Ausgewogene Altersstruktur im Insolvenzverfahren: kein AGG-Verstoß

Ausgewogene Altersstruktur im Insolvenzverfahren: kein AGG-Verstoß

Kernaussage
Auch in der Insolvenz ist eine Kündigung nur dann wirksam, wenn die Sozialauswahl beachtet und der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt wurde. Die Sozialauswahl beschränkt sich auf die Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen und kann vom Arbeitsgericht auch nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sozialauswahl ist nur dann grob fehlerhaft, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Nach der ausdrücklichen insolvenzrechtlichen Regelung (125 Abs. 1 Nr. 2 InsO) ist die Sozialauswahl nicht grob fehlerhaft, wenn dadurch eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Deshalb kann der Insolvenzverwalter insbesondere solche Arbeitnehmer von der Kündigung ausnehmen, die er zur Erhaltung oder Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur braucht. Diese im Insolvenzverfahren eröffnete Möglichkeit der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch Bildung von Altersgruppen verletzt das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nicht; dies entschied aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Sachverhalt
Der 1960 geborene Kläger war bei dem Schuldnerunternehmen seit 1998 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Am 1.4.2011 wurde über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss am selben Tag mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der sich auch der Name des Klägers befand. Die Sozialauswahl wurde nach Altersgruppen vorgenommen. In der von Kündigungen ausgenommenen Altersgruppe 1 waren alle bis zu 44-jährigen Arbeitnehmer zusammengefasst. Das Durchschnittsalter aller Arbeitnehmer lag bei 51 Jahren. Mit Schreiben vom 1.4.2011 kündigte der beklagte Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.7.2011. Am 5.4.2011 ging der Betrieb auf ein weiteres Unternehmen über. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen die Kündigung und verlangt seine Weiterbeschäftigung bei dem übernehmenden Unternehmen. Er meinte, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft.

Entscheidung
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen. Die Darlegungen des beklagten Insolvenzverwalters ließen nicht erkennen, dass die Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch die vorgenommene Altersgruppenbildung sanierungsbedingt erforderlich war. Die streitenden Parteien werden nun Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags haben, denn bei einer Sozialauswahl ohne Altersgruppenbildung wäre die Auswahl bezogen auf den Kläger grob fehlerhaft.

Konsequenz
Die Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch Bildung von Altersgruppen ist grundsätzlich durch das legitime Ziel der Sanierung eines insolventen Unternehmens gerechtfertigt. Dennoch müssen die Arbeitsgerichte prüfen, ob die Altersgruppenbildung im konkreten Interessenausgleich auch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerechtfertigt ist. Der kündigende Insolvenzverwalter ist darlegungs- und beweispflichtig für die sanierungsbedingte Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung.

2014: Lohnsteuerliche Behandlung von unentgeltlichen oder verbilligten Mahlzeiten von Arbeitnehmern

2014: Lohnsteuerliche Behandlung von unentgeltlichen oder verbilligten Mahlzeiten von Arbeitnehmern

Kernproblem
Eine vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung gestellte „übliche“ Mahlzeit stellt Arbeitslohn dar und wird mit einem amtlichen Sachbezugswert besteuert. Die Mahlzeit ist dann vom Arbeitgeber veranlasst, wenn er Tag und Ort der Mahlzeitengestellung bestimmt. Davon ist auszugehen, wenn die Verpflegungskosten im Hinblick auf die beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit dienst- oder arbeitsrechtlich erstattet werden und die Rechnung auf den Arbeitgeber ausgestellt ist. Der Rechnungsausweis auf den Arbeitgeber ist im Fall einer sog. umsatzsteuerlichen Kleinbetragsrechnung von bis zu 150 EUR entbehrlich, soweit diese dem Arbeitgeber im Original vorliegt. Die für die Besteuerung maßgeblichen Beträge werden jährlich in der Sozialversicherungsentgeltverordnung neu festgelegt.

Neues Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) 
Nach Mitteilung des BMF betragen die Sachbezugswerte für ab dem Kalenderjahr 2014 gewährte „übliche“ Mahlzeiten für ein Mittag- oder Abendessen jeweils 3 EUR (2013: 2,93 EUR) und ein Frühstück 1,63 EUR (2013: 1,60 EUR). Die Üblichkeit einer Mahlzeit ist ab dem Jahr 2014 gesetzlich geregelt. Hierfür gilt eine Höchstgrenze von 60 EUR; bis zum Jahr 2013 galt durch Verwaltungsanweisung ein Betrag von bis zu 40 EUR noch als üblich. Die zur Mahlzeit eingenommenen Getränke sind bei der Prüfung einzubeziehen. Mahlzeiten von über 60 EUR dürfen nicht mit dem amtlichen Sachbezugswert angesetzt werden, denn hierbei unterstellt die Finanzverwaltung ein „Belohnungsessen“, das mit dem tatsächlichen Preis als Arbeitslohn angesetzt wird.

Konsequenz
Die neuen Sachbezugswerte sind ab dem Jahr 2014 anzusetzen. Eine Besteuerung als Arbeitslohn hat jedoch zu unterbleiben, wenn der Arbeitnehmer anlässlich einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit eine Verpflegungspauschale beanspruchen kann, z. B. bei Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte oder einer mehrtätigen Auswärtstätigkeit mit Übernachtung. Im Gegenzug sind die Verpflegungspauschalen des Arbeitnehmers entsprechend zu kürzen, und zwar für ein Mittag- oder Abendessen um jeweils 40 % und ein Frühstück um 20 % der zustehenden Verpflegungspauschale. Nicht zum Arbeitslohn gehören Mahlzeiten, die im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers abgegeben werden, z. B. anlässlich einer geschäftlich veranlassten Bewirtung oder bei herkömmlichen Betriebsveranstaltungen.

Arbeitgeber muss nachgewiesene Überstunden vergüten

Arbeitgeber muss nachgewiesene Überstunden vergüten

Kernaussage
Was geschieht, wenn der Chef die geleisteten Überstunden seines Arbeitnehmers anzweifelt und nicht vergüten will, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2012: Wer gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, um eine Vergütung für Mehrarbeit durchzusetzen, sollte genau dokumentiert haben, wann er wie lange gearbeitet hat.

Sachverhalt
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der in einer Filiale des beklagten Arbeitgebers beschäftigt war und Ausgleich für seine Mehrarbeit forderte. Der Arbeitgeber bestritt die Anzahl der Überstunden mit der Begründung, wegen des weit verzweigten Filialnetzes könne er nicht die Angaben eines jeden Mitarbeiters überprüfen. Das Gericht gab dem klagenden Arbeitnehmer Recht.

Entscheidung
Überstunden, die ein Mitarbeiter exakt angeben kann, muss der Arbeitgeber bezahlen oder mit Freizeit ausgleichen; so die Richter. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Mitarbeiter die Überstunden genau benennt. Zieht der Arbeitgeber diese Angaben in Zweifel, muss er nachweisen, dass keine Überstunden angefallen sind. Die Begründung des Arbeitgebers, die Entfernung zur Filiale sei zu groß gewesen, reichte den Richtern nicht. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass er Informationen über den Arbeitsablauf in den einzelnen Geschäftsstellen erhält.

Konsequenz
Bei Streit um die Anzahl von Überstunden kann der Arbeitgeber die geleistete Mehrarbeit nicht pauschal bestreiten. Dennoch obliegt es grundsätzlich demjenigen, der die Bezahlung von Überstunden fordert, diese auch zu belegen. Gegebenenfalls kann es daher sinnvoll sein, die einzelnen Tätigkeiten mit Datum und Uhrzeit exakt schriftlich festzuhalten.

Erschwerte Kündigung bei HIV Infizierung

Erschwerte Kündigung bei HIV Infizierung

Rechtslage
Eine HIV-Infektion galt im Arbeitsrecht (bisher) als Krankheit. Kündigungen HIV-infizierter Arbeitnehmer waren daher, jedenfalls wenn sie in der Probezeit ausgesprochen wurden, vergleichsweise einfach möglich. Nach Ablauf der Probezeit war die Kündigung als krankheitsbedingte Kündigung, insbesondere in sensiblen Arbeitsbereichen, ebenfalls möglich Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Möglichkeiten nunmehr wohl eindeutig eingeschränkt.

Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war bei einem Pharmaunternehmen im so genannten Reinraum in der Produktion von Arzneimitteln beschäftigt, die auch intravenös verabreicht werden. Im Rahmen einer betriebsärztlichen Untersuchung in der Probezeit wurde die HIV-Infektion des Arbeitnehmers bekannt. Der Arbeitgeber kündigte darauf in der Probezeit das Arbeitsverhältnis; und zwar auch deshalb weil ein Verletzungsrisiko im Umgang mit Glas im Reinraum und eine anschließende Kontamination der Arzneimittel nicht auszuschließen sei. Hiergegen wandte sich der Arbeitnehmer mit der Begründung, diskriminiert zu werden.

Entscheidung
Das BAG gab dem Kläger zwar nicht endgültig Recht, sondern verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück. In seiner Entscheidung setzte das BAG die HIV Infektion aber mit einer Behinderung gleich und erschwerte damit die Kündigungsmöglichkeiten, weil die Kündigung, insbesondere auch die Probezeitkündigung, unter Beachtung der Anti-Diskriminierungsgrundsätze zu prüfen sei. Eine Kündigung alleine wegen der HIV-Infektion sei jedenfalls diskriminierend. Die Zurückverweisung an die Vorinstanz erfolgte wegen der Beschäftigung im Reinraum. Denn Arbeitgeber müssen kein Infektionsrisiko tragen; allerdings bleibt zu prüfen, ob es arbeitgeberseitige Maßnahmen gegeben hätte, die dem Kläger eine Arbeit im Reinraum ermöglicht hätten.

Konsequenz
Das Gleichsetzen einer HIV-Infektion mit einer Schwerbehinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) macht Kündigung wegen der HIV-Infektion in normalen Arbeitsverhältnissen faktisch unmöglich. Etwas Anderes – und hierüber ist noch zu entscheiden – kann dort gelten, wo sensible Arbeitsbereiche betroffen sind.

Entschädigungsanspruch bei Kündigung während Schwangerschaft

Entschädigungsanspruch bei Kündigung während Schwangerschaft

Kernfrage
Neben dem Mutterschutzgesetz sieht auch das Allgemeine Gelichbehandlungsgesetz (AGG) besondere Schutzregelungen für Schwangere vor; diese sind insbesondere gegen Benachteiligungen wegen der Schwangerschaft besonders geschützt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob der besondere Schutz des AGG einen selbständigen Entschädigungsanspruch auslöst, wenn das Mutterschutzgesetz bereits vor einer Kündigung wegen der Schwangerschaft schützt.

Sachverhalt
Die schwangere Klägerin unterlag wegen Schwangerschaftskomplikationen einem Beschäftigungsverbot, das der Arbeitgeber – ein Kleinbetrieb – nicht akzeptieren wollte. Als bei der Arbeitnehmerin festgestellt wurde, dass diese ihr Kind verloren hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis noch am selben Tag. Gegen die Kündigung führte die Arbeitnehmerin eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage. Daneben machte sie einen auf die Diskriminierungsbestimmungen des AGG gestützten Entschädigungsanspruch geltend.

Entscheidung
Das BAG gab der Klägerin Recht. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Kündigung sei hier der Anwendungsbereich des AGG eröffnet, weil die Arbeitnehmerin offensichtlich wegen ihres Geschlechts (der Schwangerschaft) benachteiligt worden sei. Diese zeige sich nicht nur daran, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis an dem Tag gekündigt habe, als er vom Verlust des Kindes erfahren habe, sondern bereits vorher, als er das Beschäftigungsverbot missachten wollte.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt – hier an einem besonders deutlichen Fall – dass bei einer Benachteiligung von schwangeren Arbeitnehmerinnen die Anwendung des AGG und damit ein Schadensersatzanspruch in Geld neben den weiteren besonderen Schutzvorschriften für Schwangere möglich ist.

Fristlose Kündigung: darf bei Streit um Lohn die Arbeit verweigert werden?

Fristlose Kündigung: darf bei Streit um Lohn die Arbeit verweigert werden?

Kernaussage
Wer sich beharrlich weigert, seine Arbeit auszuführen, weil er denkt, er sei nicht ausreichend vergütet, riskiert eine fristlose Kündigung. Auch ein Irrtum schützt hier nicht vor der Kündigung. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein kürzlich entschieden.

Sachverhalt
Der 49-jährige Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin seit gut einem Jahr als Bodenleger beschäftigt. Für bestimmte Bodenverlegearbeiten war ein Akkordsatz vereinbart, ansonsten ein Stundenlohn von 12 EUR. Der Kläger sollte in 40 nahezu identischen Häusern im Akkord Bodenbelag verlegen. Dabei musste er vorbereitend – wie üblich – auch den Belag in die einzelnen Häuser transportieren, den Untergrund reinigen sowie den Belag zu- und Dämmstreifen abschneiden. Nach 2 Tagen Arbeit rechnete er sich seinen Durchschnittsstundenlohn aus und kam auf einen Betrag von 7,86 EUR brutto. Daraufhin forderte er vom Geschäftsführer einen adäquaten Stundenlohn für diese Baustellen oder aber einen anderen Einsatzort. Dieser lehnte beides ab und forderte den Kläger in mehreren Gesprächen eindringlich auf, die zugewiesene Arbeit auszuführen. Zuletzt drohte er ihm die fristlose Kündigung an. Der Kläger hielt an seiner Verweigerungshaltung fest. Das Arbeitsverhältnis wurde daraufhin fristlos gekündigt. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Dem Kläger habe noch die Möglichkeit gegeben werden müssen, seine Position zu überdenken und zu überprüfen. Dem folgte das Landesarbeitsgericht nicht und hob die Entscheidung auf.

Entscheidung
Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger die Arbeit nicht verweigern durfte, weil zu Bodenverlegearbeiten unstreitig Zusammenhangsarbeiten gehörten. Daran ändere auch eine möglicherweise unzureichende Vergütungsabrede nichts. Es galt die getroffene Vereinbarung. Der Kläger musste daher erst einmal die zugewiesene Arbeit verrichten und durfte sie nicht zurückhalten. Den Vergütungsstreit hätte er ggf. später nach Erhalt der Abrechnung führen müssen. Dass sich der Kläger insoweit über ein Zurückbehaltungsrecht geirrt hat, war unbeachtlich. Das Irrtumsrisiko trage der Arbeitnehmer. Wegen der Beharrlichkeit der Weigerung war hier die fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Konsequenz
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Steuerliche Trennung von nebeneinander ausgeübter gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit

Steuerliche Trennung von nebeneinander ausgeübter gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit

Kernaussage
Gewerbliche (als Praxisbetreiber) und freiberufliche Tätigkeiten (als Behandelnder mit Mitarbeitern) eines Krankengymnasten, die nebeneinander ausgeübt werden, sind steuerliche getrennt zu behandeln, wenn dies nach dem Patientenstamm problemlos möglich ist oder der Tätigkeitsumfang geschätzt werden kann.

Sachverhalt
Die Klägerin betreibt seit 2001 eine eigene Praxis für Krankengymnastik. Sie beschäftigte in den Streitjahren jeweils 4 bis 5 festangestellte Mitarbeiter, die jeweils 20 bis 30 Wochenstunden tätig waren. Im Jahr 2007 kam es in der Praxis zu einer erheblichen Auftragszunahme, die von der Klägerin mit ihren angestellten Mitarbeitern alleine nicht zu bewältigen war, so dass die Klägerin in den Streitjahren 2007 bis 2009 zusätzlich jeweils 3 bis 4 Honorarkräfte beschäftigte. Die Praxis verfügte in den Streitjahren über 4 zugelassene Behandlungsräume, wovon ein Raum ausschließlich von der Klägerin genutzt wurde. Das Finanzamt behandelte die gesamten Einkünfte der Klägerin aus ihrer Praxis als gewerbliche Einkünfte. Es war der Ansicht, dass nach dem Umfang der Fremdleistungen – Gesamtumsatz rd. 300.000 EUR; Aufwand für Honorarkräfte 100.000 EUR; Personalkosten über 50.000 EUR – keine eigenverantwortliche Tätigkeit der Klägerin mehr vorliege. Da somit weit über die Hälfte der Leistungen nicht unmittelbar von der Klägerin erbracht würden, könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sämtliche Leistungen den vom Bundesfinanzhof (BFH) geforderten „Stempel der Persönlichkeit“ der Klägerin trügen.

Entscheidung
Die hiergegen erhobene Klage war nur teilweise erfolgreich. Im Urteil führt das Finanzgericht Hamburg aus, dass eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit eines Krankengymnasten nur vorliege, wenn er – hinausgehend über Erstgespräch, gelegentliche Kontrollen und Abrechnungskontrolle – bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nehme und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchführe. Allerdings könne ein Krankengymnast nebeneinander sowohl eine gewerbliche (als Praxisinhaber) als auch und eine freiberufliche Tätigkeit (als selbst Behandelnder) ausüben. Die Tätigkeiten seien steuerlich getrennt zu behandeln, wenn eine Trennung z. B. nach den einzelnen behandelten Patienten ohne besondere Schwierigkeiten möglich sei oder der Umfang der Tätigkeit anhand bekannter Daten geschätzt werden könne. In dem entschiedenen Fall kam das Gericht unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass in den Streitjahren jeweils ein freiberuflicher Anteil von 25 % des Gesamtgewinns als am wahrscheinlichsten anzunehmen sei.

Konsequenz
Gegen das Urteil des Finanzgericht Hamburg wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt, der nun das letzte Wort in dieser Sache hat.

Kleinunternehmer: Option zur Umsatzsteuer durch Umsatzsteuererklärung?

Kleinunternehmer: Option zur Umsatzsteuer durch Umsatzsteuererklärung?

Kernaussage
Von Kleinunternehmern, die bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreiten, wird keine Umsatzsteuer erhoben. Im Gegenzug dürfen sie auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Um diesen zu erreichen, können sie zur Umsatzsteuer optieren, sind dann aber 5 Jahre hieran gebunden.

Sachverhalt
Der klagende Kleinunternehmer nahm irrtümlich an, dass er die maßgebliche Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten habe und gab daraufhin eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2006 ab. In dieser deklarierte er die Umsatzsteuer; die Zeilen mit den Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer füllte er dagegen nicht aus. Nachdem die Veranlagung des Jahres 2006 bestandskräftig geworden war, fiel dem Kläger der Irrtum auf. Er beantragte daraufhin, für die Folgejahre wiederum als Kleinunternehmer behandelt zu werden, da die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine Option zur Umsatzbesteuerung darstelle.

Entscheidung
Entgegen der Vorinstanz, vertritt der Bundesfinanzhof (BFH) die Ansicht, dass die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit darin enthaltener Berechnung der Umsatzsteuer als konkludente Option zur Regelbesteuerung gewertet werden kann. Allerdings kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob die Erklärung zweifelsfrei als Option zu verstehen ist. Verbleiben Zweifel, so muss das Finanzamt diese durch Befragung des Kleinunternehmers ausräumen, ansonsten kann ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nicht angenommen werden.

Konsequenz
Der BFH hat den Fall an die Vorinstanz zurück verwiesen, da unklar war, ob das Finanzamt tatsächlich die Umsatzsteuer-Jahreserklärung als Option werten durfte. Dem könnte entgegenstehen, dass das Finanzamt auch ohne Option davon ausging, dass der Kläger in 2006 der Regelbesteuerung unterliegen würde. Denn ein Aktenvermerk des Finanzamts wies darauf hin, dass der Kläger in 2005 die maßgebliche Umsatzgrenze überschritten habe, so dass in 2006 dem Kläger gar keine Option mehr offen stehen würde. Sollte die Vorinstanz die Option bestätigen, so wird der Kläger 5 Jahre an die Regelbesteuerung gebunden sein. Denn die Rücknahme der Option nach Bestandskraft des Bescheids für 2006 ist wirkungslos. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger diese nur irrtümlich erklärt hat.

Strom: Widerruf von Versorgererlaubnis ist keine Gewerbeuntersagung

Strom: Widerruf von Versorgererlaubnis ist keine Gewerbeuntersagung

Kernaussage
Auch wenn der Widerruf einer Versorgererlaubnis eine wesentliche Grundlage für die konkrete Gewerbeausübung eines Stromversorgers betrifft, stellt dies keine Gewerbeuntersagung oder eine ihr gleichzustellenden Maßnahme dar. So entschied im Sommer 2013 das Finanzgericht Hamburg.

Sachverhalt
Die Finanzrichter hatten über einen Eilantrag eines als Stromversorger tätigen Unternehmens zu entscheiden: Das Hauptzollamt (HZA) hatte wegen Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Versorgers dessen Stromerzeugererlaubnis widerrufen. Mit dem Widerruf untersagte es die Nutzung der Erlaubnis und forderte das Stromversorgerunternehmen zur unverzüglichen Rückgabe der erteilten Erlaubnisscheine auf. Das Unternehmen legte hiergegen Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde, und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Widerrufsverfügung. Der Antrag blieb erfolglos.

Entscheidung
Nach Ansicht des Finanzgerichts war der Widerruf bereits wegen Fehlens des Jahresabschlusses 2011 gerechtfertigt. Wegen wiederholter und massiver Verletzung der Anzeigepflichten bestünden zudem Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Versorgerunternehmens, vor allem habe es das HZA weder über die Lieferung von Strom auch an Kunden ohne Erlaubnisschein informiert noch über die erheblichen Erhöhungen der gelieferten Strommengen. Der Stromsteueranspruch sei konkret gefährdet, zumal das Unternehmen hohe Steuerbeträge schulde und den Strom nicht kostendeckend veräußere. Dass die Unternehmensgruppe, zu der das Versorgerunternehmen gehöre, insgesamt Gewinne erziele, sei unerheblich. Vielmehr verstärke der Umstand, dass Aufwendungen und Erträge in unterschiedlichen Gesellschaften anfielen, die Gefährdungsprognose. Schließlich führe der Widerruf auch nicht zu einer unbilligen Härte; eine Existenzbedrohung war von dem Unternehmen nicht hinreichend dargelegt worden.

Konsequenz
Die Vollziehung des Widerrufs war auch nicht infolge der Einspruchseinlegung gehemmt, so die Richter. Zwar bestimmt die Abgabenordnung (AO), dass die Einlegung eines Einspruchs, der sich gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung richtet, ausnahmsweise die Vollziehung eines Bescheids hemmt. Indes ist der Widerruf einer Stromversorgererlaubnis keine Gewerbeuntersagung, auch wenn der Verlust der Erlaubnis beim Betroffenen existenzbedrohende Probleme verursachen kann. Letztlich ist die Tätigkeit eines Versorgers durch den Widerruf nur insoweit betroffen, als ihm – zur Vermeidung einer Gefährdung der Steuerbelange – die Vorteile des im Stromsteuergesetz geregelten Steueranmeldungssystems nicht mehr gewährt werden, und er wieder zur sofortigen Steueranmeldung und -entrichtung verpflichtet ist. Zwischenzeitlich hat auch der Bundesfinanzhof (BFH) dem Finanzgericht Recht gegeben.

KSt-Befreiung für Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheke

KSt-Befreiung für Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheke

Kernaussage
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte im Sommer 2013 entschieden, dass die Abgabe von Medikamenten zur Krebsbehandlung (sog. Zytostatika) durch eine Krankenhausapotheke zur sofortigen ambulanten Verabreichung an Patienten von der Körperschaftsteuer befreit ist, wenn das Krankenhaus, von dem die Apotheke betrieben wird, ein gemeinnütziger Zweckbetrieb ist. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auch auf die Gewerbesteuer, wie sich aus einem weiteren Urteil vom selben Tag ergibt.

Sachverhalt
Bei einem gemeinnützigen Krankenhaus ist die Steuerbefreiung nicht auf die unmittelbare ärztliche und pflegerische Betätigung begrenzt. Sie erstreckt sich vielmehr auf alle typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbrachten Leistungen. Steuerfrei sind hiernach jedenfalls alle Einkünfte aus Tätigkeiten, die den Krankenhäusern gesetzlich zur Sicherstellung ihres Versorgungsauftrags übertragen sind und für die der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich eintreten muss.

Entscheidung
Ob die Krankenhausapotheke zu öffentlichen Apotheken in Wettbewerb tritt, ist für den Umfang der Steuerbefreiung nach deutschem Recht ohne Belang. Der BFH hat aber darauf hingewiesen, dass das Gemeinnützigkeitsrecht aufgrund der Wettbewerbsrelevanz beihilferechtlichen Bedenken unterliegt. Diese Bedenken erlaubten dem BFH in dem entschiedenen Fall zwar nicht, die gesetzlich vorgesehene Steuerbefreiung zu verweigern. Der BFH hat jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass die EU-Kommission berufen wäre, die Steuerbefreiungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen und den Gesetzgeber ggf. zu einer Anpassung der deutschen Rechtslage aufzufordern.

Konsequenz
Der Entscheidung kann keine Aussage zu der vergleichbaren umsatzsteuerrechtlichen Problematik entnommen werden. Der BFH hat in dem dazu anhängigen Revisionsverfahren das Verfahren ausgesetzt und die Frage der Steuerbefreiung dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Ausgang jenes Verfahrens bleibt insoweit abzuwarten.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin