Umsätze aus der Finanzierung außergerichtlicher Rechtsverfolgung können umsatzsteuerbefreit sein

Der 1. Senat hat mit Beschluss vom 29. August 2013 (Az. 1 V 1086/13) die Vollziehung von Umsatzsteuerbescheiden ausgesetzt, in denen die Finanzverwaltung die Umsätze aus der Finanzierung außergerichtlicher Rechtsverfolgungsmaßnahmen als umsatzsteuerpflichtig behandelt hatte. Nach Auffassung des Gerichts bestehen ernstliche Zweifel an der Steuerpflicht, weil die Umsätze nach der Rechtsprechung des BFH zu vergleichbaren Sachverhalten nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei sein dürften. Mit dieser Vorschrift wird eine Steuerbefreiung für die Umsätze aus der Übernahme von Bürgschaften und anderen Sicherheiten angeordnet.

Das Geschäftsmodell der Antragstellerin beruht auf der Finanzierung außergerichtlicher Verfahren wegen fehlgeschlagener Geldanlagen gegen Erfolgsbeteiligung. Die Antragstellerin hält die Geschädigten von den Rechtsanwaltskosten für die Verfolgung etwaiger Schadenersatzansprüche frei. Im Erfolgsfall lässt sie sich diese Kosten zuzüglich einer Quote von 30 % des Erlöses der Rechtsverfolgung erstatten. Die Umsätze hieraus hält sie für steuerfrei, weil sie – ähnlich wie ein Prozessfinanzierer – dem Anspruchsinhaber die Sicherheit gewähre, im Falle eines verlorenen Rechtsstreits wenigstens die damit verbundenen Kosten nicht tragen zu müssen.

Der 1. Senat ist der Rechtsauffassung der Antragstellerin gefolgt. Die in Streit stehende Frage nach der Umsatzsteuerpflichtigkeit sei bislang zwar noch nicht entschieden worden. Allerdings behandele der BFH vergleichbare Fälle bei der Übernahme anderer Sicherheiten – wie etwa einer Zinshöchstbetrags- oder Liquiditätsgarantie oder der Übernahme des Risikos von Mietausfällen – als umsatzsteuerfrei. Es gehe auch ausschließlich um die Übernahme der Anwaltshonorare und damit von Geldverbindlichkeiten, so dass der neueren einschränkenden Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu Fällen der Garantieübernahme von Reparaturleistungen oder Renovierungspflichten nichts Gegenteiliges entnommen werden könne.

Eine Beschwerde gegen seine Aussetzungsentscheidung hat der Senat nicht zugelassen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 29.01.2014 zum Beschluss 1 V 1086/13 vom 29.08.2013

Keine Wiedereinsetzung nach gewährter PKH bei Irrtum des den Antrag auf PKH stellenden Anwalts über die Folgen der PKH-Bewilligung

Mit Urteil vom 24. Juli 2013 (Az. 14 K 3036/12) hat der 14. Senat entschieden, dass im Fall eines sog. isolierten Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH), dem lediglich der Entwurf einer Klage beigefügt ist, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des PKH-Beschlusses Klage zu erheben ist. Wird diese Frist versäumt, ist die Klage unzulässig.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er stellte als Insolvenzverwalter innerhalb der für eine Anfechtungsklage geltenden Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 FGO) einen Antrag auf PKH. Diesem Antrag fügte er einen ausdrücklich als solchen gekennzeichneten Entwurf der Klage bei. Nachdem der Senat durch Beschluss PKH gewährt hatte, beantragte der Kläger erst nach Ablauf von mehr als einem Monat nach Zustellung des PKH-Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der 14. Senat wies die Klage als unzulässig ab, weil die Klagefrist des § 47 FGO nicht eingehalten worden sei. Der Kläger habe zwar innerhalb der Klagefrist einen PKH-Antrag gestellt. Er habe es aber versäumt, nach Gewährung der PKH innerhalb der Frist von zwei Wochen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO Klage zu erheben. Nach dieser Vorschrift ist die versäumte Handlung (hier: die Klageerhebung) innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses und damit innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des PKH-Beschlusses vorzunehmen. Der Kläger kann sich hierbei weder auf seine Unkenntnis noch auf seine fehlende Erfahrung als Rechtsanwalt vor dem FG berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH und deren Folgen grundsätzlich selbst kundig machen muss.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 29.01.2014 zum Urteil 14 K 3036/12 vom 24.07.2013

Verfassungswidrigkeit der pauschalen Lohnsteuerpflicht des Arbeitgebers für Sonderleistungen an Pensionskassen

Vorlage an das Bundesverfassungsgericht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG -) vereinbar ist, dass der Arbeitgeber für bestimmte Lohneinkünfte seiner Arbeitnehmer zwangsweise pauschale Lohnsteuer zu zahlen hat, durch die er selbst definitiv belastet wird.

  1. Zahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse führen regelmäßig bei den begünstigten Arbeitnehmern zu Arbeitslohn. Dies gilt seit dem Jahressteuergesetz 2007 nicht nur für laufende Zahlungen, sondern auch für Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber leisten muss, wenn er eine Versorgungseinrichtung – im Streitfall handelte es sich um die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) – verlässt. Diese sog. Gegenwertzahlungen werden erhoben, weil der aus der Pensionskasse ausscheidende Arbeitgeber künftig keine Umlagezahlungen mehr an die Pensionskasse leistet, diese jedoch die Betriebsrenten fortzuzahlen hat.Gegenwertzahlungen unterliegen gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) einer pauschalen Lohnsteuer von 15 %. Obwohl es sich um Lohneinkünfte der Arbeitnehmer handelt, bestimmt das Gesetz (§ 40b Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 EStG), dass der Arbeitgeber diese Steuer zu erbringen und endgültig zu tragen hat.
  2. Dies verstößt nach Auffassung des BFH gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil damit der Arbeitgeber im Gegensatz zu allen anderen Einkommensteuerpflichtigen verpflichtet wird, die Einkommensteuer für eine andere Person zu tragen. Zwar sieht das EStG auch für andere Fälle eine pauschale Lohnsteuer vor, etwa wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern verbilligt Mahlzeiten gewährt. In allen diesen Fällen hat der Arbeitgeber jedoch die Wahl, ob er die hierauf geschuldete Lohnsteuer – so der Regelfall – vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers abzieht und an das Finanzamt abführt oder ob er die (meist günstigere) pauschale Lohnsteuer selbst zahlt.
  3. Der BFH hat sich in seiner Vorlage allerdings nicht der Auffassung des Arbeitgebers angeschlossen, bereits die Qualifizierung dieser Zahlungen als Lohneinkünfte der Arbeitnehmer sei verfassungswidrig. Ebenso wenig hat er die Bedenken des Arbeitgebers geteilt, es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, dass Gegenwertzahlungen steuerpflichtig, Sanierungsgelder dagegen steuerfrei seien. Sanierungsgelder erhebt die VBL von ihren Mitgliedern über die gewöhnlichen Umlagen hinaus zur Deckung eines zusätzlichen Finanzierungsbedarfs, z. B. wegen gestiegener Lebenserwartung der Rentner, für die vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche. Die Privilegierung der Gegenwertzahlung gegenüber den Sanierungsgeldern sei – so der BFH – durch hinreichende Gründe gerechtfertigt, weil ohne die Steuerfreiheit der Sanierungsgelder der Systemwechsel der VBL zum sog. Punktemodell gefährdet gewesen, das bisherige Gesamtversorgungssystemen auf Dauer aber nicht mehr finanzierbar gewesen wäre.

BFH, Pressemitteilung Nr. 6/14 vom 29.01.2014 zu den Beschlüssen VI R 49/12 und VI R 50/12 vom 14.11.2013

Werbeleistung für die Schweiz bei Sport-veranstaltungen in Deutschland ist nicht in Deutschland umsatzsteuerpflichtig

Die eine namhafte Fußballmannschaft unterhaltende Klägerin kann vom beklagten Schweizer Tourismusverband auf Vergütungen aus Werbeverträgen keine in Deutschland abzuführende Umsatzsteuer für Werbeleistungen, die u. a. anlässlich von Sportveranstaltungen im heimischen Stadion für die Schweiz erbracht werden, verlangen. Das hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 28.01.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Dortmund bestätigt.

Die in einer westfälischen Großstadt ansässige Klägerin verpflichtete sich, mit der von ihr unterhaltenen Fußballmannschaft für den beklagten Verband aus Zürich in verschiedener Weise Werbemaßnahmen durchzuführen. Die Beklagte zahlte für die Werbeleistungen die in den Verträgen vereinbarten Entgelte, ohne eine von der Klägerin zusätzlich mit insgesamt ca. 40.000 Euro in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. Dabei stützte sie sich auf eine Auskunft des zuständigen Finanzamtes. Die Umsatzsteuer wurde in der Folgezeit in den bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheiden des Finanzamtes festgesetzt.

Der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Beklagten Recht gegeben. Die von der Klägerin verlangte Umsatzsteuer schulde der Beklagte nicht, weil die Klägerin diese gegenüber dem Finanzamt selbst nicht zu zahlen habe. Die von der Klägerin geschuldeten Leistungen würden nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegen, weil es auf die in der Schweiz zu versteuernden Werbeleistungen und nicht auf die im Stadion der Klägerin stattfindenden Sportveranstaltungen ankomme. Die Auskunft des Finanzamtes und die Umsatzsteuerbescheide würden dem nicht entgegenstehen, da die Zivilgerichte zu einer eigenständigen Prüfung der Steuerrechtslage befugt seien.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 28.01.2014 zum Urteil 19 U 107/13 vom 28.01.2014

Ermäßigte Mehrwertsteuer für E-Books sichert Vielfalt unseres Bücherangebots

Elektronische Bücher, Zeitungen und Zeitschriften werden nach geltendem EU-Recht als elektronische Dienstleistungen mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegt.

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, erklärte dazu: „Der reduzierte Mehrwertsteuersatz, der für gedruckte Bücher gilt, muss aus kulturpolitischer Sicht künftig auch auf elektronische Bücher angewandt werden. Nur so können wir im Zeitalter digitaler Technologien die Vielfalt unseres Bücherangebots sichern. Die ermäßigte Besteuerung trägt wesentlich zur Information und zu selbständiger Meinungsbildung in der Bevölkerung bei. Sie senkt nicht nur die Zugangsschwelle zum Buch und zu Zeitungen als Kulturgut, sondern auch zur darin enthaltenen Literatur und Berichterstattung. Dies ist davon unabhängig, ob der Leser das Buch oder die Zeitung in körperlicher Form in die Hand nimmt oder sich elektronische Versionen auf sein mobiles Lesegerät herunterlädt.“

Die Kulturstaatsministerin betonte weiter: „Der ermäßigte Steuersatz für E-Books und E-Zeitungen sollte möglichst bald auf die EU-Agenda gesetzt werden. Ich werde mich innerhalb der Bundesregierung nachdrücklich für die Umsetzung des Koalitionsvertrags einsetzen. Im Koalitionsvertrag haben wir insbesondere festgeschrieben, seitens der Bundesregierung auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass auf E-Books und E-Zeitungen künftig der ermäßigte Mehrwertsteuersatz verbindlich Anwendung finden soll. Selbstverständlich werden wir uns in diesem Zusammenhang auch für die Erhaltung der Buchpreisbindung einsetzen, um die kulturell wichtige Vielfalt der Bücher und Buchhandlungen weiter zu sichern. Mit meiner französischen Amtskollegin Aurélie Filippetti bin ich mir in dieser Frage einig. Auch für Frankreich ist die Erweiterung des ermäßigten Steuersatzes auf digitale Literatur und Zeitungen in der EU eine kulturpolitisch bedeutende Forderung.“

Frankreich und Luxemburg haben den reduzierten Mehrwertsteuersatz für E-Books bereits eingeführt. Allerdings hat die EU-Kommission beide Länder im September vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da dies bislang gegen die europäischen Vorgaben verstößt. Der Anteil der E-Books am Gesamtumsatz der Verlage lag laut GfK-Studie 2012 bei 9,5 Prozent. Für das abgelaufene Jahr 2013 rechnet man mit 10,6 Prozent.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 27.01.2014

Entwurf eines BMF-Schreibens zur Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG an Verbände versandt.

I. Ermittlung des Teilwerts
1 Gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und Nummer 2 Satz 2 EStG kann der niedrigere Teil­
wert nur angesetzt werden, wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt. Ge­
mäß § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 4 und Nummer 2 Satz 3 EStG gilt ein striktes Wertaufho­
lungsgebot.
3 Der Teilwert ist grundsätzlich nach den in den EStR enthaltenen Anweisungen zu ermitteln.
Danach kann der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren bei gesunkenen Verkaufsprei­
sen retrograd ermittelt werden (vgl. R 6.8 Absatz 2 EStR). Wenn bei rentabel geführten
Betrieben der Verkaufspreis bewusst nicht kostendeckend kalkuliert ist (sogenannte Verlust­
produkte), ist eine Teilwertabschreibung nicht zulässig (BFH vom 29. April 1999, BStBl II
S. 681 – IV R 14/98 -).
4 Die Nachweispflicht für den niedrigeren Teilwert liegt beim Steuerpflichtigen. Darüber hin­
aus trägt der Steuerpflichtige auch die Darlegungs- und Feststellungslast für eine voraussicht­
lich dauernde Wertminderung. Zudem ist im Rahmen des Wertaufholungsgebots nachzuwei­
sen, dass und in welchem Umfang der Teilwert weiterhin unter der Bewertungsobergrenze
liegt.
II. Voraussichtlich dauernde Wertminderung
1. Begriff
5 Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung bedeutet ein voraussichtlich nachhaltiges
Absinken des Werts des Wirtschaftsguts unter den maßgeblichen Buchwert; eine nur vorüber­
gehende Wertminderung reicht für eine Teilwertabschreibung nicht aus (vgl. auch § 253
Absatz 3 Satz 3 HGB).
6 Die Wertminderung ist voraussichtlich nachhaltig, wenn der Steuerpflichtige hiermit aus der
Sicht am Bilanzstichtag aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft zu rechnen hat. Aus der
Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns müssen mehr Gründe für als gegen
eine Nachhaltigkeit sprechen. Grundsätzlich ist von einer voraussichtlich dauernden Wert­
minderung auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsguts die Bewertungsobergrenze wäh­
rend eines erheblichen Teils der voraussichtlichen Verweildauer im Unternehmen nicht errei­
chen wird. Wertminderungen aus besonderem Anlass (z. B. Katastrophen oder technischer
Fortschritt) sind regelmäßig von Dauer. Werterhellende Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der
Bilanzaufstellung sind zu berücksichtigen. Dem steht auch nicht die Auffassung des BFH in
seinem Urteil vom 21. September 2011 (BStBl II 2013S. … – I R 89/10 -, Rz. 19) entgegen,
die sich ausschließlich mit der Ermittlung des Teilwerts bei börsennotierten Aktien im Anla­
gevermögen befasst. Die Beurteilung der Dauerhaftigkeit einer Wertminderung macht eine
zeitraumbezogene Betrachtung erforderlich, die auch von der Art des Wirtschaftsguts
abhängt. Werterhellende Erkenntnisse bis zur Bilanzaufstellung, die die Wertentwicklung bis
zum Bilanzstichtag bestätigen oder objektivieren, müssen daher berücksichtigt werden.
7
Das gilt jedoch nicht für Erkenntnisse, die einer Wertbegründung nach dem Bilanzstichtag
entsprechen.
Für die Beurteilung eines voraussichtlich dauernden Wertverlustes zum Bilanzstichtag kommt
der Eigenart des betreffenden Wirtschaftsguts eine maßgebliche Bedeutung zu
(
BFH vom
26.
September 2007, BStBl II 2009 S. 299- IX R 78/07 -; BFH vom 24. Oktober 2012,
BStBl II 2013 S. 162- I R 43/11 -)
.
2. Abnutzbares Anlagevermögen
8 Für die Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens kann von einer voraussichtlich
dauernden Wertminderung ausgegangen werden, wenn der Wert des jeweiligen Wirtschafts­
guts zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen
Restbuchwert liegt (BFH vom 29. April 2009, BStBl II S. 681 – IV R 14/98 -). Die verblei­
bende Nutzungsdauer ist für Gebäude nach § 7 Absatz 4 und 5 EStG, für andere Wirtschafts­
güter grundsätzlich nach den amtlichen AfA-Tabellen zu bestimmen. Dies gilt auch dann,
wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, das Wirtschaftsgut vor Ablauf seiner betriebsge­
wöhnlichen Nutzungsdauer zu veräußern (BFH vom 29. April 2009, BStBl II S. 899
– I R 74/08 -).
9
Beispiel 1:
Der Steuerpflichtige hat eine Maschine zu Anschaffungskosten von 100.000 € erworben.
Die Nutzungsdauer beträgt zehn Jahre, die jährliche AfA beträgt 10.000 € . Im Jahre 02 beträgt
der Teilwert nur noch 30.000 € bei einer Restnutzungsdauer von acht Jahren.
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung auf 30.000 € ist zulässig. Die Minderung ist voraussichtlich von
Dauer, da der Wert des Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag bei planmäßiger Abschreibung
erst nach fünf Jahren, das heißt, erst nach mehr als der Hälfte der Restnutzungsdauer, erreicht
wird.
10
Abwandlung:
Der Teilwert beträgt 50.000 € .
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung auf 50.000 € ist nicht zulässig. Die Minderung ist voraussichtlich
nicht von Dauer, da der Wert des Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag bei planmäßiger
Abschreibung schon nach drei Jahren und damit früher als nach mehr als der Hälfte der Rest­
nutzungsdauer erreicht wird.
3. Nicht abnutzbares Anlagevermögen
11 Für die Wirtschaftsgüter des nichtabnutzbaren Anlagevermögens ist grundsätzlich darauf
abzustellen, ob die Gründe für eine niedrigere Bewertung voraussichtlich anhalten werden.
a) Grundstücke
12
Beispiel 2:
Der Steuerpflichtige ist Eigentümer eines mit Altlasten verseuchten Grundstücks. Die ur­
sprünglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens betragen 200.000 € . Zum Bilanz­
stichtag ermittelt ein Gutachter den Wert des Grundstücks aufgrund der festgestellten Altlast
mit nur noch 10.000 € . Aus umweltrechtlichen Gründen ist der Steuerpflichtige grundsätzlich
verpflichtet, die Altlast zu beseitigen. Mangels akuter Umweltgefährdung wird die zuständige
Behörde die Schadensbeseitigung jedoch erst fordern, wenn der Steuerpflichtige die derzeitige
Nutzung des Grundstücks ändert. Die Bildung einer Rückstellung ist aus diesem Grund nicht
zulässig.
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung in Höhe von 190.000 € auf den vom Gutachter ermittelten Wert ist
zulässig. Zwar ist der Steuerpflichtige grundsätzlich verpflichtet, die Altlast zu beseitigen.
Allerdings ist vor dem Hintergrund einer eventuellen Nutzungsänderung des Grundstücks
nicht zu erwarten, dass der Steuerpflichtige in absehbarer Zeit behördlich zur Beseitigung des
Schadens aufgefordert wird. Aus der Sicht am Bilanzstichtag ist daher von einer voraussicht­
lich dauernden Wertminderung des Grundstücks auszugehen (vgl. Randnummer 9 und 10 des
BMF-Schreibens vom 11. Mai 2010, BStBl I S. 495). Wird die Altlast später beseitigt und
erhöht sich dementsprechend der Wert des Grundstücks, ist eine Zuschreibung bis höchstens
zu den ursprünglichen Anschaffungskosten vorzunehmen.
13

Beispiel 3:
Der Steuerpflichtige betreibt ein Kiesausbeuteunternehmen. Der zu dem Unternehmen gehö­
rige Grund und Boden ist z. T. aufgeschlossen, z. T. rekultiviert und wieder der ursprüngli­
chen landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Da die Preise für landwirtschaftliche Grund­
stücke allgemein gefallen sind, macht der Steuerpflichtige zum Bilanzstichtag eine Teilwert­
abschreibung für die Grundstücke geltend. Nach den Feststellungen des Finanzamtes überstei­
14
gen die Anschaffungskosten die Richtwerte für die verfüllten Grundstücke.
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung ist ohne weiteres nicht zulässig. Die Preise auf dem Markt für
landwirtschaftliche Grundstücke unterliegen ebenso wie die anderen Immobilienpreise markt­
bedingten Schwankungen. Die Preisschwankungen stellen deshalb eine nur vorübergehende
Wertminderung dar. Aus diesem Grund ist es auch für die Grundstücke, auf denen noch die
Kiesausbeute betrieben wird, nicht ausgeschlossen, dass die Preise bis zu dem Zeitpunkt, an
dem die Kiesausbeute und die sich daran anschließende Wiederauffüllung abgeschlossen sein
werden, die Anschaffungskosten wieder erreichen oder sogar noch übersteigen.
b) Festverzinsliche Wertpapiere
Beispiel 4:
Der Steuerpflichtige hat festverzinsliche Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von vier Jahren,
die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, zum Wert von 102 % des
Nennwerts erworben. Die Papiere werden bei Fälligkeit zu 100 % des Nennwerts eingelöst.
Aufgrund einer nachhaltigen Änderung des Zinsniveaus unterschreitet der Börsenkurs den
Einlösebetrag zum Bilanzstichtag auf Dauer und beträgt zum Bilanzstichtag nur noch 98 %.
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung ist nur auf 100 % des Nennwerts zulässig, weil die Papiere bei
Fälligkeit zum Nennwert eingelöst werden. Der niedrigere Börsenkurs am Bilanzstichtag ist
für den Steuerpflichtigen nicht von Dauer, da die Wertpapiere bei Fälligkeit zu 100 % des

Nennwerts eingelöst werden (BFH vom 8. Juni 2011, BStBl II 2012 S. 716 – I R 98/10 –

c) Börsennotierte Aktien
15 Bei börsennotierten Aktien des Anlagevermögens ist von einer voraussichtlich dauernden
Wertminderung auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im
Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 %
der Notierung bei Erwerb überschreitet und der Kurs sich bis zur Bilanzaufstellung nicht wie­
der erholt. Bei einer vorangegangenen Teilwertabschreibung ist für die Bestimmung der
Bagatellgrenze der Bilanzansatz am vorangegangenen Bilanzstichtag maßgeblich. Der Teil­
wert einer Aktie kann nur dann nicht nach dem Kurswert (zuzüglich der im Falle eines
Erwerbs anfallenden Erwerbsnebenkosten) bestimmt werden, wenn aufgrund konkreter und
objektiv überprüfbarer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Börsenpreis den tatsäch­
lichen Anteilswert nicht widerspiegelt (BFH-Urteil vom 21. September 2011, BStBl II 2012
S. …- I R 89/10 -). Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn der Kurs durch Insidergeschäfte
beeinflusst (manipuliert) wurde oder über einen längeren Zeitraum kein Handel mit den zu
bewertenden Aktien stattfand.
16
Beispiel 5:
Der Steuerpflichtige hat Aktien der börsennotierten X-AG zum Preis von 100 € /Stück erwor­
ben. Die Aktien sind als langfristige Kapitalanlage dazu bestimmt, dauernd dem Geschäftsbe­
trieb zu dienen.
a) Der Kurs der Aktien schwankt nach der Anschaffung zwischen 70 und 100 € . Am Bilanz­
stichtag beträgt der Börsenpreis 90 € . Am Tag der Bilanzaufstellung beträgt der Wert
ebenfalls 90 € .
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung auf 90 € ist zulässig, da der Kursverlust im Vergleich zum Erwerb
mehr als 5 % beträgt und bis zum Tag der Bilanzaufstellung anhält.
b) Wie a). Am Tag der Bilanzaufstellung beträgt der Wert 92 € .
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung ist lediglich auf 92 € zulässig. Für die börsennotierten Aktien hat
sich über das Wirtschaftsjahr (seit dem Erwerb) ein gewisser Korridor (zwischen 70 € und
100 € ) abgezeichnet, so dass nur in Höhe der Differenz der Anschaffungskosten zum Teilwert
17
d) wie c). Bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung hat der Börsenkurs zwischen 60 und 80 €
geschwankt.
Lösung:
Eine Teilwertabschreibung zum Bilanzstichtag ist zulässig. Die Erkenntnisse bis zum Zeit­
punkt der Bilanzaufstellung haben gezeigt, dass die ursprüngliche Wertminderung in Höhe
von 20 € /Stück von Dauer war. Aus diesem Grund kann eine Teilwertabschreibung in Höhe
von 20 € /Stück vorgenommen werden. Eine Teilwertabschreibung unter den Wert des Bilanz­
stichtags kommt allerdings nicht in Betracht. Die Aktien können somit mit 80 € /Stück ange­
setzt werden.
d) Forderungen
Beispiel 6:
Der Steuerpflichtige hat eine Forderung aus einem Kredit im Nennwert von 100 an die Y-KG.
Wegen unerwarteter Zahlungsausfälle ist die Y-KG im Laufe des Wirtschaftsjahrs notleidend
geworden. Am Bilanzstichtag kann die Forderung des Steuerpflichtigen deshalb nur in Höhe
von 92 € am Tag der Bilanzaufstellung von einer dauernden Wertminderung ausgegangen
werden kann.
c) Zum Bilanzstichtag ist der Börsenpreis der Aktien auf 80 € /Stück gesunken. Bis zum Zeit­
punkt der Bilanzaufstellung hat der Börsenkurs zwischen 70 und 110 € geschwankt.
Lösung:
Die Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung haben gezeigt, dass die ursprüngli­
che Wertminderung in Höhe von 20 € /Stück nicht von Dauer war. Vielmehr hat der Wert der
Aktie bis zur Bilanzaufstellung die ursprünglichen Anschaffungskosten sogar noch überstie­
gen. Eine Teilwertabschreibung zum Bilanzstichtag ist daher nicht zulässig.
von 20 % bedient werden. Bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung stellt die Y-KG wider
Erwarten eine Sicherheit in Höhe von 30 % der Forderung.
Lösung:
Am Bilanzstichtag ist eine Teilwertabschreibung auf die Forderung des Steuerpflichtigen in
Höhe von 80 % zulässig, da mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur mit einem Zahlungs­
eingang von 20 % gerechnet werden kann. Zwar gewinnt die Forderung bis zum Zeitpunkt der
Bilanzaufstellung durch die Gestellung der Sicherheit nachträglich an Wert. Dieses – nach
dem Bilanzstichtag eingetretene – Ereignis ist jedoch als wertbegründend und daher als
zusätzliche Erkenntnis nicht zu berücksichtigen.
18 Der auf der Unverzinslichkeit einer im Anlagevermögen gehaltenen Forderung beruhende
Wert ist keine voraussichtlich dauernde Wertminderung und rechtfertigt deshalb keine Teil­
wertabschreibung (BFH vom. 24. Oktober 2012, BStBl II 2013 S. 162 – I R 43/11 -).
4.
Umlaufvermögen
19 Die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind nicht dazu bestimmt, dem Betrieb auf Dauer
19a
20
Der Steuerpflichtige hält im Umlaufvermögen festverzinsliche Wertpapiere im Nennwert von
100 € , die er für 102 € erworben hat und die bei Fälligkeit zu 100 % des Nennwerts eingelöst
werden. Aufgrund einer Änderung des Zinsniveaus beträgt der Börsenkurs am Bilanzstichtag
nur noch 98 % des Nennwerts. Bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung hat sich der
Börsenkurs auf 98,5 % erholt.
zu dienen. Sie werden stattdessen regelmäßig für den Verkauf oder den Verbrauch gehalten.
Demgemäß kommt dem Zeitpunkt der Veräußerung oder Verwendung für die Bestimmung
einer voraussichtlich dauernden Wertminderung eine besondere Bedeutung zu. Hält die Min-
derung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz (vgl. II. 1) oder dem vorangegangenen
Verkaufs- oder Verbrauchszeitpunkt an, so ist die Wertminderung voraussichtlich von Dauer.
Zusätzliche werterhellende Erkenntnisse bis zu diesen Zeitpunkten sind zu berücksichtigen.
Allgemeine Marktentwicklungen, z. B. Kursschwankungen von börsennotierten Wirtschafts-
gütern des Umlaufvermögens, sind zusätzliche Erkenntnisse und als solche in die Beurteilung
einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag ein-
zubeziehen. Bei festverzinslichen Wertpapieren, die eine Forderung in Höhe des Nominal-
werts der Forderung verbriefen, fehlt es in der Regel an einer voraussichtlich dauernden
Wertminderung. Dies gilt auch dann, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen gehören.
Eine Teilwertabschreibung unter den Nennwert ist allein wegen gesunkener Kurse – abgese-
hen von der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners – regelmäßig nicht zulässig
(BFH vom8. Juni 2011, BStBl II 2012 S. 716 – I R 98/10 -).
Die Bagatellgrenze von 5 % ist bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens nicht
maßgeblich.
Beispiel 7:
Lösung:
Der Tatsache, dass die festverzinslichen Wertpapiere im Umlaufvermögen gehalten werden,
kommt bei der Beurteilung der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Wertminderung keine
besondere Bedeutung zu. Wie auch bei festverzinslichen Wertpapieren des Anlagevermögens
(vgl. Beispiel 4) ist eine Teilwertabschreibung nur auf 100 % zulässig, weil die Papiere bei
Fälligkeit zum Nennwert eingelöst werden (BFH-Urteil vom 8. Juni 2011, BStBl II 2012
S.
716 – I R 98/10-).
21
Beispiel 8:
Der Steuerpflichtige hat Aktien zum Preis von 100 € /Stück erworben. Zum Bilanzstichtag ist
der Börsenpreis der Aktien auf
a) auf 80 € /Stück
b) auf 98 € /Stück
gesunken. Bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung hat der Börsenwert zwischen 70 und 90 €
geschwankt.
Lösung zu a):
Grundsätzlich ist eine Teilwertabschreibung zum Bilanzstichtag zulässig. Die Erkenntnisse
bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung haben jedoch gezeigt, dass die ursprüngliche Wert­
minderung in Höhe von 20 € /Stück nicht von Dauer war (vgl. Lösung zu Beispiel 5 b) unter
Rn. 16). Vielmehr ist eine voraussichtlich dauernde Wertminderung nur in Höhe von
10 € /Stück gegeben, so dass eine Teilwertabschreibung nur in dieser Höhe vorgenommen
werden kann. Die Aktien können demnach mit 90 € /Stück angesetzt werden.
Lösung zu b):
Da die Bagatellgrenze von 5 % bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens nicht maßgeblich
ist, ist eine Teilwertabschreibung auf 98 € /Stück möglich.
5.
Umlaufvermögen bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten und bei Versicherungs­
unternehmen und Pensionsfonds
22 Bei Steuerpflichtigen, die unter den Anwendungsbereich der§§ 340 und 341 HGB fallen,
gelten die unter II.4. für das Umlaufvermögen aufgestellten Grundsätze entsprechend,
insbesondere für Forderungen und Wertpapiere, die nach § 340e Absatz 1 Satz 2 HGB nach
den für das Umlaufvermögen geltenden Vorschriften zu bewerten sind und für Kapitalanla­
gen, soweit es sich hierbei um Aktien, Investmentanteile sowie sonstige festverzinsliche und
nicht festverzinsliche Wertpapiere handelt, für die nach § 341b Absatz 2 erster Halbsatz HGB
die für das Umlaufvermögen geltenden Grundsätze gelten.
23 Die unter II.4. für das Umlaufvermögen geltenden Grundsätze gelten jedoch nicht für zu Han­
delszwecken erworbene Finanzinstrumente, die nach § 6 Absatz 1 Nummer 2b EStG zu
bewerten sind (zur zeitlichen Anwendung s. § 52 Absatz 16 Satz 10 EStG), denn § 6 Absatz 1

Nummer 2b Satz 2 EStG schließt die Bewertung mit dem voraussichtlich dauernd niedrigeren

Teilwert für diese Wirtschaftsgüter aus.
Das bedeutet, dass bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten lediglich Finanzinstru­
mente der Liquiditätsreserve nach den für das Umlaufvermögen geltenden Grundsätzen zu
bewerten sind.
Für Zwecke des § 6 Absatz 1 Nummer 2b EStG gilt, dass der Risikoabschlag nur in den Fäl­
len vorzunehmen ist, in denen der Zeitwert die ursprünglichen Anschaffungskosten übersteigt.
Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass durch den Zeitwertausweis entstehende
unrealisierte Gewinne für Zwecke des Gläubigerschutzes, der Ausschüttungsbemessungsfunk­
tion und der Substanzerhaltungsfunktion der Handelsbilanz begrenzt werden.
III. Wertaufholungsgebot
1. Grundsätze
Aufgrund des Wertaufholungsgebots ergibt sich der Wertansatz eines Wirtschaftsguts für
jeden Bilanzstichtag aus dem Vergleich der um die zulässigen Abzüge geminderten Anschaf­
fungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle tretenden Werts als der Bewertungs­
obergrenze und dem niedrigeren Teilwert als der Bewertungsuntergrenze. Hat sich der Wert
des Wirtschaftsguts nach einer vorangegangenen Teilwertabschreibung wieder erhöht, so ist
diese Betriebsvermögensmehrung bis zum Erreichen der Bewertungsobergrenze steuerlich zu
erfassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die konkreten Gründe für die vorherige Teil-
wertabschreibung weggefallen sind. Auch eine Erhöhung des Teilwerts aus anderen Gründen
führt zu einer Korrektur des Bilanzansatzes (z. B der Steuerpflichtige kann oder will eine dau­
ernde Wertminderung nicht nachweisen – siehe „2. Nachweispflicht“). Gleiches gilt auch,
wenn die vorherige Teilwertabschreibung steuerlich nicht oder nicht vollständig wirksam
wurde (vgl. Tz. III. 3.).
31 Eine voraussichtlich dauernde Erhöhung des Kurswertes einer Verbindlichkeit liegt nur bei
einer nachhaltigen Erhöhung des Wechselkurses gegenüber dem Kurs bei Entstehung der
Verbindlichkeit vor. Die Änderung ist voraussichtlich nachhaltig, wenn der Steuerpflichtige
hiermit aus der Sicht des Bilanzstichtages aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft rechnen
2. Nachweispflicht
27 Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige die Bewertungsobergrenze anhand geeigneter Unterla­
gen (historische Anschaffungs- oder Herstellungskosten) nachzuweisen. Vor allem bei unbe­
bauten Grundstücken kann auf die beim zuständigen Grundbuchamt vorliegenden notariellen
Verträge zurückgegriffen werden. Können die historischen Anschaffungs- oder Herstellungs­
kosten nicht nachgewiesen werden, gilt der Buchwert, der in der ältesten noch vorhandenen
Bilanz als Anfangswert für das Wirtschaftsgut ausgewiesen ist, als Bewertungsobergrenze, es
sei denn, die Finanzbehörde legt – zum Beispiel auf Grund der dort vorhandenen Unterlagen ­
eine höhere Bewertungsobergrenze dar.
3. Steuerrechtliche Sonderregelungen (z. B. § 3c Absatz 2 i. V. m. § 3 Nummer 40 EStG)
28 Steuerrechtliche Sonderregelungen stehen dem Wertaufholungsgebot nicht entgegen (vgl.
Tz. III.1). So dienen die Regelungen der § 3 Nummer 40 und § 3c Absatz 2 EStG der Umset­
zung des Teileinkünfteverfahrens. Die Teilwertabschreibung als solche und damit das Wert­
aufholungsgebot bleiben hiervon unberührt.
IV. Verbindlichkeiten
1. Grundsätze
29 Verbindlichkeiten sind nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1 erster Halbsatz EStG unter sinn­
gemäßer Anwendung der Regelungen in § 6 Absatz 1 Nummer 2 EStG anzusetzen. Verbind­
lichkeiten, die Kursschwankungen unterliegen (z. B. Fremdwährungsverbindlichkeiten),sind
daherunter Berücksichtigung der in diesem Schreiben für das Aktivvermögen aufgestellten
Grundsätze wie folgt zu bewerten:
30 Verbindlichkeiten sind mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 5 Absatz 1 Satz 1 EStG
i. V. m. § 253 Absatz 1 Satz 2 HGB). Ist die Höhe der Zahlungsverpflichtung von einem
bestimmten Kurswert abhängig (z. B. Fremdwährungsverbindlichkeiten), ist grundsätzlich der
Wert zum Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit maßgebend (bei Fremdwährungsver­
bindlichkeiten der entsprechende Wechselkurs). Nur unter der Voraussetzung einer voraus­
sichtlich dauernden Erhöhung des Kurswertes kann an den nachfolgenden Bilanzstichtagen
der höhere Wert angesetzt werden (§ 6 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1 i. V. m. Nummer 2 Satz 2
EStG).
muss. Aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns müssen mehr Gründe für
als gegen eine Nachhaltigkeit sprechen. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Rest­
laufzeit von jedenfalls zehn Jahren haben, begründet ein Kursanstieg der Fremdwährung
grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung; die Währungsschwankungen
werden in der Regel ausgeglichen (BFH-Urteil vom 23. April 2009, BStBl II S. 778
– IV R 62/06 -).
32 Auf den Devisenmärkten übliche Wechselkursschwankungen berechtigen nicht zu einem
höheren Ansatz der Verbindlichkeit.
2.
Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs

Ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine Verbindlichkeit dem laufenden

Geschäftsverkehr zuzuordnen und somit nicht dazu bestimmt, das Betriebskapital auf Dauer
zu verstärken, kommt dem Zeitpunkt der Tilgung oder Entnahme der Verbindlichkeit für die
Bestimmung einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung eine besondere Bedeutung zu.
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. BFH vom 31. Oktober 1990, BStBl 1991 II
S. 471 – I R 77/86
) ist der Begriff „Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsverkehrs“ durch
folgende Merkmale gekennzeichnet:
Ihr Entstehen hängt wirtschaftlich eng mit einzelnen bestimmbaren, nach Art des
Betriebs immer wiederkehrenden und nicht die Anschaffung oder Herstellung von
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens betreffenden laufenden Geschäftsvorfällen
zusammen.
Dieser Zusammenhang bleibt bis zur Tilgung der Verbindlichkeit erhalten.
Die Verbindlichkeit wird innerhalb der nach Art des laufenden Geschäftsvorfalls
allgemein üblichen Frist getilgt.
Hält eine Wechselkurserhöhung im Zusammenhang mit einer Verbindlichkeit des laufenden
Geschäftsverkehrs bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung oder dem vorangegangenen Til­
gungs- oder Entnahmezeitpunkt an, ist davon auszugehen, dass die Werterhöhung voraus­
sichtlich von Dauer ist. Zusätzliche Erkenntnisse bis zu diesen Zeitpunkten sind zu berück­
sichtigen. Allgemeine Entwicklungen, z. B. Wechselkursschwankungen auf den Devisen­
märkten, sind zusätzliche Erkenntnisse und als solche in die Beurteilung einer voraussichtlich
dauernden Werterhöhung einer Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag einzubeziehen.
V. Anteile an Investmentfonds, die als Finanzanlage im Anlagevermögen gehalten wer­
den
Die unter Tz. II.3.c) zur Bewertung von börsennotierten Aktien im Anlagevermögen aufge­
stellten Grundsätze sind entsprechend auf im Anlagevermögen gehaltene Investmentanteile an
Publikums- und Spezial-Investmentvermögen anzuwenden, wenn das Investmentvermögen
überwiegend in börsennotierten Aktien als Vermögensgegenstände investiert ist (Aktien­
fonds), vgl. auch BFH vom 21. September 2011 (BStBl II 2012 S. … – I R 7/11). Abzustellen
ist auf die tatsächlichen Verhältnisse beim Investmentvermögen am Bilanzstichtag des
Anlegers. Unerheblich ist, ob der zu bewertende Investmentanteil selbst börsennotiert ist.
37 Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung i. S. d. § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2
EStG ist auszugehen, wenn der Preis, zu dem der Investmentanteil erworben werden kann
(Ausgabepreis, zuzüglich der ggf. anfallenden Erwerbsnebenkosten), zu dem jeweils aktuellen
Bilanzstichtag um mehr als 5 % (sog. Bagatellgrenze) unter die Anschaffungskosten gesunken
ist und der Kurs sich bis zur Bilanzaufstellung nicht wieder erholt. Zusätzliche Erkenntnisse
bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung sind zu berücksichtigen (vgl. Beispiel 5).
38 Bei der Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen einer Teilwertabschreibung auf Invest­
mentanteile auf das zu versteuernde Einkommen eines betrieblichen Anlegers sind
§ 8 Absatz 3 InvStG und das BMF-Schreiben vom 18. August 2009, BStBl I S. 931, Rz. 162
ff. zu beachten. …

Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/49/EU (sog. Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie) auf den Beitrittsstaat Kroatien

Anwendbarkeit des § 50g EStG und Anlage 3 (zu § 50g) auf die Republik Kroatien

Die Richtlinie 2013/13/EU des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. EU Nr. L 141 S. 30) zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Steuern anlässlich des Beitritts der Republik Kroatien sieht die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 (ABl. EU Nr. L 157 S. 49) über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten auf den Beitrittsstaat Kroatien ab dem 1. Juli 2013 für die im Anhang zur Richtlinie 2013/13/EU (siehe Anlage) genannten Steuern und Gesellschaftsformen vor.

Gestützt auf die Richtlinie 2013/13/EU bitte ich, § 50g EStG und die Anlage 3 (zu § 50g) auf Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren an verbundene Unternehmen mit Sitz im Staate Kroatien oder die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gelegene Betriebsstätte eines Unternehmens im Staate Kroatien, die nach dem 30. Juni 2013 erfolgen, entsprechend anzuwenden. Dabei ist die Anlage zu berücksichtigen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es ist bis zum Inkrafttreten der Umsetzung der Richtlinie 2013/13/EU durch entsprechende Änderung des § 50g EStG und der dazugehörigen Anlage 3 (zu § 50g), die unverzüglich erfolgen soll, anzuwenden.

Anlage

Auszug aus dem Anhang der Richtlinie 2013/13/EU (ABl. EU Nr. L 141 S. 30)

„2. Richtlinie 2003/49/EG wird wie folgt geändert:

  1. in Artikel 3 Buchst. a Ziffer iii wird nach der Angabe für Frankreich folgender Eintrag eingefügt:
    „- porez na dobit in Kroatien,“;
  2. im Anhang wird folgender Buchstabe eingefügt:
    „z) Gesellschaften kroatischen Rechts mit der Bezeichnung: ‚dionicko drustvo‘ oder ‚drustvo s ogranicenom odgovornoscu‘ und andere nach kroatischem Recht gegründete Gesellschaften, die der kroatischen Gewinnsteuer unterliegen.“

Quelle: BMF, Schreiben IV B 3 – S-1316 / 07 / 10025 vom 20.01.2014

Soli verfassungswidrig? Jetzt liegt die Begründung auf dem Tisch

Das Niedersächsische Finanzgericht hat jetzt seine Begründung vorgelegt, warum es den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig hält. Bereits im August 2013 hatte das Finanzgericht entschieden, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dieser Frage erneut anzurufen. Jetzt wurde die Begründung des Vorlagebeschlusses an das BVerfG übersandt. Dieser umfasst insgesamt 70 Seiten.

„Die Argumente können sich sehen lassen. Die Politik sollte den umfangreichen Beschluss zum Anlass nehmen, sich noch einmal intensiv mit dem Solidaritätszuschlag zu befassen“, so Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. „Möglicherweise werden die Karlsruher Richter die Politiker nicht bis 2019 gewähren lassen und bereits vorher das Soli-Aus verkünden.“ Die Politik will erst beim Auslaufen des Solidarpaktes im Jahr 2019 über den Fortbestand der Ergänzungsabgabe entscheiden. Das Gerichtsverfahren könnte diesen Zeitplan nun durcheinanderbringen.

Das Finanzgericht legt dem BVerfG die Frage, ob der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß ist, bereits zum zweiten Mal vor. Einen ersten Anlauf hatte das Gericht bereits im Jahr 2009 unternommen. Allerdings wiesen die Verfassungsrichter seinerzeit die Vorlage aus formalen Gründen zurück und befassten sich inhaltlich nicht mit der Ergänzungsabgabe.

Jetzt stehen die Aussichten weitaus besser, dass sich das Bundesverfassungsgericht auch inhaltlich mit der Ergänzungsabgabe auseinander setzen wird, denn das Niedersächsische Finanzgericht hat die Rechtsfrage noch einmal detailliert aufgearbeitet. Dieses Mal argumentieren die Richter aus Hannover unter anderem mit verschiedenen Anrechnungsvorschriften im Einkommensteuerrecht. Solche gibt es etwa bei ausländischen Einkünften und bei der Gewerbesteuer. Durch die Anrechnung anderer Steuern vermindert sich die Einkommensteuer. Damit reduziert sich auch der Solidaritätszuschlag. Den Minderungsmechanismus gibt es bei Arbeitnehmern und Freiberuflern nicht, die nur Einkünfte in Deutschland erzielen. Dies verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, so das Niedersächsische Finanzgericht (Az. 7 K 143/08).

Der Bund der Steuerzahler unterstützt das Klageverfahren eines leitenden Angestellten bereits seit dem Jahr 2008. In Kürze wird die Bekanntgabe des neuen Aktenzeichens vom Bundesverfassungsgericht erwartet.

Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung des Niedersächsischen FGs.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 24.01.2014

Hauptzollämter übernehmen die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer

Bis zum Juni diesen Jahres übernehmen die Hauptzollämter die Zuständigkeit für die Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung der Kraftfahrzeugsteuer und sind damit der neue Ansprechpartner für die Bürger. Niedersachsen zählt zu den drei ersten Bundesländern, in denen ab dem 14. Februar 2014 die Umstellung erfolgt. Die bisher durch die niedersächsischen Finanzämter erteilten Steuerbescheide, Steuernummern, gewährte Steuervergünstigungen und erteilte Lastschriftbescheide bleiben weiterhin gültig. Rechtlich ändert sich daher für die Bürger durch den Übergang der Verwaltung an den Bund nichts.

Einzelheiten zu dem jeweils zuständigen Hauptzollamt sind dem Internetangebot der Zollverwaltung unter www.zoll.de zu entnehmen. Für die Übergangszeit in den kommenden Monaten werden auch die niedersächsischen Finanzämter für Auskünfte zur Verfügung stehen. Die Zuständigkeit für An-, Um- und Abmeldungen sowie Halterwechsel von Fahrzeugen liegt auch in Zukunft unverändert bei den Zulassungsstellen.

Die Kraftfahrzeugsteuer wurde mit dem 1. Juli 2009 eine Bundessteuer, womit eine Reform der Steuer einherging. Die Steuer sollte günstiger für das Klima wirken, weil sie nicht mehr nur beim Hubraum, sondern zum überwiegenden Teil auch am schädlichen Kohlendioxid-Ausstoß ansetzt. Den Ländern steht zum Ausgleich jährlich ein Betrag von knapp 9 Milliarden zu. Der Anteil von Niedersachsen beträgt knapp 900 Millionen Euro.

Seitdem wird die Steuer vom Bundesministerium der Finanzen verwaltet, welches sich übergangsweise der Landesfinanzbehörden im Wege der Organleihe bei der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer bedient. Die Länder erhielten dafür eine pauschale Erstattung der Verwaltungskosten.

Quelle: FinMin Niedersachsen, Pressemitteilung vom 23.01.2014

FG Niedersachsen hält Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig – Begründung des Vorlagebeschlusses jetzt veröffentlicht

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2013 in dem Klageverfahren mit dem Az. 7 K 143/08 entschieden, dass das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eingeholt wird. Das vorlegende Finanzgericht ist von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (SolZG) auch aufgrund neuer Argumente weiterhin überzeugt und hält deshalb eine weitere Vorlage an das BVerfG für geboten.

Die neuen Argumente des 7. Senats des NFG beziehen sich auf Art. 3 Abs. 1 GG, also auf das verfassungsrechtliche Gebot, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich zu behandeln sind. Der Solidaritätszuschlag wird bei gleichgelagerten Sachverhalten in unterschiedlicher Höhe festgesetzt. Ausländische Einkünfte und inländische gewerbliche Einkünfte unterliegen wegen verschiedener steuerlicher Anrechnungsvorschriften nicht vollständig dem Solidaritätszuschlag. Folglich werden bei gleich hohem Einkommen Arbeitnehmer (wie der Kläger) durch den Solidaritätszuschlag stärker belastet als Gewerbetreibende und als Bezieher ausländischer Einkünfte. Nach Auffassung des 7. Senats des NFG ist damit der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

Der 7. Senat des NFG hatte in demselben Klageverfahren bereits mit Beschluss vom 25.11.2009 dem BVerfG die Rechtsfrage vorgelegt, ob das SolZG gegen die Finanzverfassung und damit gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen (Art. 2 Abs. 1 GG) verstößt. Eine Kammer des BVerfG erklärte diese Vorlage mit Beschluss vom 08.09.2010 (Az. 2 BvL 3/10) für unzulässig, weil sie die Bindungswirkung einer Senatsentscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1972 zu einer anderen Ergänzungsabgabe nicht hinreichend beachtet habe, so dass bislang noch keine inhaltliche verfassungsrechtliche Überprüfung des SolZG durch einen kompletten Senat des BVerfG vorliegt.

Nachfolgende Auszüge aus den Orientierungssätzen des insgesamt 70 Seiten umfassenden Beschlusses geben einen Überblick darüber, welche Erwägungen für den 7. Senat des NFG maßgebend waren.

1. Die Regelung der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Inländische und ausländische Einkünfte sowie inländische Einkünfte untereinander (gewerbliche und nichtgewerbliche) werden ungleich behandelt. So werden gewerbliche und ausländische Einkünfte durch bestimmte Reduzierungen der Bemessungsgrundlagen von dem Solidaritätszuschlag teilweise entlastet (dazu §§ 35, 34c des Einkommensteuergesetzes und § 26 des Körperschaftsteuergesetzes). Für diese Ungleichbehandlungen fehlen hinreichend tragfähige Rechtfertigungsgründe. Eine Begünstigung der gewerblichen Einkünfte bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags gegenüber nichtgewerblichen Einkünften war vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt; ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Belastung aller Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erfolgen. Auf die Feststellungen des Bundesrechnungshofs hat das Bundesministerium der Finanzen eingeräumt, dass ausländische Einkünfte derzeit nur eingeschränkt in die Berechnung des Solidaritätszuschlags einbezogen werden.

2. Nach den Rechtsgrundsätzen des BVerfG zur Rechtsstaatlichkeit des Besteuerungseingriffs des Staates gegenüber dem Bürger als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und unter Beachtung der Vorstellungen (Motive) des Verfassungsgebers kann überdies nicht begründet werden, dass der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 noch eine zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ist, mit der der Kläger auch im Streitjahr 2007 noch belastet werden darf. Die Gesetzgebungs- bzw. die Gesetzfortführungskompetenz für den Solidaritätszuschlag sind im Streitjahr 2007 entfallen. Das SolZG 1995 verletzt im Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und verstößt mithin gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Der Gesetzgeber hat sich nicht an die vom Verfassungsgeber gesetzten Regeln der Finanzverfassung gehalten.

3. Der Solidaritätszuschlag darf als Ergänzungsabgabe allein zur Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt erhoben werden, weil sich die Ergänzungsabgabe im Vergleich zu den sonstigen Steuern, die in der Finanzverfassung aufgezählt sind, wie die seltene Ausnahme zur Regel verhält. Zwar muss eine Ergänzungsabgabe nicht von vornherein befristet erhoben werden, jedoch verbietet der Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe eine dauerhafte, eine immerwährende Erhebung dieser Steuer. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Finanzierungsinstruments der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz im Jahre 1955. Die Fortführung des Solidaritätszuschlags widerspricht auch deshalb den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers, weil es in den letzten Jahren immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen gab, obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden ist. Der Bundesrat hat es im Jahr 1954 ausdrücklich als „nicht vertretbar“ erachtet, das Zuschlagsrecht (Ergänzungsabgabe) im Zusammenhang mit einer Steuertarifsenkung auszuüben und dadurch die steuerliche Entlastung zum Teil wieder aufzuheben (BT-Drs. 2/484 vom 29.04.1954, S. 1).

4. Der Annahme einer Bindungswirkung für das vorlegende Finanzgericht gemäß § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) steht die Unterschiedlichkeit der Vorlagegegenstände zwischen dem des vorliegenden Vorlagebeschlusses und dem der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.1972 1 BvL 16/69 (BVerfGE 32, S. 333) sowie die Divergenz zwischen den jeweiligen verfassungsrechtlichen Maßstäben entgegen. Soweit mit dem vorliegenden Beschluss eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG durch die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 3 SolZG geltend gemacht wird, ist überdies der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG nicht zu entnehmen, da eine verfassungsgerichtliche Entscheidung über die Vereinbarkeit des § 3 SolZG (einschließlich vergleichbarer Vorgängervorschriften früherer Ergänzungsabgaben) mit Art. 3 Abs. 1 GG bislang nicht getroffen worden ist.

Das Aktenzeichen des BVerfG wird demnächst auf der Internetseite des NFG veröffentlicht.

Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 24.01.2014 zum Vorlagebeschluss 7 K 143/08 vom 21.08.2013

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin