil des Vergütungsver-zeichnisses ergibt sich, dass es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit han-deln muss. Der Begriff „Betreiben des Geschäfts“ ist weit auszulegen. Er um-fasst unter anderem die erste auftragsgemäße Unterhaltung mit dem Auftrag-geber, das anschließende Anlegen einer Handakte, den Entwurf eines Schrei-bens oder Schriftsatzes, seine Übersendung an den Auftraggeber zur Prüfung, die Durchsicht der Stellungnahme des Auftraggebers, die Reinschrift des Schriftsatzes, seine Unterzeichnung, seine Absendung und Einreichung sowie eine Akteneinsicht (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., VV 2300 Rn. 12).
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b) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Ob daneben eine Verfah-rensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG in Ansatz gebracht werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Sie wird vorliegend nicht verlangt. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), einer ne-gativen Feststellungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 – IX ZR 89/83, MDR 1985, 138; vom 5. März 2009 – IX ZR 141/07, WM 2009, 918 Rn. 8 f), ei-
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ner Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) oder einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder sonstigen Urteilsmissbrauchs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1963 – IV ZR 136/62, BGHZ 40, 130, 132 f; vom 27. März 1968 – VIII ZR 141/65, BGHZ 50, 115, 117 ff; vom 24. September 1984 – III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 383 ff; vom 22. Dezember 1987 – VI ZR 165/87, BGHZ 103, 44, 46 ff) muss der beauftragte Rechtsanwalt die materielle Rechtslage sowie die Beweislage in vollem Umfang durchdringen. Der Bearbeitungsaufwand unterscheidet sich dann nicht von demjenigen, den der Rechtsanwalt hätte aufbringen müssen, wenn er vor Einleitung eines streiti-gen Erkenntnisverfahrens mit der zunächst außergerichtlichen Bearbeitung des Falls betraut worden wäre. Gleicht sich der jeweilige Bearbeitungsaufwand, gibt es keine Rechtfertigung, die Geschäftsgebühr nur deshalb als nicht angefallen anzusehen, weil sie möglicherweise in Konkurrenz zu einer Gebühr aus Nr. 3309 VV RVG tritt.
aa) Dieser Befund wird bestätigt durch einen Vergleich der gebühren-rechtlichen Lage vor Erhebung einer Leistungsklage einerseits und einer Voll-streckungsabwehrklage andererseits. Erhält ein Rechtsanwalt einen unbeding-ten Auftrag zur Klageerhebung und führt vor derselben noch erfolgreich außer-gerichtliche Verhandlungen mit dem Gegner, hat er Anspruch auf eine Verfah-rensgebühr gemäß Nr. 3100, 3101 VV RVG. Denn die außergerichtlichen Ver-handlungen gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG zu der Tätigkeit in dem Rechtszug (LG Augsburg VersR 1967, 788; LG Berlin VersR 1968, 1001 f; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., VV 2300, 2301 Rn. 6; Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe, aaO VV 3100 Rn. 17 f; Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/ Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 3100 VV Rn. 31). Nichts anderes gilt, wenn der Rechtsanwalt den unbedingten Auftrag zur Erhebung einer Vollstre-ckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO erhalten hat. Auch er hat bei Einrei-
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chung dieser Klage Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO, VV 3309 Rn. 334; Hartmann, aaO, VV 3309, 3310 Rn. 41; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 2). Folglich kann er diese Gebühr auch bei Erfolg außergerichtlicher Ver-handlungen vor Klageeinreichung geltend machen. Hat der Rechtsanwalt, der einen Leistungsanspruch verfolgen (oder abwehren) soll, noch keinen unbe-dingten Auftrag zur Klageerhebung (bzw. Verteidigung vor Gericht) erhalten, kann er erfolgreiche außergerichtliche Bemühungen gemäß Nr. 2300 VV RVG abrechnen. Es gibt keinen Grund, warum die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage gebührenrechtlich anders behandelt werden sollte. Wenn diese Tätigkeit bei unbedingtem Klageauftrag der Tätigkeit im Vorfeld einer Leistungsklage (oder sonstigen Klage außerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens) gleich zu achten ist, kann sie bei noch nicht unbedingt erteiltem Klageauftrag nicht unterschiedlich zu vergüten sein. In die-ser Weise sind die Rechtsanwälte des Klägers für diesen gegenüber der Be-klagten tätig geworden. Sie sollten für ihn gegenüber der vollstreckbaren nota-riellen Urkunde vom 25. April 2001 Erfüllung einwenden und hätten mithin bei Erfolglosigkeit der zunächst nur betriebenen außergerichtlichen Korrespondenz Vollstreckungsabwehrklage erheben müssen.
bb) Eine gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende gebüh-renrechtliche Ungleichbehandlung der im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehr-klage tätigen Rechtsanwälte droht entgegen der Befürchtung der Revision nicht. Zwar begründet der für den Vollstreckungsgläubiger tätige Rechtsanwalt durch die mit einer Vollstreckungsandrohung versehene Aufforderung zur Leistung zunächst nur einen Gebührenanspruch nach Nr. 3309 VV RVG. Wird sodann auf Seiten des Vollstreckungsschuldners ein Rechtsanwalt tätig, der gegen die titulierte Forderung mehr als nur vollstreckungsverfahrensrechtliche Einwände
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oder Vollstreckungsschutzanträge ankündigt, sondern die Berechtigung der Forderung in einer Weise bekämpft, die in eine Vollstreckungsabwehrklage, eine negative Feststellungsklage oder eine auf § 826 BGB gestützte Schadens-ersatzklage wegen Titelerschleichung oder Titelmissbrauchs münden würde, muss der Rechtsanwalt des Vollstreckungsgläubigers diese Verteidigung prüfen und seinem Mandanten über das weitere Vorgehen beraten. Damit hat auch er die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG verdient.
2. Den Kläger trifft kein Mitverschulden an der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB). Der Anspruch auf Schadensersatz umfasst regelmäßig auch die durch das schädigende Ereignis verursachten Kosten der Rechtsver-folgung, so dass auch die Gebühren eines Rechtsanwalts erstattungsfähig sein können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Schädiger zwar nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat ver-ursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeb-lichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 30. April 1986 – VIII ZR 112/85, WM 1986, 1056, 1057 f; vom 8. November 1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 250 ff; vom 12. Dezember 2006 – VI ZR 175/05, WM 2007, 752 Rn. 10). Die vom Berufungsgericht angestellten Erwä-gungen, warum die Beauftragung von Rechtsanwälten aus der Sicht des Klä-gers erforderlich und zweckmäßig war, begegnen jedoch keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere entspricht es sowohl höchstrichterlicher Rechtspre-chung (BGH, Urteil vom 30. April 1986 – VIII ZR 112/85, WM 1986, 1056, 1058) als auch einem allgemeinen Rechtsgedanken (vergleiche § 121 Abs. 2 Fall 2 ZPO), dass der Kläger sich zur Herstellung von „Waffengleichheit“ seiner Rechtsanwälte bedienen durfte, nachdem auch die Beklagte Rechtsanwälte zur Durchsetzung ihres vermeintlichen Anspruchs eingeschaltet hatte.
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Die Beklagte hat ihren im Revisionsverfahren eingenommenen Stand-punkt, der Kläger habe zunächst selbst die angeblich einfache Rechtslage prü-fen und sich verteidigen können, durch ihr eigenes Verhalten widerlegt. Sie selbst sah Veranlassung, den Darlehensanspruch mit anwaltlicher Hilfe geltend zu machen. Deshalb verstößt ihr Mitverschuldenseinwand schließlich auch ge-gen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie verhält sich in rechtlich unzulässiger Weise widersprüchlich, indem sie von dem Kläger eine Rücksichtnahme erwar-tet, die sie ihm gegenüber selbst nicht gezeigt hat.
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3. Das Berufungsgericht hat die Schadenshöhe im Ergebnis zutreffend bestimmt. Die von den Rechtsanwälten des Klägers berechnete 1,5-fache Ge-schäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG auch im Verhältnis zur Beklagten verbindlich, weil sie nicht unbillig ist.
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a) Die Rechtsanwälte des Klägers durften jedenfalls eine 1,3-fache Ge-schäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Rechnung stellen. In dieser Höhe fällt die Geschäftsgebühr in durchschnittlichen Rechtssachen als Regelgebühr an (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 Rn. 8; vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 207). Ob eine Rechtssache als wenigstens durchschnittlich anzusehen ist, bestimmt sich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angele-genheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftragge-bers. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte des Klägers war nach diesen Kriterien jedenfalls durchschnittlich aufwändig. Davon ist selbst dann auszugehen, wenn die Rechtsanwälte nicht, wie vom Berufungsgericht zur Begründung der Gebüh-renhöhe angenommen, die Übertragung der ideellen Hälfte am gemeinsamen
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Grundstück der Parteien unter Berücksichtigung etwaiger Anfechtungen nach dem Anfechtungsgesetz auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen mussten. Auch ohne diesen zusätzlichen Aufwand mussten sie jedenfalls mit Hilfe einer Ein-sichtnahme in das Grundbuch überprüfen, ob die Grundstücksumschreibung gemäß Vertrag vom 25. April 2002 rechtswirksam vollzogen war, weil sie nur dann den Verzicht auf die Darlehensforderung mit Aussicht auf Erfolg einwen-den konnten. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings auch hervorgeho-ben, dass aus Sicht der Rechtsanwälte des Klägers die Überprüfung etwaiger Ansprüche der Gläubiger des Klägers aus Anfechtung der Grundstücksübertra-gung durchaus als notwendig erscheinen konnte, weil schon die beurkundende Notarin bei Vertragsschluss am 25. April 2002 darüber belehrt hatte (Nr. II. 3. 2 des Vertrages). Ob diese Überprüfung letztlich konkrete Anhaltspunkte dafür erbrachte, dass der im selben Vertrag vereinbarte Verzicht auf die Darlehens-forderung durch Anfechtung der Grundstücksübertragung gefährdet sein könn-te, ist unerheblich. Für die Gebührenhöhe bedeutsam ist allein, dass die Rechtsanwälte des Klägers alle nicht völlig fern liegenden Risiken zu erwägen hatten und die Überprüfung von Anfechtungsmöglichkeiten einen nicht unerheb-lichen juristischen Aufwand erzeugt.
Außerdem wurde das Mandat maßgeblich dadurch bestimmt, dass die Rechtsanwälte den Kläger gegen eine bereits titulierte Forderung verteidigen mussten und die Beklagte überdies eine außerordentliche knappe Frist hatte setzen lassen, nach deren Ablauf jederzeit mit der Vollstreckung aus dem der Beklagten erteilten Titel zu rechnen war. Die Angelegenheit bedurfte mithin ei-ner besonders schnellen Bearbeitung.
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b) Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht
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es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der kon-kreten Gebühr ein Spielraum von 20 v.H. (sog. Toleranzgrenze) zusteht (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006, aaO, Rn. 5; Gerold/Schmidt/Mayer, aaO, § 14 Rn. 12; AnwKomm-RVG/Onderka, 5. Aufl., § 14 Rn. 80 ff mwN; Mayer/Kroiß/ Winkler, RVG, 4. Aufl., § 14 Rn. 54 mwN; Römermann in Hartung/Römer-mann/Schons, RVG, § 14 Rn. 89 f). Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Gren-ze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben die Rechtsanwälte des Klägers die Toleranzgrenze eingehalten.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Wernigerode, Entscheidung vom 29.04.2009 – 10 C 872/08 –
LG Magdeburg, Entscheidung vom 15.12.2009 – 2 S 187/09 –

Honoraranspruch für angefangene Angelegenheiten bei Beendigung des Mandatsverhältnisses

In einem Gebührenstreit hat das Landgericht (LG) Duisburg entschieden, dass der Gebührenanspruch des Steuerberaters bei Beendigung des Mandatsverhältnisses dann nicht entfällt, wenn der Mandant durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung verursacht hat. In diesem Fall ist die Gebühr gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nach einem der bisherigen Ausführung entsprechenden Anteil zu bemessen. Eine Überschreitung der vom Sachverständigen ermittelten angemessenen Gebühr um 20 % führt nicht zur Unangemessenheit der Gebührenforderung.

 

LG Duisburg · Urteil vom 4. August 2000 · Az. 10 O 57/98

  • Gericht:

    LG Duisburg

  • Datum:

    4. August 2000

  • Aktenzeichen:

    10 O 57/98

  • Typ:

    Urteil

  • Fundstelle:

    openJur 2011, 77974

  • Verfahrensgang:

     

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.225,89 DM nebst 4 % Zinsen

seit dem 09.12.1997 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 45 %, die Klägerin zu 55 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in

Höhe von 12.000,00 DM, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von

4.500,00 DM. Die Sicherheitsleistung kann auch durch Bürgschaft einer Groß-

bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse mit Sitz in der Europäischen Union

erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin war Steuerberaterin der Beklagten. Für die Abschlußbilanz 1995 und 1996 stellte sie der Beklagten einen Betrag von insgesamt 23.987,27 DM in Rechnung (Rechnung vom 05.08.1997, Bl. 8 d. GA) und Rechnung vom 18.08.1997, Bl. 9 d. GA.). Sie übersandte je eine mit „Besprechungsexemplar“ überschriebene Bilanz und verlangte einen Honorarvorschuß von 17.250,00 DM. Die Beklagte zahlte auf die Honorarrechnung lediglich einen Betrag von 11.993,64 DM. Die Bilanzen, die die Klägerin für die Beklagte erstellte, enthielten die Gewinn- und Verlustrechnung sowie einen Anhang. Lageberichte, die in den Rechnungen mit einem Betrag von 1.672,68 DM abgerechnet wurden, wurden durch die Klägerin noch nicht erstellt, da sie diese nicht anfertigen konnte. Die Beklagte verschob viermal kurzfristig noch geplante Besprechungstermine mit der Klägerin zur Erstellung der Bilanzen und der Lageberichte.

Ende 1997 kündigte die Klägerin das Mandat. Sie forderte die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 01.12.1997 unter Fristsetzung bis zum 08.12.1997 zur Zahlung des noch ausstehenden Betrages von 11.993,63 DM auf.

Die Beklagte beauftragte ihrerseits einen anderen Steuerberater, die Bilanzen für 1995 und 1996 zu erstellen. Hierfür entrichtete sie ein Gesamthonorar in Höhe von 8.121,76 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnungen der Steuerberatungs GmbH

vom 30.01.1998 (Bl. 41 und 42. d.GA) Bezug genommen.

Mit Beschluß des Amtsgerichts Duisburg vom 23.12.1999 wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die Beklagte bestellt und ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 INSO hat das Amtsgericht nicht angeordnet (AG Duisburg, Az. 60 IN 228/99).

Die Klägerin behauptet, die von ihr für 1995 und 1996 erstellten Bilanzen seien, sowie ihr die erforderliche Information von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden seien, fehlerfrei und vollständig erstellt. Sie ist der Auffassung, die Honorarberechnungen seien korrekt erfolgt. Insbesondere die Gebührensätze von 30/10 für die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie von 10/10 für die Erstellung des Anhangs entsprächen den Grundsätzen der StBGebV. Insoweit habe sie auch, was zwischen den Parteien unstreitig ist, die Bilanzen der Vorjahre mit denselben Sätzen abgerechnet. Die Gegenstandswerte als Bemessungsgrundlage für weitere Honorarrechnungen habe sie zutreffend berechnet.

Im Schriftsatz vom 08.05.1998 (Bl. 50 d. GA.) erklärte sich die Klägerin bereit, auf die Kosten für die Erstellung der mitabgerechneten Lageberichte in Höhe von brutto 1.672,68 DM zu verzichten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.993,63 DM nebst 4 % Zinsen

seit dem 09.12.1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Abrechnungen der Bilanzen für 1995 und1996 seien fehlerhaft vorgenommen worden. Sie habe mit der Klägerin einen Gebührensatz von 20/10 vereinbart.

Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit den ihr entstandenen Kosten für die Neuerstellung der Bilanzen für 1995 und 1996 in Höhe von 8.121,76 DM. Weiterhin erklärt sie hilfsweise die Aufrechnung mit von ihr behaupteten Überzahlungsansprüchen aus den Rechnungen für die Buchführung der Jahre 1992, 1993, 1994 und 1996. Hierzu trägt sie vor, der vereinbarte Gebührensatz für die Buchhaltung habe 8/10 betragen, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Gegenstandswerte seien durch die Klägerin jedoch falsch ermittelt worden. Für das Jahr 1993 sei ein Betrag von 2.112,00 DM zuviel bezahlt worden, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Klägerin beruft sich gegenüber dem insoweitigen Rückzahlungsverlangen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung. Weiterhin ermittelte die Klägerin für die Bilanzbuchhaltung 1996 einen Guthabenbetrag von 347,76 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnungen vom 25.10.1997, 25.05.1998 (Bl. 69 d. GA.) verwiesen. Die Beklagte wendet darüber hinaus ein, die von der Klägerin vorgelegten Rechnungskopien seien nicht unterschrieben und entsprächen auch im übrigen nicht den formellen Anforderungen der StBGebV.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 24. Juli 1998 (Bl. 78 d. GA.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Dipl.-Kaufmanns und Steuerberaters . Wegen des Inhaltes der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 01.02.2000 (Anlageheft) Bezug genommen.

Im übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 6.225,89 DM begründet, im übrigen unbegründet. Die Klägerin hat ursprünglich einen Vergütungsanspruch aus § 628 Abs. 1 BGB in Höhe von 10.320,95 DM. Dieser Anspruch ist in Höhe eines Betrages von 4.095,06 DM durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten gemäß § 389 BGB erloschen.

Soweit die Klägerin zunächst beantragte, die Beklagte zur Zahlung von 11.993,63 DM zu verurteilen, hat sie die Klage in Höhe eines Betrages von 1.672,68 DM gemäß § 269 Abs. 1 ZPO durch Schriftsatz vom 08.05.1998 (Bl. 50 d. GA.) teilweise zurückgenommen. Indem sie sich bereit erklärte, auf die Kosten für die noch nicht erstellten Lageberichte zu verzichten, liegt, auch wenn die Klägerin nicht ausdrücklich eine Teilklagerücknahme erklärt hat, zumindest eine konkludente Erklärung der Rücknahme vor. Diese ist grundsätzlich ausreichend (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO zu § 269 Rz. 19). Das Verhalten der Klägerin läßt erkennen, dass sie die Klageforderung um die Rechnungsposten reduzieren will, nachdem sie erklärt hat, die Lageberichte noch nicht erstellt zu haben.

Der danach von der Klägerin noch geltend gemachte Vergütungsanspruch bestand in Höhe eines Betrages von 10.320,96 DM gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach kann der Dienstverpflichtete, sofern eine Kündigung des Dienstverhältnisses nach den §§ 626 oder 627 BGB erfolgt ist, nach dem Beginn der Dienstleistung einen an seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen.

Zwischen den Parteien bestand gemäß § 611 BGB ein Dienstleistungsvertrag, der eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB zum Inhalt hatte. Die Klägerin hat mit der Beklagten 1992 einen Steuerberatervertrag geschlossen, der die Klägerin verpflichtete, sowohl die Buchführung durchzuführen als auch die Jahresbilanzen zu erstellen. Dem steht nicht entgegen, das einzelne erfolgsbezogene Tätigkeiten wie Buchführung und Bilanzerstellungen geschuldet waren, da es auf eine umfassende Würdigung der Tätigkeit ankommt. Nur bei einem konkreten einmaligen Leistungserfolg liegt ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB vor (vgl. BGH, Wertpapiermitteilung 1992, Seite 62/64 m.w.N.).

Die Klägerin hat den Vertrag zwischen den Parteien im Herbst 1998 gemäß § 627 Abs. 1 BGB außerordentlich gekündigt. Die Klägerin war zu einer solchen Kündigung auch berechtigt. Als Steuerberaterin hat sie Dienste höherer Art geleistet, die aufgrund eines besonderen Vertrauens übertragen werden, weil der Mandant dem Steuerberater mit dem Auftrag zur Wahrnehmung seiner steuerlichen Interessen Einblick in seine Berufs-, Geschäfts-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt (vgl. Erman-Hanau, Palandt § 627 Rn. 2; BGH inNJW-RR 1993, 374). Die Klägerin stand auch in einem dauernden Dienstverhältnis, da der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen war. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Dienstleistung die Erwerbstätigkeit der Verpflichteten vollständig oder überwiegend in Anspruch nimmt.

Feste Bezüge erhält die Klägerin nicht, sondern nur die aufgrund ihrer geleisteten Arbeit fälligen Gebühren.

Die Kündigung war auch nicht aufgrund § 628 BGB ausgeschlossen, da sie nicht zur Unzeit für die Beklagte erfolgte.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist nicht dadurch beschränkt, dass diese die Bilanzen für 1995 und 1996 noch nicht fertigstellte. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien bedurften die von der Klägerin vorgelegten Bilanzen noch der Besprechung, um abschließende Bewertungen des Anlagevermögens und einiger Forderungen vorzunehmen. Sie wurden auch von der Klägerin lediglich als Besprechungsexemplare überschrieben.

Das Honorar ist gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nach einem der bisherigen Tätigkeit entsprechenden Anteil zu bemessen. § 628 BGB wird nicht durch die StBGebV ausgeschlossen. Die StBGebV enthält keine Bestimmung über den Grund des Vergütungsanspruchs. Dessen Voraussetzungen ergeben sich aus den Vorschriften des BGB, die durch die in der StBGebV enthaltenen Regelungen, welche die Höhe des Vergütungsanspruchs bemessen, ergänzt werden (vgl. BGH, NJW 1982, 437/438 zur vergleichbaren Regelung in der BRAGO). Der bisherige Anteil der Vergütung berechnet sich nach den bereits angefallenen Gebühren. Die Gebühren entstehen, sobald der Steuerberater aufgrund eines Auftrages irgendeine Tätigkeit vorgenommen hat (vgl. Eckert/Böttcher zu § 12StBGebV Anm. 4). Die Klägerin ist bereits für die Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Anhang der Bilanzen für 1995 und 1996 tätig geworden. Daher sind jeweils die Gebühren gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 a) und b) StBGebV entstanden, nicht aber solche für die Lageberichte gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 c, da die Klägerin aufgrund der fehlenden Informationen durch die Beklagte nicht tätig werden konnte. Eine Herabsetzung des Honorars aufgrund der vorzeitigen Beendigung und der damit verbundenen Arbeitsersparnis ist durch § 12 Abs. 4 StBGebV ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist es für bereits entstandene Gebühren ohne Einfluß, wenn der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt ist. § 12 Abs. 4 StBGebV beruht auf den Besonderheiten des steuerberaterlichen Gebührenrechts. Es ist Ausfluß des Systems der gesetzlichen Verfahrenspauschgebühren, nach dem der Steuerberater für eine Gruppe gleichgearteter Tätigkeiten jeweils eine Gebühr erhält, ohne dass es darauf ankommt, wie oft er die betreffende Tätigkeit ausführt. Der Steuerberater hat diese Gebühr bereits mit der ersten Tätigkeit, die die gesetzlichen Voraussetzungen ihres Entstehungstatbestandes erfülllt, in voller Höhe verdient. Er kann sie weder für eine gleichgeartete Tätigkeit in derselben Angelegenheit ein zweites Mal fordern (§12 Abs 2 StBGebV) noch verringert sich diese, wenn er die Tätigkeit zur Durchführung des Auftrages lediglich einmal vornehmen muß (vgl. BGH NJW 1987, 315/316 zum wortgleichen § 13 Abs. 4 BRAGO).

Der Anspruchsgrund ist auch nicht durch § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB entfallen. Es kann dahinstehen, inwieweit die Beklagte noch Interesse an den Leistungen der Klägerin hatte, denn die Beklagte hat durch ein vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlaßt. Zum einen ergeben sich aus dem Beratervertrag umfassende gegenseitige Informationspflichten. Der Steuerberater kann die Bilanzen nur dann sachgerecht erstellen, wenn er hierbei von seinem Mandanten unterstützt wird, insbesondere durch zur Verfügungsstellen der erforderlichen Informationen und Teilnahme an Besprechungen. Diese noch notwendigen Besprechungen hatte die Beklagte viermal kurzfristig verschoben. Unter diesen Voraussetzungen war es der Klägerin nicht möglich, die Bilanzen abschließend zu erstellen. Die Beklagte verletzte damit zumindest ihre vertraglichen Obliegenheiten gegenüber der Klägerin. Unabhängig davon, ob es zugleich eine Nebenpflichtverletzung ist, stellt es ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten dar, da es die sachgerechte Durchführung des Steuerberatervertrages durch die Klägerin unmöglich machte.

Zum anderen hatte die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung den von der Klägerin verlangten Vorschuß nicht in voller Höhe bezahlt. Nach § 8 StBGebV war die Klägerin berechtigt, entgegen der Regelung des § 614 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Vorschuß zu verlangen. Die Vorschußanforderung ist in Höhe von 17.250,00 DM erfolgt und war auch angemessen. Zum einen waren die Gebühren bereits entstanden, zum anderen hatte die Klägerin ein erhöhtes Sicherungsinteresse hinsichtlich ihrer Gebührenforderung, da bereits eine nominelle Überschuldung der Beklagten aus den Bilanzen zu ersehen war. Der Vorschuß überschritt auch nicht das von ihr beabsichtigte Honorar.

Das Honorar besteht für die Gewinn- und Verlustrechnungen und den Anhang auch in der berechneten Höhe. Der Gebührensatz war durch die Klägerin innerhalb des Gebührenrahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 StBGebV nach billigem Ermessen gemäß § 11 StBGebV zu bestimmen.

Soweit die Beklagte behauptet, es sei ein Gebührensatz von 20/10 für die Gewinn- und Verlustrechnung vereinbart gewesen, ist dies unbeachtlich. Die Beklagte, die für eine solche Vereinbarung darlegungs- und beweispflichtig ist, hat für ihre Behauptung insoweit keinen Beweis angetreten. Aufgrund der Beweisaufnahme steht fest, dass die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Gebührensätze von 30/10 für die Gewinn- und Verlustrechnung und 10/10 für den Anhang billigem Ermessen entsprechen.

Der angesetzte Gebührensatz von 30/10 für die Gewinn- und Verlustrechnung liegt innerhalb des zulässigen Gebührenrahmens des § 35 Abs. 1 Nr. 1 a StBGebV. Der Gutachter hält einen Gebührensatz von 28/10 für angemessen. Der Sachverständige führt insofern nachvollziehbar und anhand der ihm vorliegenden Unterlagen verständlich aus, dass eine Einordnung in diesem Gebührenrahmen zu erfolgen hat. Der von der Klägerin festgelegte Gebührensatz erfüllt die Anforderungen des § 11 StBGebV. Soweit es insoweit auf die Bedeutung der Sache ankommt, bestimmt sich diese nach den Auswirkungen in wirtschaftlicher Sicht der Stellung und das Ansehen des Auftraggebers und die Auswirkungen der Tätigkeit auf weitere Angelegenheiten (vgl. Eckert/Böttcher, § 11 StBGebV, Anm. 2.1.). Die Jahresabschlußbilanz ist Voraussetzung für die Steuererklärung der Beklagten und wichtig für deren Kreditwürdigkeit und daher von hoher Bedeutung. Beim Umfang der zu erstellenden Arbeiten ist auch der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen. Auch wenn die Auftragsdurchführung durch die Klägerin vorzeitig endete, sind sowohl die Gewinn- und Verlustrechnung als auch der Anhang bis auf abschließende Bewertungen fertiggestellt. Die zeitlich aufwendige Zusammenstellung und Verarbeitung der Daten sind damit erbracht. Der Sachverständige ermittelt daher nachvollziehbar die Schwierigkeit der Tätigkeit mit einem gehobenen bis höheren Schwierigkeitsgrad. Ausweislich der Umsätze der Bilanzen betreibt die Beklagte zumindest eine mittelgroße Spedition. Ein gehobener Schwierigkeitsgrad wird bei Abschlußerstellung für kleine und mittlere Handelsbetriebe angenommen, ein höher Schwierigkeitsgrad bei größeren Handelsunternehmen (vgl. Eckert/Böttcher, § 11StBGebV, Anm. 2.3). Zusätzlich erschwerend war zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass durch die mehrfach verschobenen Besprechungstermine deren zeitliche Planung und Vorbereitung auf die Besprechung wesentlich erschwert wurden.

Der vom Gutachten abweichende Gebührensatz der Klägerin von 30/10 liegt noch innerhalb des billigen Ermessens. Durch die Bestimmung nach billigem Ermessen ergibt sich ein gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbarer Ermessensspielraum. Eine Überschreitung des von dem Sachverständigen ermittelten Wertes von 20 % durch die Klägerin führt noch nicht zur Unbilligkeit (vgl. Eckert/Böttcher, § 11 Anm. 9.9. und 9.10). Diese Abweichungen liegen noch innerhalb des Ermessens der Klägerin (vgl. zum wortgleichen § 12 Abs. 1 BRAGO Gerold/Schmidt (v. Eicken, § 12 BRAGO Rz. 9 m.w.N.). Desweiteren hatte die Beklagte auch in den Vorjahren ausweislich der Rechnungen vom 20.04.1995 und 08.02.1996 für die Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnungen sowie der Anhänge der Jahre 1993 und 1994 jeweils denselben Gebührensatz akzeptiert. Dem steht nicht entgegen, dass für 1992 geringere Gebührensätze veranlagt wurden. Das Jahr ist das Jahr der Aufnahme der Geschäftstätigkeit und als solche mit den Folgejahren nicht vergleichbar. Insoweit war der Arbeitsaufwand der Klägerin für die Beklagte geringer, da sie nur 9 Monate tätig war.

Auch der Gebührensatz von 10/10 für die Erstellung der Anhänge entspricht der Bestimmung nach billigen Ermessen. Dabei kann den Ausführungen des Gutachtens nur eingeschränkt gefolgt werden. Der Sachverständige hält eine Reduzierung des Gebührensatzes um 3/10 auf 7/10 als angemessene Gebühr für erforderlich. Dem schließt sich das Gericht nicht an. Das Gutachten ist in diesem Punkt widersprüchlich. Der Sachverständige ermittelt den Wert aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und hält ihn als Ansatz oberhalb des Mittelwertes für berechtigt. Der Gebührenrahmen beträgt § 35 Nr. 1 b) 2/10 bis 12/10. Der Mittelwert ist somit 7/10. Nach den eigenen Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich beim Ansatz oberhalb eines Mittelwertes ein Gebührensatz von zumindest 8/10. Unterstellt man diesen Gebührensatz als angemessen überschreitet der Ansatz der Klägerin den Wert somit ebenfalls um nicht mehr als 20 %, was noch billigem Ermessen entspricht.

Soweit die Beklagte die Gegenstandswerte der Bilanzen 1995 und 1996 bestreitet, ist ihr Vortrag unsubstantiiert und widersprüchlich und daher unbeachtlich. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz lediglich pauschal die falsche Berechnung der Gegenstandswerte angeführt. Demgegenüber hat die Klägerin die ermittelten Gegenstandswerte im einzelnen erläutert. Die Beklagte hat auch weiterhin die Rechnungen der Steuerberater

GmbH beigefügt. Deren berechnete Gegenstandswerte weichen jedoch nur geringfügig von den Berechnungen der Klägerin ab. Sie liegen in denselben Gebührenstufen. Diese Berechnungen der Steuerberater GmbH hat die Beklagte jedoch hingenommen, indem sie die Rechnungen in voller Höhe bezahlte. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte ihr widersprüchliches Verhalten im einzelnen erklären und erläutern müssen, inwieweit die Gegenstandswertberechnungen der Klägerin unzutreffend waren. Soweit der Sachverständige daher abweichende Gegenstandswerte ermittelt, können seine Ausführungen dahingestellt bleiben. Im übrigen sind die Berechnungen seiner Gegenstandswerte im Gutachten auch unzureichend, da nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige teilt insoweit nicht mit, aus welchen Faktoren er die Gegenstandswerte gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 StBGebV bildet. Er teilt lediglich die errechnete Summe mit. Gerade aber die Zusammensetzung der berichtigten Bilanzsumme und der betrieblichen Jahresleistung, aus denen sich der Gegenstandswert berechnet, sind die tatsächlichen Grundlagen der Ermittlung und hätten vom Sachverständigen mitgeteilt werden müssen. Die Vergütung ist auch gemäß § 7 StBGebV fällig. Die Klägerin hat die Angelegenheit erledigt, indem sie das Mandat im Herbst 1997 kündigte. Das Honorar ist auch fällig im Sinne des § 9 StBGebV. Die Rechnungen entsprechen den formellen Erfordernissen des § 9 StBGebV. Soweit die Beklagte insoweit rügt, dass die von der Klägerin eingereichten Rechnungen nicht unterzeichnet sind und der Form des § 9 Abs. 1 StBGebV nicht genügen, ist dies unbeachtlich. Unbestritten durch die Beklagte ist geblieben, dass die an sie übersandten Rechnungen mit den Anforderungen des § 9 Abs. 1 StBGebV genügten.

Die danach gegebene Forderung der Klägerin in Höhe von 10.320,95 DM ist durch die Aufrechnungserklärung der Beklagten in Höhe eines Betrages von 4.095,06 DM gemäß § 389 BGB erloschen. Weitergehende aufrechenbare Ansprüche stehen der Beklagten nicht zu. Die Forderungen der Beklagten setzen sich wie folgt zusammen:

Guthaben aus der Abrechnung für 1996 347,66 DM,

unstreitige Überzahlung für das Jahr 1993 2.112,00 DM

Zuvielforderung aus dem Jahr 1992 1.635,30 DM

Hierzu im einzelnen:

Die Beklagte hatte gegen die Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgrund einer überhöht gezahlten Gebührenrechnung vom 08.10.1994 für die Buchführung des Jahres 1993 einen Anspruch in Höhe von 2.112,00 DM. die Beklagte hat 2.112,00 DM ohne Rechtsgrund an die Klägerin geleistet, da die Forderung nur in Höhe von 15.945,60 DM bestand, die Beklagte jedoch 18.057,60 DM an die Klägerin bezahlte. Soweit die Klägerin sich auf eine Verjährung dieses Anspruchs beruht, ist dies unbeachtlich. Selbst wenn eine Verjährung des Anspruchs eingetreten sein sollte, kann auch mit einer verjährten Forderung gemäß § 389 BGB aufgerechnet werden.

Die Beklagte kann weiterhin einen Betrag von 347,76 DM zur Abrechnung stellen, der sich nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin aus der Rechnung für die Bilanzerstellung für 1996 ergibt. Insofern hat die Klägerin in ihrer Rechnung vom 15.10.1997 bzw. 25.05.1998 ein Guthabensbetrag zugunsten der Beklagten von 347,76 DM ermittelt.

Die Beklagte hat weiterhin einen Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB beruhend auf einer Überzahlung der Gebührenforderung für die Buchhaltung aus dem Jahr 1992 in Höhe von 1.635,30 DM. Für die Buchführung der Jahre 1994 und 1995 besteht ein Rechtsgrund für das von der Klägerin erhaltene Honorar. Die Beklagte hat ihre Behauptung nicht bewiesen, dass die Klägerin für die entsprechenden Tätigkeiten überhöht abgerechnet hat. Der Gebührensatz war zwischen den Parteien unstreitig mit 8/10 vereinbart. Die Beklagte hat ihre Behauptung jedoch nicht bewiesen, dass die Klägerin den Jahresumsatz als Gegenstandswert gemäß § 33 Abs. 4 StBGebV falsch ermittelt hat. Soweit die Beklagte meint, der Jahresumsatz sei lediglich der Umsatzerlös der jeweiligen Jahre kann dem nicht gefolgt werden. Dieses wird schon durch den Sachverständigen widerlegt, der in die Berechnung auch Zinsen und sonstige Erträge einbezieht. Die Klägerin hat demgegenüber sämtliche Erlöse und Erträge in den Jahresumsatz eingerechnet. Das Sachverständigengutachten weicht insofern hiervon ab, indem es in Gegensatz zur Klägerin jeweils die Erlöse aus Anlageverkäufen, die Erträge aus pauschalen Wertberichtigungen und Versicherungsentschädigungen in den Jahresumsatz nicht einbezieht. Dem folgt das Gericht jedoch nicht. Der Gutachter benennt weder die einzelnen Faktoren, aus denen sich der Jahresumsatz gemäß § 33 Abs. 6 StBGebV ergibt, noch erläutert er seinen Ansatz. Er stellt auch nicht dar, warum der Ansatz der Klägerin fehlerhaft sein soll. Insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen zu den Buchhaltungsgebühren des Jahres 1992 ergeben sich Bedenken gegen seine Begutachtung. Zwar stimmt das Gericht dem Sachverständigen insoweit zu, als dieser einer Hochrechnung des Umsatzes auf 12 Monate, wie ihn die Klägerin vorgenommen hat, widerspricht. Der Sachverständige läßt bei seinen Ausführungen allerdings beispielsweise unerwähnt, dass diese Berechnungsmethode der Klägerin durchaus einer verbreiteten Ansicht entspricht, falls die Buchhaltung nur für einen verkürzten Zeitraum vorgenommen wird. Diese Berechnungsmethode der Klägerin wird insbesondere vom Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Berlin e.V. vertreten. Insgesamt kann den nicht nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zum Gebührensatz nicht gefolgt werden, so dass die Beklagte eine entsprechende Falschberechnung der Ermittlung der maßgeblichen Gegenstandswerte nicht bewiesen hat. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die einsoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt. Im Hinblick auf den von der Beklagten geltend gemachten Bereicherungsanspruch ist diese dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass der Klägerin kein Rechtsgrund zur Einbehaltung der Leistung zustand.

Unter Berücksichtigung der von der Klägerin ermittelten Gegenstandswerte ergibt sich jedoch eine Überzahlung der Rechnung für Buchhaltungsarbeiten aus 1992. Insofern ist die von der Klägerin vorgenommene Hochrechnung des Gegenstandswertes auf 12 Monate nicht zu folgen. Maßgeblich für die Tätigkeit des Steuerberaters ist insofern nur der tatsächliche Gegenstandswert, wie auch der Sachverständige ausführt (vgl.

Eckert/Böttcher, §§ 32, 33 Anm. 6).

Ausgehend von dem von der Klägerin ermittelten Gegenstandswert von 2.214.986,00 DM ergab sich daher eine 8/10 Gebühr ein monatlicher Gebührenwert von 1.196,80 DM. Bezogen auf 9 Monate errechnete sich eine Honorarforderung von 10.771,20 DM. Zuzüglich der weiteren Forderung von unstreitig 1.350,00 DM ergab sich eine Honorarforderung von 12.120,00 DM netto für das Jahr 1992. Die Klägerin machte insofern eine Honorarforderung von 13.543,20 DM geltend, die die Beklagte zahlte. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Honorarforderung ergibt sich danach eine überzogene Honorarforderung in Höhe von 1.422,00 DM netto. Zuzüglich Mehrwertsteuer errechnet sich der insoweit geltend gemachte Anspruch der Beklagten aus § 812 BGB in Höhe von 1.635,30 DM.

Die Beklagte hat auch keinen aufrechenbaren Anspruch aus einer positiven Vertragsverletzung gegen die Klägerin. Insofern kann sie die von ihre geltend gemachten Steuerberatungskosten für die Bilanzen 1995 und 1996 gemäß den Rechnungen der Steuerberatergesellschaft GmbH nicht geltend machen. Die Klägerin hat keine Pflichtverletzung begangen, die einen solchen Schadensersatzanspruch rechtfertigen würde. Die von der Klägerin vorgenommenen Bilanzarbeiten entsprechen nach dem insoweit überzeugenden Sachverständigengutachten den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die Lage der Beklagten hätte besser berücksichtigen können, wie der Sachverständige ausführt. Bei den Bilanzen handelt es sich lediglich um vorläufige Besprechungsbilanzen. Die Änderungen gegenüber den Bilanzen, welche die Steuerberatergesellschaft GmbH erstellte, sind maßgeblich durch die Änderung der Bilanzierungsmethode für die Europaletten in das Anlagevermögen und die Auflösung pauschaler Wertberichtigungen zustandegekommen. Eine solche Änderung konnte die Klägerin ohne vorherige Besprechung mit der Beklagten nicht vornehmen. Nach dem Grundsatz der Kontinuität der Bilanz gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 6 Abs. 2 HGB darf nur in Ausnahmefällen die Bewertungsmethode des Vorjahres geändert werden. Diese Ausnahme muß schon aufgrund der Begründungs- und Ausweisungspflicht im Anhang gemäß § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB mit dem Mandanten besprochen werden, bevor der Steuerberater eine solche weitreichenden Änderung vornehmen darf. Daher ist es nicht fehlerhaft seitens der Klägerin, dass diese die Besprechungsbilanz zunächst anhand der Bewertungsmethode der Vorjahre erstellt hat. Insoweit beabsichtigte die Klägerin unstreitig eine Besprechung über die Bewertung des Anlagevermögens und der Wertberichtigung noch vorzunehmen, welche jedoch aufgrund der Verzögerung der Beklagten letztlich nicht durchgeführt wurde.

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 284, 286, 288 BGB.

Die Beklagte ist durch das Schreiben der Klägerin vom 01.12.1997 seit dem 09.12.1997 in Zahlungsverzug.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert beträgt 33.721,79 DM (§§ 19 Abs. 3 GKG, 322 Abs. 2 ZPO).

 

Neue Musterverfahren zur Abgeltungsteuer – VIII R 18/14 und VIII R 13/13

 

Mit einem neuen Musterverfahren setzt sich der Bund der Steuerzahler für die Rechte der Sparer ein. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, ob Privatpersonen Kosten steuerlich absetzen können, die im Zusammenhang mit ihrer Vermögensanlage entstehen. Seit Einführung der Abgeltungsteuer kann grundsätzlich nur noch der Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro bzw. 1.602 Euro (bei Ehepaaren) abgezogen werden. Höhere Werbungskosten können also steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden.

Ob die Beschränkung rechtmäßig ist, wird nun der Bundesfinanzhof entscheiden. Der Bund der Steuerzahler unterstützt das Klageverfahren eines betroffenen Ehepaars aus Thüringen.

In diesem Fall hatten die Steuerzahler ein Darlehen zur Finanzierung ihrer Kapitalanlage aufgenommen. Das Finanzamt will die tatsächlich angefallenen Finanzierungszinsen – über den Sparerpauschbetrag hinaus – nicht steuermindernd berücksichtigen. Dagegen richtet sich das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH VIII R 18/14).

Damit liegt dem Bundesfinanzhof ein zweiter Sachverhalt zum Werbungskostenabzug vor. Das bereits seit dem Jahr 2013 anhängige Revisionsverfahren behandelt einen Fall, bei dem der persönliche Steuersatz des Bürgers unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent liegt. Hier hatte das Finanzgericht Baden-Württemberg die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für unzulässig erklärt. Dagegen hat die Finanzverwaltung Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (BFH – VIII R 13/13). In dem aktuellen Fall liegt der persönliche Steuersatz der Kapitalanleger mit rund 27 Prozent leicht über dem Abgeltungsteuersatz. Der Bund der Steuerzahler unterstützt beide Verfahren, um die Rechtslage umfassend klären zu lassen.

Quelle: Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. 25.04.2014, Pressemitteilung

Umfrage: So viel wissen die Deutschen über Steuern

Durchschnittlich fünf von neun Fragen wurden richtig beantwortet: Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH) hat in einer forsa-Umfrage insgesamt 1.503 Bundesbürger und ihr Wissen zur Einkommensteuer testen lassen. Die Ergebnisse zeigen nicht nur generelle Lücken, sondern auch teils markante Unterschiede je nach Alter, Herkunft, Einkommen und Geschlecht der Befragten. Außerdem: Selbst, mit Computer oder vom Fachmann – so macht Deutschland die Steuererklärung.

Wer Steuern sparen will, muss sich auskennen. Aber wie viel wissen die Deutschen? Genau das wollte die VLH herausfinden und ließ 1.002 Arbeitnehmer sowie 501 Rentner und Pensionäre testen.

Gemeinsam mit dem Politik- und Sozialforschungsinstitut forsa haben die Experten für Einkommensteuerfragen einen Fragenkatalog mit neun Wissensfragen sowie vier weiteren Fragen zum Thema Steuern entwickelt. In einer repräsentativen Telefonbefragung wurde anschließend das Wissen der Deutschen geprüft.

Bei Faktenwissen tun sich die meisten schwer

Sieben der insgesamt neun Wissensfragen bewerten die VLH-Steuerexperten als leicht. Diese Fragen waren mit “Ja” oder “Nein” zu beantworten. Gefragt wurde zum Beispiel, ob Fahrtkosten, die Kosten für eine Tagesmutter, Ausgaben für Medikamente oder die Rechnung für den Reifenwechsel absetzbar sind. Hier lag die Mehrzahl der Befragten noch richtig.

Für die übrigen Fragen benötigten die Befragten handfestes Faktenwissen. Hier gab es nicht nur zwei, sondern mehrere Antwortmöglichkeiten. Gefragt wurde nach der Höhe des Grundfreibetrags und dem maximalen Wert absetzbarer Werbungskosten. Bei diesen Fragen wussten nur noch jeweils 11 Prozent Bescheid.

“Je mehr Antwortmöglichkeiten es gab, desto weniger Befragte lagen richtig”, sagt der Vorstandsvorsitzende der VLH, Jörg Strötzel. Das bestätige die Vermutung, dass viele schon bei leichten Fragen zur Einkommensteuer ins Schwimmen kommen. “Geht es dann um belastbares Faktenwissen, tun sich die meisten sehr schwer”, so Strötzel.

Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage

  • Dass Arbeitnehmer und Rentner die Steuererklärung einmal im Jahr abgeben müssen, wissen 85 Prozent der abhängig Beschäftigten – also Arbeitnehmer und Angestellte – und 74 Prozent der Ruheständler.
  • 11 Prozent der abhängig Beschäftigten kennen die ungefähre Höhe des jährlichen steuerlichen Grundfreibetrags von 8.354 Euro. 52 Prozent wissen nicht, wie hoch der Grundfreibetrag ist oder was das überhaupt ist. Ein Fünftel der Befragten (19 Prozent) denkt, dass nur Einkünfte von weniger als 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei sind.
  • Die ungefähre Höhe des Grundfreibetrags kennen 14 Prozent der Ruheständler. 63 Prozent wissen nicht, wie hoch der Grundfreibetrag ist oder was das ist. 14 Prozent glauben, dass weniger als 3.000 Euro im Jahr steuerfrei sind.
  • 11 Prozent der abhängig Beschäftigten wissen, dass man Werbungskosten in unbegrenzter Höhe steuerlich absetzen kann. 29 Prozent glauben, dass sie Werbungskosten nur bis zu 1.000 Euro geltend machen können.
  • Kaum ein Rentner oder Pensionär weiß, dass man Werbungskosten unbegrenzt absetzen kann. Etwas häufiger als im Durchschnitt der Befragten wissen das Pensionäre, also Beamte im Ruhestand.
  • 40 Prozent der Befragten lassen ihre Steuererklärung von einem Experten erstellen. 26 Prozent der abhängig Beschäftigten machen ihre Steuererklärung selbst, 18 Prozent mithilfe einer Steuersoftware. Bei 10 Prozent macht der Partner die Steuererklärung.
  • Unter den Rentnern machen 29 Prozent ihre Steuererklärung selbst.
  • 16 Prozent der abhängig Beschäftigten und 25 Prozent der Rentner und Pensionäre wissen nicht, was ein Lohnsteuerhilfeverein macht.

Alle Umfrage-Ergebnisse im Überblick finden Sie hier: Pressematerial forsa-Umfrage (pdf).

Ergebnisse in Bildern

  • Die Testgruppen im Vergleich (pdf)
  • Die richtigen Antworten im Überblick (pdf)
  • Wer erstellt die Steuererklärung (pdf)
  • Alles auf einen Blick: Unsere Infografik zur Umfrage (pdf)

Die komplette Studie mit sämtlichen Details erhalten Sie gerne auf Anfrage zu. Schicken Sie einfach eine E-Mail an pressevlh.de.

Quelle: Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH) 28.04.2014, Pressemitteilung

Paintball-Verein nicht gemeinnützig

Mit rechtskräftigem Urteil vom 19. Februar 2014 (Az. 1 K 2423/11) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass ein Verein, dessen Vereinszweck das gemeinschaftliche Ausüben von (Turnier-)Paintball ist, nicht als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung (AO) anzusehen und deshalb auch nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist.

Der Kläger – ein im Juni 2010 gegründeter Paintball-Verein – beantragte die Feststellung der Gemeinnützigkeit und den Erlass einer vorläufigen Freistellungsbescheinigung (zur Körperschaftsteuer). Das beklagte Finanzamt folgte diesem Antrag nicht und erließ am 1. Juni 2011 einen Bescheid über Körperschaftsteuer für 2010 mit der Begründung, Paintball sei nicht als gemeinnützigen Zwecken dienend i. S. d. § 52 Abs. 2 AO anerkannt und falle insbesondere nicht unter die Regelung des § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO (Förderung des Sports). Den hiergegen erhobenen und im Wesentlichen mit einem Unterschied zwischen Paintball und Turnier-Paintball begründeten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2011 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO lägen nicht vor. Danach verfolge eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet sei, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO sei unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 die Förderung des Sports als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Die Vereinsmitglieder des Paintball-Vereins übten zwar begrifflich „Sport“ aus, der Verein verfolge aber gleichzeitig eine Tätigkeit, die als allgemeinwohlschädlich einzuordnen sei. Paintball-Spiele aller Variationen entsprächen nicht der Wertordnung unserer Gesellschaft, weil die Gefahr des Abstumpfens, des Abbaus von Hemmschwellen und der Förderung der Anwendung von Gewalt bestehe.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit – inzwischen rechtskräftigem – Urteil vom 19. Februar 2014 (Az. 1 K 2423/11) ab. Auch das FG vertrat die Auffassung, dass ein Verein, dessen Vereinszweck das gemeinschaftliche Ausüben von (Turnier-)Paintball ist, nicht als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung (AO) anerkannt werden könne. Das Paintballspiel – so das FG – möge zwar seit seiner „Erfindung“ unterschiedliche Entwicklungen genommen haben und inzwischen z. B. in der Form des Turnier-Paintballs praktiziert werden. Gleichwohl seien die das Spiel prägenden Eigenschaften unverändert feststellbar, auch wenn sich die äußeren Umstände (wie z. B. Kleidung, Spielfelder, Spielgeräte) und auch die Verbreitung sowie Organisation weiterentwickelt hätten. Kern des Spiels sei nach wie vor, dass mit waffenähnlichen Spielgeräten auf Menschen gezielt und geschossen werde mit dem Ziel, diese zu treffen, zu „markieren“ und zu „eliminieren“, damit letztlich dieser Mensch den Zugriff auf die Flagge der gegnerischen Mannschaft nicht mehr verhindern könne. Der zweifelsfrei vorhandene Gesichtspunkt der Ausübung und Steigerung körperlicher Aktivitäten und des Wettkampfes werde in gemeinnützigkeitsschädlicher Weise von dem Aspekt der simulierten Tötung oder Verletzung von Menschen während des Spielverlaufs massiv überlagert. Die vom Kläger vorgelegten Videos von verschiedenen Paintball-Veranstaltungen dokumentierten Spielverläufe, die an kriegerische Auseinandersetzungen zwischen (jedenfalls zum großen Teil) martialisch verkleideten Teilnehmern erinnerten und nicht zuletzt den Eindruck einer militärischen Übung etwa in der Form eines „Häuserkampfes“ vermittelten. Insofern bestehe auch ein Unterschied zu den bei Schützenvereinen angebotenen bzw. ausgeübten Sportarten. Dort kämen zwar „echte Waffen“ (etwa Gewehr, Pistole oder Bogen) zum Einsatz, es werde jedoch nicht – wie beim Paintball – auf Menschen gezielt und es würden auch keine Verletzungs- oder Tötungsszenen an Menschen nachgeahmt. Nach dem Waffengesetz seien beim Schießsport sogar bereits solche Schießübungen unzulässig, bei denen Ziele oder Scheiben verwendet würden, die Menschen (nur) darstellen oder symbolisieren würden. Beim Paintballspiel hingegen werde sogar tatsächlich auf reale Menschen geschossen, weshalb dieses Spiel mit der Werteordnung unserer Gesellschaft nicht ansatzweise in Einklang zu bringen sei.

Quelle: FG Rheinland Pfalz, Pressemitteilung vom 05.05.2014 zum Urteil 1 K 2423/11 vom 19.02.2014

Umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen bei der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren

„Kalte Zwangsvollstreckung und kalte Zwangsverwaltung durch Insolvenzverwalter“

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7100 / 07 / 10037 vom 20.04.2014

Mit Urteil vom 28. Juli 2011, V R 28/09 (BStBl II 2014 S. …), hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung u. a. entschieden, dass eine steuerbare Leistung auch bei der freihändigen Verwertung nach § 166 Abs. 1 InsO von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vorliegt.

Daneben enthalten die Urteilsgrundsätze auch generelle Ausführungen zu den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen bei der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren.

Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder hat das BMF die folgenden Punkte klargestellt:

  1. Kalte Zwangsvollstreckung und kalte Zwangsverwaltung bei der Verwertung von Grundstücken
  2. Verwertung von sicherungsübereigneten beweglichen Gegenständen durch den Insolvenzverwalter

und unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder den Abschnitt 1.2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 29. April 2014 – IV D 2 – S-7242-a / 12 / 10001 (2014/0392596), BStBl I S. …, geändert worden ist, geändert.

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn für vor dem 1. Juli 2014 ausgeführte Umsätze die Beteiligten übereinstimmend

  • in den unter Abschnitt I dargestellten Sachverhalten bei der Verwaltung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks (kalte Zwangsverwaltung) von einem nichtsteuerbaren Vorgang oder
  • in den unter Abschnitt II dargestellten Sachverhalten unter Berufung auf die nunmehr überholten Regelungen des Abschnitt 1.2 Abs. 1b UStAE a. F. nicht von einem Doppel- bzw. Dreifachumsatz bei der Verwertung eines sicherungsübereigneten Gegenstands

ausgegangen sind.

Das Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF

Steuerrechtliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen Angehörigen

Mit Urteil vom 22. Oktober 2013 (BStBl II 2014 S. …) hat der BFH entschieden, dass bei Darlehensverhältnissen zwischen Angehörigen, die nicht nur dem Interesse des Schuldners an der Erlangung zusätzlicher Mittel außerhalb einer Bankfinanzierung dienen, sondern auch das Interesse des Gläubigers an einer gut verzinslichen Geldanlage berücksichtigen, als Maßstab für den Fremdvergleich nicht allein die Vertragsgestaltungen, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind, sondern ergänzend auch Vereinbarungen aus dem Bereich der Geldanlage heranzuziehen sein können. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Rdnr. 4 Satz 3 des BMF-Schreibens vom 23. Dezember 2010 (BStBl I 2011 S. 37) durch folgende Sätze ersetzt:
„Vergleichsmaßstab sind grundsätzlich die Vertragsgestaltungen, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind. Sofern Darlehensverträge zwischen Angehörigen neben dem Interesse des Schuldners an der Erlangung zusätzlicher Mittel außerhalb einer Bankfinanzierung auch dem Interesse des Gläubigers an einer gut verzinslichen Geldanlage dienen, sind ergänzend auch Vereinbarungen aus dem Bereich der Geldanlage zu berücksichtigen, vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2013 (BStBl II 2014 S. …).“

Die Änderung ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2144 / 07 / 10004 vom 29.04.2014

BCI Anleger müssen Scheinrenditen versteuern

„Renditen“ aus einer Beteiligung an der Business Capital Investors Corporation (BCI) müssen als Kapitaleinkünfte versteuert werden, wenn sie bis Anfang 2010 gutgeschriebenen wurden. Dies entschied der 14. Senat des Finanzgerichts Köln mit seinem Urteil vom 19.03.2014 (Az. 14 K 2824/13).

Bei der BCI handelt es sich um eine im Jahr 2002 gegründete amerikanische Aktiengesellschaft. Den Anlegern wurden Renditen von 15,5 % versprochen. Die Anlagegelder sollten in einen Vermögenspool fließen, aus dem u. a. Großbanken Sicherheitskapital für Finanzgeschäfte zur Verfügung gestellt werden sollte. Tausende deutscher Anleger, die an die 100 Millionen Euro investiert haben sollen, wurden so gelockt. Tatsächlich wurden mit den eingezahlten Geldern jedoch Zins- und Rückzahlungsansprüche von anderen Anlegern befriedigt. Mit jährlichen Renditeabrechnungen von 15,5 % wurde der Erfolg des Produkts vorgetäuscht. Im Falle der Kündigung der Anlage wurde die Einlage samt vermeintlich erzielter Rendite bis Anfang des Jahres 2010 auch ausbezahlt. Danach brach dieses Schneeballsystem zusammen.

In dem Streitfall klagten Eheleute, die sich in den Jahren 2002 bis 2007 mit insgesamt 338.000 Euro an der BCI beteiligt hatten, gegen die Versteuerung gutgeschriebener „Renditen“ in Höhe von ca. 190.000 Euro. Da sie sich für die Wiederanlage der Einlagen und der „Renditen“ entschieden hatten, verloren sie mit dem Zusammenbruch des Schneeballsystems alles. Dennoch besteuerte das Finanzamt die Renditen. Hierbei berief es sich auf die Rechtsprechung des BFH, wonach auch Gutschriften aus einem sog. Schneeballsystem zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, solange der Betreiber zur Auszahlung der gutgeschriebenen „Renditen“ bereit und fähig war. Der 14. Senat des Finanzgerichts Köln wies die Klage der Eheleute ab. Er behandelte die gutgeschriebenen Renditen als steuerpflichtige Einnahmen aus einer stillen Beteiligung. Dass die Renditen nie zur Auszahlung kamen sei unerheblich, da die BCI auf Verlangen der Kläger bis Anfang 2010 Einlagen samt „Rendite“ ausgezahlt hätte.

Der 14. Senat des Finanzgerichts Köln hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles Revision beim BFH in München zugelassen, die dort unter dem Aktenzeichen VIII R 13/14 anhängig ist.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 02.05.2014 zum Urteil 14 K 2824/13 vom 19.03.2014

Bundeskabinett vertagt Steuervereinfachung – Länderübergreifende Vorschläge abgelehnt

Das Bundeskabinett hat am 30.04.2014 die von den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz zusammen mit Bremen und Schleswig-Holstein vorgelegten und vom Bundesrat beschlossenen Vorschläge zur Steuervereinfachung abgelehnt. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der Finanzminister der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz, Thomas Schäfer und Carsten Kühl, hervor.

„Wir bedauern die Zurückweisung der Bundesrats-Initiative durch die Bundesregierung. Wenn schon ein solch länder- und parteienübergreifendes Projekt nicht die Zustimmung der Bundesregierung findet, haben wir Zweifel, ob es in absehbarer Zeit überhaupt zu einer Vereinfachung des Steuerrechts und zu einer Entlastung von Steuerpflichtigen und Steuerverwaltung beim Steuervollzug kommen wird“, heißt es in der Erklärung.

Carsten Kühl appellierte an die Bundesregierung, „die Steuerpolitik in dieser Legislaturperiode nicht gänzlich an den Nagel zu hängen.“ Natürlich sei es einfach, an jedem einzelnen Vorschlag der Länder Kritik zu üben. „Der Charme des Projekts liegt allerdings gerade in der austarierten Gesamtwirkung des Pakets. Wir haben aus gutem Grund über die Parteigrenzen hinweg ein Bündel geschnürt, das niemanden über Gebühr belastet. Steuervereinfachung an Sonntagen zu fordern, aber nicht einmal den kleinsten ersten Schritt tun, das ist enttäuschend“, sagte Kühl.

„Steuervereinfachung ist und bleibt eine politische Daueraufgabe“, betonte der Hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer. Er äußerte die positive Erwartung, dass in dieser Frage noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. „Es wäre sehr schade, wenn diese parteiübergreifende Initiative, die aus der Praxis kommt und im Bundesrat breit getragen wird, in Berlin kein Gehör findet“, so Schäfer. „Wir kommen nur weiter, wenn wir komplexe Einzelfallregelungen durch Pauschalierungen ersetzen. Auf diese Weise entlasten wir die Steuerbürger beim Belege sammeln und die Finanzverwaltungen können sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren.“

Quelle: FinMin Hessen, Pressemitteilung vom 30.04.2014

Einlösung von Xetra Gold Inhaberschuld-verschreibungen ist nicht steuerbar

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem am 02.05.2014 veröffentlichten Urteil vom 14. März 2014 (12 K 3284/13 E) entschieden, dass die Einlösung von Xetra Gold Inhaberschuldverschreibungen nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen führt. Die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung stelle weder eine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG dar, noch handele es sich bei dieser Schuldverschreibung um eine sonstige Kapitalforderung im Sinne des Gesetzes.
Der Kläger hatte 2009 Xetra Gold Inhaberschuldverschreibungen erworben. Bei Xetra Gold Inhaberschuldverschreibungen handelt es sich um eine auf Goldbestände lautende nennwertlose Anleihe. Sie ist ein börsengehandeltes Wertpapier, das einen Anspruch auf die Lieferung von Gold verbrieft. Jede Xetra Gold Schuldverschreibung räumt dem Anleger das Recht ein, von der Emittentin die Lieferung von einem Gramm Gold zu verlangen. Die Emittentin für Xetra Gold Schuldverschreibungen hält eine entsprechende Menge Gold in physischer Form und in begrenztem Umfang in Form von Buchgoldansprüchen vor. Der Kläger machte im Jahr 2011 drei Mal von seinem Anspruch auf Lieferung von Gold Gebrauch. Seine Bank wertete die Ausübung der Lieferansprüche – entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung – als Einkünfte aus Kapitalvermögen und wies in der entsprechenden Erträgnisaufstellung steuerpflichtige Erträge in Höhe von rund 211.000 Euro aus. Dies sah der Kläger anders. Er ist der Meinung, dass lediglich die spätere Veräußerung des Goldes zu einem gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtigen Gewinn führe, sofern der Verkauf innerhalb der gesetzlichen Haltefrist von einem Jahr erfolge.

Das Finanzgericht Münster gab dem Kläger jetzt Recht. Die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung stelle keine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG dar. Es liege kein Austauschvertrag vor, bei dem der eine Vertragsteil eine Geldleistung schulde während die andere Vertragspartei eine Pflicht zur Sachlieferung bzw. Rechtsübertragung treffe. Vielmehr führe die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung zum Untergang der Schuldverschreibung. Im Gegenzug werde die Emittentin mit der Auslieferung des Goldes von ihrer Leistungsverpflichtung befreit. Da die Inhaberschuldverschreibung nur das Recht auf Lieferung einer bestimmten Menge physischen Goldes beinhalte, fehle es auch an einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster teilt damit nicht die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zur Behandlung der Xetra Gold Inhaberschuldverschreibungen.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 02.05.2014 zum Urteil 12 K 3284/13 E vom 14.03.2014

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin